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| Der Nervenarzt 10 · 2003 888 P atienten mit Malignomen weisen in 10–20% subklinisch eine Muskelschwäche oder eine periphere sensible Polyneuropa- thie auf.Obwohl der Tumor selbst klinisch häufig bedeutsamer ist [8],ist das Erkennen von Paraneoplasien wichtig, da sie den ei- gentlichen raumfordernden Tumorsymp- tomen vorausgehen können [3, 4, 9]. Thymome und Thymuskarzinome sind die häufigsten (36%) vorderen me- diastinalen Raumforderungen [1].Die Tu- moren werden in über 50% durch ihre raumfordernde Symptomatik, in 30% durch Thoraxröntgenbilder [12] und bei 20–40% [1, 10] über paraneoplastische Syndrome diagnostiziert. Hämatologische Störungen, v. a. Erythroptysis (50%), My- asthenia gravis (35%) und Hypogamma- globulinämie (10%) stehen hier im Vor- dergrund. Das Spektrum umfasst aber auch endokrine und kutane Syndrome [10]. Eine Polyneuropathie bei Thymom ist eine Rarität und tritt in der Regel mit Myasthenia gravis,selten auch in Kombi- nation mit Myotonie als Isaacs-Syndrom auf [6]. Fallbericht Ein 54-jähriger Patient bemerkte beidsei- tig ein Taubheitsgefühl der ersten 3 Finger, Ergebnisse & Kasuistik H. Schmidt 1 · U. Kaboth 2 · U. Brinck 3,5 · P. Ratzka 1 · H. Rustenbeck 4 · R. Nau 1 1 Klinik für Neurologie, Georg-August-Universität, Göttingen 2 Klinik für innere Medizin, Georg-August-Universität, Göttingen 3 Abteilung Gastroenteropathologie, Georg-August-Universität, Göttingen 4 Abteilung Neuroradiologie, Georg-August-Universität, Göttingen 5 Abteilung für Allgemeine und Spezielle Pathologie, Universität des Saarlandes, Homburg(Saar) Polyneuropathie als einziges paraneoplastisches Syndrom bei malignem Thymom 2 Monate später gleichartige, akral beton- te Gefühlsstörungen der Zehen, die sich bald sockenförmig bis zu den Knöcheln ausbreiteten. Zwischenzeitlich hatte man unter dem Verdacht eines Karpaltunnelsyndroms links eine Spaltung des Flexorenbandes des Handgelenkes durchgeführt.Vier Mo- nate nach Beginn stieg das Taubheitsge- fühl bis zu beiden Knien auf und nahm an Intensität zu. In dieser Zeit bemerkte der Patient auch eine zunehmende, distal betonte Schwäche aller Extremitäten. Dies führte zu der 1. stationären Auf- nahme in einer neurologischen Klinik. Die Liquoranalyse zeigte keine malignen Zellen, jedoch eine zytoalbuminäre Disso- ziation. Neurophysiologisch stellte sich eine deutliche Abnahme der Nervenlei- tungsgeschwindigkeit ohne axonale Schä- den dar. Unter der Verdachtsdiagnose ei- ner demyelinisierenden Polyradikulitis wurden erfolglose Therapieversuche mit Kortikoiden, 7S-Immunglobulinen und mit Azathioprin unternommen. Die mo- torischen Ausfälle und die Hypästhesien nahmen weiter zu. Die internistische Diagnostik zeigte außer einer erhöhten Blutkörperchensen- kungsgeschwindigkeit (BKS) keine patho- logischen Laborparameter. Antikörper (Ak) gegen Acetylcholinrezeptoren wur- den nicht nachgewiesen. Im CT des Tho- rax fiel ein retrosternaler,verkalkter Pro- Nervenarzt 2003 · 74:888–891 DOI 10.1007/s00115-003-1552-z Online publiziert: 23. Juli 2003 © Springer-Verlag 2003 Abb. 1 CT-Untersuchung des Thorax mit Nachweis einer verkalkenden, mediastinalen Raumforderung

Polyneuropathie als einziges paraneoplastisches Syndrom bei malignem Thymom

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Page 1: Polyneuropathie als einziges paraneoplastisches Syndrom bei malignem Thymom

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Patienten mit Malignomen weisen in10–20% subklinisch eine Muskelschwächeoder eine periphere sensible Polyneuropa-thie auf.Obwohl der Tumor selbst klinischhäufig bedeutsamer ist [8],ist das Erkennenvon Paraneoplasien wichtig,da sie den ei-gentlichen raumfordernden Tumorsymp-tomen vorausgehen können [3,4,9].

Thymome und Thymuskarzinomesind die häufigsten (36%) vorderen me-diastinalen Raumforderungen [1].Die Tu-moren werden in über 50% durch ihreraumfordernde Symptomatik, in 30%durch Thoraxröntgenbilder [12] und bei20–40% [1, 10] über paraneoplastischeSyndrome diagnostiziert.HämatologischeStörungen,v.a.Erythroptysis (50%),My-asthenia gravis (35%) und Hypogamma-globulinämie (10%) stehen hier im Vor-dergrund. Das Spektrum umfasst aberauch endokrine und kutane Syndrome[10]. Eine Polyneuropathie bei Thymomist eine Rarität und tritt in der Regel mitMyasthenia gravis,selten auch in Kombi-nation mit Myotonie als Isaacs-Syndromauf [6].

Fallbericht

Ein 54-jähriger Patient bemerkte beidsei-tig ein Taubheitsgefühl der ersten 3 Finger,

Ergebnisse & Kasuistik

H. Schmidt1 · U. Kaboth2 · U. Brinck3,5 · P. Ratzka1 · H. Rustenbeck4 · R. Nau1

1 Klinik für Neurologie, Georg-August-Universität, Göttingen2 Klinik für innere Medizin, Georg-August-Universität, Göttingen3 Abteilung Gastroenteropathologie, Georg-August-Universität, Göttingen4 Abteilung Neuroradiologie, Georg-August-Universität, Göttingen5 Abteilung für Allgemeine und Spezielle Pathologie, Universität des Saarlandes, Homburg(Saar)

Polyneuropathie als einziges paraneoplastischesSyndrom bei malignem Thymom

2 Monate später gleichartige,akral beton-te Gefühlsstörungen der Zehen, die sichbald sockenförmig bis zu den Knöchelnausbreiteten.

Zwischenzeitlich hatte man unter demVerdacht eines Karpaltunnelsyndromslinks eine Spaltung des Flexorenbandesdes Handgelenkes durchgeführt.Vier Mo-nate nach Beginn stieg das Taubheitsge-fühl bis zu beiden Knien auf und nahman Intensität zu. In dieser Zeit bemerkteder Patient auch eine zunehmende,distalbetonte Schwäche aller Extremitäten.

Dies führte zu der 1. stationären Auf-nahme in einer neurologischen Klinik.Die Liquoranalyse zeigte keine malignenZellen,jedoch eine zytoalbuminäre Disso-

ziation. Neurophysiologisch stellte sicheine deutliche Abnahme der Nervenlei-tungsgeschwindigkeit ohne axonale Schä-den dar. Unter der Verdachtsdiagnose ei-ner demyelinisierenden Polyradikulitiswurden erfolglose Therapieversuche mitKortikoiden, 7S-Immunglobulinen undmit Azathioprin unternommen. Die mo-torischen Ausfälle und die Hypästhesiennahmen weiter zu.

Die internistische Diagnostik zeigteaußer einer erhöhten Blutkörperchensen-kungsgeschwindigkeit (BKS) keine patho-logischen Laborparameter. Antikörper(Ak) gegen Acetylcholinrezeptoren wur-den nicht nachgewiesen. Im CT des Tho-rax fiel ein retrosternaler,verkalkter Pro-

Nervenarzt 2003 · 74:888–891DOI 10.1007/s00115-003-1552-zOnline publiziert: 23. Juli 2003© Springer-Verlag 2003

Abb. 1 � CT-Untersuchungdes Thorax mit Nachweis

einer verkalkenden,mediastinalen

Raumforderung

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zess (s. ⊡ Abb. 1) auf, dem aber zunächstkeine pathologische Bedeutung zuge-schrieben wurde. Die N.suralis-Biopsiezeigte histopathologisch eine mäßiggradigdemyelinisierende PNP ohne axonale Be-teiligung. Sechs Monate nach Auftretender Sensibilitätsstörungen stellte sich derPatient in unserer neurologischen Klinikvor.

In der Vorgeschichte fanden sich keineernsthaften Erkrankungen. Noch bis zueinem Monat vor Symptombeginn triebder Patient regelmäßig Sport und fühltesich gesund. Er war Nichtraucher ohneAlkoholkonsum.

Befunde

Der Verlauf der Polyneuropathie ist in⊡ Abb.2 durch den PNP-Score nach Dyck[2] abgebildet.

Laborbefunde. Laborchemisch fielen einegrenzwertige polyklonale IgG-Vermeh-rung, leicht erhöhte GM1-Ak (29U/ml,Grenzwert 25U/ml), grenzwertige Ca2+-Kanal-Ak und eine pathologische BKS von28 mm/1 h,bzw.46 mm/2 h auf.Der Titin-Antikörpertiter war mit 1:12.800 massiverhöht und richtungsweisend für ein Thy-mom.Alle anderen Laboruntersuchungen,insbesondere die Autoimmunparameter,ergaben keinen wegweisenden Befund.

Rektumbiopsie. Eine Rektumbiopsie zumAusschluss einer Panarteriitis nodosaoder einer Amyloidose blieb ohne patho-logischen Befund.

Neurophysiologie. Neurophysiologischwurde ein schwerer demyelinisierenderProzess mit Ausfall der F-Wellen,im EMGchronisch-neurogenem Umbau und pa-thologischer Spontanaktivität diagnosti-ziert.

Thorax-CT. Im CT des Thorax stellte sichnun eine mediastinale Raumforderungdar.

Therapie

Bei hochgradigem Thymom-Verdacht lie-ßen wir 7 Monate nach Symptombeginneine offene Thymektomie mit Ausräu-mung des mediastinalen Fettgewebes und

Zusammenfassung · Summary

Nervenarzt 2003 · 74:888–891DOI 10.1007/s00115-003-1552-z© Springer-Verlag 2003

H. Schmidt · U. Kaboth · U. Brinck · P. Ratzka · H. Rustenbeck · R. Nau

Polyneuropathie als einziges paraneoplastisches Syndrom bei malignem Thymom

diagnostic workups, however, there was notumour relapse.After 13 cycles, cyclophospham-ide was replaced by immunoglobulins (0.4 g/kgper day i.v. for 5 days/month) due to progressiverenal failure.The patient died just before the sec-ond course of this treatment. In conclusion, in thedifferential diagnosis of rapidly progressive poly-neuropathy, a malignant thymoma should beconsidered, even in the absence of myasthenia.Immunosuppression with cyclophosphamideresulted in amelioration of symptoms in thispatient.

KeywordsParaneoplastic polyneuropathy · Type A thymoma

SummaryUp to 40% of patients with malignant thymomasuffer from paraneoplastic symptoms (90%myasthenia, 10% other symptoms).A 55-year-old patient developed ascending symmetricalsensorimotor tetraparesis.A malignant thymomawithout metastases was diagnosed 6 monthslater.Despite thymectomy followed by radiationand high-dose corticosteroid therapy, the poly-neuropathy progressed.Six months after onset,the patient was bound to a wheelchair. Immuno-suppressive therapy with cyclophosphamide wasinitiated, leading to marked remission.After tencycles, the patient was able to walk indepen-dently with walking aids.After the sixth andtenth cycle, respectively, attempts to discontinueimmunosuppression led to relapse. In several

bulinen (0,4 g/kgKG/Tag i.v.über 5 Tage,1 Kurs/Monat) umgestellt werden.Ein Tumorrezi-div oder Filialisierung konnte im Verlauf nichtnachgewiesen werden.Der Patient starb vor Wiederaufnahme zur 2. Immunglobulintherapie.Als Differenzialdiagnose einer rasch progredien-ten inflammatorisch demyelinisierenden Neuro-pathie muss an eine paraneoplastische Polyneu-ropathie als Erstmanifestation eines Malignomsgedacht werden.Die Immunsuppression mitCyclophosphamid bewirkte bei unserem Patien-ten eine deutliche Symptombesserung.

SchlüsselwörterParaneoplastische Polyneuropathie · Thymom Typ A

ZusammenfassungParaneoplastische Phänomene bei Thymomentreten in über 40% auf, meist Myasthenien, ande-re Symptome in 10% der Fälle.Wir berichtenüber einen 55-jährigen Mann mit zunehmendersensomotorischer Symptomatik, die neurophy-siologisch als demyelinisierende Polyneuropathie(PNP) eingestuft wurde.6 Monate späterentdeckten wir ein malignes Thymom ohneMetastasierung.Trotz Thymektomie, hochdosier-ter Kortikoidmedikation und Radiatio verlief diePNP progredient bis zur Rollstuhlpflichtigkeit.Unter Cyclophosphamid kam es zur Besserungund Wiedererlangen der Gehfähigkeit, beimAbsetzen von Cyclophosphamid aber nachjeweils 8 Wochen zum PNP-Progress.Nach 13 Zyklen musste aufgrund zunehmenderNiereninsuffizienz auf die Gabe von Immunglo-

Polyneuropathy as a sole syndrome in malignant thymoma

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Ergebnisse & Kasuistik

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der mediastinalen Lymphknoten durch-führen. Die histologische Untersuchung(⊡ Abb. 3) wies ein malignes Thymomvom Subtyp A mit beginnender Infiltrati-on des umliegenden Fettgewebes ohneAbsiedlung in die umliegenden Lymph-knoten nach. Der Operation folgte eineChemotherapie mit Cyclophosphamid750 mg/m2 KOF, später 180 mg/Tag Pred-nisolon über 5 Tage, über 3 Monate aus-schleichend bis auf 25 mg/Tag. Das Me-diastinum wurde in den nächsten 6 Wo-chen mit insgesamt 60 Gy bestrahlt.

Verlauf

Die Ausprägung der PNP sistierte zu-nächst. Ein halbes Jahr später setzte wie-derum eine zunehmende Kraftminderungein. Als der Patient nicht mehr stehfähig

Abb. 2 ▲ Klinischer Verlauf der Polyneuropathie anhand des Dyck-II-Scores

Abb. 3 � Histopatholo-gischer Befund des Thy-mus-Karzinoms. a Hä-matoxylin-Eosin gefärb-tes Schnittpräparat(Vergr. 150:1) des 2 cmgroßen Thymoms mitfaszikulärem Wachs-tumsmuster und klein-zystischer Degenera-tion. b Ausschnitt aus a;spindelige Tumorzellenund umschriebenekleinzystische Degene-ration (rechte Bildhälfte;Vergr. 800:1)

war, die Sensibilitätsstörungen über denGenitalbereich auf die Bauchwand über-griffen und Herr M.zunehmend Atemnotverspürte, wurde die monatliche Cyclo-phosphamidtherapie, wiederum mit750 mg/m2 KOF i.v., wieder eingeleitet.Nach 2 Zyklen bildete sich die Sympto-matik langsam zurück, nach dem 3. Kurswar er mit Hilfe wieder geh- und stehfä-hig,die sensiblen Störungen bildeten sichoberhalb des Dermatoms L1 zurück.

Nach Abschluss von 6 Zyklen nahmeninnerhalb von 2 Monaten die Paresen zu,die Hyp- und Dysästhesien erreichten wie-der die Beckenkämme, und Atembe-schwerden traten auf. Erneut wurde dieCyclophosphamidintervalltherapie auf-genommen.

Zwei ausführliche Rezidivsuchen (in-klusive Knochenszintigraphie, Blutbild-

kontrollen, Abdomensonographie und -CT, CT-Thorax sowie Gastroskopie)konnten keine Filiarisierung nachweisen.

Nach Wiedereinleitung der Immun-suppression bildeten sich die klinischenSymptome des Patienten bis auf etwa dasMaß bei Erstvorstellung in unserer Klinikzurück (Streckseitig-distal betonte Pare-sen an allen Extremitäten, Hypästhesieabwärts beider Knie und beider Hände,Ausfall aller Muskeleigenreflexe).Herr M.konnte wieder mit Rollator gehfähig nachHause entlassen werden.Durch die kurzenKrankenhausaufenthalte (3–4 Tage/Mo-nat) für die Cyclophosphamidtherapiewurde eine für den Patienten befriedigen-de Lebensqualität erreicht. Intermittie-rend hinzutretende internistische Kom-plikationen, besonders die ausgeprägteHerzinsuffizienz nach Myokardinfarkt,verschlechterten den Allgemeinzustanddes Patienten bis zu seinem Tod 4 Jahrenach Erstmanifestation erheblich.

Zusammenfassung und Diskussion

In einer Studienpopulation der Mayo-Kli-nik,Rochester,konnten paraneoplastischeSymptome bei 148 von 283 Patienten mitThymom gefunden werden [8]. Isolierteperiphere Polyneuropathien sind hier je-doch selten.Wir konnten in einer ausführ-lichen Literatursuche nur 3 Fälle identifi-zieren, die bei zugrunde liegendem Thy-mom eine isolierte PNP ohne weitere pa-raneoplastische Phänomene aufwiesen [7,11, 13]. Eine Thymektomie und immun-suppressive Therapie erbrachten in demvon Laforet [7] dokumentierten Fall einelangandauernde Remission.Der von Stollet al. [11] behandelte Patient (mit aller-dings rein motorischen Symptomen)überlebte noch 2 Jahre, allerdings ohnenachhaltige Befundbesserung.

Bei unserem Patienten führte die Thy-mektomie nicht zum Stillstand der Symp-tomatik.Das Ansprechen auf die Immun-suppression legt einen Autoimmunme-chanismus als Genese der neurologischenSymptome nahe.Erhöhte Titin-,GM-1-Akund grenzwertig erhöhte Ca2+-Kanal-Akwaren nachweisbar.

Heidenreich et al. [5] fand bei einemPatienten mit Thymom und Isaacs-Syn-drom Antikörper gegen spannungsabhän-gige neuronale K+-Kanäle, der von Witt

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et al. beschriebene Patient [14] hatte wieunser Patient erhöhte GM-1-Antikörper.Watanabe [13] berichtet über einen Pati-enten mit Thymom und PNP,der wie dervon uns betreute eine ausgeprägte vegeta-tive Symptomatik mit Kreislaufkrisen undSIADH aufwies.Ein kurz vor dem Tod un-seres Patienten aufgetretener Vorder-wand-Herzinfarkt verlief aufgrund die-ser vegetativen Mitbeteiligung stumm undfiel nur durch Dyspnoe auf.

Abschließend folgern wir, dass beirasch progredienter Polyradikulitis oderprimär demyelinisierender Polyneuropa-thie an ein paraneoplastisches Geschehengedacht werden muss und eine Immun-suppression im Falle eines malignen Thy-moms erfolgversprechend sein kann.

Korrespondierender AutorDr. med. H. Schmidt

Abteilung Neurologie, Universität Göttingen,Robert-Koch-Straße 40, 37075 GöttingenE-Mail: [email protected]

Literatur

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14. Witt NJ, Bolton CF (1988) Neuromuscular disorders andthymoma. Muscle Nerve 11: 398–405

Gefährliche Weichmacher

Überprüfung der Risikobewertungen zuDEHP wird empfohlen

Zu den am häufigsten verwendeten Weichma-chern gehört Diethylhexylphthalat, kurz DEHP.Es wird bei der Herstellung einer Vielzahl vonKunststoffprodukten eingesetzt und findet sichz.B. in Kleidung, Lebensmittelverpackungenund Spielzeug. Die Substanz gilt im Hinblickauf ihre Gesundheitsgefährlichkeit als “gutuntersucht”. Mit ihrer geringen akuten Giftig-keit wird sie nicht als erbgutschädigend einge-stuft, kann aber dosisabhängig Hoden, Niereund Leber schädigen. Im Tierversuch beein-trächtigt DEHP die Fortpflanzungsfähigkeitund führt zu Entwicklungsstörungen an denGeschlechtsorganen männlicher Nachkom-men. Aufgrund seiner physikalischen Eigen-schaften kann sich der Weichmacher beimKontakt mit Flüssigkeiten oder Fetten aus demKunststoff lösen. Der europäische Altstoffbe-richt beziffert die über Atemluft, Haut und Blutdurchschnittlich täglich aufgenommeneMenge mit 12 Mikrogramm pro KilogrammKörpergewicht und Tag (myg/kg KG/Tag).

Dieser Wert liegt deutlich unter der vomWissenschaftlichen Lebensmittelausschuss derEU festgelegten tolerierbaren täglichen Auf-nahmemenge von 50 myg/kg KG/Tag, es wer-den daher bislang keine risikominimierendenMaßnahmen für erwachsene Verbraucherempfohlen. Bei der Bewertung der Verbrau-cherexposition für den Altstoffbericht blieballerdings unberücksichtigt, dass DEHP auchüber den Magen-Darm-Trakt aufgenommenwerden kann. Darauf, dass diese Vernachlässi-gung zu einer nennenswerten Unterschätzungder tatsächlichen Aufnahmemenge geführthaben könnte, deuten nun die Ergebnisse einerStudie der Universität Erlangen hin: Dort wur-den Urinproben von 85 Teilnehmern auf ihrenGehalt an DEHP-Abbauprodukten untersucht.Es errechnete sich eine Aufnahmemenge, diebei einem Teil der Probanden deutlich über derdes Altstoffberichts liegt. Bei 5% der Teilneh-mer betrug sie sogar über 52,1 myg/kg KG/Tag.Als Quelle für diese erhöhte Belastung vermu-ten die Autoren der Studie DEHP-belastete Le-bensmittel. Nach Ansicht des Bundesinstitutesfür Risikobewertung könnte sich aus den Er-gebnissen dieser Studie eine neue Einschät-zung des Risikos mit entsprechenden Auswir-kungen auf die Notwendigkeit expositionsver-mindernder Maßnahmen ergeben.

Quelle:Bundesinstitut für Risikobewertung

www.bfr.bund.de

Fachnachricht