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S Plasmamodifikation und Enzym- immobilisierung zu kombinieren, hört sich im ersten Moment unge- wöhnlich an, abwegig ist es jedoch nicht. Beide Verfahren sind – ge- trennt von einander – seit gerau- mer Zeit etabliert. Plasmen funk- tionalisieren Oberflächen rück- standsfrei, schnell und umwelt- freundlich; speziell die Werkstoff- industrie wendet sie an, z. B. als Haftvermittler. Die im Plasmapro- zess verwendeten Additive bestim- men neben der Prozessführung die späteren Eigenschaften des Materi- als 1) – von direkter Integration der Teilchen in die Oberfläche bis zur Beschichtung (Abbildung 1). Enzymatische Verfahren sind auf Grund ihrer oft sehr hohen Sub- strat-, Stereo- und Regioselektivitä- ten Alternativen zu klassischen, che- mischen Synthesen. Dennoch nutzt die Industrie sie in nur vergleichs- weise wenigen Prozessen, beispiels- weise bei der Herstellung enantio- merenreiner Wirkstoffe für die Phar- mazie. 2) Einer der Hauptgründe dürfte die geringe Stabilität einiger Enzyme sein. Um diesen Nachteil zu beseitigen, wird unter anderem ver- sucht, diese Biokatalysatoren auf fes- ten Trägern zu immobilisieren. Der- art gebundene Enzyme sind mehr- fach einsetzbar, oder sie ermöglichen eine kontinuierliche Prozessfüh- rung; die oftmals teuren Biokatalysa- toren lassen sich so besser nutzen. Aktivitätssteigerung durch Sauerstoffplasma S Eine einfache und schnelle Art, eine Oberfläche zu modifizieren, bieten physikalische Plasmen – besser bekannt als ionisierte Gase. Die ionisierte Gaswolke besteht aus einer Mischung aus Radikalen, me- tastabilen Spezies und freien Elek- tronen. Diese reagieren mit der Oberfläche und erzeugen Funktio- nalitäten. 3) Accurel MP1001 ist ein poröses Polypropylengranulat, dessen Deri- vate bereits früher zur adsorptiven Immobilisierung von Enzymen – meist Lipasen – dienten. 4) Um die Immobilisierungsausbeute auf die- sem Material zu erhöhen, wurde bislang das Polypropylen mit Etha- nol vorbehandelt. Eine Modifizie- rung im gepulsten Gasphasenplas- ma mit dem Zusatz von Sauerstoff macht diesen nasschemischen Schritt überflüssig. Die Funktiona- lisierung des Accurel MP1001 schafft innerhalb von 60 Sekunden eine Mikroumgebung, die bessere Voraussetzungen für die adsorptive Bindung der Esterase aus Pyrobacu- Torge Vorhaben, Marko Häckel, Uwe T. Bornscheuer, Ulf Menyes Physikalische Plasmen modifizieren Oberflächen gezielt und umweltfreundlich. Mit funktionellen Gruppen entstehen so in wenigen Schritten Oberflächen mit maßgeschneiderten Eigenschaften, beispielsweise um Enzyme darauf zu fixieren. Plasmagestützte Immobilisierung von Enzymen BPlasmachemieV e - : freie Elektronen : UV-Strahlung + : Ionen R * : Radikale O O COOH NH 2 OH Abb. 1. Oberflächenfunktionalisierung in einem Gasphasenplasma. 1147 Nachrichten aus der Chemie| 59 | Dezember 2011 | www.gdch.de/nachrichten VV Physikalische Plasmen sind teilionisierte Gase, die im Niederdruck oder unter Atmosphären- druck für spezifische Oberflächenmodifikatio- nen getrimmt werden können. VV Die Materialstruktur ist durch die hohe Spalt- gängigkeit der Plasmen unerheblich für die Funktionalisierung. VV Eine optimierte, plasmagestützte Trägermodifi- zierung erhöht die Ausbeute eines immobilisier- ten Enzyms und beeinflusst seine Eigenschaften positiv. S QUERGELESEN

Plasmagestützte Immobilisierung von Enzymen

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S Plasmamodifikation und Enzym -immobilisierung zu kombinieren, hört sich im ersten Moment unge-wöhnlich an, abwegig ist es jedoch nicht. Beide Verfahren sind – ge-trennt von einander – seit gerau-mer Zeit etabliert. Plasmen funk-tionalisieren Oberflächen rück-standsfrei, schnell und umwelt-freundlich; speziell die Werkstoff-industrie wendet sie an, z. B. als Haftvermittler. Die im Plasmapro-zess verwendeten Additive bestim-men neben der Prozessführung die späteren Eigenschaften des Materi-als1) – von direkter Integration der Teilchen in die Oberfläche bis zur Beschichtung (Abbildung 1).

Enzymatische Verfahren sind auf Grund ihrer oft sehr hohen Sub-strat-, Stereo- und Regioselektivitä-ten Alternativen zu klassischen, che-mischen Synthesen. Dennoch nutzt die Industrie sie in nur vergleichs-weise wenigen Prozessen, beispiels-weise bei der Herstellung enantio-merenreiner Wirkstoffe für die Phar-mazie.2) Einer der Hauptgründe dürfte die geringe Stabilität einiger Enzyme sein. Um diesen Nachteil zu beseitigen, wird unter anderem ver-sucht, diese Biokatalysatoren auf fes-ten Trägern zu immobilisieren. Der-art gebundene Enzyme sind mehr-fach einsetzbar, oder sie ermöglichen eine kontinuierliche Prozessfüh-rung; die oftmals teuren Biokatalysa-toren lassen sich so besser nutzen.

Aktivitätssteigerung durch Sauerstoffplasma

S Eine einfache und schnelle Art, eine Oberfläche zu modifizieren, bieten physikalische Plasmen – besser bekannt als ionisierte Gase. Die ionisierte Gaswolke besteht aus einer Mischung aus Radikalen, me-tastabilen Spezies und freien Elek-tronen. Diese reagieren mit der Oberfläche und erzeugen Funktio-nalitäten.3)

Accurel MP1001 ist ein poröses Polypropylengranulat, dessen Deri-vate bereits früher zur adsorptiven Immobilisierung von Enzymen – meist Lipasen – dienten.4) Um die Immobilisierungsausbeute auf die-sem Material zu erhöhen, wurde bislang das Polypropylen mit Etha-nol vorbehandelt. Eine Modifizie-rung im gepulsten Gasphasenplas-

ma mit dem Zusatz von Sauerstoff macht diesen nasschemischen Schritt überflüssig. Die Funktiona-lisierung des Accurel MP1001 schafft innerhalb von 60 Sekunden eine Mikroumgebung, die bessere Voraussetzungen für die adsorptive Bindung der Esterase aus Pyrobacu-

Torge Vorhaben, Marko Häckel, Uwe T. Bornscheuer, Ulf Menyes

Physikalische Plasmen modifizieren Oberflächen gezielt und umweltfreundlich. Mit funktionellen

Gruppen entstehen so in wenigen Schritten Oberflächen mit maßgeschneiderten Eigenschaften,

beispielsweise um Enzyme darauf zu fixieren.

Plasmagestützte Immobilisierung von Enzymen

BPlasmachemieV

e- : freie Elektronen

: UV-Strahlung

+ : Ionen

R* : Radikale O O

COOH NH2 OH

Abb. 1. Oberflächenfunktionalisierung in einem Gasphasenplasma.

1147

Nachrichten aus der Chemie| 59 | Dezember 2011 | www.gdch.de/nachrichten

VV Physikalische Plasmen sind teilionisierte Gase,

die im Niederdruck oder unter Atmosphären-

druck für spezifische Oberflächenmodifikatio-

nen getrimmt werden können.

VV Die Materialstruktur ist durch die hohe Spalt-

gängigkeit der Plasmen unerheblich für die

Funktionalisierung.

VV Eine optimierte, plasmagestützte Trägermodifi-

zierung erhöht die Ausbeute eines immobilisier-

ten Enzyms und beeinflusst seine Eigenschaften

positiv.

S QUERGELESEN

lum calidifontis (PestE) bietet (Ab-bildung 2).

Der insgesamt nur fünfminüti-ge Plasmaprozess steigert die ge-bundene Enzymaktivität um den Faktor 40 gegenüber unbehandel-tem Trägermaterial. Auch im Ver-gleich zur Vorbehandlung mit Ethanol zeigt sich ein deutlicher Unterschied: Die immobilisierte Enzymaktivität im Fall der opti-mierten Plasmabehandlung liegt um etwa 20 U/gTräger höher, da die verschiedenen Arten der Hydro-philisierung unterschiedliche Me-chanismen zur Anbindung bieten. Ethanol sorgt für eine bessere Be-netzbarkeit des Polypropylens und damit für einen erhöhten Zu-gang der wässrigen Enzymlösung in die poröse Materialstruktur während der Immobilisierung. Die Modifizierung durch Plasma hingegen erzeugt ein Gemisch aus Hydroxyl-, Carbonyl- und ande-ren sauerstoffhaltigen Gruppen auf der Oberfläche.5) Sie steigert dadurch die Hydrophilie des Trä-gers. Diese funktionellen Grup-pen wiederum bieten dem Enzym zusätzliche Möglichkeiten, um mit dem Kunststoff zu interagie-ren (Abbildung 3).

Neben den sonst vorherrschen-den hydrophoben Wechselwir-kungen zwischen Trägermatrix und Enzym lässt sich das Zielpro-tein nach dem Plasmaprozess über Wasserstoffbrücken an den Träger binden, unter bestimmten Bedin-gungen entstehen auch kovalente Bindungen. Zu einem gewissen Grad kann die Kovalenz ohne ei-nen speziellen Linker erreicht werden. Will man den Anteil der kovalent gebundenen Enzyme steigern, ist es möglich, die modi-fizierte Oberfläche mit Agenzien wie Divinylsulfon oder Carbodi -imidderivaten nasschemisch zu aktivieren.

Mit oder ohne Wasser?

S Je nach Art des späteren Pro-zessverlaufs sollte der Charakter der Enzymbindung unterschiedlich sein. In wässrigen Systemen eignen

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Zyklus

CalB MP1001 Plasma Novozym 435

CalB MP1001 unbehandelt freies Enzym

Abb. 4. Wiederholter Einsatz zweier immobilisierter Enzyme in der Veresterung von rac-1-Phenylethanol.

e�

R*

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COOH OH COOHOHOH OH COOHOHOH

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Polymermatrix Polymermatrix Polymermatrix

Abb. 3. Immobilisierung von Enzymen auf einer mit O2-Ar-Plasma funktionalisierten Polymeroberfläche.

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Behandlungszeit [s]

Abb. 2. Abhängigkeit der effektiven Behandlungszeit im O2-Ar-Plasma auf die Immobilisierung der PestE auf

Accurel MP1001.

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PestE MP1001 Plasma freies Enzym

PestE MP1001 unbehandelt

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sich bevorzugt kovalent gebundene Biokatalysatoren, da die vergleichs-weise schwachen Kräfte in der ad-sorptiven Immobilisierung gegebe-nenfalls nicht ausreichen, um einer erneuten Solvatisierung der Protei-ne entgegenzuwirken.6) Der Kata-lysator „blutet“ dann mit der Zeit aus. In wasserfreien Verfahren, bei-spielsweise in Ver- oder Umeste-rungsreaktionen, sind kovalent im-mobilisierte Enzyme nicht erfor-derlich (Abbildung 4).

Die Ausgangsaktivität bleibt auch nach mehrmaliger Wieder-verwendung des Immobilisats quasi unverändert. Im Vergleich dazu nimmt die Aktivität der frei-en oder nur durch hydrophobe Wechselwirkungen gebundenen Enzyme im Reaktionsverlauf bis auf die Hälfte ab.7) Neben einer wiederholten Verwendung des gleichen Enzyms in einem Pro-zess bietet die Immobilisierung von Proteinen einen weiteren po-sitiven Aspekt: Die Bindung an ei-nen passenden Träger erlaubt es, sie in wasserfreien Medien effek-tiv einzusetzen. Im Fall der Lipase B aus Candida antarctica (CalB) wird dies deutlich (Abbildung 4 rechts). Bei gleicher Ausgangsak-tivität weist das auf dem durch Plasma modifizierten Träger ad-sorbierte Enzym neben der erhöh-ten Stabilität einen 40 % höheren Umsatz auf als der freie Biokataly-sator.

Ausblick

S Physikalische Plasmen sind in der Werkstoffindustrie seit langem in Prozesse integriert. Die Möglich-keiten, die Plasmen bieten, sind da-mit noch nicht ausgeschöpft. In Kombination mit der Immobilisie-rung von Enzymen bieten sie sich dort an, wo klassische Verfahren zur Herstellung immobilisierter Biokatalysatoren an ihre Grenzen stoßen. Eine detaillierte Aufklä-rung des plasmagestützten Immo-bilisierungsprozesses liefert die Ba-sis, Oberflächen gezielt zu modifi-zieren und so Enzyme effizient da-ran zu binden.

Uwe Bornscheuer ist seit

dem Jahr 1999 Professor am

Institut für Biochemie der

Universität Greifswald. Er

leitet den Lehrstuhl Biotech-

nologie und Enzymkatalyse.

Torge Vorhaben promoviert

in der Gruppe von Uwe

Bornscheuer über die Im-

mobilisierung von Enzymen

auf Plasma modifizierten

Oberflächen. Seit 2011 ist

er Projektleiter bei dem auf Technologietrans-

fer spezialisierten Unternehmen Neoplas.

[email protected]

Marko Häckel promovierte

im Jahr 2000 an der Uni-

versität Münster in biophy-

sikalischer Chemie und lei-

tete bis 2007 das Brüssler

Büro der Leibniz-Gemein-

schaft. Im Anschluss baute er die Stabsabtei-

lung am Leibniz-Institut für Plasmaforschung

und Technologie auf und übernahm 2008 die

Geschäftsführung von Neoplas.

Ulf Menyes promovierte an

der Universität Greifswald

1994 in organischer Che-

mie mit Schwerpunkt Ver-

fahrenstechnik. Seit 1994

ist er selbstständig und Ge-

schäftsführer des 2003 gegründeten Chemie-

und Verfahrenstechnikunternehmens Syn-

trex. Seit 2010 ist er außerdem Vorstand des

Biokatalysatorherstellers Enzymicals .

Dieser Beitrag ist Karsten Schröder (14.2.1964

– 12. 8.2011) gewidmet.

Literatur und Anmerkungen:

1) F. S. Denes, S. Monolache, Prog. Polym. Sci.

2004, 29, 815–885.

2) a) Industrial Biotransformations,

(Hrsg.: A. Liese, K. Seelbach, C. Wandrey) ,

2. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim, 2006;

b) K. Buchholz, V. Kasche, U. T. Bornscheuer,

Biocatalysts and Enzyme Technology,

Wiley-VCH, Weinheim, 2005.

3) a) K. Fricke, H. Steffen, T. Woedtke, K. Schröder,

K. D. Weltmann, Plasma Process. Polym.

2011, 8, 51–58; b) T. Bindemann, R. Foest,

R. Ihrke, U. Lommatzsch, A. Ohl, J. Schäfer,

K. D. Weltmann, Vacuum 2009, 83, 779–785.

4) a) M.L. Foresti, M.L. Ferreira, Appl. Surf. Sci.

2004, 238, 86–90; b) R. Sipehia, A. S. Chawla,

J. Daka, T. M. S. Chang, J. Biomed. Mater. Res.

1997, 22, 417–422; c) J. A. Bosley, A. D. Peilow,

J. Am. Oil Chem. Soc. 1997, 74, 107–111.

5) K. S. Siow, L. Britcher, S. Kumar, H. J. Griesser,

Plasma Process. Polym. 2006, 3, 392–418.

6) a) U. Hahnefeld, L. Gardossi, E. Magner,

Chem. Soc. Rev. 2009, 38, 453–468;

b) R. A. Sheldon, Adv. Synth. Catal. 2007,

349, 1289– 1307.

7) T. Vorhaben, D. Böttcher, D. Jasinski, U. Menyes,

V. Brüser, K. Schröder, U. T. Bornscheuer,

ChemCatChem 2010, 2, 992–996.

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