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Planet in Flammen

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ATLAN 120 – Die Abenteuer der SOL

Nr. 619

Planet in Flammen von Horst Hoffmann

Die Verwirklichung von Atlans Ziel, das schon viele Strapazen und Opfer gekostet hat – das Ziel nämlich, in den Sektor Varnhagher-Ghynnst zu gelangen, um dort den Auftrag der Kosmokraten zu erfüllen – scheint nun außerhalb der Möglichkeiten des Arkoniden zu lie-gen. Denn beim entscheidenden Kampf gegen Hidden-X wurde Atlan die Grundlage zur Erfüllung seines Auftrags entzogen: das Wissen um die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst. Doch Atlan gibt nicht auf! Im Bewußtsein, sich die verlorenen Koordinaten wieder besor-gen zu müssen, folgt der Arkonide einer vagen Spur, die in die Randgebiete der Galaxis Xiinx-Markant führt, wo die SOL in erbitterte Kämpfe verwickelt wird. Inzwischen schreibt man an Bord des Generationenschiffs das Ende des Jahres 3807 Ter-razeit. Der hoffnungslos anmutende Kampf gegen das Manifest C, das die SOL in die Ver-nichtung zu führen drohte, ist siegreich beendet – dank den Informationen vom Atlan-Team, das bereits in der Zentrumszone von Xiinx-Markant weilt. Für Cpt’Carch hingegen, den Extra, der die SOL verließ, um auf seinem Heimatplaneten Cpt in neuer Körperform wiedergeboren zu werden, beginnt der Kampf ums Überleben erst jetzt in dem Moment, als Anti-Homunk seine lebenden Bomben aussendet. Cpt’Carchs Heimatwelt ist plötzlich ein PLANET IN FLAMMEN ...

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Die Hauptpersonen des Romans: Twoxl – Cpt’Carch in neuer Gestalt. Promk – Anführer der Kalmorer. Torl – Eine lebende Bombe. Henny Lupino – Eine Solanerin riskiert ihr Leben. Breckcrown Hayes – Seine SOL wird wieder in Kämpfe verwickelt. Atlan – Der Arkonide kehrt zurück, um den Solanern Hilfe zu leisten.

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ATLAN 120 – Die Abenteuer der SOL

1.

Der unglaubliche Gegner

Ein helles Pfeifen weckte Clynth aus sei-

nem Dämmerschlaf. Es war ein Geräusch, wie der Kalmorer es niemals vorher gehört hatte.

Müde schlug Clynth die Augen auf. Jatta saß ihm gegenüber am Feuer, die Beine an ihren Körper gezogen und die Knie mit den langen Armen umschlungen. Ihr Kopf mit der tiefschwarzen Haarmähne lag ruhig zwischen ihnen.

Clynth lauschte. Das Pfeifen verklang, und nichts war mehr zu hören außer dem leisen Knistern der trockenen Scheite.

Der Kalmorer warf einen Blick auf den doppelt faustgroßen blaugrauen Klumpen, der zwei Schritte neben ihm auf dem Boden des Felseneinschnitts lag. Für einen Moment glaubte er, daß ein Teil seiner Oberfläche sich erhellte. Dann sagte er sich, daß es nur der Widerschein des Feuers war, das gespensti-sche Schatten auf die Felsen ringsum zauber-te.

Es war nichts, dachte er. Ein Traum oder eine Einbildung. Twoxls Warnungen vor einer neuen Gefahr läßt uns Dinge sehen und hö-ren, die überhaupt nicht vorhanden sind.

Clynth legte Scheite nach und zog sich sei-ne Decke bis über die Schultern. Nicht nur wegen der nächtlichen Kälte sehnte er sich nach dem neuen Tag. Er wollte zur Siedlung am Wasser zurück. Die Körbe waren randvoll mit Cpt’Wons. Nachts zu marschieren, konnte in diesem unerforschten Teil der Welt sehr schnell den Tod bedeuten. Denn überall lauer-ten die hungrigen Cpt’Taks. Es schien mehr von ihnen zu geben als vor der Katastrophe.

Der Kalmorer schlief nicht mehr ein. Er kämpfte gegen die Müdigkeit an. Bis zum Sonnenaufgang war es kaum noch eine Stun-de. Es hieß wachsam zu sein, denn auch die Eier der Cpt’Cpts bedeuteten Gefahr. Jetzt, nachdem jener Einfluß durch Twoxl ausge-schaltet war, der ihre Entwicklung über mehr als fünfzig Jahre hinweg verhindert hatte, konnten sie sich in Cpt’Taks verwandeln.

So geschah es nun laufend in der Siedlung. Niemand vermochte den Prozeß aufzuhalten, der nicht bei der ersten Verwandlung endete.

Cpt’Taks vollzogen den nächsten Schritt und wurden zu Cpt’Noks, die einmal die Her-ren, Freunde und Beschützer der Kalmorer gewesen waren.

Aber die neuen Cpt’Noks starben nach we-nigen Stunden. Was die Metamorphose der Cpt’Cpts so lange verhindert hatte, existierte nicht mehr – wohl aber das, was die Cpt’Noks und Cpt’Kuls dahingerafft hatte und auch jetzt nicht leben ließ. Einzig Twoxl war dage-gen immun, doch das hing mit seiner einmali-gen Entwicklung zusammen. Denn er war Cpt’Carch gewesen.

Clynth schrak auf, als er das Pfeifen wieder hörte. Jetzt klang es viel schriller – und nahe.

Der Kalmorer sprang in die Höhe und warf den Kopf weit in den Nacken. Auch Jatta war wach und starrte erschreckt in den Himmel.

Drei, vier Sterne standen nicht wie die an-deren funkelnd am Firmament, sondern be-wegten sich über die Berge. Sie zogen eine gerade Bahn, wurden schneller und heller. Das Pfeifen steigerte sich. Clynth sah weitere Lichter, die scheinbar aus dem Nichts ent-standen und bald so grell waren, daß sie seine Augen blendeten.

»Clynth!« schrie Jatta. »Die Sterne stürzen herab!«

Er dachte das gleiche. Das Pfeifen änderte sich, wurde zu einem ohrenbetäubendem Brausen. Clynth preßte sich beide Hände ge-gen den Kopf und schloß die Augen. Jatta warf sich flach hin, als die Helligkeit uner-träglich wurde und der erste Aufschlag erfolg-te.

Clynth spürte das Beben des Felsens unter seinen Füßen, einmal, zweimal, dreimal. Der letzte Schlag ließ ihn vornüberstürzen. Noch einmal zog ein Licht heulend seine Bahn und verlor sich in der Ferne. Dann war wieder Stille.

Clynth lag neben Jatta. Sie kroch zu ihm und suchte Schutz in seinen kräftigen Armen. Er begriff überhaupt nichts. Er fühlte nur rein instinktiv, daß er Zeuge von etwas Ungeheu-erlichem geworden war.

Der Kalmorer wartete eine Weile. Erst als es ruhig blieb, richtete er sich auf. Jatta klammerte sich an ihn.

»Was war das?« fragte sie flüsternd. »Ich sah deutlich, wie die Sterne immer näherka-

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men und ...«

»Sie sind über uns hinweggezogen«, mur-melte Clynth. »Aber der letzte muß ganz nahe heruntergekommen sein. Und es ... waren keine Sterne.«

Sterne fielen nicht einfach herab. Clynth drehte sich um und suchte nach dem

Twoxl-Stein. Er mußte eine Antwort wissen, denn als Teil des großen Twoxl wußte er fast alles.

»Er ist nicht mehr da!« entfuhr es dem Ein-geborenen.

»Dann ist er geflohen«, flüsterte Jatta. »Und wenn wir klug sind, tun wir das auch. Ich will gar nicht wissen, was da zu uns he-runterkam, Clynth! Laß uns jetzt aufbrechen und nicht bis zum Morgen warten!«

Clynth blieb unsicher stehen, als Jatta sich anschickte, zu den Körben zu gehen. Er war kein Feigling. Zwar schlug auch ihm das Herz bis zum Hals, doch er wollte nicht einfach davonlaufen.

»Clynth!« drängte die Gefährtin. Eine gewisse Neugier mischte sich in die

kreatürliche Scheu vor dem Unheimlichen. Der Kalmorer stieg auf einen Felsen und ver-suchte, über den Rand des Einschnitts zu bli-cken. Die Deckung befand sich im Hang eines Berges, durch den sich die Furche viele Bo-genschüsse weit zog. Am Fuß des Berges lag eine mittelgroße Ebene.

»So komm, Clynth!« Jattas Stimme verriet aufkommenden Zorn. »Oder ich gehe allein!«

Sie wußte so gut wie er, daß sie das nicht tun würde. Clynth schüttelte langsam den Kopf.

»Twoxl ist nicht geflohen«, sagte er. »Er wird nach dem Licht suchen.«

»Dann laß ihn suchen! Er ist schneller und klüger als wir!«

Sie hätte es nicht sagen dürfen. Jatta er-reichte damit nur das Gegenteil von dem, was sie wollte.

Vor wenigen Tagen erst waren sie in die Siedlung am Wasser gekommen, Flüchtlinge, deren Dorf durch die Beben und Stürme zer-stört worden war wie so viele andere. Sie hat-ten Aufnahme gefunden, Freunde und noch etwas viel Wichtigeres.

Promk, der Anführer der Kalmorer am Wasser, verkündete den Beginn einer neuen

Zeit. Die Kalmorer, innerhalb weniger Jahr-zehnte intelligent geworden, sollten nicht län-ger in kleinen Gruppen ein sinnloses Dasein führen, sondern zusammen etwas Großes schaffen – ein Volk, das vielleicht einmal die Nachfolge der Cpt’Cpts antreten würde.

Jedem kam eine neue Verantwortung zu, nicht nur für sich selbst, sondern für die Ge-samtheit, sollte das Werk gelingen. Und die Kalmorer durften sich nicht darauf verlassen, daß Twoxl immer zu ihrem Schutz da sein würde.

»Ich muß wissen, was es war«, sagte Clynth. »Vielleicht sind wir die einzigen, die unsere Brüder und Schwestern warnen kön-nen.«

»Du bist verrückt!« rief Jatta. »Wovor war-nen?«

»Das eben müssen wir herausfinden.« Clynth ging zum Feuer zurück, löschte es

mit der Decke aus und nickte Jatta auffor-dernd zu. Sie sah die Entschlossenheit in sei-nem Gesicht und gab auf. Fluchend folgte sie ihm die Felsen hinauf, bis sie auf dem abfal-lenden Hang standen und die Ebene in ihrer ganzen Ausdehnung vor sich sahen.

Clynth konnte den Aufschrei nicht unter-drücken.

Er hatte erwartet, ein Licht auf dem freien Gelände zu sehen.

Statt dessen war die Ebene von kleinen, funkelnden Körpern übersät.

*

Promk drehte den Kopf über die Schulter

und sah Twoxl heranschweben. Es überrasch-te ihn nicht, denn die ganze Siedlung war auf den Beinen. Die Nachricht von den Himmels-lichtern hatte sich rasend schnell verbreitet und auch den Cpt’Kul erreicht, der seit seiner Rückkehr aus den Bergen bei den Käfigen der Cpt’Taks wachte.

Twoxl bestand augenblicklich nur aus drei seiner Teile, die er Komponenten nannte und zur Unterscheidung mit Zahlen belegte. Al-lerdings galt dies nur für ihn. Für Promk und jeden anderen Kalmorer war eines der doppelt faustgroßen Gebilde wie das andere – unför-mig, an Steine erinnernd.

»Du hast die Lichter gesehen?« fragte der

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Cpt’Kul. Seine Stimme klang zirpend. Promk konnte nicht feststellen, welche der drei Komponenten sie mit Hilfe der Sprechmemb-rane produzierte. Vielleicht war es jene, die ihm die schwach schimmernde Sehfläche zu-wandte.

»Ich sah sie«, bestätigte der Kalmorer. »Je-denfalls noch die letzten von ihnen. Sie zogen weit über die Siedlung hinweg.«

»Aber du weißt, was sie bedeuten können. Ceemer, der in den vergeistigten Cpt’Cpts aufging, warnte mich deutlich genug. Anti-Homunk, der eigentliche Feind meines Vol-kes, weiß vermutlich von der Vernichtung seines körperlosen Roboters. Zeepkörob konnte im Moment seines Erlöschens eine Botschaft senden. Anti-Homunk wird nichts unversucht lassen, um die Zone zu zerstören, die die Vergeistigten um Cpt herum aufgebaut haben. Denn sie ist ihm hinderlich. Sie schirmt unsere Welt von Anti-Homunks ver-derblichen Einflüssen ab.«

Soviel Promk von Twoxls Worten verstand, wurde der Weltraum um Cpt von einer nega-tiven Macht beherrscht, die für das Absterben der höheren Cpt-Formen verantwortlich war und nichts duldete, das sich ihren Zielen wi-dersetzte.

»Zeepkörob konnte Cpt nicht zerstören – und damit die Vergeistigten beseitigen, wie ihm aufgetragen war«, fuhr Twoxl fort. »An-ti-Homunk wird also andere schicken, die uns auslöschen sollen.«

Uns – damit meinte Twoxl das ganze Volk. Es war immer noch schwer für Promk, sich

ein Bild von der komplizierten Entwicklung der Cpt’Cpts zu machen – vom Cpt’Won bis hin zu dem, was Twoxl als Endstadium be-zeichnete.

Am Anfang standen die Cpt’Wons – kleine flache Eier, die man an Felsen, in Höhlen und Ruinen fand. Nach drei Jahren lösten sie sich zu einem zähen Sekret auf, und aus diesem entstanden die gefräßigen, hochgefährlichen Cpt’Taks, die zweite Form. Erst vor kurzem war es den Kalmorern am stehenden Fluß gelungen, sie zu zähmen.

Auf sie folgten die Cpt’Noks. Sie waren einmal die einzige intelligente Lebensform auf Cpt gewesen, hatten die Siedlungen be-wohnt und jeweils 77 Jahre gelebt, bevor sie

verschwanden. Sie waren nie wirklich verschwunden und

nie wirklich die einzige intelligente Art auf Cpt gewesen. Das wußte Promk nun, und an-dere hatten es vor ihm geahnt. Kennzeichnend für alle Entwicklungsstadien der Cpt’Cpts war, daß keine Form wußte, wie die nächst-höhere aussah.

Twoxl stellte die vierte Form dar. Kalmorer auf der Jagd hatten oft von den seltsamen Steinen berichtet, die wie verstreut in den Bergen lagen. Es handelte sich jedoch nicht um Steine, sondern um die Komponenten eines Cpt’Kul. Immer bildeten sieben von ihnen die Einheit. Sie konnten getrennt ope-rieren und sich dann über selbst größte Ent-fernungen hinweg unterhalten.

Die sechste und letzte Form stellten die vergeistigten Cpt’Cpts dar.

Wie die fünfte Form aussah und ob es sie überhaupt noch gab, war und blieb ein Rätsel.

»Was tun wir?« fragte Promk. »Im Augenblick gar nichts«, entgegnete

Twoxl. »Es genügt, daß bereits zwei von euch in Gefahr sind.«

Promk starrte ihn verständnislos an. »Clynth und Jatta«, sagte Twoxl. »Sie sind

noch nicht aus den Bergen zurück, wo sie neue Cpt’Wons abernten sollten. Die Lichter am Himmel, Promk – sie sind überall auf Cpt niedergegangen. Eine meiner Komponenten war bei Clynth und Jatta. Die anderen drei beobachten die gelandeten Lichter ebenfalls.«

»Weshalb sagst du das jetzt erst?« fragte der Kalmorer heftig.

»Beruhige dich, Promk«, sagte Twoxl. »Ich werde alles tun, um Clynth und Jatta zu schützen.«

*

Clynth und Jatta bewegten sich in der De-

ckung von herumliegenden Felsen. Der Hang lag hinter ihnen, vor ihnen leuchteten die Lichter wie glühende Riesenpilze.

Es sah nicht so aus, als sollten weitere von ihnen vom Himmel kommen. Während des vorsichtigen Abstiegs war kein einziges Mal mehr das Pfeifen zu hören gewesen. Statt des-sen lastete nun ein unheimliches Summen über der Ebene.

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»Das Leuchten wird schwächer«, flüsterte

Clynth, als er in einem Moosfeld lag, nur den Kopf erhoben. Tatsächlich verloren die Lich-ter an Intensität, einige erloschen bereits. In der einsetzenden Morgendämmerung konnte der Kalmorer zum erstenmal Einzelheiten ausmachen. Sein gedachter Vergleich mit Riesenpilzen traf zu. Wo die Helligkeit wich, stand ein Gebilde mit dickem Stiel und einem halbkugelförmigen Hut darauf.

Jatta hatte die Angst weitgehend verloren. Auch sie war von brennender Neugier erfaßt, nachdem nichts von dem eingetreten war, was sie befürchtet haben mochte. Weder hatten die Lichter sich bewegt oder gar angegriffen, noch schienen die Sternengötter die beiden Kalmorer für ihre Vermessenheit strafen zu wollen. Alles war ruhig bis auf das Summen.

Und doch hatte Clynth das Gefühl, als be-reitete sich etwas ganz langsam vor. Er suchte nach dem Twoxl-Teil und fand ihn nicht.

»Siehst du den einzelnen Pilz dort vorn, Jatta?« flüsterte er. »Wir können bis fast an ihn herankriechen, ohne von ihm entdeckt zu werden.«

»Wieso sollte er uns entdecken können?« fragte die Gefährtin verwirrt. »Er hat keine Augen und ...«

»Twoxl sieht auch ohne Augen. Bleib dicht bei mir.«

Der Kalmorer schob sich lautlos voran. Nichts rührte sich. Die Ebene mit den Pilzen darauf wirkte wie eingefroren. Über die Hälf-te von ihnen waren inzwischen erloschen. Dafür steigerte sich die Eindringlichkeit des Summens.

Die Pilzgebilde waren unterschiedlich groß. Einige besaßen die Höhe eines Kalmorers, während andere kaum größer waren als ein Getreidehalm. Das traf auch auf ihre Dicke zu. Gemeinsam war ihnen nur die Grundform und daß sie wie eingepflanzt in der Ebene standen.

Nur noch wenige Schritte von dem etwas abseits stehenden Etwas entfernt, blieben Clynth und Jatta liegen. Glattpoliertes Metall und Glas waren ihnen unbekannt, und so konnten sie lediglich feststellen, daß die O-berfläche des Pilzhuts durchscheinend schimmerte und der Stiel unnatürlich glänzte.

Das Summen schwoll nun sprunghaft an.

Clynth hörte das Pochen seines Blutes in den Schläfen. Als er die Bewegung hinter der Huthülle wahrnahm, war es zu spät zur Flucht.

Krachend barst der Pilzhut in Stücke. Jatta schrie auf. Als Clynth ihr die Hand auf

den Mund preßte, hatte sich der Kopf des We-sens schon zu ihnen umgedreht.

Es schien aus dem schimmernden Stiel he-rauszuwachsen. Unter zwei weit hervorquel-lenden Kugelaugen spaltete ein breites Maul den runden Schädel. Er saß auf einem kurzen Hals, der schulterlos in einen Oberkörper ü-berging, aus dem vier dünne Arme ragten. An ihren Enden befanden sich mehrere schlan-genförmige Finger. Sie klammerten sich an den Rand der Stielröhre, so daß es schien, als wollte sich der Körper aus ihr herauszwängen.

Clynth wagte nicht zu atmen. Jatta hatte die Augen geschlossen. Clynth versuchte aufzu-springen und davonzulaufen, doch seine Glie-der versagten ihm den Dienst.

Weitere Pilzhüte zerplatzten, weitere Fremdwesen kamen dahinter zum Vorschein, doch keines glich dem anderen. Die meisten hatten Köpfe mit Augen, Münder und Nasen-öffnungen. Ihre Oberkörper waren verschie-den geformt und alle nackt. Nur Unterleiber schien es bei keinem zu geben.

Clynth nahm dies am Rande wahr. Der Blick des Kugelköpfigen direkt vor ihm ließ ihn nicht aus seinem Bann.

Dann plötzlich schwebte der Twoxl-Teil über der Ebene. Er kam auf die beiden Kal-morer zu, doch erreichte sie nicht mehr.

Einige Stielwesen schossen wie von Kata-pulten abgefeuert in die Höhe. Es waren aus-nahmslos größere. Der Kugelköpfige gehörte nicht dazu.

Sein Blick zog sich aus Clynth zurück. Der Kalmorer hatte das Gefühl, mitgerissen zu werden – für einen kurzen Moment mit dem Fremden zu verschmelzen.

Was ihm über eine unsichtbare Brücke zufloß, versetzte ihn so in Panik, daß die Lähmung von ihm abfiel. Er zerrte Jatta in die Höhe und begann mit ihr davonzurennen.

Sie hatten keine Chance. Der Kugelköpfige explodierte, und mit ihm

alle Röhrenwesen, die nicht von der Ebene aufgestiegen waren. Die lebenden Bomben

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rissen einen tiefen Krater in das Land.

Clynth und Jatta starben schnell und ohne Schmerzen. Sie sahen nicht mehr, wie der Twoxl-Teil von den wallenden Gluten des Feuersturms eingehüllt wurde, der über die Ebene und die Hänge hinauf raste.

2.

Die SOL

Sternfeuer stand hinter dem High Sideryt in

der Hauptzentrale und starrte wie er auf die Schirme, die den Weltraum zeigten.

»Die Innenzone!« rief Cara Doz aus dem Hintergrund. »Himmel und Hölle, wir haben es wirklich geschafft!«

Geschafft, nachdem Erfrin, das Manifest C, hatte besiegt werden können – besser gesagt, befreit. Denn es hatte sich in Wahrheit um nichts anderes gehandelt als um den Dritten Zähler Erf-Zount, von Anti-ES zum willenlo-sen und befehlshörigen Sklaven gemacht, der das Heimatschiff der Solaner um ein Haar ins Verderben geführt hätte.

Diese Gefahr war gebannt, SENECA wie-der er selbst. Die Dunkelzone von Xiinx-Markant, in deren Staubmassen die SOL beim Einflug mit halber Lichtgeschwindigkeit zer-rieben werden sollte, war in einer einzigen Linearetappe überwunden worden. Voraus leuchteten die Sterne der Innenzone, viel we-niger dicht gesät als erwartet. Und eine Sonne strahlte heller als alle anderen.

Sternfeuer drehte sich um und fragte nur: »Curie?« Curie von Herling schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich habe es seit dem Wiederein-

tauchen versucht, aber niemand antwortet. Fragt mich nicht, wo wir herausgekommen sind. Ich weiß nur, daß wir keine Antwort auf unsere Funksprüche bekommen und die Orter uns weder die CHYBRAIN noch die FAR-TULOON auf die Schirme zaubern.«

»Es sind die Koordinaten, die Federspiel uns übermittelte«, knurrte Hayes. »Wir befin-den uns genau an der Stelle, die sie bezeich-neten.«

»Daran zweifelt niemand«, sagte Sternfeu-er, »aber erinnere dich an das, was ich dir vor dem Linearflug gesagt habe, Breck. Zugege-

ben, es war eine Ahnung, aber jetzt bin ich sicher, daß Federspiel uns ungewollt andere Koordinaten als die der beiden Schiffe mitge-teilt hat. Irgendein sekundärer Einfluß muß sich mit seinen Gedanken vermengt haben, als er die Botschaft an uns richtete.«

Hayes schwenkte seinen Sitz herum und legte die Stirn in Falten.

»Welcher?« Die Telepathin zuckte die Schultern. »Ich habe noch keine Ahnung, Breck. Am

besten ziehe ich mich in meine Kabine zurück und versuche dort in Ruhe etwas aufzufan-gen.«

Sie verließ die Zentrale. »Sie espert schon jetzt etwas«, brummte der

High Sideryt. »Sie wird es uns wissen lassen, wenn sie’s

für richtig hält.« Curie van Herling wandte sich wieder ihren Instrumenten zu. »Und wenn sich etwas in Federspiels Gedankenbot-schaft gemischt hat, hat es etwas zu bedeuten, daß wir gerade hier in den Normalraum zu-rückfielen. Oder?«

»Keine Anzeichen für die bekannten Raumschlachten«, meldete Solania von Terra aus der SOL-Zelle-Zwo. »Es scheint tatsäch-lich, daß wir dies hinter uns haben.«

»Hier tut sich überhaupt nichts, was raum-fahrende Völker angeht«, gab Curie zurück. »Dabei wären die Verhältnisse ideal. Die Sterne stehen so dicht beieinander, daß ambi-tionierte Völker quasi dazu verleitet werden müssen, interstellare Raumfahrt zu entwi-ckeln.«

Minuten später stand fest, daß der nahe gelbe Normalstern insgesamt zwölf Planeten besaß, die inneren fünf glühende Höllen, die drei äußeren vereiste Riesen. Die Lebenszone reichte vom sechsten bis neunten Planeten.

Wajsto Kolsch, der bisher geschwiegen hat-te, lehnte sich über Curies Schulter.

»Vielleicht hat uns Atlan in diesem System eine Nachricht hinterlassen, und Federspiels Botschaft war doch richtig.«

»Können wir etwas näher an die Sonne he-rangehen, Breck?« fragte Curie.

»Du hast etwas entdeckt?« »Ich bin mir noch nicht sicher. Es gibt E-

chos, aber die können auch von Planetoiden oder ähnlichem stammen.«

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Hayes’ Miene drückte nichts aus. Er schien

sich im unklaren darüber zu sein, was er von dieser ganzen mysteriösen Entwicklung zu halten hatte.

Schließlich gab er sich einen Ruck. »Bis zur Bahn des äußersten Planeten, Cu-

rie. Wir haben zu viele böse Überraschungen erlebt. Auf jeden Fall fahren wir unsere Schutzschirme hoch.«

Der Hantelraumer nahm Fahrt auf. Cara Doz manövrierte den Raumgiganten, als hätte sie nie etwas anderes getan.

Die vorläufige Warteposition war noch nicht erreicht, als Curie van Herling rief:

»Der siebte Planet!« »Was ist mit ihm?« fragte Hayes, in Ge-

danken schon mit der Abwehr einer neuen Bedrohung befaßt.

»Die Echos zeigen Raumschiffe oder Stati-onen im Orbit. Nur Anzeigen der Massetaster, keine Energieemissionen. Aber nach der Grö-ße zu urteilen, muß es sich um Schiffe han-deln. Es sind insgesamt ... acht. Und sie sind alle gleichgroß und gleichweit vom Planeten entfernt.«

Bevor sich irgend jemand in Spekulationen ergehen konnte, fuhr ein Schott auf. Sternfeu-er schritt an den Mitgliedern der Zentralenbe-satzung vorbei, den Blick nur auf den siebten Planeten gerichtet, der sich auf den Schirmen der optischen Fernerfassung als braungrün schimmernde Kugel zeigte.

Sie hob den rechten Arm und zeigte darauf. In dem Augenblick, in dem sie sprach, schrie Curie van Herling dazwischen.

»Ruhe, verdammt!« rief Hayes. »Zuerst Sternfeuer!«

»Ich habe Kontakt«, verkündete die Telepa-thin.

»Und ich habe verheerende Energieentfal-tungen auf den Monitoren!« schrie Curie wie-der. »Auf dem Planeten finden Explosionen nuklearen Ursprungs statt!«

»Auf dem Planeten«, sagte Sternfeuer, »be-findet sich Cpt’Carch.«

*

Für Sekunden herrschte ungläubiges

Schweigen in der Zentrale. Hayes blickte von der Mutantin zu Curie, dann wieder auf Stern-

feuer. »Sag das nochmal«, forderte er sie auf. »Carch ist auf dem Planeten und in Gefahr

– er oder das, was aus ihm geworden ist.« »Was soll das heißen?« Hayes pfiff durch

die Zähne. »Du willst sagen, er ist ... gebo-ren?«

»Ich weiß nur, daß ich ihn anders empfinde als bisher. Die Kernidentität ist vorhanden. Aber der Kontakt ist jetzt eingleisig. Carch ist kein direkter Telepath mehr.« Sternfeuer setz-te sich. »Breck, ich kann’s jetzt auch noch nicht besser erklären. Dafür wird mir etwas anderes klar. Federspiel muß eine geistige Verbindung mit Carch gehabt haben, als er mir die Koordinaten übermittelte. Vermutlich war er sich dessen selbst nicht bewußt. Aus früheren Kontakten weiß ich, daß er den Im-puls nie verlor, zu dem Carch geworden war.«

Jedem der Anwesenden waren die Umstän-de bekannt, unter denen der Cpt’Cpt vor rund zwei Wochen aus der SOL verschwunden war. Vorher hatte er Atlan noch wichtige In-formationen über Erfrin mitteilen können. Als reiner geistiger Impuls war er in Richtung Innenzone davongeeilt.

»Aber er ist wieder körperlich?« hakte Hayes nach.

»Er begreift sich so«, drückte Sternfeuer es vorsichtig aus. »Nicht mehr als Cpt’Carch. Das Wort hat eine andere Bedeutung als nur ein Name.«

»Hört zu«, sagte Curie van Herling. »Ich begreife nichts, aber ich weiß sicher, daß Carch, falls er wieder einen Körper hat, an diesem nicht lange Freude behalten wird. Es sei denn, wir werden uns endlich darüber klar, was wir tun wollen.«

»Ihm helfen, natürlich«, kam es spontan von Sternfeuer. Sie blickte sich um. »Oder ist jemand nicht dieser Meinung?«

Hayes seufzte. »Wir sind in erster Linie hier, um unsere

beiden Schiffe aufzunehmen.« »Ach, und wie, wenn wir nicht wissen, wo

sie stehen?« »Ich war eigentlich der Ansicht, daß du uns

das verraten kannst.« Hayes sagte es gereizt. Eine für jedermann

spürbare Spannung baute sich zwischen den Anwesenden auf.

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»Ich erreiche Federspiel und Bjo nicht«,

gab Sternfeuer zu. »Es kann an Carchs Nähe liegen oder andere Ursachen haben.«

»Ich bin auch der Meinung, daß wir nichts verlieren, wenn wir näher an den Planeten herangehen«, kam es von Lyta Kunduran.

»Was ist nun?« erkundigte sich Cara Doz. »Wir haben die Bahn des äußersten Planeten erreicht. Dringen wir weiter in das System ein oder nicht?«

»Weitere Explosionen!« rief Curie. »Breck, wenn wir noch lange warten, hat sich das Problem von selbst erledigt!«

»Ich ... begreife euch nicht!« fuhr Sternfeu-er auf. »Carch ist einer von uns! Habt ihr ver-gessen, was er alles für die SOL getan hat?«

Hayes stand auf, legte die Hände auf den Rücken und starrte die Schirme an.

»In Ordnung«, sagte er endlich. »Wir gehen bis auf eine halbe Million Kilometer an den Planeten heran.«

»Cpt«, murmelte Kolsch. Er grinste schwach, als er die überraschten Blicke auf sich gerichtet sah. »Carch sagte doch, daß er die Nähe seiner Heimatwelt spüre, und die heißt für ihn Cpt. Vielleicht haben wir sogar mehr Glück, als wir ahnten. Wenn es dort mehr von Carchs Sorte gibt, finden wir Ver-bündete.«

*

Die SOL stoppte in der von Hayes ange-

wiesenen Entfernung. Die über den Planeten einlaufenden Daten interessierten die Stabs-spezialisten weit weniger als die acht Raum-schiffe, die nun deutlich auf den Bildschirmen gezeichnet wurden.

»Sie haben alle die gleiche Form und Grö-ße«, stellte Curie fest. »Halbkugeln mit einem Basisdurchmesser von 280 Metern, Höhe 150 Meter. Sie sind gleichmäßig um Cpt verteilt und energetisch nach wie vor tot.«

»Die Bombardierung erfolgt also nicht von ihnen aus«, überlegte Kolsch. »Sie haben ihre Aufgabe anscheinend erfüllt.«

»Also Basisschiffe, deren Besatzungen auf der Oberfläche das Feuerwerk entfesseln.« Hayes sah fragend zu Sternfeuer hinüber, die die Augen geschlossen hielt.

»Carch wird stärker«, sagte sie. »Oder

mehr. Er nimmt den Kampf auf. Manchmal werden seine Impulse von denen anderer We-sen überlagert. Es gibt zwei intelligente Le-bensformen auf Cpt. Wartet! Jetzt kann ich die ersten klaren Gedankenbilder empfangen. Carch hat seine telepathische Begabung verlo-ren, verstärkt seine Gedanken aber so, daß ich daraus ...«

Sie stockte und sprang auf. Heftig gestiku-lierend rief sie:

»Auf dem ganzen Planeten sind lebende Bomben gelandet! Sie sprengen Löcher in die Oberfläche. Carch kann sie irgendwie hem-men, aber das reicht nicht! Breck, wir müssen landen!«

»Was heißt lebende Bomben? Du meinst ferngelenkte Geschosse.«

»Ich meine das, was ich sage! Breck, mit jedem Wort, das wir verlieren, sterben dort unten intelligente Wesen. Carch nennt sie Kalmorer und denkt von sich als Twoxl. Und jetzt hört auf zu fragen. Gib mir das Kom-mando über einen Kreuzer, Breck! Wer einem alten Freund helfen will, kommt mit mir!«

Sternfeuer war kreidebleich. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt. In ihren Augen brannte ein Feuer, das Hayes innerlich schau-dern ließ.

»Wir gehen mit fünf Schiffen hinunter«, entschied er. »Du suchst sie dir aus, Sternfeu-er. Ich sorge dafür, daß die Besatzungen noch vor dir im Hangar sind.«

Sie nickte dankbar. Kolsch und Lyta Kun-duran schlossen sich ihr spontan an.

Nur eine Viertelstunde später verließen fünf Leichte Kreuzer die SOL und sanken der Pla-netenatmosphäre entgegen. Sternfeuer kom-mandierte die CHAIL und führte den kleinen Verband.

»Ich habe Twoxl lokalisiert«, sagte sie has-tig, als Wajsto Kolsch sie anrief. »Er befindet sich in einer Siedlung dieser Kalmorer, viel-leicht zu unserem Glück.«

»Wieso Glück?« Sie breitete hilflos die Arme aus. »Seine Impulse schwanken sehr stark in ih-

rer Intensität. Manchmal verliere ich ihn für Sekunden. Ich weiß noch nicht, woran es liegt. Aber es hat mit den lebenden Bomben zu tun. Er ... hemmt sie, mehr kann ich nicht sagen.«

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»Mit anderen Worten, es kann passieren,

daß wir landen und ihn gar nicht als Carch erkennen, wenn er dann gerade verstummt ist?«

»Genau das, Wajsto. Wir wissen nichts ü-ber Twoxl. Seine Bilder von sich selbst sind noch zu sehr von seiner vorherigen Existenz geprägt, da vermischt sich vieles zu etwas völlig Unausforschbarem. Notfalls müssen die Kalmorer uns zu ihm bringen.«

Die Kreuzer drangen in die Atmosphäre ein. Die fremden Basisschiffe reagierten auch jetzt nicht auf sie.

Und unter ihnen tobte das Chaos.

Zwischenspiel Im Leuchtenden Auge saß Anti-Homunk vor

seinen Kommunikationssystemen und regist-rierte die Nachrichten, die ihm auf einer Spe-zialfrequenz von den Metaplasmaten-Schiffen übermittelt wurden. Im Grunde handelte es sich dabei nur um verstärkte Impulse der Mischkonstruktionen, wenn sie sich selbst zündeten.

Es war das letzte Aufgebot des Androiden im Kampf gegen die Vergeistigten, die ihm wie ein schmerzender Stachel im Fleisch sa-ßen. Es war gleichzeitig sein letztes verfügba-res Hilfsvolk – soweit man von einem Volk sprechen konnte. Die Metaplasmaten stellten eine teils technische, teils biologische Lebens-form dar. Die biologischen Komponenten waren vielfältiger Art, jedoch alle Ergebnis genetischer Züchtungen. Ihre einzige Da-seinsberechtigung bestand darin, als denken-de Zusätze die eigentlich wichtige Komponen-te zur Explosion zu bringen, den richtigen Ort und den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen.

Ob sie darunter litten, an die Bomben ge-fesselt zu sein, interessierte Anti-Homunk nicht. Sie konnten sich nicht befreien. Sie wußten das und hatten darüber hinaus eine Scheinüberzeugung eingeimpft bekommen, die ihnen vorgaukelte, Anti-Homunk würde ihnen nach dem Tod eine neue Existenz schenken.

Genau das gleiche hatte Zeepkörob ge-glaubt.

Anti-Homunks Gesicht verfinsterte sich, als er an den körperlosen Roboter dachte. Er hatte die Hoffnung nicht erfüllen können, den

Planeten Cpt zu zerstören. Zwar war Cpt’Carch wie erwartet zurückgekehrt und Zeepkörob hatte ihm durch die Abwehrzone der Vergeistigten folgen können. Aber er hatte sich überrumpeln lassen.

Das war um so bitterer, als sein Impuls nicht Anti-Homunk erreicht hatte, sondern direkt Anti-ES.

In seiner wachsenden Unsicherheit wertete der Androide es als ein Zeichen dafür, daß sein Herr an ihm vorbeiplante. Schlimmer noch: Anti-Homunk mußte die Möglichkeit ins Auge fassen, daß er als Helfer nicht mehr lange benötigt werden würde.

Dann aber hatte sich Anti-ES wieder ge-meldet. Die SOL war zwar wie erwartet in der Innenzone von Xiinx-Markant materialisiert, nicht aber dort, wo Anti-ES sie haben wollte – bei den anderen beiden Solaner-Schiffen. Mit ihnen sollte sie nach dem ursprünglichen Plan das Zentrum der Galaxis anfliegen und in solche Gefahren gebracht werden, daß jener mächtige Helfer endlich zum Eingreifen gezwungen würde.

Nur darauf wartete Anti-ES. Nur um ihn ging es ihm. Atlan und die SOL waren allen-falls zu Lockvögeln geworden.

Nicht für Anti-Homunk. Die Zeit, in der er den Gegner unterschätzt hatte, war vorbei. Zum erstenmal kam ihm das Leuchtende Auge fast wie ein Gefängnis vor.

Also sollte er froh über die jetzige Wendung sein, denn die bedeutete, daß sich der Schau-platz der Kämpfe von ihm fort in das System der Cpt’Cpts verlagerte.

Dort stand die SOL, und dorthin würden über kurz oder lang auch Atlans Schiffe auf-brechen. Anti-Homunk sah die unerwartete Chance, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

Anti-ES hatte ihm sehr eindringlich klar-gemacht, daß die Anwesenheit der SOL die Vergeistigten aus ihrer Lethargie wecken könnte. Deren wiedererstarkende Macht aber war das letzte, das Anti-Homunk nun gebrau-chen konnte.

Cpt mußte endgültig vernichtet werden. Die Metaplasmaten waren bereits dabei.

Anders als Zeepkörob hatten sie keinen »Füh-rer« benötigt, um die Schutzzone zu durch-brechen. Sie hatten sich bis zum Erreichen

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des Zieles in einer vollkommenen mentalen Starre befunden und waren erst dann erweckt worden, als die acht Basisschiffe sie abschos-sen. Die Vergeistigten konnten sie vielleicht jetzt als Eindringlinge erkennen – doch jetzt war es zu spät.

Die Metaplasmaten waren am Werk. Die Schächte für die Hyperbomben wuchsen schnell dem Planetenkern entgegen. Von Cpt würde nichts übrigbleiben – und die Vergeis-tigten würden in alle Winde verwehen, einmal ihres einzigen Fixpunktes beraubt.

Damit war die Innenzone vom letzten stö-renden Einfluß frei und Anti-Homunks Ziel erreicht.

Die Solaner, die zweifellos in die Kämpfe auf Cpt eingreifen würden, standen von vorn-herein auf verlorenem Posten. Jener, auf den Anti-ES wartete, mußte nun einfach erschei-nen.

Damit war Anti-ES am Ziel seiner Wün-sche.

Anti-Homunk konnte zufrieden sein. Der Sieg war schon so gut wie errungen. Alle vor-herigen Erfolge der Solaner bedeuteten nichts mehr.

Der Androide kam in seinem Siegesrausch nicht mehr auf den Gedanken, von seinem Herrn getäuscht worden zu sein, was ein Wiedererstarken der Cpt’Cpts anging.

Er verschwendete keine Überlegung daran, mit den Metaplasmaten sein letztes Hilfsvolk in den Einsatz geschickt zu haben ...

3.

Twoxl

Der neue Körper bot vieles nicht, das der

alte gegeben hatte. Im Grunde hatte Twoxl eine Handvoll Parafähigkeiten gegen eine einzige vertauscht.

Als Cpt’Kul konnte er Energien fast jeder Art neutralisieren. Er nahm sie in sich auf und absorbierte sie. Was über seine Kapazität hi-nausging, wurde in den Weltraum oder gar in den Hyperraum abgestrahlt. Die absorbierte Menge verwandelte sich um ihn herum zu schwarzer, schlackeförmiger Materie.

Eine Grenze hatte sich ihm dabei noch nicht gezeigt. Vielleicht aber war das schon

sehr rasch der Fall. Twoxl hätte liebend gern darauf verzichtet, das Schicksal herauszufor-dern. Nicht schon jetzt, wo er noch längst nicht ausreichend mit seinen Fähigkeiten ver-traut war.

Die lebenden Bomben ließen ihm jedoch keine Wahl.

Es hatte überall auf Cpt gleichzeitig begon-nen. Alle vier Komponenten, die die gelande-ten Objekte beobachteten, waren in die Gluten der plötzlichen Explosionen geraten. Alle vier hatten die Energieschauer verarbeiten können. Sie waren jetzt wieder zurück und fest mit Twoxl verbunden.

Nur für Clynth und Jatta war jede Hilfe zu spät gekommen.

Der Himmel glühte düsterrot. Dann und wann schossen hinter den Bergen Flammen-säulen in die Höhe, zerriß das Krachen der Detonationen das Summen.

Twoxl tat, was er unter den Umständen tun konnte. Seine Komponenten hatten die Ge-gend um die Siedlung herum abgesucht und Promk gesagt, wo lebende Bomben gelandet waren. Der Kalmorer mußte sich jetzt allein um seinen Stamm kümmern. Am Fluß stan-den Boote bereit, doch wohin sollten die Ein-geborenen fliehen?

Die Bomben waren überall verstreut. Twoxl war jetzt in der Talebene, in der Clynth und Jatta den Tod gefunden hatten, und wo sich eine besonders starke Massierung zeigte. Twoxl wußte nicht, was die Löcher im Boden bedeuteten, die sich bei jeder Sprengung ver-größerten und tiefer wurden. Er ahnte nur, daß die Fremden mit einem ganz bestimmten Ziel gekommen waren.

Und er mußte verhindern, daß sie es er-reichten.

Die Siebenheit schwebte dicht über den Kratern und nahm auf, was sie an Energien zu sich »herüberziehen« konnte. Wenigstens hatte Twoxl inzwischen ein gewisses System in den Selbstzündungen der lebenden Bomben erkannt. Sobald sich mehr als zehn von ihnen in einen Schacht fallen ließen, mußte er zur Stelle sein.

Aber es gab zu viele Stellen. Wieder hoben an die zwanzig Metallröhren

vom Boden ab, formierten sich und sanken in die Tiefe. Die Wesen, die mit ihren Oberkör-

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pern aus ihnen herauswuchsen, waren alle unterschiedlich. Nur eines schien zu gelten: die kleineren Bomben wurden zuerst gezün-det, dann immer größere – und die größten von allen schwebten in hundert Meter Höhe am Rand der Ebene.

Twoxl sah, wie die zwanzig am Grund des Kraters verharrten. Er war über ihnen, als die Explosion erfolgte. Blitzschnell nahm er die Vernichtungsgewalten auf, wandelte davon um, was er konnte, und strahlte den Rest in einem armdicken Strahl in den Himmel ab, wo die Atmosphäre zu brennen begann.

Schwarze Materieschlacke regnete in den Schacht, den die Sprengung nur um wenige Meter weiter in die Tiefe hatte treiben kön-nen. Ohne Twoxls Eingreifen wären es ver-mutlich Dutzende gewesen.

Doch schon näherten sich neue Bomben. Twoxl neutralisierte auch sie unmittelbar nach der Zündung.

Als er aus dem Krater schwebte, offenbarte sich ihm die ganze Sinnlosigkeit seines Tuns.

An drei Stellen zugleich senkten sich Bom-ben herab. Twoxl konnte eine Explosion ein-dämmen. An den anderen beiden Orten je-doch klafften Löcher in der Planetenkruste, über denen die Pilzwolken der Atomexplosio-nen strahlend in die Höhe stiegen.

Was war dringender – die Sprengung von Schächten in den Planeten zu behindern oder die Welt vor der totalen radioaktiven Verseu-chung zu schützen? Twoxl machte die Radio-aktivität in der Atmosphäre und an der Ober-fläche nichts aus. Die Kalmorer aber waren einem grausamen Schicksal preisgegeben.

Zu allem Überfluß spürte Twoxl, daß auch seine Kräfte nicht unerschöpflich waren. Er konnte die Springerei von einem Bombenpa-ket zum anderen nicht mehr viel länger durchhalten. Immer weniger Energien ver-mochte er zu neutralisieren.

Der Moment war abzusehen, an dem er gar nichts mehr ausrichtete.

Sei vernünftig! dachte Twoxl-5 an die Mehrheit. Wenn wir sterben, ist dadurch nichts gewonnen! Wir müssen uns zumindest regenerieren!

Weshalb greifen die Vergeistigten nicht ein! dachte Twoxl-2 verzweifelt. Es ist ihre Welt, die vernichtet wird!

Wir müssen versuchen, sie zu kontaktieren! Das Chaos in Twoxl stand dem um ihn her-

um kaum noch nach. Noch zwei-, dreimal konnte er Explosionen zwar nicht verhindern, ihnen aber ihre Wirkung nehmen. Dann kam er zur Einsicht, daß jede weitere Aktivität dem Selbstmord gleichkäme.

Er schwebte zur Siedlung zurück. Die Kal-morer hatten sich in ihren Steinhäusern auf den Boden gelegt. Kinder und Frauen wein-ten. Männer bissen sich vor Verzweiflung und Zorn die Lippen blutig.

Die Steinhäuser schützten sie jedoch nicht vor der Strahlung. Wenigstens das konnte der Cpt’Kul noch für sie tun: Er absorbierte die Radioaktivität im Bereich der Siedlung, in-dem er fünf Komponenten von sich abstieß. Er selbst (und damit war immer der Teil ge-meint, der aus den meisten aneinanderheften-den Komponenten bestand), schwebte zu Promk hinein und ließ sich zu Boden sinken.

»Ich kann es nicht schaffen«, sagte er nie-dergeschlagen. »Nicht allein.«

Promk richtete sich auf und sah an ihm vorbei auf die rote Glut über den Bergen.

»Dann war unsere Zukunft von kurzer Dauer.« Es war kein Vorwurf. Doch nie hatte Twoxl den Kalmorer mit solcher Bitternis sprechen gehört. »Wir glaubten, am Anfang einer neuen Zeit zu stehen! Twoxl, ich weiß nicht, ob ich die Männer noch am Kämpfen hindern will!«

Die nächsten Detonationen erschütterten das Land. Irgendwo stürzten Mauern ein.

Promk drehte sich um. Ohne Twoxl anzu-sehen, sagte er:

»Wir können dir keine Schuld geben, ob-wohl erst mit deiner Heimkehr als Cpt’Carch das Verderben begann. Du konntest nicht wis-sen, was du auslöstest. Du versuchst uns zu helfen. Es ist falscher Stolz von mir gewesen, die Gefahr allein abwenden zu wollen. Aber Twoxl – wo sind die, die mächtigen Cpt’Cpts! Wenn sie uns schützen, wie du sagst, warum greifen sie jetzt nicht ein!«

Noch vor rund fünfzig Jahren waren die Kalmorer Wilde gewesen. Ihre Intelligenz-steigerung hatte eingesetzt, nachdem der noch unbekannte Einfluß die höheren Formen da-hingerafft hatte.

Jetzt machte die von Promk gezeigte Tole-

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ranz Twoxl zusätzlich betroffen. Twoxl hätte sich gewünscht, daß Promk ihn beschimpft oder gar angegriffen hätte. Es wäre leichter zu ertragen gewesen.

Als er noch nach einer Antwort suchte, schwebte Twoxl-7 herein und ließ sich auf Promks Schulter nieder.

»Ich habe mir meine Gedanken gemacht«, verkündete er in seiner vorlauten Art, die jetzt so ganz und gar fehl am Platz war. »Wenn ich allein bin, geht das besser. Wir können nicht verhindern, daß die lebenden Bomben unsere Welt in Stücke sprengen, weil es zu viele sind. Aber wir könnten versuchen, eine von ihnen in unsere Gewalt zu bringen.«

Promk lachte rauh. »Damit sie mitten unter uns explodiert!« »Wir können das zur Not neutralisieren,

nicht wahr, Twoxl-Vater? Aber solange es nicht geschieht, können wir versuchen, eine Verständigung mit dem Wesen herbeizufüh-ren, das oben auf der Bombe sitzt.«

»Er hat recht«, gab Promk zögernd zu. »Es ist die einzige Hoffnung.«

»Vielleicht geht die Zündung vom Willen der Wesen aus«, sagte Sieben. »Das alles müssen wir wissen – was sie dazu treibt, sich selbst umzubringen.«

»Und du hast sicher schon eine Vorstellung davon, wie wir das genau anpacken!« schrillte es aus der Sprechmembrane einer der beiden Twoxl-Teile.

»Aber gewiß doch. Ich weiß, wo eine der ganz großen Bomben liegt. Ich kann euch führen.«

»Dann führe uns schnell!« sagte Promk. »Wir alle haben nichts mehr zu verlieren!«

Twoxl-7 schwebte dem Kalmorer voraus. Die Twoxl-Mehrheit aber zögerte noch.

Ich weiß, daß ich kein Gedankensender mehr bin! dachte er verzweifelt. Aber wenn du mich hören kannst, Ceemer, dann gib uns ein Zeichen! Und Atlan, Federspiel, Sternfeuer! Wo immer ihr seid! Wenn noch das geistige Band zwischen uns besteht, dann kommt schnell!

*

Ich bin ein Metaplasmat. Ich bin die Bombe

und der Metaplasmat – oder Torl und die

Bombe – oder Torl und der Metaplasmat. Die Bombe ist ich, oder ich bin die Bombe

oder ein Teil von ihr. Da war ein Hintergrundrauschen in ihm,

das er bisher nicht gekannt hatte. Ich werde den Sinn meines Lebens erfüllen.

Ich gehöre zu den Vollstreckern, die dann an die Reihe kommen, wenn die Vorbereiter ihre Arbeit getan haben.

Unser Meister hat uns das neue Leben ver-sprochen, wenn wir getan haben, wozu wir geschaffen sind. Ich muß mich nach dem neu-en Leben sehnen, denn was jetzt ist, ist kein Leben.

Da war ein Nachhall in ihm, ein Nachhall des Wortes »Leben«, so als ob es sich selb-ständig und figürlich machte.

Ich will es! Ich trage die Hyperbombe – ich bin einer

von fünfzehn. Ich bin die Hyperbombe. Da war eine Stimme in ihm, die fragte: Und

wer ist Torl? Torl ist ein Name. Es gab einmal einen Torl. Ja, es gab einen Torl. Er lebte ... anders. Er war keine Bombe. Er

war sterblich, ein Wesen, das sterben und damit erlöschen mußte.

Ich werde sterben und leben. Da war die sich drehende Gestalt in ihm,

ein Geschöpf dessen Leib nicht in der Mitte endete, sondern einen Unterkörper mit drei langen Beinen besaß. Und eine Faust schloß sich darum. Eine zweite Faust griff zu und riß den Körper in der Mitte entzwei.

Nein! Was schreit in mir? Was quält mich? Ich

bin ein Metaplasmat. Ich bin die Bombe und der Metaplasmat – oder Torl und die Bombe – oder Torl und der Metaplasmat.

Nein! Torl ist sterblich. Torl ist tot. Ich gestatte

ihm nicht, von den Toten aufzuerstehen und nach mir zu greifen!

Der Tod ist Leben. Er hat es versprochen. Ich will leben – leben, leben!

*

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Twoxl-7 führte die Kalmorer, siebzehn

Männer und drei Frauen. Twoxl-2-4-5-6 hat-ten eine neue Mehrheit gebildet und damit die anderen beiden Komponenten zu Weisungs-empfängern degradiert. Sollten die beiden nur weiter versuchen, Hilfe von dort herbeizuru-fen, von wo keine Hilfe zu erwarten war. Die gegenwärtige Mehrheit jedenfalls unterstützte Twoxl-Siebens Vorgehen und sorgte dafür, daß die Kalmorer auf ihren schnellen Reittie-ren in einem strahlungsfreien Korridor an ihr Ziel gelangten.

Die lebende Bombe stand an einem Hang des Hochgebirges, das die riesige Ebene am Fluß nach Norden hin abgrenzte. Die Kalmo-rer erweckten für einen Moment den An-schein, als wollten sie sie mit ihren primitiven Waffen angreifen. Ihr verzweifelter Zorn schreckte selbst Sieben. Doch Promk bewies, daß er nach wie vor über seine ungebrochene Überzeugungskraft verfügte.

»Werft die Netze über die Bombe!« befahl er.

Im nächsten Moment flogen die aus elasti-schem und fast unzerreißbarem Langgras ge-flochtenen Netze über den Oberkörper des Bombenwesens. Ein schriller Schrei ertönte, drei dünne Arme griffen in die Maschen und verfingen sich darin. Noch summte die Bom-be nicht, obwohl der Pilzhut schon zersprun-gen war.

»Zurück zur Siedlung!« schrie Promk und trieb sein Tier an.

Die an den einfachen Sattelknäufen befes-tigten Netze spannten sich. Mit einem Ruck wurde die Bombe aus dem Boden gezogen und davongeschleift.

Ich folge ihnen! sendete Twoxl-7 per Ver-einigungsimpuls an die anderen Komponen-ten. Es gab nur diese eine Art quasi-telepathischer Verständigung zwischen ihnen. War der Impuls positiv, hieß dies: »Nehmt mich auf!« War er negativ, bedeutete es: »Ich will jetzt nicht, laßt mich in Ruhe!«

Aus dem Grad seiner Stärke ließen sich Botschaften herauslesen. Die Twoxl-Viererheit akzeptierte Siebens Verlangen und schwebte davon, um die Umgebung der Sied-lung von explosionsnahen Bomben zu reini-gen. So entstand eine Insel inmitten des ra-dioaktiven Chaos.

Außerhalb der von Twoxl beschützten Siedlung gab es so gut wie kein Leben mehr. Die Vergeistigten griffen nicht ein. Und über-all wuchsen die Schächte durch die äußere Kruste dem Planeteninneren entgegen – fast schon bereit für die Hyperbomben, die von Cpt bestenfalls kosmischem Staub übriglassen würden.

Twoxl-7 gestattete sich einen Abstecher in die Kraterebene. Glutflüssiges Magma spru-delte aus der Tiefe und überschwemmte das Land.

Immer größere Bombenwesen senkten sich hinein. Ihre Explosionen ließen die Lava in mächtigen Fontänen hochschießen und in weitem Umkreis auf die Berge niederregnen.

Schaudernd zog die Komponente sich zu-rück.

Sie hatte die Kalmorer noch nicht wieder erreicht, als sie die Lichter am blutroten Fir-mament sah, neue funkelnde Sterne, die sehr schnell größer wurden und an Höhe verloren.

Siebens erster Gedanke war, daß er den An-fang einer neuen Welle von lebenden Bomben erlebte.

Dann plötzlich hatte er es sehr eilig, zur Siedlung zu kommen und eine Mehrheit zu bilden. Er wollte derjenige sein, der den ande-ren die Sensation mitteilte.

Aus der Cpt’Carch-Erinnerung wußte er, was sich da auf Cpt herabsenkte. Und es konnte die Rettung sein.

Er überholte die Kalmorer in rasendem Flug. Was er ihnen zuschrie, verstanden sie nicht. Dafür reagierten die beiden Komponen-ten in der Siedlung um so heftiger, als er in sie hineinbrach.

Es sind Schiffe der Solaner! Die SOL ist gekommen!

Die neugebildete Dreiereinheit schwebte aus dem Steinhaus, gerade rechtzeitig, um den ersten Kreuzer landen zu sehen.

Unter anderen Umständen hätte Twoxl-7 seinen Triumph genossen. Jetzt aber konnte er nur an eines denken.

Sternfeuer befand sich an Bord des Schif-fes, dessen Hangartore sich öffneten und Pulks von den kleinen pfeilförmigen Beiboo-ten ausspien.

Es war keine Telepathie nötig, um die Nähe der Mutantin zu spüren. Zwischen Twoxl und

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ihr spannte sich ein unzerreißbares Band – denn sie war es, der Cpt’Carch seine Existenz verdankt hatte.

Nur wußte sie noch nichts davon. Und wenn die Waffen der solanischen Schiffe die lebenden Bomben nicht vernichten konnten, würde sie es auch nie erfahren – zumindest nicht lange genug leben, um die Erkenntnis entsprechend zu würdigen.

*

Sternfeuer hatte nicht Sinne genug, um al-

les das auf einmal zu erfassen, was auf der Ebene am Fluß vorging. Jetzt, als ihre vor-dringliche Aufgabe erfüllt war, schaltete sich in einem Einverständnis, das vielleicht nur unter Frauen möglich war, Henny Lupino für sie ein. Sie kommandierte die NAMENLOS, ein Schiffsname, der entweder von Einfalls-armut oder von Bezügen zu Atlans inzwi-schen bekannten Erlebnissen in der Namenlo-sen Zone zeugte. Auf jeden Fall hatte Henny es sich nicht nehmen lassen, einen der fünf Kreuzer zu führen. Was ihre Beziehung zu Wajsto Kolsch dazu beitrug, blieb der Phanta-sie der Eingeweihten überlassen.

Henny übernahm das Kommando über die Schiffe. Sie veranlaßte die Ausschleusung der Moskito- und Space-Jets. Mikrosonden waren bereits in der Atmosphäre ausgeschickt wor-den, um ein umfassendes Bild der Gescheh-nisse auf Cpt zu liefern. Sie lenkten die robo-tisch gesteuerten Boote zu ihren jeweiligen Zielpunkten – und das war überall dort, wo die Atompilze in die Höhe wuchsen. Die Männer und Frauen in den Feuerleitständen der Kreuzer warteten auf Befehle. Alles an Bord der CHAIL hielt den Atem an, als die ersten klaren Bilder übertragen wurden – und das gleich von mehreren Stellen.

Mit den vier anderen Schiffen bestand eine stetige Rundum-Verbindung. Es war Lyta Kunduran, die zuerst Worte fand:

»Aber das sind lebende Wesen, die auf den Bombenzylindern sitzen und mit ihnen explo-dieren! Sagt mir, daß es nicht wahr ist!«

Sternfeuer sah die Kreaturen und wie einige sich formierten und in einem der glühenden Krater verschwanden. Die gleich darauf fol-gende Explosion sagte mehr als jedes Wort

der Entgegnung. »O mein Gott!« entfuhr es Kolsch. Sternfeuer schüttelte sich. Aber etwas lenk-

te sie von dem grausigen Anblick ab. Ein Schirm zeigte die Siedlung am Fluß, ein ande-rer eine Gruppe berittener Eingeborener, die erstaunlich menschenähnlich waren und etwas in einem Netz hinter sich her schleiften.

Die Impulse, die in diesem Moment wichti-ger für sie waren als alles andere, kamen von näher her. Sternfeuer richtete eine Optik dort-hin aus, wo sie die Quelle vermutete.

Sie sah drei kleine und unförmige Klum-pen, die sie im ersten Moment an Riesenkar-toffeln erinnerten.

Als sie sich noch weigerte, die Wahrheit zu akzeptieren, schwebten vier weitere heran und verbanden sich mit den dreien zu einer Trau-be.

Die Klumpen dachten intensiv ihren Na-men. Die Telepathin hörte unbändige Freude aus den Impulsen heraus, aber auch Verzweif-lung und Angst, die Solaner könnten zu spät gekommen sein.

»Twoxl«, murmelte sie. Dann schrie sie es laut in die Zentrale. »Das ist Twoxl! Wajsto, Lyta, Henny! Ich schalte euch Carch auf die Schirme!«

Für Sekunden sagte niemand etwas. Stern-feuer empfing jetzt pure Angst von dort drau-ßen, wo die Klumpen dicht vor der Schiffs-hülle schwebten – Angst, die Solaner könnten sie nicht mehr als Carch erkennen.

»Das halte ich nicht aus!« stöhnte Kolsch. »Sternfeuer, nach Witzen ist mir jetzt nicht zumute!«

Wie zur Antwort trennten sich die Klumpen und bildeten neue Konfigurationen. Das ge-schah fünfmal – und immer bildeten sie die Buchstaben: C-A-R-C-H.

»Er ist es!« rief Lyta. »Wir müssen uns mit ihm verständigen. Wir können nicht einfach jetzt wahllos auf diese Bombenaufsitzer feu-ern.«

»Wir würden ihren Tod nur vorwegneh-men«, sagte Kolsch.

»Aber damit nur das erreichen, was sie selbst tun. Twoxl kann uns möglicherweise wertvolle Hinweise geben. Vielleicht reicht es, die Wesen zu paralysieren. Genausogut können wir das Gegenteil bewirken. Wir wis-

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sen zu wenig.«

»Ich öffne eine Luke für ihn«, entschloß sich Sternfeuer. »Henny. Du meldest zur SOL, was wir hier beobachten. Es wird noch nichts gegen die Bombenwesen unternom-men. Alles, was wir tun können, ist Schirm-feldprojektoren auszuschleusen und so we-nigstens die Siedlung der Eingeborenen zu schützen.«

»Ich kümmere mich sofort darum«, ver-sprach Lyta. »Der berittene Trupp hat die Häuser übrigens erreicht. Ich glaube, sie ha-ben eine der Bomben in ihrem Netz.«

*

Sternfeuer betrat den kleinen Hangar mit

gemischten Gefühlen. Sie trug einen leichten Raumanzug, denn die Atmosphäre Cpts war für Menschen nur begrenzt atembar. Es gab zu wenig Sauerstoff und eine Reihe schädli-cher Spurenelemente – von der Radioaktivität einmal ganz abgesehen.

Die Mutantin versuchte unbewußt weiter, endlich etwas von Federspiel oder Bjo Breiskoll aufzufangen. Über größere Distan-zen hinweg schien in der Innenzone von Xiinx-Markant kein Funkverkehr möglich. An einen vielleicht näherliegenden Grund für das Schweigen der FARTULOON und der CHYBRAIN wollte Sternfeuer nicht denken.

Sie hätte sich gewünscht, von ihrem Zwil-lingsbruder mehr über dessen Kontakt mit Carch zu erfahren – vor allem nach Carchs Verwandlung. Jede Kleinigkeit konnte jetzt wichtig sein.

Er schwebte vor ihr in der Mitte des leeren Hangars. Das Schleusenschott stand noch offen.

Sie blieb wenige Meter vor ihm stehen, suchte nach ersten Worten und verwarf alles, was ihr in den Sinn kam.

Da war es Twoxl, der den Bann brach. Ei-ner der Klumpen löste sich aus dem Verbund und schwebte zu ihr heran. Nur einen halben Meter vor ihrem Gesicht begann er an einer Stelle zu leuchten. Die kaum erkennbare Sprechmembrane formte ein Wort:

»Sternfeuer!« Der Tonfall verwirrte sie noch mehr als die

ungewohnte Stimme. Es lag etwas darin, das

sie auch schon aus den Bewußtseinsausstrah-lungen Twoxls herauszulesen geglaubt hatte. Und es war mehr als ein Glücksgefühl, mehr als die Wiedersehensfreude mit dem Men-schen, mit dem Carch einmal Oggars Bewußt-seinspartner gewesen war.

Geborgenheit, Hoffnung und ... Es war absolut lächerlich, doch für einen

Moment hatte die Telepathin den Eindruck, eine Liebeserklärung gemacht zu bekommen.

Ich muß etwas tun! dachte sie. Und wieder war es ihr seltsames Gegen-

über, das ihr zuvorkam. Plötzlich teilte sich die Sechsertraube, und alle sieben Kompo-nenten umschwirrten Sternfeuer wie Elektro-nen einen Atomkern. Alle sieben riefen laut ihren Namen.

»Es ist gut!« sagte sie heftig. »Ich weiß, daß du Carch bist – oder Twoxl. Ich freue mich auch, aber feiern können wir später!«

Die Klumpen sanken zu Boden und verein-ten sich wieder.

»Sternfeuer!« Die Stimme war nun traurig und leise. »Du mußt uns helfen. Ich glaubte nicht mehr an eine Rettung, und vielleicht ist es dazu auch schon zu spät. Warum kommt ihr nicht mit der SOL?«

»Sie wartet im Weltraum und beobachtet die Basisschiffe. Sie kann auch nicht mehr tun als wir.«

Twoxl stieg in die Höhe und schwebte zum Schott.

»Komm!« schrillte er. »Komm mit mir in die Siedlung. Die Kalmorer sind meine und auch eure Freunde. Sie haben eine der Bom-ben gefangen.«

Sternfeuer zögerte. »Sie muß uns verraten, weshalb sie hier

sind und wie wir sie ausschalten können!« Die Solanerin gab sich einen Ruck. Mit

konventionellen Mitteln war dem Gegner nicht beizukommen. Die Wesen zu töten, hieß wahrscheinlich, die Bomben zu zünden.

Sie gab sich einen Ruck, verständigte über ihren Armbandminikom Henny Lupino und nahm ein Mikro-Flugaggregat von der Wand. Zusätzlich steckte sie sich einen Translator ein.

Twoxl wartete ungeduldig, bis sie bei ihm war. Zusammen schwebten sie aus dem Han-gar.

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4.

Die Metaplasmaten

Sternfeuer war vorsichtig genug, sich nicht

auf Twoxls Versicherungen und die Friedfer-tigkeit der Kalmorer zu verlassen. Jetzt bei näherem Hinsehen erinnerten sie sie an Men-schenaffen, gedrungen, mit sehr langen Ar-men und kurzen Beinen.

Sie hielt den entsicherten Kombistrahler in der rechten Hand, als sie Twoxl in das primi-tive Steinhaus folgte. Ein Blick auf die Me-ßanzeigen verriet ihr eine überraschend nied-rige Radioaktivität. Twoxl hatte damit zu tun, soviel wußte sie. Aber es war schwer, in ihn einzudringen. Nur sehr langsam gewannen seine Gedankenbilder weiter an Klarheit.

Der Bombenzylinder mit dem Wesen dar-auf lag zwischen drei Kalmorern am Boden des einzigen Raumes. Die Eingeborenen war-fen der Mutantin scheue Blicke zu. Dann und wann gaben sie ein Knurren von sich. Erst als Twoxl einige wohl einschüchternd gemeinte Bewegungen machte, schwiegen sie.

Das Oberkörperwesen starrte sie aus zwei geschlitzten Augen in einem fast viereckigen Kopf an. Die drei dünnen Arme waren ge-streckt, so als wollte das Wesen sich und die Bombe in die Höhe stemmen.

»Die Kalmorer sollen reden, damit ich den Translator benutzen kann, Twoxl«, bat Stern-feuer die Siebenheit.

Twoxl leitete die Aufforderung in einer fremden Sprache weiter. Als der Translator genügend Sprachbrocken aufgefangen hatte, um analysieren und übersetzen zu können, wandte sich Sternfeuer direkt an die Eingebo-renen.

»Wir sind Freunde von Twoxl«, sagte sie. »Um euren Planeten retten zu können, benöti-gen wir eure Hilfe.« Sie deutete auf die Bom-be. »Habt ihr keine Angst, daß sie hier in die Luft geht?«

Twoxl antwortete: »Sie gehört zu den größten, Sternfeuer. Ich

habe gesehen, daß immer zuerst die kleinen explodieren, danach die nächstgrößeren. Die-se hier ist noch nicht an der Reihe.«

»Du hast es beobachtet?« »Sicher. Ich kann mich in den freigesetzten

Energien bewegen und sie neutralisieren – jedenfalls innerhalb räumlicher Grenzen.«

Das erklärte schon einiges, obwohl es recht phantastisch klang. Sternfeuer tröstete sich damit, daß eigentlich noch nie jemand aus Carch schlau geworden war. Weshalb sollte es mit dem »Geborenen« anders sein?

»Das Wesen starrt uns an. Ich habe das Ge-fühl, daß es genau weiß, worüber wir reden. Allerdings kann ich von ihm überhaupt keine Gedanken empfangen. Es muß sprechen, sonst nützt mir der Translator überhaupt nichts.«

Einer der Kalmorer trat an die Bombe heran und versetzte ihr einen Tritt. Für einen Mo-ment glaubte Sternfeuer, das Herz müßte ihr stehenbleiben.

»Sprechen!« schrie der Eingeborene das Bombenwesen an. »Du sollst reden, hast du gehört!«

Ein schriller Schrei war die ganze Antwort. »Mach deinen Freunden klar, daß sie sich

zurückhalten sollen, Twoxl!« schimpfte Sternfeuer. »Verdammt, dieses Ding ist kein Spielzeug!«

Der Schreck saß ihr noch in den Gliedern, als sie vor dem Wesen in die Hocke ging und begann, Zeichen zu machen. Sie berührte zu-erst ihre Lippen, dann den ebenfalls schlitz-förmigen Mund des Fremden, schließlich das Gerät auf ihrer Brust.

Das Wesen schwieg. »Es versteht alles«, murmelte Sternfeuer.

»Ich weiß es ganz einfach.« »Es darf sich noch nicht zünden«, kam es

von Twoxl. »Ich bin mir ziemlich sicher, daß es tatsächlich warten muß, bis alle kleineren Bomben detoniert sind.«

Und dies geschah in ununterbrochener Fol-ge. Sternfeuer registrierte die fernen Explosi-onen kaum noch. Mit der Zeit wurde auch das größte Chaos vertraut.

»Worauf willst du hinaus, Twoxl?« Sie wußte es schon. Ihr blieb keine andere

Wahl. »Es kann passieren, daß wir diese Minute

nicht überleben, Twoxl, aber unsere einzige Chance besteht darin, das Geschöpf in Panik zu versetzen. Wenn es noch nicht explodieren darf, muß es sich schützen.«

Sie überlegte nicht lange und packte zu. Ih-

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re Hände schlossen sich um den großen Zy-linder und richteten ihn auf. Die Augen des Wesens wurden weit. Sternfeuer rüttelte an der Bombe, wagte nicht zu atmen, aber rüttel-te immer heftiger.

»Es hat Angst«, sagte Twoxl erregt. »Furchtbare Angst, aber es macht den Mund nicht auf. Was sollen wir denn noch tun?«

»Das.« Die Solanerin stand auf, trat zurück und

richtete den Strahler auf eine Wand. Das We-sen beobachtete sie. Sie jagte einen gebündel-ten Energiestrahl in die Steinmauer. Die Kal-morer schrien auf und flüchteten entsetzt aus der Behausung.

Sternfeuer kümmerte sich nicht um sie. Sie zielte auf den Zylinder und sagte laut:

»Nun paß auf, Bombe. Wir haben nichts zu verlieren. Ob ihr uns jetzt mit dem Planeten vernichtet oder erst später, kann uns also gleich sein. Ich schieße jetzt.«

Das Wesen schrie. Sternfeuer war ent-schlossen, das grausame Spiel zu Ende zu führen. Ihre Hand zitterte, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Langsam führte sie den Finger an den Auslöser ihrer Waffe.

Da endlich verwandelte sich das Geschrei in Worte. Sie klangen absolut fremdartig, doch der Translator speicherte sie. Sternfeuers Hand sank erst herab, als die rote Markierung ihr anzeigte, daß die Analyse beendet war.

»Du verstehst mich jetzt«, sagte sie mit der ganzen Ruhe, die sie noch aufbringen konnte. »Andersherum verstehen wir, was du sagst. Ich habe nicht gespaßt, Bombe. Entweder du sagst uns, warum ihr hier seid und wer euch geschickt hat, oder ich schwöre dir, du gehst vor deiner Zeit hoch.«

»Ihr dürft es nicht tun!« sprudelte es aus dem Translator.

»So! Und warum nicht?« »Ich darf nicht versagen! Wenn ich mich

jetzt zünde, gefährde ich den Plan! Ich muß ... warten. Ich bin die Hyperbombe!«

Hyperbombe! hallte es in Sternfeuers Be-wußtsein nach.

Es fiel ihr nicht schwer, sich auszumalen, was damit gemeint war. Die kleineren Bom-ben rissen nur Löcher in die Planetenkruste. Sie schufen Schächte für solche wie diese hier.

Cpt war nicht verloren, solange sie noch ih-re Arbeit taten. Aber mit jeder Bombe starb ein intelligentes Geschöpf.

»Wer bist du?« fragte die Mutantin, nach-dem sie dafür gesorgt hatte, daß jeder in den Schiffen mithörte. »Ich meine, was bist du außer der Bombe?«

»Ich bin die Bombe«, sagte das Wesen. »Ich bin ein Metaplasmat. Ich bin Torl. Torl und die Bombe. Der Metaplasmat.«

Sie mußte gegen ihre Bestürzung ankämp-fen. So reagierte kein Geschöpf, dem der Tod gleichgültig war.

»Willst du denn sterben, Torl?« fragte sie schnell.

»Ich muß sterben, um zu leben. Ihr könnt mich nicht daran hindern.«

»Kannst du dich nicht ablösen?« »Ich bin ein Metaplasmat. Mein Körper ist

Torl und die Hyperbombe! Gefährde mein Leben nicht!«

»Aber nicht ich bringe dich doch um, son-dern du selbst!«

»Ich werde mich zur rechten Zeit zünden, ja! Aber er schenkt mir ein neues, besseres Leben dafür!«

»Wer?« »Der, der uns geschickt hat!« »Wer?« schrie Sternfeuer. Sie ertrug die

Spannung nicht mehr. »Anti-Homunk! Er hat uns geschaffen!« Für Augenblicke herrschte fast vollkom-

mene Stille. Nur das ferne Grollen der reißen-den Planetenkruste und die Explosionen wa-ren zu hören.

Dann sagte Twoxl: »Ich bin kein Gedankenleser mehr, Stern-

feuer. Aber ich fühle, daß er lügt. Er will le-ben – und zwar als Torl.«

»Torl ist sterblich! Es gibt ihn nicht mehr! Anti-Homunk hat mich verwandelt und zur Bombe gemacht. Ich kann mich nicht von ihr lösen. Es würde die vorzeitige Explosion her-beiführen. Mein Leib ist so mit dem Zündme-chanismus verbunden, daß nichts ihn heraus-lösen kann. Da! Seht her!«

Der Bombenzylinder wurde transparent. Sternfeuer erkannte in ihm neben vielerlei technischem Mikrogerät und der Zündmasse die drei feinen Stränge, die aus dem Oberleib wuchsen und in die Schalteinheiten der Bom-

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ATLAN 120 – Die Abenteuer der SOL

be mündeten.

Es waren vielleicht einmal Beine gewesen. Sternfeuer stand kurz vor dem Erbrechen.

Sie wandte sich ab und lief aus dem Haus. »Ich will nicht sterben!« schrie es ihr hin-

terher. »Ich will wieder Torl sein! Habt ihr größere Macht als Anti-Homunk?«

*

Twoxl schwebte neben Sternfeuer in der

Zentrale der CHAIL. Sie hatte sich einiger-maßen vom Schock erholt. Die Gesichter auf den Bildschirmen verrieten, daß die anderen Schiffsführer nicht mehr bereit waren, noch länger untätig zu warten.

Die Spionsonden zeigten einen von blutro-ten Narben überzogenen Planeten. Überall wälzten sich Magmaströme in die Täler, wur-den Kraterschächte immer tiefer in die Kruste getrieben. Berge stürzten ein, neue Vulkane bildeten sich auch ohne direkte Bombenein-wirkung.

»Ihr habt alles mitangehört«, sagte Stern-feuer hart. »Ich glaube Torl jedes Wort. Töten wir die Metaplasmaten, explodieren ihre Bombenbestandteile. Wir können es jetzt wirklich nur noch mit Paralysieren versu-chen.«

»Du bist noch zu mitgenommen, Sternfeu-er«, sagte Henny Lupino. »Laß mich das ü-bernehmen. Du gehst davon aus, daß die Zün-dung zu einem Zeitpunkt von den Metaplas-maten selbst ausgelöst wird, den sie bestim-men – nach diesem seltsamen System. Und würden sie sterben, geschähe das gleiche. Nicht geistig gesteuert, sondern möglicher-weise durch ... Kontraktion der Verbindungs-gliedmaßen.«

»Verbindungsgliedmaßen ist gut«, meinte Lyta Kunduran. »Nach dem, was Sternfeuer beobachtete, muß es einen fast fließenden Übergang zwischen organischer und techni-scher Bombenkomponente geben.«

»Meinetwegen. Die Zündung erfolgt jeden-falls durch geistigen Impulsfluß oder körper-liche Aktion der Wesen. Stirbt eines von ih-nen, hört der Impulsfluß auf. Paralysieren wir sie aber nur, besteht er zumindest in schwä-cherer Form weiter.«

»Es kann sein«, sagte Sternfeuer. »Das al-

les kann sein und auch nicht.« »Wir finden es heraus!« verkündete Henny.

Sie warf das lange schwarze Haar in den Na-cken und lächelte. »Ich fliege mit einer Space-Jet und drei Mann in diese Ebene, in der es am schlimmsten aussieht. Den Versuch hier mit Torl zu machen, wäre viel zu riskant.«

»Riskant!« Wajsto Kolsch lachte grimmig. »Sie sagt, es sei riskant! Und wie bezeichnest du deinen Selbstmordversuch, Henny Lupino? Kommt gar nicht in Frage, daß du gehst. Ich werde fliegen!«

»Mach dich nicht lächerlich, Wajsto. Ich werde zurück sein, bevor du in Jammer ver-sinkst.«

Sie schaltete sich aus der Rundum-Verbindung aus. Kolsch wurde puterrot im Gesicht. Seine Flüche vermischten sich mit dem einsetzenden Rumpeln, als der Boden unter den Schiffen sich hob und senkte.

»Was bist du für ein Narr, Wajsto«, hielt Sternfeuer ihm entgegen, als er sich endlich beruhigt hatte. »Warum sagst du ihr nicht auf andere Art, daß du in sie verschossen bist? Oder fliegst ganz einfach mit ihr?«

Er starrte sie vom Bildschirm an, als sähe er einen Geist. Dann verschwand sein Gesicht.

»Er hat große Probleme«, schrillte es aus Twoxl. So etwas wie ein Seufzen folgte. »Und ich auch. Aber jetzt begleite ich Henny zuerst. Sie wird mich brauchen.«

Er schwebte aus der Zentrale. Sternfeuer schaltete ihm den Weg ins Freie und wunderte sich über seine merkwürdigen Andeutungen.

»Alles Unsinn!« redete sie sich ein. Nur Lyta Kunduran war noch zugeschaltet.

Die beiden Frauen verabredeten, daß Lyta die Space-Jet beobachten und den Kontakt zur SOL halten sollte, während Sternfeuer noch einmal versuchen wollte, etwas mehr von Torl zu erfahren.

Sie sah noch, wie Twoxl davonschwebte und sich teilte. Nur zwei Klumpen blieben zusammen. Die anderen stoben in alle Rich-tungen davon.

Gleichzeitig wurden seine Impulse schwä-cher. Und in das, was die Telepathin jetzt nur noch undeutlich von ihm empfing, mischte sich etwas anderes.

Fast hätte sie vor Erleichterung laut aufge-schrien.

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Das war Federspiel – sehr schwach noch.

Aber der Kontakt zum Zwillingsbruder baute sich auf. Entweder verschwand der störende Einfluß – der nicht nur in Twoxl gelegen ha-ben konnte –, oder Atlan näherte sich mit sei-nen Schiffen.

Sternfeuer ahnte, daß bald jede zusätzliche Hilfe gebraucht werden würde.

Hier war sie machtlos, wenn kein Wunder geschah und Hennys Unternehmen einen Er-folg brachte.

*

Die Space-Jet jagte in geringer Höhe über

die Bergketten dahin, die die »Bohrstelle« umschlossen. Henny wußte nicht, wer den Begriff für die Ebene geprägt hatte. Er war plötzlich aufgetaucht und nun jedem geläufig.

Von der Planetenoberfläche in ihrer ur-sprünglichen Form war kilometerweit nichts mehr zu sehen. Riesige Felsenhänge waren in die Ebene abgesunken und lagen im Magma. Der Himmel strahlte orangerot. Hin und wie-der blitzte es am Horizont, und Atompilze stiegen auf. Alles in allem gesehen, hatte die Häufigkeit der letzten Explosionen jedoch in den letzten Minuten erheblich nachgelassen. Wo die kleineren Bomben noch detonierten, entstanden die letzten Schächte. Henny schätzte ihre Zahl auf mehr als fünfzig.

Allein in der Bohrstelle gab es fünf. Dabei zeigte es sich, wie planvoll die Metaplasma-ten vorgingen. Sie sprengten Ablaufkanäle in die Berge, so daß das Magma abfließen konn-te und nicht die Schächte verstopfte. Was be-reits in sie eingedrungen war, wurde bei den Explosionen zum großen Teil wieder heraus-geschleudert.

»Ich habe das Gefühl, die Metaplasmaten warten tatsächlich auf etwas«, meinte Glenn Vavner, Hennys Pilot. Er war Halbbuhrlo. Die wie eine längliche Qualle aussehende Buhrlo-narbe bedeckte seine gesamte linke Hinter-kopfhälfte. Die beiden anderen Männer an Bord waren Teshing Butt und Ögas Terfling, beides ehemalige Pyrriden.

»Anzunehmen, nach dem, was Torl sagte. Aber worauf? Sie könnten den Planeten jetzt auseinanderbrechen. Niemand könnte es ver-hindern. Es ist ein Wunder, daß er überhaupt

noch in einem Stück ist. Der Bereich um die Kalmorer-Siedlung ist das einzige Gebiet, das bisher verschont blieb, was bestimmt nicht an der Menschenfreundlichkeit der Bomben liegt.«

Mit Sicherheit, dachte Henny dabei, wird es nie wieder Leben auf Cpt geben.

Sie schlug wütend mit der Faust auf ihr Pult.

»Reden wir nicht länger. Glenn, dort auf dem umgekippten Berg scheinen sich wieder Metaplasmaten zu sammeln. Wir nehmen sie uns vor.«

Vavner bestätigte und ließ das Boot Kurs auf die bezeichnete Stelle nehmen. Henny warf einen Blick auf die Belastungsanzeigen der Schutzschirme, die die Jet wie eine flam-mende Aureole einhüllten. Noch bestand für sie keine Gefahr.

»Wir gehen auf eintausend Meter Höhe, Glenn.«

»Da ist einer von diesen Klumpen!« rief Terfling überrascht aus. »Aber das gibt es doch nicht! Er ... kommt durch die Schirme zu uns!«

Und war wieder verschwunden, bevor Henny ihn überhaupt richtig sehen konnte.

»Ich nehme an, das sollte wohl ... eine De-monstration sein. Sternfeuer erwähnte ja et-was in dieser Richtung.«

»Höhe erreicht, Henny!« meldete Vavner. Sie zog die Brauen zusammen und strich

sich Haarsträhnen aus der Stirn. »In Ordnung. Du bist soweit, Teshing?

Dann sieh zu, daß du alle Metaplasmaten auf einmal paralysierst. Jetzt!«

Durch das Wabern der Schirme waren die Bomben nur schlecht zu erkennen. Vavner hielt sich bereit, die Jet augenblicklich aus der Gefahrenzone zu bringen, falls es zur Explo-sion kam.

Der gefächerte Strahl aus dem Paralysege-schütz erfaßte die Metaplasmaten, ausnahms-los Exemplare schon größeren Kalibers, und hüllte sie für Augenblicke ein.

Dann schien die Welt im Chaos entfesselter Urgewalten unterzugehen. Vavner reagierte schnell, doch auch der beste Pilot mit dem besten Schiff hätte keine Chance gegen die Explosionen gehabt. Innerhalb von Sekun-denbruchteilen waren die Schutzschirme auf

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das Doppelte belastet. Das Schiff wurde wie ein Blatt im Orkan hin und her geschüttelt. Bersten, Krachen und Knistern überlagerte die Entsetzensschreie der Solaner. Henny hatte die Hände vor die Augen gepreßt, doch selbst das milderte die furchtbare Helligkeit nicht. Als sie mit ihrem Leben abschloß, war plötz-lich Stille.

Es dauerte eine Weile, bis sie es wagte, die Hände herunterzunehmen. Ihre Begleiter re-deten wirr durcheinander, und auch sie zwei-felte an ihrem Verstand.

Dort, wo die Metaplasmaten sich gezündet hatten, klaffte ein neuer Krater. Aber die Exp-losion schien nie stattgefunden zu haben. Kein Pilz stieg in den Himmel, keine Glut zerfraß die Atmosphäre, nur ...

»Da ist er wieder!« entfuhr es der Solane-rin. »Dieser Twoxl! Soweit ich sehen kann, sind alle sieben Teile beisammen. Und er strahlt etwas in den Weltraum ab!«

Noch als sie es sagte, erlosch die Energie-bahn. Von Twoxl schien etwas Schwarzes abzufallen, das in weitem Umkreis auf den Kraterboden nieder regnete.

»Ich habe viel von Carch gehört«, flüsterte Terfling, »obwohl ich ihm nie auf der SOL begegnete. Aber was soll man jetzt davon halten!«

»Achtung!« rief Vavner. »Er kommt!« Twoxl näherte sich der Space-Jet bis auf

wenige Dutzend Meter. »Ich glaube, er will uns etwas sagen«, kam

es von Butt. »Wir sollen ihm folgen.« Henny erriet es mehr, als sie es glaubte. Twoxl entfernte sich wieder. »Was haben wir zu verlieren. Gib unseren

Mißerfolg an die CHAIL durch, Teshing. Du fliegst hinter ihm her, Glenn.«

Twoxl führte sie über einen Gebirgskamm von der Ebene fort. Nach etwa dreißig Kilo-metern verlangsamte er über einem Tal, in dem zehn Metaplasmaten standen. Hier gab es noch keine Krater, doch der Boden war in Bewegung. Risse klafften auf, und die Kruste schob sich gegeneinander. Giftige Schwefel-dämpfe stiegen in die Höhe.

»Was will er nur?« wunderte sich Henny. »Das gleiche nochmal?«

Twoxl ließ sich etwas aufwärts schweben,

dann wieder herab. Das wiederholte er einige Male, bis Henny endlich verstand.

»Darauf hätten wir von selbst kommen können! Glenn, wir heben die Bomben mit Traktorstrahlen vom Boden ab und versuchen, sie in den Weltraum zu bringen. Das ist über-haupt die Lösung! Steht die Verbindung zur CHAIL, Teshing?«

»Steht!« »Sag Sternfeuer, was wir vorhaben! Him-

mel, wenn es uns gelingt, die Metaplasmaten in den Weltraum zu bringen, ohne daß sie sich vorher zünden, ist der Planet gerettet.«

Vavner sah sie von der Seite an. »Was noch von ihm übrig ist, meinst du.«

* Twoxl sah, wie das Schiff sich in Position

brachte, und bereitete sich darauf vor, aber-mals einzugreifen. Noch hatte er die Kräfte dazu.

Die Idee war ihm spontan gekommen. Er wußte ja, wie viele Beiboote die SOL besaß. Schleuste Hayes sie alle aus, mußte es einfach möglich sein, alle noch nicht gezündeten Bomben in den Weltraum zu bringen und dort, weit genug von den Planeten entfernt, zur Explosion zu bringen.

Er unterdrückte das Mitleid mit den organi-schen Komponenten der Metaplasmaten ge-waltsam. Er mußte vieles zurückstellen, was ihn gedanklich beschäftigte: Sternfeuer, die grausame Angst vor dem Untergang seiner Welt, die immer wiederkehrende Frage, wa-rum sich die vergeistigten Cpt’Cpts nicht rührten – oder wenigstens Ceemer.

Vor allem durfte er nicht daran denken, wie viele Cpt’Wons und Cpt’Taks in den Gluten umgekommen waren – und damit potentielle Cpt’Noks, Cpt’Kuls und Vergeistigte.

Nur auf das jetzige Ziel konzentrieren und bereit sein!

Der Traktorstrahl der Space-Jet erfaßte die zehn Bomben und hob sie sanft an.

Sie zündeten sich nicht! Twoxl stieg mit dem Raumschiff höher,

schuf ständig eine strahlungsfreie Zone um sich und mußte erst zurückbleiben, als die Atmosphärenschichten erreicht waren, in de-nen er nicht mehr atmen konnte.

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Aber die Metaplasmaten auch nicht. Es war zu spät, die Solaner zu warnen. Er

hatte einen furchtbaren Gedankenfehler be-gangen. Schon sah er die Atomexplosionen in der Atmosphäre und den Atombrand um Cpt rasen.

Aber es geschah nichts. Ich bin gleich zurück! dachte Twoxl-7 und

löste sich auch schon aus dem Verbund. Be-vor Twoxl die übereifrige Komponente zu-rückrufen konnte, war sie aus seinem Sichtbe-reich verschwunden. Die Space-Jet konnte er nur noch als kleinen Punkt erkennen.

Twoxl wußte nicht, ob er das Risiko einge-hen sollte, Sieben zu folgen, oder ob er viel-leicht zu den Kreuzern zurückfliegen sollte. Zum erstenmal fragte er sich, was aus ihm würde, verlöre er eine der Komponenten.

Doch da war Sieben auch schon wieder da, fügte sich ein und dachte in seiner typischen überheblichen Art.

Ich konnte noch hoch genug steigen, um es zu sehen. Was wärt ihr nur ohne mich! Ei-gentlich sollte ich mehr zu sagen haben als ihr anderen sechs zusammen!

Hör auf! Was hast du gesehen? Die Metaplasmaten schützen sich wieder

durch Pilzhüte. Sie sind jetzt wieder so, wie sie gelandet waren.

Aber sie haben die Atemglocken doch ab-gesprengt!

Dann können sie neue formen. Überlaßt das Denken ausnahmsweise nicht nur mir! Jetzt will ich zu den Schiffen zurück, um zu sehen, was im Weltraum geschieht!

Du bleibst hier! Sieben dachte gar nicht daran.

* Torl war zu keiner Äußerung mehr zu be-

wegen gewesen, solange Sternfeuer vor ihm hockte und auf ihn einredete. Das änderte sich erst, als sie von Lyta Kunduran hörte, daß es Henny gelungen war, zehn Metaplasmaten ohne Explosion in den Weltraum zu bringen.

Sie sagte es Torl. Als sie sein Vierecksgesicht scharf beo-

bachtete, empfing sie zum erstenmal eine ganz schwache Gefühlsäußerung von ihm. Er hatte furchtbare Angst. Sein Bewußtsein er-

schien ihr zweigeteilt. Vielleicht reimte sie sich etwas zusammen, das nicht zutraf. Aber jetzt war sie davon überzeugt, daß ein Teil von Torl sich zu befreien versuchte, während der andere in Panik geriet und um das angeb-lich von Anti-Homunk versprochene neue Leben fürchtete.

»So sieh es doch ein!« appellierte sie an den Metaplasmaten. »Anti-Homunk ist gewis-senlos! Ihm ist es gleich, ob ihr sterbt – und zwar für immer! Er wird sein Versprechen nie einlösen!«

»Ich will ... leben. Ist eure Macht größer als die von Anti-Homunk?«

Diesmal antwortete Sternfeuer spontan: »Ja!« »Aber ihr könnt uns nicht trennen – die

Bomben und das Leben.« Sie zögerte einen Augenblick zu lange. »Vielleicht betrügt Anti-Homunk uns«,

schrie Torl. »Aber er gibt uns Hoffnung, und ihr könnt es nicht! Ich muß ...«

»Was? Torl, sei vernünftig! Ich weiß, daß bald Freunde zu uns kommen, die mehr davon verstehen als ich, und sie ... Torl!«

Er war nicht mehr da. Wie vom Schlag getroffen, starrte die Tele-

pathin auf die Stelle, an der die Bombe noch eben gestanden hatte.

»Sternfeuer?« Es dauerte eine Weile, bis sie die Stimme in

ihrem Empfänger hörte. »Was ist bei dir los, Sternfeuer?« fragte Ly-

ta Kunduran. »Ich habe einen Hyperimpuls empfangen, der in den Weltraum gerichtet ist – genauer gesagt, direkt auf das Zentrum von Xiinx-Markant. Ich glaube, wir alle wissen, was das bedeutet, oder?«

»Von wo kam der Impuls?« fragte Stern-feuer. Sie ahnte es.

»Aus dem Haus, in dem du steckst.« »Der Metaplasmat ist verschwunden, Ly-

ta.« »Nicht nur der. Metaplasmaten sind überall

dort verschwunden, wo sie von Sonden beo-bachtet wurden. Und es handelt sich aus-schließlich um die großen Hyperbomben.«

Sternfeuer schauderte. Nein, dachte sie. Verschwunden ist nicht

das richtige Wort. Vielleicht haben sie sich unsichtbar ge-

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macht oder in ein Versteck teleportiert.

Auf jeden Fall sind sie noch da und warten auf ihre Stunde.

Sternfeuer verließ die Siedlung. Kalmorer steckten scheu ihre Köpfe aus Eingängen und Fensterlöchern und blickten ihr nach. Kinder heulten. Auch von den männlichen Eingebo-renen schien niemand mehr den Draufgänger spielen zu wollen.

Sie waren noch sicher. Noch schützte die Energieglocke sie, die über der Siedlung lag. Aber auch hier würde der Boden bald ausei-nanderbrechen.

Cpt mußte vollkommen geräumt werden, nicht nur die Bomben in den Weltraum ge-bracht. Sternfeuer wußte, was sie jetzt zu tun hatte.

Und plötzlich war der Kontakt mit Feder-spiel wieder da, diesmal so klar, daß sie auch ihn erreichte.

5.

Kampf im Weltraum

Knapp fünfhundert Kalmorer, alle Männer,

Frauen und Kinder aus der Siedlung, befan-den sich in freien Hangars der CHAIL. Vier Komponenten wachten in einem weiteren Hangar über die Eier und Fladen der Cpt’Cpts. Somit befand sich alles an Bord, was sich an intelligentem Leben in der Sied-lung am Wasser befunden hatte. Vielleicht waren es die letzten Vertreter zweier Arten, vielleicht die ersten, aus denen einmal zwei neue Völker hervorgehen würden.

Nur sah es nicht danach aus, daß dies auf Cpt geschehen sollte.

Die Sonden blieben zurück, während die Space- und Moskito-Jets mit den Schiffen aufstiegen. Als die Atmosphäre durchstoßen war, bot sich den Augen der Solaner erst das ganze Ausmaß der Katastrophe dar. Der Pla-net brannte. Aber so unbegreiflich das auch schien, er explodierte nicht. Noch hielt seine Kruste, und Sternfeuer hätte wetten mögen, daß die Metaplasmaten ihre Wirkung genau kannten und einzuschätzen vermochten.

Anti-Homunk wartete noch, bevor er das endgültige Ende mit dem Einsatz der Hyper-bomben einleitete.

Sternfeuer zerbrach sich den Kopf nicht länger darüber. Sie hielt den Kontakt mit Fe-derspiel, berichtete ihm und flehte ihn an, mit Atlan und den beiden Spezialschiffen zu Hilfe zu kommen. Um so enttäuschter war sie über sein Zögern.

Wäre es nur nach ihm gegangen, so hätten sich die CHYBRAIN und die FARTULOON bereits in Bewegung gesetzt. Aber dort schie-nen jetzt andere Prioritäten gesetzt zu sein.

Sternfeuer erklärte es Hayes, so gut sie konnte, als die Kreuzer sich neben der SOL formierten. Jedes der Schiffe, auch die Bei-boote, hatte einen Pulk von Metaplasmaten im Schlepptau der Traktorstrahlen. Andere Kreu-zer schossen bereits aus den Hangars der SOL und Cpt entgegen, um noch so viele Bomben wie möglich vor der Selbstzündung in den Weltraum zu bringen.

»Atlans Schiffe sind auf dem Weg ins Zent-rum von Xiinx-Markant, Breck. Ihr Ziel ist das, was die Vei-Munater das Leuchtende Auge nennen. Es handelt sich dabei vermut-lich um den Sitz von Anti-Homunk. Atlan ist entschlossen, ihn jetzt auszuheben. Aber ...«

Hayes blickte sie vom Bildschirm ernst an. »Wir haben durch deinen letzten Kontakt

mit Federspiel von den Vei-Munatern erfah-ren«, sagte der High Sideryt, »wenn wir auch nicht viel Gelegenheit hatten, uns darüber Gedanken zu machen. Anderes war wichtiger. Was meinst du mit deinem Aber?«

»Ich glaube nicht, daß Atlan lange zögern würde, sich zu uns in Marsch zu setzen, Breck. Anti-Homunk kann schließlich noch einen Tag oder zwei auf uns warten. Wenn Atlan die SOL bei sich erwartete, hat ihm die falsche Koordinatenübermittlung ja ohnehin schon einen Strich durch die Rechnung ge-macht. Und dann die Schwierigkeiten, die Verbindung wiederherzustellen, die vorher so einwandfrei war.«

»Du glaubst, daß er unter dem Einfluß der beiden Frauen steht? Tyari und Barleona?«

Hayes’ Tonfall verriet, welcher Art seine Sympathien für die Unbekannten waren, die den Arkoniden umgarnten.

Twoxl war plötzlich so dicht an den Bild-optiken, daß Sternfeuer für einen Moment fürchtete, er wollte sie rammen.

»Atlan läßt uns nicht im Stich, das weiß

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ich!« schrillte er. »Er muß kommen! Ihr müßt Cpt retten, denn nur auf Cpt kann sich mein Volk entwickeln! Ihr dürft weder die Cpt’Wons und Cpt’Taks, noch die Kalmorer auf einer anderen Welt aussetzen!«

»Das wollen wir ja auch gar nicht!« knurrte Hayes. »Du siehst doch, daß wir die Bomben abräumen.«

»Aber nicht die Hyperbomben!« »Wir versuchen es allein, Twoxl. Du be-

richtest Federspiel über alles, was sich hier abspielt, Sternfeuer. Ich kann Atlan nicht sa-gen, was er zu tun hat – vor allem nicht, wenn er sich seinem Ziel tatsächlich so nahe fühlt.«

Die Mutantin nickte nur. »Verdammt!« brach es aus dem High Side-

ryt heraus. »Wir fangen jetzt an! Wir bringen die Metaplasmaten in den interstellaren Raum und durch Beschuß zur Explosion! Henny wartet dort bereits!«

»Was Twoxl wirklich meint«, sagte Stern-feuer, »ist, daß wir vielleicht die Chance hät-ten, die Hyperbomben zu finden, wenn Bjo und Federspiel bei uns wären. Ich konnte Torl vorübergehend erfassen. Wenn wir drei Mut-anten einen Block bildeten ...«

»Aber sie sind nicht hier!« Wütend schaltete Hayes sich aus. Sternfeuer lehnte sich in ihrem Kontursitz

zurück und schloß die Augen. »Du hast es gehört, Twoxl.« Er ließ sich auf ihrem Schoß nieder. »Was würdest du tun, wenn du er wärest,

Sternfeuer?« »Warum glaubst du, daß ich anders handeln

würde?« Wenn ich’s überhaupt könnte! dachte sie. Twoxls Antwort kam zögernd. Sie hatte für

einen Moment das Gefühl, daß er Angst hätte, eine gewisse Scheu.

»Weil Cpt’Carch ohne dich nie Cpt’Carch geworden wäre. Ich meine, der, den ihr ge-kannt und vielleicht ein bißchen gern gehabt habt.«

Sie starrte die Riesenkartoffeln an. »Ihr Solaner würdet vielleicht sagen, du

bist ... seine Mutter gewesen ...«

*

Henny Lupino saß mit verschränkten Ar-men weit zurückgelehnt und sah durch die transparente Kuppel der Space-Jet die Me-taplasmaten an. Sie waren längst freigegeben worden, hatten sich jedoch nicht so weit ent-fernt, um nicht noch im Licht der Sonne zu funkeln.

»Hayes läßt sich viel Zeit«, meckerte Vav-ner. »Wir haben zwar unsere Schutzschirme noch aufgebaut, aber mir wäre trotzdem lie-ber, wenn wir’s schon hinter uns hätten.« Er lachte unsicher. »Manchmal denke ich, die Bombenwesen starren uns durch die Pilzhül-len an.«

»Sie wissen ganz genau, was wir mit ihnen tun wollen«, sagte Butt. »Wenn sie es sich nun doch anders überlegt haben – ich meine, wenn sie doch lieber leben wollen und ...«

»Teshing!« Hennys Stimme war schnei-dend. »Ich kann’s nicht mehr hören! Glaubt hier vielleicht jemand, mir machte das Spaß?«

»Wir sollten den verdammten Planeten ver-gessen und uns schleunigst von hier abset-zen«, knurrte Terfling. »Carch ist doch geret-tet, oder? Also was haben wir hier noch verlo-ren?«

»Die SOL meldet sich.« Hayes verkündete, daß insgesamt 27 Kreu-

zer und Beiboote mit allem unterwegs waren, was man an Metaplasmaten auf Cpt noch hat-te finden können.

»Wir könnten sie einfach noch weiter in den interstellaren Raum schleppen und dort sich selbst überlassen«, endete er. »Aber sie sind flugfähig, möglicherweise können sie aus eigener Kraft nach Cpt zurückkehren – oder ihre Basisschiffe sammeln sie wieder auf. Wir können es drehen und wenden, wie wir wol-len. Sie sind Werkzeuge Anti-Homunks und stellen eine Gefahr dar, solange sie existieren. Übrigens nicht nur für Cpt. Sie können auf vielen anderen Planeten niedergehen und dort das gleiche anrichten. Henny, ihr schießt sie ab, sobald wir sie alle zu einem Pulk zusam-menhaben.«

Als der Empfänger schwieg, ballte die So-lanerin die Fäuste.

»Also ans schmutzige Handwerk! Es ist unmenschlich und grausam, aber ... Ver-dammt, ihr habt Breckcrown gehört!«

»Wenn die SOL nur die Basisschiffe zer-

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stört, die doch unbemannt sind«, warf Butt wieder ein.

»Ob sie unbemannt sind, ist noch die Frage. Und jetzt haltet alle den Mund!«

Es widerte sie an, das zu tun, was sie tun mußte. Sie wünschte sich, nie die Initiative ergriffen zu haben.

Es war zu spät. Die Schiffe der SOL er-schienen eines nach dem anderen. Hunderte von Metaplasmaten wurden mit Gravo-Feldern abgestoßen.

»Wir ziehen uns auf eine Million Kilometer zurück«, befahl Henny.

Vavner gab keinen Kommentar mehr. Mit versteinertem Gesicht ließ er die Space-Jet Fahrt aufnehmen und zu den Kreuzern auf-schließen.

Plötzlich schrie Butt: »He! Seht euch das an! Die Bomben folgen

uns!« Es war tatsächlich so. Auch auf den ande-

ren Schiffen bemerkte man es. Aus dem neu-gebildeten Riesenpulk lösten sich einzelne Metaplasmaten und bewegten sich mit unge-heuren Beschleunigungswerten auf die Rau-mer zu.

»Jetzt zwingen sie uns dazu!« rief Henny in das aufgeregte Stimmengewirr, das plötzlich in den Empfängern war. »Sie greifen uns an!«

»Ich verstehe es nicht!« schrie Butt. »Bis-her waren sie doch so ...«

»Mach dir deine Gedanken, wenn du das hier überlebst! Teshing, Punktfeuer auf die Bomben! Schutzschirme auf höchste Kapazi-tät! Glenn, du versuchst, einen Ausweichkurs zu fliegen!«

Die automatischen Zielerfassungen der Jet lösten die Bordgeschütze aus, sobald eine der Bomben im Fadenkreuz war. Armdicke Strahlbahnen fuhren aus den Projektoren und trafen. Innerhalb von Sekunden brannte der Weltraum. Kleine Atomsonnen entstanden und erloschen – und nicht alle waren explo-dierte Metaplasmaten.

»Weg von hier, Glenn!« rief Henny. »Bring uns in eine Position, aus der heraus wir den Schiffen zu Hilfe kommen können! Drei von ihnen hat es erwischt!«

Und es ging weiter. Von zehn Metaplasma-ten kam einer durch die Sperrfeuerzone, der ein Raumschiff erreichte, sich blitzschnell an

seine Außenhülle heftete und zündete. Die Energieschirme stellten kein Hindernis dar.

Henny versuchte verzweifelt, Funkkontakt zur SOL zu bekommen. Es gelang nicht.

»Alle Systeme auf Hyperbasis scheinen verrückt zu spielen!« schrie sie in das Knis-tern, das die Zentrale erfüllte. »Paß auf, Glenn! Drei Bomben rasen auf uns zu!«

Sie explodierten in den Strahlbahnen der Impulsgeschütze. Vavner leistete schier Ü-bermenschliches. Er mußte die Space-Jet ma-nuell steuern, ließ sie Haken schlagen, zum Stehen kommen und aus dem Stand wieder beschleunigen. Die Schiffszelle drohte ausei-nanderzuplatzen. Mörderische Andruckkräfte wirkten auf die vier Raumfahrer ein, als die Absorber überfordert wurden. Draußen ent-stand eine Sonne nach der anderen. Die Schutzschirme glühten, ihre Belastung hatte den kritischen Punkt längst überschritten.

»Hör auf, Glenn!« schrie Henny. »Wir können uns nur retten, wenn wir in den Line-arraum kommen! Bis wir die Eintauchge-schwindigkeit erreicht haben, müssen wir so weit weg sein, daß die 5-D-Störeinflüsse nicht mehr wirksam sind!«

Es war eine verzweifelte Hoffnung. Henny kam sich wie eine Verräterin an den Männern und Frauen in den anderen Schiffen vor. Doch sich wieder ins Kampfgetümmel zu stürzen, hätte den sicheren Tod bedeutet.

Sie hoffte, daß die Kommandanten der Kreuzer und Beiboote das gleiche taten wie sie.

Falls ihre Rechnung aufging – und das hing nicht nur von Vavners Geschick und der Leis-tung der Triebwerke ab.

Die Metaplasmaten waren schneller. Und jetzt wurde auch klar, weshalb sie die Schutz-schirme so mühelos durchdringen konnten.

»Sie teleportieren sich!« rief Butt. »Sie springen uns in den Kurs!«

Abermals verwandelte die Jet sich in ein feuerspeiendes Etwas, abermals vergingen ein halbes Dutzend Metaplasmaten in den Ener-giestrahlen.

»Keine Ausweichmanöver, Glenn! Wir müssen in den Linearraum!«

Und die SOL? Was tat Hayes? Wurde auch das Mutterschiff angegriffen?

»Wir haben 80 Prozent Licht erreicht!«

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kam es kaum verständlich vom Piloten.

Die Jet schoß an Metaplasmaten vorbei, die materialisierten und ihren Flug mit der vorhe-rigen Geschwindigkeit fortsetzten. Sie glühten nun von innen heraus.

Andere überholten das Schiff. »Neunzig!« Ein Metaplasmat zündete sich genau in der

Bahn der Space-Jet, etwa fünf Millionen Ki-lometer voraus, aber das reichte.

Die Jet raste in den Glutball hinein. Henny hörte die Schreie ihrer Besatzung, und dann nichts mehr.

*

Sternfeuer hörte auch nichts, obwohl sie

Augen und Ohren offen hatte. Alle Eindrücke des Chaos strömten über die Sinnesorgane direkt auf ihren psionischen Gehirnsektor ein und wurden von dort an Federspiel weiterge-leitet – über vielleicht Hunderte von Lichtjah-ren hinweg.

Die Mannschaft der CHAIL mußte ohne ih-re Anweisungen auskommen. Was hätte sie ihnen auch noch raten können? Totale Konfu-sion herrschte in den Gedanken der Mutantin. Nur den einen Kanal zum Zwillingsbruder hielt sie davon »frei«. Darauf verwandte sie alle Konzentration, zu der sie noch fähig war.

Ihr Körper war ein einziger Schmerz. Aber solange sie ihn fühlte, lebte sie. Die Erschüt-terungen der CHAIL erfolgten durch die Gra-vitationswellen der Explosionen um sie her-um. Das Ende der CHAIL würde sie nicht einmal bewußt miterleben.

Selbst die Filter konnten die blendende Helligkeit auf den Bildschirmen nicht min-dern. Welcher Feuerball war ein Metaplasmat, welcher ein Kreuzer?

Wenn es einmal dunkler wurde, sah Stern-feuer jedesmal mehr solanische Schiffe. Hay-es mußte fast alles in den Kampf werfen, was er zur Verfügung hatte. Einmal tauchte die SOL selbst auf. Nur ein einziges Mal vorher hatte Sternfeuer den Raumgiganten so kämp-fen gesehen wie jetzt – und das war über der Landschaft im Nichts gewesen, gegen die Parallel-SOL.

Nur was nützte das alles? Tausend Me-taplasmaten und mehr waren im All. Sie grif-

fen nicht mehr geradlinig an, sondern telepor-tierten sich fort und wieder vor – und dann oft direkt ins Ziel. Sie waren die perfektesten Selbstlenksysteme, die die Solaner je kennen-gelernt hatten.

Sie waren unbesiegbar. Sie sind unbesiegbar, hörst du, Federspiel!

Kommt nicht! Haltet aus! empfing sie schwach. Das bedeutete, die CHYBRAIN und FAR-

TULOON waren unterwegs ... Eine flammende Kugel schoß auf die

CHAIL zu.

* Atlan blickte unwillkürlich zum Ausgang,

als er Tyari auf sich zukommen sah. Es war zu spät, unter einem Vorwand zu verschwin-den. Außerdem wäre es einer Flucht gleich-gekommen.

Ihm stand der Sinn eher danach, endlich Klarheit zu bekommen. Immer häufiger kam er sich als Gefangener von Gefühlen vor, die zwar in ihm waren – aber auch wirklich seine eigenen?

So unterschiedlich Tyari und Barleona auch waren, so unterschiedlich ihre Vergangenheit und Absichten sein mochten – im Augenblick hätten sie eine Hand-in-Hand-Fraktion bilden können.

»Dies hier ist die CHYBRAIN«, sagte Tya-ri.

Atlan sah sie verwundert an und nickte. Sie deutete auf einen Bildschirm, der wäh-

rend des Linearflugs nur das Symbol aus den Buchstaben und Zahlen MT-K-20 zeigte.

»Und das da ist die FARTULOON.« »Man sollte es fast annehmen«, antwortete

der Arkonide zynisch. »Beides Spezialschiffe des Atlan-Teams.

Ich war bisher der Ansicht, daß du dir von niemandem mehr in das hineinreden zu lassen hast, was du tust oder läßt.«

»Dein Appell an männlichen Stolz ist ver-fehlt, Tyari«, sagte Atlan schroff. »Ich habe schon zu lange gelebt, um mich dadurch be-eindrucken zu lassen.«

»Vielleicht zu lange, um die Herausforde-rung anzunehmen!«

Atlan sah nicht ein, mit Tyari noch länger

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ATLAN 120 – Die Abenteuer der SOL

über den Abbruch des Fluges zum Leuchten-den Auge diskutieren zu müssen. Er stand auf, nickte Federspiel bewußt übertrieben heftig zu und ging.

Tyari holte ihn auf dem Korridor ein, der zu seinem Privatquartier führte. Sie stellte sich vor ihn und spreizte die Arme weit vom Kör-per ab.

Und der Körper war schön, trotz der kräfti-gen Figur aufreizend und schön. Atlan spürte das alte Verlangen wieder in sich aufsteigen, auch wenn seine Wahl eindeutig zugunsten Barleonas ausgefallen war.

War sie das wirklich? »Du hast jetzt, was du wolltest, Atlan! Du

weißt, wo Anti-Homunk sich aller Wahr-scheinlichkeit nach verbirgt. Du kannst jetzt zuschlagen – jetzt! Oder willst du warten, bis er neue Hilfskräfte mobilisiert?«

»Er hat es bereits getan – gegen die SOL.« »Vernichte ihn, dann ist auch die SOL ge-

rettet!« Stellte sie sich das wie einen Spaziergang

vor? Die vielleicht letzte Bastion eines Mäch-tigen wie Anti-Homunk war erfahrungsgemäß schwieriger zu erobern als eine halbe Galaxis.

»Denke an die Koordinaten von Varnhag-her-Ghynnst! Denke an deinen Auftrag, At-lan, und daß du ihn um so schneller ausführen kannst, je eher Anti-Homunk besiegt ist!«

»Ich habe nichts davon, ihn nur zu besie-gen.«

Er stieß sie sanft zur Seite. Sie folgte ihm mit schnellen Schritten.

»Natürlich, weil Anti-ES die Koordinaten besitzt. Und an Anti-ES kommst du nur über Anti-Homunk heran! Tue es jetzt, Atlan!«

Er drehte sich abrupt zu ihr um. »Was willst du wirklich, Tyari?« »Das gleiche wie du!« »Dann würdest du aufrichtiger zu mir sein

– oder gibt es Geheimnisse zwischen wahren Verbündeten?«

Er ließ sie stehen. Erst als sich seine Kabi-nentür hinter ihm geschlossen hatte, atmete er auf.

Dieses Spiel wurde ihm allmählich zuviel. Vor allem mußte er jetzt einen klaren Kopf bewahren.

Er ließ sich auf die Liege fallen und ver-schränkte die Arme unter dem Kopf.

Als ob die Situation nicht verwickelt genug wäre. Die Vei-Munater hatten vom Leuchten-den Auge und dem Struktor berichtet. Sie hatten ihm sein Ziel genannt, das fast schon erreicht gewesen war.

Die SOL, unbeschadet in die Innenzone von Xiinx-Markant gelangt, hatte zu ihm sto-ßen sollen. Daß dies nicht geschehen war, lag an Cpt’Carchs Impuls, der Federspiel just in dem Augenblick erreichte, in dem er Stern-feuer die Koordinaten übermitteln wollte.

Carch – Federspiel sprach nun von ihm als Twoxl – war direkt oder indirekt auch dafür verantwortlich, daß die beiden Atlan-Team-Schiffe einen neuen Kurs genommen hatten.

Atlan hatte ein schlechtes Gefühl bei dem Gedanken, erst auf den Hilferuf reagiert zu haben, nachdem unmittelbare Gefahr für die SOL bestand.

Was war ein Freund wert? Mehr als alles andere. Mehr als hochgesto-

chene Ziele. Freunde hatten ihn auf seinem Lebensweg begleitet, Fartuloon, Perry Rho-dan, Bully und wie sie alle hießen – bis hin zu den Gefährten, die er an Bord der SOL gefun-den hatte. Ohne sie wäre er nichts.

Und diese ganzen Gedanken waren auch nichts wert. Atlan sprang auf und schaltete den Interkom ein. Es hatte Monate gekostet, bis hierher vorzudringen – und viele Opfer. Jedes war eines zuviel gewesen, und es sollte keine weiteren mehr geben, wenn er es ver-hindern konnte.

Federspiels Gesicht erschien auf dem klei-nen Videoschirm. Es war schmerzverzerrt.

»Schlechte Nachrichten«, erriet der Arko-nide.

»Ich habe den Kontakt zu Sternfeuer wie-der verloren. Sie muß ohnmächtig sein, Atlan, denn ihre psionische Präsenz spüre ich noch. Aber das letzte, was ich von ihr empfing, wa-ren weitere Bilder einer verheerenden Schlacht zwischen den Schiffen der SOL, der SOL selbst und den lebenden Bomben, die sich hinter die Schutzschirme teleportieren können!«

Atlan hatte nicht im Traum erwartet, daß es so schlimm sein würde.

Seine Augen wurden schmal. Es ist natürlich kein Zufall, daß der Über-

fall gerade jetzt erfolgt, meldete sich der Ext-

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rasinn. Und das weißt du. Entweder hat Anti-Homunk das inszeniert, um uns von sich fort-zulocken, oder er hat noch andere Gründe. Vielleicht trifft auch beides zu.

»Wie lange noch?« fragte Atlan. Uster Brick antwortete: »Ende der Linearetappe in knapp vier Mi-

nuten. Dann kommen wir genau dort in den Normalraum, wo der Kampf toben müßte.«

Oder auch nicht mehr. Atlan hatte die grausame Vision von einem

gigantischen Trümmerfeld, in das seine bei-den Schiffe hineintauchen würden.

Er sah zu, daß er in die Zentrale zurück-kam. Barleona stand neben Brick. Sie blickte ihn an, sagte jedoch kein Wort. Tyari war nicht anwesend. Federspiel litt. Es schien sein Schicksal zu sein, durch das psionische Band alle Höhen und Tiefen miterleben zu müssen, die seine Zwillingsschwester durchmachte.

Atlan zählte die Sekunden. Die Feuerleit-station war besetzt. Jeder an Bord hielt den Atem an, hier und auf der FARTULOON.

Brick schaltete die Schutzschirme im Mo-ment des Rücksturzes ein. Die Anspannung war unerträglich. Federspiel stieß einen gel-lenden Schrei aus.

Atlan aber sah nur die SOL und den Pulk von Kreuzern und Space-Jets, Korvetten und Moskito-Jägern, die sie umschwirrten.

»Wo sind die Metaplasmaten?« fragte der Arkonide irritiert. Er dachte schon an einen neuen Trick des mächtigen Gegners, als Uster Brick auf den Orterschirm wies und knurrte:

»Da sind sie! Aber sie jagen die Schiffe nicht und bringen sich auch nicht zur Explo-sion. Sie stehen ganz ruhig am Rand des Son-nensystems.«

»Die SOL ruft uns!« kam es von der Funk-station. »Wir sollen uns sofort in den Haupt-hangar des Mittelteils einschleusen!«

»Und ich empfange Sternfeuer wieder!« rief Federspiel grenzenlos erleichtert dazwi-schen. »Sie weiß nicht, was geschehen ist. Aber es gibt nur die eine Erklärung, daß die Metaplasmaten den Angriff von einer Sekun-de auf die andere eingestellt haben!«

Zwischenspiel

Es ging alles nach Plan.

Anti-Homunk hatte den Angriff abgeblasen, nachdem Anti-ES ihm wütend klargemacht hatte, was die totale Vernichtung der SOL und ihrer Beiboote zum jetzigen Zeitpunkt bedeuten würde. Der Erwartete würde nicht mehr kommen müssen.

Außerdem war das erste Ziel der Superin-telligenz erreicht. Atlan flog mit seinen Schif-fen nach Cpt. Er würde versuchen, die Ver-nichtung des Planeten aufzuhalten und so an das System gefesselt sein.

Das beschwor Gefahren in ausreichendem Maß für ihn herauf. Der Erwartete konnte nun nicht mehr lange zögern. Und zur Not ließen die Metaplasmaten sich genauso schnell wieder zum Angriff steuern, wie sie zurückgerufen hatten werden können.

Anti-Homunk wagte es nicht, seinen Herrn jetzt auf den möglichen Fehler in seinen Ü-berlegungen aufmerksam zu machen. Um die Metaplasmaten auszuschalten, genügte den Solanern die Zerstörung der Basisschiffe. Ohne sie als Relais war Anti-Homunk jede Einflußnahme auf seine letzte Armee genom-men.

Aber was ihn betraf, so hatten sie ihren Zweck erfüllt. Die Krater und Schächte in der Planetenkruste waren tief genug für die Hy-perbomben.

Unmittelbar nach ihrer Warnung hatte An-ti-Homunk die Teleportation in sichere Ver-stecke befohlen. Sie war nicht über die Re-laisschiffe gekommen. Die Hyperbomben wa-ren als einzige in der Lage, ihren Herrn direkt zu kontaktieren. Letztlich war der empfangene Impuls auch für den Angriff auf die SOL ver-antwortlich gewesen. So entwickelte sich ei-nes aus dem anderen, und die Schlinge um die Menschen zog sich immer enger.

Die Vergeistigten wehrten sich nicht. Anti-Homunk bewies das, daß sie die Sinnlosigkeit jeder Aktion erkannt hatten.

Dennoch überließ er nichts dem Zufall. Er strahlte einen Impuls an die fünfzehn Hyper-bomben ab. Von diesem Augenblick an befan-den sie sich im Zustand der ungezündeten Zündung. Auch wenn die Relais als solche von den Solanern erkannt und ausgeschaltet würden, mußten sie sich in genau einer Stun-de in die Schächte senken und sich zur Explo-sion bringen.

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Anti-Homunk lachte höhnisch. Jetzt, dachte er, könnt ihr tun, was ihr

wollt. Ihr ändert nichts mehr.

6.

Die Hyperbomben Erst allmählich trafen auch diejenigen

Stabsspezialisten ein, die die fünf Kreuzer geführt hatten. Wie durch ein Wunder war keines der Schiffe zerstört worden. Alle be-fanden sich wieder in ihren Hangars. Stern-feuer kam als letzte und fiel Federspiel in die Arme.

Von der CHYBRAIN und der FARTU-LOON befanden sich außer Atlan und dem Telepathen noch Bjo Breiskoll, Hage Nocke-mann und Blödel in der Hauptzentrale der SOL. Die anderen, allen voran die Bricks, warteten auf ihren Einsatz. Nach den ersten Informationen, die ausgetauscht worden wa-ren, stand so gut wie fest, daß man versuchen würde, die Hyperbomben doch noch aufzu-spüren und vor ihrer Zündung unschädlich zu machen.

»Warum haben die Bomben sich zurückge-zogen?« fragte Hayes. »Doch bestimmt nicht, weil sie von eurem Kommen wußten, Atlan! Sie wären mit euch ebenso fertig geworden wie mit uns.«

»Sie stellen nach wie vor eine Gefahr dar«, sagte Lyta Kunduran. »Der Tanz kann jeden Augenblick wieder losgehen.«

Sternfeuer hatte sich genügend erholt, um wieder energisch in die Diskussionen eingrei-fen zu können. Sie drehten sich einzig und allein um Cpt, nachdem Atlan knapp über die Erlebnisse und Erfahrungen seines Teams, das Leuchtende Auge und den geheimnisvol-len Struktor berichtet hatte.

»Wir müssen die Hyperbomben finden!« beharrte die Telepathin. »Mit Bjo und Feder-spiel zusammen kann ich es schaffen, wenn wir nahe genug sind.«

»Du glaubst es«, hielt Hayes ihr vor. »Be-wiesen ist es durch nichts.«

»Es ist vielleicht unsere winzige Chance, hier noch einmal heil herauszukommen, Breck! Der ganze Zweck dieses gestaffelten Metaplasmaten-Einsatzes besteht darin, die

Voraussetzungen für die wirksame Zündung der Hyperbomben zu schaffen. Neutralisieren wir diese, hat auch ihr Angriff ihren Sinn ver-loren.«

Nicht viele teilten diese Ansicht. Twoxl schien ein Gespür für das Umschlagen der Stimmung in der Zentrale zu haben. Jedesmal, wenn das Zaudern zu überwiegen drohte, be-gann sein Flehen um Hilfe von neuem.

Atlan mußte ihn immer wieder ansehen und mit dem »alten« Carch vergleichen. Es fiel ihm schwer, an ein und dasselbe Wesen zu glauben.

»Wir machen es so, wie Sternfeuer sagt«, verkündete er schließlich. »Breck, wir gehen zurück auf unsere Schiffe und versuchen eine Landung auf Cpt. Ihr unterlaßt alles, was die Metaplasmaten im Weltraum provozieren könnte. Wir bleiben in Funkverbindung.«

»Ich werde nicht alles unterlassen«, knurrte Kolsch. »Irgendwo dort draußen steckt Henny Lupino und ihre Besatzung. Ich kann nicht glauben, daß sie tot sind.«

Hayes legte ihm eine Hand auf die Schul-ter.

»Du willst es nicht glauben, Wajsto. Wir haben insgesamt 37 Schiffe durch die Me-taplasmaten verloren. Gott sei Dank fast nur robotgesteuerte Einheiten. Die meisten sind atomisiert worden.«

»Ja, aber einige treiben als Wracks im All. Und ich werde mir jedes von ihnen einzeln vornehmen! Wer hat etwas dagegen?«

»Ich denke, wir können es verantworten«, sagte Atlan. »Du wirst vernünftig genug sein, keine riskanten Manöver zu fliegen.«

»Danke!« sagte der Ex-Magnide nur und machte sich auf den Weg.

»Und er behauptet, daß ihm nichts an ihr liege«, wunderte sich Nockemann.

Sternfeuer winkte ab. »Sie war eine hervorragende Frau, Hage.

Ich wünsche ihm, daß er Glück hat. Und jetzt kommt.«

Nockemann zuckte die Schultern und folgte den Telepathen. Auch er wußte keinen Rat, was die Metaplasmaten anging. Er hielt es für ausgeschlossen, daß man die beiden Kompo-nenten der Bomben voneinander lösen konn-te.

Als die CHYBRAIN und FARTULOON

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Kurs auf Cpt nahmen – mit Twoxl an Bord der CHYBRAIN –, sagte Curie van Herling:

»Kein Risiko also. Wir sollen brav warten und die Hände in den Schoß legen. Dabei gibt es noch etwas in diesem System, daß wir uns näher unter die Lupe nehmen sollten.«

Hayes sah sie fragend an. »Ein Objekt zwischen den Bahnen des

neunten und zehnten Planeten«, erklärte sie. »Es gibt keine meßbaren Emissionen ab. Ich entdeckte es erst, als die Strahlung reflektier-te, die während des Kampfes frei wurde. Es muß klein sein, eine Station oder ein Sender.«

»Wir sollten alles abschießen, was sich an Fremdkörpern innerhalb des Systems befin-det«, forderte Lyta Kunduran ungewohnt hart. »Diese Station, oder was immer es ist, und die acht Basisschiffe. Es reicht, wenn wir einen Gegner vor uns und einen auf Cpt haben. Die Basisschiffe können weitere Waffensysteme darstellen, die erst eingreifen, wenn alles an-dere versagt.«

Auch dies war ein schon mehrfach disku-tierter Punkt. Im Gegensatz zu vorher zeigte sich jetzt jedoch eine Mehrheit der Verant-wortlichen bereit, Lytas Forderung in die Tat umzusetzen.

»Wir sind keine Barbaren!« sagte Hayes, ohne dabei noch sehr überzeugend zu klingen.

»Nein!« entgegnete Lyta. »Barbaren wür-den sich wehren, wenn man sie umbringen will. Die Metaplasmaten sollten uns leid tun, weil sie mit unvorstellbarer Grausamkeit zu dem gemacht wurden, was sie sind. Aber ich kann kein Mitleid mit den Urhebern haben!«

»Es kann kaum als Provokation empfunden werden, wenn wir ein Schiff zu den Basis-raumern und der entdeckten Station schi-cken«, meldete sich Solania von Terra. »Ge-schieht das doch, wissen wir, woran wir sind. Wenn die Bomben nicht reagieren, sind die acht Schiffe wirklich nur nutzlos gewordene Transportmittel. Reagieren sie, erhalten sie ihre Befehle von dort. Und dann ist klar, was wir zu tun haben.«

Als Hayes noch um eine Entscheidung rang, meldete sich überraschend SENECA:

»Ich bin dafür«, erklärte die Hyperinpotro-nik unumwunden. »Vor allem muß das ge-fundene Objekt untersucht werden. Der Twoxl-Teil, der sich im Hangar befand und

jetzt wieder mit den drei anderen Komponen-ten vereinigt ist, sprach immer wieder von einer Strahlung, die die intelligenten Cpt’Cpt-Formen dahinraffte. Ich habe eine Wahr-scheinlichkeit von 88,7 Prozent dafür errech-net, daß es sich bei dem Objekt um die Quelle dieser Strahlung handelt.«

Das gab den Ausschlag.

* Die beiden Spezialschiffe blieben in einem

niedrigen Orbit um den Planeten. Auf Cpt zu landen, bedeutete ein Risiko, das unnötig ge-worden war, sobald die Mutanten die ersten Hyperbomben aufgespürt hatten.

Sternfeuer, Breiskoll und Federspiel stan-den in einer Kabine und hatten die Augen geschlossen. Sie hatten sich bei den Händen gefaßt und bildeten einen Kreis. Atlan und Nockemann hielten sich still im Hintergrund. Der Arkonide wußte, daß er sich auf seine Piloten bedingungslos verlassen konnte. We-der er noch Nockemann redeten. Die Telepa-then brauchten absolute Ruhe. Nur ab und zu warf Atlan einen Blick auf den Bildschirm. Von der Zentrale aus wurden die Bilder von Cpt herübergespielt. Die Planetenkruste war noch in ständiger Bewegung. An vielen Stel-len kühlte sich die Lava ab und erstarrte, wäh-rend anderenorts immer noch neue Vulkan-krater aufbrachen und ihre Glut in den düste-ren Himmel spien.

Die radioaktive Verseuchung war immens. Auf Cpt würde nie mehr etwas leben können, so bitter dies für Twoxl und die Kalmorer war. Trotzdem bestritt der Cpt’Kul dies. Er schien auf etwas zu hoffen, über das er nicht reden konnte oder wollte.

Bjo Breiskoll sprach für die Mutanten. Er tat es wie ein Roboter, ohne Betonung, ohne eine Miene zu verziehen. Sein Mund war nur das Werkzeug des Psi-Verbunds.

»Es sind insgesamt fünfzehn«, hörten Atlan und Nockemann. »Wir können sie lokalisie-ren, aber keine klaren Gedanken der Bom-benwesen auffangen. Da ist nur ...«

Er hielt inne. Atlan hätte etwas dafür gege-ben, sich in den Verbund einschalten zu kön-nen.

»Da ist eine Art ... Rufen«, fuhr Bjo lang-

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sam fort. »Ein Rufen um Hilfe und um Leben. Aber das andere ist stärker. Ein ...«

Plötzlich und unerwartet löste sich Breiskoll von den Zwillingen, fügte ihre Hän-de zusammen und kam schnell auf den Arko-niden zu. Er war wieder hellwach, in seinen Augen stand die Verzweiflung.

»Es ist fast unerträglich«, sagte er hastig. »Sie sind die intelligentesten aller Bomben-wesen. Sie wissen, daß sie sich nicht befreien können. Dabei zweifeln sie an Anti-Homunks Versprechen. Was Sternfeuer zu Torl sagte, gärt in ihnen.«

»Könnt ihr sie nicht weiter bearbeiten?« fragte Nockemann. »Ich meine, wenn sie schon einmal soweit sind, daß ...«

»Du verstehst mich nicht, Hage«, schnitt der Katzer ihm das Wort ab. »Sie glauben, verraten und mißbraucht worden zu sein. A-ber wenn sie nur den Versuch machten, sich zu lösen, würden sie sich jetzt sofort zünden. Einige sind auch fast dazu bereit. Aber noch ist der Rest Hoffnung und Zweifel in ihnen, der sie davon abhält.« Bjo wischte sich Schweißperlen aus dem Gesicht. Seine Stim-me und Gesten wurden noch eindringlicher. »Atlan, dort unten ticken fünfzehn Zeitbom-ben. Sie haben den Befehl, sich aus ihren Verstecken direkt in die für sie gesprengten Schächte zu begeben und dort alle zur glei-chen Zeit zu zünden.«

»Wann?« fragte der Arkonide schnell. »Es ist nicht genau zu bestimmen. Aber es

kann nicht mehr lange dauern. Ich kann nur sagen, was ich gefühlt habe – in spätestens einer halben Stunde.«

Atlan fluchte. Nockemann zwirbelte nervös an seinem Schnauzbart herum, ein Zeichen, daß er sich überflüssig vorkam.

»Wer gab ihnen den Befehl, Bjo?« »Anti-Homunk, Atlan. Das ist ganz sicher.

Sie denken an Anti-Homunk, der ihnen ja auch das neue Leben versprach.«

»Wie denken sie an ihn? Betrachten sie ihn als abstraktes Wesen oder als jemand, den ...?«

»Jemand, den sie genau kennen«, sagte Sternfeuer. Sie löste sich von Federspiel. Auf Atlans fragenden Blick sagte sie schulterzu-ckend:

»Federspiel kann sie nun allein weiterver-

folgen. Sie sind aufgebrochen. Und sie müs-sen Anti-Homunk einmal oder mehrere Male gesehen haben. In ihren Gedanken sind jetzt Bilder. Ich habe ihn gesehen – Anti-Homunk, wie er auch uns begegnete.«

»Ich denke, wir haben noch eine halbe Stunde Zeit!« fluchte der Arkonide.

Bjo nickte unsicher. »Bis zur Selbstzündung, ja. Aber es kann

auch eine ganze Stunde sein oder nur zehn Minuten.«

»Dann können wir wirklich nichts tun«, murmelte Nockemann niedergeschlagen. »Im Grunde sollten wir darüber noch froh sein, daß sie auf Cpt bleiben, wo ohnehin nichts mehr zu retten ist. Machen wir, daß wir ver-schwinden.«

»Nein!« schrie Sternfeuer auf. »Ich glaube Twoxl, wenn er behauptet, sein Volk könnte neu entstehen – aber nur auf diesem einen Planeten! Wir müssen eine Möglichkeit fin-den!«

»In den Weltraum können wir sie nicht schleppen wie die anderen«, sagte Bjo. »Sie sind scharf und von einer ganz anderen Quali-tät als die einfachen Metaplasmaten. Und jede einzelne Hyperbombe jagen ...«

Er überließ es der Phantasie der Anwesen-den, wie diese Jagd ausgehen würde.

Nockemann sah Atlan über die Schulter an. »So wie es in deinen Augen glänzt, hast du

eine Idee, oder?« »Vielleicht die verrückteste, die mir jemals

gekommen ist«, sagte der Arkonide gedehnt. »Ich sage immer noch, daß Twoxl sich etwas vormacht. Aber er soll nicht behaupten, wir hätten ihn im Stich gelassen. Außerdem will ich jetzt etwas herausfinden.«

»Was?« Sternfeuer war bei ihm und packte ihn an den Armen. »Was, Atlan!«

»Ich möchte, daß ihr drei Telepathen euch noch einmal zusammentut und einen psioni-schen Hilferuf abstrahlt. Hayes soll das gleich mit allen Hypersendern der SOL tun.«

»Hilferuf?« Nockemann bekam große Au-gen. »Hier in Xiinx-Markant einen Hilferuf? An wen?«

»An Anti-ES.«

*

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Auf dem Weg in die Zentrale wurde No-

ckemann nicht müde zu versichern, daß dies wirklich die verrückteste Idee sei, die jemals ein vernunftbegabter Mensch gehabt haben könne. Er raufte sich auch noch die Haare, als Atlan Hayes seine Bitte vortrug.

Der High Sideryt schwieg lange. Nur seine Blicke verrieten, was er vom Geisteszustand des Freundes hielt.

»Kann es sein, daß die Hyperbomben schon eine Strahlung aussenden, die auf deinen Verstand wirkt, Atlan?« fragte er endlich.

Der Arkonide schnitt eine Grimasse. »Mach deine Witze später, Breck. Ich weiß,

was ich tue. Die Metaplasmaten sind von An-ti-Homunk geschickt. Ich bin mir inzwischen sicher, daß die beabsichtigte Vernichtung Cpts nur eines von Anti-ES’ Zielen ist. Das zweite besteht darin, uns hier zu fesseln und in solche Gefahr zu bringen, daß Wöbbeking sich gezwungen fühlt, aufzutauchen und ein-zugreifen. Anti-ES braucht Wöbbeking, um sich zu vervollkommnen und aus seiner Ge-fangenschaft in der Namenlosen Zone zu ent-fliehen. Wir sind sein Köder.«

Hayes hatte Schwierigkeiten, dies zu ver-dauen. Doch dann nickte er.

»Diese Auslegung würde zu den Fragen passen, die wir uns selbst schon stellten.«

»Aber sein Helfer agiert an ihm vorbei. Wenn Wöbbeking kommen soll, dürfen wir nicht schon jetzt vernichtet werden. Genau das aber wird geschehen, wenn wir unsere Positionen beibehalten. Die Hyperbomben werden nicht nur einen Planeten zerstören. Keine Fragen mehr, Breck. Versucht es! Strahlt den Ruf blind ab – und mit höchster Intensität!«

»Ich hoffe nur«, signalisierte der High Si-deryt sein Einverständnis, »daß wir diese Mi-nute nicht bereuen, Atlan. Immerhin hat Kolsch die Space-Jet von Henny Lupino ge-funden. Sie und ihre drei Mann Besatzung sind mit dem Schock davongekommen. Sie flogen in eine Explosion hinein, und ihr Schiff wurde zum Wrack. Vielleicht ist das ein gutes Omen für uns.«

Atlan war nicht abergläubisch. Er drehte sich um und sah Sanny vor sich stehen.

»Du weißt«, sagte die zwergenhafte Molaa-tin, »daß du versuchst, dich mit deinem ärgs-

ten Feind zu verbünden.« Er hatte das Gefühl, daß sie ihm bis tief in

die Seele blickte. Sie zeigte deutlich, daß sie sein Vorgehen nicht billigte. Bevor Atlan sich eine Antwort zurechtlegen konnte, fiel ihm etwas auf.

»Twoxl«, sagte er überrascht. »Wo ist er überhaupt?«

»Aus dem Schiff«, kam es von Brick. »Ei-ner der Männer hat ihm den Weg freigeschal-tet. Du hast es doch angeordnet.«

»Ich habe nichts dergleichen getan!« Nichts getan ... Twoxl fühlte sich verraten. Er glaubte, nur

noch auf eigene Faust etwas erreichen zu können. Und er war bereit, sich dafür zu op-fern.

Atlan ließ sich in einen Kontursitz sinken und schlug die Fäuste gegeneinander.

»Er weiß mehr, als er verrät!« knurrte er. »Er hat noch eine Hoffnung! Aber verdammt, sagt mir, welche!«

»Er sagte doch einige Male, daß der Endzu-stand in der Entwicklung seines seltsamen Volkes die Vergeistigung sei«, meinte Sanny. »Vielleicht hofft er auf die Hilfe dieser Ver-geistigten.«

»Wenn sie es könnten, hätten sie schon ge-holfen«, sagte Nockemann nüchtern. »Also können sie’s nicht. Und wir können auch nichts mehr für ihn tun.«

Hayes meldete, daß die Hypersender der SOL den Hilferuf abgestrahlt hatten.

Damit waren die Weichen gestellt. Die eine Möglichkeit sah so aus, daß Atlans

Rechnung, mit vielen Unbekannten belastet, aufging. Dann war nicht nur Cpt vorerst ge-rettet.

Über die andere würde sich in spätestens einer Stunde niemand mehr irgendeinen Ge-danken zu machen brauchen.

*

Twoxl fiel langsam der Oberfläche seiner

Welt entgegen. Er neutralisierte die radioakti-ve Strahlung mehr unbewußt, denn sein gan-zes Trachten war darauf gerichtet, wenigstens eine der Hyperbomben zu finden und deren Explosion ihrer Wirkung zu berauben.

Nur einmal dachte er: Gäbe es nicht nur

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mich, sondern fünfzehn Cpt’Kuls, brauchten wir Atlans Hilfe nicht. Und gäbe es tausend, wäre Cpt innerhalb kurzer Zeit von der Strah-lung frei. Die Kruste wird wieder zur Ruhe kommen. Das Leben würde von neuem begin-nen.

Aber es gab nur ihn. Von den Cpt’Taks an Bord der CHAIL hatten etwa zehn unmittel-bar vor der Verwandlung gestanden. Sie wur-den nicht zu Cpt’Noks, zur »Banane«, wie die Solaner sagten. Es war nur auf Cpt möglich!

Mit diesem aufs neue bestätigten Wissen stürzte sich Twoxl in die Staubmassen über den Vulkanen, jagte über die Magmaströme dahin und nahm Kurs auf die Ebene, in der die großen Schächte entstanden waren.

Er erreichte sie, als sich eine der Hyper-bomben gerade in die Tiefe senkte, direkt über einem der gewaltigen Krater, um die herum die Lava fest erstarrt war.

Twoxl konnte sich jetzt nicht mehr teilen. Er brauchte alle sieben Komponenten bei-sammen, sollte es ihm gelingen, die freiwer-dende Hyperstrahlung zu kompensieren.

Und das war mehr als fraglich. Gegen diese Metaplasmaten waren alle vorher explodierten Bomben Kinderspielzeuge gewesen.

Für ihn spielte es keine Rolle mehr. Blitz-schnell stieß er sich vorwärts und landete auf der transparenten Kuppel, die sich wieder über dem Lebend-Teil der Bombe aufgebaut hatte. Nicht vom Willen gesteuert, bildeten sich in der lederartigen Haut der Komponen-ten kleine Saugteller aus, die ihn mit dem Metaplasmaten fest verbanden. Auch dies war eine neue Erfahrung.

Der Metaplasmat ließ sich nicht aufhalten. Er sank tiefer, immer tiefer in die rotleuchten-de Dunkelheit hinein. Erst jetzt zeigte sich die Präzisionsarbeit der kleineren Bomben. Der Schacht, in den der Krater überging, war wie von technischen Geräten in die Planetenkruste gehauen. Er war etwa zehn Meter breit. Die Wände bestanden aus glasiertem Gestein, das offenbar genügend Festigkeit besaß, um den Bewegungen der Kruste zu trotzen.

Die Metaplasmaten waren also nicht nur Bomben. Sie explodierten sicher nicht nur, sondern erfüllten darüber hinaus andere Auf-gaben. Wie viele Welten mochten das Schick-sal erlitten haben, das Cpt bestimmt war?

Noch nicht! dachte Twoxl. Alle Komponenten, selbst Sieben, strahlten

die gleiche Entschlossenheit in das gemein-same Bewußtsein. Da war kein Widerspruch, kein Aufmucken und keine Prahlerei mehr. Twoxl sank mit der Hyperbombe, bis sie am Fuß des Stollens zum Stillstand kam.

Dreitausend Meter tief, schätzte Twoxl. Eher noch etwas mehr.

Twoxl verarbeitete die hier herrschende Gluthitze mühelos. Er saß auf der Bombe. Nichts löste ihn mehr von ihr. Der Sauer-stoffmangel machte ihm ebenso wenig zu schaffen wie die Stickgase.

Unter der transparenten Schutzhaube be-gann es zu leuchten. Erst jetzt erkannte der Cpt’Kul, wen er erwischt hatte.

»Torl!« sagte er laut. Für einen Moment glaubte er, eine andere Stimme zu hören, so stark war der Verfremdungseffekt. »Du bist Torl, und du weißt, daß du betrogen wirst. Dein Tod ist sinnlos. Du darfst dich nicht zünden. Es gibt kein neues Leben.«

Natürlich erhielt er keine Antwort. Ceemer! Ihr Vergeistigten! Wenn ihr mir

schon nicht helfen wollt oder könnt, so laßt mich wenigstens noch einmal Cpt’Carch sein! Nur für einen winzigen Augenblick! Als Carch könnte ich mich mit der Bombe verständigen!

Er erwartete keine Antwort. Seine Bitter-keit war grenzenlos.

»Dann höre zu, Torl! Bringe dich um und töte! Vernichte ein ganzes Volk. Denke dabei an das Volk, aus dem du einmal hervorgegan-gen bist! Ich sterbe vielleicht mit Cpt! Auch mein Tod wäre sinnlos, weil es noch mehr von deiner Sorte gibt! Aber ich weiß im Ge-gensatz zu dir, daß es keine Zukunft mehr gibt!«

Die Bombe gab keine Antwort. Niemand antwortete. Twoxl war allein, fast so allein wie nach seiner Ankunft auf Cpt. Doch da hatte er wenigstens Ceemer gehabt.

Wo bist du jetzt, Ceemer? Und was seid ihr Vergeistigten mehr wert als jeder einfache Cpt’Won, wenn ihr euch scheut, eure Macht zu gebrauchen!

Unter Twoxl begann es zu summen. Genauso war es in der Ebene! meldete sich

Sieben. Kurz bevor sich die ersten Bomben zündeten!

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ATLAN 120 – Die Abenteuer der SOL

»Verhindere es, Torl! Ich komme vielleicht

in deinen Energien um, aber ich werde sie neutralisieren! Dein Tod ist doppelt sinnlos!«

Die einzige Antwort bestand im raschen Anschwellen des Summens.

*

Ich bin ein Metaplasmat. Ich bin eine Hy-

perbombe und der Metaplasmat – oder Torl und die Bombe – oder Torl – Torl!

Da war das sich drehende Geschöpf, immer deutlicher. Da war der gesamte Körper. Und da waren andere, die so aussahen wie er. Die Faust griff zu und riß ihn mitten unter ihnen heraus.

Es sind noch sieben Zeiteinheiten. Jetzt sechs.

Da war das Lebende, das auf ihm saß. Es sprach zu ihm, und er verstand die Worte, obwohl sie einer fremden Sprache entspran-gen.

Volk ... Ja, es hatte so etwas gegeben. Volk. Das

hieß: nicht allein sein. Das hieß, Brüder und Schwestern haben. Das bedeutete ein Zuhau-se. Eine Welt irgendwo weit weg.

Ich bin Torl und die Bombe! Und ganz plötzlich war da ein anderes

Bild: Torl von Mychar! Torl Sippenführer, Torl Bewahrer von Taya und ihren achtzehn Nachkommen!

Fünf Zeiteinheiten, fertigmachen zur Zün-dung, du stirbst und wirst leben, du kannst nicht entfliehen, du bist mein Werkzeug!

Da waren die Augen von Anti-Homunk, zu dem die Faust gehörte, die Apparaturen, die Schmerzen. Da war das Erwachen nach ei-nem langen Schlaf. Die Schwere in den drei Beinen. Der Anblick des metallischen Zylin-ders, wo die Beine hätten sein sollen.

Du-was-auf-mir-sitzt! Ich bin Torl! Ich bin nicht die Bombe! Seid ihr mächtiger als Anti-Homunk, dann hilf mir jetzt!

Ich weiß jetzt, daß es kein neues Leben für mich geben wird! Ich weiß jetzt alles. Viel-leicht ist es bei allen Metaplasmaten so, daß sie ihr grausames Schicksal erst dann erken-nen, wenn es zur Umkehr zu spät ist!

Nein! Es hat nie die Möglichkeit zur Um-kehr gegeben!

Ich will leben, Du-auf-mir! Ich will nicht töten und nicht zerstören! Aber es läßt sich nicht aufhalten!

Noch vier Zeiteinheiten! Du-der-auf-mir-sitzt! Ich bin Torl von My-

char! Ich habe ein Volk, ich habe eine Ge-schlechtspartnerin und Nachkommen! Ich hasse Anti-Homunk!

Warum schweigst du jetzt! Zeige mir doch eine Möglichkeit!

... aber auch mein Tod wäre sinnlos, weil es noch mehr von deiner Sorte gibt ...

So sinnlos, so grausam, so ... Drei Zeiteinheiten. Ich war Torl. Ich lebte einmal. Ich war Torl

und die Bombe, aber vorher Torl, den sie den Liebevollen nannten. Auf einer Welt, die Lie-be hieß. So nannten wir sie, Du-der-auf-mir-sitzt. Bis die Faust kam ...

Du-auf-mir. Einen Sinn hat der Tod. Wir brauchen nicht mehr zu denken ...

7.

Die Strahlenden Sphären Die Minuten verstrichen. Die CHYBRAIN

und FARTULOON standen im Orbit um Cpt. Atlan war allein gegen seine ganze Mann-schaft – bis auf eine Ausnahme.

Sternfeuer stand bei ihm, demonstrativ, provozierend. Sie ließ sich nicht durch Barle-onas und Tyaris Blicke schrecken, die reines Gift versprühten.

»Wir haben alles auf eine Karte gesetzt«, sagte Atlan, innerlich unterstützt von seinem Extrasinn, der ihm die Grundlage all seiner Kalkulationen geliefert hatte. »Anti-ES ist im Zugzwang.«

Nockemann lachte trocken. »Wenn du unbedingt meinst, es mit der Su-

perintelligenz aufnehmen zu können ...« »Diesmal. Dieses eine Mal.« Über Superintelligenzen brauchte Hage ihm

keine Vorträge zu halten. Viele – zu viele – an Bord der SOL sahen in der Auseinanderset-zung mit Anti-ES nicht viel mehr als eine Fortsetzung der Kämpfe gegen Hidden-X. Atlan gehörte wahrhaftig nicht dazu.

Die Telepathen hatten die Hyperbomben verfolgen können. Jeder Punkt auf Cpt, an

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dem sie sich in die Tiefe hatten sinken lassen, war auf einer schematischen Darstellung des Planeten rot markiert.

Sternfeuer sah sich in die Rolle derjenigen versetzt, die alle einer vielleicht vermeidbaren Gefahr aussetzte und darüber hinaus am Tod der im Metaplasmaten-Überfall Gefallenen die Schuld trug.

Sie konnte nur sagen: »Es gibt etwas zwischen Twoxl und mir,

das ich noch wissen muß.« Und trotzig: »Gebt mir eine Moskito-Jet, und ich bleibe allein hier!«

»Du bist trotzig wie ein kleines Kind!« warf Nockemann ihr vor. »Sieh doch die Tat-sachen. Er kann vielleicht eine Hyperbombe neutralisieren, aber dann bleiben immer noch vierzehn übrig. Und die können jeden Mo-ment hochgehen!«

Bevor Atlan schlichtend eingreifen konnte, meldete Hayes von der SOL:

»Wenn ihr mal einen Augenblick still seid, interessiert euch vermutlich, daß sich im Weltraum etwas zu tun beginnt.«

»Was?« fragte Atlan schnell. »Die Me-taplasmaten?«

»Sie verhalten sich ruhig. Aber ihre Basis-schiffe fangen zu glühen an – von innen her-aus.«

Anti-ES! durchfuhr es den Arkoniden. »Ich habe eines auf den Schirmen!« rief

Breck. »Seht es euch an!« Das Halbkugelschiff leuchtete dunkelrot,

dann heller und strahlender. Und plötzlich war es verschwunden. Es gab

keine Explosion, keine schrittweise Auflö-sung. Es war, als hätte die Halbkugel nie exis-tiert.

»Was ist mit den anderen, Breck?« fragte der Arkonide verblüfft.

»Das gleiche. Sie sind fort, aufgelöst – was weiß ich. Jedenfalls finden die Massetaster nichts mehr.«

Breck blickte finster um sich. »Schön, aber was haben wir dadurch ge-

wonnen? Die Hyperbomben existieren weiter. Wenn Anti-ES uns gehört hat und helfen will – warum hat es nicht sie verschwinden las-sen?«

Von dort, wo Bjo Breiskoll stand, kam ein Stöhnen.

»Es ist jetzt gleich soweit. Federspiel, Sternfeuer, ihr spürt es auch. Die Hyperme-taplasmaten sind zur Zündung bereit.«

Sanny sah Atlan an. Die Frage stand deut-lich in ihrem Blick geschrieben:

Wo ist die wirkliche Hilfe? »Wir bleiben«, sagte Atlan.

* Lyta Kunduran ließ ihre Korvette mit

Höchstbeschleunigung in den Raum schießen, als das Glühen der Basisschiffe begann. Sie erwartete ihre Explosion. Als diese nicht statt-fand, wußte sie nicht, ob sie darüber erleich-tert sein oder es als Warnung auffassen sollte – als Ankündigung für etwas, das nun in Be-wegung geriet.

Als auch weiterhin nichts geschah, machte sie das Beste aus der neuen Situation. An eine Rückkehr zur SOL dachte sie noch nicht.

»Jemand hat uns die Qual der Wahl abge-nommen«, sagte sie zu ihrer Besatzung. »Wir fliegen jetzt also zu dieser Station.«

Das Schiff nahm den Kurswechsel vor und beschleunigte abermals. Lyta ließ sich von Hayes auf dem laufenden halten und erfuhr von der dramatischen Zuspitzung auf Cpt. Hayes forderte sie zur Umkehr auf. Nach ei-nem kurzen Wortwechsel akzeptierte sie seine Argumente. Falls das jetzt unvermeidlich Er-scheinende geschah, mußte zumindest die Korvette an Bord des Mutterschiffs sein – wenn schon nicht die Atlan-Team-Kreuzer.

Bevor sie ein entsprechendes Kommando geben konnte, geschah etwas mit ihr.

Nur ganz kurz spürte sie, wie das Fremde nach ihrem Bewußtsein griff. Ganz kurz nur versuchte sie, dagegen anzukämpfen. Sie sah aus schreckgeweiteten Augen, daß es den Männern und Frauen um sie herum nicht an-ders erging.

Dann war sie ruhig. Etwas erfüllte sie mit Wärme und Entschlossenheit. Es riegelte sie von allem ab, was außerhalb der Korvette war. Es gab nur noch das Beiboot – und das Objekt jenseits des neunten Planeten.

»Weiter auf dem gleichen Kurs«, befahl sie. »Wir schießen, sobald wir nahe genug sind.«

Es war überflüssig, jedes Wort. Jeder an

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ATLAN 120 – Die Abenteuer der SOL

Bord wußte genau, was er nun zu tun hatte.

Niemand hörte Hayes’ Flüche und Appelle in den Empfängern. Wie Puppen bewegten sich die Raumfahrer, die Gesichter ausdrucks-los, die Blicke nur auf den Punkt voraus ge-richtet, der jetzt in der optischen Erfassung erschien und zur Kugel wurde.

Jetzt halt! dachte Lyta – dachte das Fremde in ihr. Es drängte sie plötzlich mit solcher Heftigkeit zur Tat, daß es sie schmerzte. Es drohte ihr das Bewußtsein zu rauben. Sie schwamm in einem Meer aus Qual, Verzweif-lung. Sie klammerte sich an ein Stück Treib-holz, das Hoffnung hieß. Die Wärme war aus ihr gewichen. Eiskalte Stürme rissen an ihr, und das Stück Hoffnung schmolz dahin.

Jetzt Feuer! Ein Impulsstrahl verließ das Polgeschütz

und erreichte in weniger als einer Sekunde die stählerne Kugel, schlug ein und ließ einen neuen Glutball entstehen.

Lyta fand nur langsam in die Realwelt zu-rück. Die Traumbilder wurden schwächer. Sie sah sich auf dem Treibholz stehen, aus dem eine Insel wurde.

Dann war auch das vorbei. Auf den Schir-men verblaßte die Atomsonne. Hayes wüten-de Stimme mischte sich in das plötzlich los-brechende Tohuwabohu in der Zentrale. Jeder redete drauflos, als hätte er soeben seine Stimme entdeckt und müßte sie ausprobieren. Noch benommen und verständnislos, versuch-te Lyta verzweifelt, sich Gehör zu verschaf-fen.

Das Gebrüll verstummte so schnell, wie es begonnen hatte. Auch Hayes sagte nichts mehr.

Lyta starrte auf das, was jetzt im Weltraum entstand. Überall bildeten sich die Lichtsphä-ren, und noch im Werden jagten sie auf Cpt zu.

»Zur SOL zurück!« rief die Stabsspezialis-tin. »Ich weiß nicht, was hier gespielt wird, aber wir haben damit jetzt nichts mehr zu tun!«

Aber haben wir die Voraussetzung dafür geschaffen? fragte sie sich. Indem wir die Kugelstation vernichteten?

Wer hat uns beeinflußt und dazu angetrie-ben?

Sie schauderte, denn aus ihrer Sicht der

Dinge konnte es nur eine Antwort darauf ge-ben. Und die hieß Anti-ES.

*

Ein vielstimmiger Aufschrei und die erste

Reaktion auf das Erscheinen der Sphären. Nur Atlan und Sanny waren ganz still, obwohl es dem Arkoniden kalt über den Rücken lief.

Die riesigen, leuchtenden Gebilde glitten fast majestätisch durch die aufgewirbelten Staubmassen der Atmosphäre, die sie funkeln ließen wie Wolken von Edelsteinen. Ihre Far-be war nicht zu bestimmen, dazu war das Licht viel zu grell.

»Position halten!« rief Atlan. Für ihn stand fest, daß dies die eigentliche

Antwort von Anti-ES war. Unglaublich schnell und zielsicher senkten sich die Sphä-ren auf den Planeten herab.

Aber reichte das noch? »Die Explosion der Hyperbomben muß je-

de Sekunde stattfinden!« schrie Bjo. Nur eine Sphäre blieb im Erfassungsbereich

der Optiken. Sie schob sich über einen der Krater und drang in ihn ein.

»Was ist das?« flüsterte Federspiel. »Le-ben?«

Die FARTULOON stand einige tausend Kilometer von der CHYBRAIN entfernt im Orbit. Vorlan Brick meldete aufgeregt:

»Aus unserer Position können wir drei Kra-terschächte übersehen! In alle drei haben sich die Sphären eingefädelt!«

Atlan kam es vor, als stünde die Zeit still. Etwas störte ihn, und plötzlich wußte er, was es war.

»Wie viele Sphären habt ihr von der SOL aus beobachten können, Breck?«

»Genau vierzehn«, kam es aus dem Hyper-empfänger.

Atlan nickte finster. »Das ist eine zu wenig. Es gibt fünfzehn

Bomben. Wir können zwei Schächte überse-hen. Einer davon ist ohne Sphäre.«

»Es ist der, in dem Twoxl ist!« fiel Stern-feuer ihm ins Wort. »Und die Bomben ... ha-ben gezündet!«

Atlan hielt den Atem an. Denn jetzt mußte sich zeigen, ob seine Rechnung aufging – oder genau das Gegenteil geschah.

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ATLAN 120 – Die Abenteuer der SOL

*

Twoxl war bereit. Er war entschlossen, so-

viel an Hyperenergie aufzunehmen und un-schädlich zu machen, wie er nur konnte. Und das sollte nicht erst beginnen, wenn die Exp-losion schon erfolgt war.

Er konnte nicht verhindern, daß Torl den Zündimpuls abgab. Aber wenn der Impuls die Bombe gar nicht erst erreichte?

Der Gedanke war ganz plötzlich in ihm gewesen, zusammen mit einem Bild. Er hatte jetzt keine Zeit, sich Fragen zu stellen. Er hatte nur das Gefühl, etwas von Ceemer und den Vergeistigten »gespürt« zu haben.

Als das Summen seinen Höhepunkt erreich-te und dann schlagartig verstummte, konzent-rierte er sich auf den Metaplasmaten. Zum erstenmal versuchte er, ganz gezielt Einfluß zu nehmen. Er wußte nicht, wie die Zündung erfolgte, wo in der Bombe, ob durch mechani-sche Auslösung, seinen Gedankenbefehl Torls oder einen Energiefluß.

Noch einmal sah er die Cpt’Wons und Cpt’Taks im Hangar der CHAIL vor sich. Dann war es soweit. Etwas in Torl geschah. Twoxl gewann die vage Vorstellung von ei-nem ultrahellen und heißen Funken, der auf-blitzte und ...

... erlosch. Die Energiemenge, die er aus dem Me-

taplasmaten herausgesogen hatte, war so ge-ring, daß er sie nicht einmal in Materie zu verwandeln brauchte.

Torl explodierte nicht. Twoxl wartete. Als auch dann nichts ge-

schah, war er bereit zu glauben, das Unmögli-che geschafft zu haben.

Im nächsten Moment bebten die Mauern des Schachtes. Twoxl schrie auf. Die anderen Bomben! Seine ganze Hinwendung zu Torl hatte sie ihn vergessen lassen.

Und jetzt explodierten sie! Jetzt rissen sie Cpt in Stücke! Er hatte nichts erreicht! Nichts!

In seiner Panik und Enttäuschung lösten sich die Komponenten voneinander und von Torl. Sie jagten im Schacht nach oben. Jede von ihnen war Twoxl. Jede wußte, daß es kei-ne Rettung gab, aber die Angst war stärker.

Unter ihnen stieg ganz langsam Torl in die

Höhe. Die Komponenten stoben aus dem Kerker,

darauf vorbereitet, in ein glühendes Inferno zu stoßen.

Es dauerte eine Weile, bis sie das Bild ak-zeptierten, das sich ihren Sichtflächen statt dessen bot.

Aus dem Nachbarschacht stieg etwas auf, das Twoxl sofort an die Strahlenden Sphären erinnerte, die früher einmal über Cpt ihre Bahnen gezogen hatten.

Doch er wußte, daß sie mit den höheren Cpt’Cpt-Formen erloschen waren. Sie waren abgestürzt und hatten verheerende Zerstörun-gen angerichtet.

Und diese Sphäre war ein wallendes Etwas aus ultraheller Strahlung, einmal tiefrot, dann stechend gelb.

Es stieg weiter, hoch in die staubgeschwän-gerte Atmosphäre.

Die Twoxl-Komponenten fügten sich wie-der zusammen, und ein einziger Gedanke war in ihnen:

Es sind die Strahlenden Sphären! Sie sind aus dem Weltraum wiedergekommen und ha-ben die Hyperenergien neutralisiert! Cpt bricht nicht auseinander! Unsere Welt ist ge-rettet!

Torl kam aus der Tiefe, schwebte vom Kra-ter weg und senkte sich auf erkaltete Lava.

Ein zweiter Hypermetaplasmat kam aus dem Nachbarkrater, landete neben Torl – und fiel entzwei.

Twoxl begriff überhaupt nichts mehr. Die Schutzhaube über dem Oberkörper des

Bombenwesens sprang in Stücke. Das Wesen rutschte vom Bombenzylinder, kippte und schlug auf den Boden. Zwei dünne Fäden zogen sich nach, wuchsen aus dem Torso und schlängelten sich darum, als sie ganz aus der Bombe heraus waren.

Twoxl hatte diesen Schock noch nicht ü-berwunden, als es hinter ihm splitterte. Er brauchte sich nicht zu drehen. Die Sehflächen anderer Komponenten zeigten ihm Torl, wie er verzweifelt versuchte, sich aus dem Zylin-der zu ziehen. Um ihn herum lagen die Bruchstücke der Schutzhaube.

Hilf mir! flehte Torl. Twoxl brauchte die Worte der fremden Sprache nicht zu verste-hen. Was das Wesen da tat, sprach für sich.

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Der Zündimpuls hatte die Bombe nicht er-

reichen können. Offenbar war dadurch die Trennung von organischem und technischem Bestandteil ermöglicht worden.

Doch Torl konnte sie noch nicht vollziehen wie der andere.

Ein greller Lichtblitz fegte über das Land hinweg, dann noch einer, und der nächste. Twoxl schrie wieder. Es folgten keine Beben. Keine neuen Risse taten sich auf.

Das Licht kam vom Himmel, und plötzlich glaubte Twoxl zu wissen, daß insgesamt vier-zehn kleine Sonnen im Weltraum entstehen würden.

Die Sphären geben die Hyperenergien ab! dachte Eins an die anderen. Sie sind wie wir. Nur haben sie es zur Explosion kommen las-sen und dann neutralisiert!

Torls Bombenzylinder kippte um. Das We-sen mußte unsägliche Qualen erleiden. Twoxl fühlte sich zwischen dem Mitleid und der Sehnsucht hin und her gerissen, endlich die letzte Gewißheit zu erhalten.

Es ließ sich nur mit Hilfe der Solaner ver-wirklichen. Nockemann mußte jetzt einen Weg finden, Torl zu befreien.

Twoxl suchte die Schiffe am Himmel. Sie waren viel zu hoch, als daß er sie aus eigener Kraft hätte erreichen können.

Dann sah er die Spionsonde. Sie schwebte über Torl. Twoxl rammte sie fast, als er auf sie zujagte und schrie:

»Kommt endlich und holt mich!«

* Atlan schickte eine robotgesteuerte Space-

Jet hinunter, die Twoxl aufnehmen und an Bord der CHYBRAIN holen sollte. Er selbst beobachtete die Sphären weiter. Nur dann und wann fiel sein Blick auf einen anderen Schirm, der Twoxl neben den beiden Me-taplasmaten zeigte. Die Gefahr war noch nicht vorüber. Uster Brick sprach das aus, was viele dachten:

»Diese Energiegebilde haben die Bomben unschädlich gemacht. Sie haben sich mit den Explosivenergien vollgesogen wie ein trocke-ner Schwamm mit Wasser. Sie sind in den Weltraum zurückgeflogen und haben ihre Ladung weit genug von uns entfernt abgege-

ben. Aber wenn sie von Anti-ES geschickt sind, können sie sich genausogut jetzt auf uns stürzen.«

»Ich glaube es nicht«, sagte Sternfeuer. »Werkzeuge von Anti-ES hätten sich nicht die Mühe gemacht, die Metaplasmaten zu schonen.«

Das war der Punkt, der nicht ins Bild paßte und auch Atlan Kopfschmerzen bereitete.

Die Bordpositronik hatte die Meßergebnis-se längst ausgewertet. Demnach war nur in Twoxls Schacht keine Explosion erfolgt. In allen anderen hatten sich die Bomben gezün-det.

Aus allen anderen aber waren auch die Me-taplasmaten herausgestiegen – und zwar mit den Bombenzylindern.

Es sind keine Bomben, wie deine Vorfahren sie gebaut haben! wisperte der Extrasinn. Es ist durchaus möglich, daß die eigentliche Explosion außerhalb der Zylindermäntel er-folgte. Die Zündung kam von innen heraus, aber das Abstrahlfeld kann kugelförmig um sie herum gelegen haben. Auf jeden Fall wä-ren die Metaplasmaten atomisiert worden, wenn die Sphären sie nicht geschützt hätten. Ich habe auch keine Erklärung dafür, aber Sternfeuers Einwand erscheint mir einleuch-tend.

Wenn dem so war – wer hatte dann wirk-lich die Sphären geschickt?

Brick riß den Arkoniden aus seinen Gedan-ken.

»Achtung! Sie kommen zurück!« Die Sphären, nun wieder hell und licht-

durchflossen, setzten sich erneut auf Cpt zu in Bewegung. Sie drangen an verschiedenen Stellen in die Atmosphäre ein, und was nun geschah, machte das Rätsel vollkommen.

»Die Radioaktivität nimmt ab!« rief No-ckemann, der die Schirme kontrollierte, auf die die Meßergebnisse der noch auf Cpt be-findlichen Sonden projiziert wurden. »Überall dort, wo die Sphären auftauchen! Sie treiben regelrechte strahlungsfreie Korridore in die Atmosphäre und saugen ...« Er lachte hilflos. »Ich kann es nicht anders sagen. Sie saugen den Planeten ab! Und jetzt jagen sie wieder in den Weltraum!«

Wenig später stand fest, daß die Sphären im All die aufgenommene Strahlung abgaben wie

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zuvor die Hyperenergien. Sofort kehrten sie nach Cpt zurück, wo das Ganze von vorn be-gann. Der Vorgang wiederholte sich einige Male.

»Haltet mich für verrückt«, sagte Brick. »Aber jetzt glaube ich sogar an Twoxls Pro-phezeiung, daß doch wieder Leben auf Cpt möglich sein soll. Die Gebilde reinigen den Planeten. Es würde mich gar nicht mehr wun-dern, wenn sie nun auch noch die erstarrte Lava wieder verflüssigen und in die Krater zurückfließen ließen. Und wenn sie die Berge wieder auftürmten und neue Bäume und Sträucher wachsen ließen.«

»Twoxl hat es geahnt«, flüsterte Sternfeuer. »Er hat gehofft, daß so etwas geschieht. Und ich glaube, ich weiß jetzt, wer und was diese Sphären sind.«

Bevor sie weitere Erklärungen abgeben konnte, sagte Nockemann:

»Dein Twoxl scheint darüber so glücklich zu sein, daß er jetzt sogar den Samariter spielt. Da! Er läßt den befreiten Metaplasma-ten in die offene Luke der gelandeten Space-Jet kriechen und macht sich an dem anderen zu schaffen.«

»Das soll er gefälligst sein lassen!« rief Brick. »Er bringt die ungezündete Bombe mit an Bord! Ich weiß zwar nicht, wie er verhin-derte, daß sie hochging, aber das kann jeder-zeit noch geschehen!«

Atlan zog ein Mikrofon zu sich heran und redete auf den Cpt’Kul ein. Twoxl hörte ihn deutlich genug aus den Empfängern im Han-gar der Jet, dachte aber nicht daran, sein Trei-ben zu unterbrechen.

Er hockte auf dem Metaplasmaten und hat-te seine Komponenten wie eine Schale um ihn herum angeordnet. Nun begann er zu schwe-ben – mit dem Bombenwesen und dem Zylin-der in die Luke hinein.

»Atlan?« fragte Nockemann nur. Der Arkonide preßte die Lippen aufeinan-

der. Er sah Sternfeuers Flehen, aber auch die Ablehnung in den Gesichtern der anderen.

Twoxl nahm ihm die Entscheidung ab: »Bringt mich in den Weltraum!« schrillte

seine Stimme aus den Lautsprechern. »Ich brauche Hilfe. Allein kann ich Torl nicht be-freien! Jemand muß die Bombe öffnen!«

»Er rechnet damit, daß sie explodiert. Des-

halb will er es im All tun«, sagte Bjo. »Er hat aber auch den anderen Metaplasmaten an Bord. Er muß aussteigen, wenn er das tun will, was ich mir denke.«

»Ich gehe zu ihm!« rief Sternfeuer impul-siv.

Bjo legte ihr eine Hand auf den Arm. »Ich gehe, Sternfeuer. Und Hage, falls er

...« »Sprich’s nicht aus«, seufzte Nockemann.

»Ich komme auch so mit.« Beide liefen aus der Zentrale. Federspiel

hielt seine Zwillingsschwester zurück. Dafür setzte sich unaufgefordert Blödel in Bewe-gung.

Uster Brick drehte sich zu Atlan um und schüttelte nur den Kopf.

»Uns fragt überhaupt keiner mehr, was, Chef? Jeder macht, was er will, und so was nennt man Borddisziplin.«

*

Breiskoll, Nockemann und Blödel sprangen

aus ihrer Moskito-Jet, kaum daß sich die Hangartore der Space-Jet hinter ihnen ge-schlossen hatten und neue Atemluft einge-strömt war. Sie fanden Twoxl und die beiden Metaplasmaten im Nachbarhangar. Das von seiner Bombe befreite Wesen hockte still in einer Ecke und beobachtete aus drei riesigen Augen, die fast den ganzen Kopf ausmachten. Genau zwischen ihnen war ein langer Saug-rüssel aufgerollt. Der Oberkörper mit den beiden »Fäden« besaß ebenfalls drei Arme.

Torl war zusammengesunken. Er schien den Kampf aufgegeben zu haben.

»Ich weiß, daß die Bombe unter ihm immer noch explodieren kann«, sagte Twoxl schnell. »Deshalb wollte ich, daß es hier geschieht, wo kein großer Schaden entstehen kann.« Er ließ die Ankömmlinge gar nicht erst zu Wort kommen. »Ihr müßt mir helfen. Ich habe kei-ne Hände und kann keine Werkzeuge benut-zen. Wir müssen aussteigen und Torl im Weltraum aus der Bombe schälen. Sonst stirbt er. Seht ihn doch an!«

Bjo spürte die Qualen, die Torl ausstrahlte. Er blickte Nockemann an, und der nickte.

»Wir müssen es versuchen. Blödel wird uns behilflich sein. Er, du und ich verlassen das

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Schiff, Twoxl. Bjo bleibt an Bord und bringt es aus der Gefahrenzone.«

»Moment!« protestierte der Katzer. »So war das nicht ausgemacht. Wenn die Bombe ...«

»Wir müssen es einfach riskieren«, unter-brach der Galakto-Genetiker ihn. »Du traust dir wirklich zu, die Explosion zu neutralisie-ren, Twoxl?«

»Ich muß es können.« »Und uns zu schützen?« »Ich will, daß Torl lebt! Kommt jetzt end-

lich, oder es ist für ihn zu spät.« »Er kann es, Bjo. Sternfeuer hat es beo-

bachtet. Er kann das tun, was auch die Sphä-ren gemacht haben. Blödel, gib mir den Raumanzug für ihn.«

Es war ein unförmiger Ballon, den der Ro-boter in aller Eile aus drei normalen Rauman-zügen zusammengeschweißt hatte. Twoxl begriff augenblicklich. Natürlich konnte er ohne Schutz im Vakuum nicht existieren. Das gleiche galt für Torl.

Nockemann und Blödel hielten den Ballon auf. Twoxl senkte sich hinein. Der an einigen Stellen durchsichtige Sack schloß sich über ihm. Ein außen angebrachtes Aggregat sorgte für die Sauerstoffversorgung im Innern. Dar-über hinaus gab es eine Kommunikationsvor-richtung.

Ein zweiter und kleinerer Sack wurde über Torls Oberkörper gestülpt. Mikrosensorische Schmiegevorrichtungen sorgten dafür, daß er unter den Armen des Wesens hermetisch abschloß.

Nachdem Nockemann den eigenen Raum-anzug geschlossen hatte, gab er Bjo ein Zei-chen.

Der Mutant verzichtete auf weitere Ein-wände. Er wußte, daß Nockemann als Wis-senschaftler nicht nur Torls Rettung interes-sierte. Hage mochte sich Aufschlüsse über den noch unbegreiflichen Bio-Technik-Organismus erhoffen.

Breiskoll verließ den Hangar. Als er in der Leitzentrale war, öffnete er das Schott. Durch die Transparenthaube sah er, wie Nockemann und Blödel mit den beiden unförmigen Ges-talten aus der Schleuse glitten.

»Zieh dich mit dem Schiff zurück, Bjo!« rief der Wissenschaftler über Funk. »Damit

wir anfangen können!« Bjo tat es mit sehr gemischten Gefühlen.

Die Empfänger spielten verrückt. Nicht nur Atlan wollte wissen, was jetzt geschah. Hayes fluchte in einem fort. Für ihn war das Kapitel Cpt erledigt. Er drängte zum Aufbruch, denn noch immer standen die kleineren Metaplas-maten im Raum und konnten jederzeit mit einem neuen Überfall beginnen.

Bjo schaltete die Funkanlage einfach aus. Er hatte nur noch Augen für das, was sich jetzt in wenigen tausend Kilometer Entfer-nung tat. Die Fernoptiken zeichneten gesto-chen scharfe Bilder auf die Schirme. Nocke-mann und Blödel trieben um die beiden Bal-lone herum.

»Wir fangen jetzt an!« verkündete Hage. Bjo fuhr die Schutzschirme der Space-Jet

hoch.

* Der Metaplasmat drehte sich leicht um die

Zylinderachse. Von Torl war so gut wie nichts zu sehen. Twoxl haftete an der Bombe. Nockemann und Blödel umkreisten sie wie Satelliten.

»Ich bin bereit!« schrillte es aus Twoxls Kommunikationsvorrichtung. »Fangt endlich an!«

»Seinen frechen Ton hat er nicht verloren«, seufzte Nockemann. »Also, Blödel. Du schweißt an den Stellen auf, die ich dir zei-ge.«

Es war ein Glücksspiel. Nockemann war vollkommen ahnungslos, wo er anzusetzen hatte. Er kam sich vor wie ein blutiger Laie, der ein hochkompliziertes technisches Gerät mit Hammer und Meißel auseinandernahm. Dabei kam es nicht nur darauf an, die Zün-dung der Bombe möglichst zu verhindern, sondern auch Torls Restgliedmaßen nicht zu zerstören, die in sie hineingewachsen waren.

Nockemann redete sich ein, daß Twoxl gleich Carch war, und daß Carch zwar alles mögliche Verrückte angestellt hatte, aber nie einen Freund in Gefahr gebracht. Trotzdem schwitzte er Wasser und Blut, als eine Klappe in Blödels Zylinderkörper aufflog und sich ein Projektor auf die Bombe richtete.

Der nadelfeine Energiestrahl schnitt sich

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ganz dicht unter dem oberen Zylinderende in das Metall der Bombenverkleidung.

Nur nicht zu tief! dachte Nockemann. Zuru-fen konnte er es Blödel nicht mehr. Seine Zunge war gelähmt. Erst in diesem Moment kam ihm voll zu Bewußtsein, worauf er sich eingelassen hatte.

Er drehte sich und sah den winzigen Licht-punkt, der die Space-Jet war. Die Energieent-ladungen der vierzehn Sphären waren so ge-ring oder so von der SOL und von Cpt fortge-richtet gewesen, daß ihr fünfdimensionaler Effekt gleich Null gewesen war. Nockemann glaubte eher, daß die Sphären die Energien bereits umgewandelt und harmloser gemacht hatten.

Aber konnte auch Twoxl das? Konnte er es wirklich?

Plötzlich kam Nockemann alles, was Stern-feuer berichtet hatte, unglaubwürdig vor.

Wenn sie nur phantasiert hatte ... Hör auf, Blödel! Der Strahl schnitt sich kreisförmig in die

Bombenhülle. Das ausgelöste Stück kippte heraus und trieb in der Schwerelosigkeit des Alls langsam davon.

Dahinter waren im Licht des Helmschein-werfers winzige Schalteinheiten zu erkennen, die sich in ein flauschiges Gespinst einbette-ten.

Der Strahl zuckte wieder auf. Er fraß sich in das Gespinst.

Um Himmels willen! Aufhören, Blödel! »Aufhören!« löste sich der Schrei aus No-

ckemanns Kehle. Es war zu spät. Die Hyperbombe explodierte.

* Bjo Breiskoll sah den Glutball und schloß

die Augen. In diesem Moment war er sicher, daß das Spiel mit dem Feuer mit der Katast-rophe geendet hatte, die jeder hatte erwarten müssen, der seine fünf Sinne beisammen hat-te.

Seine Gedanken rasten. Was sollte er Atlan und Hayes erklären? Wie konnte er ihnen je wieder unter die Augen treten. Er konnte die Funkanlage blockieren, nicht aber die telepa-thischen Verzweiflungsschreie Sternfeuers,

die ihn jetzt mit betäubender Wucht erreich-ten.

Du wolltest es doch! hielt er ihr entgegen. Jeder andere kann mir jetzt Vorwürfe ma-chen! Aber du warst es, die dies wollte!

Mach deine Augen auf, Bjo! Laß mich durch sie sehen!

Er tat es. Er bildete mit ihr eine Einheit. Er war der Außenposten. Was er sah, sahen auch Sternfeuer und Federspiel.

Und sie sahen die Feuerkugel verlöschen, die nur der optische Ausdruck dessen gewe-sen war, was die Orter der Space-Jet fast zum Durchschlagen gebracht hatte. Bjo hatte es nicht einmal registriert. Doch von Sternfeuer floß ihm nun zu, daß die Atlan-Schiffe und noch schlimmer die SOL mit ungeheuren hy-perenergetischen Wellenfronten zu kämpfen hatten – bis zu diesem Augenblick.

Die Fernoptiken zeigten den Metaplasma-ten, zeigten den Twoxl-Ballon und die beiden menschenförmigen Gestalten um sie herum. Der direkte Blick wurde nicht nur durch den schwachen Strahl getrübt, der von Twoxl aus in den Weltraum fuhr und erlosch, sondern darüber hinaus durch dunkle Punkte kosmi-scher Mikromaterie, die die Gruppe kugel-förmig einhüllte.

»Bjo!« hörte der Katzer im Funkempfän-ger. »Es ist vorbei. Komm und hol uns zu-rück! Wir waren im Auge des Tornados! Die Energien strahlten von uns fort!«

Er zögerte keine Sekunde. Die Orteranzei-gen sanken auf den Nullwert zurück. Die Explosionsenergie war verpufft oder in eine andere Dimension geschleudert worden.

Bjo leistete Sternfeuer Abbitte für seine Zweifel, noch bevor er die Gruppe erreichte. Er öffnete das Hangarschott. Nockemann, Blödel, Twoxl und das Oberteil des Me-taplasmaten setzten sich in Bewegung und kamen herein. Nur der leere Bombenzylinder blieb zurück.

Bjo ließ das Schott zufahren. Ein Bild-schirm zeigte ihm, was weiter geschah. Ein Kontrollicht leuchtete auf. Die Luftzufuhr in den Hangar war erfolgt. Nockemann streifte als erster den Raumhelm ab und sah in die Optik. Er wirkte wie ein Leichnam, der sei-nem Sarg entstiegen war – blaß, zitternd, mehr tot als lebendig.

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ATLAN 120 – Die Abenteuer der SOL

»Zur CHYBRAIN, Bjo«, konnte er nur

noch krächzen, bevor die Ohnmacht ihn ü-bermannte.

Blödel stakste auf Twoxl zu und schnitt dessen Schutzanzug auseinander. Der Cpt’Kul schwebte zur Decke, dann zurück zu dem Metaplasmaten-Oberleib, als Blödel auch diesen freigelegt hatte.

»Er lebt, Bjo!« schrillte es aus einer der sieben Membranen. »Er ist gerettet! Sage At-lan, daß ihr die anderen dreizehn Metaplasma-ten-Wesen von Cpt bergen müßt! Und die SOL darf unser System noch nicht verlassen! Unter keinen Umständen, verstehst du?«

Bjo verstand nicht. Er ließ das Schiff Fahrt aufnehmen und sehnte sich danach, ausstei-gen und wieder seine Rolle im Hintergrund einnehmen zu können.

Nur zu gern gab er die Verantwortung ab. Das hatte nichts mit Feigheit zu tun. Vielmehr spürte er, daß hier Kräfte am Werk waren, deren Wirken sein Begriffsvermögen weit überstieg.

Ihn schauderte, als er sah, wie sich Twoxl teilte und jede der sieben Kugeln versuchte, Torl aufzurichten.

8.

Das neue Leben

Zehn Stunden waren seit der Rückkehr der

Space-Jet vergangen – zehn Stunden, in denen die dreizehn Hyperplasmatenwesen von Cpt an Bord der SOL geholt worden waren. No-ckemann, von Blödel mit einer Injektion wie-der fit gemacht, war bei ihnen. In einem Spe-ziallabor versuchte er ihnen zu helfen. Sie lebten alle, doch große Hoffnung bestand für sie nicht. Offenbar war ihr Metabolismus vollkommen auf die Bombenkörper abge-stimmt gewesen. Nockemann vermutete einen phantastischen Stoffwechselkreislauf. Das zweite und nicht minder große Problem stell-ten die nur ansatzweise vorhandenen Unter-gliedmaßen dar.

Die CHYBRAIN und die FARTULOON befanden sich wieder in der SOL. Atlan und die meisten seiner Teamgefährten waren in der Hauptzentrale.

Sie beobachteten, wie die vierzehn Strah-

lenden Sphären zum letztenmal nach Cpt zu-rückkehrten. Wie riesige Lichtteppiche zogen sie ein komplexes Muster über die Oberflä-che. Als sie dann wieder aufstiegen, konnten die Sonden keine Spur von Radioaktivität mehr feststellen.

»Sie gehen dorthin zurück, woher sie ge-kommen sind«, flüsterte Sternfeuer fast an-dächtig. Nur Twoxl schien den Sinn ihrer Worte zu verstehen. Er hockte als Gesamtheit auf ihrem Schoß. Die lederartige Haut der Komponenten schimmerte feucht. Atlan wer-tete es als ein Zeichen hochgradiger Erregung.

Die SOL stand inzwischen wieder tiefer im System. Die Sphären schwebten an ihr vorbei, wurden schneller und schneller und waren bald nur noch als Ortungsreflexe zu verfol-gen.

Dann verschwanden dreizehn von ihnen übergangslos von den Schirmen. Nur eine einzige blieb im Normaluniversum.

»Sie nimmt Kurs auf die Metaplasmaten-wolke!« entfuhr es Hayes.

Die Bomben im Weltraum hatten sich seit Ende des Überfalls nicht von der Stelle ge-rührt, für die Solaner die Bestätigung dafür, daß sie ihre Befehle über die Basisschiffe erhalten hatten.

Atlan sah, wie der Ortungsschatten der Sphäre eins wurde mit den vielen kleinen Punkten. Er versuchte sich bildhaft auszuma-len, wie sich das Energiegebilde über die Me-taplasmaten schob.

»Explosionen!« rief Curie van Herling. »Mindestens hundert!«

Die Sphäre verschwand wie vor ihr die an-deren.

»Wer immer sie schickte«, murmelte Breiskoll, »sie haben ihre Aufgabe hier gründlich erfüllt.«

Niemand sprach mehr offen von Anti-ES als ihrem Absender. Die Gefahr für Cpt und die SOL war im Augenblick vorüber. Daß nun alle Metaplasmaten unschädlich gemacht waren, verstärkte Atlans Zweifel an seiner bisherigen Theorie. Jemand schien der Super-intelligenz zuvorgekommen zu sein. Anti-ES konnte sich jetzt kaum noch Hoffnungen ma-chen, Wöbbeking im Cpt-System auftauchen zu sehen. Die Voraussetzungen dazu waren nicht mehr gegeben.

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Der Arkonide drehte sich zu Twoxl um.

Spontan fragte er: »Du weißt, woher die Sphären kamen, o-

der?« »Das und noch mehr«, zirpte es ihm schrill

entgegen. Twoxl hielt es anscheinend nicht mehr in seiner Ruhestellung. Er schwebte zur Decke hinauf. »Ich hatte schon lange eine Vermutung, doch es gab zu vieles, das dage-gen sprach.«

»Wogegen?« »Alle früheren Generationen meines Vol-

kes hielten die Strahlenden Sphären für Leben aus dem Weltraum. Immer wieder erschienen sie über Cpt. Ich glaubte nicht, daß es sie noch gäbe, denn als die verderbliche Strah-lung auf die höheren Formen zu wirken be-gann, starben auch sie.«

»Und was sind sie wirklich?« »Die fünfte Form«, antwortete Sternfeuer

für Twoxl. »Die fünfte Entwicklungsform der Cpt’Cpts. Sie stehen über den Cpt’Kuls, wie Twoxl jetzt einer ist, und unter den Vergeis-tigten, die das Endstadium darstellen.«

Wajsto Kolsch seufzte. »Dann geht das wieder von vorne los? Du

wirst wieder von deiner Geburt reden, und dann schließlich zu solch einer Sphäre wer-den?«

Twoxl senkte sich zu ihm herab. »Ich habe viel Zeit, Wajsto. Ich weiß, daß

ich sehr lange als Twoxl leben werde, länger als ihr alle vielleicht. Und ich brauche diese Zeit, um auf Cpt die neuen Cpt’Noks zu betreuen und zu beschützen, bis sie für sich selbst sorgen können. Jetzt, wo es keine tödli-che Strahlung mehr gibt, werden wieder Cpt’Noks entstehen, und aus ihnen Cpt’Kuls und ...«

»Hör auf!« lachte Atlan. »Deinen Cpt-Salat versteht keiner außer dir.« Er wurde ernst. »Du willst also hier zurückbleiben, Twoxl? Du gehst nicht mit uns?«

Aus dem Zirpen der Sprechmembranen schien Trauer zu klingen.

»Ich muß bleiben, Atlan, wenigstens vor-läufig. Ich hatte die Hoffnung schon aufgege-ben, als ich die Botschaft der Vergeistigten vernahm. Sie riefen mich, als wir zur SOL zurückkehrten. Sie waren es, die die Sphären aus ihrer Substanz bildeten und wieder zu sich

zurückholten. Die schrecklichen Vorgänge auf Cpt haben sie zunächst gelähmt. Sie konn-ten nicht eingreifen. Dann aber schlug ihre Lähmung in das Gegenteil um. Viele Jahre oder Jahrtausende lang existierten sie stumm und interesselos in ihrem Überraum. Die Schutzzone als geistigen Wall gegen die nega-tiven Einflüsse hier in der Innenzone von Xiinx-Markant schufen sie rein instinktiv. Es hat eines Schocks bedurft, um sie aus ihrer Apathie zu wecken. Sie zwangen Lyta dazu, die Strahlungsquelle im Weltraum zu zerstö-ren, und machten damit den Einsatz der Sphä-ren möglich. Das war der Anfang. Jetzt er-starken sie, Atlan, und jetzt wollen sie gegen das Böse kämpfen.«

»Wie?« »Noch brauchen sie die Hilfe anderer, die

körperlich in unserem Universum agieren können. Aber sie können uns über mich ihr Wissen mitteilen. Auf Cpt wird eine neue Zeit anbrechen. Die Kriegsstrahlung in den Au-ßenbezirken dieser Galaxis existiert nicht mehr. Eine wirkliche und endgültige Norma-lisierung der Zustände ist jedoch erst dann möglich, wenn es gelingt, den Struktor zu finden. Ganz gleich, wie der Kampf gegen Anti-Homunk ausgeht – er ist nur ein Sklave von Anti-ES. Der Struktor muß gefunden und übernommen werden, Atlan. Solange dies nicht geschehen ist, muß ich auf Cpt bleiben.«

»Du sagst uns nicht alles, was du über ihn weißt«, sagte der Arkonide.

»Weil es noch zu früh wäre. Ich verstehe die weiteren Zusammenhänge selbst noch nicht ganz – nur daß wir den Struktor brau-chen, um Xiinx-Markant wieder zu dem zu machen, was es einmal war. Ich nehme mich dieses Problems an. Fliegt ihr nun zum Zent-rum der Innenzone und kümmert euch um Anti-Homunk. Ich bitte euch nur um ein Raumschiff, damit ich beweglicher bin.«

Atlan schwieg lange. »Du wirst uns jederzeit wieder willkommen

sein«, sagte er endlich. »Dein Platz im Atlan-Team bleibt für dich frei. Wir haben alle ge-sehen, über welche großartige neue Fähigkeit du verfügst.«

»Er will sagen«, fügte Breiskoll schnell hinzu, »daß du uns als Energieneutralisator doppelt willkommen bist – aber nicht nur aus

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diesem Grund.«

»Bevor wir alle in Tränen ausbrechen«, kam es von Hayes, »sollten wir zusehen, daß wir vorankommen. Ich stelle dir eine Korvette zur Verfügung, Twoxl, und eine Besatzung dazu. Sie steht im gleichen Hangar wie die CHAIL.«

»Dann müssen die Cpt’Wons und Cpt’Taks umgeladen werden. Und die Kalmorer! Ich überwache das.«

Twoxl schwebte aus der Zentrale. Sternfeu-er mußte ihm hinterherlaufen, um ihm den Weg zu zeigen.

Zwei Stunden später war die MTK-9 start-klar. Hayes hatte das Kommando der Buhr-lofrau Mata St. Felix übertragen, der jüngeren Schwester von Bora. Den Eigennamen BA-NANE verdankte das Schiff Henny Lupino, die darauf bestanden hatte, ebenfalls auf Cpt zu bleiben. Außer den beiden Frauen gehörten zehn weitere Solaner zur Besatzung. Mata hatte sie unter mehr als hundert Freiwilligen ausgesucht.

Der – trotz der Verluste im Kampf gegen die Bomben – glückliche Ausgang des Cpt-Abenteuers erfuhr seine Abrundung dadurch, daß es Nockemann doch noch gelungen war, alle fünfzehn Metaplasmaten-Wesen am Le-ben zu halten. Mehr noch – durch Hinzufü-gung einer technischen Komponente lebten sie sichtlich wieder auf. Der neue »Unterleib« machte sie flugfähig und erfüllte vorerst ähn-liche Funktionen wie die Bomben. Nach und nach sollten die Wesen sich wieder daran ge-wöhnen, normale Nahrung zu sich zu nehmen und ohne ihre Prothesen zu leben.

Aber das war Zukunftsmusik. Der Abschied fiel kurz und schmerzlos aus.

Twoxl dankte Atlan und Hayes noch einmal für das, was sie für ihn und sein Volk getan hatten. Jeder versprach dem anderen, daß es bald ein Wiedersehen geben würde – nach-dem Anti-Homunk ausgeschaltet sein würde.

Sternfeuer beobachtete die davonfliegende Korvette mit Tränen in den Augen.

»Du wärst am liebsten auch bei ihm geblie-ben«, erriet Atlan. »Aber wir brauchen dich bei dem, was auf uns zukommt.«

»Ich weiß es ja«, sagte sie leise. »Aber wenn eine Mutter ihr einziges Kind zurück-lassen muß ...«

»Was?« riefen ein Dutzend Stimmen zugleich. Hayes verschluckte sich fast. Stern-feuer zuckte die Schultern.

»Naja, er hat mir auf dem Weg in den Han-gar gesagt, wie er zu Carch wurde. Er traf nach langer Odyssee als geistiger Impuls auf die SOL, genauer gesagt, auf mich. Ich lag noch im Tiefschlaf und wußte bis heute nichts davon. Er meinte, nur durch die Harmonie mit mir sei er geboren worden.«

»Jetzt aber los!« lachte Hayes. »Cara, bring das Schiff in Bewegung, bevor auch ich mich zu fragen beginne, ob ich überhaupt schon geboren bin!«

Das allgemeine Gelächter befreite für wert-volle Minuten von der bedrückenden Last, die noch immer auf den Seelen der Raumfahrer lag.

Die wirkliche Auseinandersetzung mit An-ti-Homunk stand noch bevor.

Sie begann jetzt. Die SOL nahm Fahrt auf, Kurs Zentrum, Kurs Leuchtendes Auge. Atlan wollte sich für eine Weile allein in seine Ka-bine zurückziehen. Sanny folgte ihm.

»Du hast versucht, über Anti-ES zum Er-folg zu gelangen«, sagte sie mit unüberhörba-rem Vorwurf, als sie unter sich waren. »Ver-mutlich hätte die negative Superintelligenz auch massiv eingegriffen, wenn die Vergeis-tigten ihr nicht zuvorgekommen wären. Viel-leicht ist deren Erwachen in Wirklichkeit auch nur auf eine Manipulation von Anti-ES zu-rückzuführen. Du hast dich der Absichten des Bösen bedient, Atlan!«

Der Arkonide blickte ihr tief in die großen Augen.

»Der Erfolg rechtfertigt nicht immer die Mittel, Sanny, das bestreitet niemand.« Mit seltsamer Betonung aber fügte er dann hinzu: »Ich denke mir jedoch, daß Kik mein Handeln wohl gefallen hätte.«

Sanny tat ihm nicht den Gefallen, darauf zu antworten. Nur ihr schwaches Lächeln verriet, daß die Anspielung verstanden worden war.

Epilog

Etwa eine Woche nach dem Abflug der

SOL standen auf Cpt wieder Hütten, noch primitive Behausungen aus Bauelementen, die Hayes vorsorglich in die Laderäume der BA-

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NANE hatte bringen lassen. Die Kalmorer begannen Saatgut in die Erde zu streuen, wo das Land am Fluß von den schlimmsten Ver-wüstungen verschont geblieben war.

Zwei flache Gebäude waren etwas abseits der neuen Siedlung errichtet worden. In einem befanden sich die fünfzehn befreiten Hyper-bomben-Wesen, die sich sichtlich erholten.

Im zweiten Gebäude wachte Twoxl über die entstehenden Cpt’Noks. Diesmal starben sie nicht.

Twoxl hatte die Vision einer neuergrünten Welt, auf der Cpt’Noks, Kalmorer und auch die Metaplasmaten in Frieden zusammenleb-ten. Die Saat würde bald aufgehen. Bis dahin reichten die großzügigen Nahrungsvorräte, die Hayes ebenfalls gespendet hatte.

Aber bis dahin mußte auch der Struktor ge-funden sein. Twoxl stand jetzt in fast ständi-ger geistiger Verbindung mit den Cpt’Cpts, und auch Ceemer sprach wieder zu ihm.

Die Entscheidungen standen bevor – hier und beim Leuchtenden Auge.

Dort aber hockte Anti-Homunk verunsi-

cherter denn je, nachdem er sich schwerste Vorwürfe von Anti-ES hatte anhören müssen. Die Superintelligenz gab deutlich zu verste-hen, daß sie sich ein Vorbeihandeln an ihr nicht noch einmal gefallen lassen würde.

Der ganze Zorn des Androiden richtete sich gegen die SOL, die er für alles verantwortlich machte – seine Demütigung und das Wieder-erstarken der Cpt’Cpts.

Sollte sie kommen! Er erwartete sie begie-rig und war bereit für seine Rache.

Anti-ES hatte die Basisschiffe zerstört und ihn damit seiner letzten Armee beraubt, die sonst die SOL vernichtet hätte. Die Hinhalte-taktik war verantwortlich für das Eingreifen der Sphären.

Anti-ES kannte nur seine eigenen Ziele. Die Superintelligenz war es, die an ihrem Helfer vorbeihandelte.

Nur die Rache, die konnte sie Anti-Homunk nicht nehmen.

ENDE

Weiter geht es in Band 121 der Abenteuer der SOL mit:

Das leuchtende Auge von Hans Kneifel

Impressum: © Copyright der Originalausgabe by Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt Chefredaktion: Klaus N. Frick © Copyright der eBook-Ausgabe by readersplanet GmbH, Passau, 2008, eine Lizenzausgabe mit Genehmigung der Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

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