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UNTERWEGS IN NORWEGEN KULINARISCHE LANDSCHAFTSROUTEN kulinarischelandschaftsrouten.com

Unterwegs in Norwegen - Kulinarische Landschaftsrouten

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Unterwegs in Norwegen - Kulinarische Landschaftsrouten

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UNTERWEGS IN NORWEGENKULINARISCHE LANDSCHAFTSROUTEN

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NORWEGISCHE LANDSCHAFTSROUTEN

– Ausgewählte Touren durch die schönsten Naturgebiete, die Norwegen zu bieten hat. Noch immer gibt es Straßen und Wege, die Sie nicht einfach nur auf dem schnellsten Weg zum Ziel führen. Auf den norwegischen Landschaftsrouten können Sie schöne Touren abseits des Gewöhn-lichen erleben. Jede der achtzehn Routen hat ihren ganz besonderen Charakter und weiß ihre eigene Geschichte zu erzählen. Die nor-wegische Straßenverwaltungsbehörde Statens vegvesen hat diese Strecken für die Reisenden ausgebaut und bietet mit interessanten Aussichtspunkten, Serviceeinrichtungen, Park- und Rastplätzen, Wanderpfaden und Kunsterlebnissen ein umfassendes Angebot. Ungewöhnliche und innovative Architektur inmitten der großartigen Natur: das Einzigartige an den norwegischen Landschaftsrouten.

Das vorliegende Magazin und die Website matlangsnasjonale-turistveger.no sind Kostproben, mit denen das Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung diese besonderen kulinarischen Erlebnisse und Reiseziele entlang der Landschaftsrouten sichtbar machen möchte. Magazin und Website nehmen Sie mit auf eine Reise über die fünf Landschaftsrouten Sognefjellet, Geiranger–Trollstigen, Gamle Strynefjellsvegen, Valdresflye und Rondane, wo Sie einzigartige Kulturlandschaften, hervorragende Bewirtung und lokale Sehenswürdigkeiten erwarten.

nasjonaleturistveger.no kulinarischelandschaftsrouten.com

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Verfolgen Sie unsere Reise unter:kulinarischelandschaftsrouten.com

UNTERWEGS IN NORWEGEN

KOORDINATOREgil Ørjan Thorsen

[email protected]

REDAKTEURINMarit Sigurdson

[email protected]

FOTOGRAFINTina Stafrén

[email protected]

Espen [email protected]

ART DIRECTORJohan Hallström

[email protected]

AUTORENMarit Sigurdson

Eirik Dankel

ÜBERSETZUNGAndreas Brunstermann

PRODUKTIONJUNIOR Creative agency

juniorosd.se

DRUCKEREIRheinisch-bergische druckerei gmbh

GRUNDSÄTZLICHE WERTMASSSTÄBE VON »KULINARISCHE ERLEBNISSE ENTLANG DER NORWEGISCHEN LANDSCHAFTSROUTEN«

Die Betreiber von “Kulinarische Erlebnisse entlang der norwegischen Landschaftsrouten agieren als Botschafter des guten Geschmacks und achten dabei besonders auf Rohwaren, Qualität, Geschichte und freundliche Gastgeber. -DURCH DIE BEGEGNUNG MIT KOLLEGEN, LIEFERANTEN UND REISENDEN GÄSTEN MÖCHTEN WIR DIE GASTFREUNDSCHAFT FÖRDERN.

-WIR MÖCHTEN DIE VIELFALT DER ROHWAREN UND LEBENSMITTELPRODUKTE IN NORWEGEN ERHÖHEN UND AUF GESCHMACK UND BESONDERHEITEN DER WAREN

HINWEISEN, DIE AUS DEM MEER, DEN FJORDEN ODER DEM GEBIRGE ENTLANG DER NORWEGISCHEN LANDSCHAFTSROUTEN STAMMEN. -WIR MÖCHTEN DIE VERWENDUNG VON ROHWAREN UND PRODUKTEN FÖRDERN, DIE GESUND SIND UND ZUR FREUDE AM ESSEN BEITRAGEN.

-WIR MÖCHTEN KULINARISCHE TRADITIONEN UND ERLEBNISSE ALS ATTRAKTIONEN BEKANNT MACHEN.

-WIR MÖCHTEN ÜBER DIE GESCHICHTE DER EINZELNEN ROHWAREN SOWIE IHRE HERKUNFT UND ZUBEREITUNG BERICHTEN

-WIR MÖCHTEN DIE VERWENDUNG VON LOKALEN ROHWAREN FÖRDERN, DIE IN DER REGION BEHEIMATET SIND.

-WIR MÖCHTEN DIE VERWENDUNG SAISONAL ERHÄLTLICHER ROHWAREN UND PRODUKTE FÖRDERN.

-WIR MÖCHTEN DIE VERWENDUNG VON ROHWAREN UND PRODUKTEN FÖRDERN, DIE OHNE UMWELTBELASTENDE FAKTOREN ENTSTANDEN SIND.

-WIR MÖCHTEN KINDERN UND JUGENDLICHEN DIE KULINARISCHE KULTUR SOWIE EIN BEWUSSTSEIN FÜR GUTES ESSEN VERMITTELN.

-DARÜBER HINAUS TEILEN WIR DIE GRUNDLEGENDEN WERTMASSSTÄBE DER NEUEN NORWEGISCHEN KÜCHE

www.nynordiskmad.org

UNSER AUFTRAG BEGINNT MIT EINER FRAGE: KANN SICH DIE KULINARISCHE TRADITION NORWEGENS MIT DEN SCHÖNSTEN SEHENSWÜRDIGKEITEN DES LANDES MESSEN? NACH VIELEN AUTOFAHRTEN UND KULINARISCHEN ERLEBNISSEN BEGINNEN WIR, DIE ANTWORT ZU AHNEN. DOCH UNERMÜDLICH SETZEN WIR UNSERE JAGD NACH GAS-TRONOMISCHEN SENSATIONEN FORT. FOLGEN SIE UNS AUF EINER SPANNENDEN REISE ENTLANG DER NORWEGISCHEN LANDSCHAFTSROUTEN.

MARIT SIGURDSON -Autorin Wie sie es selbst ausdrückt: Nicht immer ist es einfach, eine norwegische Seele in einem schwedischen Körper zu sein. Doch bei unseren kulinarischen Reisen durch Nor-wegen blüht sie auf. Sie wuchs mit drei unersättlichen Geschwistern in Västerbotten auf, kann heute aber Essen und Trinken ohne Stress genießen und kennt nur wenige Hemmungen, wenn es darum geht, was womit kombiniert werden kann. Anders ausgedrückt probiert sie so gut wie alles bei ihrer Jagd nach neuen Geschmackserlebnissen. TINA STAFRÉN -Fotografin Aufgewachsen ist sie mit den Traditionen des jämtlän-dischen Lebensmittelhandwerks und hat in der Toskana ihr zweites Zuhause gefunden, doch mittlerweile hat die kulinarische Kultur Norwegens ihre Aufmerksamkeit er-regt. Tina ist nicht nur beim Kochen leidenschaftlich und detailversessen, sondern auch in ihrem Beruf. Und wenn sie zum Essen ausgeht, steht auch der Service immer auf dem Prüfstand. Doch andererseits ist es leicht, sie zufrieden zu stellen, sobald ihre große Schwäche, Butter, auf den Tisch kommt.

JOHAN HALLSTRÖM -Art Director Mit Qualifikationen wie einer Wohnmobilreise durch Nor-wegen in den 1980er-Jahren und einer Solotour durch Europa in 13 Tagen (!) ist Johan der geborene Fahrer für unsere kulinarischen Reisen. Als Industriedesigner lautet sein Motto „Weniger ist Mehr”, doch im Hinblick auf kulinarische Genüsse ist von dieser Haltung oft nicht viel zu spüren. Fleisch ist für Johan immer ein Volltreffer, und für ein gutes Steak kann er durchaus einige Kilomter

zurücklegen.

EGIL ØRJAN THORSEN -Koordinator Nach vielen Jahren, die er als Globetrotter verbracht hat, ist Egil bestens gerüstet, unser Reiseleiter zu sein: Aus jeder Situation heraus führt er uns nahezu pünktlich zum richtigen Ort. In Stavanger aufgewachsen und an das raue Küstenwetter gewohnt, genießt er, ausgehend von seiner Basis in Lom, heute das Beste an norwegischen Fjord- und Gebirgslandschaften. Egil koordiniert entlang der fünf Nationalen Landschaftsrouten ungefähr 70 Unternehmen, die an dem Pilotprojekt teilnehmen, und geht mit großer Leidenschaft ans Werk. Wenn Sie ihm einmal begegnen, wird er wahrscheinlich so etwas sagen wie: „Da draußen gibt es viele schöne Erlebnisse – lest einfach unseren Blog und dann werdet ihr schon sehen!”

MITWIRKENDE

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Das offizielle Reiseportal für Norwegen

Ferien auf dem Bauernhof und Lebensmittel

aus Norwegen www.hanen.no

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orten Schakenda hat seine Gourmet-Restaurants in der Hauptstadt aufgegeben, um sich dem Bäckerhandwerk zu verschreiben. Mittlerweile ist sein Konzept genauso gut verankert wie das Gebäude auf dem Fels neben dem Wasserfall, und die Qualität seiner Brote hat sich inzwischen auch außerhalb der heimischen Gebirgslandschaft herumgesprochen.

In Gesellschaft des sympathischen Bäckers lassen wir uns mit einer Tasse Kaffee im Servicebereich draußen nieder. Was ist das Geheimnis des Erfolgs, wollen wir wissen. „Es gibt kein Geheimnis“, sagt Morten. „Innovation kann auch bedeuten, dass man sich zurückwendet.“ „Wie das?“

NORWEGENS BESTER BROT-STOPP

„Man braucht die richtigen Zutaten. Egal welche Teigmischung man hat, besteht der Unterschied in den Zutaten, die man dafür verwendet. Je nachdem, ob man Butter oder Margarine benutzt oder ob man weniger Hefe hinzufügt und den Teig dafür länger gären lässt, ergibt sich ein Geschmacksunterschied.“

EIN PLUSFAKTOR Wir sitzen an einem der Tische draußen vor der Bäckerei. Direkt neben dem Haus rauscht der Fluss durch Lom. Um uns herum sitzen die Gäste und essen Zimtschnecken oder Rosinenbrötchen und trinken Kaffee. Obwohl die Bäckerei schon seit einigen Stunden geöffnet ist, gibt es bei diesem Sommerwetter noch immer eine lange Kundenschlange vor der Tür. Ruhiger wird es erst wieder im September.

ANGEBLICH IST ES DIE SCHÖNSTE BÄCKEREI IN NORWEGEN. SOGAR AUS WEITER FERNE KOMMEN DIE MENSCHEN WEGEN EINES BROTKONZEPTS HIERHER, DAS SICH EINEN PLATZ IN DEN HERZEN DER NORWEGER EROBERT HAT. FÜR UNS IST EIN BESUCH IN DER VON MORTEN SCHAKENDA GEFÜHRTEN BAKERIET I LOM („BÄCKEREI LOM“) EIN SELBSTVERSTÄNDLI-CHER HALT AUF UNSERER KULINARISCHEN REISE.

„Die Menschen haben von uns gehört, und das ist großartig. Aber die Bäckerei ist nicht nur so eine Touristenattraktion“, erklärt Morten. „Für die Einwohner in Lom müssen wir einen Plusfaktor darstellen; alle sollen das ganze Jahr über gesunde Backwaren kaufen können. Deswegen sind unsere Preise auch nicht überhöht. Vielleicht sind wir sogar ein wenig zu preiswert? Wir sind auf alle Fälle großzügig.“

DER AUTOR SCHAKENDA Auf den Regalen in der Bäckerei stehen von Morten Schakenda signierte Bücher. Eines seiner Kochbücher hat sich 30.000 Mal verkauft. Aber geplant war das Buch ganz und gar nicht. „Ich hatte ein Rezeptheft und fand das völlig in Ordnung. Aber ein Freund vor mir, der mit solchen Sa-chen arbeitet, war anderer Meinung. Er wollte mir dabei helfen, ein neues zu machen. Aber das wurde dann eben kein Rezeptheft, sondern ein richtiges Kochbuch.“ Ein Besuch in der Bäckerei verspricht „ein positives Erlebnis mit einer kleinen Überraschung“. Gleich hinter dem Tresen kann man in die Backstube hineinsehen, wo Brötchen geformt, Brote gebacken und Teige zubereitet werden. Aber obwohl sich die Bleche vor lauter Backwaren förmlich durchbiegen, ist nicht garan-tiert, dass man seine Lieblingswaren auch bekommt. Denn vielleicht ist irgendjemand schon etwas früher aufgestanden und hat vorbestellt. „Oh ja, es passiert des Öfteren, dass wir ausverkauft sind. Für mich ist das natürlich nur positiv. Schön zu sehen, dass die Leute unsere Waren mögen.“ Im August 2011 erkrankte Morten an Krebs, was dazu führte, dass er seinen aufreibenden Lebensstil aufgeben musste. Aber er schaut positiv in die Zukunft. Für ihn gibt es jetzt weniger Nachtarbeit. Stattdes-sen konzentriert er sich darauf, seine Angestellten anzulernen, damit sie den Betrieb in den hektischen Stunden aufrechterhalten können. So wie die Backbleche leeren sich auch die Tische um uns herum. Bald ist Feierabend. In ein paar Stunden wird Morten wieder in der Backstube stehen und Teige vorbereiten, bevor sich erneut die hungrigen Gäste einfinden. Denn alle, die nach Lom kommen, besuchen die Bäckerei – und kommen gerne wieder.

bakerietilom.no

„Man braucht die richtigen Zutaten. Egal welche Teigmischung man hat, besteht der Unterschied in den Zutaten, die man dafür verwendet“, sagt Morten Schakenda, der Bäcker in Lom.

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Im Sommer werden draußen vor der Bäckerei sogar Hamburger und Pizzas verkauft – beliebte Snacks für anspruchsvolle Gäste.

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IN DER ERINNERUNG DER MENSCHEN VOR ORT IST BRIMI SÆTER MIT KÜHEN, MILCHWIRTSCHAFT UND GUTEN KÄSEN SCHON SEIT EWIGKEITEN EIN FLORIERENDER BETRIEB. HEUTE FÜHREN OLA TANGVIK UND HANS BRIMI DIE TRADITION WEITER, BIETEN ÜBERNACHTUNGSMÖGLICHKEITEN UND GUTES ESSEN AN UND HEISSEN DIE GÄSTE WILLKOMMEN, DAS SCHÖNE LEBEN AUF DEM ALTEN SOMMERHOF ZU GENIESSEN.

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WILLKOMMEN AUF DEM SÆTER!

+61° 80’ 69.76”, +8° 91’ 45.13”

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Ein paar Gäste erscheinen an der Gartenpforte. Die folgsame Hündin Tatri hebt ein wenig den Kopf und demonstriert ihre mangelnden Wacheigenschaften, indem sie sich auf den Rücken rollt. Wir müssen über ihre Begrüßung lachen, und die Gäste beugen sich hinunter, um

ihren Bauch zu tätscheln. Auf dem sonnengewärmten Hofplatz sitzen wir mit Betreiber Hans Brimi und seinem Partner Ola Tangvik am Tisch und frühstücken. Vor einer Weile sprang Tatri noch zwischen den Beinen der Kühe herum, nachdem sie im Kuhstall gemolken wurden. Jetzt kommt ein Molkereiwagen über den alten Traktorweg auf die Ansammlung der ergrauten Gebäude zugefahren, die Brimi Sæter ausmachen. Das morgendliche Melken ist beendet, und ein Stück weiter entfernt hören wir die Glocken der Kühe, die in dem weiten Tal am Spätsom-mergras nagen. Die Kühe können den ganzen Tag frei im Gebirge herumlaufen, bis dann gegen fünf Uhr das nachmittägliche Melken erfolgt. Doch bis dahin geschieht noch viel auf dem Sæter, in der Käserei und im Kuhstall. „Es ist ein echtes Abenteuer, hier im Sommer auf dem Sæter zu sein“, sagt Hans, der seine Sommer schon seit der Kindheit immer hier verbracht hat.

VERERBTES WISSEN In der Erinnerung der Menschen vor Ort ist Brimi Sæter schon seit Ewigkeiten ein landwirtschaftlicher Betrieb und gehört zu den wenigen Sommerhöfen, auf denen die Milch- und Käseproduktion sogar während der landwirtschaft-lich krisenreichen Zeiten gegen Ende des 20. Jahrhunderts aufrecht erhalten wurde. Viel hat der Hof Embjørg zu verdanken, einer Verwandten von Hans, die hier auf dem Sæter arbeitete, bis sie 70 Jahre alt war. Sie gab das Wissen um die alten Traditionen an Hans und Ola weiter, als die beiden den Betrieb 2004 übernahmen. „Wir haben hier zwei ganze Sommer zusammen mit Embjørg verbracht und die alte Tradition des Käsemachens von ihr gelernt“, berichtet Hans. „Sie hatte schon einen Absatzmarkt für Käse gefunden, mit einem festen Kundenstamm aus der Umgebung. Auf der Basis der heutigen Anforderungen für die Lebens-mittelherstellung haben wir dann versucht, ihre Kenntnisse zu übernehmen und weiter anzuwenden.“ Unser Besuch auf dem Brimi Sæter ähnelt einem Ausflug in eine verschwun-dene Zeit, in der die Heuernte, die Milch und die Hühnereier die einzigen Einkommensquellen darstellten. Heute allerdings ist es wesentlich bequemer als früher; wir lehnen uns an die Hauswand und genießen das köstliche Früh-stück: warme Milch direkt aus dem Kuhstall, selbstgebackenes Brot, frische

Eier, verschiedene Käsesorten und Schlachtwaren aus der Umgebung. Im Café werden auch selbst hergestellte Molkereiprodukte wie Sauerrahm, Butter und Käse verkauft. Der große Verkaufsschlager ist „Pultost“, ein körniger und streichfähiger Käse, der salzig und frisch schmeckt. „Dieser Käse“, sagt Hans und deutet vielsagend auf mein Butterbrot, „ist absolut gesunde Kost. Er enthält überhaupt kein Fett.“ „Pultost ist eigentlich ein Käse aus Hedmark“, fährt Hans fort. „Dort wird allerdings viel mehr Salz als hier verwendet. Manchmal wird er sogar als Salz-käse bezeichnet. Unser Pultost wird bei niedrigeren Temperaturen hergestellt, mit nur wenig Salz, und ist daher nur ein paar Wochen haltbar.“ Tatri hat es sich gemütlich gemacht, schaut aber kurz auf, als der Molkerei-wagen über den alten Traktorweg davonrumpelt, um zur Meierei Tine zu fahren. „Wir beliefern die Meierei Tine an jedem dritten Tag und können so auch das dortige System nutzen, um die Qualität unserer Milch analysieren zu lassen. Die restliche Milch bleibt hier auf dem Hof und wird in der Käserei verwendet. In jedem Sommer verarbeiten wir 30.000 Liter Kuhmilch. Daraus entstehen dann ungefähr eineinhalb Tonnen von unserem Sæterkäse, eine Tonne Sauerrahm und eine Tonne Pultost.“

LACHENDE TROLLKARAMELLEN Auf dem Sæter ist Ola für die Käseherstellung verantwortlich. Wir werfen ei-nen Blick in die schöne neue Käserei, wo er gerade die Milch zu dem hellgelben, festen Käse verarbeitet, der dann auch mit dem Käsehobel bearbeitet werden kann und als Sæterkäse bezeichnet wird. Ich frage ihn, wie viel Zeit er für die Herstellung benötigt. „Ich fange hier gegen halb neun in der Käserei an und bin ungefähr um halb eins fertig“, erzählt Ola. „Wenn der Käse dann im Keller liegt, komme ich jeden Tag hierher, wende ihn und reibe ihn mit Salzlake ein, um das Wachstum der richtigen Pilzkeime zu fördern und unerwünschte Pilzkeime fernzuhalten.“ „Aber wir zählen hier nicht die Stunden“, fügt er erklärend hinzu, „diese Lebensart haben wir ja selbst gewählt. Und Lebensglück erreicht man nur, wenn man das macht, wozu man auch Lust hat. Man könnte sagen, dass das hier ein Hobby ist, mit dem wir glücklicherweise etwas Geld verdienen. Und momentan ist die Nachfrage sogar größer als unser Vorrat. Das ist doch toll.“ Im Laufe des Nachmittags wird Ola Sauerrahm, Butter und Pultost herstel-len, aber in der Zwischenzeit zeigt er uns seine Schatzkammer, den Käsekeller, wo die großen runden Käseräder zwischen einem und drei Jahren lagern. Dieser feste Sæterkäse, eine Art Nischenprodukt, ist der Verkaufsschlager auf dem

Hans Brimi und Ola Tangvik wohnen ab Juni vier Monate auf dem Sæter. „Jedes Jahr ist es ein bisschen mehr geworden“, sagt Hans, der schon als Kind seine Sommer hier verbrachte.

Das schweizerische Käsegericht Raclette gibt es hier in einer lokalen Variante, mit Käse vom Sæter.

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Brimi Sæter. „In Norwegen gibt es nicht so viele kleine Käsereien, die feste Käsesorten herstellen, also das, was man in der Schweiz als „Männerkäse“ bezeichnet“, erklärt Ola lachend. „Wir hatten gleich von Anfang an entschieden, genau den Käse herzustellen, der hier schon früher gemacht wurde. Sozusagen ein in die Praxis umgesetztes Kulturerbe. Wir sind aber auch ein Stück weitergegangen und stellen unter anderem einen Schweizerkäse mit Löchern her. Und Embjørg erzählte irgendwann, dass sie den Käse manchmal mit Kreuzkümmel und Nelken würzte. So etwas machen wir jetzt also auch.“ Ola ist bei der franco-norwegischen Käsespezialistin Pascale Baudonnel auf einer Hochschule in Sogn in die Lehre gegangen. Man merkt, dass die ganze Sache mehr als nur ein Hobby für ihn ist, und wir wollen wissen, welcher Teil des Käsemachens ihm am meisten Spaß macht. „Am schönsten finde ich es, wenn ich in den Käsekeller hinunterkomme, die Tür hinter mir zumache und all diese riesigen Trollkaramellen sehe, die mich anlächeln“, sagt Ola mit einem ansteckenden Lachen. „Ein wirklich herrliches Gefühl! Ich stehe dann hier, putze meinen Käse und sehe, wie schön er ist.“

”SKRAPATÅ” Zum Abendessen steigen wir auf den ehemaligen Heuboden, der direkt über dem Kuhstall liegt. Unter dem Dachfirst steht der längste Tisch, den wir je gesehen haben. Von hier aus ist auch der Weg ins Bett nicht weit; entlang der schrägen Wände sind gemütliche Schlafkojen eingebaut. Zusammen mit den anderen Gästen setzen wir uns an den Tisch, und schon bald kommt Hans mit dem glühend heißen Racletteofen herein. Wir werden „Skapatå“ essen, wie Hans uns erklärt, eine Variante des schweizerischen Käsegerichts Raclette, das hier auf dem Brimi Sæter einen Namen erhalten hat, der auf dem Dialektaus-druck für „abkratzen“ beruht. „Als Embjørg uns die Herstellung dieses Sæterkäses beibrachte, erzählte sie, dass die Leute früher, wenn sie von den umliegenden Höfen zusammen-kamen und sich mal einen schönen Abend gönnten, dann häufig ein Stück Käse direkt in die Hitze des Feuers hielten. Wenn er dann zerlief, war es das Beste! Sie aßen demnach also Raclette, ohne es eigentlich zu wissen.“ Auf dem Tisch stehen mehrere Raclette-Öfchen. Abwechselnd kratzen wir den geschmolzenen Käse ab. Fettreich, salzig und leicht säuerlich zergeht er auf der Zunge. Wir runden das Geschmackserlebnis mit lokalen Schlachtwaren ab. Während wir in der Dämmerung vor dem Giebelfenster sitzen, wärmt uns die glühende Kohle der Öfchen. Bevor es an der Zeit ist, ins Bett zu gehen, machen wir draußen einen kleinen Abendspaziergang. Auf dem Hof sitzt Tatri und lässt sich von einem der Gäste unterhalten, der sich vor dem Café auf ein Sofa gesetzt hat. Tatri scheint genau zu wissen, wie man das Beste aus jeder Situation macht. Und offenbar hat diese Art von Lebensweisheit auch bei Hans und Ola Einzug gehalten. Das Dasein auf dem Brimi Sæter ist wie ein Loblied auf das gute Le-ben, auf die kleinen und gleichermaßen großen Freuden, die sich gemächlichen Tempos an einem Ort genießen lassen, an dem der Ursprung mit der Gegenwart zusammenhängt. —

brimiland.no

BRIMILAND Brimiland kann zu jeder Jahreszeit erlebt werden. Vegard Brimi und seine Frau Eva betreiben in der Nach-barschaft die „Brimi Fjellstugu“ – ein Ort, an dem gutes Essen und guter Schlaf nicht zu kurz kommen und an dem es sich gut leben lässt. An einem Herbstwochenende kom-men wir zur Brimi Fjellstugu. Heute können wir ein schönes, windstilles Wetter genießen, aber drüben im Rondane Nationalpark hat König Winter bereits seinen Puderzucker über die Berge verstreut, um uns an die kommende Jahreszeit zu gemahnen. Vegard nimmt uns mit auf eine Tour in die Berge, so wie er es gern mit seinen Gästen macht. Und nirgendwo schmeckt das Essen so gut wie im Freien.

Das kulinarische Zentrum Brimilands liegt ein paar Kilometer entfernt im Bergwald. Dort betreibt der bekannte norwegische Koch Arne Brimi sein Restaurant Vianvang. Ein Ort, der sich nicht so leicht definieren lässt, was Brimis Wunsch genau entspricht: „Die Leute sind es leid, Teil eines Konzepts zu sein“, sagte Arne und lädt zu einem ganz besonderen Erlebnis ein, das auf der kulinarischen Tradition Norwegens und den lokalen Rohwaren basiert.

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EINE ANDERE WELT

„ICH HABE VERSUCHT, DEN HOF LEUTEN ZU BESCHREIBEN, DIE NOCH NIE HIER WAREN, ABER DAS IST FAST UNMÖGLICH.“ – Eris Davids, Kvebergsøya

T E X T: M A R I T S I G U R D S O N F OT O S : T I N A S TA F R É N

AUF DEM KVEBERGSØYA HOF IN FOLLDAL STE-HEN PFERDE UND SCHAFE IM ZENTRUM. BEI ERIS DAVIDS UND MARTIN KJØNSBERG ERLEBT MAN EIN LEBEN AUF DEM BAUERNHOF, SO WIE ES FRÜHER WAR – MIT RUSTIKALEM ESSEN UND CHARMANTER UNTERKUNFT. WILLKOMMEN IN EINEM LEBENDEN MUSEUM, IN DEM DIE MEISTEN GEGENSTÄNDE NOCH IN GEBRAUCH SIND.

+62° 13’ 16.59“, +10° 15’ 83.92“

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assen Sie sich nicht vom Namen täuschen: Kvebergsøya liegt nicht auf einer Insel. „Øya“ bezieht sich hier auf eine „große Grasebene“ und beschreibt ein ausgedehntes Tal, das von kleinwüchsigen Kiefernwäldern und Gebirge umgeben ist.

Dort gibt es Pferde und ungefähr 70 Mutterschafe, die im Sommer vom Gras leben. Seit alten Zeiten war der Hof eine “Alm” (Sommerhof) und wurde erstmals im Jahr 1667 namentlich erwähnt. Seit 1967 befindet sich der Hof im Besitz der Familie Kjønsberg. Als Eris Davids und Martin Kjønsberg den Hof 1999 übernahmen und zu renovieren begannen, war das Gebäude vollkommen baufällig. Doch als wir hier an einem klaren Abend ankommen, stehen wir vor einem renovierten braunen Blockhaus mit weiß gestrichenen Fensterrahmen und Hausecken. Die Sonne streicht über das Grasdach, bevor sie ihre Reise über das Gebirge auf der anderen Talseite fortsetzt. „Eris, meine Frau, hat die schwerste Arbeit geleistet, als sie über 400 Fensterscheiben aufgearbeitet hat“, sagt Martin, während er uns in den Eingangsbereich führt. Wir betreten den gemütlichen Raum, in dem das Kaminfeuer lodert und die Mahlzeiten serviert werden. Als wir unsere Tour durch die hübschen Räume und die obere Etage fortsetzen, sehen wir uns erstaunt um. Ein Gefühl, als wäre man in die Vergangenheit gereist. „Ich habe versucht, mich an die Farben zu halten, die schon hier vorhanden waren“, erläutert Eris, als wir ihre Renovierungserfolge loben. Die von Hand gemischten Farben waren zum Teil rußig und zum Teil sonnengebleicht. NOSTALGIE UND BAUERNROMANTIK Martin ist auf einem anderen Hof in der Gegend mit Tieren und Landwirtschaft aufgewachsen. Mit Freude erinnert er sich an seine Kindheit, die er nun auf vielfältige Weise wieder aufleben lässt.

„Ich bin von Natur aus ein Anhänger der Bauern- und Nationalro-mantik“, sagt Martin mit einem warmen Lächeln. In Kvebergsøya lässt sich viel lernen. Eris und Martin heißen Kinder und Erwachsene zu Leben und Arbeit auf dem Hof willkommen. Und wenn Sie sich für alte Gebrauchsgegenstände interessieren, ist dieser Hof ein wahres Paradies. „Wir sind ein lebendes Museum“, sagt Eris. „Wir haben hier Antiquitäten, die nicht nur zum Anschauen da sind, sondern im Alltag verwendet werden.“ Einen Teil der Ausstattung haben die beiden auf dem Hof gefun-den, aber Martin sammelt auch schon seit langem alte Gebrauchsge-genstände. Auf dem Hof gibt es sieben Pferde: fünf norwegische Fjordpferde und zwei große Warmblüterstuten aus Deutschland. Letzteres ist kein Zufall: Eris stammt aus Heidelberg und reitet seit dem elften Le-bensjahr. Martin hat sein ganzes Leben mit Pferden gearbeitet. Heute reitet Eris zusammen mit Gästen aus, und Martin gibt unter anderem Kurse im Umgang mit Pferdefuhrwerken. „Die Eisenbahn ist nie bis hierhin gekommen. Bis das Auto auf-tauchte, war es also üblich, mit Pferdefuhrwerk oder Pferdeschlitten zu fahren“, erzählt uns Martin.

GESCHICHTSTRÄCHTIGE SPEISEN Eris hat eine göttliche Spinatsuppe gezaubert, die sie uns als Vorspei-se serviert, bevor wir zum Hauptgang kommen: Pinnekjøtt (gepökelte Schafsrippen, die über Dampf gegart werden), Püree aus gelben Rüben und Lammwürstchen. Eris spricht gerne über die Gerichte, die sie serviert. Die meisten haben ihren Ursprung in der norwegischen Bauernkultur, die Zutaten kommen aus der unmittelbaren Umge-bung. Zufrieden sitzen wir in unseren Ruhesesseln vor dem Feuer und genießen unser Schälchen Pflaumen-Kompott mit Perlgraupen

und Sahne. Auch deutsches Weihnachtsgebäck wird uns angeboten: Zimtsterne, Früchtestollen, Ingwerplätzchen und Vanillehörnchen. Der Dezember ist bei den Gästen die beliebteste Zeit, weil dann die Blockhäuser inmitten der bläulich getönten Schneelandschaft beson-ders weihnachtlich wirken. Aber Kvebergsøya ist mehr oder weniger das ganze Jahr über für Gäste geöffnet. „Besonders schön ist die Zeit der Heuernte, denn dann kann man mitmachen und zusammen mit den Pferden arbeiten und Gras mä-hen“, sagt Eris, während wir draußen noch einmal nach den Pferden sehen, bevor die Nacht hereinbricht. Der Hof hat nur Platz für zehn Gäste, was jedoch angemessen scheint. So lassen sich Ruhe und Frieden ungestört genießen. „Ich habe versucht, den Hof Leuten zu beschreiben, die noch nie hier waren, aber das ist fast unmöglich. Vergleicht man das Leben hier zum Beispiel mit dem in Deutschland, dann sind das zwei völlig verschiedene Welten“, sagt Eris. Das Leben hier ist von anderen Werten geprägt, versucht uns Mar-tin zu erklären, als wir wieder vor dem offenen Kamin sitzen. Zwar müssen er und Eris auch die finanzielle Seite berücksichtigen, aber in der Hauptsache geht es beim Leben auf diesem Hof um andere Dinge: die Pflege der Pferde und die Wartung der Gebäude und Maschinen. Und zwischendurch die eine oder andere Schnitzarbeit, die Zuberei-tung eines Festmahls oder der Anblick eines Kindes, das gerade lernt, wie eine Schmiede funktioniert. In Kvebergsøya können wir durchatmen, spüren den Geruch eines neugieren Schafs, halten nach Sternschnuppen Ausschau und haben in der Weihnachtsnacht einen geruhsamen Schlaf. Durch und durch eine andere Welt. Und die ist in gewisser Weise viel wirklicher.. —

kvebergsoeya.com

„ICH BIN VON NATUR AUS EIN ANHÄNGER DER BAUERN- UND NATIONALROMANTIK.“–Martin Kjønsberg, Kvebergsøya

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Von dem alten Bauernhof in Valldal laufen wir über einen Pfad in Richtung Flussufer. Inmitten des Laubwalds liegen sieben Hotelzim-mer zwischen den Bäumen verteilt. Wir folgen Knut Slinning, der uns eines der Zimmer zeigt. Die von der Decke bis zum Boden reichenden Fenster trennen uns von der feuchten Frühlingsluft und dämpfen die Geräusche des Flusses. Obwohl wir uns drinnen befinden, sind wir mitten in der Natur. „Das ist hier wie eine Windhütte, nur mit etwas mehr Komfort“, sagt der Gründer und Betreiber des Hotels, Knut Slinning, mit einem Lachen.

DAS HOTEL IST DAS ZIEL Zahllose Blogs und Artikel haben uns veranlasst, das Juvet Hotel zu besuchen. Es wurde von den Architekten Jensen und Skodvin entwor-fen und ist das erste europäische Landschaftshotel. Viele Besucher kommen aus purer Neugier hierher. Seine Anziehungskraft verdankt das Hotel der Natur, und die Natur war es auch, die die Bedingungen für den Bau des Hotels vorschrieb. Alle Zimmer sind dem Terrain genau angepasst; jeder Baum und jeder Stein führte zu einer neuen Planung oder einem angepassten Winkel. „Ich habe viel Zeit und Ressourcen investiert, um das alles hier zu verwirklichen. Daraus ist dann etwas ganz Besonderes geworden und heute ist das Hotel an sich ein Reiseziel. Aus aller Welt kommen Besucher, um hier zu übernachten.“ Auf halbem Weg hinunter zum Fluss liegt auf einem Vorsprung der Wellness-Bereich. In der Ruhezone mit Duschen und Sauna bieten große Panoramafenster Aussicht auf die Sonnenterrasse, den Außen-Pool und den Fluss. „Hier in Juvet gibt es drei Faktoren, die unsere Besucher staunen lassen“, erklärt Knut. „Zuerst der Moment, in den man hier ankommt, das Gelände überquert und den Fluss zu sehen bekommt. Dann kommt der Augenblick, in dem man ein Zimmer betritt und das Design und die großen Fenster entdeckt, welche die Natur sozusagen in den Raum hereinbitten, sodass sie zu einem Bestandteil des Zimmers wird. Und schließlich staunt man, wenn man den Wellnessbereich entdeckt. Hier kann man in einer Sauna oder einem Dampfbad entspannen oder

„Ich habe viel Zeit und Ressourcen investiert, um das alles hier zu verwirklichen. Daraus ist dann etwas ganz Besonderes geworden und heute ist das Hotel an sich ein Reiseziel. Aus aller Welt kommen Besucher, um hier zu übernachten.“–Knut Slinning, Juvet Landschaftshotel

JUVET LANDSCHAFTS-HOTEL

einfach draußen in einem heißen Bad sitzen und dem rauschenden Fluss zuhören.“

DER LANGE TISCH Man kann in einem Sessel sitzen und stundenlang durchs Fenster nach draußen schauen, man kann sich zu einer Bergwanderung aufmachen oder sich einer Angeltour auf dem Fjord anschließen. Wir entscheiden uns stattdessen, die Aussicht am Pool zu genießen und das Ganze mit einem kurzen Besuch in der natürlichen Badeabteilung abzuschließen – dem Fluss mit seinem eiskalten Wasser, das eben noch wie Schnee unter Knuts Skiern lag, als er mit seinen Gästen im Freien war. „Das Innere und das Äußere sollen übereinstimmen. Hier wird das Essen aus guten Zutaten zubereitet, traditionell und einfach – schließlich sind wir hier in einem Kuhstall“, sagt Knut und lächelt. Und hier kann man essen, was man in Frankreich oder England kaum serviert bekäme: Hirsch, Rentier und Wildlachs. Die Karte rich-tet sich nach der Jahreszeit. Heute Abend steht für uns der Klippfisch im Mittelpunkt. Der gesalzene und getrocknete Dorsch wird seit Jahrhunderten von der norwegischen Küste nach Brasilien, Portugal, Spanien und in andere Länder exportiert, wo er unter dem Namen Bacalhau schon seit Langem als Delikatesse gilt. Auch viele Norweger wissen mittlerweile, welch wunderbares Geschmackserlebnis sie hierbei erwartet. So auch Knut. Als alle am Tisch sitzen, serviert Knut das Fischgericht in einem großen Eisentopf. Der gut gekochte Fisch zerfällt entlang der Fasern zu feinen Scheiben, als ich mit der Gabel hineinsteche, und der toma-tenbetonte Sud vermittelt einen ersten geschmacklichen Eindruck. Knut sitzt am Kopf des langen Tischs, was uns ein Gefühl vermittelt, als wären wir Gäste bei ihm zu Hause. Die Stimmung ist gut, und viele interessante Gesprächsthemen begleiten unsere Mahlzeit. „Hier am Tisch gibt es oft anregende Gespräche“, sagt Knut. „Viele unserer Besucher kommen von weit her und finden erstaunlich oft einen gemeinsamen Nenner. Und wie Sie wissen, liegt es meist an uns selbst, wenn wir eine gute Stimmung schaffen und das Leben genießen möchten.“

juvet.com

T E X T : M A R I T S I G U R D S O N & E I R I K D A N K E L F O T O S : T I N A S T A F R É N

INMITTEN EINER DER SCHÖNSTEN PERLEN DER NORWEGISCHEN NATUR LIEGT EIN HO-TEL, DAS ÜBER EINE AUSSERGEWÖHNLICHE ARCHITEKTUR VERFÜGT UND IN NATIO-NALEN UND INTERNATIONALEN MEDIEN SEIT EINIGER ZEIT HOCH GELOBT WIRD. WIR SCHLIESSEN UNS VIELEN ANDEREN AN UND FOLGEN DER LANDSCHAFTSROUTE GEIRANGER-TROLLSTIGEN ZU UNSEREM WALLFAHRTSZIEL: DIE SCHLUCHT GUDBRANDSJUVET.

+62° 19’ 57.69”, +7° 28’ 18.16”

Page 11: Unterwegs in Norwegen - Kulinarische Landschaftsrouten

ROT, SÜSS UND SOMMERLICHWIR PASSIEREN DIE FELDER MIT DEN ROTEN BEE-REN UND TREFFEN AUF ÅSE. HIER IM RESTAURANT JORDBÆRSTOVA BEKOMMEN WIR EINEN ERDBEER-KUCHEN SERVIERT, DER WOMÖGLICH DER BESTE IN GANZ NORWEGEN IST.

Valldal erstreckt sich vom Storfjorden in Sunnmøre bis zur Passstra-ße Trollstigen. Es ist eine flache Landschaft, mit einem Klima, das wie geschaffen ist für den Anbau von Erdbeeren. In alle Himmelsrichtun-gen verstreut liegen jetzt im Sommer die roten Felder vor uns. Und hier finden wir natürlich auch das Restaurant Jordbærstova.

DER GESCHMACK DES SOMMERS „Senga Sengana, Honeoye, Korona … es gibt viele Erdbeersorten, erzählt uns Åse Erstad. „Aber meine Lieblingssorte ist Polka. Die Beere hat eine dunkelrote Farbe und ist perfekt für die Sauce meiner Erdbeertorte.“ Erdbeeren und Erdbeertorte sind für viele von uns die Essenz des Sommers – was Åse natürlich weiß. „Offenbar genießt diese Torte eine gewissen Ruf“, sagt sie, wäh-rend ein weiteres Stück durch die Küchentür nach draußen gereicht wird. „Wir backen jeden Tag, aber trotzdem reicht es kaum aus.“ Mit unseren Tellern setzen wir uns an einen Tisch. Voller Konzent-ration und Appetit genießen wir die großen Tortenstücke – jeder Biss eine wunderbare Mischung aus cremiger Feinheit und frischer Süße.

WANDERUNG DURCHS ERDBEERREICH „Hier kann man in Erdbeergeschmack schwelgen und gleichzeitig auch etwas über Erdbeeren lernen“, sagt Åse. „In Valldal bauen wir alle möglichen Sorten Erdbeeren an. Sie haben verschiedene Geschmacks-richtungen und werden zu unterschiedlichen Zwecken verwendet. Wer möchte, kann draußen auf den Feldern eine kleine Geschmacks-reise unternehmen und sich anhören, was wir über unsere Erdbeeren zu erzählen haben.“ Eine Erdbeere ist eben doch nicht nur einfach eine Erdbeere, wie wir nach dem wohl besten Kuchengenuss des Sommers verstanden haben. —

jordbarstova.no

DIE GUTE ATMOSPHÄRENES GARD IST DER PERFEKTE AUSGANGSPUNKT FÜR EXKURSIONEN IN DIE BERGWELT DER ZENTRALEN SOGN-REGION. UND EIN GENAUSO PERFEKTER ORT, UM SPÄTER DORTHIN ZURÜCKZUKOMMEN.

„Wanderer sind angenehme Menschen, egal woher sie kommen“, sagt Asbjørn Månum und blinzelt in die Sonne. Heute führt er eine Gruppe englischer Touristen in die Berge. Die Tour beginnt in Skjolden, dem zentralsten Punkt der Sognefjordregion, und geht hinauf nach Breheimen. Mitten am Tag machen wir jetzt Rast auf einem alten Sommerhof, einem „Sæter“. Auf der anderen Seite der kleinen Mauer, grasen die Kühe träge in der Mittagshitze.

EINE VERSTECKT LIEGENDE PERLE „Das Tal, zu dem wir jetzt hinaufgehen, muss eines der schönsten in Norwegen sein. Eine versteckt liegende Perle, die man kennen muss, um sie zu finden“, sagt Asbjørn und zeigt uns auf der Karte, wo wir gerade sind. Dann erhebt er sich von seinem Stein und wirft sich den Rucksack über die Schultern. Die Rast ist vorbei, wir gehen weiter an einem Wasserfall entlang.

“COME ON, EVERYBODY!” Die Briten sind schnell auf den Füßen, bereit für die letzte Etappe, bevor es etwas zu essen gibt. “It’s absolutely beautiful,” sagt Anne aus Manchester. “I live in the Lake District. It’s nice, but this ... this is something totally different,” sagt ein anderer aus unserer Gruppe. Der Pfad führt an einem Wasserfall vorbei und weiter hinauf zu einem grünen Tal. Schließlich erreichen wir den Liane Berghof. Zeit fürs Mittagessen. „Es ist wirklich ein Privileg, solche Wanderer anzuführen“, sagt Asbjørn und legt sich zufrieden in die Sonne.

BESONDERER CHARME Nes Gard ist in erster Linie ein Obst produzierender Betrieb. Lange Reihen von Apfel-, Pflaumen- und Kirschbäumen ziehen sich hinunter in Richtung Fjord. Neben dem Haupthaus im Empire-Stil und seinen im Schweizer Stil gefertigten Anbauten blüht der Flieder. So auch im Garten. Bevor Asbjørn und seine Frau Mari anfingen, Gäste aufzuneh-men, haben sie den Bauernhof renoviert.

„Ich bin sehr stolz auf das, was wir erreicht haben“, sagt sie und schaut nach, ob auch alles sauber und ordentlich ist. „Das hier ist etwas, in das ich meine Seele gelegt habe.“ Jedes Gebäude und jeder Raum hat einen eigenen Namen und wurde von Mari persönlich gestaltet. „Das Schlichte, das Einfache, so ist es auf dem Nes Gard.“

EIN ORT ZUM TREFFEN Nach einem Tag in den Bergen schmeckt das Essen besonders gut. Auf dem Nes Gard wird solide Kost serviert, oft aus lokalen Zutaten bereitet. Und besonders gern mit Früchten, die das Essen erst richtig schmackhaft machen. „Hier bei uns sind drei Dinge die wichtigsten Zutaten: die Menschen, das Essen und die Umgebung“, sagt Asbjørn. „Wenn sich hier alle am Abend zum Essen treffen, schafft das einen guten Zusammenhalt und macht den Aufenthalt angenehm. Besonders jetzt, wo so viele nette Leute hier sind.“ —

nesgard.no

+61° 38’ 69.99”, +7° 36’ 52.35” +62° 32’ 42.06”, +7° 31’ 75.47”

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+62° 10’ 23.72”, +7° 20’ 52.49”

ERFOLG IM POSTAMT

Scannen die den QR-Code und sehen Sie ein Video: vimeo.com/43211807

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ie Facebook-Seite der Brasserie Posten ist übervoll mit zahlreichen wunderbaren Begriffen aus der Küche: Käsekuchen, Rinderkamm, frisch gebackenes Brot, Pfifferlinge, Lammwürstchen, Pale Ale, Wurzelgemüse … Der Herbst ist gekommen, und für alle, die das

Restaurant im Sommer besucht haben, klingen die Worte wie ein Lockruf zur Rückkehr. Kenneth Løken hat seine Brasserie am Osterfest eröffnet. Als Johan, Tina, Egil und ich hier im Mai zum ersten Mal hinkommen, liegt eine kleine Passagierfähre unterhalb der Sonnenterrasse malerisch auf dem Fjord, und die Farbe der weiß gestrichenen Wände des Lokals ist erst vor kurzem getrocknet. Von hellem, nordischen Mobiliar umgeben, genießt ein japanisches Paar in den mittleren Jahren sein Lunch – ansonsten ist es ziemlich ruhig. „Ich habe keine Ahnung, wie der Sommer wird“, konstatiert Kenneth, „es bleibt also spannend.“

FÜR ALLE GEÖFFNET Dort wo die Brasserie heute liegt, war von 1930 bis zu seinem Umzug im Jahr 2002 das Postamt von Geiranger. „Und das ist mein Schwiegervater, als er noch klein war. Er arbeitete im Postamt“, sagt Kenneth und deutet auf den abgehetzten Jungen auf dem vergrößerten Schwarz-Weiß-Foto, das die ganze Wand zur Küche hin bedeckt. Das Gebäude, in dem wir uns jetzt befinden, stammt aus den 1990er-Jahren und war zuletzt das Postgebäude. Kenneth hat viele Stunden damit verbracht, das kleine weiße Haus zu renovieren – ohne jedoch ein feines Speiserestaurant daraus machen zu wollen. Die Brasserie Posten ähnelt eher einem kleinen Café, wo man hingeht, um ein Schwätzchen zu halten oder Zeitung zu lesen. Die Geschichte des Gebäudes trägt sicher etwas dazu bei: Hier hat man das Gefühl, dass jeder ohne besonderen Grund einfach die mit dem Posthorn verzierte Tür öffnen und das Lokal betreten kann. Genau wie Kenneth es möchte. „Die Leute müssen nicht hierherkommen, um etwas zu essen. Ich finde es wunderbar, wenn einfach jemand vorbeikommt, um ein Glas Wasser zu trinken und sich auszuruhen.“ Wer das Essen hier einmal gekostet hat, wird sich allerdings kaum der Verlockung entziehen können, erneut etwas zu bestellen. Wir bekommen eine cremige, leichte Fischsuppe mit Miesmuscheln und Lachs, Shrimps und frischem Gemüse. Das Bärlauchöl verziert mit hübschen Perlen die Oberfläche. „Die Basis besteht aus Fisch und Muscheln. Und anstatt Weißwein verwen-den wir Apfelsaft aus Jordbærstova in Valldal sowie Bier aus Liabygda“ erklärt Kenneth.

EIN VERFEINERTES KONZEPT In den letzten Jahren konnte Geiranger einen enormen Zuzug von jungen Unternehmen verzeichnen. Ein verfeinertes Konzept ist die Voraussetzung, um hier in der Gemeinde zu überleben, glaubt Kenneth. Für ihn stehen sorgfältig bereitete Speisen aus lokal produzierten Zutaten im Fokus. „Wir haben eine einfache Speisekarte, sodass ich Zeit genug habe, alles von Grund auf zuzubereiten – aus Zutaten, mit denen ich gerne arbeite. Ich würde niemals vorgefertigte oder tiefgefrorene Zutaten verwenden. Um die einzu-kaufen, habe ich gar keine Zeit. Da biete ich viel lieber eine kleinere Karte an.“ Kenneth hat über die Hälfte seines 34-jährigen Lebens als Küchenchef gearbeitet. Einige Jahre lang war er Küchenchef in der Lehrküche des Hotels Union, dem großen Hotel oben auf dem Hügel. „Ich arbeite hier sehr gut mit den lokalen Produzenten aus der Gegend zusammen. Das hat überaus großen Wert für mich.“ Kenneth geht in die Küche und kommt nach einer Weile mit einem wun-derbar cremigen Pudding aus Dickmilch von der Meierei Røros zurück – mit fri-schen Beeren. Zur Verzierung verwendet er Pfefferminze, die von den Bergen am Fjord stammt. „Pfefferminze wächst hier wild, genau wie Oregano. Wir benutzen es unter anderem für unsere Pizza. Wir haben so eine Idee, dass die Wanderer von unterwegs etwas Oregano mitbringen und dafür dann eine Tasse Kaffee und Kuchen bekommen“, erzählt Kenneth.

DREISSIG GESCHMACKSRICHTUNGEN FÜR BIER Wie wir erfahren, stammt der Begriff Brasserie ursprünglich aus dem Belgien des 18. Jahrhunderts.

„In jenen Tagen bereitete man einfaches Essen im Keller des Hauses, in dem man wohnte, und braute auch selbst Bier. So ähnlich stelle ich mir das hier vor“, sagt Kenneth und betrachtet das Innere seines Lokals. „Nur eigenes Bier haben wir noch nicht.“ Aber auch dafür weiß Kenneth Abhilfe. Im Kühlschrank gibt es dreißig Sor-ten Bier aus den lokalen Brauereien, und Flaschenbier ist der große Renner in der Brasserie. Kenneth befürchtet, dass er ein wenig zuviel Fassbier eingekauft hat. „Es ist schön, dass die Menschen auf Qualität achten. Und wenn man eine Flasche Bier kauft, gibt es ein Stückchen Geschichte dazu.“ Die ersten Flaschen, die im Kühlschrank landeten, stammten von Brauereien in der Nähe von Geiranger“, erzählt Kenneth und zeigt uns fünf verschiedene Typen unpasteurisierten und ungefilterten Biers aus der Kinn Brauerei in Florø. „Kinns ‚Slåtteøl’ (‚Heubier’) gehört zu den Bieren, die sich am besten verkaufen, und dann noch ‚Vestkyst’ (‚Westküste’), ein India Pale Ale. Dann haben wir noch Bier von der Ægir Brauerei in Flåm, das ähnelt eher den amerikanischen Bieren. Und außerdem ‘Slogen Pale Ale’ von der Trollbryggeriet in Liabygden in Sunnmøre. Das ist ebenfalls ein gutes Bier, das man gerne zum Essen trinkt. Wir versuchen, unsere Auswahl immer wieder zu variieren, weil wir nicht genügend Platz für alle Sorten haben.“ Im Kühlschrank steht auch Bier von Nøgne Ø in Grimstad und der Haand-Bryggeriet in Drammen; das sind die Pioniere der norwegischen Kleinbrauerei-en. Helle und dunkle Biere. Lager und Ale. „Hier ist eine wunderbare Beschreibung“, sagt Kenneth und nimmt eine Flasche von Nøgne Ø’s ‚Gräsklipparöl’ (‚Rasenmäher-Bier’) zur Hand, um uns den Text auf dem Etikett vorzulesen: „‚… Was mehr könnten Sie sich wünschen, nachdem Sie an einem heißen Sommertag den Rasen gemäht haben? Durstlö-schend, frisch und fruchtig.’ Wenn das nichts ist!” Im Kühlschrank stehen außerdem noch Fruchtsäfte aus Balholm in Sognef-jord und Jordbærstova in Valldal. „Haben Sie den schon mal gekostet?«, fragt Kenneth und holt einen Apfel-saft aus Jordbærstova aus der Kühlung. „Der ist absolut fantastisch. Wenn man ihn trinkt, hat man das Gefühl, in einen frischen Apfel zu beißen. Und noch dazu weiß man, dass die Früchte ganz in der Nähe gereift sind.“

BIS ZUM FRÜHJAHR EIN GEHEIMNIS Als Johan, Tina und ich Kenneth das nächste Mal besuchen, ist Geiranger in eine völlig andere Phase eingetreten: Es ist August und Hochsaison. Drei riesige Kreuzfahrtschiffe liegen im Fjord vor Anker, und draußen vor der Brasserie kreuzen sich in der Sommerhitze die Wege der Touristen. Wir haben Glück und finden einen freien Tisch unter der Markise auf der Terrasse. Nach unserem letzten Besuch haben wir eine gewisse Erwartung an das Essen. Tina und ich finden die Pizza-Auswahl interessant, doch am Ende entscheiden wir uns für Shrimp-Salat. Wir sind nicht im Mindesten enttäuscht. Eine schmackhafte Komposition aus marinierten Shrimps auf frischen Kräutern und Salat, mit sau-rer Sahne, die den Salzgehalt perfekt ausbalanciert. Johan verliert jedes Gefühl für Raum und Zeit, als er seinen „Post-Burger“ kostet, für den das Rindfleisch bei Ole Ringdal in Hellesylt durch den Wolf gedreht wird. Der beste Hamburger, den er je gegessen hat. Eine Behauptung, die uns dazu verleiten soll, auch mal davon zu probieren. Kenneth kommt zu unserem Tisch, um Hallo zu sagen. Wir wollen wissen, wie die Brasserie den ersten Sommer überstanden hat. Viel besser als erwartet. Die meisten Restaurantgäste sind Touristen und Anwohner aus der örtlichen Umgegend. Kenneth verkauft Unmengen von Flaschenbier und scheint sich keine Sorgen mehr um die Bierfässer zu machen. „Aber Sie müssen unbedingt im nächsten Frühjahr wieder herkommen.“ Kenneth wirkt geheimnisvoll. „Dann werden wir etwas Neues machen. Sie werden schon sehen.“ Kenneth lässt uns ratlos am Tisch zurück. Wir fahren zurück nach Schwe-den, um das Frühjahr abzuwarten, und durchforsten die Facebook-Seite der Brasserie Posten auf der Suche nach Hinweisen. —

brasserieposten.no

SEIT DEM FRÜHJAHR 2012 KANN GEIRANGER MIT EINER SCHÖNEN NEUEN ATTRAKTION AUFWARTEN: DER BRASSERIE POSTEN. MIT EINEM AUSGEZEICHNETEN GEFÜHL FÜR ZUTATEN KONZENTRIERT SICH KÜCHENCHEF KENNETH LØKEN AUF EINE EINFACHE KARTE UND LOKALE BIERE – UND DAS MIT ERFOLG. Text: Marit Sigurdson Fotos: Tina Stafrén

FISCHSUPPE DER BRASSERIE POSTEN (4 Portionen)

Unser erster Besuch in Geiranger war umwerfend. Ein Rausch der Genüsse, wie sich jemand aus-drückte, und genau das war es auch. Einer dieser Genüsse war die Fischsuppe, die uns Kenneth in der Brasserie Posten servierte. Ein cremiger Traum voller Meeresaroma und Kräutergartenduft. Eine Suppe, die auch anspruchsvolle Gäste beeindrucken wird. 1 kg Miesmuscheln 1 Zwiebel 1 Mohrrübe 1 Fenchelknolle 3 dl Slogen Pale Ale oder anderes Bier 2 dl Milch 2 dl Schlagsahne 1 dl Saure Sahne 100 g Lachs Kleingehackte Frühlingszwiebel Frische, fein gehackte Kräuter

Miesmuscheln gut putzen und abspülen. Gemüse waschen, fein zerhacken und in Butter kurz anbra-ten. Muscheln und Bier hinzugeben und zugedeckt köcheln lassen, bis sich die Muscheln öffnen (circa 3 – 4 Minuten). Muscheln herausnehmen und das Muschelfleisch auslösen. Den Sud abseihen und Sahne und Milch hinzugeben. Aufkochen und bis zum gewünschten Geschmack köcheln lassen. Saure Sahne hinzugeben und die Suppe mit einem Mixer oder Stabmixer durchquirlen. Erneut aufkochen und mit frisch gemahlenem Pfeffer abschmecken. Muschelfleisch und rohen Lachs in dünnen Scheiben mit frischen Kräutern und Frühlingszwiebel in einen Suppenteller geben, Suppe darübergeben. Mit frischem Brot und Butter servieren.

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m Hausinneren des Andvord Hofs bilden die massiven Lang-hölzer nur den Hintergrund für unsere Eindrücke. Das Inventar allerdings fesselt unsere Aufmerksamkeit: Dekorative Schränke, poliertes Silber und gut erhaltene Wandteppiche. Wie man

sich auch dreht und wendet, so fällt einem irgendetwas ins Auge und lädt zum Verweilen ein. Alle Winkel sind schief, und unsere Stimmen werden von weichen Textilien gedämpft. Geradezu verzaubert inspi-zieren wir einen schön bemalten Schrank, der in eine der Holzwände eingebaut ist. „Den können Sie gerne aufmachen. Wir haben hier keine Geheim-nisse“, sagt die Wirtin von Andvord, Ann Kristin Bøhle. Hinter den Schranktüren steht Kaffeegeschirr und erinnert uns daran, dass das hier kein Museum ist, sondern ein kleiner Landgast-hof, wo Leute wie wir hinkommen und übernachten können.

DER VORDERSTE HOF Das Hauptgebäude, in dem wir uns befinden, wurde in zwei Phasen – in den Jahren 1700 und 1899 – erbaut, doch die Wurzeln des Hofs reichen zurück bis vor die Wikingerzeit, erzählt Ann Kristin. Der Name stammt von dem Wort andverdr ab und bedeutet „etwas, das zu den Vordersten gehört“. Andvord war einer der allerersten Höfe der Umgegend und liegt gleich unterhalb des Bergs Lomseggen, an der Einmündung nach Bøverdalen. Der erste namentlich bekannte Bauer hieß Pål Andvord und lebte hier im 14. Jahrhundert. Bis auf die zweite Hälfte des letzten Jahr-hunderts, in der der Hof verfallen war und sich in kommunalem Besitz befand, wurde Andvord von der gleichnamigen Familie betrieben. Im Jahr 2002 kauften die Brüder Richard und Michael Andvord den Hof zurück und begannen mit umfangreichen Renovierungsarbeiten, um die Gebäude in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Das Ergebnis war ein würdevoll restaurierter Hof, der meist von geschlossenen Gesellschaften gebucht wird, die den Ort für sich haben möchten. Im Sommer jedoch nimmt der Hof auch zufällig vorbeikommende Gäste auf. Ann Kristin wurde als Wirtin eingestellt und kümmert sich zusammen mit einem Hausmeister und zwei Hilfskräften um den Betrieb. „Das ist ein ziemlich vielseitiger Job“, sagt sie lachend. „Ich bin Köchin, Geschäftsführerin, Wirtin und Putzfrau.“ Nach Errichtung eines zusätzlichen Neubaus kann Andvord 36 Übernachtungsgäste aufnehmen. Es gibt viele Reservierungen für Feste wie Hochzeiten, Taufen oder Konfirmationen, aber es kommen

GANZ IN DER NÄHE VON LOM LIEGT DER ANDVORD HOF. VON OBEN

BIS UNTEN RESTAURIERT IST ER EIN GERADEZU MÄRCHENHAFTES

ERLEBNIS AUS HOLZ, ERBSILBER UND ALTEN TEXTILIEN. AN EINEM

HERBSTABEND SICHERN WIR UNS EINEN TISCH, UND DIE WIRTIN,

ANN KRISTIN BØHLE, SERVIERT UNS KULINARISCHE GENÜSSE IN

EINEM DER SCHÖNSTEN SPEISESÄLE NORWEGENS.

Text: Marit Sigurdson Fotos: Tina Stafrén

auch Leute hierher, die zusammen mit ihrem Freundeskreis in Ruhe und Frieden die besondere Atmosphäre genießen möchten.

DEN REICHTUM BEWAHREN Ann Kristin zeigt uns ein paar der bemerkenswertesten Gegenstände im Haus, darunter den großen Schrank im Speisesaal. Der wurde im 18. Jahrhundert von dem bekannten Kunsttischler Skjåk-Ola vor Ort hergestellt. Die goldenen Verzierungen verstärken den Eindruck von Reichtum, genauso wie das polierte Erbsilber, das in einem gegen-überliegenden Schrank in hellem Glanz erstrahlt. „Diesen alten Silberkrug hat ein Mann vom Andvord Hof mit sich nach Kristiania genommen, wenn er dort Geschäfte machen wollte“, erklärt uns Ann Kristin, während sie aus der Kanne ausschenkt. „Damit konnte er beweisen, dass er von einem großen Bauernhof hier in Lom kam.“ Gleich neben dem Silber steht eine alte Brautkiste, die groß genug wäre, um ein kleines Pony darin zu verbergen. Die kam mit der Mitgift der tüchtigen Weberin Tora Glømsdal hierher, als diese sich 1751 mit Erik Andvord vermählte. Ihr „Jungfrauenteppich“ (Webteppich mit fünf klugen und fünf törichten Jungfrauen als Motiv) hängt heute in einem Museum in Trondheim. Über der Brautkiste hängt eine Streitaxt, die seit 1502 in Fami-lienbesitz ist, und wir spüren einmal mehr den Atem der Geschichte. Und Ann Kristin scheint sich darüber zu freuen, dieses Wissen weitergeben zu können. „Ich bin sehr stolz auf diesen Ort. Hier gibt es so viele schöne Dinge, drinnen und draußen.“

ALTE THINGSTÄTTE Der Andvord Hof war einst auch Thingstätte. Von Beginn des 17. Jahrhunderts bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Menschen aus der Umgebung hierher, um Streitigkeiten zu bereinigen. Wir gehen eine Treppe hinauf und treten über die breite Türschwelle in den restaurierten Thingsaal. Es ist interessant sich vorzustellen, dass die Menschen aus der Gegend hierherkamen, um mit Vertretern der Staatsmacht zusammenzutreffen. Außerdem wurden hier auch die Soldaten vorstellig, bevor sie in den Krieg zogen. Heute dient der Saal als Versammlungsraum. Im anderen Teil der oberen Etage liegen die ansprechenden Gästezimmer. Sogar einen kleinen Wellness-Bereich gibt es.

+61° 83’ 53.12”, +8° 55’ 25.93”

KULTURSCHATZ IN LOM

Haltbare Technik. Das Schloss des 400 Jahre alten Vorratshäuschens funktioniert noch immer fehlerfrei.

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Die Restaurierung von Andvord wurde vom norwegischen Verband für die Bewahrung des Kulturerbes ausgezeichnet, und in der Emp-fangshalle hängt das Diplom, die Olavsrose, die Andvord im Sommer 2012 verliehen wurde. Eine Qualitätsauszeichnung des Verbands für „Ereignisse von besonders hohem Standard, unter Berücksichtigung der Kulturgeschichte und ihrer Vermittlung“. „Es war eine große Ehre, die Olavsrose zu bekommen“, sagt Ann Kristin. „Und das spornt uns natürlich nur weiter an, den schönen Zustand des Hofs zu bewahren und einen guten Service anzubieten.“ NORWEGISCH, SELBSTGEMACHT UND ETWAS EXOTISCH Als wir zum Abendessen gebeten werden, hat sich die Dunkelheit über den Hof gesenkt. Der gedeckte Tisch steht vor dem großen offenen Kamin, und im Schein der Kandelaber tritt Skjåk-Olas glänzender Schrank hervor und bildet einen Kontrast zu den dunklen Holzwänden. Eine schönere Umgebung für unsere Mahlzeit können wir uns kaum vorstellen. Die Geschmackserlebnisse entsprechen der reichhaltigen At-mosphäre. Seit über 15 Jahren beschäftigt sich Ann Kristin mit der Zubereitung kulinarischer Genüsse, davon die meiste Zeit in Zusam-menarbeit mit dem landesweit bekannten Koch und Ernährungsphilo-sophen Arne Brimi. Als Vorspeise bekommen wir im Ofen gebackenen Dorsch, begleitet von mit Bacon und Kapern verfeinerter Buttersauce, deren fein abgestimmter Salzgeschmack ein Gegengewicht zu der Süße des Blumenkohlpürees und des blanchierten Spargels bildet. Der Hauptgang besteht aus einem Steak vom im Ganzen gebra-tenem Rentier in mit Sternanis abgeschmeckter Rotweinsauce. Dazu gibt es in Butter gebratene Pfifferlinge, Brechbohnen und kleine Mandelkartoffeln, die auf dem Acker von Ann Kristins Schwiegervater gewachsen sind. Das meiste, was uns serviert wird, kauft Ann Kristin in der Umgegend. „Viele gute Zutaten können wir direkt hier in der Gegend bekom-men. Die stammen aus dem Wald, dem Fluss, den Bergen oder von anderen Höfen. Das ist wirklich ganz fantastisch.“ Geradezu andächtig probieren wir das zarte Rentierfleisch und entdecken den ungewohnten, aber interessanten Geschmack von Sternanis. „Ich finde, dass die Rohwaren ihren typischen Geschmack behalten sollten, aber gleichzeitig füge ich diesen norwegischen Speisen gerne etwas Besonderes hinzu, was nicht norwegisch ist.“ Zum Dessert bekommen wir eine dieser Besonderheiten, die uns fast ganz weich in den Knien werden lässt: Einen cremeartigen Scho-koladenmoussekuchen mit Passionsfruchtsorbet und Pflaumensalat mit Blaubeeren. Und inmitten dieses wundervoll renovierten norwegischen Milieus, an einem kühlen Herbstabend vor dem Kamin, kommt die exotische Geschmackskombination aus Kakao und Passionsfrucht zu voller Blüte. Und umgekehrt wirkt es auch: Der Speisesaal ist nie zuvor schöner gewesen. —

andvordgard.no

Ann Kristin Bøhle, die Wirtin in Andvord, beschäftigt sich seit über 15 Jahren mit der Zubereitung kulinarischer Genüsse, davon die meiste Zeit in Zusammenarbeit mit dem landesweit bekannten Koch und Ernährungsphilosophen Arne Brimi. Der alte Bauernhof befindet sich wieder im Besitz der Familie Andvord. Nach der Renovierung ist ein Besuch wie eine Reise in die Vergangenheit.

Im Ofen gebackener Dorsch in mit Bacon und Kapern verfeinerter Buttersauce, dazu Blumenkohlpüree und blanchierter Spargel.

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usammen mit all den anderen, die aus ihren Autos gestiegen sind, stehen Johan, Tina und ich am Aussichtspunkt Ørnes-vingen. Wir alle sind Touristen, die der Zufall auf diesem Felsplateau zusammengeführt hat – eine schwindelerregen-

de Ruhezone zwischen Himmel und Fjord. Unsere Blicke richten sich in die Tiefe, wo ein Kreuzfahrtschiff über die glatte Spiegelfläche des Fjords gleitet. Geiranger mag vielleicht nur ein winziger Punkt auf der Landkarte sein, und von unserem Standort am Ørnesvingen wirkt der Ort fast völlig isoliert – eingeklemmt zwischen den Bergen und am östlichs-ten Ende einer der vielen Seitenarme des Storfjords liegend. Das enorme Kreuzfahrtschiff allerdings zerstört die Illusion. Geiranger ist ein internationaler Treffpunkt in der Fjordregion und lockt mit seiner weltberühmten Natur viele Besucher an. Und so ist es schon seit langer Zeit. Annähernd 500.000 Touristen kommen jedes Jahr nach Geiranger – und das nur auf dem Seeweg. 200.000 weitere Besucher kommen über Land angereist. Der Ørnevegen, die Straße, die uns von Norden hierhergeführt hat, ist das ganze Jahr über geöffnet und ist die Lebensader für alle, die hier auch im Winter ansässig sind. Die Straße, die sich von der Südseite des Fjords nach oben schlän-gelt, wurde 1889 eingeweiht und stellte eine Verbindung nach Osten her, in Richtung Skjåk. Schon zu jener Zeit befuhren die ersten Passagier-Dampfschiffe den Geirangerfjord. Den Schiffstouristen standen unmittelbar ver-schiedene Ausflugsziele zur Verfügung, die alle über eine atembe-raubende Strecke erreicht werden konnten, welche vom grünen Tal zu den schneebedeckten Bergen führte. Noch heute ist diese Straße nur im Sommer geöffnet.

GEIRANGERS EPIZENTRUM Ein paar Jahre nach der Einweihung des „Geirangervegen“ öffnete das Hotel Union seine Pforten. Das am Hang oberhalb des Orts gelegene Hotel ist seitdem das touristische Epizentrum, und ohne das Hotel wäre Geiranger nicht zu dem geworden, was es heute ist. Nicht zuletzt auch deswegen, weil das Hotel der größte Arbeitgeber am Ort ist. Seit gut einhundert Jahren ist das Hotel im Besitz der Familie Mjelva, und heute – in vierter Generation – führen Sindre und seine Frau Mona den Betrieb. Wir betreten den Empfang, in dem einer der hoteleigenen, blankpolierten Oldtimer uns als Vertreter eines touristischen Services aus der Vergangenheit begrüßt: die Geiranger Transportgesellschaft. Ungeachtet dessen erfüllt das Hotel die touristischen Ansprüche von heute, und Sindre und Monja sind professionelle und freundliche Gastgeber. „Als die Übernahme des Betriebs zur Debatte stand, wussten meine Frau und ich von Anfang an, dass wir es auf die richtige Art machen wollten“, erklärt uns Sindre, als er sich nach dem Abendessen für einen kleinen Schwatz zu uns gesellt. „Wir sind hier an einem sehr touristischen Ort, aber wir möchten unseren Gästen eine indivi-duelle Erfahrung ermöglichen, was zunächst einmal keine Selbstver-

GEIRANGER WÜRDE OHNE DAS HOTEL UNION NICHT DAS SEIN, WAS ES HEUTE IST. IN VIERTER GENERATION BETREIBT SINDRE MJELVA DAS HOTEL ZUSAMMEN MIT SEINER FRAU MONJA – MODERNE GASTGEBER, DIE DAS BESTE AN TRADITIONEN BEWAHREN. NICHT ZULETZT GILT DIES FÜR DIE KULINARISCHEN GENÜSSE. WIR KOMMEN IM MAI HIERHER UND STELLEN UNS AUF EIN WOCHENENDE VOLLER LUXUS EIN.

Text: Marit Sigurdson Fotos: Tina Stafrén

ständlichkeit ist.“ Der Wunsch, ein modernes Hotel zu führen, wird ergänzt von dem Gedanken, auf unterschiedlichen Ebenen eine Verbindung zu der Geschichte und den Traditionen der Region herzustellen. Die antiken Fahrzeuge sind ein Beispiel dafür, wie Sindre erläutert, die Speisekar-te ein anderes. „Allerdings begnügen wir uns dabei nicht nur mit den alten Rezepten, sondern erweitern sie stets um ein kleines Extra.“ KRÖNUNG DES WERKES Wir sitzen im großzügigen Restaurantbereich und genießen die Aussicht über den Fjord und die Ortschaft. Hier gibt es Platz für 400 Gäste und eine Buffet-Abteilung mit hausgemachten Fleischwaren, Konserven, Fischgerichten und Delikatessen – hergestellt aus Rohwa-ren, die aus Gewässern oder Landstrichen der Region stammen. Bei vielen Touristen sind Fisch und Meeresfrüchte aus den kalten norwegischen Gewässern sehr beliebt, verrät uns Sindre, und wir ahnen, dass die Küche in diesem Zusammenhang der Dreh- und Angelpunkt des Hotels ist. Viele Küchenchefs der Region werden hier, in der größten Lehrküche der Provinz, ausgebildet. Mit über zwanzig Angestellten kann die Küche im Sommer eine kulinarische Variati-onsbreite anbieten, die man an vielen anderen Orten nicht findet. Die hohe Qualität des Fischs erklärt sich aus den kurzen Transportwegen zwischen Fanggebiet und Küche. Die Präsentation von Fisch und Schalentieren ist laut Küchenchef Lars Helge Hanssen für die Köche im Hotel Union die Krönung des Werkes, insbesondere was den geräucherten und den Graved-Lachs angeht. Wir treffen Lars Helge draußen im Garten, bei der kleinen(!) Räucherei. Die kleine Kammer aus grauem Holz fasst bis zu 50 Kilo Fisch. Was den Bedarf in der Hochsaison kaum abdecken kann, ge-steht uns Lars Helge, und gewährt uns Einblick in den Räucherprozess. „Zunächst wird unser Lachs in sehr viel Salz eingelegt und trocknet dann über sechzehn Stunden. Danach wird das Salz abgespült und der Fisch wird 2-3 Tage weiter getrocknet. Im Anschluss wird er dreimal geräuchert und dann nochmals einen Tag getrocknet. Es hat lange gedauert, bevor wir den Dreh heraushatten, aber jetzt haben wir das richtige Rezept.“ „Morgen können Sie unser Fjord-Buffet probieren“, sagt er mit einem wissenden Lächeln. „Wir preisen immer den lokalen Ursprung unserer Waren an, aber auf unser Fjord-Buffet sind wir richtig stolz.“ Das Fjord-Buffet, das im Sommer jeden Sonntag serviert wird, ist ein kleiner Flirt mit der Vergangenheit und inspiriert von den kulinarischen Genüssen, die vor einhundert Jahren auf den Kreuz-fahrtschiffen angeboten wurden, als diese in Geiranger ankamen. Die Dampfschiffe kamen aus Ålesund, legten unterwegs auf der Strecke an und kauften frische Waren von den lokalen Bauernhöfen. Wenn sie dann schließlich Geiranger erreichten, wurde ein Mittagsbuffet mit regionalen Köstlichkeiten angeboten. „Wir konnten zum Glück Kontakt mit jemandem aufnehmen, der auf einem der letzten hier verkehrenden Dampfschiffe gearbeitet hat“, erzählt Sindre, als wir ihn etwas später wiedertreffen. „Auf diesem Schiff war es fast wie im Orient-Express, mit einer ersten

und einer zweiten Klasse. Und die erste Klasse hatte natürlich das beste Essen, mit silbernen Suppenschalen und allem Drumherum. Wir konnten herausfinden, was dort serviert wurde, und haben auf dieser Basis ein Buffet zusammengestellt.“

SINNLICHKEIT GEMÄSS FENG SHUI Nicht nur wegen der kulinarischen Genüssen und eines guten Schlafs sind wir hierhergekommen, sondern auch, weil wir uns ein wenig sinnliche Entspannung gönnen möchten. Die Wellness-Einrichtung des Hotels liegt, anders als bei vielen anderen Orten, über der Erde. Das Abendlicht dringt durch große Fenster herein, und wir spüren den Duft der Buketts aus Wiesenblumen, die draußen gepflückt wurden. „Das Ganze hier soll eine ruhige und friedliche Oase sein. Bei all unserem Alltagsstress müssen wir wieder zu uns selbst finden und zurück auf die Erde kommen“, sagt Monja, kurz bevor wir uns umziehen und sie uns durch die Anlage führt. „Das Spa wurde nach Prinzipien des Feng Shui gebaut“, fährt Monja fort und erläutert uns die ausgewählten Formen und Materiali-en, welche positive Energie schaffen sollen. „Wir haben die Idee, dass jeder von morgens bis abends hier sein kann und gutes Essen serviert bekommt, ohne an die Uhrzeit denken zu müssen. Sie können also lange schlafen und dann hierherkommen und ein gesundes Frühstück einnehmen, was dem Körper zusätzliche Energie zuführt. Zum Mittagessen haben wir dann ein Salatbuffet, kleine Gerichte aus der Region und Smoothies.“

WINTERTRAUM Schwere Schneewolken ziehen über den grauschwarzen Sternenhim-mel. Noch immer hat der Winter das Gebirge fest im Griff, und wir dürfen uns glücklich schätzen, draußen in einem warmen Whirlpool zu liegen. Mehr und mehr Besucher entdecken die Fjordlandschaft in den Wintermonaten, wie Sindre uns beim Abendessen erzählte. Insbe-sondere asiatische Touristen, die nach Norwegen kommen, um die exotische Einsamkeit Norwegens zu erleben, erinnere ich mich und lasse mich etwas tiefer unter die Wasseroberfläche gleiten. „Für uns hier im Ort ist der Winter eine stille und warme Zeit“, hatte er gesagt. „Dann gibt es hier viele Festlichkeiten und die Touristen, die herkommen, werden irgendwie zu einem Bestandteil dieser Atmosphäre. Dann lässt sich auch das kräftige norwegi-sche Essen am besten entdecken – begleitet von guten, schweren italienischen Weinen. Und im Januar kommt dann der Fisch, in einer unglaublich guten Qualität.“ Ich versuche den Ørnevegen, den wir heute früh entlanggefahren sind, in der Ferne auszumachen; diese Verbindungslinie nach Geiran-ger und den Erlebnissen hier. Heute Abend fällt es leicht, sich den Ort im Winterkleid vorzustellen: Dramatisch schön und ruhig, und hier vom Hotel Union aus betrachtet, luxuriös.—

unionhotel.no

+62° 09’ 65.00”, +7° 21’ 02.33”

FJORDLEBEN DE LUXE

Page 17: Unterwegs in Norwegen - Kulinarische Landschaftsrouten

WELTERBEDIE DRAMATISCHE GEBIRGSLANDSCHAFT GEIRANGERS GEHÖRT ZU DEN BEKANNTESTEN TOURISTISCHEN ATTRAKTIONEN NOR-WEGENS UND BEFINDET SICH SEIT 2005 AUF DER UNESCO-WELTERBELISTE. IM NORSK FJORDSENTER IN GEIRANGER KÖNNEN SIE MEHR ÜBER DIESE SICH STÄNDIG IM WANDEL BEFINDLICHE LANDSCHAFT SOWIE DIE MENSCHEN ERFAHREN, DIE HIER AM RANDE DES MEERES SEIT LANGEN ZEITEN IHREN LEBENSRAUM GEFUNDEN HABEN. In Geiranger kann die Sonne manchmal mehrere Tage lang scheinen, bevor sie

sich dann hinter hartnäckigen Wolken verbirgt, die wie ein Mantel über den

Berggipfeln schweben. Regen und Schmelzwasser von den Gletschern und

Schneeschichten bahnen sich den Weg hinunter zum Geirangerfjord, wo Süß-

und Salzwasser aufeinandertreffen. Von der Wasseroberfläche ragen steile

Felswände empor. In der Höhe klammern sich Bauernhöfe an den Felsen fest,

immer der Gefahr eines Erdrutsches ausgesetzt. Die Geografie und die ständig

fortschreitende Erosion haben seit jeher die Rahmenbedingungen gesetzt und

den Lebensraum der hier wohnenden Menschen begrenzt, deren Einwirkung

auf die Landschaft nur marginale Spuren hinterlassen hat. Die großartige

Fjordlandschaft ist heute eine der meistbesuchten Landschaften Nordeuropas,

und die Geirangerfjord-Region wurde 2005 (zusammen mit der 12 Kilometer

weiter südlich gelegenen Nærøyfjord-Region) auf die Liste des UNESCO-

Welterbes gesetzt: die Westnorwegische Fjordlandschaft.

GROSS UND KLEIN Oberhalb der kleinen Ortschaft liegt das Norsk Fjordsenter. Gemäß den Richt-

linien der UNESCO-Welterbekonvention ist es die Aufgabe der Einrichtung, die

Kultur und Natur der Region zu bewahren und zu vermitteln. Durch multimedi-

ale und kreative Ausstellungen werden die Geschichte der Fjordbevölkerung

sowie die großen und kleinen Prozesse in der Natur vermittelt.

„Die Natur in der Geirangerfjord-Region kann wie ein Geschenk für die

Zukunft betrachtet werden”, sagt Direktorin Katrin Blomvik. „Hier möchten

wir mehr über diesen Schatz namens Geiranger erzählen.”

Die Architektur des Norsk Fjordsenter ist offen, hell und weiträumig,

was der Landschaft draußen bestens entspricht. Die Ausstellung nimmt

die Besucher mit auf eine Zeitreise durch die Kultur und Natur Geirangers.

Hier kann man viel über die Pflanzen und Tiere der Region erfahren, eine

simulierte Fjordtour auf einem schwankenden Dampfschiff erleben oder die

blitzblanken offenen Automobile bestaunen, die vor circa einhundert Jahren

die Kreuzfahrtpassagiere zu den Aussichtspunkten der Region transportierten.

Das Norsk Fjordsenter hat wechselnde Ausstellungen. Laden und Café bieten

mit Angebot und Design ein typisch norwegisches Ambiente.

GREEN FJORD 2020 Ein Besuch im Norsk Fjordsenter ist ein fantastisches Erlebnis für die

Hunderttausende von Touristen, die jedes Jahr nach Geiranger kommen.

Das Norsk Fjordsenter hat sich ebenfalls zur Aufgabe gemacht, den Einfluss

der Menschen auf die Natur zu minimieren. Dies mag zwar ohnehin eine der

grundlegenden Aufgaben einer solchen Einrichtung sein, doch Katrin sieht

hierin eine Chance, Geiranger zu einem Vorbild zu machen. Im Herbst wurde

die Aktion Green Fjord 2020 gestartet, ein Projekt, das darauf abzielt,

umweltfreundliche Technologie und nachhaltige Lösungen für die globalen

Probleme hervorzuheben.

„Wir setzen uns für einen zukunftsfähigen Tourismus ein, da der Tourismus

für unsere kleinen Gemeinden hier ganz entscheidend ist. Wir hoffen zudem,

auch entsprechende Forschungsprojekte anzusiedeln, die uns dabei helfen

können, die besten umweltschonenden Lösungen zu finden.“—

verdsarvfjord.no

+62° 09’ 54.86”, +7° 21’ 02.23”

„DAS GANZE HIER SOLL EINE RUHIGE UND FRIEDLICHE OASE SEIN. BEI ALL UNSEREM ALLTAGSSTRESS MÜSSEN WIR WIEDER ZU UNS SELBST FINDEN UND ZURÜCK AUF DIE ERDE KOMMEN.“ – Monja Mjelva, Hotel Union

„MORGEN KÖNNEN SIE UNSER FJORD-BUFFET PROBIEREN. WIR PREISEN IMMER DEN LOKALEN URSPRUNG UNSERER WAREN AN, ABER AUF UNSER FJORD-BUFFET SIND WIR RICHTIG STOLZ.“ – Lars Helge Hanssen, Küchenchef im Hotel Union

Scannen die den QR-Code und sehen Sie ein Video: vimeo.com/50516331

Page 18: Unterwegs in Norwegen - Kulinarische Landschaftsrouten

+61° 91’ 43.31”, +7° 11’ 29.11”

DIE PERLE DES FJORDLANDESAm östlichen Ende des Sees Strynsvatnet, wo die steilen Felswände über die Siedlungen ragen,

liegt die ruhige kleine Gemeinde Hjelle. Das Hotel am Kai bietet den Reisenden in mittlerweile vierter Generation Unterkunft und Verpflegung an – und das seit über einhundert Jahren. Heutzutage ist die Atmosphäre von einem romantischen Touch gekennzeichnet, und es fällt

schwer, sich nicht Hals über Kopf in den Ort zu verlieben.

Text: Marit Sigurdson Fotos: Tina Stafrén

Von 1891 und 1939 verkehrte das Dampfschiff „Fridtjof Nansen“ zwischen dem Kai in Hjelle und dem anderen Ufer des Strynsvatnet.

Page 19: Unterwegs in Norwegen - Kulinarische Landschaftsrouten

Auf dem Weg vom Gebirge können wir den See bereits in der Ferne schimmern sehen, noch bevor die Sonne den wolkenverhangenen Himmel über uns durchbricht. Die Straße schlängelt sich entlang der Kluft nach unten, wir

durchqueren schmale Haarnadelkurven und passieren herabstürzende Wasserläufe, die sich ihren Weg durch den Birkenwald bahnen. Wir haben die langsame Strecke über die Alte Strynefjell-Straße gewählt, und als wir schließlich die Apfelgärten erreichen und in das Vogel-gezwitscher und die Wärme hier unten in Hjelle eintauchen, fühlt es sich fast so an, als hätten wir den Weg zu Fuß zurückgelegt – in einem Tempo, bei dem die Sinneseindrücke Zeit genug haben, um sich fest einzuprägen. Als wir am Kai vor dem Hjelle Hotel parken, sind wir der Ver-führung schon hoffnungslos erlegen. Nach einem regenreichen Tag steigen Dunstwolken über dem Gras auf, und Rote Johannisbeeren glänzen in den Büschen, die entlang des steinigen Seeufers gepflanzt wurden. Die gut gepflegten Anlagen, die hier überall zu finden sind, schaffen eine geräumige Atmosphäre, welche in scharfem Kontrast zu den bedrängenden Felswänden auf der anderen Uferseite steht. Wir steigen aus dem Wagen und versuchen einen weiteren überwälti-genden Anblick in uns aufzunehmen, der sich diesmal allerdings vor uns in die Höhe erstreckt

ALLES BEGANN MIT EINEM LADEN AM KAI Der Bau der Alten Strynefjell-Straße im Jahr 1894 begann hier unten am Kai. In dem Gebäude, das heute den Namen Gamlebutikken („Alter Laden“) trägt, hatte zwölf Jahre zuvor ein junger Mann namens Thor Hjelle einen Gemischtwarenladen eröffnet. Thor war ein tüchtiger Kaufmann, der regelmäßig die Bauernhöfe der Gegend aufsuchte und dort Waren kaufte, die er dann in Bergen gegen Zucker, Salz und andere Waren eintauschte – um sie wiederrum mit Erfolg zu Hause in Hjelle zu verkaufen. Um Handel zu betreiben, war es damals gesetzlich vorgeschrieben, auch Reisenden Unterkunft und Verpflegung anzubieten. Da Hjelle das Ende der Straße markierte und nur wenige Besucher hierherkamen, hatte diese Verpflichtung zu Beginn kaum nennenswerte Konse-quenzen für Thor. Als jedoch Alte Strynefjell-Straße fertig gestellt wurde, ergab sich eine völlig andere Situation; Hjelle war zu einem Durchfahrtsort für Reisende geworden, die aus Grotli oder anderen Orte im Osten kamen oder dort hinfuhren. Thor hatte die Touri-stenströme vorausgesehen und verfügte außerdem über den Mut, ein großes Unternehmen aufzubauen. Im Jahr 1896 stand daher das Hjelle Hotel bereit, um Gäste aufzunehmen.

CHARMANTER VERFALL 116 Jahre später befindet sich das Hotel noch immer im Besitz der Familie Hjelle. Wir nähern uns dem schönen Holzgebäude, dessen ältester Teil im Schweizer Stil erbaut wurde, so wie viele andere westnorwegische Holzhotels aus derselben Zeit. Das Innere des Hotels ist so, als würde man in die Vergangenheit reisen. Große Räume mit alten, unterteilten Fenstern, Salons mit handgeschnitzten Möbeln, Messingleuchten und dicke, schwere Stoffe. Vier Generationen haben das wunderbar in Verfall geratene Innere sorgfältig bewahrt. Vor dem Abendessen nehmen wir im kühlen Licht der verglasten Veranda Platz und unterhalten uns mit den Wirtsleuten von heute: Lorentz Hjelle und seine aus England stammende Frau Emma.

„Wir haben uns ganz bewusst dagegen entschieden, das Hotel zu modernisieren oder unser Produkt zu kommerzialisieren. Und da wir nur im Sommer geöffnet haben, müssen wir die Ausstattung auch nicht dahingehend verändern, dass wir für Konferenzen oder Kurse zur Verfügung stehen.“

VERLOCKENDE STILLE Zu Beginn, als der Tourismus nur einigen Wenigen vorbehalten war, kamen hauptsächlich Gäste aus den höheren Gesellschaftsschichten in das Hotel. Es waren die Pioniere der Felsenkletterer, Mitglieder aus königlichen Familien und nicht zuletzt Reisende, die mit dem Schiff herkamen oder auf dem Landweg von Stryn nach Grotli in Hjelle vorbeischauten. Obwohl sich die Reiserouten im Laufe der Jahre verändert haben, kommen traditionell noch immer viele Kreuzfahrt-touristen hierher. „Jeden Sommer machen ungefähr 50.000 Touristen diese organi-sierte Rundreise“, erklärt uns Lorentz. Heutzutage sind die Touristengruppen im Großen und Ganzen schon gemischter, und laut Lorentz ist es die Aussicht auf Ruhe, Entspannung und schöne Naturerlebnisse, die die Gäste anzieht. „Die meisten, die hierherkommen, bleiben einige Tage. Sie gehen Wandern, Angeln oder machen Ausflüge mit dem Auto. Und danach kommen sie zurück, um ein gutes Abendessen zu genießen und sich zu entspannen. Um zehn Uhr abends ist hier alles total ruhig”, sagt Lorentz mit einem Lachen. „So ist es schon immer gewesen.“ Bis zum Abendessen bleiben wir auf der verglasten Veranda sitzen und bekommen dann als Vorspeise eine mediterrane Roulade aus gegrillter Aubergine und Paprika mit Pesto und Oliven-Tapenade serviert. „Wir bieten eine internationale Karte, die sich immer nach den gerade vorhandenen Zutaten richtet. Alles wird von Grund auf zubereitet“, unterstreicht Lorentz und ergänzt: „Für den Hauptgang bieten wir immer verschiedenen Alternativen an Fisch und Fleisch an.“ Wir wählen Fisch: saftigen Dorsch mit Selleriecreme und Spinat. Und zum Dessert nehmen wir eine göttliche Schokoladenmousse mit säuerlichen Himbeeren.

EINE LIEBESGESCHICHTE Das Hotel preist sich als „romantisch“ an, eine Bezeichnung, die es in unseren Augen wohl verdient hat. Nach dem Abendessen erzählt uns Emma etwas über ihre Liebesgeschichte mit Lorentz. Alles begann, als sie vor zehn Jahren als Reiseleiterein mit englischen Touristengrup-pen hierherkam. „Jeden Mittwoch hielt der Reisebus hier für eine Pause, in der es Kaffee und Kuchen gab. Lorentz war natürlich auch hier, und dann haben wir uns immer ein bisschen unterhalten“, erzählt Emma in ihrem charmanten norwegischen Stryn-Dialekt. „Und 2005 haben wir dann geheiratet.“ Durch einen fantastischen Zufall hat Emma noch eine andere, histo-rische Verbindung zu Hjelle entdeckt. „Zu Beginn der 2000er-Jahre gab es hier drüben eine Ausgra-bung. Dabei wurde eine alte Thingstätte entdeckt, die anscheinend einen Verbindungspunkt für die Wikinger aus dem Osten und Westen darstellte. Alle möglichen Objekte wurden gefunden, aber für mich war das Interessanteste eine Münze aus der Zeit um 800 – und die stammte von einer Halbinsel gleich in der Nähe meiner Heimatstadt in

Northumberland!“ „Wahrscheinlich sind die Wikinger hier zusammenkommen und dann an die Küste weitergefahren, von wo aus sie mit ihren Schiffen nach England segelten“, erklärt Emma. „Wenn ich jetzt nach England fahre, muss ich immer diese Halbin-sel besuchen. Das ist mir sehr wichtig geworden, und die Atmosphäre dort ist einzigartig.“ Das Paar hat einen zweijährigen Sohn, Thor Robson, dessen Name sich gemäß der Tradition aus Namen beider Familien zusammensetzt.

KRIEG, ROSEN UND ENGLISCHES PORZELLAN Wir gehen hinaus zur „Gamlebutikken“, wo der alte Thor einst sein Unternehmen startete. Emma führt hier nun einen Laden mit Kunst-handwerk und Haushaltswaren. Und ein Café, wo man selbstgebacke-nen Kuchen essen und Tee aus englischem Porzellan trinken kann, und zwar direkt am Seeufer. „Interessanterweise wollten viele Besucher gerne das Porzellan kaufen“, erzählt Emma. „Aber die Stücke kamen aus Familienbesitz, und ich wollte sie nicht hergeben. Deswegen fing ich an, im Laden auch englisches Porzellan anzubieten, und das verkauft sich tatsäch-lich am besten.“ Das wunderschöne Licht im Garten lässt uns noch eine Zeitlang draußen verweilen. Prächtige Obstbäume gedeihen hier, hauptsächlich Apfelbäume, aber auch Birnen- und Pflaumenbäume. Und im Rosen-garten leuchten die Blütenblätter in zahllosen Schattierungen, sowohl in den Büschen als auf der Erde. Neben einem hellroten Rosenbusch treffen wir auf Lorentz’ Mutter Oddny, die 1957 aus Trøndelag hierherkam. „Thor, der Großvater meines Mannes und Erbauer des Hotels, liebte diesen Garten. Und in jenen Tagen war er noch viel größer“, erzählt sie uns und wirkt dabei etwas beunruhigt, weil sie nicht weiß, wie die Rosen den Winter überstehen werden. Im Laufe der Jahre hat Oddny hier viele Gäste empfangen, unter anderem die ehemalige niederländische Königin Wilhelmina, die einige Male zu Besuch kam. Allerdings war Hjelle nicht immer ein Ferienort. Oddnys Mann war hier während des Zweiten Weltkriegs, als die Touristen ausblieben und andere Gäste das Hotel bevölkerten. „Damals hielten sich hier viele Familien auf, hauptsächlich aus Bergen, und die blieben dann oft den ganzen Sommer. Ich kann mir vorstellen, dass es damals sehr schwierig war, an Nahrung heran-zukommen. Da wurden dann wohl oft Frikadellen serviert, denn so konnte man das Fleisch mit anderen Sachen anreichern. Mein Mann erzählte, dass die Gäste sich nach dem Frühstück zu den umlie-genden Bauernhöfen aufmachten, um dort Lebensmittel zu kaufen. Aber natürlich standen sie dann in Konkurrenz zum Hotel, das seine Lebensmittel auch von den Bauernhöfen bezog“, sagt Oddny und lacht angesichts dieser im Elend verborgenen Ironie. Heute Abend fällt es eher schwer, an den Krieg und die Sorgen der Welt zu denken. Wir gehen hinauf zu unserem Zimmer, in dem die eleganten Stoffe vor den Fenstern und das Himmelbett den roman-tischen Eindruck verstärken. Vom Balkon aus blicken wir hinunter auf eine weitere türkisfarbene Nuance im Wasser. Würde man sich mit Heiratsgedanken tragen, wäre eine Hoch-zeitsreise hierher sicher keine dumme Idee, stellen wir uns vor. Oder müsste man vielleicht zunächst herkommen, um sich zu verlieben? Die Atmosphäre hier würde auf alle Fälle hilfreich sein, um die Dinge in Gang zu bringen. — hjelle.com

Page 20: Unterwegs in Norwegen - Kulinarische Landschaftsrouten

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