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7/2003 | 15.09.2003 PKV PUBLIK Informationen des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. Der Gesundheitskonsens leistet keinen Beitrag zu einer nachhaltigen, generationengerechten Finanzierung unseres Gesundheitswesens Weitere Themen in dieser Ausgabe Liquidation trotz OP-Verbot? Das LG Köln sagt „nein“! > Seite 82 +++ Leser schreiben > Seite 83 +++ Persönliches > Seite 84 +++ Impressum > Seite 84 Die gesetzliche Krankenversicherung sollte auf die sozial Schutzbedürftigen begrenzt werden Die gesetzliche Krankenversicherung auf die gesamte Bevölkerung auszuwei- ten hält der renommierte Staatsrechtler Prof. Dr. Helge Sodan, der auch Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin ist, für falsch. Dies würde den wichtigen Wirtschafts- zweig der privaten Krankenver- sicherung existenziell gefährden, denn er könnte von Zusatzversicherungen kaum leben. Im Interview mit PKV Publik fordert er vielmehr eine Rückbesinnung auf die Ursprünge der deutschen GKV, d.h., der Versichertenkreis der GKV sollte deutlich reduziert und auf die wirklich sozial Schutzbedürftigen be- grenzt werden. > Seite 74 Psychische Krankheiten: Keine Erfindungen Jüngst widmete ein bekanntes Magazin seine Titelgeschichte – und der Redak- teur ein ganzes Buch – dem Ideenreich- tum insbesondere der Psychiater, Krank- heiten zu erfinden, und witterte dahinter vielfältige ökonomische Interessen.Wenn dem so wäre, müßte dies den Kosten- trägern und insbesondere der privaten Krankenversicherung sehr zu denken geben. Seite 78 Trotz einiger mutiger Weichenstellungen von Regierung und Opposition in nächt- lichen Gesprächsrunden verfehlt der Kon- sens das Ziel der Gesundheitsreform, für mehr Nachhaltigkeit und Generationen- gerechtigkeit in der Finanzierung zu sor- gen. Die notwendige neue Balance zwi- schen Kapitaldeckung und Umlagefinan- zierung wurde nicht angegangen, obwohl die PKV überzeugende Angebote vorge- Sana setzt Expansionskurs mit neuer Strategie fort Der Marktführer unter den privaten Krankenhausbetreibern stellt die Wei- chen für qualifiziertes Wachstum. Hierzu verdoppelt er sein Eigenkapital und ändert seine Rechtsform. > Seite 79 MEDICPROOF baut Pflegeberatung aus Die Tochtergesellschaft des PKV-Ver- bands für medizinische Gutachten hat im Jahr 2002 die Pflegeberatung ausgebaut. Gleichzeitig sank die Zahl der Begutach- tungen von Antragstellern um 10 % . > Seite 80 Zwei Ereignisse standen im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Debatte der letz- ten Wochen: Der zwischen Regierung und Opposition vereinbarte „Gesund- heitskonsens“ sowie das Gutachten der Rürup-Kommission. > Seite 74 legt hatte.Wurde dieser Konsens auf Basis der bisherigen Systemstrukturen entwik- kelt, so legt die Rürup-Kommission der Politik zwei Alternativen zur Enscheidung vor, die mit unserem bewährten Gesund- heitssystem vollständig brechen würden. Während die Bügerversicherung zwangs- läufig zur Zwei-Klassen-Medizin führen würde, vergrößerte das Pauschalprämien- system den Staatseinfluss.

PKV PUBLIK · lichkeit abzubilden, ist die GKV durch Quersubventionierungen in der Lage, die Absicherung des Zahnersatzes zu nicht ... einseitige Steuerfinanzierung krankenver-

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Page 1: PKV PUBLIK · lichkeit abzubilden, ist die GKV durch Quersubventionierungen in der Lage, die Absicherung des Zahnersatzes zu nicht ... einseitige Steuerfinanzierung krankenver-

7/2003 | 15.09.2003PKV PUBLIKInformationen des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V.

Der Gesundheitskonsens leistet keinen Beitragzu einer nachhaltigen, generationengerechtenFinanzierung unseres Gesundheitswesens

Weitere Themen in dieser AusgabeLiquidation trotz OP-Verbot? Das LG

Köln sagt „nein“! > Seite 82 +++ Leser

schreiben > Seite 83 +++ Persönliches > Seite84 +++ Impressum > Seite 84

Die gesetzliche Krankenversicherungsollte auf die sozial Schutzbedürftigenbegrenzt werdenDie gesetzliche Krankenversicherung

auf die gesamte Bevölkerung auszuwei-

ten hält der renommierte Staatsrechtler

Prof. Dr. Helge Sodan, der auch

Präsident des Verfassungsgerichtshofes

des Landes Berlin ist, für falsch.

Dies würde den wichtigen Wirtschafts-

zweig der privaten Krankenver-

sicherung existenziell gefährden, denn er

könnte von Zusatzversicherungen kaum

leben. Im Interview mit PKV Publik

fordert er vielmehr eine Rückbesinnung

auf die Ursprünge der deutschen GKV,

d.h., der Versichertenkreis der GKV

sollte deutlich reduziert und auf die

wirklich sozial Schutzbedürftigen be-

grenzt werden.

> Seite 74

Psychische Krankheiten: Keine ErfindungenJüngst widmete ein bekanntes Magazin

seine Titelgeschichte – und der Redak-

teur ein ganzes Buch – dem Ideenreich-

tum insbesondere der Psychiater, Krank-

heiten zu erfinden, und witterte dahinter

vielfältige ökonomische Interessen.Wenn

dem so wäre, müßte dies den Kosten-

trägern und insbesondere der privaten

Krankenversicherung sehr zu denken

geben.

Seite 78

Trotz einiger mutiger Weichenstellungen

von Regierung und Opposition in nächt-

lichen Gesprächsrunden verfehlt der Kon-

sens das Ziel der Gesundheitsreform, für

mehr Nachhaltigkeit und Generationen-

gerechtigkeit in der Finanzierung zu sor-

gen. Die notwendige neue Balance zwi-

schen Kapitaldeckung und Umlagefinan-

zierung wurde nicht angegangen, obwohl

die PKV überzeugende Angebote vorge-

Sana setzt Expansionskurs mit neuerStrategie fort Der Marktführer unter den privaten

Krankenhausbetreibern stellt die Wei-

chen für qualifiziertes Wachstum. Hierzu

verdoppelt er sein Eigenkapital und

ändert seine Rechtsform.

> Seite 79

MEDICPROOF baut Pflegeberatung ausDie Tochtergesellschaft des PKV-Ver-

bands für medizinische Gutachten hat im

Jahr 2002 die Pflegeberatung ausgebaut.

Gleichzeitig sank die Zahl der Begutach-

tungen von Antragstellern um 10 % .

> Seite 80

Zwei Ereignisse standen im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Debatte der letz-ten Wochen: Der zwischen Regierung und Opposition vereinbarte „Gesund-heitskonsens“ sowie das Gutachten der Rürup-Kommission. > Seite 74

legt hatte.Wurde dieser Konsens auf Basis

der bisherigen Systemstrukturen entwik-

kelt, so legt die Rürup-Kommission der

Politik zwei Alternativen zur Enscheidung

vor, die mit unserem bewährten Gesund-

heitssystem vollständig brechen würden.

Während die Bügerversicherung zwangs-

läufig zur Zwei-Klassen-Medizin führen

würde, vergrößerte das Pauschalprämien-

system den Staatseinfluss.

Page 2: PKV PUBLIK · lichkeit abzubilden, ist die GKV durch Quersubventionierungen in der Lage, die Absicherung des Zahnersatzes zu nicht ... einseitige Steuerfinanzierung krankenver-

PKV UND POLITIK

74 PKV Publik 7/2003

Brief aus Berlin und Köln

Zwei Ereignisse standen im Mittelpunkt

der gesundheitspolitischen Debatte der

letzten Wochen: Der zwischen Regierung

und Opposition vereinbarte „Gesund-

heitskonsens“ sowie das am 28. August

2003 übergebene Gutachten der Rürup-

Kommission.

Trotz einiger mutiger Weichenstellungen

von Regierung und Opposition in nächt-

lichen Gesprächsrunden enttäuscht der

Konsens, sollte die Gesundheitsreform

doch für mehr Nachhaltigkeit und Genera-

tionengerechtigkeit in der Finanzierung

sorgen. Tatsächlich kam es jedoch zu kei-

nem Schritt in diese Richtung.Die notwen-

dige neue Balance zwischen Kapitaldek-

kung und Umlagefinanzierung wurde nicht

angegangen, obwohl die PKV überzeugen-

de Angebote – etwa beim Krankengeld mit

Kapitaldeckung – vorgelegt hatte.

Chance für Kapitalaufbau erneut vertanLeider hatte die Verhandlungsrunde nicht

den Mut zu einer grundlegenden Umsteue-

rung gehabt und die Leistungskomplexe

Zahnmedizin, Krankengeld und private

Unfälle in kapitalgedeckte Verfahren aus-

gegliedert. Dies hätte für eine zukunfts-

sichere Finanzierungsform gesorgt und die

Lohnzusatzkosten deutlich reduziert. Da-

mit wurde erneut eine Chance für den not-

wendigen Aufbau eines Kapitalstocks ver-

tan. Diese Weichenstellung ist jedoch un-

umgänglich, um unsere Kinder und nach-

wachsenden Generationen vor nicht mehr

tragbaren Belastungen zu schützen.

Zwar ist die Ausgliederung des Zahnersat-

zes aus dem Leistungskatalog der GKV

ein richtiger Schritt hin zu mehr Eigenver-

antwortung. Doch mit der Umsetzung

werden weder mehr Wettbewerb noch ei-

ne nachhaltige Finanzierung erreicht. So

ist es ein ordnungspolitischer Sündenfall,

dass Zahnersatz künftig von der GKV „in

einem gesonderten Strang“ angeboten

werden soll. Damit wird es der der GKV

ermöglicht, zu privilegierten und markt-

fernen Bedingungen auf dem funktionie-

renden Markt der Zusatzversicherung zu

agieren und den Wettbewerb zu verzerren.

Während in allen anderen Wirtschafts-

und Gesellschaftsbereichen mit guten

Gründen dereguliert und entstaatlicht

wird,erhält die GKV als mittelbare Staats-

verwaltung zusätzliche Kompetenzen.

Auch ist das politische Ziel nicht erreicht

worden, einen „fairen Wettbewerb“ zwi-

schen Sozialversicherung und Privatver-

sicherung herzustellen.Während die PKV

gezwungen ist, Kalkulationsvorschriften

zu beachten und in ihren Tarifen die Wirk-

lichkeit abzubilden, ist die GKV durch

Quersubventionierungen in der Lage, die

Absicherung des Zahnersatzes zu nicht

kostendeckenden Preisen anzubieten. Zu-

dem verfügt sie mit ihrem Bestand über

das Adressenmonopol, während die PKV

um die ihr bis dahin unbekannten Versi-

cherten erst werben muss. Von einem fai-

ren Wettbewerb kann also keine Rede

sein. Ungeachtet dieses gravierenden

Nachteils werden aber die Unternehmen

der PKV auf Basis der neuen gesetzlichen

Regelung den Versicherten attraktive Ta-

rife anbieten, zwischen denen sie entspre-

chend ihren individuellen Präferenzen

wählen können.

Der von den gesetzlichen Kassen für die

Absicherung des Zahnersatzes unabhän-

gig vom Einkommen ihrer Versicherten zu

erhebende Einheitsbeitrag verstößt über-

dies ganz offensichtlich gegen das Solidar-

prinzip. Ein weiterer eklatanter Verstoß

gegen dieses Prinzip liegt in der Ermächti-

gung der GKV, künftig freiwillig Versi-

cherten Tarife mit Beitragsrückgewähr

oder Selbstbehalte mit Beitragsminde-

rung anzubieten. Selbstverständlich wer-

den sich nur junge und gesunde Versicher-

te hierfür entscheiden – zum Nachteil der

anderen Versicherten im Kollektiv. Am

gesamten Ausgabenvolumen der GKV än-

dert dies nichts.

Evolutorischer Ansatz statt radikaler Re-formen mit zweifelhaftem AusgangWährend der Gesundheitskonsens auf Ba-

sis der bisherigen Systemstrukturen entwi-

ckelt wurde, fordert die Rürup-Kommis-

sion eine politische Werteentscheidung

zwischen zwei Systemen, die mit unserem

gegenwärtigen, im historischen und inter-

nationalen Vergleich trotz aller Kritik

außerordentlich bewährten System, voll-

ständig brechen.Die Kommission sieht für

eine langfristig tragfähige Reform nur die

Entscheidung zwischen einem Pauschal-

prämienmodell und der „Bürgerversiche-

rung“. Damit ignoriert sie weitere tragfä-

hige und deutlich leichter erreichbare Al-

ternativen. Denn die von der Rürup-Kom-

mission geforderte Weichenstellung der

Politik ist keineswegs auf die Alternative

Pauschalprämienmodell oder Bürgerver-

sicherung begrenzt.

Will man das politische Ziel einer nachhal-

tigen, generationengerechten Finanzie-

rung des Gesundheitswesens mit wettbe-

werblichen Strukturen bei Krankenver-

Page 3: PKV PUBLIK · lichkeit abzubilden, ist die GKV durch Quersubventionierungen in der Lage, die Absicherung des Zahnersatzes zu nicht ... einseitige Steuerfinanzierung krankenver-

PKV UND POLITIK

75PKV Publik 7/2003

bundene Ziel,mehr Felder für Wettbewerb

zu erschließen, ist zu unterstützen und

kann selbstverständlich auch vor der PKV

nicht halt machen.Allerdings stößt die von

der Kommission geforderte Mitgabe der

Alterungsrückstellung auf bisher – wie das

Ergebnis aller eingesetzten Experten-

Kommissionen zeigt – nicht zu überwin-

dende Hürden. Dies gilt auch für den im

Bericht skizzierten Weg.Wie etwa will man

für einen Versicherten zum Zeitpunkt des

Wechsels exakt quantifizieren, welche

Kosten er in Zukunft verursacht. Dazu

müsste man eine konkrete, individuelle

Prognose abgeben, man müsste die Fort-

schritte der Medizin antizipieren, man

müsste die Kostenentwicklung kennen und

eine sichere Prognose über die individuelle

Lebenserwartung machen können. Über-

dies muss sich die Einschätzung des abge-

benden Unternehmens mit der des aufneh-

menden decken – bei der Informations-

und Interessenasymmetrie eine gewagte

Annahme.

Gleichwohl erklärt die PKV ausdrücklich

ihre Bereitschaft, konstruktiv an einer Lö-

sung mitzuarbeiten, die den Wechsel er-

leichtert, die aber auch die Interessen der

nicht wechselnden Versicherten berück-

sichtigt.Und worauf überdies zu achten sein

wird – sie muss administrierbar sein. L

sicherern wie bei Leistungserbringern er-

reichen – und jede verantwortliche, zu-

kunftsgerichtete Politik muss dieses Ziel

zur Grundlage ihrer Entscheidungen ma-

chen – und dabei den Versicherten mehr

Selbstbestimmung und Wahlfreiheit ein-

räumen, müssen die bestehenden Struktu-

ren mutig weiterentwickelt werden. Dazu

gehören eine Konzentration des Leistungs-

katalogs der GKV sowie die Ausweitung

der Kapitaldeckung und eine deutlich ge-

stärkte Vertragskompetenz der PKV

gegenüber den Leistungserbringern.

„Bürgerversicherung“ führt zwangsläufigzur Zwei-Klassen-Medizin Insbesondere die Einführung einer von

Teilen der Kommission vorgeschlagenen

„Bürgerversicherung“ – oder richtiger:

Volkseinheitsversicherung – ist abzuleh-

nen. Sie bedeutet das Ende von Wettbe-

werb und Wahlfreiheit, bedeutet Bevor-

mundung, Bürokratie und Kontrolle. Ihre

Einführung setzte voraus, dass alle Versi-

cherten einer Meldepflicht unterliegen.

Bei freier Kassenwahl müssten sie sich von

einer bundeseinheitlichen Meldestelle der

GKV erfassen und registrieren lassen, um

Nicht- oder Doppelmeldungen zu vermei-

den. Dies ist nur eine von vielen Folgen ei-

ner „Bürgerversicherung“, die zu einem

bürokratischen Monster ausarten würde.

So würde sie auch zwangsläufig zu einer

Zwei-Klassen-Medizin führen. Während

heute Leistungserbringer gesetzlich und

privat Versicherte auf gleich hohem Quali-

tätsniveau behandeln, würde Spitzenme-

dizin dann – internationale Vergleiche zei-

gen dies – zum Privileg Weniger werden.

Und wo das Verständnis für diese neue

Form der zusätzlichen Geldbeschaffung

ganz aufhört: gerade die Parteien, die für

Nachhaltigkeit und Generationengerech-

tigkeit eintreten, würden mit einer „Bür-

gerversicherung“ die demographieanfälli-

ge Umlagefinanzierung auf die gesamte

Bevölkerung ausdehnen.Wie können Poli-

tiker, die für die Interessen von Jungen

und Nachwachsenden eintreten, einen sol-

chen Schritt rechtfertigen?

„Pauschalprämienmodell“ vergrößertStaatseinfluss im Gesundheitswesen nochGegenüber dem Modell der Volksversi-

cherung hat das von Rürup selbst propa-

gierte Pauschalprämienmodell den Vor-

zug, die kapitalgedeckte – und damit de-

mographiefeste – PKV bei unveränderter

Versicherungspflichtgrenze unberührt zu

lassen. Das Gutachten anerkennt insofern

die unüberwindbaren rechtlichen Hürden,

in das Geschäftsfeld der PKV einzugrei-

fen. Es anerkennt, dass nur mit einer star-

ken privaten Krankenversicherung Wett-

bewerb und Einheitlichkeit der Versor-

gungsstrukturen sowie ein hoher Quali-

tätsstandard zu gewährleisten sind.

Allerdings mag man bezweifeln, dass Pau-

schalprämien der geeignete Finanzierungs-

weg sind. Sie setzen massive staatliche

Transferzahlungen von rd. 25 Mrd. Euro

jährlich voraus. Der Staat würde so einen

dominierenden Einfluss auf das Gesund-

heitswesen nehmen. Damit ginge ein we-

sentlicher Vorzug dieses Systems in

Deutschland – die vergleichsweise staats-

ferne Steuerung und Verwaltung durch die

unmittelbar Systembeteiligten – verloren.

Das mit dem Pauschalprämienmodell ver-

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DAS INTERVIEW

PKV Publik 7/2003

Die GKV auf die gesamte Bevölkerung auszuweiten hält der renommierteStaatsrechtler Prof. Dr. Helge Sodan, der auch Präsident des Verfassungs-gerichtshofes des Landes Berlin ist, für falsch. Im Interview mit PKV Publikfordert er im Gegenteil, den Versichertenkreis der GKV deutlich zu reduzierenund auf die wirklich sozial Schutzbedürftigen zu begrenzen.

1

2

Die gesetzliche Krankenversicherung sollte aufdie sozial Schutzbedürftigen begrenzt werden

Der zwischen SPD, CDU/CSU und Bünd-

nis 90/Die Grünen vereinbarte Kompromiss

zur „Gesundheitsreform“ sieht vor, dass der

Zahnersatz künftig pflichtweise über Kopf-

pauschalen bei der GKV versichert wird, die

Versicherten alternativ aber auch einen Tarif

der PKV wählen können. Bestehen hierge-

gen rechtliche Einwände?

Prof. Sodan: Es ist sehr zweifelhaft, ob in

bezug auf die Versorgung mit Zahnersatz

ein fairer Wettbewerb zwischen GKV und

PKV stattfinden wird. Insoweit ist vor al-

lem zu berücksichtigen, dass durch die be-

absichtigte einseitige Steuerfinanzierung

sogenannter krankenversicherungsfrem-

der Leistungen zugunsten der GKV die ge-

setzlichen Krankenkassen Bundeszuschüs-

se von geschätzten insgesamt 4,5 Milliar-

den Euro per annum und damit in Höhe

von ca. 20 % der Jahresumsätze der PKV’n

erhalten sollen. Die damit verbundene

Wettbewerbsverfälschung verstieße nach

meiner Auffassung gegen Grundrechte pri-

vater Krankenversicherer: nämlich den all-

gemeinen Gleichheitssatz in Verbindung

mit dem Grundrecht der Berufsaus-

übungsfreiheit. Dass ein echter Kranken-

versicherungsmarkt besteht, lässt sich zu-

mindest im Hinblick auf diejenigen Mit-

glieder einer gesetzlichen Krankenkasse

begründen, deren Beitritt auf einer freiwil-

ligen Versicherung beruht. Besonders die

einseitige Steuerfinanzierung krankenver-

sicherungsfremder Leistungen führt zur

Gefahr der „Quersubventionierung“: Es

wäre ein erheblicher Verfassungsverstoß,

wenn die Steuermittel durch gesetzliche

Krankenkassen auch dazu verwendet wür-

den, für die Versorgung mit Zahnersatz

niedrigere Beiträge zu erheben, als es pri-

vaten Krankenversicherern möglich wäre.

Generalanwalt des Europäischen Ge-

richtshofs Jacobs führte in seinen Schluss-

anträgen vom 22. Mai 2003 in einem Ver-

fahren, das sich auf die Regelungen der

Festbeträge für Arzneimittel bezieht, aus,

dass die gesetzlichen Krankenkassen in

Deutschland nicht nur untereinander, son-

dern auch mit den privaten Krankenversi-

cherern konkurrieren und angesichts ei-

nes solchen Wettbewerbs die Wettbe-

werbsvorschriften des europäischen Ge-

meinschaftsrechts anwendbar sein sollten.

Vernünftig wäre es, nach einer Ausgliede-

rung der Versorgung mit Zahnersatz aus der

GKV das Zahnersatzrisiko über eine priva-

te Pflichtversicherung zu regeln, wie es An-

träge der beiden Oppositionsfraktionen im

Deutschen Bundestag vorsahen. Dass dieser

Vorschlag in den „Konsensgesprächen“

nicht durchgesetzt werden konnte, halte ich

für einen schwerwiegenden Fehler, der zu

erheblichen juristischen und politischen

Problemen führen wird.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussicht der

angekündigten Verfassungsbeschwerden pri-

vater Krankenversicherer gegen die im „Bei-

tragssatzsicherungsgesetz“ vom 23. 12. 2002

geregelte und am 1. 1. 2003 in Kraft getretene

Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze?

Prof. Sodan: Das Beitragssatzsicherungs-

gesetz ist bereits deshalb verfassungswid-

rig, weil die erforderliche Zustimmung sei-

tens des Bundesrates nicht erfolgt ist. Zu

dieser formellen Verfassungswidrigkeit

kommen schwerwiegende Einwände ge-

gen die materielle Verfassungsmäßigkeit

hinzu. Ein Arbeiter oder Angestellter, des-

sen regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt im

Jahre 2003 nicht den Betrag von 45.900

Euro übersteigt, ist in der GKV pflichtver-

sichert. Mit einer derart hohen und letzt-

lich willkürlich festgelegten Grenze hat

sich der Gesetzgeber nicht nur von der al-

ten „Friedensgrenze“ zwischen GKV und

PKV, sondern vor allem auch vom Prinzip

der Schutzbedürftigkeit gelöst, das für ei-

Prof. Dr. Helge Sodan

Der Gesetzgeber muss daher strenge Re-

gelungen schaffen, welche eine „Quersub-

ventionierung“ ausschließen; durch staatli-

che Aufsicht ist die Einhaltung der Anfor-

derungen sicherzustellen.

Sehr zweifelhaft ist ferner, ob sich das an-

gestrebte Konkurrenzverhältnis zwischen

der ungleich größeren, fast über eine Mo-

nopolstellung verfügenden GKV und der

deutlich kleineren PKV bei der Versor-

gung mit Zahnersatz mit den Wettbe-

werbsvorschriften des europäischen Ge-

meinschaftsrechts vereinbaren ließe. Der

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77

DAS INTERVIEW

PKV Publik 7/2003

ne Sozialversicherung grundlegend ist.

Nach meiner Auffassung verstößt eine so

hohe Versicherungspflichtgrenze gegen

das Grundrecht Zwangsversicherter auf

freie Entfaltung der Persönlichkeit, weil

sie sich als unverhältnismäßig erweist.

Überdies ergibt sich aus der gegenwärti-

gen sozialgesetzlichen Regelung ein Prob-

lem signifikanter Ungleichbehandlung.

Ein Arbeiter oder Angestellter, dessen

Jahresarbeitsentgelt nicht 45.900 Euro,

sondern 45.901 Euro beträgt, ist derzeit

versicherungsfrei – mit den möglichen

Vorteilen des Abschlusses einer privaten

Krankenversicherung.Wer diese Versiche-

rungspflichtgrenze auch nur geringfügig

verfehlt, ist versicherungspflichtig. Ein für

diese Ungleichbehandlung verschiedener

Gruppen rechtfertigender Grund lässt

sich jedoch nicht finden. Auch das soge-

nannte Sozialstaatsprinzip ermächtigt

nicht zu beliebiger Sozialgestaltung. Die

gegenwärtige Versicherungspflichtgrenze

verstößt gegen das Gebot der Belastungs-

gleichheit und daher gegen den allgemei-

nen Gleichheitssatz.

Aus Sicht der PKV ist insbesondere deren

Grundrecht der Berufsfreiheit zu beach-

ten, das wegen der deutlich verringerten

Möglichkeiten, neue Versicherungsneh-

mer zu gewinnen, zumindest mittelbar be-

troffen ist. Auch insoweit sehe ich keine

hinreichende Rechtfertigung für die

Grundrechtsbeeinträchtigungen. Mit der

in ständiger Rechtsprechung als besonde-

ren Gemeinwohlbelang bezeichneten Si-

cherung der finanziellen Stabilität der

GKV hat das Bundesverfassungsgericht

(BVG) dem Gesetzgeber keine „Blanko-

vollmacht“ zur beliebigen Einschränkung

etwa der Berufsfreiheit ausgestellt. Trotz

der vorgenannten schwerwiegenden Ein-

wände lässt sich allerdings die konkrete

Erfolgsaussicht von Verfassungsbeschwer-

den, deren Entscheidung in die Zuständig-

keit des Ersten Senats des BVG fallen

dürfte, nur schwer voraussagen.

sozial schutzbedürftigen Zwangsvereinig-

ten auf freie Entfaltung der Persönlichkeit

und die zumindest mittelbaren Beein-

trächtigungen der Berufsfreiheit privater

Krankenversicherer wären nicht zu recht-

fertigen.

Da mittlerweile mehr als 90 Prozent der

Bevölkerung in der GKV sind, wäre genau

der umgekehrte Weg sinnvoll, eine Rück-

besinnung auf die Ursprünge der deut-

schen GKV: Der von ihr erfasste Versi-

chertenkreis sollte deutlich auf die wirk-

lich sozial Schutzbedürftigen reduziert

werden. Das wesentlich durch Otto von

Bismarck beeinflusste Gesetz betreffend

die Krankenversicherung der Arbeiter

vom 15. Juni 1883 bezog in diese Sozialver-

sicherung nur die Arbeiter mit den nied-

rigsten Löhnen ein und konzentrierte den

Versicherungsschutz auf einen tatsächlich

schutzbedürftigen Personenkreis, so dass

der Krankenversicherung der Arbeiter sei-

nerzeit lediglich etwa 10 Prozent der Be-

völkerung angehörten.

Eine erheblich „abgespeckte“ und auf die-

se Weise leichter finanzierbare GKV

könnte – nach Wegfall eines Konkurrenz-

verhältnisses zur PKV – aus Steuermitteln

unterstützt werden. Im übrigen aber und

damit ganz überwiegend wäre die Kran-

kenversicherung den wettbewerblichen

Strukturen der wirtschaftlicheren privaten

Krankenversicherung anzuvertrauen. Da-

rin würde ein echter Systemwechsel liegen,

vor dem der Gesetzgeber aber – noch – zu-

rückscheut. So wird denn mit großer Wahr-

scheinlichkeit in diesem Jahr eine „Ge-

sundheitsreform“ auf der Grundlage eines

Systems beschlossen werden, das schon

wegen des kontinuierlichen Ausgabenan-

stiegs als Folge des medizinischen Fort-

schritts und der zunehmenden Zahl älterer

Menschen keine Zukunft haben kann.

Kaum abzuschätzen sind zudem die sich

aus der EU-Osterweiterung für die sozia-

len Sicherungssysteme Deutschlands erge-

benden Belastungen.

3In der Reformdiskussion geht es nicht nur

um die Berücksichtigung anderer Ein-

kunftsarten, sondern auch um die Einbezie-

hung aller bisher noch privat versicherten

Personenkreise in die Pflichtversicherung.

Wie beurteilen Sie die Chancen einer Bür-

gerversicherung unter verfassungsrechtli-

chen Gesichtspunkten?

Prof. Sodan: Die wettbewerbsferne, un-

wirtschaftliche Einheits-Krankenversiche-

rung wäre vollendet, wenn die gesamte

Bevölkerung in Deutschland in die GKV

einbezogen würde. Dies liefe der finanzi-

ellen Stabilität und damit der Funktions-

fähigkeit der GKV gerade zuwider. Wäh-

rend früher von „Volksversicherung“ die

Rede war, verwenden einige interessierte

Politiker seit kurzem die verharmlosende

Bezeichnung „Bürgerversicherung“ und

finden damit Zustimmung bei denjenigen,

die gegen eine vermeintliche „Zwei-Klas-

sen-Medizin“ als Folge des Dualismus von

GKV und PKV polemisieren. Ob die

zwangsweise Einbeziehung auch von Be-

amten und Selbständigen in die GKV

wirklich deren Finanzgrundlagen nachhal-

tig bessern würde, ist unter Wirtschaftswis-

senschaftlern seit langem umstritten: Zu

bedenken ist insoweit vor allem, dass viele

Beamte mit relativ niedrigen Einkommen

nicht gerade hohe Beiträge zur GKV leis-

ten könnten; dies gilt in wirtschaftlichen

Krisenzeiten auch für nicht wenige Selb-

ständige.

Ökonomisch unsinnig aber wäre es vor al-

lem, die wirtschaftlich funktionierende

PKV und damit einen wichtigen Wirt-

schaftszweig in Deutschland zu ruinieren.

Allein vom Abschluss von Zusatzversiche-

rungen dürften diese kaum leben können;

sie wären daher existentiell gefährdet. Ge-

gen eine „Bürgerversicherung“ ergäben

sich zugleich schwerwiegende verfas-

sungsrechtliche Einwände. Die mit einer

solchen umfassenden gesetzlichen

Zwangs-Krankenversicherung verbunde-

nen Eingriffe in das Grundrecht der nicht

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PKV Publik 7/2003

PKV UND GKV

78

Kreislauf-Krankheiten abgelöst haben.

Unter den führenden 10 Krankheiten wer-

den sich 4 weitere psychische (Alkoholab-

hängigkeit, Schizophrenie, Zwangs- sowie

manisch-depressive Krankheit) finden.

Darauf ist der Versorgungsalltag bei ge-

setzlich wie bei privat Krankenversicher-

ten bisher unzureichend vorbereitet.

Unzureichend erkannt und – falls doch –unzureichend behandelt Eine Reihe multinationaler Erhebungen

zeigt, dass diese Krankheiten häufig unzu-

reichend erkannt und – falls doch – unzu-

reichend behandelt werden. Die Erken-

nensquote der Depression liegt z.B. bei 50

Prozent. Die Zwangskrankheit hat nicht

umsonst den Spitznamen "hidden disea-

se"; es dauert rund 8 Jahre, bis sie endlich

adäquat behandelt wird. Dies bedeutet für

die Kostenträger keineswegs, Geld zu spa-

ren. Im Gegenteil: Die häufig begleitenden

körperlichen Symptome sind Anlass für

umfangreiche und wiederholte somatische

Abklärungen. Es ist eindeutig belegt, daß

unerkannte oder fehlbehandelte psychisch

Kranke z.T. in dramatischem Maße somati-

sche Krankenhäuser in Anspruch nehmen.

Und dies trotz der in Deutschland weltweit

besten psychosomatischen Versorgung.

Die Kehrseite der "erfundenen Krankhei-

ten" sind am Ende höhere Kosten. Be-

denkt man dann auch noch das damit ver-

bundene subjektive Leid der Betroffenen,

hat das erwähnte Magazin weder den Ver-

sicherern noch den Kranken einen Dienst

erwiesen. Am Ende hat das Magazin zur

Stigmatisierung psychisch Kranker beige-

tragen und ihre Chancen für eine effiziente

Behandlung verringert. JF

Rund 7 Prozent (1998) aller Krankenhaus-

fälle Privatversicherter sind Folge psychi-

scher Krankheiten, also deutlich mehr als

im Durchschnitt (5 %). Dabei verursachen

sie bei Privatversicherten 14 Prozent

(Durchschnitt: 13 %) aller Belegungstage.

Dem Magazin zufolge wäre diese Gruppe

besonders empfänglich für die "Verfüh-

rungskünste" der "Erfinder". Und ihre

Versicherer wie die Versichertengemein-

schaft wären die ökonomischen Opfer.

So ist es aber – man ist versucht zu sagen

leider – nicht, zumindest nicht statistisch,

von Einzelfällen abgesehen. Seit 40 Jahren

hat die Forschung immer wieder Unter-

schiede zwischen den sozialen Gruppen

belegt. Demnach ist die höhere Inan-

spruchnahme durch Privatversicherte

nicht Folge höherer Erkrankungsrisiken

(Morbidität), sondern eher dadurch be-

dingt, dass die Inanspruchnahme durch ge-

setzlich Versicherte unzureichend ist .

Die diagnostische Verteilung (Grafik)

zeigt aber,daß manche Krankheiten (ange-

geben sind die ICD-9-Kodes) unter–,ande-

re überrepräsentiert sind,vor allem als Fol-

ge des gesetzlich beschränkten Zugangs

zur Privatversicherung: So manifestieren

sich die Schizophrenien (295) in so jungen

Jahren, dass es den Betroffenen kaum

möglich ist, die Versicherungspflichtgrenze

zu übertreffen. Ähnlich ist es bei Alkohol-

krankheit (303),wobei hinzukommen mag,

daß bei Privatversicherten diese Diagnose

"vermieden" und stattdessen eine "Neuro-

se" (300) diagnostiziert wird. Der geringe-

re Anteil der Demenzen (290) erklärt sich

am ehesten aus der besonderen Alters-

struktur Privatversicherter.

Der WHO und Weltbank zufolge werden

Depressionen (in 296 und 300) im Jahre

2020 in den entwickelten Ländern die füh-

rende Ursache für in Behinderung ver-

brachte Lebensjahre sein und die Herz-

Psychische Krankheiten: Keine ErfindungJüngst widmete ein bekanntes Magazin seine Titelgeschichte – und der Redakteur ein ganzes Buch – dem Ideenreichtuminsbesondere der Psychiater, Krankheiten zu erfinden, und witterte dahinter vielfältige ökonomische Interessen. Wenn demso wäre, müßte dies den Kostenträgern und insbesondere der privaten Krankenversicherung sehr zu denken geben

Belegungstage: Diagnostische Verteilung

PKV Insgesamt

31110%

3095%

3083%

3073%3064%3052%

3036%

3014% 300

19%

2989%

29612%

2959%

2904%

2907% 291

3%

29526%

29613%

3009%

3015%

30311%

3044%

3096%

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PKV UND KRANKENHAUS

PKV Publik 7/2003

was angesichts des Privatisierungs- und In-

vestitionsbedarfs der deutschen Kranken-

hauslandschaft ein entscheidendes Ziel der

Sana ist. Ein Börsengang sei allerdings

nicht geplant, wie Geschäftsführer Ulrich

Bosch klarstellte. Denn der Kreis der An-

teilseigner soll in der Grundstruktur nicht

verändert werden. Als Unternehmen der

PKV wird Sana auch langfristigen, quali-

tätsbezogenen Zielen folgen.

„Qualität vor Quantität“Weitere Instrumente der neuen Strategie

stellte Geschäftsführer Dr. Andreas Tek-

klenburg vor: Das Sana-DRG-Steuerungs-

board, das DRG-Benchmarkingprojekt,

die Portfoliostrategien,die Patientenpfade,

den Einsatz von Key Account Managern

und die Integrierte Versorgung. Mit „Qua-

lität vor Quantität“ verbindet sich die For-

mel, die richtige Medizin auf Grundlage

sichtbarer Evidenz und wissenschaftlich

abgesichert, am richtigen Ort (“nicht jeder

alles“, durch vereinbarte Vorgehenswei-

sen), zu einem vernünftigen Preis (kalku-

lierbar und transparent) auf Anhieb richtig

zu erbringen. „Mit der neuen Strategie

nimmt Sana die aktuelle Entwicklung in

der Politik vorweg und ist Impulsgeber ei-

ner qualitäts- und patientenorientierten

Medizin in Deutschland,“ so Dr. Reinhard

Schwarz abschließend.

Die Sana-Kliniken-Gruppe verantwortete

im vergangenen Jahr einen Umsatz von

1.700 Mio. Euro und zählt zu den Top 50

Dienstleistern in Deutschland. Zum Sana

Verbund gehören 60 Krankenhäuser, 20

Seniorenzentren sowie 11 Dienstleistungs-

gesellschaften. Nahezu eine halbe Mio. Pa-

tienten wurden 2002 in den Sana-Kranken-

häusern stationär behandelt. Sch

Unter dem Motto „Qualität vor Quan-

tität“ hat die Sana eine neue Unterneh-

mensstrategie entwickelt. Sie erlaubt es,

die weitreichenden Änderungen im Kran-

kenhausbereich wie die Abrechnung nach

DRGs (Diagnostic Related Groups) und

die Behandlung nach Patientenpfaden

(Clinical Pathways) effektiv zu nutzen und

den eigenen Expansionskurs fortzusetzen.

Zu den wesentlichen Maßnahmen für eine

zeitnahe Umsetzung der neuen Strategie

zählen die Verdoppelung des Eigenkapi-

tals auf 80 Mio.Euro und die Änderung der

Rechtsform in eine GmbH & KGaA.

Nachfrage kommunaler Träger hält anDie neue, mit Aufsichtsrat und PKV-Gre-

mien abgestimmte Strategie wurde in

München, dem Sitz der Sana, im Rahmen

einer Pressekonferenz von den drei Ge-

schäftsführern der Sana-Kliniken GmbH

vorgestellt. Zu den Eckpunkten zählen die

Fokussierung auf das Kerngeschäft Akut-

krankenhäuser sowie die Bildung medizi-

nischer Kompetenzzentren für Erkrankun-

gen des Herz-Kreislauf-Systems und des

Bewegungsapparates. Leistungen der Re-

habilitation,Anschlussheilbehandlung und

Altenpflege werden künftig durch den Ab-

schluss von Kooperationsverträgen einge-

kauft. Integrierte Versorgungsangebote

sollen durch regionale Netzwerke ausge-

baut werden.Wachstum wird vorzugsweise

in Regionen mit bereits starker Sana-Prä-

senz forciert. Die Nachfrage von kommu-

nalen Trägern nach Managementverträgen

hält an, zunehmend wird jedoch eine diffe-

renzierte Ausgestaltung gewünscht. Die

neue Strategie soll auch „die herausragen-

de medizinische Qualität der Sana-Häuser

und ihre Wirtschaftlichkeit dauerhaft si-

chern,“ betonte Dr. Reinhard Schwarz,

Vorsitzender der Geschäftsführung.

Zur Umsetzung der neuen Strategie haben

die Sana-Gesellschafter die erwähnte Ver-

doppelung des Eigenkapitals beschlos-

sen. Weiterhin soll auf der nächsten Ge-

sellschafterversammlung Mitte Oktober

die Rechtsformänderung in eine GmbH

& Co. KGaA verabschiedet werden.

Die Gesellschafter-Anteile der Sana-

GmbH werden –

in Form von

Aktien – in

Kommanditantei-

le umgewandelt.

Damit verein-

facht sich die Ka-

pitalbeschaffung

und die Sana öff-

net sich weiteren

privaten Kran-

kenversicherern

als möglichen Ge-

sellschaftern. Bei-

des führt zu höhe-

rer Flexibilität,

Sana setzt Expansionskurs mit neuer Strategie fort Der Marktführer unter den privaten Krankenhausbetreibern stellt mit neuer Unternehmensstrategie die Weichen für qualifi-ziertes Wachstum. Voraussetzungen hierfür sind eine Verdoppelung des Eigenkapitals und eine Änderung der Rechtsform.

v.l.n.r.: Dr. Andreas Tecklenburg, Dr. Reinhard Schwarz und Ulrich Bosch.

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PKV UND PFLEGE

PKV Publik 7/2003

gehalten. Verzögerungen entstehen etwa

durch stationäre Krankenhausbehandlun-

gen des Pflegebedürftigen oder durch

Schwierigkeiten bei der Terminvereinba-

rung mit Angehörigen.Aber auch eine ver-

schärfte Qualitätskontrolle der Gutachten

verlängerte die Bearbeitungszeit um ein

bis zwei Tage – ebenfalls als Folge der er-

wähnten BSG-Urteile. Weil eine einmal

mitgeteilte Pflegestufe bei einem Irrtum

des Gutachters nicht mehr zurückgenom-

men werden kann, müssen die Gutachten

hieb- und stichfest sein und werden noch

kritischer als zuvor auf Fehler geprüft.

Erhebliche Unterschiede zwischen ambu-lanter und stationärer PflegeBei den Ergebnissen der Erstgutachten –

der Begutachtung nach erster Antragstel-

lung – zeigen sich erhebliche Unterschiede

zwischen ambulant und stationär gepfleg-

ten Antragstellern. Im stationären Bereich

werden wesentlich weniger (9,63 %) von

den Gutachtern als nicht pflegebedürftig

angesehen, als bei Pflege zu Hause

(21,39 %). Bei der häuslichen Pflege be-

kommt die Hälfte der Pflegebedürftigen

die Stufe I (50,39 %), während bei der sta-

tionären Pflege die Stufe II mit 40,7 % am

häufigsten vergeben wird (siehe Tabelle 1).

Auch Alter und Geschlecht der Antragstel-

ler wurden ausgewertet: 57,9 % sind Frau-

en. Bei den Männern war die Altersgruppe

von 66 bis 80 Jahren am stärksten vertreten

(16 %), bei den Frauen die von 81 bis 90

Jahren (28,3 %). Besonders deutlich wird

die unterschiedliche Lebenserwartung in

den Pflegeheimen. Dort liegt der Anteil

der 81 bis 90jährigen Männer bei 14,5 %,

bei den Frauen hingegen bei 35 % (siehe

Tabelle 2).

Die MEDICPROOF–Gesellschaft für me-

dizinische Gutachten ist als 100%ige Toch-

ter des PKV-Verbandes für die Prüfung der

Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit

nach dem SGB XI zuständig und damit

vergleichbar dem Medizinischen Dienst

der GKV. Ursache für den Auftragsrück-

gang ist nach dem jetzt vorgelegten Ge-

schäftsbericht die Rechtsprechung des

Bundessozialgerichts zu den Wiederho-

lungsuntersuchungen. Hierunter ist die er-

neute Begutachtung zur Überprüfung der

festgestellten Pflegestufe zu verstehen, die

regelmäßig zu erfolgen hat. Die BSG-Ur-

teile vom 22. August 2001 haben diese

Möglichkeit aber stark eingeschränkt.

Zahl der Gutachter gesunkenIn der privaten Pflegepflichtversicherung

hat dies dazu geführt, dass ca. 10.000 Gut-

achten weniger durchgeführt wurden. Der

Umsatz der MEDICPROOF GmbH sank

somit auf 3,4 Mio. Euro (2001: 3,7 Mio. Eu-

ro), die Zahl der Gutachter um 80 auf 933.

Derzeit decken 862 ärztliche Gutachter

und 71 Pflegefachkräfte als freie Mitarbei-

ter für MEDICPROOF das gesamte

Bundesgebiet ab. Vor allem sind es prakti-

sche Ärzte (23 %), gefolgt von Allgemein-

medizinern (21 %), Fachärzten für innere

Medizin (14 %) und Arbeitsmedizinern

(12 %). Die meisten sind niedergelassene

Ärzte (21 %), gefolgt von den Ärzten, die

in Krankenhäusern oder Kliniken ange-

stellt sind (18 %). Knapp 5 % sind haupt-

amtlich beim medizinischen Dienst der

Krankenversicherung (MDK), 8 % im öf-

fentlichen Gesundheitsdienst und 9 % bei

arbeitsmedizinischen Diensten beschäftigt.

Etwa 14 % der freien Mitarbeiter,davon 20

Pflegefachkräfte, arbeiten ausschließlich

freiberuflich als Gutachter. Jeder Gutach-

ter hatte im Durchschnitt neun Aufträge im

Monat zu erledigen. In Nordrhein-Westfa-

len, Baden-Württemberg und Bayern – je-

weils Länder mit hoher PKV-Versicherten-

dichte – waren es zum Teil deutlich mehr.

Die MEDICPROOF GmbH vermittelt

Aufträge von allen 43 privaten Kranken-

versicherern, die die Pflegepflichtversiche-

rung betreiben, sowie den Pflegeversiche-

rungen der Postbeamtenkrankenkasse und

der Krankenversorgung der Bundesbahn-

beamten. Insgesamt ist sie damit für rd. 8,8

Mio. Privatversicherte in Deutschland zu-

ständig. Die durchschnittliche Bearbei-

tungsdauer lag im Berichtsjahr für ambu-

lante Begutachtungen bei 25 Tagen und für

die Begutachtung in Pflegeheimen bei 22

Tagen. Die angestrebte Bearbeitungszeit

von 3 Wochen wird in 73 % der Fälle ein-

MEDICPROOF baut Pflegeberatung ausDie Tochtergesellschaft des PKV-Verbands für medizinische Gutachten, MEDICPROOF, hat im Jahr 2002 die Pflegeberatungausgebaut. Gleichzeitig ist die Zahl der Begutachtungen von Antragstellern um 10 % auf 110.188 zurückgegangen.

Tabelle 1:

Private PflegeversicherungEinstufung der Erstgutachten 01.01. – 31.12.2002

nicht pflegebedürftig Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3

ambulant 21,39 % 50,39 % 22,99 % 5,22 %

stationär 9,63 % 35,19 % 40,70 % 14,48 %

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81

PKV UND PFLEGE

PKV Publik 7/2003

nur 0,4 % – immerhin aber 103 Einzelfälle

– Pflegemängel festgestellt wurden. Die

Versorgungsqualität in Pflegeheimen

scheint also besser zu sein als es in der Öf-

fentlichkeit gelegentlich diskutiert wird.

Zunehmende Pflegeberatungsleistungenzur Stärkung der häuslichen PflegeMit 4,6 % wesentlich mehr Defizite gibt es

nach dem Urteil der Gutachter bei der Ver-

sorgung zu Hause, und zwar vor allem

dort, wo Pflegebedürftige allein leben und

von keiner Pflegeperson betreut werden.

Um die häusliche Pflege zu stärken und die

Pflegebereitschaft zu fördern, erbringt

MEDICPROOF zunehmend Pflegebera-

tungsleistungen. Grundlage dafür ist ein

pflegewissenschaftlich überprüftes Kon-

zept, das vor allem auf Unterstützung und

Entlastung pflegender Angehöriger setzt.

Speziell geschulte Pflegefachkräfte vermit-

teln dabei gezielt die notwendigen Fertig-

keiten und das erforderliche Wissen für ei-

ne erfolgreiche Pflege Be

Bei sachlich begründeten Einwendungen

des Versicherten wird ein Zweitgutachten

durchgeführt. Die Einwendungen sind

allerdings seit 1998 insbesondere im ambu-

lanten Bereich deutlich gesunken, von

6,3 % auf jetzt 3,9 %. Im stationären Be-

reich waren lediglich 2,3 % der Antragstel-

ler nicht einverstanden (1998: 3,4 %). Die

höchste Einspruchquote gibt es mit 7,6 %

bei den Kinderbegutachtungen. Der über-

wiegende Teil der Einwendungen (45,1 %)

richtet sich gegen die Ablehnung einer

Pflegestufe. Im stationären Bereich gibt es

aber auch Einwendungen gegen eine zu

hohe Pflegestufe, denn die Zuzahlungen

der Bewohner für Unterkunft und Verpfle-

gung in den Heimen steigen bei einer Hö-

herstufung ebenfalls.

Die Pflege- und Versorgungsqualität sindbesser als ihr RufIm Jahr 2002 wurde durch die Gutachter

der MEDICPROOF anhand eines vorge-

gebenen Bewertungsschemas die Versor-

gungsqualität aller begutachteten Versi-

cherten eingeschätzt. In jedem Fall musste

angegeben werden, ob eine „angemesse-

ne“, eine „defizitäre“ oder eine „nicht si-

chergestellte“ Pflege vorliegt. MEDIC-

PROOF räumt ein, dass es sich dabei um

eine vergleichsweise wenig differenzierte

Graduierung von „Pflegequalität“ han-

delt. Die Definition erlaube jedoch eine

einfache Auswertung aller Versorgungsfor-

men (siehe Grafik).

Überraschendes Ergebnis war, dass von

insgesamt 24.068 Auswertungen im statio-

nären Bereich (5. Säule der Abbildung)

Pflege- und Versorgungsqualität von Privatversicherten

Tabelle 2:

Private Pflegeversicherung: Antragstellungen nach Altersstufen und Geschlecht

Alter der Antragsteller ambulant stationär ambulant und stationär

männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich

bis 19 Jahre 0,6 % 0,4 % 0,3 % 0,2 % 0,5 % 0,3 %

20 bis 65 Jahre 8,1 % 4,7 % 3,6 % 2,0 % 7,0 % 4,0 %

66 bis 80 Jahre 17,9 % 17,5 % 10,8 % 14,7 % 16,0 % 16,7 %

81 bis 90 Jahre 15,8 % 25,8 % 14,5 % 35,0 % 15,4 % 28,3 %

91 Jahre und älter 2,8 % 6,4 % 4,5 % 14,3 % 3,2 % 8,6 %

100 % 100 % 100 %

125

1.102386

384 221

879

12

43 84

19 106

65

202

23.9651.15918.21642.2703.677

100 %

90 %

80 %

70 %

60 %

50 %

40 %

30 %

20 %

10 %

0 %Ambulanter Pflegedienst

Private Pflegepersonen

Kombinationspflege

Betreutes Wohnen

Vollstationäre Einrichtung

keine Pflegeperson

angemessen defizitär nicht sichergestellt

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82

PKV UND RECHT

PKV Publik 7/2003

die Operation unter seiner Aufsicht nach

fachlicher Weisung erbracht worden sei.

Denn dies setze voraus, dass der Chefarzt

in der Lage gewesen sei, von seiner Auf-

sicht durch aktives Eingreifen in die Ope-

ration Gebrauch zu machen.

Chefarzt muss aktiv eingreifen könnenDass der Chefarzt die Vor- und Nachbe-

handlung einschließlich Diagnose und

Therapiewahl durchgeführt habe, führe

nicht dazu, dass der Wahlleistungsvertrag

als wirksam bzw. teilwirksam anzusehen

sei. Denn bei vorgesehenen Operationen

orientiere sich der Privatpatient bei der

Auswahl der Klinik gerade danach, wel-

cher Chefarzt ihn von seiner Qualifikation

her am besten operieren könne. Demge-

genüber hätten Diagnostik und Therapie

aus Sicht des Patienten eher untergeordne-

te Bedeutung, zumal sie für den Patienten

häufig bereits feststünden, bevor er sich in

stationäre Behandlung begebe. Deshalb

sei bei bestehendem Operationsverbot der

Wahlleistungsvertrag nicht nur hinsichtlich

der Hauptleistungspflicht wegen Unmög-

lichkeit unwirksam, sondern auch hinsicht-

lich sämtlicher im Rahmen der Wahlarzt-

leistungen erbrachten Leistungen.

Auch eine wirksame besondere Individual-

vereinbarung über die Behandlung durch

einen qualifizierten Oberarzt unter Lei-

tung des Chefarztes sei nicht schlüssig dar-

gelegt worden. Zwar habe der Chefarzt

den Patienten vor der Operation darüber

aufgeklärt, dass ihn sein Oberarzt operie-

ren werde. Jedoch erscheine die behaupte-

te Individualvereinbarung vor dem Hinter-

grund des § 22 BPflV als unwirksam. Aus

dieser Vorschrift ergebe sich nämlich, dass

Auch wenn es sich hierbei um eine eher sel-

tene Konstellation handelt, ist das Behar-

ren des Herzchirurgen auf seinem Liquida-

tionsrecht doch nur ein Beispiel für die un-

ter Chefärzten weit verbreitete Sichtweise,

dass nicht zwischen dem „normalen“ Fix-

Gehalt, das das Krankenhaus dem Arzt

zahlt, und den Erlösen aus der Privatbe-

handlung von Krankenhauspatienten

(wahlärztliche Leistungen) unterschieden

werden muss. So wie die Zahlung des „nor-

malen“ Gehalts durch vorübergehende

Abwesenheit (Urlaub, Vortrags- oder

Lehrtätigkeit, Krankheit) nicht beeinflusst

wird, sollen auch die Liquidationserlöse

aus der Behandlung von Wahlleistungspa-

tienten unabhängig davon fließen, ob der

Chefarzt zur persönlichen Leistungser-

bringung in der Lage ist.Die Ausführungen

des LG Köln sind vor diesem Hintergrund

über den – zugegeben speziellen – Einzel-

fall hinaus von grundsätzlicher Bedeutung.

Hohe Anforderungen an die persönlicheLeistungserbringungDas Gericht stellt fest, dass der Wahlarzt-

vertrag nach § 306 BGB a.F. wegen anfäng-

licher objektiver Unmöglichkeit nichtig ist.

Der Chefarzt könne nämlich aufrund des

ihm auferlegten Operationsverbotes be-

reits vor bzw. im Zeitpunkt des Vertrags-

schlusses die privatärztliche Leistung nicht

höchstpersönlich erbringen, was grund-

sätzlich Voraussetzung für eine gesonderte

privatärztliche Liquidation stationärer

Leistungen sei. Denn gemäß § 10 Abs. 2

BPflV werde grundsätzlich die vom Kran-

kenhaus erbrachte Gesamtleistung – ein-

schließlich aller ärztlichen Leistungen – im

Rahmen eines einheitlichen Pflegesatzes

abgerechnet. Die Anforderungen an die

persönliche Leistungserbringung des

Chefarztes seien hoch. Grundsätzlich sei

erforderlich, dass sich der Wahlarzt zu Be-

ginn, während und zum Abschluss der Be-

handlung mit dem Patienten persönlich be-

fasse und insbesondere die bedeutenden

und riskanten Hauptleistungen, wie etwa

die – für den Patienten maßgebliche – Ope-

ration (es ging um einen Mehrfachbypass)

selbst erbringe. Dabei sei es nicht ausrei-

chend, dass die Maßnahmen von ihm über-

wacht würden. Denn diese Verpflichtung

bestehe bereits gegenüber jedem Patien-

ten im Rahmen der allgemeinen Kranken-

hausleistungen.

Typischerweise schließe ein Patient einen

Wahlarztvertrag ab, um sich der besonde-

ren, fachlich qualifizierten Behandlung

durch den Chefarzt sicher zu sein.Bei einer

anstehenden herzchirurgischen Operation

werde der Patient besonderen Wert auf die

persönliche Durchführung durch den qua-

lifizierten Chefarzt legen und gerade in

dieser Erwartung eine persönliche Be-

handlung durch einen Universitätsprofes-

soren wünschen. Diese Operation sei dem

Chefarzt jedoch infolge seiner Erkrankung

nicht möglich gewesen.

Aufsicht setzt gegebenenfalls aktives Ein-greifen bei der Operation vorausSeine Anwesenheit bei der Operation stel-

le keine höchstpersönliche Behandlung

dar. Denn dem Chefarzt sei es infolge sei-

ner Erkrankung gerade versagt gewesen,

persönlich in das Operationsgeschehen

einzugreifen. Die Durchführung der Ope-

ration selbst habe er dem Geschick seines

Oberarztes überlassen müssen. Insoweit

könne auch nicht die Rede davon sein,dass

Liquidation trotz OP-Verbot? Das LG Köln sagt „nein“!Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 14. Mai 2003 (Az.: 25 O 80/03) die Honorarklage eines Herzchirurgen abgewie-sen, der trotz eines Operationsverbots – als Folge einer Hepatitis-B-Infektion – mit einem Patienten eine wahlärztliche Be-handlung (Chefarztbehandlung) vereinbart hatte.

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83

LESER SCHREIBEN

PKV Publik 7/2003

eine besondere Liquidationsberechtigung

des Arztes grundsätzlich gerade nur bei

Zusage der persönlichen Behandlung be-

stehe,während ohne zusätzliche Vergütung

die Behandlung durch den Oberarzt eröff-

net gewesen sei.

Dass es in der Herzchirurgie an dem Klini-

kum üblich gewesen sein solle, dass Kas-

senpatienten von Assistenzärzten operiert

würden,könne dem mit Erfolg nicht entge-

gen gehalten werden. Denn bei komplexen

Operationen der vorliegenden Art sei da-

Betr.: Auch die PKV gerät ins Schlingern,

Leserbrief, PKV Publik 6/2003, S. 71)

Dieser Brief: „Auch die PKV gerät ins

Schlingern“ kann so nicht stehen bleiben.

Er verzerrt die Verhältnisse vollkommen.

Beamte haben schon immer und überall

Vorteile. In der heutigen Zeit sei nur die

Unkündbarkeit genannt. Die Versiche-

rungsbeiträge steigen nicht ins unermessli-

che, weil die Arztrechnungen steigen, son-

dern weil der modernen Medizin Rech-

nung getragen werden muss. Die Arztrech-

nungen können gar nicht ins unermessliche

steigen,weil die GOÄ feste Sät-

ze mit einer Steigerung bis zum

maximal 3.5 fachen Satz vor-

sieht. Dieser muss außerdem

begründet werden.

Abdingen auf andere Faktoren

darüber sind reine private Ent-

scheidungen und nicht Sache

der Privatversicherung. Natürlich können

Rechnungen im Gesamtwert durch Ein-

satz moderner diagnostischer oder Be-

handlungsmethoden steigen, aber doch

nicht durch zunehmende Erhöhung.

Hier wird wieder einmal alles verdreht. Es

wird auch vergessen, dass die GOÄ seit

vielen Jahren nicht mehr angepasst wurde.

Im allgemein gestiegenen Kostenansatz

besteht hier eine Minderbezahlung der

„Reine Polemik amThema vorbei“

Leistungen und nicht eine erhöhte Arzt-

rechnung.

Viele Beamte erhalten außerdem noch

Beihilfen, die ebenfalls in dem Brief nicht

erwähnt werden. Meines Erachtens ist der

Brief von Prof. Keinemann reine Polemik

am Thema vorbei.

Dr. Salzmann, [email protected]

Betr.: Auch die PKV gerät ins Schlingern,

Leserbrief, PKV Publik 6/2003, S. 71)

Ich bin teurer Patient (Lebertransplan-

tiert) und kann dem Beitrag nur zustim-

men, auch wenn ich nicht nachvollziehen

kann, dass hier schon wieder ein Beamter

jammert. Denn die Ursachen liegen

wohl an anderer Stelle: In den Bestimmun-

gen heißt es, dass der Arzt bei Privat-

patienten „bis zum“... 2,3-fachen bzw. 1,8-

senlage selbst festlegt. So erhalte ich Rech-

nungen für Laborleistungen eines einzigen

Termins in Höhe von über 1200,– Euro,

und das mehrfach im Jahr.

Und die Kassen wehren sich nicht!!

Selbst dann nicht, wenn ich sie darauf hin-

weise und um Prüfung der Notwendigkeit

bitte.

Meines Erachtens ist es nötig,dass die Kas-

sen Prüfstellen einrichten, die teure Leis-

tungen für teure Patienten (wie mich) lau-

fend kontrollieren und nachhaken. Und

Ärzte zur Verantwortung ziehen, wenn die

Aufwendungen nicht gerechtfertigt sind.

Dazu gehört aber, dass die Kassen an ei-

nem Strang ziehen.Um Mißverständnissen

vorzubeugen: mein Hausarzt ist gut und

zuverlässig, aber ich kann nicht entschei-

den, was wirklich notwendig ist. Das aber

können Sie!

Günter Schmettow

Kirchäckerweg 11

91077 Kleinsendelbach

„Und die Kassen wehren sich nicht – selbst wenn ich sie darauf hinweise . . .“

von auszugehen, dass jedenfalls auch ein

Oberarzt an der Operation teilnehme und

im Bedarfsfall einschreiten könne. Ohne

den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass

bei der Behandlung durch den Vertreter

Leistungen des allgemeinen Kranken-

hausvertrages zum Preis der gesondert be-

rechenbaren Wahlleistungen erbracht

würden, sei die behauptete Individualver-

einbarung nicht als wirksam anzusehen,

zumal sie entgegen der in § 22 Abs.2 BPflV

vorgeschriebenen Schriftform lediglich

mündlich geschlossen sei. Mi

fachen Satz abrechnen kann. Ich habe

noch nie eine Rechnung bekommen, die

unter dem Höchstsatz liegt. Es heißt doch

nicht, sie müssten den Höchstsatz nehmen,

oder ??!!

Und die Kassen wehren sich nicht !!!

Der Arzt bestimmt die Höhe seiner Leis-

tungen, die er abrechnet, selbst, indem er

den Umfang der Medizin nach seiner Kas-

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Impressum

Herausgeber: Verband der privaten Krankenversicherung e. V.Postfach 51 10 40, 50946 Köln Bayenthalgürtel 26, 50968 KölnTelefon: (0221) 37662-0Telefax: (0221) 37662-10Internet: http://www.pkv.deE-Mail: [email protected]

Verantwortlich: Dr. Volker LeienbachRedaktion: Christian WeberProduktion: Karin HeldMitarbeiter dieser Ausgabe: Andreas Besche, Prof. Dr. J. Fritze, Jürgen Miebach,Dr. Reinhard Schwarz, Dr. Christoph UleerKarikaturen: Dirk Meissner, KölnTitelfoto: BPA

Verlag: Versicherungswirtschaft GmbH Klosestr. 20-24, 76137 KarlsruheTelefon (0721) 35090Herstellung: LUTHE Druck und Medienservice KG, Köln

Erscheinungsweise: Neunmal jährlichAbonnementpreis: Jährlich € 6,50 inkl. Versand und MehrwertsteuerISSN 0176-3261

Nachdruck der Texte honorarfrei.Belegexemplar erbeten.Die nächste Ausgabe erscheint am 01.11.2003.

Am 21. September vollendet Dr. Horst

Hoffmann sein 65. Lebensjahr. Als Vor-

standsvorsitzender der Continentale

Krankenversicherung a.G. gehörte er von

PERSÖNLICHES

Professor Dr. Hanns-Jürgen Weigel, frü-

herer Vorstandsvorsitzender der Halle-

sche-Nationale Krankenversicherung aG

(heute HALLESCHE Krankenversiche-

rung a.G.), wird am 13. September 60 Jah-

re alt. Er war Mitglied des PKV-Haupt-

ausschusses.

Am 21. September wird Klaus Bohn,Vor-

standsvorsitzender der Mannheimer

Krankenversicherung AG, 60 Jahre alt. Er

ist Mitglied des Mathematisch-statisti-

schen wie des Betriebstechnik-Ausschus-

ses des PKV-Verbandes.

Dr. Horst Hoffmann

1986 bis 2002 dem Hauptausschuss des

PKV-Verbandes an. Von ihrer Gründung

in den siebziger Jahren an begleitete er

die von allen PKV-Unternehmen getra-

gene SANA-Kliniken GmbH, seit 15. 06.

1994 als Aufsichtsratsvorsitzender. Unter

seiner Verantwortung entwickelte sie sich

zur größten Klinikkette Deutschlands.

Als einer der Vordenker des Verbandes

trat er ebenso konsequent wie manchmal

auch vehement für eine klare ordnungs-

politische Positionierung der PKV ein,

zumal im Blick auf die demographische

Entwicklung. In diesem Sinne vermochte

er sich auch im Gesamtverband der

Deutschen Versicherungswirtschaft, des-

sen volkswirtschaftlichen Ausschuss er 10

Jahre lang leitete, Gehör zu verschaffen.

„Seiner“ Continentale hält er nach wie

vor die Treue, derzeit als stellvertretender

Vorsitzender des Aufsichtsrates.

Am 27. September wird Gerhard Leu-

tritz, Vorstandsvorsitzender i.R. der

Pfarrerkrankenkasse V.a.G. (heute

PAX-FAMILIENFÜRSORGE Kran-

kenversicherung a.G. im Raum der Kir-

chen), 85 Jahre alt.

Am 7. August verstarb im Alter von 63

Jahren Direktor Manfred Rogotzki,Vor-

standsmitglied der DBV Winterthur

Versicherungen. Herr Rogotzki war

von 1984 bis 1989 im Wettbewerbs-

und Außendienstausschuss des PKV-

Verbandes.