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IM TANDEM SIMULIEREN Haustechnik — Strom und Wärme wachsen zusammen. Die Ansprüche der Kunden wachsen ebenso. Deshalb müssen Planer verschiedene Varianten durchrechnen und das Optimum finden. Das muss die Software leisten. Petra Franke TITELTHEMA Vielfalt planen FÜR SCHNELLE LESER Auf einen Blick Erhitzung und Brände: DC-Verkabelung sorgfältig planen und ausführen. DIN VDE V 0642-100: Im Brandfall erlaubt sie den kontrollierten Kurzschluss. Moose und Flechten: Sie sind nicht nur optisch ein Ärgernis, sondern beim Reinigen die Königsklasse. 14 photovoltaik 03 / 2019

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IM TANDEM SIMULIERENHaustechnik — Strom und Wärme wachsen zusammen. Die Ansprüche der Kunden

wachsen ebenso. Deshalb müssen Planer verschiedene Varianten durchrechnen und das Optimum finden. Das muss die Software leisten. Petra Franke

TITELTHEMA Vielfalt planen

FÜR SCHNELLE LESER

Auf einen Blick

• Erhitzung und Brände: DC-Verkabelung sorgfältig planen und ausführen.

• DIN VDE V 0642-100: Im Brandfall erlaubt sie den kontrollierten Kurzschluss.

• Moose und Flechten: Sie sind nicht nur optisch ein Ärgernis, sondern beim Reinigen die Königsklasse.

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ren geplant. Nun soll ein transparentes Solardach für Schatten sorgen. Und bei dieser Gelegenheit soll auch die 19 Jahre alte Wärmepumpe ersetzt werden. Doch lohnt sich das und wie nähert man sich der idealen Variante? Ist vielleicht eine Kom-bination mit Solarthermie sinnvoll?

Viele Details beachtenAlain Aerni, selbst Planer und Installateur von Energieanlagen, hat sich beim eigenen Haus na-türlich besonders viel Mühe gegeben und mög-liche Varianten sehr detailreich simuliert. Er ar-beitet mit dem Simulationsprogramm Polysun, das nicht nur Photovoltaikleistung und Eigen-verbrauch simulieren kann, sondern auch Solar-thermie und Wärmebedarf. Seit drei Jahren ist auf dem Flachdach eine Photovoltaikanlage in-stalliert.

Zwölf Kilowatt Leistung hat sie, produzierte im Jahr 2017 rund 11.300 Kilowattstunden Strom. Rund 4.500 Kilowattstunden wurden selbst ge-nutzt. Die größten Verbraucher sind die Wär-mepumpe, der Elektroboiler für Warmwasser, das Plug-in-Hybridauto und das Schwimmbad mit Umwälzpumpe. Die Wärmepumpe hat fast 20 Jahre ihren Dienst getan, das Entspannungs-ventil hätte ersetzt werden müssen.

Drei Varianten als ErweiterungDeshalb war Aerni fest entschlossen, die Luft-wärmepumpe zu ersetzen. Derzeit wird sie nur zum Heizen benutzt, aber Aerni will in seiner Si-mulation auch die Möglichkeit zur Warmwasser-bereitung mit einer neuen Wärmepumpe aus-loten.

Außer einer vertikalen Fläche am südlichen Dachrand und beim Terrassengeländer gibt es keine freie Fläche mehr, die sich für Photovolta-ik eignet. Aerni erzählt: „Ich wollte einfach mal schauen, ob ich mit Solarthermie weiterkom-me.“ Zudem wird sein Strombedarf steigen, denn er will das Hybridauto durch ein vollelektrisches Fahrzeug ersetzen und Nachbargebäude mit Strom versorgen.

Variante 0: das bestehende SystemZunächst bildete er in Polysun das bestehende System mit Photovoltaikanlage und Stromver-brauch ab, um es mit weiteren drei Varianten zu vergleichen. Er erstellte Stundenprofile für die Schwimmbadpumpe und die Ladevorgänge für das Elektroauto. Der Wärmebedarf des Gebäudes wurde auf Basis des Wärmenachweises ermittelt. Dieser Wärmenachweis ist in der Schweiz Teil der Bauplanung. Die Schaltung der Schwimmbad-heizung mittels Wärmepumpe wurde nicht ab-gebildet, weil diese Heizung nur an wenigen Ta-

gen in der Übergangszeit läuft. Es lohnt sich, die Bestandsaufnahme präzise in der Simulations-software, in diesem Falle Polysun, zu dokumen-tieren. Der Vergleich mit anderen Varianten wird später einfacher. Zudem wird dabei ein Schalt-plan abgebildet, der je nach Variante erweitert wird und Klarheit über die Installation bringt.

Variante 1: mehr PhotovoltaikIn der ersten Variante plante Aerni die Erweiterung der bestehenden Solaranlage. Eine Terrassenüber-dachung mit transluziden Photovoltaikmodu-len und eine neue Wärmepumpe für Heizung und Kühlung sowie Warmwasseraufbereitung sind sei-ne Favoriten. Die Überdachungsflächen simulier-te er in zwei verschiedenen Größen, einmal mit 16 und einmal mit 32 Quadratmetern. 2,7 bezie-hungsweise 5,4 Kilowatt Leistung sollten auf die-sem Weg hinzukommen.

Variante 2: WasserspeicherIn der zweiten Planungsvariante erweiterte er Variante 1 um einen Wasserspeicher, auch diesen in unterschiedlichen Größen von 400 bis 1.000 Li-ter. Zwei Speicher sind bereits im Haus verbaut, 200 Liter für die Heizung und 400 Liter für Warm-wasser.

„Aber mir war von Anfang an klar, dass dieser Speicher im Haus keinen Platz findet, sondern nur im Freien in der Nähe der Wärmepumpe ste-hen kann. Dafür muss er gut isoliert werden, was die Kosten nicht unerheblich in die Höhe treibt“, erzählt der Planer.

Variante 3: SolarthermieDie dritte Variante schließlich enthält eine Erwei-terung mit Solarthermiekollektoren. Sie könnten ihren Platz am Dachrand oder integriert im Ge-länder finden. Die thermische Solaranlage soll dabei als Vorwärmer für das Warmwasser und zur Heizungsunterstützung dienen. Vier Vaku-umkollektoren Vitosol 300-TM SP3C wurden der Planung zugrunde gelegt.

Der Speicher soll 600 Liter umfassen und in das Wärmepumpensystem eingebunden wer-den. So kann die gespeicherte Solarenergie (So-larthermie und Wärmepumpe mit Strom aus der Photovoltaikanlage) je nach Temperaturniveau für das Heizen des Warmwassers und/oder des Heizungswassers genutzt werden. In der Über-gangszeit will Aerni möglichst autark bleiben, Überschüsse im April, Mai, September und Okto-ber zur Poolwasser-Erwärmung nutzen.

Um den Eigenverbrauch zu maximieren, soll die Steuerung den überschüssigen Strom der Photovoltaikanlage zur Wärmegewinnung ein-setzen – mit einer leistungsgesteuerten Inverter-

M aur in der Schweiz ist ein beschaulicher Ort nahe Zürich. Ähnlich wie die Finanz-metropole liegt das Städtchen an einem

See, dem Greifensee. Das Einfamilienhaus der Fa-milie Aerni steht in bester Lage, eine Terrasse mit Seeblick inklusive. Doch die Terrasse wird wenig genutzt – sie ist nicht überdacht, und an heißen Tagen mit viel Sonne ziehen sich die Bewohner meist ins kühlere Gebäude zurück. Eine schatten-spendende Überdachung war seit mehreren Jah-

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Die bestehende Solaranlage soll erweitert werden. Mehr Photovoltaik? Zusätzlicher Wasserspeicher? Solarthermie? Um diese Frage zu beantworten, rechnete der Planer verschiedene Varianten durch.

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TITELTHEMA | Vielfalt planen

Anzahl Module: 43Nennleistung: 12.04 kWp

Heizwärmebedarf: 17,224 kWh

Soll-Raumtemp.: 22°C

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Elektrische Verbraucherprofile: 3Gesamtverbrauch: 6,475 kWh

Variant 0: Bestand

Temperatur: 55°CDurchnittsentnahme: 191.5 l/Tag

Simulierter Schaltplan des bestehenden Systems (Variante 0).

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Variant 1: Mehr Photovoltaik

Anzahl Module: 61Nennleistung: 17.54 kWp

Elektrische Verbraucherprofile: 3Gesamtverbrauch: 6,475 kWh

Heizwärmebedarf: 17,224 kWh

Soll-Raumtemp.: 22°C

200 l

400 l

Temperatur: 55°CDurchnittsentnahme: 191.5 l/Tag

Simulierter Schaltplan mit Erweiterung der Photovoltaikanlage (Variante 1).

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G: Hier bietet das E-Paper der photovoltaik zusätzliche Informationen und Funktionen an. Infos zum E-Paper: www.photovoltaik.eu/epaper

Wärmepumpe. Diese zusätzliche Wärme soll in die existierenden Speicher eingeladen werden.

In allen drei Varianten konnte Aerni auf die umfangreichen Produktdatenbanken von Poly-sun zurückgreifen. Das vereinfacht auch die pas-sende Produktwahl.

Die Varianten im VergleichVon all diesen Varianten hat Aerni mit Polysun eine Ertragsabschätzung erstellt. Die Nutzung von Strom und Wärmeenergie wurde dabei ge-trennt ausgegeben. Dazu wurden die funktiona-le Abbildung des Systems, die technischen Pa-rameter der Komponenten und die Steuerung dargestellt. An einigen Stellen modellierte Aerni eine eigene Steuerung, um die Schaltungen möglichst optimal zu betreiben.

Das Abbilden und Optimieren von Steue-rungen ist in Polysun durch eine frei program-mierbare Steuerung leicht umzusetzen. In Ver-bindung mit den Auswertemöglichkeiten auf Stundenbasis und einer Echtzeitvisualisierung definiert der Planer effizient die passenden Steu-erungsparameter. Zudem werden so proaktiv mögliche Fehler vermieden.

Für die Richtigkeit der Angaben und Resultate besteht kein Haftungsanspruch gegenüber der Firma Vela Solaris AG, ihren Zulieferern und Vertriebspartnern.

Projekt Hubrainweg 18_ist V11.0.15.27801 / 09.01.2019 / 13:22:03

Variante Variante 2_Speicher 400 l

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Das ist eine Darstellungsform der Energiewerte einer Simulation. Hier ist zu sehen, dass ein zusätzlicher Wasserspeicher kaum Effekt auf den Eigenverbrauch hat.

VELA SOLARIS

Neue Version von PolysunIn der neuen Version von Polysun finden Planer eine neue Optik, aber auch neue Features. Die grafische Benutzer-oberfläche wurde farblich strukturiert. Auch die Darstel-lung der Simulationsresultate wurde noch klarer und attraktiver gelöst. Die neue Produktpalette ist übersicht-licher: Polysun Premium, Polysun Designer und Standard (jeweils als Vollversion, Solar Heat & Power und Solar Ther-mal), Polysun PV und Polysun Educational decken alle ge-

bäuderelevanten Energietechnologien ab. Die wichtigsten neuen Features sind ein neues Batteriemodell, das den ge-samten Leistungsbereich der Batterie detailliert und zu-verlässiger abbildet. Die programmierbaren Steuerungen können miteinander verknüpft, Berechnungsprioritäten gesetzt und Betriebszustände überschrieben werden.

G www.velasolaris.ch

Der Vergleich der Erträge und Verbräuche zeigt, dass bei der Erweiterung der Photovoltaikanla-ge der Eigenverbrauch nur marginal steigt, ent-sprechend nimmt die Netzeinspeisung zu. In der Erweiterung des Systems mit einem zusätzlichen Speicher (Variante 2) kann der Eigenverbrauch zwar weiter gesteigert werden, aber die Steige-rung ist immer noch marginal.

Mit der Erweiterung um thermische Kollek-toren (Variante 3) kann ein Teil des Stromver-

brauchs durch Solarthermie ersetzt werden. Der elektrische Eigenverbrauch wird aber geringer, weil die Wärmepumpe in dieser Konstellation weniger gebraucht wird.

An diesem Punkt ist nach Meinung von Alain Aerni exemplarisch zu sehen, dass die Kombina-tion von Photovoltaik mit Wärmepumpe ökono-mischer ist als die Einbindung von Solarthermie.

Für solch einen Systemvergleich bietet Poly-sun in der Auswertung mehrere Ebenen. Zum

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TITELTHEMA | Vielfalt planen

Variant 2: Wasserspeicher

Anzahl Module: 43Nennleistung: 12.04 kWp

Elektrische Verbraucherprofile: 3Gesamtverbrauch: 6,475 kWh

Heizwärmebedarf: 17,224 kWh

Soll-Raumtemp.: 22°C

200 l

Temperatur: 55°CDurchnittsentnahme: 191.5 l/Tag

400 l

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Simulierter Schaltplan mit Erweiterung um Wasserspeicher (Variante 2).

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Variant 3: Solarthermie

Anzahl Module: 43Nennleistung: 12.04 kWp

Elektrische Verbraucherprofile: 3Gesamtverbrauch: 6,475 kWh

Heizwärmebedarf: 17,224 kWh

Soll-Raumtemp.: 22°C

200 l

Temperatur: 55°CDurchnittsentnahme: 191.5 l/Tag

400 l

600 l

Kollektoranzahl: 4Bruttofläche:18.4 m2

Simulierter Schaltplan mit Erweiterung um Solarthermiekollektoren (Variante 3).

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G: Hier bietet das E-Paper der photovoltaik zusätzliche Informationen und Funktionen an. Infos zum E-Paper: www.photovoltaik.eu/epaper

einen natürlich die Gegenüberstellung der Leis-tungs- und Verbrauchsdaten. Aber auch eine Wirtschaftlichkeitsberechnung und eine Öko-bilanz sind nach Eingabe der entsprechenden Variablen schnell und übersichtlich aus dem System heraus möglich. Natürlich müssen die Kosten für die einzelnen neuen Komponenten eingegeben werden, die Stromtarife, die Unter-haltskosten, eventuelle Förderungen oder Steu-ererleichterungen, eine Rendite, die man min-destens erwirtschaften will, und eine realistische Laufzeit.

Bedürfnis nach Schatten entscheidetUm das Bild zu komplettieren, erstellte Aerni auch einen Vergleich der Ökobilanz und CO2- Emissionen. Aber die Entscheidungsgrundla-ge bildet am Ende fast immer die Wirtschaft-lichkeitsberechnung. In diesem Fall zeigt die Barwerttabelle relativ eindeutig: die Anlage nicht erweitern, keinen zusätzlichen Speicher in-stallieren und auch keine Solarthermie, das ist die wirtschaftlichste Variante.

Aerni hat mit seiner bestehenden Solaranla-ge bereits ein Maximum an Eigenverbrauch er-

Für die Richtigkeit der Angaben und Resultate besteht kein Haftungsanspruch gegenüber der Firma Vela Solaris AG, ihren Zulieferern und Vertriebspartnern.

Projekt Hubrainweg 18_ist V11.0.15.27801 / 09.01.2019 / 15:22:49

Variante Variante 3_Solarthermie_6 Kollek.

In dieser Energiewertdarstellung wird deutlich, dass auch Solarthermiekollektoren den Eigenverbrauch nicht steigern.

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reicht und damit ein recht wirtschaftliches Sys-tem installiert.

Doch jetzt kommt das Wörtchen „fast“ zum Tragen. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung ist in der Praxis dann doch nicht immer das Zünglein an der Waage.

Die Familie wollte unbedingt eine beschat-tete Terrasse – ein Wunsch, der millionenfach auch ohne Wirtschaftlichkeitsberechnung land-auf, landab in verschiedenen Varianten realisiert wird. Aerni entschied sich für die Überdachung mit transparenten Modulen auf größtmöglicher Fläche und erhöhte damit seine Photovoltaikleis-tung auf 17,54 Kilowatt.

Er ersetzte außerdem seine 19 Jahre alte Wär-mepumpe durch ein neues Modell. Deren Leis-tung kann er variieren, und im Sommer trägt sie zur Kühlung bei. Wenn zusätzliche Verbraucher wie ein neues Elektroauto oder auch Nachbar-gebäude in das System eingebunden werden, wird sich der Eigenverbrauch erhöhen – und da-mit auch die Wirtschaftlichkeit dieser Erweite-rung. •

G www.soleco.ch Die Familie genießt den Seeblick jetzt im Schatten.Fo

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