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orthomolekulare medizin C. Matthai 1 Vorsorge ist besser als Nachsorge. Krank- heiten schon vor deren Entstehung ver- hindern – ein Wunschtraum? Die Präventionsmedizin gewinnt in den letzten Jahren immer mehr an Bedeu- tung. Gott sei Dank! Beim Vorsorgen spielt die Gestaltung des persönlichen Lebens- stils die wichtigste Rolle. Das Einsehen, dass eine aktive Vorsorgemedizin neben der Chance auf Gesundheit über viele Jahre, dem Patienten auch die Möglich- keit bietet, aktiv und eigenständig etwas für die Gesunderhaltung beitragen zu können, findet zunehmend sowohl beim Arzt als auch bei dem Patienten Anklang. Neben dem Wahrnehmen regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen gehören die Er- nährung und die moderate regelmäßige körperliche Betätigung zu den wichtig- sten „Säulen“ der Prävention. Als Ernährungsmediziner der sich mit Or- thomolekularer Medizin (OM) beschäf- tigt, kommt man regelmäßig in die Bre- douille. Einerseits ist es natürlich wünschenswert, dass wir alle Vitalstoffe, wie die fett- und wasserlöslichen Vita- mine, die Mineralstoffe, die Spurenele- mente etc. die wir für unsere Gesundheit benötigen über das tägliche Essen auf- nehmen. Andererseits können wir uns durch die Entwicklung der Lebensmittel- industrie nicht mehr sicher sein, ob die Speisen, die wir zu uns nehmen auch wirklich über die Inhaltstoffe verfügen, die wir uns für unsere Gesundheit wün- schen. Mangelerkrankungen können in unseren Breiten sicherlich ausgeschlos- sen werden. Doch reicht ein Mindestmaß an Vitalstoffen wirklich aus? Diverse Zu- bereitungsarten, lange Transportwege und noch längere Lagerungszeiten schlie- ßen die Bezeichnungen „frisch, vitalstoff- reich und gesundheitlich wertvoll“ heut- zutage häufig aus. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich muss die ein- zig wahre Empfehlung auch weiterhin lauten, viel Gemüse und Obst zu essen. Die Frage, die sich jeder von uns aller- dings stellen sollte, ist: Reicht es denn aus, wenn wir uns vorbildhaft ernähren – was die wenigsten von uns tun, aber neh- men wir an, wir tun es. Kann der Körper alleine über die Ernährung ausreichend mit Vitalstoffen versorgt werden? Und ich möchte Ihren Gedankengang noch ein wenig erweitern. Können wir unser Im- munsystem durch die Supplementierung von Mikronährstoffen soweit unterstüt- zen, dass Krankheiten erst gar nicht ent- stehen? Oder, inwiefern können Vital- stoffe, die leider allzu oft auf Vitamine beschränkt werden, bei der Bewältigung von Erkrankungen unterstützend hilf- reich sein? Die Orthomolekulare Medizin – und das ist mir als Schulmediziner ein großes Anliegen – ist für mich ein überaus wertvoller Teil der Komplementärmedi- zin. Es muss also „ergänzend“ zur first line erapie anstatt „stattdessen“ heißen! Wenn man sich intensiv mit der Litera- tur rund um den Einsatz von Mikronähr- stoffen beschäftigt, wird man erkennen, dass die Ergebnisse von Studien einerseits kontrovers diskutiert werden und ande- rerseits auch Resultate per se wider- sprüchliche Aussagen hervorbringen. Der Studierende muss also immer kritisch be- trachten und reevaluieren, was Sinn macht und was nicht. Durch ein Zuviel an wenig fachkundi- gen Personen wird der Ruf der OM oft schlecht gemacht. Häufig werden durch falsche Empfehlungen weder die Erwar- tungshaltung des Patienten noch die des Arztes erfüllt. Eine von vielen Definitionen der OM stammt aus dem Jahr 1968 aus dem re- nommierten Wissenschaftsmagazin Science und wurde von dem Gründervater der OM, dem 2-fachen Nobelpreisträger Prof. Linus Pauling, folgendermaßen aus- formuliert: „Die Orthomolekulare Medizin (OM) ist die Erhaltung guter Gesundheit und die Be- handlung von Krankheiten durch Verände- rung der Konzentrationen von Substanzen im menschlichen Körper, die normaler- weise im Körper vorhanden und für die Ge- sundheit erforderlich sind“. Wie etwas weiter oben im Text kurz angerissen, wird die OM leider zu oft auf die Vitamine beschränkt. Dabei gibt es so viele Substanzen in unserem Körper, die nicht nur essentielle Bestandteile unse- res Lebens sind, sondern auch über eine Vielzahl von gesundheitlichen Wirkun- gen verfügen. Das Gebiet der Frauenheil- kunde nimmt hier eine Sonderposition ein. Wenige Fachgebiete sind im Bereich der OM so etabliert wie die Gynäkologie. Es ist weit verbreitet und auch anerkannt, dass Frauen in gewissen Lebensphasen, wie der Schwangerschaft oder der Meno- pause, einen erhöhten Bedarf an Vital- stoffen haben und diesen auch regelmä- ßig von ihrem Gynäkologen empfohlen bekommen. Einsatzmöglichkeiten während der Schwangerschaft und Stillzeit Zu diesen gehören unter anderem: Magnesium, das an der neuromuskulä- ren Reizübertragung und der Muskel- kontraktion beteiligt ist, das Eisen, das bei der Blutbildung, und der Sauerstoffversorgung von Mutter und Kind eine wichtige Rolle spielt, diverse Antioxidantien für die Unter- stützung der Immunabwehr, omega-3-Fettsäuren für die kognitive und psychomotorische Entwicklung und die Entwicklung der Sehkraft des Neugeborenen, Probiotika für die Stärkung der Abwehr- 1 Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, Ernährungs-, Sport- und Orthomolekular- mediziner, Wien Präventive und therapeutische Möglichkeiten der orthomolekularen Medizin in der gynäkologischen Praxis Schwangerschaft – Stillzeit – Menopause – Onkologie „Krankheiten befallen uns nicht aus heiterem Himmel, sondern entwickeln sich aus täglichen Sünden wider die Natur. Wenn sich diese ge- häuft haben, brechen sie unversehens hervor.“ Hippokrates 2/2009 promed komplementär 16 © Springer-Verlag

Präventive und therapeutische Möglichkeiten der orthomolekularen Medizin in der gynäkologischen Praxis

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orthomolekulare medizin

C. Matthai1

Vorsorge ist besser als Nachsorge. Krank­heiten schon vor deren Entstehung ver­hindern – ein Wunschtraum?Die Präventionsmedizin gewinnt in den letzten Jahren immer mehr an Bedeu­tung. Gott sei Dank! Beim Vorsorgen spielt die Gestaltung des persönlichen Lebens­stils die wichtigste Rolle. Das Einsehen, dass eine aktive Vorsorgemedizin neben der Chance auf Gesundheit über viele Jahre, dem Patienten auch die Möglich­keit bietet, aktiv und eigenständig etwas für die Gesunderhaltung beitragen zu können, findet zunehmend sowohl beim Arzt als auch bei dem Patienten Anklang. Neben dem Wahrnehmen regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen gehören die Er­nährung und die moderate regelmäßige körperliche Betätigung zu den wichtig­sten „Säulen“ der Prävention.

Als Ernährungsmediziner der sich mit Or-thomolekularer Medizin (OM) beschäf-tigt, kommt man regelmäßig in die Bre-douille. Einerseits ist es natürlich wünschenswert, dass wir alle Vitalstoffe, wie die fett- und wasserlöslichen Vita-mine, die Mineralstoffe, die Spurenele-mente etc. die wir für unsere Gesundheit benötigen über das tägliche Essen auf-nehmen. Andererseits können wir uns durch die Entwicklung der Lebensmittel-industrie nicht mehr sicher sein, ob die Speisen, die wir zu uns nehmen auch wirklich über die Inhaltstoffe verfügen,

die wir uns für unsere Gesundheit wün-schen. Mangelerkrankungen können in unseren Breiten sicherlich ausgeschlos-sen werden. Doch reicht ein Mindestmaß an Vitalstoffen wirklich aus? Diverse Zu-bereitungsarten, lange Transportwege und noch längere Lagerungszeiten schlie-ßen die Bezeichnungen „frisch, vitalstoff-reich und gesundheitlich wertvoll“ heut-zutage häufig aus. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich muss die ein-zig wahre Empfehlung auch weiterhin lauten, viel Gemüse und Obst zu essen. Die Frage, die sich jeder von uns aller-dings stellen sollte, ist: Reicht es denn aus, wenn wir uns vorbildhaft ernähren – was die wenigsten von uns tun, aber neh-men wir an, wir tun es. Kann der Körper alleine über die Ernährung ausreichend mit Vitalstoffen versorgt werden? Und ich möchte Ihren Gedankengang noch ein wenig erweitern. Können wir unser Im-munsystem durch die Supplementierung von Mikronährstoffen soweit unterstüt-zen, dass Krankheiten erst gar nicht ent-stehen? Oder, inwiefern können Vital-stoffe, die leider allzu oft auf Vitamine beschränkt werden, bei der Bewältigung von Erkrankungen unterstützend hilf-reich sein? Die Orthomolekulare Medizin – und das ist mir als Schulmediziner ein großes Anliegen – ist für mich ein überaus wertvoller Teil der Komplementärmedi-zin. Es muss also „ergänzend“ zur first line Therapie anstatt „stattdessen“ heißen!

Wenn man sich intensiv mit der Litera-tur rund um den Einsatz von Mikronähr-stoffen beschäftigt, wird man erkennen, dass die Ergebnisse von Studien einerseits kontrovers diskutiert werden und ande-rerseits auch Resultate per se wider-sprüchliche Aussagen hervorbringen. Der Studierende muss also immer kritisch be-trachten und reevaluieren, was Sinn macht und was nicht.

Durch ein Zuviel an wenig fachkundi-gen Personen wird der Ruf der OM oft schlecht gemacht. Häufig werden durch falsche Empfehlungen weder die Erwar-tungshaltung des Patienten noch die des Arztes erfüllt.

Eine von vielen Definitionen der OM stammt aus dem Jahr 1968 aus dem re-nommierten Wissenschaftsmagazin Science und wurde von dem Gründervater der OM, dem 2-fachen Nobelpreisträger Prof. Linus Pauling, folgendermaßen aus-formuliert:

„Die Orthomolekulare Medizin (OM) ist die Erhaltung guter Gesundheit und die Be­handlung von Krankheiten durch Verände­rung der Konzentrationen von Substanzen im menschlichen Körper, die normaler­weise im Körper vorhanden und für die Ge­sundheit erforderlich sind“.

Wie etwas weiter oben im Text kurz angerissen, wird die OM leider zu oft auf die Vitamine beschränkt. Dabei gibt es so viele Substanzen in unserem Körper, die nicht nur essentielle Bestandteile unse-res Lebens sind, sondern auch über eine Vielzahl von gesundheitlichen Wirkun-gen verfügen. Das Gebiet der Frauenheil-kunde nimmt hier eine Sonderposition ein. Wenige Fachgebiete sind im Bereich der OM so etabliert wie die Gynäkologie. Es ist weit verbreitet und auch anerkannt, dass Frauen in gewissen Lebensphasen, wie der Schwangerschaft oder der Meno-pause, einen erhöhten Bedarf an Vital-stoffen haben und diesen auch regelmä-ßig von ihrem Gynäkologen empfohlen bekommen.

einsatzmöglichkeiten während der schwangerschaft und stillzeit

Zu diesen gehören unter anderem:Magnesium, das an der neuromuskulä-■■

ren Reizübertragung und der Muskel-kontraktion beteiligt ist,das Eisen, das bei der Blutbildung, ■■

und der Sauerstoffversorgung von Mutter und Kind eine wichtige Rolle spielt,diverse Antioxidantien für die Unter-■■

stützung der Immunabwehr,omega-3-Fettsäuren für die kognitive ■■

und psychomotorische Entwicklung und die Entwicklung der Sehkraft des Neugeborenen,Probiotika für die Stärkung der Abwehr-■■

1 Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, Ernährungs-, Sport- und Orthomolekular-mediziner, Wien

präventive und therapeutische möglichkeiten der orthomolekularen medizin in der gynäkologischen praxis

Schwangerschaft – Stillzeit – Menopause – Onkologie

„Krankheiten befallen uns nicht aus heiterem Himmel, sondern entwickeln sich aus täglichen Sünden wider die Natur. Wenn sich diese ge-häuft haben, brechen sie unversehens hervor.“ Hippokrates

2/2009 promed komplementär16 © Springer-Verlag

orthomolekulare medizin

kräfte, die Stärkung der Immunabwehr bei allergischen Reaktionen und die Re-gulierung der Darmtätigkeit,Calcium, Vitamin D und Vitamin K für ■■

die Skelettentwicklung und die Versor-gung in der Stillphase,die B-Vitamine für den Kohlenhydrat-, ■■

den Fett- und den Aminosäurestoff-wechsel,Jod für die Sicherung der Schild-■■

drüsenfunktion,die Folsäure für die fetale Entwicklung, ■■

die Minderung eines Neuralrohr- Defektes und das Zellwachstum.

die menopause

In der Menopause ist die Nachfrage nach unterstützenden Maßnahmen neben ei-ner Hormonersatztherapie durch den Lei-densdruck der Frau besonders groß. Hier bieten neben den etablierten und gut un-tersuchten Phytoöstrogenen aus Soja, Rot-klee und Leinsamen zur Unterstützung des Hormonhaushaltes, das Biotin, die Pantothensäure, Zink und Coenzym Q10 für die Haut und das Haar eine gute Ergän-zung. Zusätzlich können Herz und Gefäße durch Sojaprodukte und omega-3-Fett-säuren geschützt werden. Die Vitamine B6, B12 und Folsäure, bieten den Endo-thelzellen Schutz, Vitamin C und E, Zink, Selen, Sojaprodukte und Karotinoide kön-nen aufgrund ihrer antioxidativen Fähig-keiten das Immunsystem bei der Bekämp-fung freier Radikale effektiv unterstützen. Im Falle einer Osteopenie oder einer Os-teoporose ist eine Supplementierung mit Vitamin D und Calcium, sowie den Vita-minen C, K, B6 und Sojaprodukten sehr empfehlenswert.

das spektrum

Neben Schwangerschaft, Stillzeit und der Menopause, die im Bereich der OM wie gesagt bereits sehr gefestigte Positionen einnehmen, gibt es eine Vielzahl an zu-sätzlichen Einsatzmöglichkeiten, wo sich die Anwendung von Mikronährstoffen be-zahlt macht. Zu diesen zählen:

bei der Einnahme Oraler Kontrazeptiva ■■

(OC)im Bereich der gynäkologischen ■■

Onkologiebei Präeklampsie■■

bei Kinderwunsch■■

bei Hypothyreose■■

bei Migräne■■

bei PMS■■

bei Osteoporose■■

Schon vor vielen Jahren konnten Unter-suchungen darauf hinweisen, dass es durch die langfristige Einnahme oraler Kontrazeptiva zu einem Defizit an ver-schiedenen Mikronährstoffen kommen kann bzw. der Nährstoffbedarf einer Frau, die durch die regelmäßige Ein-nahme der Anti-Baby-Pille belastet wird, erhöht ist. Eine zusätzliche Ein-nahme der Vitamine B1, B2, B5 (Panto-thensäure), B6, B12, von Folsäure, Vita-min C, Magnesium, Zink und Eisen scheint durchaus sinnvoll zu sein. Ne-ben einer ausführlichen Anamnese vor Beginn der Einnahme von OC, könnte man es in Erwägung ziehen der Patien-tin im Rahmen des Beratungsgesprä-ches ein Kombinationspräparat anzu-bieten, das die oben angeführten Mikronährstoffe enthält. (Am J Clin Nutr 1975, Am J Obstet Gynecol 1976).

Wie sehr die Forschung, auch im Be-reich der OM, ins Detail geht, zeigen Stu-dien in Bezug auf das Onkogen HER2. Hier wurden Zusammenhänge zwischen dem Expressionsmuster des Onkogens HER2 und der Zufuhr von omega-3-Fettsäuren untersucht. Die Untersuchungen ergaben dass eine mediterrane Diät bzw. die ver-mehrte Zufuhr von den mehrfach unge-sättigten (omega-3)-Fettsäuren die Ex-pression von HER2 in Brustkrebszellen reduzieren konnte.

Ein anderer Zusammenhang konnte zwischen der Einnahme von Calcium und Vitamin D und der Brustdichte von Frauen erkannt werden. Hier hat sich in einer Stu-die gezeigt, dass die Frauen die vermehrt Calcium und Vitamin D zu sich genom-men haben insgesamt über eine geringere Brustdichte verfügten und somit das Ri-siko, dass ein Mamma-Ca erst in sehr fort-geschrittenem Stadium entdeckt wurde, vermindern.

Die Arbeitsgruppe um Chappel L. et al. publizierten im Jahr 2002 im American Journal of Obstetrics and Gynaecology eine Arbeit über den Einfluss von Vitamin E und C auf den oxidativen Stress und die Plazentafunktionen bei hohem Prä­eklampsie-Risiko.

Durch die Supplementierung mit den Antioxidanzien Vitamin C und E, die man immer miteinander kombinieren sollte, kam es zu einer Reduktion des Präeklamp-sie-Risikos, einer Verminderung des oxi-dativen Stresses und einer Verbesserung der Plazentafunktion.

Der Einsatz von Folsäure bei Kinder­wunsch-Patienten ist weit verbreitet. Im Journal of Obstetrics and Gynaecology 2003 haben sich Kumar et al dem Thema Abor­tus habitualis gewidmet. Sie untersuchten den Zusammenhang von Homocystein-Plasma-Spiegeln, Folsäure Status und MTHFR-Genmutationen bei Frauen mit habituellen Aborten. Dabei wurde bei 37,5 Prozent der Frauen mit habituellen Aborten ein signifikant erniedrigter Fol-säure-Spiegel festgestellt. In der Kontroll-gruppe (n=24) konnte bei nur 20,8 Prozent der Frauen ein Folsäure-Mangel nachge-wiesen werden.

Die frühzeitige Diagnose einer Hyper-homocysteinämie kann dazu betragen, dass eine entsprechende Behandlung, z. B. mit Folsäure-Supplementierung eingelei-tet und der gesunde Verlauf einer Schwan-gerschaft gefördert wird.

Auch bei Erkrankungsbildern wie der Migräne oder dem PMS (prämen-struelles Syndrom), wo der Leidens-druck groß ist und die Behandlungs-

abb. 1: Empfohlene Mehrzufuhr bei Schwangeren (Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr: Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Umschau Braus GmbH 2000)

Gra

fik: D

r. M

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Dr. med. Christian Matthai

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Vitamin A

Vitamin C

Vitamin E

Vitamin B1

Vitamin B2

Nicotinamid

Vitamin B6

Vitamin B12

Folsäure

Magnesium

Eisen

Zink

Jod

%

2/2009promed komplementär 17© Springer-Verlag

orthomolekulare medizin

möglichkeiten oft unzureichend sind, bietet der Einsatz von Mikronährstoffen wie dem Coenzym Q10, der Aminosäure L-Tryptophan, Vitamin B6, Calcium und Magnesium eine gute Option (Hershey AD et al. Headache 2007, Nagata E et al. Headache 2006; Rapkin A. Psychoneu-roendocrinology 2003) für eine Besse-rung der Beschwerden.

Eine sehr interessante Erkenntnis pub-lizierten Kralik et al im Journal of Hor-mone Metabolism Research im Jahr 1996. Sie untersuchten den Einfluss eines Zink- und Selenmangels auf die Funktion der Schilddrüse.

Hierbei waren Serum-Konzentratio-nen von Trijodothyronin (T3) und dem freien Thyroxin (fT4) bei einem Zink- oder einem Selenmangel um bis zu 30 Prozent vermindert.

Die 5’Dejodinase-Aktivität, das Enzym das T4 in T3 umwandelt, war bei einem Zink-Mangel um bis zu 67 Prozent und bei einem Selen-Mangel um bis zu 47 Prozent vermindert im Vergleich zur Kontroll-gruppe. Eine Substitution mit Zink und Selen wäre bei hypothyreoter Stoffwechsel­lage und Mikronährstoffmangel somit durchaus sinnvoll.

Neben den Isoflavonen würde sich, ba-sierend auf der vorliegenden Literatur, im Rahmen des klimakterischen Syndroms auch der Einsatz von Vitamin C (Osteopo-rose), Vitamin D (Osteoporose), Calcium (bei Osteoporose und bei Östrogen – und Androgenmangel), Magnesium (unter Bis-phosphonattherapie bei Osteoporose), Bor (bei Osteoporose und zur Synthese der Steroidhormone) und L-Lysin bezahlt machen.

Einige Wirkungen von Isoflavonen auf unsere Gesundheit:

Verringerung klimakterischer Be-■■

schwerden Positive Beeinflussung des Knochen-■■

stoffwechsels

Positiver Einfluss auf Risikofaktoren ■■

von Herz-KreislauferkrankungenAntioxidative Wirkung■■

Risikosenkung für bestimmte Krebs-■■

arten (v. a. Brust-, Prostatakrebs)Positive Wirkungen auf die Haut■■

Die Grundwirkmechanismen von Phyto-östrogenen sind:

Blockade von Hormonrezeptoren ■■

(SERM)Induzieren die Synthese von SHBG■■

Hemmung der Aromatase■■

Die durchschnittliche pro Tag Einnahme von Isoflavonen beträgt in

Asien 20–50■■ ■mgEuropa/USA 2–3■■ ■mg

100 g Tofu enthalten etwa 20 mg Geni-stein, das wohl bekannteste und am bes-ten untersuchte Isoflavon. Wenn wir eine Wirkung erzielen möchten, sollten wir pro Tag doch mindestens 60 mg Ge-nistein zu uns nehmen. Das würde be-deuten, dass wir jeden Tag etwa 300 g Tofu essen müssen. Wollen Sie das? Ge-hen würde es ja. So ähnlich verhält es sich mit Fisch. Theoretisch ist es mög-lich eine ausreichende Menge der so wertvollen omega-3-Fettsäuren über die Nahrung aufzunehmen. Doch wollen Sie wirklich jeden Tag Fisch essen? Die omega-3-Fettsäuren sollten Sie sich, Ih-rer Gesundheit zu Liebe, aber nicht ent-gehen lassen.

phytoöstrogene verbessern postmenopausale kognition und stimmung

Casini et al. zeigten 2006 in einer ran-domisierten, Plazebo-kontrollierten, Doppel-blind-Crossover-Studie, dass die Einnahme von Phytoöstrogenen sich sowohl auf die Kognition als auch auf die Stimmungslage bei postmeno-

pausalen Frauen auswirkte (Fertil Steril 2006; 85(4):972–8).

Nach sechsmonatiger Einnahme von Isoflavonen kam es zu einer Verbesserung der kognitiven Leistung, zu einer Verbes-serung der Stimmungslage und einer Zu-nahme an Lebensqualität.

schwangerschaft und stillzeit – die bedeutung der omega-3-Fettsäuren

Hibbeln erfasste im Jahr 2002 bei der Auswertung von 41 Studien den Zusam-menhang zwischen der Ernährung, dem DHA-Gehalt (Docosahexaensäure) der Muttermilch und dem Auftreten einer Wochenbettdepressionen (Hibbeln, J.R., J Affective Disorders 69: 15–29,2002).

Die Auswertung umfasste 23 Länder mit insgesamt 14.532 Teilnehmerinnen. Die durchschnittliche Prävalenzrate der Wochenbettdepression betrug 12,4 Pro-zent. Dabei stand ein hoher nationaler Verbrauch von Fisch und Meeresfrüchten in engem Zusammenhang mit niedrigen Prävalenzraten.

Die ausreichende nutritive Versorgung von Schwangeren mit omega-3-Fettsäu-ren, insbesondere DHA (300 mg DHA/Tag), kann das Risiko für die Entwicklung einer Wochenbettdepression signifikant senken.

Eine weitere Bedeutung wird omega-3-Fettsäuren bei der Entwicklung der kindlichen Intelligenz beigemessen. Larque et al untersuchten hierzu die Aus-wirkung einer Supplementierung von langkettigen, ungesättigten Fettsäuren während der Schwangerschaft und Still-zeit (Larque, E. et al.: Ann. N.Y. Acad. Sci 967: 299–310, 2002).

Dabei zeigte sich, dass omega-3-Fett-säuren, insbesondere DHA, nachhaltig die kognitive Leistungsfähigkeit des Kin-des beeinflussen. Die Child Health Foundation empfiehlt eine Supplemen-tierung mit langkettigen, ungesättigten Fettsäuren in der Schwangerschaft und Stillzeit (Helland IB, Smith L, Saarem K, et al. Pediatrics 2003; 111(1):e39–44; Ma-ternal supplementation with very-long-chain n-3 fatty acids during pregnancy and lactation augments children’s IQ at 4 years of age). n

Korrespondenz:Dr. med. Christian MatthaiMobil: +43 (0)664 1234140Internet: www.matthai.at; www.womanandhealth.at; www.heilsamenahrung.at

Fazit für die praxisBei der Bewertung von sinnvollem und sinnlosem Einsetzen von Mikronährstoffen im präventiven und therapeutischen Bereich, sollte man keinesfalls die „rosa Brille“ aufsetzen. Damit meine ich, dass es viele Bereiche gibt, wo der Einsatz von Vitalstoffen bereits etabliert ist und auch vom wissenschaftlichen Standpunkt über die Sinnhaftigkeit keine Zweifel bestehen. Es gibt aber ebenso genügend Studien die zeigen, dass Mikronährstoffe in einigen Fällen keinen Benefit bringen – ja vielleicht sogar schaden können, wenn man sie beispielsweise in einer inadäquaten Dosis einnimmt. Eines steht jedoch außer Frage. Niemandem sollte das große Potential der Mikronährstoffmedizin vorenthal-ten bleiben. Somit liegt es an uns Ärzten, sich gewissenhaft und seriös mit diesem Thema auseinanderzusetzen um den Ruf der Orthomolekularen Medizin und die Lebensqualität unserer Patienten zu verbessern.

2/2009 promed komplementär18 © Springer-Verlag