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Pressespiegel 6. Februar 2017 Die Rechte zur Verbreitung des Inhaltes des Pressespiegels der Stiftung Berliner Philharmoniker wurden ordnungsgemäß erworben. Für Informationen zum Urheberrechtlichen Hinweis für den digitalen Empfang kontaktieren Sie bitte die Pressestelle.

Pressespiegel 6 Februar 2017 - Benutzeranmeldung · Die Grundregeln stehen im Tarifvertrag für die deutschen Kulturorchester und oft auch in den Verträgen der Musiker. Die Geigerin

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Pressespiegel 6. Februar 2017

Die Rechte zur Verbreitung des Inhaltes des Pressespiegels der Stiftung Berliner Philharmoniker

wurden ordnungsgemäß erworben. Für Informationen zum Urheberrechtlichen Hinweis für den digitalen

Empfang kontaktieren Sie bitte die Pressestelle.

Berliner Morgenpost vom 04.02.2017

Autor: MARTINA HELMIG Jahrgang: 2017Seite: 16 bis 16 Nummer: 34Rubrik: Kultur Auflage: 102.929 (gedruckt) 81.948 (verkauft)

90.396 (verbreitet)Gattung: Tageszeitung Reichweite: 0,238 (in Mio.)

Das Orchester trägt SchwarzIn Berliner Klangkörpern gelten klare Kleiderregeln. Sie sollen helfen, alles zu vermeiden, wasvon der Musik ablenktIhre Kreativität brauchen Orchestermu-siker manchmal auch, wenn es umgeplatzte Nähte, vergessene Fliegenoder Lackschuhe geht. "Erst vor weni-gen Wochen wurde ich von einem Kol-legen gefragt, ob ich ihm schwarzeSchuhe leihen könnte, weil er in Turn-schuhen dastand", sagt Ulrich Knörzer,Bratschist bei den Berliner Philharmoni-kern. Ein Musiker aus dem Konzerthau-sorchester versuchte in derselben Situa-tion, seine schwarzen Strümpfe über dieStraßenschuhe zu ziehen. Das funktio-nierte nicht, daher saß er am Ende inSocken auf der Bühne.In Orchestern kursieren viele Geschich-ten über Instrumente, die an Knöpfenhängen bleiben und junge weiblicheAushilfen, die in höher und höher rut-schenden Miniröcken auftreten. ImOrchester der Deutschen Oper Berlinerzählt man sich noch heute die 30 Jahrealte Geschichte von dem Geiger, der inGedanken versunken mit der Geige inder Hand, aber ohne seine Frackhosezum Orchestergraben eilte. Man konnteihn rechtzeitig einfangen.Schon kleine Abweichungen könnenzu Ärger führenAuf der Internetseite der Philharmonieist die Kleiderordnung klar geregelt:Anzug und Abendgarderobe oder Jeansund T-Shirt - ganz egal. Das gilt aller-dings nur für die Konzertbesucher. Aufder Bühne herrschen nach wie vorstrenge Sitten. Abends spielen die Her-ren im Frack mit weißem Hemd, Fliege,Kummerbund, schwarzen Strümpfenund Lackschuhen. Bei Matineen genügtder schwarze Anzug. Die Damen tragenfestliches Schwarz, entweder Kleid,Hose oder Rock und Oberteil. KeineJeans, Shirts, Pullis und Winterstiefel.Arme und Knie sollen bedeckt sein.Die Grundregeln stehen im Tarifvertragfür die deutschen Kulturorchester undoft auch in den Verträgen der Musiker.Die Geigerin Madeleine Carruzzo vonden Berliner Philharmonikern bekam

Ärger, als sie es wagte, zwei winzigerote und blaue Blümchen am Oberarmzur Schau zu stellen. Ob Paillettenerlaubt sind und die Musikerinnen ihreHandtaschen mit auf die Bühne nehmendürfen, ist von Orchester zu Orchesterunterschiedlich.Ausnahmen gibt es immer wieder. ImKonzerthaus spielen die Damen bei denNeujahrskonzerten in bunten Kleidern,in der Deutschen Oper bei der Aids-Gala auch schulterfrei. Im Hochsommerdürfen die Herren bei Open- Air-Gast-spielen schon einmal das Jackett überden Stuhl hängen. Eine Dauerausnahmebildet das unsichtbare Orchester derBayreuther Festspiele. Unter demDeckel im Graben sitzen die Musiker inShorts, Sandalen oder wie sie gerade ausdem Freibad kommen."Ich glaube daran, dass uns die festlicheKleidung hilft, uns auf die Vorstellungeinzustellen. Wenn ich mich umziehe,weiß ich: Jetzt kommt es darauf an. DerMoment ist da, in dem ich alles gebeund keine Ausreden mehr gelten", meintKaja Beringer, Geigerin im Orchesterder Deutschen Oper. "Der Sinn unsererKleiderordnung ist es, dass wir als Per-sönlichkeiten etwas zurücktreten hinterunsere gemeinschaftliche Idee. Wir wol-len in festlicher Kleidung Musikmachen. Am besten ist es, wenn esdabei nichts Besonderes gibt, das dasPublikum ablenkt", ergänzt der Philhar-moniker Ulrich Knörzer. Extravagan-zen wie Rollkragenpullover (Karajan),Stiefel (David Garrett) oder 36.000 Kri-stalle am Kleid (Anna Netrebko) sindSolisten und Dirigenten vorbehalten.Manche Orchester möchten sich miteiner besonderen Uniform von an- derenabheben. Bei den Wiener Philharmoni-kern etwa spielen die Musikerinnen seitfünf Jahren in einer Art Stresemann-Anzug mit schwarzgrauer Nadelstreifen-hose, weißem Hemd, grauem Gilet undschwarzem Sakko. "Wir haben auchüber eine spezielle Uniform nachge-

dacht", sagt die Harfenistin RonithMues aus dem Konzerthausorchester."Das Problem ist die hohe Fluktuation.Wir haben Akademisten für zwei Jahre,von denen man kaum verlangen könnte,sich einen speziellen Konzerthaus-Frackfür 1000 oder 1500 Euro anzuschaffen.Außerdem gibt es immer wieder Aushil-fen. Wir möchten keine Zweiklassenge-sellschaft, in der man die Mitglieder desKonzerthausorchesters an ihren Spezial-uniformen erkennt und die Aushilfen anden normalen Fräcken."Das Aussehen ist für die Musiker nichtunwichtig. Viel wichtiger ist allerdings,dass ihre Kleidung nicht beim Musizie-ren stört. Posaunisten kaufen ihreFrackjacken gern zwei Nummern grö-ßer, weil sie ihren rechten Arm voll aus-strecken können müssen. Schlagwerkerkönnen keine glatten Ledersohlengebrauchen, mit denen sie auf den Pau-kenpedalen abrutschen.Ein zu enger Hemdkragen stört beimAtmen. Klappernde Knöpfe lenken ab.Geigerinnen können keine Ketten, Arm-reifen und keine Ringe an der linkenHand gebrauchen. "Wenn ich etwasNeues kaufe, prüfe ich als Erstes dieBequemlichkeit im Sitzen. Ich braucheeinen weiten Rock, da sich wie bei denCellisten mein Instrument zwischen denKnien befindet", erklärt die HarfenistinRonith Mues. "Nagellack ist bei Geige-rinnen so unüblich wie Lippenstift beiBläserinnen", fügt Kaja Beringer hinzu.Beim Baltimore Symphony Orchestraläuft ein interessantes Experiment.Chefdirigentin Marin Alsop hat ihrenMusikern von der renommierten Par-sons School of Design in New YorkKonzertkleidung aus elastischen undatmungsaktiven Stoffen entwerfen las-sen. Sie sorgen beim Spielen für mehrBeweglichkeit und gutes Klima, orien-tieren sich aber an den traditionellenFräcken. Die Designer versetzten dieKnopfleiste, damit sie an keinem Instru-ment hängen bleiben und sparten den

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Rücken der Weste aus, um den Anzugleichter zu machen. Es kann heiß wer-den im Scheinwerferlicht.Für Sportler gibt es fast im Jahrestaktimmer neue winddichte, thermoregulie-rende, leichte, strapazierfähige Trikot-stoffe. Musiker denken wie Hochlei-stungssportler über jedes Detail ihrerTechnik nach, wie sie den Bogen auf die

Saite oder die Lippen an das Mund-stück setzen. Sie planen, was sie vordem Konzert essen und wie lange sieschlafen. Trotzdem spielen sie in engenFräcken aus warmer Schurwolle wie zuBeethovens Zeiten. Musiker, Designerund Maßschneider könnten sich Gedan-ken über die Zukunft der Konzertklei-dung machen. Denn am Ende zählt in

der konkurrenzbewussten Musikweltjeder noch so kleine Vorteil

Wir treten als Persönlichkeiten etwaszurück hinter unsere gemeinschaftli-che Idee Ulrich Knörzer, Bratschistder Berliner Philharmoniker

Abbildung: Extravaganzen sind Solisten vorbehalten, für Orchestermusiker gilt ein strenger DresscodAbbildung: Extravaganzen sind Solisten vorbehalten, für Orchestermusiker gilt ein strenger DresscodWörter: 910Urheberinformation: © Berliner Morgenpost GmbH

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DER SPIEGEL vom 04.02.2017

Autor: Kro, Gattung: ZeitschriftSeite: 103 bis 103 Jahrgang: 2017Ressort: Kultur Nummer: 6Rubrik: Meldung Kultur Auflage: 907.863 (gedruckt) 777.877 (verkauft)

787.330 (verbreitet)Seitentitel: Kultur Reichweite: 6,44 (in Mio.)Kurztitel: Erste CD-Aufnahme aus der Elbphilharmonie

Elbphilharmonie

Brahms-ErnüchterungSeit dem 11. Januar ist sie im Dauerbe-trieb, doch bevor die Hamburger Elb-philharmonie eröffnet wurde, hat ihrResidenzorchester, das NDR Elbphilhar-monie Orchester, unter seinem ChefThomas Hengelbrock im November2016 schon die erste Aufnahme imgroßen Saal gemacht. The First Recor-ding (Sony), wie die Box heißt, bietetdie 3. und 4. Symphonie von Brahms,eine DVD über den Bau des Konzert-

hauses und seine leidvolle Entstehungs-geschichte sowie einige Fotos. Das Pro-dukt ist wohl in erster Linie als Trost fürall jene gedacht, die keine Karten für diePhilharmonie bekommen haben. Dafür,dass geschickte Tontechniker selbst ineiner halligen Kirche anständige Auf-nahmen produzieren können, ist dasErgebnis mittelmäßig. Akustische Bril-lanz ist selten zu hören. Gelegentlichklingen die Symphonien topfig, an ande-

ren Stellen ist das Blech überpräsent.Und auch die Interpretation schwächelt.Den saftigen spätromantischen Brahms-Klang verweigert Hengelbrock, seinenüchterne Sicht der Werke überzeugtnur partiell. Das NDR-Orchester mag imneuen Heim auf dem Weg zur Spitzen-klasse sein, das wird allerdings nochdauern.

Abbildung: NDR Elbphilharmonie OrchesterFotonachweis: MICHAEL ZAPF | NDRAbbildung: NDR Elbphilharmonie OrchesterFotonachweis: MICHAEL ZAPF | NDRWörter: 160

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Süddeutsche Zeitung vom 06.02.2017

Autor: ULRICH SCHÄFER Ausgabe: HauptausgabeSeite: 4 Gattung: TageszeitungRessort: Meinungsseite Auflage: 411.040 (gedruckt) 367.579 (verkauft)

380.110 (verbreitet)Rubrik: Karikatur Reichweite: 1,13 (in Mio.)

DEUTSCHE BANK

D wie DemutVON ULRICH SCHÄFERDie Deutsche Bank hat lange nichtbegriffen, wofür das D in ihrem Namenstand. D wie Deutschland: Das beinhal-tet auch eine Verpflichtung dem Hei-matland gegenüber. D wie Deutschland:Das kann man nicht einfach abstreifen.Vielen Investmentbankern, zumal jenenin London, war das herzlich egal. Siescherten sich um die deutschen Befind-lichkeiten wenig und verwandelten dasKreditinstitut in einen „gigantischenHedgefonds“, wie das britische Maga-zin Economist einmal schrieb: in eineZockerbude.Auch nach der großen Finanzkrise, dievor zehn Jahren begann, war dasUnrechtsbewusstsein nicht sehr ausge-prägt. Doch nun entschuldigt sich JohnCryan, der Chef der Bank, öffentlich fürdie Fehler des Unternehmens – erst aufeiner Pressekonferenz am Donnerstag,dann in ganzseitigen Anzeigen, die amWochenende in vielen überregionalenZeitungen erschienen. Im Namen desVorstands wolle er „unser tiefes Bedau-ern“ zum Ausdruck bringen. „Das Ver-halten der Bank“, gestand Cryan, „ent-sprach nicht unseren Standards und war

inakzeptabel.“Man kann nun einwenden: Auch diessind nur Worte – man sollte sie alsonicht überbewerten. Und doch ist es einedeutlich andere Tonlage, die Cryananschlägt. Eine Tonlage, wie man sievon den früheren Chefs nicht kannte.Sein Vorvorgänger Josef Ackermannglaubt bis heute, dass er vor, währendund nach der Finanzkrise fast alles rich-tig gemacht hat. Der Schweizer wusstezwar sehr genau um die Verantwortung,die die Bank in Deutschland hat; aberAckermann wusste dies meist nicht indie rechten Worte zu fassen.Auch seine beiden Nachfolger, AnshuJain und Jürgen Fitschen, schwafeltenviel vom angeblichen Kulturwandel, densie der Bank diktiert hätten – doch gabes in ihrer Amtszeit weitere schwereVerfehlungen, etwa den Geldwäsches-kandal in Russland. Zudem stand Jain,der Investmentbanker, für jenes abgeho-bene Denken, das zu den Skandalen vorund während der Finanzkrise geführthatte.Cryan tickt anders. Der unscheinbareBrite benennt die Fehler klar und deut-lich, für manche zu klar – er rede, bekla-

gen ehemalige Manager des Kreditinsti-tuts, die Bank schlecht, treibe den Akti-enkurs nach unten und gefährde so denFortbestand der Bank. Andererseits: Nurwer Fehler benennt, kann anschließendauch überzeugend begründen, dass sichnicht bloß etwas, sondern ganz viel ver-ändern muss.Man sollte also die Entschuldigung derDeutschen Bank zunächst einmal begrü-ßen: Sie ist richtig, sie ist wichtig undzeugt von Veränderungswillen (auchwenn sie natürlich viel zu spät kommt).Alle großen Gerichtsverfahren hat dieBank nun abgearbeitet, der Vorstandverzichtet auf seine Boni und hat diesauch allen anderen Top-Managern ver-ordnet. Gut so! Wie viel die Entschuldi-gung tatsächlich wert ist, werden abererst die nächsten Monate und Jahre zei-gen: Den Worten müssen Taten folgen.Das D im Namen der Bank steht ebennicht bloß für Deutschland, sondern esmuss auch für mehr Demut stehen.Cryan entschuldigt sich – das zeugtvon Veränderungswillen

Wörter: 451Urheberinformation: DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München

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Porträt eines FansTEXT ALBRECHT SELGE · FOTOS PRIVAT · DATUM 1.2.2017

»Guck mal, da ist wieder der Bär«, sagte meine Frau in der Philharmonie manchmal zu mir.

Mal ging er zu einem Stehplatz hinter Block C, mal suchte er sich einen freien Platz in Block A. Eine

sehr auffällige Erscheinung: zwei Meter groß, gewiss über hundert Kilo schwer, imposanter geölter

Vollbart, große Brille. Wenn ich mit meiner Frau im Konzert war, war er jedes Mal da. Wie die Wie die Wie die Wie die Wie die

klitzekleine Japanerin, die jeder Philharmonie-Besucher kenntklitzekleine Japanerin, die jeder Philharmonie-Besucher kenntklitzekleine Japanerin, die jeder Philharmonie-Besucher kenntklitzekleine Japanerin, die jeder Philharmonie-Besucher kenntklitzekleine Japanerin, die jeder Philharmonie-Besucher kennt. Doch ein größerer körperlicher

Kontrast als zwischen diesen beiden ist auf Erden nicht denkbar. Und er stand auch nie am Eingang mit

einem Schild vor der Brust »Suche Freikarte«. 

Jetzt ist meine Frau in der Babypause. Eine Pause für das Baby, aber leider auch eine Pause von der

Philharmonie, solange das Baby gestillt wird.

Dafür habe ich das Vergnügen, in der Philharmonie den Bären kennengelernt zu haben.

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Ungefähr dreimal pro Woche …

Weil wir uns ständig über den Weg liefen, sind wir irgendwann ins Gespräch gekommen. Und im

Gespräch geblieben. Obwohl ich nicht weiß, wer er ist, meine ich zu ahnen, wer er gern wäre. Und so

viel immerhin weiß ich: Der Bär heißt Stefan und ist der friedlichste, sanftmütigste Mensch der Welt.

Auch wenn er mich anlügt.

Denn er behauptet, er ginge nicht öfter ins Konzert als ich. Aber wenn ich hingehe, ist er immer in der

Philharmonie. Gehe ich ins Konzerthaus, ist er da. Gehe ich in die Deutsche Oper, die Staatsoper, die

Komische Oper, ist er da.

Er gehe vielleicht dreimal pro Woche, behauptet er.

Ungefähr.

Nur wenn es um die ewigen Störungen im Konzert geht, verliert Stefan seine Bärengemütsruhe:

Huster, Röchler, Füßescharrer, Bonbonpapierknisterer, Programmheftblätterer bringen ihn zur

Weißglut. Und vor allem Personal, das Zuspätkommende zur Unzeit in den Saal huschen lässt. Das

Türenklappern! Das Trappeln! Wie oft hat er das schon bei Facebook getadelt, wie viele Beschwerden

an Kundenservice und Intendanz geschrieben. Ein Kampf gegen Windmühlen, könnte man meinen,

aber Stefan hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben: 

Im Konzerthaus sollten sie mal eine Ansage zum Thema husten machen. In der Philharmonie funktioniert das

manchmal ganz gut.

Noch grimmiger machen ihn künstlerische Fehlleistungen: allen voran Sänger, die nicht an das

glauben, was sie singen, und Dirigenten, die über Sänger hinwegbrausen. Marek Janowski, den er

ansonsten sehr schätzt, nehme zu wenig Rücksicht auf Stimmen. Donald Runnicles‘ Dirigate seien zu

lasch und zu unpräzise. Christoph Eschenbach ist ihm ein rotes Tuch.

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Und wenn ich einen sagen soll, den ich wirklich nicht ausstehen kann, einen von den »Großen«, dann ist es

Simon Rattle. Die Berliner Philharmoniker bewundere ich meist eher, als dass es mich berührt. Wenn einer wie

Blomstedt dirigiert, dann ist es schon großartig, weil da ein richtiger Mensch da ist. Aber wenn einer wie Rattle

das Zeug so technisch durchrockt, das berührt mich nicht. Da merke ich: Okay, das ist zu schnell gegeben, zu

laut gegeben, zu viel gegeben. Simon Rattle mag ich wirklich gar nicht. Obwohl ich manchmal Konzerte erlebt

hab, wo es funktioniert hat für mich, ich hab auch schon mal eine Zweite Mahler gehört mit ihm, die ich toll

fand …

Musikalischer Allesverschlinger

Aber das ist ein Zorn aus Liebe, aus Liebe zur Musik. Stefans eigenste Gefühlsregungen sind:

Überschwang, Freude, Glück. Wenn er begeistert ist, und das ist er oft, dann bis ins letzte Barthaar und

mit jedem Gramm seiner hundert Kilo. Er schwärmt vom Concertgebouworkest und den Wiener

Philharmonikern. Und die Berliner Orchester? Sehr zufrieden, wirklich sehr zufrieden. Er liebt das DSO in

fantastischen Momenten oder das klassisch-romantische Repertoire beim RSB mit dem großen, dunklen,

»deutschen« Klang von Marek Janowski. 

Und von der Frequenz der tollen Erlebnisse her, da sind es sicher Konzerte mit Iván Fischer. Wo ich merke, der

macht eine Art von Musik, die mir einfach liegt. Wie er Musik macht, wie er Musik sieht. Und ich mag ihn

einfach, ich finde ihn menschlich wahnsinnig toll. Ich saß hier gestern in der Zweiten Mahler und dachte: Ah ja,

so geht das. Genau.

Und deshalb geh ich auch ins Konzerthaus! Trotz der Störungen. Trotz der widrigen Umstände und obwohl mir

das Haus nicht gefällt. Und ich es mühsam finde, wenn ich mal woanders sitze … Ich sitze immer 2. Rang, 2.

Reihe, Platz 58. Das ist am weitesten weg vom Orchester, wo es für mich, nach jahrelanger Erfahrung, am

besten klingt. Und es ist auch so schön in der Ecke, wo ich mich ein bisschen wie in der Loge fühle. Wo ich für

mich bin, nicht so unter den Leuten. In der Philharmonie sitze ich immer vor dem Orchester, gern in der letzten

Reihe. Wo ich das Gefühl habe, ich bin ganz allein, allein mit der Musik … Außerdem kann ich nicht so lange

sitzen.

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Besondere Vorlieben: Alles. Denn auch darin gleicht er einem Grizzly, dass er ein Allesverschlinger ist,

von Monteverdi bis Sciarrino. Er schätzt die historische Aufführungspraxis ebenso wie ätherische,

irisierende oder dunkle Klänge der neuen Musik. Wenn sie den Hörer denn sinnlich anspringt, nicht

nur theoretisierend. Wenn sie ihn berührt.

Aber die größte Liebe scheint er doch für jenes Repertoire zu empfinden, das seiner eigenen Physis

entspricht: die dicken sinfonischen Brocken, das Überwältigende, das zugleich kunstvoll gebaut ist,

wohlproportioniert auch im Exzess. Mahlers Zweite, Mahler überhaupt, Bruckner. So einen großen

Strauss-Bums, das mag ich einfach, die Alpensinfonie. Und die Turangalîla-Sinfonie von Messiaen, mein

Liebstes.

Und die Oper:

Wenn ich irgendein Lieblingsstück nennen muss, ist es für mich immer Elektra von Strauss. Das ist das Stück,

wo ich am meisten Liebe, Leidenschaft, Hysterie erlebt habe in meinem Leben und wo ich auch Sängerinnen

erlebt habe, die mir so imponieren. Gwyneth Jones! Oder Luana DeVol. Elektra ist die Oper, die ich am öftesten

gesehen habe.

Woran ich auf dem Totenbett denken werde? Das sind schon einige Sachen, und es werden noch einige sein.

Aber: Der Rosenkavalier mit Carlos Kleiber, 1990 in New York. Lott, von Otter, Bonney, Haugland, Hornik,

Pavarotti.

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Was wir sein wollen …

Eine Sucht. Als ich Stefan frage, ob es eine Sucht sei, stimmt er mir sofort zu. Körperliche

Abhängigkeit. Die nervöse Unruhe, die quälende Frage, was man verpasst, wenn man einmal nicht

hingeht. Was man jetzt, in diesem Moment, nicht hört.

Gerade deshalb kann es auch wunderbar sein, einmal nicht zu gehen. Wie ein Sieg über die Sucht?

Seine Wohnung sei schön, sagt Stefan, der unter der Sucht nicht zu leiden scheint. Manchmal sei es

auch einfach gut, wenn ein Konzert nachhallen könne. Vor kurzem war er mit seinem Freund im

Potsdamer Nikolaisaal, beim Orfeo mit Christina Pluhar und L‘Arpeggiata, was wirklich ein

atemberaubender Abend war, wo es noch eine Lounge gab, wo die improvisiert haben und Jazz gesungen. Wir

sind um Mitternacht völlig beglückt da rausgehüpft. Und am nächsten Tag wäre mit dem

Bundesjugendorchester Zweite Mahler gewesen, da wollte ich eigentlich hin und hätte auch von einer Freundin

noch Karten gekriegt. Aber da hab ich gemerkt: Nee. Das will weiterklingen.

Und wenn er auch für die Musik lebt: Ein Einzelgänger ist Stefan nicht. Ein Wahnsinniger zweifellos,

aber kein vor sich hin mümmelnder, verschrobener Klassik-Nerd. Er kennt tausend Leute, mit denen

er ins Konzert geht: Musikfreaks, sporadisch Neugierige, professionelle Kritiker, hinreißende

Sängerinnen, von denen er Karten bekommt, denen er Karten weitergibt, mit denen er Musik hört und

diskutiert. Hat einen sympathischen Freund, einen jungen Franzosen aus Lyon, der als Eustache Eustache Eustache Eustache Eustache

McQueerMcQueerMcQueerMcQueerMcQueer das Weltkulturerbe der queeren 80er hegt und pflegt.

Und er singt auch selbst, Stefan, der Bär:

Im Chor. Und ich nehme Gesangsunterricht, rudimentär, einmal in der Woche in der Musikschule

Charlottenburg-Wilmersdorf bei einer Gesangslehrerin. Stimmlage Bass. Tiefer Bass. Aber ich glaube, ich wär

gern Soubrette, vom Herzen her wär ich gern Soubrette. Ich höre ja auch am liebsten hohe Stimmen. Ein

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Koloratursopran oder leichte, hohe Tenöre, da geht mir das Herz am meisten auf, das ist für mich das Größte –

das Gegenteil von dem, was ich bin.

… und was wir sind.

Irgendwann ist mir aufgefallen, dass ich ihn nie nach seinem Lebensweg gefragt habe und danach, wie

er das alles bezahlt und was er eigentlich macht. Was man so eigentlich nennt, das Uneigentliche:

beruflich. 

Hole ich es also nach: Er arbeitet in einem Start-up, bei einem Vergleichsportal. Da kommt er früh

genug raus, um ins Konzert zu gehen, in die Oper. Oft mit Steuerkarten, vergünstigten Karten von

Freunden, Bekannten, aber vor allem mit Abos. (Ein Loblied auf das Abo wäre mal zu singen, auch auf

die vielgeschmähten Abonnentinnen und Abonnenten, über deren borniertes, rücksichtsloses

Verhalten Stefan oft flucht.)

Ins Geld, also, gehts schon.

Österreicher ist er, geboren vor 46 Jahren in der Schweiz. Weder den Ösi noch den Schweizer hört

man ihm an. Kam als Kind über die Märchen von Star Wars zu den Märchen von Richard Wagner.

(Wagner als Initiation: Da muss man nicht Thomas Mann lesen, um zu ahnen, dass etwas Maßloses

herauskommen muss.) Hat in Bern in einem Plattenladen gearbeitet, wo die ganz junge Patricia

Kopatchinskaja oft vorbeikam. Lebte eine Weile in New York, wo man es sich einmal im Jahr leisten

kann, in die Met zu gehen. Gewann dann vor sechzehn Jahren im Preisausschrieben einer Plattenfirma

eine Reise nach Berlin – und blieb. Auch wenn es ihn manchmal ärgert, wie Berlin sich für den Nabel

der Welt hält, auch in musikalischen Dingen. Etwa wenn man sich hier feiert, man habe eine völlig

unbekannte Martinů-Oper oder ein gänzlich vergessenes Händel-Oratorium »ausgegraben«, was in

Wahrheit außerhalb Berlins schon hundertmal ausgegraben wurde.

Aber das ist ja unwichtig: wer oder was wir sind. Es verrät mehr über uns, wer oder was wir gern

wären. Und da ist sie: die Vision, die Hoffnung, durch Kunst verwandelt zu werden, durch Musik,

in Musik.

Ja, das kann geschehen. Vielleicht durch Mahlers Zweite.

Es geschieht, immer wieder. ¶

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