Privatisierung der Arbeitslosenversicherung und Bürgergeld

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    Grard Bkenkamp

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    Entwicklung der ArbeitslosenversicherungLohn ist ein Preis und als solcher ergibt sich der Lohn wie jeder Preis aus Angebot und Nach-frage. Ein Arbeitsmarkt, auf dem absolute Vertragsfreiheit herrschen wrde und der keinerlei Regulierungen ausgesetzt wre, wrde zu einer Rumung des Arbeitsmarktes fhren, das heit das Angebot von Arbeitskrften und die Nachfrage nach Arbeitskrften wre weitgehend de-ckungsgleich. Das heit jeder, der nicht durch Krankheit beeintrchtigt ist, knnte einen Ar-beitsplatz finden. Arbeitslosigkeit wrde sich auf die sogenannte friktionelle Arbeitslosigkeit beschrnken und wre wohl genauso wenig ein dominantes Thema wie in der Phase vor dem Ersten Weltkrieg.Die Massenarbeitslosigkeit des 20. Jahrhunderts ist in vielerlei Hinsicht eine Folge von Ar-beitsmarktregulierung und kollektiven Lohnuntergrenzen. Anders als vor dem Ersten Weltkrieg passten sich die Lhne nicht mehr seismographisch, wie das der Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen ausdrckte, an die Marktlage an. Lhne konnten in Krisenzeiten nicht mehr ge-senkt, sondern nur noch moderat erhht werden. In der Regulierung und Abschottung des Ar-beitsmarktes liegt die Hauptursache fr das Phnomen der modernen Massenarbeitslosigkeit. Im Deutschen Kaiserreich spielte Arbeitslosigkeit als regionen- und branchenbergreifendes Phnomen im Vergleich dazu kaum eine Rolle. Durch die Gewerbeordnung von 1869 wurde der Zunftzwang abgeschafft, so dass auf dem deutschen Arbeitsmarkt weitgehend Vertragsfrei-heit herrschte. Lhne und Beschftigung folgten daher weitgehend dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Dementsprechend blieben auch die Anstze zur Versicherung fr das Risiko der Arbeitslosigkeit bescheiden.Die Frsorge fr die Erwerbslosen bernahm dann in der Weimarer Republik zu einem gro-en Teil die Zentralregierung. In den kommenden Jahren senkte das Reich seinen Anteil an der Untersttzung der Arbeitslosenvorsorge immer weiter und verlagerte die Kosten fr die Ar-beitslosenversicherung auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Im Jahr 1918 hatte das Reich noch fnfzig Prozent zur Finanzierung der Arbeitslosenversicherung beigetragen, zog sich aber bis zum Oktober 1923 fast vollstndig zurck. Diese Verlagerung, die nicht mit entsprechenden Steuer- und Abgabensenkungen an anderer Stelle verbunden war, fhrte zu einer Anhebung der Lohnkosten. Im Jahr 1927 wurde das Gesetz ber Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversiche-rung (AVAG) verabschiedet. Diese schrieb das Staatsmonopol auf die Arbeitsvermittelung fest sowie die parittische Finanzierung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber und Arbeitneh-mer. Auerdem war die Arbeitslosenversicherung auf das Einkommen und nicht auf das Risiko

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    bezogen. Die Mitgliedschaft war obligatorisch und die Hchstdauer der Arbeitslosenunterstt-zung wurde politisch festgelegt.1

    In der Weltwirtschaftskrise in den Jahren nach 1929 stieg die Arbeitslosigkeit drastisch bis auf 30 Prozent der Erwerbspersonen an. Die konomen Holger Glismann und Klaus Schra-der kommen in ihrer Untersuchung der Entwicklung der ffentlichen Arbeitslosenversicherung in der Krise zu dem Ergebnis: Die Arbeitslosenversicherung des Jahres 1927 hat den Test auf Krisentauglichkeit nicht bestanden. Sie war offensichtlich nicht geeignet, Arbeitslosig-keit abzubauen, im Gegenteil. Wegen der fehlenden Rckkopplung zwischen Arbeitslosigkeit und induzierten Anreizen zur Vermeidung oder zur Verkrzung der Arbeitslosigkeit reduzierte sich die Krisenbekmpfung der Jahre 1929 ff, auf das Bemhen, die buchhalterische Ordnung aufrechtzuerhalten.2

    In den dreiiger Jahren spielte die Arbeitslosenversicherung fr den Abbau der Arbeitslosigkeit keine erkennbare Rolle, wurde aber dennoch nach der Grndung der Bundesrepublik wieder in der alten Form aufgegriffen. Im Jahr 1951 begann sich der deutsche Bundestag wieder mit der Arbeitslosenversicherung zu befassen. Wie das Weimarer Vorbild blieb die Arbeitslosenversiche-rung in staatlicher Verantwortung und war im Grunde keine Versicherung, sondern ein Trans-fersystem, das Mittel entsprechend dem letzten Einkommen und dem Familienstand verteilte. Hinzu kamen spter Regelungen wie das Schlechtwetter- und Kurzarbeitergeld. Schlielich wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von 12 Monaten auf 32 Monate ausgedehnt.Fr die Herausforderung der strukturellen Arbeitslosigkeit, die in der Bundesrepublik seit den siebziger Jahren immer grere Bedeutung gewann, gilt im Hinblick auf die Wirkungen der Arbeitslosenversicherung auf den Beschftigungstand, was auch schon fr die zwanziger und dreiiger Jahre gegolten hatte: Gemessen an der Entwicklung der Arbeitslosigkeit hat sich das AFG (Arbeitsfrderungsgesetz) nicht bewhrt. Es diente sowohl zur Finanzierung der Arbeits-losigkeit als auch einer wachsenden Palette versicherungsferner Leistungen. Eine Parallele zur Zeit der Weimarer Republik drngt sich auf: die weitgehende Wirkungslosigkeit der Arbeitslo-senversicherung in Bezug auf Hhe und auf die Dauer der Arbeitslosigkeit.3

    Dauerarbeitslosigkeit in der BundesrepublikBis Anfang der siebziger Jahre spielte Arbeitslosigkeit in der westdeutschen Gesellschaft keine wichtige Rolle. Vielmehr fhrte die Vollbeschftigung zu einem Druck, verstrkt Gastarbeiter anzuwerben, um die Nachfragelcke nach Arbeitskrften zu schlieen. Doch schon in der Mitte der siebziger Jahre, genauer gesagt seit dem Herbst 1974 mit dem Einbruch im Export, nach Jahren der Investitionszurckhaltung und hoher Lohnabschlsse, entstand in der Bundesre-publik eine Dauerarbeitslosigkeit in Millionenhhe, die auch in Jahren des Aufschwungs nicht mehr verschwinden sollte. In den achtziger Jahren lag die Arbeitslosigkeit bei ber zwei Millio-nen Menschen und selbst im Aufschwung Ende der achtziger Jahre und in der Zeit des Wieder-vereinigungsbooms zwischen 1990 und 1993 verharrte die Arbeitslosigkeit in Westdeutschland bei ber 1,6 Millionen Betroffenen. Durch die hohen Stufentarifvertrge, die von den Gewerk-schaften mit Zustimmung der westdeutschen Arbeitgeberverbnde in den neuen Bundesln-dern durchgesetzt wurden, wurden die Lohnkosten im Osten weit ber die Produktivitt des Durchschnitts der ostdeutschen Betriebe angehoben, was dort zu einer regional extrem hohen

    1 Hans Glismann, Klaus Schrader: Privatisierung der Arbeitslosenversicherung, Berlin 2005, S. 80 ff.2 Ebda., S. 93.3 Ebda., S. 100.

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    Dauerarbeitslosigkeit beitrug. Investitionen in neue Arbeitspltze lohnten sich dort nicht mehr, da die Lohnkosten im Verhltnis zur Produktivitt der Arbeitsnehmer zu hoch waren, und nicht den zur Refinanzierung der Investitionen ntigen Gewinn versprachen. 1993 fhrte eine harte Rezession zu einer breiten Rationalisierungswelle, so dass bis zum Aufschwung nach 2005 im Schnitt ber vier Millionen Menschen arbeitslos blieben.4 In diesen Jahren entstand das sozi-ale Phnomen, fr das sich in den letzten Jahren der von der Friedrich-Ebert-Stiftung in die Diskussion gebrachte Begriff Prekariat eingebrgert hat.5 Damit ist eine Bevlkerungsgruppe gemeint, die aufgrund ihrer sozialen Biographie und ihres Bildungsprofils selbst unter gn-stigsten konjunkturellen Bedingungen keinen Arbeitsplatz mehr findet, deren Beschftigungs-losigkeit ihre Biographie bestimmt, deren Absturz in die Existenz bedrohende Armut aber durch die stndige Untersttzung aus den sozialen Transferleistungen verhindert wird.6 Grundstzlich gibt es in einer modernen wohlhabenden Gesellschaft auch fr Erwerbsuchende mit geringer Bildung Beschftigungsmglichkeiten, nach dem Wegfall der industriellen Fliebandarbeit vor allem im Bereich einfacher Dienstleistungen, etwa im Pflegebereich, bei der Kinderbetreuung, Handreichungen im Haushalt, Wohnraumpflege usw. Die Frage ist nur, zu welchem Preis sol-che einfachen Dienstleistungen in welcher Menge nachgefragt werden. Bei einem steigenden Angebot von gering qualifizierten Arbeitskrften wird der Marktpreis fr Billigdienstleistungen wahrscheinlich in vielen Fllen unterhalb des Lohnniveaus liegen, das heute in der Bundesre-publik von der Politik und der ffentlichen Meinung als akzeptabel angesehen wird. Einfache Ttigkeiten zu Lohnkosten, die weit darber liegen, werden nicht in dem fr die Beschftigung dieser Gruppe notwendigen Mae nachgefragt. Dass einfache Ttigkeiten durchaus nachge-fragt werden knnten, wenn die Kosten der Arbeit gesenkt werden, zeigt der hohe Arbeitsauf-wand, der in Europa im Vergleich zur USA etwa fr Heimwerkerttigkeiten betrieben wird. Nach der Einschtzung des konomen Richard Rogersen haben die hohen Lohnkosten wesentlich dazu beigetragen, dass in Europa Heimwerkerttigkeit hufiger als in den USA selbst erledigt wird statt andere damit zu beauftragen und damit Arbeitspltze zu schaffen.7

    Mit steigendem Wirtschaftswachstum und durch die Umverteilungspolitik der letzten Jahr-zehnte ist eine allgemeine Erwartungshaltung entstanden, die dazu gefhrt hat, dass soziale Gegebenheiten, die in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik selbstverstndlich waren, jetzt als sozial unannehmbar betrachtetet werden. Realpolitisch orientierte Wirtschaftspolitik muss das zur Kenntnis nehmen, ebenso wie den Umstand, dass eine vollstndige Flexibilisierung des Arbeitsmarktes gegen den Widerstand der Gewerkschaften und einer breiten politischen ffentlichkeit in absehbarer Zeit schwer durchzusetzen sein drfte.

    Reformperspektiven nach der Agenda 2010 Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld IIDurch die Agenda 2010 wurde die Dauer der Zahlung von Arbeitslosengeld I von 32 Monaten auf 12 Monate verkrzt und die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe wurde zum Arbeitslosen-geld II zusammengelegt, das in der ffentlichen Debatte auch als Hartz IV bezeichnet wird. Das Arbeitslosengeld I wird durch Beitrge, das Arbeitslosengeld II durch Steuern finanziert. Das

    4 Bkenkamp, Ende des Wirtschaftswunders, Geschichte der Sozial-, Wirtschafts-, und Finanzpolitik der Bundes-republik 1969-1998, Stuttgart 2010, S. 64 ff, S. 243 ff., 341 ff., 443 ff.

    5 Gero Neugebauer: Politische Milieus in Deutschland. Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Bonn 2007.

    6 Ebda., S. 142 ff.7 Richard Rogersen: Labor Pains, auf: http://www.american.com/archive/2010/july/labor-pains

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    liberale Brgergeld, das auch vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit vertreten wird, ist ein Konzept, das sich an die negative Einkommenssteuer von Milton Friedman anlehnt und das Arbeitslosengeld II und andere steuerfinanzierte Sozialleistungen ersetzen soll.Ergnzend zu diesem Konzept, das die soziale Grundsicherung abdeckt, wird in diesem Papier vorgeschlagen, das heutige Arbeitslosengeld I durch eine private Arbeitslosenversicherung zu ersetzen. Aus diesen zwei Reformanstzen, der Einfhrung des Brgergeldes und der berfh-rung des Arbeitslosengeldes I in ein privates Versicherungssystem, entsteht ein Gesamtkonzept zur Reform der Finanzierung der Erwerbslosigkeit, das verzerrende Effekte auf den Arbeits-markt mindert, die Mglichkeit politischer Manipulation einschrnkt und dem Prinzip der Ge-rechtigkeit folgt, das hier verstanden wird als quivalenz zwischen Beitrgen und Leistungen. Das deutsche Sozialversicherungssystem wird im internationalen Vergleich als konservatives System beschrieben, da es darauf ausgelegt ist, den sozialen Status zu zementieren. Es zielt da-rauf ab, Menschen in ihrer relativen sozialen Position zu belassen, auch wenn sie ihren Arbeits-platz verloren haben.8 Die Agenda 2010 war ein erster Schritt von einem statusorientierten System hin zu einer Grundversorgung. Die Beschrnkung des Arbeitslosengeldes I erhhte den Druck auf Arbeitnehmer, eine weniger gut bezahlte und gesellschaftlich weniger angesehene Beschftigung aufzunehmen. Die Reformen der Agenda 2010 schafften durch die zeitliche Be-grenzung des Arbeitslosengeldes I bei den Betroffenen zustzliche Motivation schnell wieder eine Beschftigung zu finden. Dies gilt jedoch nicht fr diejenigen, die keine Aussicht darauf haben, kurz- und mittelfristig einen Arbeitsplatz zu finden, der ihnen ein Einkommen deutlich oberhalb der sozialen Grundversorgung bietet. Dieses Dilemma blieb, wenn auch nicht mehr in so deutlicher Form wie vor der Agenda 2010, bestehen: Eine zahlenmig nicht unbedeutende Gruppe von Personen kann aufgrund ihrer Beschftigungsbiographie und ihres Bildungsprofils kurz- und mittelfristig kaum erwarten, eine Beschftigung zu Lhnen oberhalb des Anspruchs-lohns zu finden. Ein Lebensstandard unter dem Niveau des heutigen Arbeitslosengeldes II er-scheint der Gesellschaft aber als nicht akzeptabel.Einige Einwnde, die gegen Hartz-IV-Regelungen vorgetragen wurden, sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Wer sein ganzes Leben in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, stellt sich unter bestimmten Bedingungen tatschlich schlechter, als wenn er das Geld fr schwere Zeiten auf einem Konto angespart htte. Denn es handelt sich bei den deutschen Sozialversi-cherungen nur dem Namen nach um Versicherungen. Es handelt sich vielmehr um Abgaben, aus denen staatliche Leistungen finanziert werden. Faktisch ist deshalb auch die Arbeitslosen-versicherung eine Steuer. Die Benennung als Versicherung hat aber Folgen fr die Einstellung gegenber dieser sozialen Leistung und auf den politischen Umgang mit diesem Thema: Fr die Einstellung der Brger zum Sozialsystem insoweit, als dass Krzungen von Leistungen in der Arbeitslosenversicherung als besonders ungerecht empfunden werden, da beim Einzelnen die Erwartung genhrt wird, er knne wie bei einer Privatversicherung die Leistung als verbrieftes Recht ansehen. Wre die ffentliche Versicherung tatschlich eine Versicherung, wie wir sie aus der privaten Wirtschaft kennen, dann htten die Kritiker der Agenda 2010 tatschlich die Argumente auf ihrer Seite. Denn eine Versicherung darf nicht nach Kassenlage ihre Leistungen neu festlegen. Dies wre Vertragsbruch. Da es sich aber um staatliche Leistungen handelt, die mehr oder weniger zufllig auch durch die Abgaben von Arbeitnehmern und Arbeitge-bern finanziert werden, aber sich daneben auch aus anderen Quellen wie dem Bundeshaushalt

    8 z. Beispiel: Dieter Dring, Sozialstaat, Frankfurt a. M. 2004.

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    speisen, stoen hier die zwei unterschiedlichen Perspektiven gegeneinander. Nmlich die reale Perspektive, dass es sich um eine Transferzahlung handelt, die nicht auf gesparte Reserven, sondern allein auf die Einzahlungen der Steuer- und Beitragszahler zurckgreifen kann; und die fiktionale Perspektive, dass man durch seine Einzahlungen einen festen Anspruch erwor-ben hat. Diesem Anspruch stehen aber keine realen Werte gegenber, die diesen Anspruch absichern knnten. Fr private Versicherungen gilt das quivalenzprinzip zwischen Einzahlung und Leistung. Fr die steuerfinanzierte Versorgung gilt das politische Opportunittsprinzip. Die Bereitschaft der Nettozahler, fr die Leistungen an die Nettoempfnger aufzukommen, wird nach politischer und fiskalischer Lage immer neu beurteilt. Vertragssicherheit wie ge-genber einer privaten Versicherung existiert in der Realitt kaum und diese kann es aufgrund der Tatsache, dass Rcklagen zur Absicherung dieser Ansprche nicht existieren, nicht geben. Wenn die Gesellschaft sich in einem breiten Konsens darauf verstndigt, dass es eine soziale Mindestversorgung fr alle Brger des Landes geben soll, die vor extremen sozialen Hrten schtzt, dann sollte dies auch durch allgemein erhobene Steuern finanziert werden und nicht durch eine Steuer auf den Faktor Arbeit, die als Versicherung getarnt wird. Hinzu kommt, dass jede Form sozialer Grundabsicherung, so wnschenswert sie auch sein mag, zu Verzerrungen auf dem Arbeitsmarkt fhrt. Besonders betrifft dies das Lohnabstandsgebot: Ein geringer Ab-stand zwischen Lhnen und sozialer Transferzahlung kann sich negativ auf die Motivation, eine neue Beschftigung aufzunehmen, auswirken und ein Gefhl der Ungerechtigkeit bei denen schaffen, die fr geringfgig hheres Einkommen arbeiten gehen. Diese Verzerrung wird sich nie vollstndig vermeiden lassen, kann aber minimiert werden, indem durch ein automatisches Zuschusssystem dafr gesorgt wird, dass der, der arbeitet auf jeder Stufe der Lohnskala mehr Geld hat als der, der nicht arbeitet. Dies gewhrleistet das Konzept des liberalen Brgergeldes.9 Das Brgergeld sollte also als Teil des Steuersystems gesehen und vom Finanzamt ausgezahlt werden. Das Brgergeld soll das heutige Arbeitslosengeld II und andere steuerfinanzierte Sozi-alleistungen ersetzen. Das Arbeitslosengeld I knnte davon ganz getrennt und zu einer privaten Versicherungs- und Sparleistung umgestaltet werden. Die soziale Mindestversorgung wrde in staatlicher Hand liegen, die Lebensstandardsicherung in private Verantwortung berfhrt. Wer selbst whrend seiner Beschftigung eine hohe Sparleistung erbringt oder sich fr hhere Prmien entscheidet, wrde in Phasen der Arbeitslosigkeit davon profitieren. Zahlungen und Leistungen wrden das quivalent bilden, dass das Gerechtigkeitsgefhl der Menschen fordert, aber durch das heutige System nicht gewhrleistet werden kann. Die private Arbeitslosenver-sicherung wrde die persnliche Risikobereitschaft und die individuellen Risikoaversion wider-spiegeln.

    Die Privatisierung des Arbeitslosengeldes (Arbeitslosengeld I)Die ffentliche Hand kann ber das Steueraufkommen ein Grundeinkommen sichern und das Abgleiten in die Armut verhindern. Das allein ist sozialhistorisch eine enorme Leistung unseres Gemeinwesens. Es hat sich aber gezeigt, dass der Staat die Garantie eines bestimmten Le-bensstandards in der Lebensphasen der Erwerbslosigkeit finanziell nicht leisten kann uns aus dem liberalen Staatsverstndnis heraus auch nicht leisten soll. Das Arbeitslosengeld I ist ein Restbestand dieser Garantie, die durch die Agenda 2010 teilweise revidiert wurde. Wie bereits beschrieben, ist es nur konsequent, den Ansatz einer ffentlichen Versicherung insgesamt in

    9 Peter Altmiks. Liberales Brgergeld kontra bedingungsloses Grundeinkommen; Kestin Funk: Steuerre-form und Brgergeld: Ein Motor fr Wachstum und Beschftigung; Steffen Hentrich: Gerecht, solidarisch und ak-tivierend: Brgergeld und vereinfachtes Steuersystem.

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    Frage zu stellen und eine steuerfinanzierte Grundversorgung in Form des Brgergeldes an seine Stelle zu setzen.Die Beitrge fr die Arbeitslosenversicherung erhhen die Kosten des Faktors Arbeit und tragen damit zu einer hheren Arbeitslosenquote bei. Indem der obligatorische Betrag zur ffentlichen Arbeitslosenversicherung abgeschafft wird, wird der Faktor Arbeit entlastet. Dies wirkt sich fr die Beitrag zahlenden Arbeitnehmer wie eine Steuersenkung aus. Das bedeutet, dass die pri-vaten Haushalte zustzlichen Spielraum fr private Vorsorge erhalten. Die Lcke, die durch den Wegfall des Arbeitslosengeldes I entsteht, kann also mit den zustzlich vorhandenen Mitteln der Privathaushalte in Form einer privaten Vorsorge fr den Fall der Arbeitslosigkeit geschlos-sen werden. Eine private Versicherung kann die fiktive ffentliche Versicherung ersetzen. Fr die heutige Arbeitslosenversicherung sind zwei Elemente charakteristisch: Einheitsprmie und Staatsmonopol. Ein privates Versicherungssystem wrde hingegen folgende Elemente umfas-sen: individuelle, risikobestimmte Prmien und Wettbewerb zwischen verschiedenen Versiche-rern. Dazu gehren neben der Risikoquivalenz der Beitrge die Wahlfreiheit aus einer Reihe unterschiedlicher Versicherungsprodukte und die Mglichkeit von Schadensfreiheitsrabatten. Die Arbeitnehmer bestimmen eigenverantwortlich ber Art und Umfang der Absicherung ihres Risikos, arbeitslos zu werden. Im staatlichen System der Arbeitslosenversicherung wird der An-reiz, wieder eine Beschftigung zu finden, gemindert durch den Umstand, dass knftige Pr-mien und Leistungsansprche unabhngig davon sind, in welchem Umfang ein Arbeitnehmer heute Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt.10 Darin unterscheidet sich das staatliche System von einem privaten. Die private Arbeitslosenversicherung geht die ver-tragliche Verpflichtung ein, einen bestimmten Anteil der jhrlichen Prmienleistung anzulegen und zu verzinsen. Am Ende der Vertragsdauer, also sptestens mit dem endgltigen Ausschei-den aus dem Berufsleben wird das inzwischen aufgebaute Kapital an den Versicherten ausge-zahlt, wenn es bis dahin nicht zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit verbraucht wurde. Die zu-rckzuzahlende Summe verringert sich um die in den Versicherungsjahren ausgezahlten Gelder. Aus diesem Grund hat der Versicherte einen Anreiz, seine Arbeitslosenphasen mglichst kurz zu halten, da jede zustzliche Inanspruchnahme seiner Versicherung auf Kosten seiner Auszahlung geht. Da sich die Prmie an die Versicherung nach dem Risiko bemisst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, ist in diesem Fall auch die Rckzahlung besonders hoch, wenn es dem Versicherten gelingt, Phasen der Arbeitslosigkeit mglichst kurz zu halten. So ist der finanzielle Anreiz fr die Suche nach neuer Beschftigung besonders gro.11 Neben der Auszahlung von finanziellen Leistungen betreibt die Bundesagentur fr Arbeit auch Arbeitsvermittlung und wendet dafr erhebliche Ressourcen auf. Dabei zhlt Arbeitsvermittlung nicht zu den von den konomen so bezeichneten ffentlichen Gtern, die allein vom Staat angeboten werden knnten. Private Arbeitsvermittler knnen dieselben Aufgaben bernehmen und die Entwicklung von Online-Angeboten schafft zustzliche Transparenz. Holger Schfer stellt fr das Institut der deut-schen Wirtschaft dazu fest: Dass es einen funktionsfhigen Markt fr private Arbeitsvermitt-lung auch jenseits der Finanzierung von Leistungen durch die Bundesagentur fr Arbeit geben kann, zeigen zahlreiche existierende Vermittler und Bereitsteller von Marktinformationen. Eine weitere Entfaltung dieses Marktes wre mglich, wenn bestehende Regulierungen abgebaut wrden.12 Ob das Vermittlungsangebot von privaten Arbeitslosenversicherungen angeboten

    10 Glismann, Schrade, S. 37.11 Glismann, Schrade, S. 32.12 Holger Schfer, Privatisierung der Arbeitslosenversicherung?, Kln 2006, S. 17.

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    werden wrde, oder ob es vollstndig von unabhngigen Arbeitsvermittlern bernommen wr-de, msste sich am Markt selbst entscheiden.Die Verzahnung von Brgergeld (Reform von Arbeitslosengeld II) und privater Arbeitslosenver-sicherung (Reform von Arbeitslosengeld I) Die Geschichte der Arbeitslosenversicherung zeigt, dass sie als Mittel der ffentlichen Wohlfahrt entstanden ist, nicht aber der Verringerung der Arbeitslosigkeit dienen konnte. Im Gegenteil verteuert sie den Faktor Arbeit und trgt damit zur Erhhung der Arbeitslosigkeit bei. Seit den siebziger Jahren ist eine wachsende Bevlke-rungsgruppe Geringqualifizierter entstanden, die selbst unter den gnstigsten konjunkturellen Bedingungen nur schwer Beschftigung findet. Ein Arbeitsmarkt, auf dem uneingeschrnkte Vertragsfreiheit herrschen wrde, gbe zwar bis auf einen geringen Rest fast jeden Erwerbs-losen Arbeit, aber wahrscheinlich in vielen Fllen zu Lhnen unterhalb des heutigen Hartz-IV-Niveaus. Das liberale Brgergeld ist eine Antwort auf dieses Dilemma und der Versuch, dem Einzelnen ein Mindesteinkommen zu sichern und dennoch die verzerrenden Effekte auf dem Arbeits-markt so klein wie mglich zu halten. Dies geschieht, indem der Transfer so gestaffelt wird, dass derjenige, der eine Arbeit aufnimmt, sich damit immer besser stellt, als derjenige, der nicht arbeitet. Das Brgergeld wrde das Arbeitslosengeld II und eine Reihe anderer Sozialleistungen ersetzen. Nach berfhrung des Arbeitslosengeldes I in ein privates Versicherungssystem wr-de das Brgergeld nicht wie das heutige Arbeitslosengeld II erst nach zwlf Monaten, sondern sofort mit dem Verlust der Erwerbsttigkeit gezahlt. Die Zahlungen fr das Arbeitslosengeld I wrden hingegen wegfallen. Stattdessen flsse die Untersttzung aus der privaten Sicherung adquat zu den Einzahlungen des Arbeitnehmers, entsprechend der vertraglichen Vereinbarung zwischen Versichertem und Versicherern. Die Aufgabe des Staates besteht in einem solchen System wie bei allen Versicherungen in der Schaffung von Transparenz und der berwachung der Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen. Die Zahlungen aus der privaten Arbeitslosen-versicherung wrden steuerlich wie normales Einkommen behandelt. Je nach seinem Umfang wrden darauf entweder Steuern erhoben, wenn es ein gewisses Niveau berschreitet, oder Brgergeldzuschsse gezahlt, wenn es ein gewisses Niveau unterschreitet. So wrden private Arbeitslosenversicherung und Brgergeld als Nachfolger von Arbeitslosengeld I und Arbeits-losengeld II miteinander verzahnt. Die Absicherung des Lebensstandards zwischen einzelnen Beschftigungsverhltnissen erfolgt dann ber die private Arbeitslosenversicherung und das soziale Mindestniveau Brger gewhrt das liberale Brgergeld. Beide Konzepte zusammen bil-den zusammen ein verzahntes, in sich schlssiges System sozialer Sicherung, das sowohl mit den Prinzipien des Wettbewerbs als auch mit denen der Gerechtigkeit besser in Einklang steht als das heutige Sozialsystem.

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    Literatur:Peter Altmiks: Liberales Brgergeld kontra bedingungsloses Grundeinkommen. http://www.freiheit.org/files/62/4_Liberales_Buergergeld_Internet.pdfGrard Bkenkamp: Das Ende des Wirtschaftswunders. Geschichte der Sozial-, Wirtschafts-, und Finanzpolitik der Bundesrepublik 1969-1998, Stuttgart 2010.Diether Dring: Sozialstaat, Frankfurt a. M. 2004Barry Eichengreen: Vom Goldstandard zum Euro. Die Geschichte des internationalen Wh-rungssystems, Berlin 2000.Kestin Funk: Steuerreform und Brgergeld: Ein Motor fr Wachstum und Beschftigunghttp://www.freiheit.org/files/152/05_Steuerreform_BG_A4_3S_K.pdfHans Glismann, Klaus Schrader: Privatisierung der Arbeislosenversicherung: Ein Konzept fr Deutschland, Berlin 2005.Gero Neugebauer: Politische Milieus in Deutschland. Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Bonn 2007.Richard Rogersen: Labor Pains, auf: http://www.american.com/archive/2010/july/labor-painsSteffen Hentrich: Gerecht, solidarisch und aktivierend: Brgergeld und vereinfachtes Steuer-system, Potsdam o. J.Holger Schfer: Privatisierung der Arbeitslosenversicherung? Kln 2006.