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____________________________ PERMAKUITUR _ Vor Millionen von Jahren wurde das erste Gewächshaus gebaut - oder eine Permakultur-Forschungsreise nach Norwegen Permakultur-Gewächshaus. Teich mit noch halbleeren Hochbeeten nach dem Bau mit Steinwänden. Im Februar 2011 wurde das "For- schungsinstitut für Permakultur und Transition" 1 im Al/gäu (Bayern) ge- gründet (siehe hierzu auch die Seiten 71-72). Mitte August 2011 unterneh- menjochen und Nadine Koller eine Forschungsreise nach Norwegen zu Herwig Pommeresche und Ingvsld Erga. Herwig Pommeresche ist unseren LeserInnen seit vielen jahren durch seine Beiträge in unserer Zeitschrift und auch als Buchautor bekannt. 1 Transition: lateinisch für Übergang D er Grund der Reise nach Norwegen war, das Wissen, die Ideen, Gedanken und die Dokumente des mitt- lerweile 73-jährigen Herwig Pommeresche für die Nach- welt zu sammeln, gegebenen- falls aufzubereiten und zu ver- öffentlichen bzw. ihn dabei zu unterstützen oder ihn zu ermu- tigen. v. re. n. H.: Siri Pommeresche, die Ehefrau von Herwig, unser Autor Jochen Koller, Herwig Pommeresche. NATÜRLICH GÄRTNERN· Nr. 612011 39

PK Pommeresche Norwegen

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____________________________ PERMAKUITUR _

Vor Millionen von Jahren wurde daserste Gewächshaus gebaut- oder eine Permakultur-Forschungsreise nach Norwegen

Permakultur-Gewächshaus. Teich mit noch halbleeren Hochbeetennach dem Bau mit Steinwänden.

Im Februar 2011 wurde das "For-schungsinstitut für Permakultur undTransition" 1im Al/gäu (Bayern) ge-gründet (siehe hierzu auch die Seiten71-72). Mitte August 2011 unterneh-menjochen und Nadine Koller eineForschungsreise nach Norwegen zuHerwig Pommeresche und IngvsldErga. Herwig Pommeresche ist unserenLeserInnen seit vielen jahren durchseine Beiträge in unserer Zeitschriftund auch als Buchautor bekannt.1 Transition: lateinisch für Übergang

Der Grund der Reise nachNorwegen war, das

Wissen, die Ideen, Gedankenund die Dokumente des mitt-lerweile 73-jährigen HerwigPommeresche für die Nach-welt zu sammeln, gegebenen-falls aufzubereiten und zu ver-öffentlichen bzw. ihn dabei zuunterstützen oder ihn zu ermu-tigen.

v. re. n. H.: Siri Pommeresche, die Ehefrau von Herwig,unser Autor Jochen Koller, Herwig Pommeresche.

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PERMAKULTUR -----':,4'

Der Privatforscher und Autor Herwigorameresche, Träger der France-Medaille

201 ()2, ist nach eigenen Aussagen "Hand-werket und Gedankenwerker" . Er studiertein Deutschland Architektur und ist seit1988 Permskultur-Urgestein in Norwegen,wo er seit etwa 30 Jahren lebt Pommere-sche organisierte 1993 die V InternationalePermakulturkonferenz (IPC 5, Weltkongressfür Permakultur) in Skandinavien mit

Für mich ist Herwig Pommeresche ein ge-nialer Sammler und Denker. Seine Artikelund Bücher bieten eine wichtige Grundlagefür eine andere "Denke" in Bezug auf Le-bensvorgänge, einer wirklich biologischenLandwirtschaft und Nahrungsmittelprodukti-

Permakultur-Gewächshaus. HerwigPommeresche begutachtet den Riesen-kohlrabi.

on in Land- und Stadtgärten und vielesmehr. Dabei ist nicht alles neu oder vonihm, aber die Stimmen derer, die schonmanches ähnlich gesagt haben, wie bei-spielsweise Raoul H. Frence, Annie Frence-Harrar, Hugo SchanderIoder Hans PeterRusch u.a. sind im Allgemeinen verstummtoder stumm gemacht worden.

Das "KleineHumussphärenmuseum"

Herwig hat in Brusand (Südwest-Norwe-gen) in seinem vor 40 Jahren selbstgebauten~:-äökologischen Haus das "Kleine Humus-"'. ärenmuseum" eingerichtet Im Keller

.-::.dGarten hat er die entsprechenden Ver-__=e durchgeführt, die es ihm ermöglich--::::, von einem Ouadratmeter Garten, der~_",:-Jnglich fast keinen Humus hatte, z.B.=- _-, ogramm gelbe Rüben zu ernten oder

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Herwigs "Humussphärenmuseum " als Holzhaus mit fast 40jähriger Dachbegrünung.

18 Kilogramm Zwiebeln, während der kon-ventionelle Nachbar eineinhalb KilogrammZwiebeln pro Ouadratmeter erntete.

Dies ist nicht durch eine andere "Dün-gung", sondern nur durch eine andere"Denke" (nach Hsns-Peter Dürr, 2009)möglich. Ganz im Gegensatz zu einer an derChemie orientierten "Denke" der konven-tionellen Landwirtschaft. Auch die meistenBio-Landwirte oder -gärtner denken nochoder wieder viel zur sehr in Richtung Che-mie ( z.B. wie viel Stickstoff im Boden ist an-statt zu erkunden, wie viel Leben dort ent-halten ist).

Der Besuch im Humussphärenmuseum er-öffnet dem Besucher ein anderes Weltbildzur Funktion des Lebens. Demnach sindnicht die Pflanzen die Primärproduzentenvon Nahrung, wie überall gelehrt wird, son-

Kolloidale Gallerte an einem so genann-ten Tintenstrich am Felsen im Gartenvon Herwig Pommeresche. Die Bewoh-ner sind "Steinfresser" (Lithobionten),eine Symbiose aus warzigen, violettenbis schwärzlichen Algen, Cyanobakte-rien und anderen Mikroorganismen.Foto: Herwig Pommeresche

dern die Mikroorganismen. Sie werden, ambesten zusammen mit anderen organischenund anorganischen Bestandteilen, ganz oderin Teilen lebend, von den Pflanzen "gefres-sen" und "umgewest". (Ein Verwesen gibtes nicht Bevor das geschieht, werden die"Verstorbenen" schon in großen Stückenvon anderen Lebewesen "gefressen" und inden eigenen Körper eingebaut = .umge-west").

Dass diese Pflanzenernährung und Le-bensvorgänge nicht eine Einzelmeinungeines exzentrischen Deutschen in Norwe-gen sind, konnte ich dem Literaturangebotim Museum entnehmen.

Gewächshaus aus kolloidalerGallerte: "Tintenstriche"

Wenn man sich dabei wie Herwig Pomme-resche davon löst, eine Tatsache nur immerunter einem Aspekt zu sehen, und ein wenigquer denkt und dann die Natur genauer an-schaut, kommt man schnell darauf, Struktu-ren zu suchen und zu erkennen. Dannkommt man beispielsweise auch schnell dar-auf, wer weltweit das erste "Gewächshaus"als seine Wohnung und "Arbeitsstätte" gebauthat und sie sogar immer wieder ausbautDenn wissen Sie, wer bei "Wind und Wetter"und Außentemperaturen zwischen minus 60Grad Celsius und plus 60 Grad Celsius aneinem Fels lebt und "arbeitet"? Auf dem BildSeite 40 unten, ist ein solches "Gewächs-haus" zu sehen. Es besteht aus einer kolloidalen Gallerte. Die Bewohner sind "Steinfres-ser" (Lithobionten), von der Biologie auch als.Tintenstriche" bezeichnet Es handelt sich

2 Benannt nach Raoul H. Frsnce, dem Begründer der Bodenbiologie, der Bodenökologie und der modemenHumusforschung sowie der frühen Bionik.

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Permakultur-Gewächshaus. Eine reiche Ernte.

um eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft auswarzigen, violetten bis schwärzlichen Algen,Cyanobakterien und anderen Mikroorganis-men, die erst die "Erlösung aus dem Fels"(France-Harrar) und damit die weitere Erosi-on durch Kälte, Wärme, Wasser und Windund letztendlich den Hurnusaufbau möglichmachen. Diese Gemeinschaft betätigt sichalso als Erfmder des "Gewächshauses" undmacht darm auch noch den ersten Humusselbst bzw. bereitet ihn vor.

Dass auch Pflanzen geniale Erfinder sind,beschreibt schon ein Buch, das auch in Her-wig Pommersches Humussphärenrnuseumzu finden ist: "Die Pflanze als Erfinder" vonkeinem Geringeren als Raoul H. Frence vor100 Jahren geschrieben. Übrigens hatFrance folgerichtig das erste Patent der Bio-nik (früher Biotechnik) bekommen, in demer Einrichtungen der Mohnkapsel für andereZwecke nachgebaut hat.

Das Permakulturgewächshaus vonIngvsld Erga

Kommen wir zu einern Gewächshaus, dasvon Menschen gebaut wurde. Es ist dasWerk von lngvald Erga, ebenfalls ein Perma-kulturaktivist und Freund von Herwig Porn-meresche.

In der Gegend der Wohnplätze von Her-wig und Ingvald beeinflußt der Atlantik unddamit die Nordsee das Klima. Hier herrschtständig Wind, die Böden sind sauer (früherriesige Moore) und es regnet ziemlich viel.Ich karmte Ingvalds Gewächshaus bisher

nur von einern Foto. Der Besuch dort hatmich sehr ergriffen: das Gewächshaus selbstmit den gewachsenen Strukturen der Bäumeund Stauden und des Teiches mit seinen flie-ßenden Formen, aber natürlich auch dergroßzügige Betreiber Ingvald Erga. Ingvaldwar und ist für die Permakulturbewegung inNorwegen wichtig. Neben dem Gewächs-haus hat er übrigens auch noch ein Strohbal-lenhaus als Schulungsstätte gebaut. Das Ge-wächshaus wäre mit innenliegendemkleinem Kernhaus auch ein interessantesWohnhaus.

Stabile GewächshäuserLieferung bundesweit frei Haus!

[mGllde in GermGllny j

Leider habe ich auf meiner Reise nur we-nige Kilometer entfernt auch eine andereRealität kennen gelernt. Ich sah zweistöcki·ge Gewächshäuser mit Tomaten, direkt da-neben Wohn container für die ausländischenBilligarbeiter und wiederum daneben einen

Dauerkulturen im Permakultur-Gewächshaus. Weintrauben mit Hochbeet. ImHintergrund das Nektarinengehölz mit Früchten.

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Industrie-Schlachthof und andere Fabrikender Nahrungsmittelindustrie. Ein ziemlich er-schreckender Anblick. Es ist die Nahrungs-grundlage der meisten Norweger, denn öko-logische Landwirtschaft ist in Norwegenselten und oft schwierig umzusetzen bzw.methodisch ungenügend, wie ich an andererStelle erleben konnte. Dort wurde dem Bio-Bauern bei einem Starkregen durch ungenü-gende Struktur und Anlage des Ackers einegroße Menge Humus weggewaschen, wäh-rend Herwig Pommeresche in seinem Perma-kultur-Garten in weniger als 40 Jahren mehrals 40 Zentimeter Humus aufgebaut hat.

Mein Resümee und meine Forderung nachdieser sehr interessanten Reise: Wir brauchenmehr gärtnerische Nahrungsmittelerzeugung!

Herwig Pommeresche belegt eindrücklichauch mit Zahlen, dass eine naturgemäß wirt-schaftende, gärtnerisch orientierte Bio-Land-wirtschaft der chemisch denkenden konven-tionellen (und biologischen) Landwirtschaftum ein Vielfaches an Produktivität und sinn-voller Ressourcennutzung überlegen ist. Erwill dazu wieder in bewährter Zusammenar-beit mit dem OLVVerlag ein weiteres Buchherausbringen. Es wird viele .freilaufende"Gedanken aus vielen Richtungen einsam-meln, um die netzwerkartigen Verknüpfun-gen für ein lebendiges Verständnis in unse-ren Wahrnehmungen wachzurufen. Dassdieses Buch herausgegeben wird, ist auchein großes Ziel unseres Institutes. Wir wer-äen ihn und den OLVVerlag dabei, falls not-

wendig, unterstützen. Eine kleine Vorschau:~~ er dem Arbeitstitel "SYMBIO" soll indiesem Werk ein neu es , allgemein verständ-iches Denksystem beschrieben werden, das

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Bild links: Perrnakultur-Gewächshaus. Eine Szenevom Baubeginn: Rückwand (Nordwall) des Ge-wächshauses mit den ersten Hochbeeten (links).

Bild unten: Dauerkulturen im Permakultur-Gewächshaus. Gesunde Nektarinen.

die Vorstellungen und Funktionen von Le-benssubstanzen zum ersten Mal aus den fastzweihundert jährigen Totstoffvorstellungender Chemie herauslöst. So befreit hiervonbietet "SYMBIO" dann ganz unerwarteteAnregungen zu praktischen, echtbiolegt-sehen Verständnissen aus Vergangenheit,Gegenwart und, ganz wichtig, Zukunft. Dieallgegenwärtigen Totstoffvorstellungen rie-geln uns momentan von solch einer völliganderen "Denke" hermetisch ab. Ich freuemich schon auf dieses Buch.Text und Fotos: Jochen Koller

Der AutorJochen Koller ist Dipl. Permakultur-Desi-

gner. Er lebt und arbeitet in Sonthofen/ All-gäu. Er ist unter anderem der Mitbegründerdes "Forschungsinstitutes für Permakulturund Transition". Er nennt das Vernetzen,Forschen und Initiieren als seine Haupttätig-keiten.

Der Autor im Internetwww.permakultur-koller.dewww.permakultur-forschungsinstitut.netLiteraturtippDürr, H.-P. (2009): Auch die Wissenschaftspricht nur in Gleichnissen. Die neue Bezie-hung zwischen Religion und Naturwissen-schaften. Herder, Freiburg. 6. Auflage

Dürr, H.-P. (2009): Warum es ums Ganzegeht. Neues Denke für eine Welt im Um-bruch. Oekom, MünchenFrence, R. H. (2011): Das Leben imBoden/Das Edaphon. OLVVerlag, Kevelaer.3. NeuauflageFrence, R. H. : Die Pflanze als Erfinder. Beiwww.france-harrar.de unter Forum auf "DiePflanze als Erfinder" gehen. Dort ist das Buchüber Internetlink herunterladbar.Frence-Herrst; A. (2007): Die letzte Chancefür ein Zukunft ohne Not. BTO-Eigenverlag.Neuauflage der Erstauflage aus dem Jahr1957. Zu beziehen über OLVVerlag, Keve-laerFrence-Hsrrst; A.: Handbuch des Bodenle-bens. Mit 40 handgezeichneten mikroskopi-schen Farbtafeln. BTO-Eigenverlag nacheinem Manuskript aus dem Jahr 1959. Zu be-ziehen über OLVVerlag, KevelaerFrence-Herrst; A. (1957).: Humus, Bodenle-ben, Fruchtbarkeit. Als Download unterwww.france-harrar.de/index.php/Humus-Fruchtbarkeit.htm!.Pommeresctie, H. (2004): Humussphäre.Humus - Ein Stoff oder ein System? OLVVer-lag, Xanten und KevelaerRusch, H. P. (2004): Bodenfruchtbarkeit.Eine Studie biologischen Denkens. OLVVer-lag, Xanten und Kevelaer