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DOI: 10.1007/s00350-014-3661-z Präzisierung der unionsrechtlichen Anforderungen an Heilberufe Die Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen durch die Richtlinie 2013/55/EU und ihre Auswirkungen auf die Heilberufe Gerhard Igl und Jasmin Ludwig Die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. 9. 2005 zur Anerkennung von Berufs- qualifikationen ist durch die Richtlinie 2013/55/EU vom 20. 11. 2013 geändert worden. Für die Heilberufe ergeben sich nur wenige Änderungen, so bei den Ärzten die Ver- kürzung der Ausbildungsdauer auf fünf Jahre unter Bei- behalt des Ausbildungsvolumens, bei den Hebammen die Anhebung der Dauer der der Ausbildung vorhergehenden Schulausbildung auf zwölf Jahre und bei den Kranken- schwestern/Krankenpflegern für die allgemeine Pflege die alternative Eröffnung der Möglichkeit, als Mindestvoraus- setzung für den Zugang zur Ausbildung zwölf Jahre oder zehn Jahre schulische Ausbildung zu wählen. Die Richt- linie enthält weiter für alle erfassten Berufe Präzisierungen hinsichtlich der erforderlichen Sprachkenntnisse. Als Neu- erung ist die Einführung eines Europäischen Berufsauswei- ses zu verzeichnen. I. Einleitung Das Europäische Parlament und der Rat haben am 20. 11. 2013 die Richtlinie 2013/55/EU zur Änderung der Richt- linie 2005/36/EG 1 über die Anerkennung von Berufsqua- lifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnen- markt-Informationssystems („IMI-Verordnung“) 2 erlassen. Die Richtlinie 2005/36/EG – im Folgenden Berufsaner- kennungsrichtlinie (BAKRL) 3 genannt – hat Auswirkun- gen auf den Zugang zur Ausbildung und auf die Ausbil- dung von reglementierten Berufen 4 , zu denen die meisten Gesundheitsberufe zählen, so in Deutschland alle ärztlichen Heilberufe (Ärzte, Zahn- und Tierärzte) 5 und die anderen als ärztlichen Heilberufe wie die Apotheker 6 , die Berufe der allgemeinen Krankenpflege sowie der Alten- und Kinder- krankenpflege, Hebammen, psychologischen Psychothera- peuten und eine Reihe weiterer Berufe 7 . Die BAKRL hat die Anerkennung von beruflichen Qua- lifikationen zum Gegenstand. Dabei geht es nicht nur um die administrativen Voraussetzungen der Anerkennung, sondern – wie insbesondere bei den Heilberufen – auch um die Inhalte der Berufsausbildung. Die unionsrechtli- chen Handlungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Voraus- setzungen wie die Inhalte der Ausbildung der Heilberufe sind auf die Grundfreiheiten des Binnenmarktes zurück- zuführen, welche zu den wichtigsten Garantien der euro- päischen Wirtschaftsverfassung zählen 8 . Die BAKRL aus dem Jahre 2005 ebenso wie die jetzt vorliegende Richtlinie 2013/55/EU beruhen auf der Durchsetzung der Grund- freiheiten, insbesondere der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Artt. 46, 53 Abs. 1, 62 AEUV; früher Artt. 40, 47 Abs. 1, 2 S. 1 und 3 sowie Art. 55 EGV) 9 . Um eine Gleichwertigkeit von Prof. Dr. iur. Gerhard Igl, Geschäftsführender Vorstand des Instituts für Sozialrecht und Gesundheitsrecht der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Leibnizstraße 6, 24118 Kiel, Deutschland, und Wiss. Mitarb. Dipl. iur. Jasmin Ludwig, ebd. 214 MedR (2014) 32: 214–219 1) ABl. EG L 255 v. 30. 9. 2005, S. 22. Berichtigungen in ABl. EG L 271 v. 16. 10. 2007, S. 18; L 93 v. 4. 4. 2008, S. 28; L 33 v. 3. 2. 2009, S. 49. Änderungen durch die Verordnung (EG) Nr. 1137/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22. 10. 2008 zur Anpas- sung einiger Rechtsakte, für die das Verfahren des Artikels 251 des Vertrags gilt, an den Beschluss 1999/468/EG des Rates in Be- zug auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle. Anpassung an das Regelungsverfahren mit Kontrolle – Erster Teil, ABl. EG L 311 v. 21. 11. 2008, S. 1 (40–43). Anpassungen aus Anlass des Beitritts Bulgariens und Rumäniens durch die Richtlinie 2006/100/EG des Rates v. 20. 11. 2006, ABl. EU L 363 v. 20. 12. 2006, S. 141, und aus Anlass des Beitritts der Republik Kroatien durch die Richtlinie 2013/25/EU des Rates v. 13. 5. 2013, ABl. EU L 158 v. 10. 6. 2013, S. 368. Das entsprechende Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie wurde in Deutschland 2007 verabschiedet (Gesetz v. 2. 9. 2007, BGBl. I S. 2686). Die Regelungen wurden später durch das Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz – BQFG) v. 6. 12. 2011 (BGBl. I S. 2515) ergänzt, vgl. hierzu Maier/ Rupprecht, ZAR 2011, 201 ff. 2) Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20. 11. 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verord- nung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verord- nung“), ABl. EU L 354 v. 28. 12. 2013, S. 132. Die Richtlinie ist binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten, d. h. bis zum 18. 1. 2016, umzusetzen (Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2013/55/EU). 3) Die durch die Richtlinie 2013/55/EU geänderten und neu ein- gefügten Vorschriften werden mit „BAKRL geänd.“ gekenn- zeichnet. 4) Um einen reglementierten Beruf handelt es sich gemäß der Le- galdefinition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/ EG, wenn die Aufnahme oder Ausübung einer beruflichen Betä- tigung direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvor- schriften an einen bestimmten Qualifikationsnachweis gebunden ist. S. auch die Definition im deutschen Recht: Reglementierte Berufe sind berufliche Tätigkeiten, deren Aufnahme oder Aus- übung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Be- sitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist; eine Art der Ausübung ist insbesondere die Führung einer Berufsbezeichnung, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf Personen be- schränkt ist, die über bestimmte Berufsqualifikationen verfügen, vgl. § 3 Abs. 5 BQFG (wie Fn. 1). 5) Zum Begriff der Heilberufe BVerfGE 33, 125, 154. 6) Zur Kompetenz des Bundes zur Regelung des Apothekenwesens Steiner, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 2011, GG Art. 74, Rdnr. 8. 7) Beschäftigungstherapeuten, Diätassistenten, Krankengymnasten, Logopäden, Masseure, medizinische Bademeister, Orthoptisten, pharmazeutisch-technische Assistenten, Physiotherapeuten, Ret- tungsassistenten (ab. 1. 1. 2014: Notfallsanitäter) und technische Assistenten in der Medizin (zu dieser Gruppe vgl. BVerfGE 106, 62). Diese Berufe sind in den Heilberufsgesetzen des Bundes ge- regelt. Darüber hinaus existieren landesrechtlich geregelte Heilbe- rufe. Nicht betrachtet werden sollen hier die Berufe der Gesund- heitshandwerker. Heilpraktiker werden von der BAKRL nicht erfasst; vgl. zur besonderen Situation der Heilpraktiker Igl (Hrsg.), Recht der Gesundheitsfachberufe, Heilpraktiker und sonstigen Berufe im Gesundheitswesen, 2014 (69. Aktualisierung), 30.1 HeilprG, Vorbemerkung, Rdnr. 23; sowie Sasse, Der Heilprakti- ker, 2011, S. 84 ff. 8) Nowak, Europarecht nach Lissabon, 2011, Rdnr. 29. 9) Vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 25, Rdnr. 28.

Präzisierung der unionsrechtlichen Anforderungen an Heilberufe

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DOI: 10.1007/s00350-014-3661-z

Präzisierung der unionsrechtlichen Anforderungen an HeilberufeDie Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen durch die Richtlinie 2013/55/EU und ihre Auswirkungen auf die Heilberufe

Gerhard Igl und Jasmin Ludwig

Die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. 9. 2005 zur Anerkennung von Berufs-qualifikationen ist durch die Richtlinie 2013/55/EU vom 20. 11. 2013 geändert worden. Für die Heilberufe ergeben sich nur wenige Änderungen, so bei den Ärzten die Ver-kürzung der Ausbildungsdauer auf fünf Jahre unter Bei-behalt des Ausbildungsvolumens, bei den Hebammen die Anhebung der Dauer der der Ausbildung vorhergehenden Schulausbildung auf zwölf Jahre und bei den Kranken-schwestern/Krankenpflegern für die allgemeine Pflege die alternative Eröffnung der Möglichkeit, als Mindestvoraus-setzung für den Zugang zur Ausbildung zwölf Jahre oder zehn Jahre schulische Ausbildung zu wählen. Die Richt-linie enthält weiter für alle erfassten Berufe Präzisierungen hinsichtlich der erforderlichen Sprachkenntnisse. Als Neu-erung ist die Einführung eines Europäischen Berufsauswei-ses zu verzeichnen.

I. Einleitung

Das Europäische Parlament und der Rat haben am 20. 11. 2013 die Richtlinie 2013/55/EU zur Änderung der Richt-linie 2005/36/EG 1 über die Anerkennung von Berufsqua-lifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnen-markt-Informationssystems („IMI-Verordnung“) 2 erlassen. Die Richtlinie 2005/36/EG – im Folgenden Berufsaner-kennungsrichtlinie (BAKRL) 3 genannt – hat Auswirkun-gen auf den Zugang zur Ausbildung und auf die Ausbil-dung von reglementierten Berufen 4, zu denen die meisten Gesundheitsberufe zählen, so in Deutschland alle ärztlichen Heilberufe (Ärzte, Zahn- und Tierärzte) 5 und die anderen als ärztlichen Heilberufe wie die Apotheker 6, die Berufe der allgemeinen Krankenpflege sowie der Alten- und Kinder-krankenpflege, Hebammen, psychologischen Psychothera-peuten und eine Reihe weiterer Berufe 7.

Die BAKRL hat die Anerkennung von beruflichen Qua-lifikationen zum Gegenstand. Dabei geht es nicht nur um die administrativen Voraussetzungen der Anerkennung, sondern – wie insbesondere bei den Heilberufen – auch um die Inhalte der Berufsausbildung. Die unionsrechtli-chen Handlungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Voraus-setzungen wie die Inhalte der Ausbildung der Heilberufe sind auf die Grundfreiheiten des Binnenmarktes zurück-zuführen, welche zu den wichtigsten Garantien der euro-päischen Wirtschaftsverfassung zählen 8. Die BAKRL aus dem Jahre 2005 ebenso wie die jetzt vorliegende Richtlinie 2013/55/EU beruhen auf der Durchsetzung der Grund-freiheiten, insbesondere der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Artt. 46, 53 Abs. 1, 62 AEUV; früher Artt. 40, 47 Abs. 1, 2 S. 1 und 3 sowie Art. 55 EGV) 9. Um eine Gleichwertigkeit von

Prof. Dr. iur. Gerhard Igl, Geschäftsführender Vorstand des Instituts für Sozialrecht und Gesundheitsrecht der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Leibnizstraße 6, 24118 Kiel, Deutschland, und Wiss. Mitarb. Dipl. iur. Jasmin Ludwig, ebd.

214 MedR (2014) 32: 214–219

1) ABl. EG L 255 v. 30. 9. 2005, S. 22. Berichtigungen in ABl. EG L 271 v. 16. 10. 2007, S. 18; L 93 v. 4. 4. 2008, S. 28; L 33 v. 3. 2. 2009, S. 49. Änderungen durch die Verordnung (EG) Nr. 1137/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22. 10. 2008 zur Anpas-sung einiger Rechtsakte, für die das Verfahren des Artikels 251 des Vertrags gilt, an den Beschluss 1999/468/EG des Rates in Be-zug auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle. Anpassung an das Regelungsverfahren mit Kontrolle – Erster Teil, ABl. EG L 311 v. 21. 11. 2008, S. 1 (40–43). Anpassungen aus Anlass des Beitritts Bulgariens und Rumäniens durch die Richtlinie 2006/100/EG des Rates v. 20. 11. 2006, ABl. EU L 363 v. 20. 12. 2006, S. 141, und aus Anlass des Beitritts der Republik Kroatien durch die Richtlinie 2013/25/EU des Rates v. 13. 5. 2013, ABl. EU L 158 v. 10. 6. 2013, S. 368. Das entsprechende Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie wurde in Deutschland 2007 verabschiedet (Gesetz v. 2. 9. 2007, BGBl.  I S.  2686). Die Regelungen wurden später durch das Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz – BQFG) v. 6. 12. 2011 (BGBl. I S. 2515) ergänzt, vgl. hierzu Maier/Rupprecht, ZAR 2011, 201 ff.

2) Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20. 11. 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verord-nung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verord-nung“), ABl. EU L 354 v. 28. 12. 2013, S. 132. Die Richtlinie ist binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten, d. h. bis zum 18. 1. 2016, umzusetzen (Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2013/55/EU).

3) Die durch die Richtlinie 2013/55/EU geänderten und neu ein-gefügten Vorschriften werden mit „BAKRL geänd.“ gekenn-zeichnet.

4) Um einen reglementierten Beruf handelt es sich gemäß der Le-galdefinition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG, wenn die Aufnahme oder Ausübung einer beruflichen Betä-tigung direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvor-schriften an einen bestimmten Qualifikationsnachweis gebunden ist. S. auch die Definition im deutschen Recht: Reglementierte Berufe sind berufliche Tätigkeiten, deren Aufnahme oder Aus-übung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Be-sitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist; eine Art der Ausübung ist insbesondere die Führung einer Berufsbezeichnung, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf Personen be-schränkt ist, die über bestimmte Berufsqualifikationen verfügen, vgl. § 3 Abs. 5 BQFG (wie Fn. 1).

5) Zum Begriff der Heilberufe BVerfGE 33, 125, 154.6) Zur Kompetenz des Bundes zur Regelung des Apothekenwesens

Steiner, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 2011, GG Art.  74, Rdnr. 8.

7) Beschäftigungstherapeuten, Diätassistenten, Krankengymnasten, Logopäden, Masseure, medizinische Bademeister, Orthoptisten, pharmazeutisch-technische Assistenten, Physiotherapeuten, Ret-tungsassistenten (ab. 1. 1. 2014: Notfallsanitäter) und technische Assistenten in der Medizin (zu dieser Gruppe vgl. BVerfGE 106, 62). Diese Berufe sind in den Heilberufsgesetzen des Bundes ge-regelt. Darüber hinaus existieren landesrechtlich geregelte Heilbe-rufe. Nicht betrachtet werden sollen hier die Berufe der Gesund-heitshandwerker. Heilpraktiker werden von der BAKRL nicht erfasst; vgl. zur besonderen Situation der Heilpraktiker Igl (Hrsg.), Recht der Gesundheitsfachberufe, Heilpraktiker und sonstigen Berufe im Gesundheitswesen, 2014 (69. Aktualisierung), 30.1 HeilprG, Vorbemerkung, Rdnr. 23; sowie Sasse, Der Heilprakti-ker, 2011, S. 84 ff.

8) Nowak, Europarecht nach Lissabon, 2011, Rdnr. 29.9) Vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5.  Aufl. 2011,

§ 25, Rdnr. 28.

bestimmten beruflichen Qualifikationen in der EU fest-stellen zu können, werden inhaltliche Mindestanforderun-gen an die heilberufliche Ausbildung erhoben (vgl. Art. 23 Abs. 6 Unterabs. 2, Artt. 24, 25, 28, 31, 34, 38, 40 und 44 BAKRL). Über diese inhaltlichen Anforderungen an die Ausbildung der Heilberufe hinaus enthält die BAKRL auch Bestimmungen, die die Berufsausübung der Heilberufe be-treffen, so für die praktischen Ärzte (Art. 29 BAKRL), die Hebammen (Art. 42 BAKRL) und die Apotheker (Art. 45 BAKRL).

Im Folgenden sollen die wichtigsten Bestimmungen der Richtlinie 2005/36/EG und ihre Wirkungen für die Heil-berufe dargestellt werden (Abschnitt II). Sodann wird auf die Änderungen durch die Richtlinie 2013/55/EU einge-gangen (Abschnitt III).

II. Die Berufsanerkennungsrichtlinie vor der Änderung

Die BAKRL löste mehrere zuvor bestehende Richtlini-en zu reglementierten Berufen ab 10. Die vorhergehenden Richtlinien waren vorwiegend sektoraler Natur, d. h. sie regelten Ausbildungs- und Ausübungskriterien spezifisch für den Bereich einer einzelnen Berufsgruppe 11. Dieser sek-torale Ansatz wurde mit der BAKRL teilweise zugunsten eines horizontalen Ansatzes verlassen 12. Mit dem horizon-talen Ansatz wird eine Anerkennung auf der Grundlage von bestimmten allgemeinen Qualifikationsniveaus ver-folgt. Für einige wichtige Heilberufe bleibt der sektorale Ansatz jedoch erhalten.

Die BAKRL gilt für eine Vielzahl von Berufen in der Europäischen Union 13. Damit wird das Ziel verfolgt, den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren, die automatische Anerken-nung von Diplomen und Befähigungsnachweisen zu er-möglichen und das Verwaltungsverfahren zu erleichtern sowie den Dienstleistungsmarkt weiter zu liberalisieren 14.

1. System der Anerkennung bei den Gesundheitsberufen

Die BAKRL sieht drei Wege zur Anerkennung von Be-fähigungsnachweisen vor: Die automatische Anerkennung von sektoral geregelten Berufen, bei denen die Mindest-anforderungen an die Ausbildung auf Unionsebene bereits harmonisiert wurden, die allgemeine Regelung der Aner-kennung von Berufsqualifikationen und die individuelle Anerkennung der Berufserfahrung bei bestimmten Tätig-keiten 15.

a) Automatische und allgemeine Anerkennung

Zu den Berufen, bei denen die automatische Anerken-nung (Art. 21 Abs. 1 BAKRL) gilt, gehören die ärztlichen Heilberufe sowie die Krankenschwestern und Kranken-pfleger für allgemeine Pflege (nicht die Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger und die Altenpfleger), Hebammen und Apotheker, sofern die Berufsangehörigen den im An-hang V der Richtlinie aufgeführten Befähigungsnachweis besitzen. Damit ist die Aufnahme der Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Union ohne weitere Prüfung der Qualifikation möglich.

Von der allgemeinen Regelung (Art. 13 BAKRL) wer-den solche Gesundheitsberufe erfasst, die noch kein Min-destmaß an unionsweiter Harmonisierung der Ausbil-dungsinhalte erfahren haben, sodass eine automatische Anerkennung aus Gründen der Qualitätssicherung und Vergleichbarkeit nicht geboten ist 16. Hiernach wird die Anerkennung durch den Aufnahmestaat unter bestimm-ten Voraussetzungen ermöglicht. Zum besseren Vergleich der Berufsqualifikationen sind fünf Qualifikationsniveaus vorgesehen, nach denen sich die Anerkennung richten soll (Artt. 11 und 13 BAKRL). Die Qualifikationsniveaus rei-chen vom einfachen Befähigungsnachweis eines Mitglied-

staates bis hin zum postsekundären Diplom mit mehrjähri-ger Ausbildung. Sofern es sich um Befähigungsnachweise aus Drittstaaten handelt, liegt die Entscheidung über die Anerkennung im Ermessen der Mitgliedstaaten (Art.  2 Abs. 2 BAKRL).

Die in Rede stehenden Qualifikationsniveaus der nicht sektoral geregelten Gesundheitsberufe betreffen auch die sog. besonders strukturierte Ausbildung auf Sekundärni-veau (vgl. Art. 11 Buchst. c Ziff. ii BAKRL). Zu den Be-rufen mit einer solchen Ausbildung gehören in Deutsch-land gemäß Anhang II Nr. 1 der BAKRL insbesondere die Berufe der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Altenpflege und Logopäden 17. Diese Berufe werden, ob-wohl auf Sekundärniveau eingeordnet, dem postsekun-dären Niveau gemäß Art.  11 Buchst. c Ziff. i BAKRL gleichgesetzt.

b) Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit

Bei nur vorübergehender Ausübung einer Tätigkeit in ei-nem anderen Mitgliedstaat sind die Bestimmungen zur An-erkennung weniger streng. Voraussetzung ist jedoch, dass der Leistungserbringer zur Ausübung desselben Berufes in einem anderen Mitgliedstaat der Union rechtmäßig nieder-gelassen sein muss (Art. 5 Abs. 1a BAKRL). Die Abgren-zung zwischen Dienstleistung und Niederlassung ist nicht eindeutig definiert. Hier ist eine Einzelfallprüfung insbe-sondere anhand der Dauer, Häufigkeit und regelmäßigen Wiederkehr und Kontinuität der Dienstleistung vorzuneh-men (Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 BAKRL).

2. Reformbedarf

Anlass zur Änderung der BAKRL gaben vor allem die Schwierigkeiten im Anerkennungsprozess, welche unter anderem auf behördliche Organisationsmängel zurückzu-führen sind. Schlechte Kommunikation der zuständigen Behörden untereinander wie auch mit den betroffenen Be-rufsangehörigen, unvollständige Informationen und die un-zureichende Nutzung digitaler Medien erschwerten die An-erkennung und führten zu überlanger Bearbeitungsdauer 18.

Igl/Ludwig, Präzisierung der unionsrechtlichen Anforderungen an Heilberufe MedR (2014) 32: 214–219 215

10) Dazu Kluth, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommen-tar, 4. Aufl. 2011, Art. 59 AEUV, Rdnr. 34; Schneider/Wunder-lich, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 45 AEUV, Rdnr. 68.

11) RL 93/16/EWG (Ärzte); RL 77/452/EWG und RL 77/453/EWG (Krankenschwestern und Krankenpfleger); RL 78/686/EWG und RL 78/687 (Zahnärzte); RL 78/1026/EWG und RL 78/1027/EWG (Tierärzte); RL 80/154/EWG und RL 80/155/EWG (Hebammen); RL 85/432/EWG und RL 85/433/EWG (Apotheker) und RL 85/384/EWG (Architekten).

12) Schwarze, Europäisches Wirtschaftsrecht, 2007, Rdnr. 128.13) Alle darunter fallenden Berufe finden sich in der entsprechenden

Datenbank der Europäischen Kommission, veröffentlicht unter: http://ec.europa.eu/internal_market/qualifications/regprof/in-dex.cfm?newlang=de (Zugriff am 23. 11. 2013).

14) Europäische Kommission, Richtlinie 2005/36/EG – Politische Entwicklung, veröffentlicht unter: http://ec.europa.eu/inter-nal_market/qualifications/policy_developments/index_de.htm (Zugriff am 23. 11. 2013).

15) Schneider/Wunderlich, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 45 AEUV, Rdnr. 69.

16) Dies sind bei den Heilberufen bisher die Berufe der Gesund-heits- und Kinderkrankenpflege, die Altenpflege, die Diätas-sistenten, psychologische Psychotherapeuten, Ergotherapeuten, Beschäftigungstherapeuten, Masseure, medizinische Bademeis-ter, Orthoptisten, Kinesitherapeuten, Physiotherapeuten, Lo-gopäden und Krankengymnasten, Podologen, Rettungsassis-tenten, pharmazeutisch-technische und technische Assistenten in der Medizin.

17) Ebenso Krankengymnasten, Physio- und Ergotherapeuten und weitere Berufe.

18) Vgl. Europäische Kommission, KOM(2011) 883 endg., S. 8.

Neben diesen eher administrativen Problemen wa-ren die Anforderungen an die Berufsausbildung bei den Ärzten und weiter auch die Zugangsvoraussetzungen zur Berufsausbildung in der Gesundheits- und Krankenpfle-ge (allgemeine Pflege) und bei den Hebammen umstrit-ten. So verlangt die Mehrheit der Mitgliedstaaten für die Ausbildung in der Pflege eine zwölfjährige Schulbildung, wohingegen in Deutschland eine Ausbildung bereits nach zehn Jahren angestrebt werden kann 19. Auch die Dauer der Grundausbildung der Humanmediziner ist in der Union nicht einheitlich geregelt. Mehrheitlich beträgt sie fünf, in Deutschland hingegen sechs Jahre 20. Weiter waren die Anforderungen an die erforderlichen Sprachkenntnisse nicht hinreichend präzisiert. Schließlich waren Patienten nur unzureichend vor Ärzten mit wenig Berufspraxis oder vor Ärzten geschützt, über die ein Berufsverbot verhängt worden war 21.

III. Die Änderung der Richtlinie durch die Richtlinie 2013/55/EU

Die Richtlinie wurde auf der Grundlage der Artt. 46, 53 Abs. 1 und 62 AEUV gemäß Vorschlag der Kommission von Parlament und Rat geändert. Hierbei wurden die Ar-beitnehmerfreizügigkeit und die Dienstleistungs- und Nie-derlassungsfreiheit weiter ausgebaut. Ziel ist eine schnellere und unkompliziertere Anerkennung, die nach und nach in eine automatische Anerkennung aller reglementierten Be-rufe münden könnte 22.

1. Inhalte der geänderten Richtlinie

Mit der Änderung der BAKRL soll den vorgenannten Problemen 23 Rechnung getragen werden. Neben inhaltli-chen Änderungen der Mindestanforderungen für den Zu-gang zur Ausbildung und der Ausbildung selbst sowie für die Spracherfordernisse finden sich auch administrative Bestimmungen für eine verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und zu einem Vorwarnmechanismus zum Schutz der Patienten vor Leistungserbringern mit Berufs-verbot. Als Neuerungen sind vorgesehen die Einführung des Europäischen Berufsausweises und die Errichtung einer gemeinsamen elektronischen Datenbank für den unionsweiten, einheitlichen und schnellen Zugriff aller Mitgliedstaaten.

a) Einführung eines Europäischen Berufsausweises

Zur Vereinfachung und operativen Effizienz des Aner-kennungsverfahrens und zur Erleichterung der Mobilität der Berufsangehörigen wird der bereits lange diskutierte Europäische Berufsausweis eingeführt (vgl. Erwägungs-grund Nr.  4 Richtlinie 2013/55/EU). Der Europäische Berufsausweis ist gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. k der ge-änderten Richtlinie eine elektronische Bescheinigung, welche zwei Funktionen erfüllen kann. Der Berufsaus-weis kann der Anerkennung beruflicher Qualifikationen zur Niederlassung oder dem Nachweis aller Erfordernisse für die vorübergehende Erbringung von Dienstleistungen dienen. Dies wird durch eine Datenbank, das Binnen-markt-Informationssystem (IMI) 24, unterstützt, die elek-tronische Daten zu allen relevanten Berufsangehörigen erfassen kann. Die Entscheidung hierfür wird für jede Berufsgruppe separat getroffen (Art.  4a Abs.  7 Unter-abs. 2 BAKRL geänd.).

b) Änderungen der Mindestanforderungen an die Voraussetzungen des Zugangs zur Berufsausbildung und an die Berufsausbildung

aa) ÄrzteDie Mindestdauer der ärztlichen Grundausbildung wur-de von sechs auf fünf Jahre herabgesetzt (Art.  24 Abs.  2

BAKRL geänd.). Die Intention dieser Änderung besteht nicht in der Absenkung des qualitativen Niveaus, sondern in der Erleichterung der Mobilität unter Erhalt einer ho-hen Qualifikation (vgl. Erwägungsgrund Nr. 18 Richtlinie 2013/55/EU). Deswegen ist die Mindeststundenanzahl der gesamten Ausbildung von 5.500 gleich geblieben.

Weiter wurden die Anerkennungsvoraussetzungen für die fachärztliche Weiterbildung erleichtert. Demnach können die Mitgliedstaaten im Einzelfall auch Befreiun-gen für Teilbereiche einer der in Anhang V Nr. 5.1.3 auf-geführten fachärztlichen Weiterbildungen erteilen, so-fern diese Bereiche schon durch eine andere fachärztliche Weiterbildung in einer in einem anderen Mitgliedstaat vorangegangenen Facharztausbildung absolviert worden sind (Art. 25 Abs. 3a BAKRL geänd.). Die zahnärztliche Grundausbildung wurde dahingehend präzisiert, dass sie bei mindestens fünfjähriger Dauer aus mindestens 5.000 Stunden theoretischer und praktischer Ausbildung beste-hen muss (Art. 34 Abs. 2 BAKRL geänd.). Die fachzahn-ärztliche Weiterbildung beträgt nunmehr ausnahmslos mindestens drei Jahre (Art. 35 Abs. 2 Unterabs. 2 BAKRL geänd.).

bb) Andere als ärztliche HeilberufeIn der Änderungsrichtlinie wird, besonders mit Blick auf den status quo der deutschen Berufsausbildung in der Pfle-ge, die Gleichwertigkeit mit der sonst in der Union übli-chen hochschulischen Ausbildung dieser Berufe anerkannt. Durch die automatische Anerkennung wie etwa in der all-gemeinen Krankenpflege wird von der Gleichwertigkeit ausgegangen (Art. 31 Abs. 1, Anhang V Nr. 5.2.2 BAKRL geänd.). Bei der allgemeinen (Anerkennungs-)Regelung wird die Gleichwertigkeit angenommen, wenn die Ausbil-dung eine vergleichbare Berufsbefähigung vermittelt und auf eine vergleichbare berufliche Funktion und Verantwor-tung vorbereitet, sofern dem Diplom eine Bescheinigung des Herkunftsmitgliedstaats beigefügt ist (Art.  11 Abs.  1 Buchst. c Ziff. ii, Art. 13 Abs. 3 BAKRL geänd.).

Für den Beruf der allgemeinen Krankenpflege sind nun-mehr explizit zwei Ausbildungszugänge möglich: Eine Ausbildung nach zwölfjähriger allgemeiner Schulausbil-dung mit Erwerb der Hochschulreife auf tertiärer Ebene, also eine hochschulische Qualifikation, und eine Ausbil-dung nach zehnjähriger allgemeiner Schulausbildung, also eine Qualifikation zum Besuch von Berufsschulen für Krankenpflege (Art. 31 Abs. 1 BAKRL geänd.).

Mit der Beibehaltung der Möglichkeit des Berufsausbil-dungszugangs nach zehn Jahren Schulausbildung wurde dem deutschen Berufsausbildungssystem Rechnung ge-tragen. Während in nahezu allen anderen Mitgliedstaa-ten der Ausbildungszugang einen Abschluss auf tertiärer Ebene voraussetzt, wird in Deutschland der Pflegeberuf typischerweise von Schülern ohne allgemeine Hochschul-reife gewählt. Mit dieser Möglichkeit wurde auch der in Deutschland teilweise geäußerten Sorge Rechnung ge-tragen, dass vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels mit einer Anhebung auf die hochschulische Ebene der

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19) Vgl. Europäische Kommission, KOM(2011) 883 endg., S. 11.20) Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 der Bundesärzteordnung (BÄO) v. 2. 10. 1961,

BGBl. I S. 1857, i. d. F. der Bekanntmachung v. 16. 4. 1987, zu-letzt geändert durch Gesetz v. 20. 2. 2013, BGBl. I S. 277.

21) Vgl. Europäische Kommission, KOM(2011) 883 endg., S. 20.22) Zur Geschichte der Änderungsanliegen s. den Erwägungsgrund

Nr. 2 der Richtlinie 2013/55/EU.23) S. oben, sub II.2.24) Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments

und des Rates v. 25. 10. 2012 über die Verwaltungszusammen-arbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems und zur Aufhebung der Entscheidung 2008/49/EG der Kommission („IMI-Verordnung“), ABl. EU L 316 v. 14. 11. 2012, S. 1.

Zugang zum Pflegeberuf erschwert würde 25. Die Dauer der Ausbildung bleibt hingegen unverändert. Sie beträgt mindestens drei Jahre und besteht aus mindestens 4.600 Stunden theoretischer und klinisch-praktischer Ausbil-dung (Art.  31 Abs.  3 Unterabs.  1 BAKRL geänd.). Die zu erlernenden Kenntnisse und Fähigkeiten sind in der Neufassung noch detaillierter festgelegt worden (Art. 31 Abs. 2 bis 6 BAKRL geänd.). Neu eingefügt wurde eine Bestimmung, die Aussagen über die Kompetenzen trifft, die durch die formalen Qualifikationen von für die all-gemeine Pflege verantwortlichen Krankenschwestern/Krankenpflegern erworben worden sind, unabhängig davon, ob die Ausbildung an einer Universität, einer Hochschule mit anerkannt gleichwertigem Niveau oder einer Berufsschule 26 für Krankenpflege oder in einem Be-rufsausbildungsgang für Krankenpflege erfolgte (Art.  31 Abs. 7 BAKRL geänd.). Damit soll sichergestellt werden, dass unterschiedliche Zugangsniveaus zu einer einheit-lichen Berufsqualifikation führen. Die Vorschrift nennt insgesamt acht Kompetenzprofile, wobei die hier aufge-führten Kompetenzen inhaltlich weitgehend den Ausbil-dungszielen in § 3 Abs. 1 und 2 KrPflG entsprechen. Ge-setzgeberischer Anpassungsbedarf wird sich nur mit Blick auf die eingehenderen Beschreibungen der Kompetenzen in der geänderten Richtlinie ergeben.

Der Zugang zur Hebammen-Ausbildung hat eine ent-scheidende Änderung erfahren. Um dem qualitativen Anspruch und der Komplexität des Berufes gerecht zu werden, ist ein Direkteinstieg in die Ausbildung nur noch nach zwölfjähriger Schulausbildung möglich (Art.  40 Abs. 2 Buchst. a BAKRL geänd.). Diese Bestimmung ist spätestens bis zum 18. 1. 2020 umzusetzen (Art. 3 Abs. 2 RL 2013/55/EU). Die Möglichkeit der Ausbildung nach Absolvierung der Ausbildung zur allgemeinen Kranken-pflege bleibt allerdings bestehen (Art. 40 Abs. 2 Buchst. b BAKRL geänd.). Damit einhergehend wurden auch die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten neu gefasst und präzisiert (vgl. Art. 40 Abs. 3 BAKRL geänd.). Für Deutschland bietet es sich an, die eher allgemein gefasste Bestimmung über das Ausbildungsziel im Hebammenge-setz kompetenzorientiert zu präzisieren (vgl. § 5 HebG), um nicht nur über eine Bezugnahme auf die Richtlinie in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung die Richt-linienkonformität zu gewährleisten (vgl. § 1 Abs. 3 HebA-PrV). Die Vollzeitausbildung von drei Jahren wurde auf mindestens 4.600 Stunden festgelegt. Sie muss zu min-destens einem Drittel in klinisch-praktischer Ausbildung erfolgen (Art. 41 Abs. 1 Buchst. a BAKRL geänd.). Da in Deutschland die Ausbildung der Hebammen bisher nach zehnjähriger Schulbildung möglich war, greift die auto-matische Anerkennung auch weiter für diese Personen, sofern sie ihre Ausbildung vor dem 18. 1. 2016 begonnen haben (Art. 43 Abs. 1a BAKRL geänd.).

Die der allgemeinen (Anerkennungs-)Regelung unter-fallenden besonders strukturierten Ausbildungsberufe, u. a. die Kinderkranken- und Altenpflege, sind bezüglich des Berufszugangs weiterhin als gleichwertig gegenüber der hochschulischen Ausbildung anzusehen. Begründet wird die Gleichwertigkeit der besonders strukturierten Ausbil-dungsberufe mit den Kompetenzen, die über das hinaus-gehen, was durch das sonst übliche Qualifikationsniveau vermittelt wird (Art. 11 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii BAKRL geänd.). Der Anhang II der BAKRL, in dem bisher diese besonders strukturierten Ausbildungen aufgeführt waren, ist in der geänderten Richtlinie gestrichen worden (Art. 1 Nr. 52 Richtlinie 2013/55/EU). Es obliegt jetzt den Mit-gliedstaaten, der Kommission eine Liste ihrer besonders strukturierten Ausbildungen bis zum 18. 1. 2016 zu über-mitteln (Art.  59 Abs.  1 BAKRL geänd.). Jegliche Ände-rungen müssen der Kommission unverzüglich mitgeteilt werden. Dies ermöglicht eine leichtere Aktualisierung von

Änderungen 27. Die Kommission richtet eine öffentlich ver-fügbare Datenbank der reglementierten Berufe, einschließ-lich einer allgemeinen Beschreibung der Tätigkeiten, die durch die einzelnen Berufe abgedeckt werden, ein (Art. 59 Abs. 1 BAKRL geänd.).

Für den Apothekerberuf hat die geänderte Richtlinie keine Änderungen bei Ausbildung oder Zugang zur Aus-bildung mit sich gebracht. Zu erwähnen ist aber, dass der Zulassung neuer Apotheken, die keinen territorialen Beschränkungen unterliegen, die Erlaubnis nur noch in Ausnahmefällen versagt werden kann. Diese Ausnahme-regelung darf nicht auf Apotheker angewandt werden, deren förmliche Qualifikationen bereits durch die zu-ständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats für an-dere Zwecke anerkannt wurden und die tatsächlich und rechtmäßig die beruflichen Tätigkeiten eines Apothekers mindestens drei Jahre lang ununterbrochen in diesem Mitgliedstaat ausgeübt haben (Art.  21 Abs.  4 BAKRL geänd.). Den Mitgliedstaaten stand hier zuvor Ermessen zu 28.

c) Sprachkenntnisse

Im Umgang mit Patienten sind umfassende Sprachkennt-nisse der Leistungserbringer notwendig. Dies wurde in der bisherigen Fassung des Art. 53 BAKRL nur rudimentär in einem einzigen Satz geregelt, wonach die Personen über die für die Berufstätigkeit erforderlichen Sprachkennt-nisse verfügen sollten. Die Vorschrift legte weder fest, ob und welche Art von Nachweisen erbracht werden müssen, noch welches Niveau der Sprachkenntnisse zu fordern ist. Aus ihr ergab sich auch nicht, ob die zuständigen Behör-den dies bei Überprüfung der beruflichen Nachweise mit verlangen oder ob dies vollständig der Kontrolle des Ar-beitgebers unterliegen soll 29. Demnach wird die Prüfung in den Mitgliedstaaten auch nicht einheitlich gehandhabt, sondern ist von Land zu Land unterschiedlich geregelt. In Deutschland werden beispielweise für die ärztliche Berufs-ausübung ausreichende Sprachkenntnisse vorausgesetzt (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 BÄO). Die entsprechende Überprüfung fällt in die Kompetenz der Bundesländer und deren Be-hörden. Erwartungsgemäß sind die Sprachkenntnisse der Berufsangehörigen in Deutschland nicht nur unterschied-lich ausgeprägt, sondern häufig auch mangelhaft. Dies geht vor allem aus den sich häufenden Beschwerden von Pati-enten bei der Ärztekammer hervor 30. Erwartet wird bei Ärzten im Allgemeinen das Sprachniveau B2 31. Dennoch differieren in der Praxis die Anforderungen an die Sprach-kenntnisse sehr deutlich 32.

Zwar werden die Mitgliedstaaten mit der geänderten Richtlinie im Hinblick auf die Spracherfordernisse stärker in die Pflicht genommen, aber es fehlt an einer eingehen-den Konkretisierung der Spracherfordernisse. Der Erfor-derlichkeit ausreichender Sprachkenntnisse wurde insoweit Rechnung getragen, als die zuständigen Behörden mit Blick auf die Patientensicherheit eine verpflichtende Über-

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25) Vgl. EUREPORTsocial 1–2/2013, S. 3 f.26) Dies entspricht in deutscher Terminologie der Berufsfachschule

oder Schulen des Gesundheitswesens.27) Vgl. Stork, GewArch 2013, 338, 340.28) S. auch § 2 ApoG.29) Vgl. ebenso Tiemann, Die Einwirkungen des Rechts der Europä-

ischen Union auf die Krankenversicherung, Gesundheitsversor-gung und Freien Heilberufe in der Bundesrepublik Deutschland, 2011, S. 226.

30) Hibbeler, DÄBl. 2013, S. 27 f.31) Dies entspricht dem Sprachniveau „Selbstständige Sprachver-

wendung“, s. Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen (GER), 1991, veröffentlicht unter: http://www.coe.int/t/dg4/linguistic/source/framework_en.pdf (Zugriff am 27. 11. 2013). S. auch http://www.europaeischer-referenzrahmen.de/.

32) Hibbeler, DÄBl. 2013, S. 27 f.

prüfung vorschreiben können (Art. 53 Abs. 3 BAKRL ge-änd.). Die Feststellung, inwieweit die Spracherfordernisse als für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlich gel-ten, obliegt weiterhin den Mitgliedstaaten. Allerdings wird verlangt, dass die Sprachkenntnisse in einem angemesse-nen Verhältnis zur auszuübenden Tätigkeit stehen müssen (Art. 53 Abs. 4 BAKRL geänd.).

d) Partieller Berufszugang

Der bestmöglichen Ausübung der Grundfreiheiten trägt die Neufassung der Artt.  1 Abs.  2, 4 Abs.  3 und 4f der BAKRL Rechnung. Hier wird jetzt neben dem vollum-fänglichen Zugang auch der partielle Berufszugang gere-gelt. Den Mitgliedstaaten bleibt jedoch insbesondere bei den Gesundheitsberufen die Möglichkeit, den partiellen Zugang aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu versagen (Erwägungsgrund Nr. 7 Richtlinie 2013/55/EU). Derartige Gründe sollen nur solche sein, die in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt sind (Art. 3 Abs. 1 Buchst. m BAKRL geänd.).

e) Anerkennung eines Berufspraktikums

Eine Neuregelung betrifft die Anerkennung eines Berufs-praktikums als Voraussetzung für den Zugang zu einem Beruf. Es sollen auch Berufspraktika aus anderen Mitglied-staaten für solche Berufe anerkannt werden (Art. 55a Abs. 1 BAKRL geänd.).

f ) Verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten

Die Mitgliedstaaten sollen zukünftig noch stärker zu-sammenarbeiten und auch den Berufsangehörigen Hilfe leisten. Dafür sollen Beratungszentren eingerichtet wer-den, welche die Bürger umfassend bei der Antragstellung unterstützen sollen, sofern nicht die zuständige Behörde gleichzeitig diese Funktion erfüllt (Art. 57b BAKRL ge-änd.). Grundsätzlich sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Informationen und Anforderungen zu den reglementier-ten Berufen für Nutzer leicht, also auch online abrufbar, und verständlich verfügbar zu machen. Sie sind ferner zur ständigen Aktualisierung dieser Informationen verpflichtet (Erwägungsgrund Nr. 30 Richtlinie 2013/55/EU).

Zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten soll ein besserer Austausch über die jeweiligen nationa-len Regelungen aller reglementierten Berufe stattfinden (Art. 59 BAKRL geänd.). Dies dient vor allem dazu, der Union und den anderen Mitgliedstaaten einen besseren Überblick über die Regelungen der europäischen Nach-barn zu ermöglichen (z. B. Meldeverfahren mit Ein-speisung ins IMI, Art. 21a BAKRL geänd.). Die für die Anerkennung und Ausstellung des Berufsausweises und der betreffenden IMI-Dateien zuständigen Behörden ha-ben nicht nur die Aufgabe, eine zeitnahe Bearbeitung der Anträge zu gewährleisten, sondern müssen die be-troffenen Antragsteller umfassend über Nutzen und Vo-raussetzungen des Ausweises informieren (Art. 4a Abs. 6 BAKRL geänd.).

g) Vorwarnmechanismus

Zum Schutz der Patienten und anderen Akteure im Ge-sundheitswesen ist ein Vorwarnmechanismus zu instal-lieren, der vor Berufsangehörigen bestimmter Heilbe-rufe 33 mit Berufsverbot oder strafrechtlichen Sanktionen schützen soll (Art.  56a BAKRL geänd.). Die Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten sind zu einem ständigen Austausch von allen disziplinarischen, strafrechtlichen oder sonst schwerwiegenden Sachverhalte verpflichtet, welche die Ausübung der Heilberufe beeinflussen könnten (Art.  56 Abs.  2 Unterabs.  1 BAKRL geänd.). Hier geht es insbesondere um das Berufsverbot, wozu sich für die der automatischen Anerkennung unterfallenden Berufe eine besondere Regelung findet (Art. 56a Abs. 1 BAKRL

geänd.). Die Ausbildungsnachweise dieser Berufe müssen auf ihre vollständige oder auch teilweise Untersagung hin geprüft werden. Auch alle anderen Berufe, welche Aus-wirkungen auf die Patientensicherheit haben, sind in diese besondere Überprüfung eingeschlossen (Art.  56a Abs.  1 Buchst. k BAKRL geänd.). Mittels einer Warnung über das IMI muss die Entscheidung spätestens drei Tage nach deren Erlass der Behörde übermittelt werden und im IMI für den Aufnahmestaat verfügbar sein (Art.  56a Abs.  2, 3 BAKRL geänd.). Diese Entscheidung ist in Schriftform mit gleicher Frist auch dem betroffenen Berufsangehörigen zu übermitteln (Art. 56a Abs. 6 BAKRL geänd.). Dieser Bescheid stellt einen Verwaltungsakt dar, gegen den dem Betroffenen die Rechtsbehelfe nach nationalem Recht of-fen stehen (Art.  56a Abs.  6 BAKRL geänd.). Über Ak-tualisierungen (Neueintragungen wie Löschungen) sind die zuständigen Behörden unverzüglich zu informieren (Art. 56a Abs. 5 BAKRL geänd.).

h) Automatische Anerkennung auf der Grundlage gemeinsamer Ausbildungsgrundsätze

Die Erweiterung der automatischen Anerkennung über die in Art.  21 genannten Berufe hinaus dient ebenfalls dem Ausbau der Grundfreiheiten (Artt. 49a, 49b BAKRL geänd.). Eine automatische Anerkennung soll nun auch aufgrund gemeinsamer Ausbildungsrahmen (Art.  49a) und Ausbildungsprüfungen (Art. 49b) ermöglicht werden. Hiernach können betroffene Interessenträger 34 von min-destens einem Drittel der Mitgliedstaaten für jeden Beruf, der nicht von der regulären automatischen Anerkennung betroffen ist, einen gemeinsamen Rahmen von Kriterien erlassen, aufgrund dessen die Befähigung des Berufsange-hörigen ebenso anerkannt wird wie aufgrund inländischer Befähigungsnachweise. Diese Möglichkeit eröffnet neue Chancen auf Vereinheitlichung, etwa für Facharztrich-tungen, welche bisher nicht unter die automatische An-erkennung fallen, um ein Höchstmaß an Patientenschutz und Qualität gewährleisten zu können (Erwägungsgrund Nr. 25 Richtlinie 2013/55/EU). Der Ausbildungsrahmen wird hierbei als ein gemeinsames Spektrum von für die Ausübung des betreffenden Berufs mindestens erforder-lichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen be-zeichnet (Art.  49a Abs.  1 BAKRL geänd.). Wurde ein solcher Ausbildungsrahmen geschaffen, hat der Mitglied-staat die Befähigungsnachweise aus anderen betreffenden Mitgliedstaaten mit gleicher Wirkung anzuerkennen wie die inländischen. Der Ausbildungsrahmen soll sich an dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) 35 orientieren, um die Vergleichbarkeit und Transparenz der Berufs-qualifikationen zu gewährleisten (vgl. Erwägungsgrund Nr. 11 Richtlinie 2013/55/EU; Art. 49a Abs. 2 Buchst. d BAKRL geänd.).

Die Mitgliedstaaten können gemeinsame Ausbildungs-prüfungen vorsehen (Art.  49b BAKRL geänd.). Diese haben aufgrund der rechtlichen Wirkung der automa-

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33) Arzt, Facharzt, Zahnarzt, Fachzahnarzt, Tierarzt, Kranken-schwester/Krankenpfleger für die allgemeine Pflege, Hebamme, Apotheker sowie eine Reihe weiterer Berufe (Art.  56a Abs.  1 Buchst. a bis l).

34) Wer zum Kreis der Interessenträger gemäß Artt.  49a Abs.  2 Buchst. f, 49b Abs. 2 Buchst. e zählt, wird in den Vorschriften nicht gesagt. Allerdings ergibt sich wegen ihres Vorschlagsrechts an die Kommission aus Artt. 49a Abs. 3, 49b Abs. 3, dass reprä-sentative Berufsorganisationen auf Unionsebene sowie nationale Berufsverbände und zuständige Behörden zu den Interessenträ-gern zählen.

35) Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23. 4. 2008 zur Einrichtung des Europäischen Qualifikations-rahmens für lebenslanges Lernen, ABl. EU C 111 v. 6. 5. 2008, S. 1.

tischen Anerkennung nur für solche Berufe Bedeutung, deren Berufsqualifikation nicht bereits automatisch an-erkannt wird. Hierbei handelt es sich um eine standar-disierte Eignungsprüfung, die in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten zur Verfügung steht und den Inhabern einer bestimmten Berufsqualifikation vorbehalten ist (Art. 49b Abs. 2 BAKRL geänd.). Vorteil einer solchen gemeinsamen Prüfung ist ein für die teilnehmenden Staaten einheitliches Verfahren, welches die Verfahrens-dauer eines einzelnen Antrages des Betroffenen erheblich reduzieren und den zuständigen Behörden einen Großteil an Verwaltungsarbeit abnehmen könnte. Zudem würde die Prüfung spezifisch für einen Beruf konzipiert wer-den, sodass die Kenntnisse und Fähigkeiten gut ermittelt werden können.

2. Umsetzung

Zur effizienteren Durchführung von Änderungen und Ak-tualisierungen der Richtlinie wurde der Kommission für einen Zeitraum von fünf Jahren die Befugnis zum Erlass de-legierter Rechtsakte übertragen (Art. 57c BAKRL geänd.). Diese allgemeinen Rechtsakte haben keinen Gesetzescha-rakter (Art. 290 Abs. 1 AEUV). Die Befugnisübertragung kann vom Europäischen Parlament oder Rat jederzeit wi-derrufen werden (Art. 57c Abs. 3 BAKRL geänd.).

IV. Konsequenzen in der Umsetzung

Der Erlass einer Richtlinie ist als Sekundärrechtsakt ein Auftrag an die Mitgliedstaaten, diesen Rechtsakt binnen einer bestimmten Frist in nationales Recht umzusetzen (Art. 288 Unterabs. 3 AEUV) 36. Anders als die Verord-nung ist die Richtlinie nur hinsichtlich ihres Ziels ver-bindlich. Adressaten für die Umsetzung der Richtlinie sind in Deutschland vor allem Bund und Länder. Für den Bund gilt dies wegen seiner konkurrierenden Gesetzge-bungszuständigkeit für die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen, worunter alle gesetzlichen Rege-lungen zur Erteilung, Zurücknahme und Verlust der Ap-probation sowie der Ausübungsbefugnis 37, die Mindest-anforderungen an die Ausbildung und das zugehörige Prüfungswesen sowie schließlich die Zugangsvorausset-zungen für die Ausbildung 38 fallen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG). Der Bundesgesetzgeber hat von seiner Gesetzge-bungszuständigkeit für eine Reihe von ärztlichen und an-deren Heilberufen Gebrauch gemacht. Den Ländern steht die Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Berufs-ausübung 39, des Facharztwesens und der Weiterbildung 40, aber auch für die Zulassung zu denjenigen reglementier-ten Heilberufen zu, die nicht bundesgesetzlich geregelt sind (Art. 72 Abs. 1 GG).

V. Würdigung

Mit Blick auf die Gesundheitsberufe und dort insbesondere auf die Heilberufe wirkt die Änderung der Berufsanerken-nungsrichtlinie 2005/36/EG durch die jetzt vorliegende Richtlinie 2013/55/EU eher bereinigend als grundlegend neuernd.

Die Herabsetzung der zeitlichen Anforderungen bei der Ausbildung der Ärzte kann durchaus kritisch gese-hen werden. Sie könnte sich auch unter dem Gesichts-punkt der Inländerdiskriminierung 41 als problematisch erweisen, weil bislang die ärztliche Grundausbildung in

Deutschland mit dem Praktischen Jahr erst nach sechs Jah-ren abgeschlossen ist, die deutschen Ärzte eine Facharzt-weiterbildung somit erst später beginnen können als ihre europäischen Kollegen 42.

Anders als bei der allgemeinen Krankenpflege sind bei den Hebammen die allgemeinen Ausbildungsvorausset-zungen für den Zugang zur Berufsausbildung angehoben worden. Die Erwartungen, die von deutschen Berufsver-bänden der Pflegeberufe in Hinblick auf die Anhebung und damit eine europäische Angleichung der Zugangs-voraussetzungen zur Pflegeausbildung gehegt wurden, konnten nicht erfüllt werden. Die alternativ mögliche Beibehaltung des Zugangs zu den Pflegeberufen nach zehnjähriger Schulbildung wird in Deutschland nicht durchweg positiv aufgenommen. Befürchtet werden vor allem eine damit einhergehende Dequalifizierung und eine verminderte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Pflegeberufe im Vergleich zu den Angehörigen von Pfle-geberufen in anderen Mitgliedstaaten. Auch wird auf aus-ländische Studien verwiesen, nach denen ein konkreter Zusammenhang zwischen der Qualität der Versorgung und der Qualifikation der Pflegenden bestehen soll 43. Aus der Eröffnung der Alternativität beim Zugang zur Pfle-geausbildung dürfen aber keine falschen Schlüsse gezogen werden. Die Mitgliedstaaten haben es selbst in der Hand, höhere Anforderungen an die Dauer der schulischen Aus-bildung als Zugangsvoraussetzung zur Pflegeausbildung zu stellen. Die Änderungsrichtlinie verschließt den Weg zu einer Abgabe dieser Verantwortung an die Richtlinien-geber der Union. Immerhin liefert die Richtlinie jetzt sehr detaillierte Kompetenzbeschreibungen für die Berufe der allgemeinen Krankenpflege und der Hebammen.

Ob die Präzisierung der Anforderungen an die Sprach-kenntnisse zum erwünschten Erfolg führen wird, sodass z. B. auch in multilingualen Teams die Patientensicherheit gewährleistet ist, hängt vor allem von der Durchsetzung der Anforderungen auf Länderebene ab.

Insgesamt enthält die Änderungsrichtlinie neben der Klärung einiger gerade für die Heilberufe streitiger be-rufsausbildungsrechtlicher Punkte wichtige Wegweisun-gen für die Zukunft der Berufsausübung in der Europä-ischen Union. Dies gilt auch für die Einführung eines Europäischen Berufsausweises und das Binnenmarkt-Informationssystem.

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36) S. etwa Herdegen, Europarecht, 15. Aufl. 2013, § 8, Rdnrn. 36 f.37) BVerfGE 4, 74, 83; 7, 18, 25; 17, 287, 292; 33, 125, 154 f.38) BVerfGE 106, 62, 129 ff.; BVerw GE 61, 169, 174 f.; BAGE 35,

173, 176.39) BVerw GE 39, 110, 112; 41, 261, 262.40) BVerfGE 33, 125, 155; 98, 265, 307; Bay.VerfGHE 35, 56, 63.41) Zum Begriff der Inländerdiskriminierung Schöne, RIW 1989,

450 ff.42) Hierzu insbesondere Sodan, ASR 2007, 152 ff.43) Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe, Deutsche Pflege-

bildung europaweit abgehängt, Pressemitteilung v. 9. 10. 2013, veröffentlicht unter: http://www.dbfk.de/pressemitteilungen/wPages/index.php?action=showArticle&article=Deutsche-Pflegebildung-europaweit-abgehaengt_1.php&navid=100 (Zu-griff am 23. 11. 2013); ebenso Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e. V., Pflegeforscher kritisiert EU-Entscheidung zur Pflegeausbildung: „Der deutsche Sonderweg ist im Kern pflege- und frauenfeindlich!“, Pressemitteilung v. 16. 10. 2013, veröffentlicht unter: http://www.dip.de/fileadmin/data/pdf/pressemitteilungen/PM-dip-131014-EU-Pflegeausbildung.pdf (Zugriff am 23. 11. 2013).