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IKP – INTEGRALE KUNSTPÄDAGOGIK – UNTERRICHTSMETHODE: PLANARBEIT
Ein Angebot des Bereichs Kunst/Gestalten an Grund- und Förderschulen
der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg • Kontakt: [email protected]
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Planarbeit II (Schwerpunkt Produktion)
Unterricht planen mit dem Halleschen Modell (mit Übungsbeispielen)
Joachim Penzel
Die methodisch geleitete Planung von Fachunterricht gehört heute zu den wichtigsten
Voraussetzungen einer professionellen Lehrtätigkeit. Als solche unterscheidet sie
sich von den intuitiven und hochgradig individuellen Planungen früherer Zeiten, in
denen die Durchführung von Kunstunterricht oft von den willkürlichen Entscheidungen
der jeweiligen Lehrkraft abhängig war. Seit gut einem Jahrzehnt setzt sich auch die
Fachdidaktik zunehmend mit einer methodischen Fundierung der Unterrichtsplanung
auseinander und entwickelt systematische Planungsmodelle, die der Komplexität aller
fachlichen und pädagogischen Anforderungen gerecht werden (Grünewald 2008,
Wirth 2009, Kunst + Unterricht 2010, Schoppe/Rompel 2017, Uhlig u.a. 2017). Im hier
vorgestellten Halleschen Modell werden wichtige Planungserfahrungen bestehender
Ansätze vereint und übersichtlich aufbereitet.
Jede konkrete Unterrichtsplanung setzt voraus, dass die komplexen gesetzlichen
Planungsvorgaben berücksichtigt werden. Der ersten spontanen Ideen einer
Unterrichtseinheit mag zwar die persönliche Erfahrung einer Lehrkraft (vielleicht bei einem
Museumsbesuch) zugrundeliegen, aber die Entwicklung einer konkreten Planung sollte die
umfassenden Rahmenbedingungen fachlicher Bildung berücksichtigen. Insbesondere die
fachspezifischen Bildungsstandards, wie sie in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen der
Abiturstufe (EPA) und in den Lehrplänen der einzelnen Bundesländer berücksichtigt sind,
müssen hier beachtet werden, um eine Willkür im Bildungsprozess zu vermeiden. In den
meisten Schulen wird eine Transformation der gesetzlichen Vorgaben in ein fachspezifisches
Curriculum in Form von schulinternen Lehrplänen geleistet. Auf diesem Fundament kann die
konkrete Unterrichtsplanung aufbauen.
>>> Zu diesen Rahmenbedingungen der Planung lesen Sie bitte den Einführungstext
zur Planarbeit auf dieser Webseite unter: http://www.integrale-
kunstpaedagogik.de/assets/ikp_um_planarbeit_2018.pdf
Damit ist es möglich, eine erste zentrale Unterscheidung für die Planung zu treffen, denn in
den meisten Lehrplänen wird differenziert zwischen den beiden grundlegenden
Lernbereichen der Produktion (Gestaltung) und der Rezeption (Beschreibung, Analyse,
Interpretation). Diese bedürfen jeweils spezifizierter Planungsansätze. Im Folgenden wir ein
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Leitfaden mit zehn funktionalen Planungsfaktoren vorgestellt, der als anleitende Schrittfolge
für eine konkrete Planung oder aber als Checkliste für eine vorhandene Planung für den
Schwerpunkt der bildnerischen Produktion genutzt werden kann. Je nach Erfahrung der
einzelnen Lehrkraft können die einzelnen Planungsschritte auch verkürzt werden.
1) Differenzierung von Thema und Gestaltungsproblem
Im Gegensatz zu anderen Unterrichtsfächern verfügt das Fach Kunst über eine doppelte
Themenstellung. Wenn wir als Kunstpädagog*innen vom Thema einer Unterrichtsstunde
sprechen, dann meinen wir entweder den konkreten Inhalt oder aber dessen handwerklich
technische Umsetzung. Aus dieser Doppelkonstellation können erste Schwierigkeiten bei der
Planung auftreten. Das soll folgendes Beispiel illustrieren: In einer vierten Klasse wird das
Thema Zirkus mit malerischen Mitteln bearbeitet. Das Thema scheint also klar. Laut dem
Lehrplan einzelner Bundesländer werden aber die technischen Fertigkeiten auch als
inhaltorientierte Kompetenzen bezeichnet. In diesem Falle wäre also das Malen als
fachspezifischer Inhalt zu betrachten. In dieser verwirrenden Begriffslage hilft es, eine
konzeptionelle Differenzierung heranzuziehen.
Im Zirkus, Malerei mit Deckfarben in einer 4. Klasse
Jede Gestaltungsaufgabe lässt sich nämlich einerseits nach einem konkreten Thema und
das meint tatsächlich den literarischen oder lebensweltlichen Bezug, im vorliegenden Fall
des Zirkuserlebnisses, und andererseits verschiedenen zentralen Gestaltungsproblemen, die
zu lösen sind, unterscheiden. Bei den Gestaltungsproblemen handelt es sich jeweils um die
Schlüsselkompetenzen, die die Schüler*innen im Arbeitsprozess vertiefen und erwerben.
Wenn man Unterricht zielorientiert planen möchte, ist es also zentral, diese avisierten
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Gestaltungskompetenzen zu benennen, um im Anschluss Wege ihrer fachgerechten
Förderung zu konzipieren. So steht die Frage nach den zu vermittelnden
Gestaltungsproblemen / Kernkompetenzen also am Anfang jeder Unterrichtsplanung. Doch
wie erkennt man als Lehrkraft diese Schlüsselelemente der Planung?
Dazu ist es hilfreich, einen gestaltungspraktischen Selbstversuch durchzuführen (siehe
unten, S. 3 f) oder sich ein mögliches Gestaltungsergebnis hypothetisch vor Augen zu
führen. Die entstandene Arbeit bzw. das vorgestellte Werk werden nun nach immanenten
Gestaltungsproblemen analysiert. Dazu gehören je nach Art der Übung:
• formal-kompositorische Gestaltung und Raumgliederung
• Farbdifferenzierung und Farbkontraste
• handwerklich-technische Durchführung
• Differenzierungen der realistischen oder symbolischen Ausdruckselemente
• werkimmanente Reflexionsstrategien
• Gebrauchs- und Funktionsfähigkeit
• kontextspezifische Präsentation
Für das konkrete Beispiel der Zirkusbilder wären folgende Gestaltungsprobleme zu
berücksichtigen:
• Figurenausdruck durch Differenzierung der Bildfiguren sowie durch Bekleidung und
Bewegungen (unter Beachtung von Schemastufen der Kinderzeichnung)
• räumlicher Aufbau der Szene
• farbige Differenzierung der Bildkomposition
• malerische Durchführung, insbesondere formatfüllende Malerei
Diese allgemeine und spezifische Differenzierung von Gestaltungsproblemen verdeutlicht,
dass diese auch bei unterschiedlichen Themen umgesetzt werden können – im konkreten
Fall des Zirkusbildes etwa mit einer Malerei zu Motiven vom Fasching oder verschiedenen
Sportarten. Das heißt: Das konkrete Thema ist austauschbar. Für die jeweilige
Stundenplanung sind folglich die Gestaltungsprobleme ausschlaggebend. Sind diese
zentralen Kompetenzziele anfangs klar herausgearbeitet, ergibt sich die nachfolgende
Planungskette von der Sachanalyse bis zur Diagnostik geradezu automatisch. So sind die
jeweiligen Gestaltungsprobleme zumeist auch identisch mit den wichtigsten Kriterien für die
Leistungsbeurteilung (siehe unten, S. 14 f).
2) Gestaltungspraktischer Selbstversuch
Eigene Gestaltungsversuche der Lehrkräfte sind ein wichtiger Bestandteil der didaktischen
Planung, denn im selbst durchlaufenen Arbeitsprozess werden entscheidende Erfahrungen
mit den konkreten Gestaltungsproblemen gemacht. Dabei wird deutlich, ob die Aufgabe
überhaupt realisierbar ist, bei welchen Arbeitsschritten besondere Herausforderungen
auftreten, welche zusätzliche Hilfsmittel benötigt werden oder wie die gesamte Aufgabe
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präzisiert oder gar vollständig geändert werden muss. In eigenen Gestaltungsversuchen
erlangen die Lehrkräfte ein spezifisches Erfahrungswissen, das ihnen in der
Unterrichtdurchführung Sicherheit verleiht. Im Einzelfall entsteht ein Anschauungsmodell,
das als Inspirationsmoment für den Stundeneinstieg genutzt werden kann. Indem die
Lehrkräfte sich selbst als Lernende begreifen, können sie in überzeugender Weise
Lernprozesse bei den Schüler*innen auslösen und fördern. Im konkreten Machen wird das
fachliche Bewusstsein für die jeweiligen Gestaltungsprobleme und die erforderlichen
Kompetenzen zu deren Lösung geschärft, weil es gelingt, die Materialität der Gestaltung von
der Innenseite des Subjekts zu erleben, nämlich als konkretes Handeln. Dieser Transfer von
der Sach- in die Subjektebene erscheint für einen kompetenzorientierten Bildungsprozess
von ausschlaggebender Bedeutung.
Experimentelle Gefäßgestaltung mit Ton in einer 8. Klasse (links: Untersuchung der Verformungspotentiale, rechts: Gestaltung
von Windlichtern)
So kann man bspw. als Lehrkraft die Vielfalt der Verformungsmöglichkeiten des Materials
Ton im Selbstversuch erschließen und dabei das Spannungsfeld einer Arbeit mit den
Händen und der Zuhilfenahme von Werkzeugen ausloten. Dabei entsteht auch ein
Grundgefühl für die in etwa benötigte Zeit, um diesen ersten Übungsschritt durchzuführen.
Die Verbindung einer gefundenen Mikrostruktur zur Makrostruktur einer Gefäßgestaltung im
zweiten Schritt verdeutlicht, welche Schwierigkeiten bei der Materialverbindung auftreten und
wie diese gelöst werden können. Dabei erhält die Lehrkraft ein Gefühl, welche
Formstrukturen zur Weiterarbeit geeignet sind und welche eher nicht. Dabei werden die
zentralen Gestaltungsprobleme, die von den Lernenden zu lösen sind, besonders deutlich:
• experimentelle Materialerkundung – Entwicklung vielfältiger Formstrukturen des Materials
Ton mit und ohne Hilfsmittel
• experimentelle Gefäßgestaltung unter Verwendung einer der gefundenen Formstrukturen
• funktionsgerechte Gesamtgestaltung des Gefäßes
3) Sachanalyse (= Sachwissen zu Thema und Gestaltung zusammentragen und
bedarfsgerecht strukturieren)
Um die Unterrichtsstunde fachgerecht durchzuführen, benötigen die Lehrkräfte ein
umfangreiches Sachwissen, das über jene an die Schüler*innen weiterzugebenden
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Wissensbestände hinausreicht. Es umfasst sowohl ein inhaltsorientiertes Fach- und
Allgemeinwissen als auch ein spezifisches bildnerisch-praktisches Gestaltungswissen (dazu
auch Uhlig u.a. 2017, S. 40 ff). Die zunächst breit angelegten Wissensbestände gilt es in
einem zweiten Schritt jeweils bedarfsgerecht auf diejenigen Informationen, die den
Schüler*innen in der jeweiligen Unterrichtseinheit tatsächlich vermittelt werden, zu
reduzieren.
a) Inhaltsorientierte Sachanalyse
Ausgehend von Informationsrecherchen in Fachmedien sollte diese Analyse konkrete
Anschlüsse bieten zu
• Bezugsfeldern und Bezugswissenschaften (bspw. Kunstgeschichte, Soziologie,
Naturwissenschaften)
• beispielhaften Kunstwerken, Bildwelten, Alltagsobjekten oder Naturphänomenen
• Ereignissen und Phänomenen der alltäglichen Erfahrungs- und Lebenswelt von Kindern
und Jugendlichen
• anthropologischen (= allgemeinmenschlichen) sowie konkreten kulturellen, sozialen oder
politischen Zusammenhängen
Diese Informationen sollten zunächst im Sinne eines strukturierten Wissenspanoramas
erarbeitet werden, bspw. als Materialsammlung in Text- und Bildform oder als
überschaubare Mindmap. Hieraus schöpft die Lehrkraft ihr konkretes Wissen, von dem sie
anschließend diejenigen Informationen auswählt, die im geplanten Unterrichtsverlauf an die
Schüler*innen vermittelt werden. Dieses selektierte Wissen ist weiterhin altersspezifisch
aufzubereiten, indem bspw. Fachbegriffe und Fremdworte übersetzt und zentrale
Informationen für Tafelbilder oder Arbeitsblätter strukturiert werden.
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Tafelbild für die Erklärung des Unterschiedes eines Lichtdruckes in der Natur und der Transformation des wahrgenommenen
Lichtes in Farbwerte durch die impressionistischen Maler
b) Bildnerisch-praktische Sachanalyse
Hier trägt die Lehrkraft alle wichtigen Informationen, die für die gestalterische Lösung der
Aufgabe erforderlich sind, zusammen. Dabei sollten u.a. folgende Aspekte berücksichtigt
werden:
• geeignete Materialien, Werkzeuge und exemplarische Arbeitsplatzeinrichtungen
• bildnerische Verfahren, Techniken, Medien und künstlerische Strategien, ggf.
repräsentative Anschauungsbeispiele
• formal-kompositorische und farbästhetische Gestaltungsprinzipien
• symbolische Bildsprachen und künstlerische Codierungstechniken
• exemplarische Präsentationsformen, funktionale Gebrauchssituationen und
Kontextualisierungsstrategien
Auch diese zunächst breit erfassten Informationen gilt es in einem zweiten Schritt zu
reduzieren auf diejenigen Wissensaspekte, die die Kinder und Jugendlichen benötigen, um
die Aufgabe fachgerecht auszuführen. In diesem Teil der Sachanalyse sollten ggf.
methodische Reihen für Arbeitsschritte (bspw. für handwerkliche komplexe Verfahren wie
einer Drucktechnik oder dem Papierschöpfen) angefertigt sowie exemplarisches Bildmaterial
für Form-, Kompositions- und Farbanalysen vorbereitet werden.
Methodische Reihe zum Papierschöpfen
4) Bedingungsanalyse und Feinziele festlegen
Bei der Unterrichtsvorbereitung sollte die Lehrkraft weiterhin die spezifischen
Lernbedingungen beachten, insbesondere
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• der jeweiligen Schule (bspw. Schulprofil, fächerübergreifende Ziele, Schuleingangs-
phase, aber auch räumliche Gegebenheiten)
• der jeweiligen Lerngruppe (altersspezifischer Entwicklungsstand, Lernvoraussetzungen
wie den Stand der Kenntnisse und Fertigkeiten)
• der einzelnen Schüler*innen (bspw. besondere Förderbedarfe oder Begabungen,
geschlechtsspezifische Voraussetzungen, Arbeits- und Sozialverhalten)
Auf der Grundlage dieser komplexen Bedingungen werden nun die konkreten
Kompetenzerwartungen präzisiert und durch allgemeine und fachspezifische Feinziele
ergänzt.
Analytisches Zeichnen eines Alltagsobjektes – den formalen Aufbau von Turnschuhen verstehen (10. Klasse Designpädagogik)
So lassen sich für die designpädagogische Übung zum analytischen Sachzeichnen eines
Turnschuhes folgende allgemeinen Gestaltungsprobleme / Kompetenzen herausarbeiten:
• detailliertes Wahrnehmen von Alltagsgegenständen
• selbständige Anwendung der Grundlagen des analytischen Sachzeichnens
• zeichnerisches Erfassen der großen Form des Gegenstandes aus unterschiedlichen
Ansichten
• Zerlegung der Hauptformen in willkürliche Unterformen, um die Proportionen des
Gegenstandes besser zu erkennen
Hier können weitere Feinziele angeschlossen werden:
• Vertiefung der Grundkenntnisse des Sachzeichnens durch den Einsatz
verschiedenfarbiger Kreide
• Übertragung von Vorerfahrungen aus dem Naturstudium auf das Sachzeichnen von
Alltagsobjekten
• Hilfestellung für Schüler*innen mit motorischen bzw. geistigen Beeinträchtigungen bspw.
durch das Anfertigen einer Umrisszeichnung direkt vom Turnschuh
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• weiterführende Aufgabe für Schüler*innen mit erwiesenen zeichnerischen Begabungen –
perspektivische Darstellung des Turnschuhs oder Entwurf einer eigenen Turnschuhform
• zeichnerische Einzelarbeit mit Korrekturdiskussionen in Partnerarbeit
• Formvergleich der Ergebnisse unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Merkmale
im Schuhdesign im Plenumsgespräch
Nachdem die wichtigsten fachspezifischen Bildungsziele herausgearbeitet wurden, kann nun
die Ablaufplanung der jeweiligen Unterrichtseinheit beginnen.
5) Fachdidaktische Methoden festlegen = Grobplanung
Die Geschichte der Kunstpädagogik bietet ein breites Reservoir an didaktischen Methoden,
mit denen die Ziele des Fachs jeweils sehr unterschiedlich bestimmt werden und die sehr
verschiedene Formen der Unterrichtsorganisation bedingen. Die Kenntnis dieser vielfältigen
kunstpädagogischen Methoden ermöglicht es den Lehrkräften, die zum jeweiligen Thema
und dessen konkreten Gestaltungsproblemen passenden didaktischen Werkzeuge
auszuwählen. Dabei ist es nicht entscheidend, ob eine Methode traditionell oder aktuell ist,
sondern welche spezifischen Angebote sie für die Durchführung von Unterricht bietet.
Zur Methodenvielfalt der Kunstpädagogik lesen Sie bitte die Einführung zum
Integralen methodologischen Pluralismus unter http://www.integrale-
kunstpaedagogik.de/assets/ikp_kpm_1_methodenpluralismus_kurz.pdf
Für die Auswahl der jeweiligen Methode braucht man jedoch ein allgemeines
Kompetenzmodell, dass alle Faktoren menschlichen Daseins, die in Gestaltungsprozessen
beansprucht werden, erfasst. Hierbei hat sich das Subjektmodell der Integralen Psychologie
als sehr leistungsfähig erwiesen, weil es die Vielfalt individueller und kollektiver
Lebensaspekte in einem gut überschaubaren Quadrantensystem erschließt. Hier werden vier
grundlegende menschliche Existenzsphären herausgearbeitet, die jeweils von
verschiedenen Teilfähigkeiten bestimmt sind:
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Quadrantenmodell der Integralen Psychologie, © Penzel 2020
Die ästhetische Produktion und Rezeption im Kunstunterricht fördert die jeweiligen
allgemeinen Fähigkeiten und fachspezifischen Kompetenzen innerhalb der einzelnen
Quadranten. Es ist das Ziel einer ganzheitlichen Bildung, gleichberechtigt und vernetzt die
Entwicklung Heranwachsender in allen vier Teilbereichen zu fördern. Dabei kommt den
einzelnen kunstpädagogischen Methoden eine wichtige Schlüsselposition zu. Die meisten
dieser in den letzten 100 Jahren entstandenen Fachmethoden verfügen über spezialisierte
didaktische Verfahren, die jeweils die Kompetenzen in einem oder zwei Quadranten
schwerpunktartig fördern.
Es existiert also eine Korrelation zwischen fachlichen Kompetenzen und didaktischen
Methoden. Bestimmte Kompetenzziele fordern folglich eine oder optional mehrere Methoden.
Darauf weist schlaglichtartig das folgende Schema hin:
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Integraler methodologischer Pluralismus – die einzelnen fachdidaktischen Methoden im Kontext ihrer Hauptförderschwerpunkte,
© Penzel 2020
Darüber hinaus existieren einzelne Methoden wie die Künstlerische Kunstpädagogik
(Buschkühle 2017), die kunstanaloge Kunstpädagogik (Kirchner/Kirschenmann 2004), die
ökologische Kunstpädagogik (Penzel 2020) oder die Polyästhetische Erziehung (Roscher
1976), die in ihren Konzeptionen bereits ganzheitlich angelegt sind und auf eine Förderung
fachlicher Fähigkeiten im gesamten Persönlichkeitsspektrum abzielen.
Die Auswahl der passenden kunstdidaktischen Methode ist nicht nur ein Garant für einen
erfolgreichen kompetenzorientierten Unterricht, sondern bietet auch eine erste Leitlinie für
die Ablaufplanung, denn jede der Methoden empfiehlt in der Regel zentrale Arbeitsschritte.
Einen Überblick zu allen Methoden bieten die Einführungstexte im Methodenpool in
der Rubrik “Kunstpädagogische Methoden“ unter http://www.integrale-
kunstpaedagogik.de/methodenpool.html#im1_kunstpaedmethoden
Im Folgenden werden für die wichtigsten fachdidaktischen Methoden deren erprobte
Planungsschritte stichwortartig benannt:
• Musische Erziehung: 1) Nimm ein Märchen (Einführungsphase: Geschichte vorlesen), 2)
Lass sie spielen (Gestaltungsphase), 3) Lass sie erzählen (Präsentationsphase)
• Bauhauspädagogik: 1) explorative Materialuntersuchung, 2) gestaltungspraktische
Anwendung der Forschungsergebnisse auf ein funktionales Gestaltungsziel, 3.
Präsentation (Funktionstest)
• Ästhetische Bildung: 1) Problematisierung: selbständige Themensuche, 2)
Transformation: selbstständige Suche der passenden Materialien und Werkzeuge sowie
des zugehörigen Fachwissens, 3) Gestaltung
• Ästhetische Forschung: 1) Material sammeln, 2) Sammlung ordnen und durch Vergleiche
Erkenntnisse ableiten, 3) eigene Gestaltung aus dem Material der Sammlung
nentwickeln, 4) Präsentation und Reflexion
• Designpädagogik: 1) Wahrnehmen, Beschreiben, Analysieren von Designobjekten, 2)
gestaltungspraktische Analysen von Designobjekten, 3) Entwürfe für eigene funktionale
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Gestaltungen, 4) funktionales Design (Modellbau oder Ausführungsgestaltung), 5)
Präsentation (Funktionstest)
• Werkenpädagogik: 1) Einführung (Prototypen analysieren), 2) Gestaltung (Abfolge von
Arbeitsschritten entlang einer methodischen Reihe), 3) Präsentation (Funktionstest)
• Kunstanaloge Kunstpädagogik: 1) Initiation (Wahrnehmen, Beschreiben eines Werkes),
2) Exploration (Analysieren, Interpretieren des Werkes), 3) Objektivierung (erste Ideen,
Skizzen, Modelle, danach eigene Gestaltung analog zum Vorbild), 4) Integration
(Präsentation und Reflexion) (Begriffe nach Otto 1964)
• Künstlerische Kunstpädagogik: 1) Induktion (selbständiges Festlegen des Themas,
Materialrecherche, Skizzen, Entwürfe), 2) Konstruktion (eigene Gestaltung), 3)
Transformation (Einbringen eigener Gestaltungen in verschiedene Kontexte bspw.
Präsentation)
Diese kurze methodologische Synopse verdeutlicht, dass die Entscheidung für eine
geeignete fachdidaktische Methode eine erste Grobplanung ermöglicht.
6) Stundenplanung = Verlaufsplanung der Unterrichtsphasen
Auf dieser ersten skizzenhaften Grundlage ist es nun möglich, eine detaillierte
Verlaufsplanung auszuarbeiten. Dabei können die folgenden vier grundlegenden
Unterrichtsphasen entsprechend der jeweiligen Methode präzisiert werden.
Wie die Tabelle ausweist, ist für jede der Phasen das voraussichtliche Lehrer- und
Schülerhandeln stichwortartig zu benennen; ebenso werden die jeweils benötigten Medien,
Materialien und Werkzeuge erfasst. Abschließend ist diese konkretisierte Phaseneinteilung
mit der zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit zu sequenzieren.
In dieser Tabelle ist besonders zu beachten, dass die eingangs herausgearbeiteten
Gestaltungsprobleme, die den Kompetenzzielen der Stunde entsprechen, im
Schüler*innenhandeln verankert werden, während das Lehrer*innenhandeln zeigt, wie diese
Ziele zu erreichen sind.
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Eine Schlüsselstellung innerhalb der Unterrichtsplanung besitz die konkrete
Aufgabenstellung.
7) Aufgabenstellung
Im Kunstunterricht besitzen Aufgabenformulierungen im Bereich der ästhetischen Produktion
komplexe Funktionen:
• Sie binden Gestaltungsübungen an fachliche Bildungsziele an,
• stecken einen methodischen Rahmen ab,
• adressieren die jeweilige Altersgruppe,
• strukturieren den Unterrichtsverlauf,
• regen die Selbstkontrolle an und bereiten die Bewertung vor.
Um die Unterschiedlichkeit kreativer Prozesse zu unterstützen, sind variierende
Aufgabenformate wichtig, dazu gehören folgende drei Grundtypen:
a) Offene Aufgaben: Bei diesem Aufgabentyp wird nur ein allgemeines Gestaltungsziel
(Thema) formuliert und auf die Vorgabe von Arbeitsschritten und ähnlichen Hilfestellungen
wird verzichtet. Offene Aufgaben bieten die Möglichkeit, Fantasie und Vorstellungskraft ohne
Einschränkungen zu entfalten. Das setzt aber voraus, dass die Lernenden bereits in der
Lage sind, ihren Arbeitsprozess selbständig zu strukturieren und die Abläufe in Eigenregie zu
organisieren. Im extremen Fall wird, im Sinne der Projektmethode nach John Dewey oder
der Ästhetischen Bildung nach Gert Selle, nicht einmal ein Thema vorgegeben, sondern
auch dieses von den Schüler*innen autonom gesucht. Die häufigste Anwendung im
Grundschulbereich findet sich bei der Illustration von Märchen, Sagen und Geschichten.
Hierfür bietet die Musische Erziehung die entsprechenden Methodenbausteine.
b) Halboffene Aufgaben: Bei diesem Aufgabentyp werden neben dem Gestaltungsziel nur
grobe Arbeitsschritte und einige wenige Erklärungen des bevorstehenden
Gestaltungsprozesses formuliert. Dadurch bleibt den Kindern genügend Freiraum zur
Entfaltung eigener Lösungen. Lenkung des Unterrichtsgeschehens und Offenheit für
individuelle Lösungen sollten sich hierbei die Waage halten. Halboffene Aufgaben werden
zumeist bei Übungen mit einem starken explorativen und experimentellen Charakter
verwendet. Das konkrete zu lösende Gestaltungsproblem entspricht einer Festlegung und
hat somit eine schließende Funktion, während der Weg zum Erreichen des Zieles offenbleibt
und abgesehen von einigen wenigen Hilfen den Schüler*innen zu überlassen ist. Die meisten
kunstdidaktischen Methoden empfehlen halboffene Aufgaben.
c) geschlossene Aufgaben: Dieser Aufgabentyp schränkt die Freiräume der Lernenden
deutlich ein; er ist im Unterrichtsgeschehen aber immer dann erforderlich, wenn es nicht um
kreative, sondern eher technische Prozesse geht. Im Sinne von Instruktionen werden den
Schüler*innen spezifische „Vorgaben, Regeln, Anweisungen, deren langwierige Erarbeitung
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und Erörterung vom eigentlichen Lerngegenstand wegführt“ (Wirth 2009, 173), gegeben.
Instruktionen können der Erläuterung von gestalterischen Verfahrensschritten oder als
Gebrauchsanweisung bzw. Bedienungsanleitung für technische Geräte und Werkzeuge
dienen (ebenda 174). Für die Erarbeitung einer neuen Gestaltungstechnik, beispielsweise
beim Drucken oder Papierschöpfen, sind Schritt-für-Schritt-Anweisungen als sogenannte
„methodische Reihen“ hilfreich. Hierbei erhalten die Lernenden eine schrittweise Einführung
in die Prozessabläufe eines Verfahrens. Derartige schriftliche Instruktionen sollten sich
weitestgehend selbst erklären, insbesondere durch kurze eindeutige Anweisungen und
Erläuterungen in Verbindung mit illustrierenden Bildern. Geschlossene Aufgaben leiten
zumeist handwerklich-technische Übungen ein und finden die häufigste Anwendung in der
Werkendidaktik.
Im Allgemeinen sollte eine Aufgabenstellung folgende Aspekte umfassen:
• Formulierung des Arbeits- und Lernzieles (Kompetenzerwartung)
• Benennung von anschlussfähigen Lerngrundlagen (vorhandene Fähigkeiten und Wissen)
• Wege zum Erreichen des Lernzieles (Arbeitsschritte und Zeitplanung)
• zu verwendende Materialien und Hilfsmittel
• Hilfen zur Selbstkontrolle
• Hinweise zur Präsentation und Reflexion
• Hinweise zur Leistungsbeurteilung (Kriterien entsprechend der Kompetenzerwartung –
siehe unten)
Die jeweiligen Aufgaben sind, egal ob gesprochen oder schriftlich ausgeführt, sowohl
fachgerecht als auch entsprechend dem Entwicklungsstand der Lerngruppe altersspezifisch
zu formulieren. Dabei sollten auch sprachsensible Aspekte berücksichtigt werden, die den
Kindern, je nach Bedarfslage, den Erwerb der Alltags-, Bildungs- und Fachsprache
erleichtern.
Zur genaueren Planung der Aufgabenstellung lesen Sie bitte den Einführungstext
unter http://www.integrale-kunstpaedagogik.de/assets/ikp_um_aufgaben_stellen-
i_penzel_2016.pdf
8) Sprachsensible Formulierung der Aufgabenstellung
Aufgrund einer zunehmend heterogen zusammengesetzten Schülerschaft kann das
Beherrschen der deutschen Sprache als Alltagssprache nicht mehr als selbstverständlich
vorausgesetzt werden. Der mündliche und schriftliche Spracherwerb findet heute nicht nur in
der Grundschulzeit statt, sondern setzt sich bis in die höheren Klassenstufen der
Sekundarschule und des Gymnasiums fort. Dadurch sind alle Fächer aufgefordert, einen
Beitrag zum Spracherwerb zu leisten. Der Kunstunterricht bietet sowohl im Bereich
Kunstrezeption als auch in der gestalterischen Produktion vielfältige Möglichkeiten einer
Vertiefung der Alltagssprache sowie der Entwicklungsförderung im Bereich Bildungs- und
Fachsprache von Kindern und Jugendlichen (Penzel 2019 und 2020).
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Bereits in der Stundenplanung sind daher methodische Elemente zu integrieren, die das
Erklären bspw. von Fachbegriffen mit Blick auf die heterogene Schülerschaft ins Auge fasst.
Zu solchen Methoden des anschaulichen Erklärens gehören u.a. die Deixis (das Zeigen),
etymologische Erklärungen (Wortursprünge darstellen), das Verwenden von Metaphern
(sprachlichen Bildern) und Umschreibungen, Narrativität (das jeweilige Problem als
Geschichten erzählen), Invitation (Handlungsaufforderungen, mit denen Begriffe in
körperliche Erfahrungen transformiert werden). Außerdem sollten komplexe
Zusammenhänge von Begriffen, Kategorien oder Methoden mit visuellen Mitteln erklärt
werden, bspw. durch Schaubilder, Concept Maps oder Erklärfilme).
Der Lernbereich der Bildrezeption bietet, insbesondere beim Beschreiben von Werken, sehr
vielfältige Möglichkeiten einer sprachlichen Förderung, u.a. in den Bereichen Lexik
(Wortschatzentwicklung), Grammatik (Wortarten anwenden) und Pragmatik
(Gebrauchssituationen sprachlicher Formulierungen beherrschen, bspw. Bilderzählungen
ausarbeiten). In der Unterrichtsplanung sind die jeweiligen Kunstwerke auf ihr besonderes
Potential für Versprachlichungen zu prüfen und ggf. Checklisten für einzelne
Sprachprobleme anzufertigen (Penzel 2020).
Checkliste für Adjektive zur genauen Sprachanalyse eines Gemäldes von Paul Klee
Über die methodischen Möglichkeiten einer sprachsensiblen Unterrichtsplanung
informieren die folgenden beiden Einführungstexte ausführlich:
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http://www.integrale-
kunstpaedagogik.de/assets/ikp_um_sprachsensibilit%c3%a4t__joachim-
penzel__2019.pdf und
http://www.integrale-
kunstpaedagogik.de/assets/ikp_um_sprachsensibilit%c3%a4t_2__joachim-
penzel__2020.pdf
9) Differenzierung der Aufgaben (Inklusion)
Innerhalb eines inklusiven Schulsystems ist es nicht mehr möglich, für eine Lerngruppe eine
pauschale Einheitsaufgabe zu stellen. Vielmehr sollten die unterschiedlichen
Lernvoraussetzungen, die durch heterogene Persönlichkeitsmerkmale und verschiedene
Entwicklungsständen der Schüler*innen bedingt sind, in der Planung bereits berücksichtigt
werden. Daher ist es als Folge einer eingehenden Bedingungsanalyse (siehe oben)
erforderlich, die jeweilige Kernaufgabe zu differenzieren. Während noch vor wenigen
Jahrzehnten eine äußere Differenzierung bevorzugt wurde, also eine Einteilung der Klasse in
Gruppen verschiedener Leistungsniveaus, werden in letzter Zeit sehr erfolgreich Formen der
inneren Differenzierung (Binnendifferenzierung) genutzt. Dabei werden in einer gemeinsam
unterrichteten Gruppe von Lernenden durch verschiedene unterrichtsdidaktische Methoden
Möglichkeiten für individuelle Lernwege, Problemlösungen und gestalterische Umsetzungen
geschaffen. Die Aufrechterhaltung des kollektiven Lernprozesses führt erfahrungsgemäß zu
mehr Toleranz unter den Schüler*innen und ermöglicht eine gegenseitige Unterstützung im
Arbeitsprozess.
Dabei können drei grundlegende Differenzierungsformen unterschieden werden (Klein
2012):
• Die nachgehende Differenzierung: Der Unterricht beginnt mit Informationen für alle. Dann
folgen Aufgaben und Übungen, die unterschiedlich hinsichtlich Quantität (z.B. Anzahl der
Gestaltungsaufgaben), Qualität (Anspruchsniveau der Gestaltung), Umfang der
Unterstützung (Bereitstellen von Lernmaterial, Lernpaten, Beratung durch Kursleitung)
und Zeit sein können. Eine erprobte Möglichkeit der Umsetzung im Kunstunterricht ist die
Stationenarbeit, organisiert als Lernstraße mit wachsendem Anspruchsniveau je Station
oder als Lernzirkel mit gleichwertigen Aufgabenstellungen und der Möglichkeit,
entsprechend dem eigenen Arbeitstempo die Stationsangebote zu bearbeiten.
• Die Bearbeitungsdifferenzierung bei klaren Vorgaben: Es gibt vorgegebene
Lernaufgaben. Diese sind anhand von Werkstattkarten, Lernplänen, Portfolios u.ä.
selbstständig zu erledigen. Zeit, Hilfesuche und Kooperationen bzw. Sozialformen
können die Lernenden flexibel einteilen. Diese Variante stellt hohe Ansprüche an die
Selbstständigkeit der Lernenden, fördert sie aber auch. Konkrete Umsetzungsmög-
lichkeiten im Kunstunterricht bietet die sogenannte Atelier- oder Werkstattmethode, in der
die Schüler*innen die Material- und Werkzeugpotentiale des Lernraums selbstbestimmt
nutzen.
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• Die freigebende Differenzierung: Der gesamte, über einen langen Zeitraum zu lernende
Unterrichtsstoff wird freigegeben und kann von den Lernenden in ihrem eigenen Tempo
erworben werden. Das setzt sehr selbstständige, verantwortungsbewusste Lernende
voraus. Im Kunstunterricht findet diese Differenzierung zumeist innerhalb des
künstlerischen Projekts (bspw. der Ästhetischen Bildung oder der künstlerischen
Kunstpädagogik) statt.
Die jeweils intendierte Differenzierungsart ist von der Lehrkraft im Planungsprozess,
insbesondere bei der Phaseneinteilung und Aufgabenstellung zu berücksichtigen.
Zur ausführlichen Einführung in Probleme und methodische Ansätze des inklusiven
Kunstunterrichts lesen Sie bitte den Einführungstext http://www.integrale-
kunstpaedagogik.de/assets/ikp_um_inklusion_2018.pdf
10) Reflektieren, Diagnostizieren, Beurteilen (Bewerten)
Eine Beurteilung des Arbeitsprozesses und des Gestaltungsergebnisses stehen zumeist am
Ende einer Unterrichtseinheit des Faches Kunst. Das setzt die Fähigkeit, prozess- und
objektbezogen zu reflektieren nicht nur bei den Lehrkräften, sondern auch bei den
Lernenden voraus. Die eigenen Arbeitsergebnisse zu analysieren und Schwierigkeiten und
Herausforderungen in den einzelnen Gestaltungsphasen zu benennen, gehören bereits ab
der Grundschulzeit zu den zentralen fachlichen Kompetenzen, die die Schüler*innen im
Kunstunterricht erwerben. Letztlich zielt gelungener Unterricht darauf ab, eine reflexive
Distanz zur eigenen Gestaltung aufzubauen, um diese unter Nutzung fachspezifischer
Kriterien beurteilen zu können. Das Reflektieren erscheint somit als Schlüsselkompetenz, die
Lehrende und Lernende im Unterrichtsgeschehen miteinander verbindet. Für die Lehrkräfte
steht eine schülerorientierte Reflexion in Zusammenhang mit der umfassenden Diagnostik
der individuellen fachlichen Entwicklung; für die Lernenden fördert die Reflexion eigener
Gestaltungsleistungen die Entwicklung einer realistischen Selbsteinschätzung im Kontext
einer kollektiven Arbeitssituation.
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Vorbereitung einer Gruppenpräsentation von Arbeitsergebnissen einer Müllwerkstatt in einer vierten Klasse
Deshalb ist es im Unterrichtsverlauf wichtig, verschiedene Anker für Reflexionen bspw. in
Form von Zwischenpräsentationen und Arbeitsgesprächen zu setzen. Dabei sollten sowohl
die Lehrenden als auch die Lernenden gemeinsame Beurteilungsmaßstäbe nutzen. Daher ist
heute eine Transparenz von Beurteilungskriterien für die Unterrichtsdurchführung
unerlässlich. Bereits bei der Aufgabenstellung sollte folglich ein prägnanter Kriterienkatalog
aufgeführt werden, der die Schüler*innen auf die zentralen Gestaltungsprobleme hinweist
(siehe oben, S. 12). Diese entsprechen denjenigen fachlichen Kompetenzen, die mit der
jeweiligen Übung gefördert werden. Somit wird noch einmal deutlich, welche zentrale Rolle
die am Anfang der Planung stehende Herausarbeitung der Gestaltungsprobleme besitzt
(siehe oben S. 2 f). So ergibt sich folgende Planungskette:
>>> Gestaltungsprobleme >>> fachliche Kompetenzen >>> Beurteilungskriterien
Es gehört zu einer gelungenen Unterrichtsplanung, die Art und Weise der Präsentation der
Arbeitsergebnisse zu benennen und sowohl zeitlich als auch räumlich im Stundenablauf zu
verankern. Entstandene Werke zu präsentieren bedeutet nicht nur, diese in einfachen
Ausstellungsarrangements wie einer Fußbodengalerie oder einer Pinnwand zu zeigen,
sondern auch, Arbeitsergebnisse und Gestaltungsprozesse zu reflektieren. Das Ausstellen
und der Diskurs sind methodisch folglich eng miteinander verbunden (Penzel 2018). Auch
hierbei ist es hilfreich, ausgehend von den Gestaltungsproblemen adäquate
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Beurteilungskriterien festzuhalten, an denen sich die Schüler*innen bei der Präsentation
orientieren können.
Zur methodischen Verbindung von Präsentation und Reflexion im Kunstunterricht
lesen Sie den Überblickstext unter: http://www.integrale-
kunstpaedagogik.de/assets/ikp_um_pr%c3%a4sentieren_reflektieren_2018.pdf
Dadurch wird nicht nur der Weg in die Selbstevaluation gebahnt, sondern zugleich der
Übergang von einer rein subjektiven hin zu einer objektiven fachlichen Beurteilung der
Arbeitsergebnisse geleistet. Für eine transparente und gerechte Leistungsbewertung (bspw.
in Form einer Note) ist es wichtig, dass sich die Lehrkräfte an denselben Kriterien orientieren
wie die Schüler*innen. In dieser Weise kann es gelingen, ein leistungsgerechtes Lernklima
zu schaffen. In diesem Sinne sollten die abschließenden zentralen Beurteilungskriterien
bereits in der Stundenplanung konzipiert werden.
Zu den Grundlagen der Diagnostik und der Leistungsbewertung im Kunstunterricht
informieren Sie sich bitte in den beiden Einführungstexten unter:
http://www.integrale-kunstpaedagogik.de/assets/ikp_um_diagnostik__joachim-
penzel__2019.pdf
http://www.integrale-
kunstpaedagogik.de/assets/ikp_um_leistungsbewertung_schleicher_2016.pdf
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Zusammenfassung: Planungsschritte auf einen Blick
1) Differenzierung von Thema und Gestaltungsproblem
2) Gestaltungspraktischer Selbstversuch
3) Sachanalyse
a) inhaltsorientierte Sachanalyse
b) bildnerisch-praktische Sachanalyse
4) Bedingungsanalyse und Feinziele festlegen
5) Fachdidaktische Methoden festlegen = Grobplanung
6) Stundenplanung = Verlaufsplanung der Unterrichtsphasen
7) Aufgabenstellung formulieren
8) Sprachsensible Formulierung integrieren
9) Differenzierung der Aufgaben (Inklusion)
10) Reflektieren, Diagnostizieren, Beurteilen (Bewerten)
Dieser Text wurde erstellt: November 2020
Literatur
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deutscher-kunsterzieher-nrw.de/front_content.php?idcat=5&idart=41
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Kunstpädagogik. Oberhausen
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http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/1989/1989_12_01-EPA-Kunst.pdf
– GRÜNEWALD, DIETRICH (2008): 45 Minuten Unterricht, in: Kunst + Unterricht, Heft 333, Seelze
(https://www.friedrich-verlag.de/shop/45-minuten)
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ästhetischer Praxis zur handlungsorientierten Kunstrezeption. Donauwörth
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Leibnitz-Zentrum für lebenslanges Lernen: https://www.wb-web.de/wissen/lehren-
lernen/binnendifferenzierung-1.html (letzter Aufruf: 17.11.2020)
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– MICHL, THOMAS (2010): Das Experiment im Kunstunterricht: qualitativ-empirische Untersuchung der Merkmale
und Wechselbeziehungen von Experiment und ästhetischer Erfahrung, München
– OTTO, GUNTER (1964): Kunst als Prozess im Unterricht. Braunschweig
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Didaktik für die Grundschule, Berlin
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– PENZEL, JOACHIM (2018): Präsentieren als Reflektieren. Reflexionsformate im Kunstunterricht. Unter:
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– PENZEL, JOACHIM (2019): Sprachsensibler Kunstunterricht I. Schwerpunkt: lehren, unter: http://www.integrale-
kunstpaedagogik.de/assets/ikp_um_sprachsensibilit%c3%a4t__joachim-penzel__2019.pdf
– PENZEL, JOACHIM (2020): Sprachsensibler Kunstunterricht II. Schwerpunkt: Lernen, unter: http://www.integrale-
kunstpaedagogik.de/assets/ikp_um_sprachsensibilit%c3%a4t_2__joachim-penzel__2020.pdf
– REUTER, OLIVER M. (2007): Experimentieren. Ästhetisches Verhalten von Grundschulkindern, München
– ROSCHER, WOLFGANG (Hrsg.): Polyästhetische Erziehung. Klänge, Texte, Bilder, Szenen. Theorien und Modell
zur pädagogischen Praxis. Köln 1976
– SCHOPPE, ANDREAS UND ROMPEL, JUDITH (2017): Aufgaben im Kunstunterricht. Didaktische Grundzüge und
Beispiele einer praxisorientierten Unterrichtsplanung. Seelze
– UHLIG, BETTINA (2017): Kunstunterricht planen. Handout zur Planung von Kunstunterricht. Planen mit dem
Hildesheimer Modell. IMAGO. PRAXIS, Bd.1, München
– WIRTH, INGO (Hrsg.) (2009): Kunst Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II. Berlin