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8/19/2019 Politik Menschenrechte
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24. Februar 2016, 01:02 Uhr
Jahresbericht
Amnesty kritisiert deutsche Flüchtlingspolitik
Abschiebung in Folterländer, rassistische Gewalt: In ihrem Jahresbericht prangert Amnesty
International erhebliche Missstände an - auch in Deutschland. Die Regierung verliere die
Menschenrechte aus dem Blick.
Die Lage der Menschenrechte hat sich nach Angaben von Amnesty International weltweit massiv verschärft. In
122 von 160 untersuchten Ländern seien Menschen gefoltert oder anderweitig misshandelt worden, sagte
Selmin Caliskan, Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, bei der Vorstellung des Jahresberichts.
Auch die deutsche Flüchtlingspolitik wird scharf kritisiert. "Die Bundesregierung verliert die Menschenrechte
aus dem Blick", sagte Caliskan. Sie lobte zwar die Bereitschaft in großen Teilen der Bevölkerung, Flüchtlinge
aufzunehmen. Die anfängliche Offenheit der Bundesregierung sei dagegen geschwunden. "Stattdessen wird nur
auf Härte und Abschottung gesetzt", sagte Caliskan.
Insbesondere kritisierte sie die Entscheidung der Großen Koalition, die nordafrikanischen Länder Marokko,
Tunesien und Algerien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären und Flüchtlinge aus diesen Staaten schneller
abzuschieben. In den drei Ländern gebe es schwerwiegende menschenrechtliche Probleme, wie Folter oder
Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, sagte Caliskan. Insbesondere Homosexuelle
würden dort verfolgt.
Amnesty wirft der Bundesregierung auch vor, rassistische Gewalt zu verharmlosen. "Der Kampf gegen
Rassismus muss endlich konsequent von den Behörden angegangen werden", forderte Caliskan.
"Eine der größten Tragödien des Jahrhunderts"
Mitverantwortlich für die Verschlechterung der Menschenrechtslage ist laut Amnesty das Versagen der
internationalen Gemeinschaft bei der Lösung der großen Krisen. Den Bürgerkrieg in Syrien und die Folgennannte Caliskan "eine der größten Tragödien dieses Jahrhunderts". 60 Millionen Menschen seien auf der Flucht.
Die internationale Gemeinschaft zeige "weder den politischen Willen noch die Kompetenz, angemessen mit der
Fluchtbewegung gemeinsam umzugehen".
Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty erklärte in London, zu viele Regierungen schränkten im Kampf gegen
Terrororganisationen wie Boko Haram oder den "Islamischen Staat" (IS) ihrerseits die Freiheitsrechte ihrer
Bürger ein. "Die Taten dieser Gruppen dürfen keiner Regierung als Rechtfertigung dienen, selbst gegen
internationale Menschenrechte zu verstoßen, um kurzfristig etwas zu erreichen." Als Beispiel nannte er
Frankreich, dessen Ausnahmezustand nach den Terrorangriffen von Paris zunehmend fraglich sei.
Zu den von Amnesty angeprangerten Menschenrechtsverletzungen zählen auch der Fortbestand des
umstrittenen US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba, die drastischen Einschränkungen der Presse- und
Meinungsfreiheit in Polen und die "flüchtlingsfeindliche Politik" der ungarischen Regierung.
Eine Auswahl, was Amnesty den Staaten vorwirft:
Iran: Seit der Einigung im Atomstreit mit Iran 2015 sucht der Westen wieder engen politischen Kontakt, die
deutsche Wirtschaft hofft auf Milliardengeschäfte. An der Menschenrechtslage hat die politische Entspannung
nach Einschätzung von Amnesty aber noch nichts verändert. "Folter und andere Misshandlungen von
Gefangenen waren an der Tagesordnung. (...) Die Behörden vollstreckten grausame Körperstrafen wie
Blendungen, Amputationen und Auspeitschungen. (...) Viele Gefangene wurden hingerichtet, darunter
mindestens vier, die zur Tatzeit noch minderjährig waren", heißt es in dem Jahresbericht.
Saudi-Arabien: Der ölreiche Golfstaat ist ein wichtiger Wirtschaftspartner Deutschlands und strategischer
Partner im Kampf gegen den Terror. Menschenrechtsverletzungen werden von deutschen Ministern bei
Besuchen zwar stets angesprochen. Doch öffentliche Auspeitschungen und Stockhiebe sind weiter an der
Tagesordnung. Die Zahl der Hinrichtungen stieg 2015 weiter an. "In vielen Fällen ging es um Straftaten dienicht zu den 'schwersten Verbrechen' zählen und deshalb laut Völkerrecht nicht mit der Todesstrafe geahndet
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werden dürfen", schreibt Amnesty. "Zahlreiche Hinrichtungen erfolgten in der Öffentlichkeit durch Enthauptung."
USA: In den Vereinigten Staaten wurden im vergangenen Jahr 27 Männer und eine Frau hingerichtet. Daneben
kritisiert Amnesty aber vor allem, dass das Gefangenenlager auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay
weiter besteht, obwohl US-Präsident Barack Obama die Schließung versprochen hat. Außerdem heißt es in dem
Bericht: "Die Anwendung von lange anhaltender Isolationshaft (...) bot ebenso Anlass zur Sorge wie der Einsatz
exzessiver Gewalt durch Polizeibeamte."
Türkei: Seit den Parlamentswahlen im Juni 2015 hat es Amnesty zufolge eine massive Verschlechterung der
Menschenrechtslage gegeben. "Die Medien waren 2015 beispiellosen Repressalien ausgesetzt, und dieMeinungsfreiheit wurde erheblich eingeschränkt, auch im Internet", heißt es in dem Bericht. "Fälle von
exzessiver Polizeigewalt und von Misshandlungen in Gewahrsam häuften sich. Die für
Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen wurden nur selten zur Rechenschaft gezogen."
Zusammengefasst: Amnesty International hat ihren Jahresbericht vorgestellt: Demnach gab es 2015 eine
deutliche Zunahme von Menschenrechtsverletzungen weltweit. Der Bericht führt 122 Länder auf, in denen
Menschen gefoltert oder misshandelt würden. Auch die deutsche Flüchtlingspolitik wird von der Organisation
scharf kritisiert.
apr/dpa/Reuters
URL:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/amnesty-international-kritisiert-deutsche-fluechtlingspolitik-a-1078952.html
Mehr auf SPIEGEL ONLINE:
US-Militärgefängnis: Obama präsentiert neuen Plan zur Schließung Guantanamos (23.02.2016)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/usa-barack-obama-praesentiert-plan-fuer-guantanamo-aus-a-1078901.html
Auswärtiges Amt: SPD-Frau Kofler wird neue Menschenrechtsbeauftragte (23.02.2016)
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/menschrechtsbeauftragter-spd-politikerin-kofler-wird-nachfolgerin-
a-1078946.html
Ägypten: Militärgericht erlässt Haftbefehl gegen Vierjährigen (22.02.2016)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/aegypten-militaergericht-erlaesst-haftbefehl-gegen-vierjaehrigen-
a-1078659.htmlAmnesty-Report: Weibliche Flüchtlinge berichten von sexueller Belästigung (18.01.2016)
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/amnesty-international-weibliche-fluechtlinge-werden-in-europa-
sexuell-belaestigt-a-1072518.html
Mehr im Internet
Jahresberichts von Amnesty International (englisch)
http://www.amnestyusa.org/research/reports/amnesty-international-state-of-the-world-2015
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