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Prof. Dr. Wolfram Jäger CESA / VASA Standardisierte OP-Technik zur Behandlung der weiblichen Dranginkontinenz und Beckenbodensenkung

Prof. Dr. Wolfram Jäger CES A/VASA · dass die CESA / VASA-OP von ausgewählten Experten in der ganzen Welt ange - wendet wird. Da auch die Korrektur der Pubo Urethral Ligamente

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Prof. Dr. Wolfram Jäger

CESA / VASA Standardisierte OP-Technik

zur Behandlung der

weiblichen Dranginkontinenz

und Beckenbodensenkung

3. AuflageKöln, April 2014

Fotos:DynaMesh®Prof. Dr. Wolfram Jäger

Grafiken:Jean-Philipp Ihlewww.jpimedia.de

Satz und Layout:AVVM Werbung & Marketing GmbHwww.avvm.de

Diese Veröffentlichung entstand mit freundlicher Unterstützung von

FEG Textiltechnik mbhJülicher Str. 338 aD-52070 Aachenwww.dyna-mesh.com

für Claudius, Julius und Amadeus

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INHALT

Vorwort 5

Entwicklung der Operationsverfahren 6Ausgangssituation 6Behandlung der Dranginkontinenz – Die Wende 7Dokumentation der Methode 8Suche nach dem geeigneten Material 9Aktueller Stand und Ausblick 10

Anamnese 12Vorteile einer Standardisierung 12 Zentrale Parameter der Anamnese 14

Diagnostik 16Gynäkologische Untersuchung 16Nykturie 17

Wie sage ich es meiner Patientin? 18Anatomische Strukturen einfach erklärt 18Verständliche Erläuterung des OP-Verfahrens 19

Anforderungen an das Implantat 22Anforderungsanalyse 22Materialparameter 23Strukturparameter 24Umsetzung 25

Nachsorge 27

Die OP im Detail 28 CE(RE)SA 29VA(RE)SA 54TOT 8/4 62

Erfahrungsberichte von Patienten 66

Schlussfolgerung 68

Literatur 69

OP-Ausstattung: Empfehlungen Nahtmaterial 70

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PROF. DR. WOLFRAM JÄGER

1954 geboren in Neuwied am Rhein

1973 Abitur an der Tilemannschule Limburg/Lahn

1978 Staatsexamen in Düsseldorf nach Studium der Medizin in Mainz, Düsseldorf und Innsbruck

1978 – 1980 Allgemeinchirurgie im KKH Freudenstadt

1980 – 1985 Facharztausbildung an der Universitäts-Frauenklinik Bonn

1985 – 2004 Universitäts-Frauenklinik Erlangen

1986 Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe

1995 Habilitation

1995 Gastprofessur an der University of California, San Francisco

1996 Berufung zum Extraordinarius für Gynäkologische Onkologiean der Universitäts-Frauenklinik Erlangen

2001 Gastprofessur am Woman�s Cancer Center Hartford/Connecticut (USA)

2004 Chefarzt der Frauenklinik der Städt. Kliniken Düsseldorf

2007 Chefarzt der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe am Ev. Krankenhaus Lütgendortmund

seit 2010 Leitender Arzt der Abteilung für Urogynäkologie und Beckenbodenchirurgie der Universitäts-Frauenklinik Köln

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VORWORT

Die weibliche Dranginkontinenz ist vermutlich einesder größten gesundheitlichen Probleme des älterenMenschen. Eine genaue Anzahl der erkrankten Frauenlässt sich kaum ermitteln, da viele ihre Erkrankung ver-schweigen. Nach vorsichtigen Schätzungen kann mandavon ausgehen, dass jede dritte ältere Frau an Inkon-tinenz leidet – einem Problem, das die Lebensqualitätder Betroffenen nicht selten so erheblich einschränkt,dass viele zuletzt kaum noch ihr Haus verlassen.

Während die Belastungsinkontinenz als heilbar gilt, gab es bislang für die Drang-inkontinenz keine effektiven Therapien. Sie war unheilbar. Durch die Entwick-lung einer neuen OP-Technik hat sich dies geändert. Mit der Methode CESA /VASA lässt sich die Dranginkontinenz der Frau erstmals wirksam behandeln. Bis-herige Studien zeigen, dass man drei von vier Frauen heilen kann.

In diesem Buch werden nicht nur ausführlich die einzelnen Schritte des Eingriffserläutert. Eingegangen wird u.a. auch auf die Auswahl geeigneter Patientinnensowie auf die Bereiche Anamnese und Diagnostik. Zudem wird gezeigt, wie starkdie erfolgreiche Anwendung der Methode vom detailgetreuen Operieren undvor allem von den angewandten Materialien abhängig ist.

Nicht zuletzt im Sinne der betroffenen Frauen sollte es unser Bestreben sein,dass die CESA / VASA-OP von ausgewählten Experten in der ganzen Welt ange-wendet wird. Da auch die Korrektur der Pubo Urethral Ligamente (PUL) verein-heitlicht werden kann und zudem die Beckenmasse der Frau weltweit gleich ist,wird es möglich, den Eingriff international identisch durchzuführen und so eineStandardisierung zu erreichen. Damit kommen wir dem Ziel, die Dranginkonti-nenz in wenigen Jahren zu 100 % heilen zu können, einen ganz entscheidendenSchritt näher.

Prof. Dr. Wolfram Jäger

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ENTWICKLUNG DER OPERATIONSVERFAHREN

AUSGANGSSITUATION

Belastungsinkontinenz ist definiert als Urinverlust bei erhöhtem intraabdomina-lem Druck. Die hypothetische Pathogenese geht dabei von einer Schädigung desunter der Urethra liegenden Pubo Urethral Ligamentes (PUL) aus, das bei ver-stärktem Druck auf die mit Urin gefüllte Blase nicht mehr genügend Widerstandbieten kann und Urin durchlässt. Folglich besteht die Behandlung im Ersatz derPUL. Der Einsatz verschiedener spannungsfreier Schlingen wurde schon früh ver-sucht. Eine große Verbreitung erlangte die Operationstechnik jedoch erst, als derschwedische Gynäkologe Ulmsten1 die Position des Bandes von „neck“ to „knee“der Urethra veränderte, die richtigen Materialien und vor allem entsprechendesOP-Instrumentarium entwickelt wurden. Die Operationsmethode, die von Ulm-sten zunächst IVS (intravaginal sling) genannt wurde, gelangte unter der Bezeich-nung TVT zu Weltruhm. Mit ihr wurden seither Millionen von Frauen weltweitbehandelt, wobei die Erfolgsrate (Kontinenz nach OP) bei fast 80 % liegt2.

Im Gegensatz zur Belastungsinkontinenz ist die Dranginkontinenz definiert alsZwang, häufig Wasser lassen zu müssen bzw. den Urin nicht mehr richtig ein-halten zu können. Darunter subsummiert ist ein weites Spektrum von Ausprä-gungen – von sehr häufigen Toilettengängen bis hin zum komplettenUnvermögen, den Urin einhalten zu können. Die Pathogenese der Dranginkon-tinenz ist bislang nicht zufriedenstellend geklärt. Angenommen werden Störun-gen der Innervation der Blasenmuskulatur, die der Blase letztendlich eine eigeneAutonomie verschaffen. Zur Behandlung der vermuteten neurologischen Ursa-che der Erkrankung wurden in Studien mit zum Teil mehr als 1.000 Teilnehme-rinnen verschiedene medikamentöse Therapien getestet, die jedoch nicht mehrWirksamkeit zeigten als das Placebo3.

Schon in den 1990er Jahren stellten sowohl de Lancy4 als auch Petros5 die Hy-pothese auf, dass die Dranginkontinenz auf einem anatomischen Defekt im hin-teren Beckenbodenbereich beruht bzw. mit einem solchen assoziiert ist. Vor

einigen Jahren gelang es uns, diesen Zusammenhang nachzuweisen. Dabei wares die einfache Beobachtung, dass Frauen, die tagsüber erhebliche Inkontinenz-probleme hatten, nachts aber relativ ungestört schlafen konnten, die uns derLösung näherbrachte. Wir nahmen die Dranginkontinenz als lageabhängigesPhänomen an und gingen somit hypothetisch davon aus, dass die Problematiknicht im nervalen System zu suchen sei.

BEHANDLUNG DER DRANGINKONTINENZ - DIE WENDE

Bereits Mitte der 90er Jahre machten wir die Beobachtung, dass einige Patien-tinnen im Anschluss an einen Eingriff zur Behandlung eines rezidivierenden Cer-vixkarzinoms (CORT) berichteten, nicht mehr an Dranginkontinenz (eingetretennach der primären radikalen Wertheim-Operation) zu leiden. Im Rahmen derCORT-OP wurden u.a. Afterloadingsonden an der Beckenwand platziert und daskleine Becken vollständig mit Vicryl-Netzen abgeschirmt um zu verhindern, dassder Dünndarm ins geplante Bestrahlungsfeld fallen konnte. Da seinerzeit vor-nehmlich die onkologischen Ergebnisse im Vordergrund standen, wurden darauszunächst keine weiteren klinischen Konsequenzen gezogen. Die Beobachtungenlieferten jedoch erste Hinweise für eine mögliche Wende im Hinblick auf die Be-handlung der Dranginkontinenz.

Die notwendigen Impulse zur weiteren Entwicklung der operativen Behandlungder Dranginkontinenz ergab jedoch erst die Übernahme der Operationsmethodevon Egger zur Behandlung des Descensus genitalis6. Bei dieser abdomino-vagi-nalen Operation wurden Polypropylennetze bzw. –bänder beidseitig paravaginalund pararectal zwischen den Levatoren im Introitusbereich und den Sakralwir-beln eingenäht. Anschließend wurden sie an Vagina und Rektum fixiert. Da die-ses Verfahren als operatives Gesamtkonzept zur Behandlung von Senkungs -zuständen des weiblichen Beckens vorgestellt wurde und die üblichen operati-ven Verfahren häufig zu Rezidiven führten, übernahmen wir es zunächst zur Be-handlung des Scheidenstumpf-Descensus. Viele der betroffenen Patientinnenklagten vor dem Eingriff über Dranginkontinenz und berichteten post OP voneiner deutlichen Besserung. Als sehr unangenehm und zudem bei Kohabitationstörend wurden jedoch die durch die implantierten Bänder rechts und links derVagina bedingten Verhärtungen der Scheidenwand empfunden.

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Das Teil-Versagen der Operation bei einer Patientin zeigte überraschende Ergeb-nisse im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Technik. Der kurz vor Ende desEingriffs erfolgte Abriss der Annähte im Levatorenbereich konnte aufgrund deranästhesiologischen Situation nicht korrigiert werden. Überraschend war, dassdie Patientin direkt nach der OP und auch Monate danach keine Dranginkonti-nenzsymptomatik mehr zeigte. Dies war für uns Anlass zu der Annahme, dassfür die Behandlung der Dranginkontinenz die vaginale Phase verzichtbar ist. Wirentwickelten die Technik weiter und setzten sie in der Folge auch bei Senkungender Gebärmutter ein. In Anlehnung an die anatomischen Strukturen der Fixierungder Bänder nannten wir die Operation VA(gino)RE(cto)SA(cropexie).

DOKUMENTATION DER METHODE

Im Rahmen der Operationen wurden alle Schritte und klinische Effekte auch ver-meintlich kleiner Modifikationen (z. B. Stichrichtung horizontal vs. vertikal, Fe-stigkeit der Knoten, Schliff der Nadel etc.) dokumentiert. Die klinische Beobach-tung der Patientinnen mit Descensus und Dranginkontinenz machte deutlich,welche Schritte unverzichtbar waren. Die Tatsache, dass eine Patientin sofortwieder inkontinent war, wenn eines der Bänder ausriss, zeigte, dass in jedemFalle zwei Bänder (je links und rechts vom Rektum) benötigt wurden. Diese Be-obachtungen sowie Untersuchungen beim Rhesusaffen führten zu der Arbeits-hypothese, dass eine Dranginkontinenz nur dann heilbar ist, wenn die UteroSacral Ligamente (USL) ersetzt werden Der Anspruch des möglichst naturge-treuen Ersatzes wich der Beobachtung, dass bei den betroffenen Patientinnenkeine USL mehr darstellbar waren, sondern ausschließlich Peritonealfalten, diesich nicht straffen ließen. Folglich mussten alloplastische Bänder implantiertwerden. Versuche an der Leiche, die Bänder stabil an der Muskulatur zu veran-kern, scheiterten. Somit galt es, Möglichkeiten zu finden, die Implantate im Be-reich der knöchernen Strukturen zu fixieren. Die Fixation am Promotorium – locotypico der Gynäkologie – schien die einfachste Lokalisation, zeigte jedoch imHinblick auf die Dranginkontinenzsymptomatik nicht den gewünschten Erfolg.Dieser stellte sich erst durch die Implantation im Periost vor S2/S3 – loco typicoder Urologie – ein. Um die korrekte Länge, Breite, Spannung sowie Verlauf derBänder im kleinen Becken zu ermitteln, wurden weitere Untersuchungen an derLeiche vorgenommen. Diese ergaben die Notwendigkeit unterschiedlicher Band-

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längen bei Annaht an Cervix bzw. Scheidenstumpf. Weiterhin zeigte sich ein Ein-fluss auf das klinische Ergebnis durch eine Differenz bei der rechten und linkenBandlänge sowie der Zugrichtungen der Implantate.

Dem nach diesen Voruntersuchungen definierten Operationsvorgehen folgtenweitere Veränderungen der Operationsmethode, die auf der Analyse des post-operativen Verlaufes gründeten. Ursprünglich verließen bis zu 75 % der operier-ten Patientinnen die Klinik als geheilt. Da bis dato davon ausgegangen wurde,dass nach der „Integral-Theorie“ von Petros sowohl die Utero Sacral-Ligamente(USL) als auch die Pubo Urethral Ligamente (PUL) ersetzt werden mussten1, warin allen Fällen zusätzlich ein TOT gelegt worden. Aus organisatorischen Gründenwurde das Verfahren in der Folgezeit dahingehend geändert, dass zunächst eineVA(RE)SA bzw. CERESA (CErvico REcto SAcropexie) vorgenommen wurde und dieTOT-Einlage drei Monate post OP erfolgte. Beobachtet werden konnte allerdings,dass bei rund 40 % der Patientinnen die Dranginkontinenz bereits ohne TOT er-folgreich behandelt war.

SUCHE NACH DEM GEEIGNETEN MATERIAL

Von den ersten mittels CE(RE)SA inkl. TOT bzw. VA(RE)SA inkl. TOT operierten160 Patientinnen entwickelten 32 (=20 %) ein Rezidiv der Dranginkontinenz. Beiden insgesamt 28 im Rahmen einer Laparoskopie nachuntersuchten Frauen wur-den als Ursache Faden- und ein- oder zweiseitige Bandausrisse (5 Patientinnen),geschrumpfte oder überdehnte Bänder sowie starke Verwachsungen (23 Patien-tinnen) ermittelt.

Diese Ergebnisse ließen darauf schließen, dass die Probleme nicht in der Opera-tionsmethode, sondern vielmehr in den verwendeten Materialien lagen. Wegender Materialsteife und der vielfach eintretenden Verwachsungen wurden die zu-nächst eingesetzten Polypropylen-Bänder durch vorwiegend im Rahmen der Her-nienchirurgie verwendete Bänder und Netze, die selbst zugeschnitten wurden,ersetzt. Neben starken Verwachsungen, die v.a. im Verlauf der Peritonealfaltedes USL die Funktion behinderten und die Ureter zum Teil vollständig umschlos-sen, zeigten sich bei diesen Materialien häufig auch Schrumpfungen (Verkür-zung der Bänder) oder Überdehnungen (Verlängerung der Bänder). Beieingesetzten Polyester-Bändern kam es aufgrund dieses „Ausleierns“ zu einem

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Verlust der primären Spannung und einem „Flattern“ bei den Rezidiv-Operatio-nen. Mit Polytetrafluoroethylen konnte weder am Periost vor S2 /S3 noch amScheidenstumpf ein festes und dauerhaftes Einwachsen festgestellt werden.

Auf der Basis dieser Erkenntnisse wurde deutlich, dass eine erfolgreiche undstandardisierte Technik nur mit Hilfe eines speziell für diese neuartigen Metho-den entwickelten Implantates möglich ist. Im Jahr 2011 begann deshalb die ge-meinsame Produktentwicklung mit der Firma FEG Textiltechnik, die bereits seit2003 Netzimplantate aus dem Hochleistungskunststoff Polyvinylidenfluorid(PVDF) entwickelt und vertreibt. Im Rahmen dieser Entwicklung entstanden vierspeziell an die jeweilige Anwendung angepasste Strukturen für die TechnikenCESA und CERESA sowie VASA und VARESA. Diese Implantate erlauben es nun,die Eingriffe noch weiter zu standardisieren und eine hohe Reproduzierbarkeitzu gewährleisten.

Bis Februar 2013 wurden unter Verwendung des Materials PVDF 135 Frauen miteiner Mischinkontinenz operiert. 50 Patientinnen waren ohne TOT-Implantationkontinent, bei 85 wurde zusätzlich ein TOT gelegt. Insgesamt konnten 112 Pa-tientinnen geheilt werden. Bei den verbleibenden 23 wurde in bisherigen Nach-untersuchungen noch keine zufriedenstellende Verbesserung erzielt.

AKTUELLER STAND UND AUSBLICK

Derzeit überblicken wir ca. 800 Patientinnen, die nach den Methoden CESA, CE-RESA, VASA und VARESA behandelt wurden. Bei einer bisherigen Gesamt-Hei-lungsrate von mehr als 75 % 7, den Erkenntnissen die wir im Laufe der Ent-wicklung gewonnen haben und nicht zuletzt mit den optimierten Implantatensowie der hochgradig standardisierten OP-Methodik sind wir zuversichtlich, dassdie Volkskrankheit Dranginkontinenz in absehbarer Zeit zu annähernd 100 % heil-bar sein wird.

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Erste Schritte in diese Richtung sind die derzeit laufenden Studien URGE I undURGE II, die die neuen Methoden dem derzeitigen Behandlungsstandard gegen-überstellen.

DRANGINKONTINENZ

Uterus vorhandenUterus früher entfernt

RANDOMISATION RANDOMISATION

VASAkonservative Behandlung

konservative BehandlungCESA

Beurteilung 12 Wochen nach Behandlungsbeginnggf. Behandlung mit anderem Randomisations-Arm

Zustand nach VASA Zustand nach CESA

RANDOMISATION RANDOMISATION

TOT 8/4konservative Behandlung

konservative Behandlung

TOT 8/4

Beurteilung 12 Wochen nach Behandlungsbeginnggf. Behandlung mit anderem Randomisations-Arm

Inkontinenz nach VASA oder CESA

URGE I

URGE II

ANAMNESE

Wie bereits weiter oben ausgeführt, konnten wir schon vor einigen Jahren nach-weisen, dass die weibliche Dranginkontinenz vermutlich auf einem anatomi-schen Defekt im hinteren Beckenboden beruht bzw. mit einem solchen assoziiertist. Wie beschrieben war es eine einfache Beobachtung, die uns der Lösung desProblems näher brachte: Bei vielen Patientinnen bestehen die Inkontinenzpro-bleme in erheblicher Ausprägung tagsüber, die gleichen Frauen können abernachts relativ ungestört mehrere Stunden am Stück durchschlafen. Damitscheint die Dranginkontinenz ein lageabhängiges Problem zu sein.

(Erste) Versuche bei Frauen, die nachts wach blieben, aber tagsüber schliefen,zeigten, dass es sich dabei nicht um ein tageszeitliches Problem handelt, son-dern dieses tatsächlich durch die aufrechte Position des Oberkörpers ausgelöstwerden kann.

VORTEILE EINER STANDARDISIERUNG

Bereits eine ausführliche Anamnese kann Aufschluss darüber geben, welcheStrukturen im Becken betroffen sind. Empfehlenswert ist hier die Nutzung einesstandardisierten Patientenfragebogens, mit dem wichtige und für die Therapieentscheidende Parameter abgefragt werden.

International sind nach unseren Recherchen bis zu 21 verschiedene Fragebögenzur Klassifizierung der Inkontinenz geprüft und empfohlen worden. Da die Be-antwortung der Fragen in Ermangelung therapeutischer Optionen jedoch zu kei-ner unterschiedlichen Behandlung führen konnten, dienten die Bögen lediglichzur Beurteilung kleinster Effekte, die z. B. durch Medikamente erzielt wurden.

Vor dem Hintergrund weiterer Studien mit dem Ziel einer weltweiten Vergleich-barkeit des Operationsverfahrens CESA / VASA ist die Erhebung verschiedenerParameter nicht nur bei der Erstbefragung (vor OP) sinnvoll und hilfreich, son-dern ebenso bei Entlassung aus der Klinik sowie weiteren Kontrollterminen.

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Auf der Grundlage langjähriger Erfahrungen mit 700 Patientinnen wurde ein An-amnesebogen entwickelt. Unter www.cesa-vasa.com wird dieser in neutralerForm zum Download angeboten.

intakte Beckenbodenanatomie

stark gedehnte PUL: hypothetische Situation bei Belastungsinkontinenz

PUL und USL haben keine Funktion mehr.Die Patientin kann den Urin nicht mehr

einhalten und ist „immer nass“.

vorderer Ausriss und hinterer Defekt (Dehnung). Einhalten bei Harndrang

nicht mehr möglich.

SUSL U

B PB

PULVR

S S

UU

B BPBPB

V VR RPUL

USL

S

BUPB

RV

S

U B PB

PULV

R

Durch Überdehnung der kritischen Zoneder Elastizität kommt es – trotz leerer

Blase – zum nerval bedingten Impuls deshäufigen Harndrangs.

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ZENTRALE PARAMETER DER ANAMNESE

Urinverlust

Urinverlust bei Belastung (z. B. Husten, Niesen, Sport) ist Anzeichen für ein de-fektes Pubo Urethral Ligament (PUL). Tritt der Urinverlust beim Husten mit leereroder nur gering gefüllter Blase auf, spricht dies für intakte Utero Sacral Liga-mente (USL), da sich dabei die Aufhängung der Scheide noch in der Waagerech-ten befindet. Urinverlust beim Husten mit voller Blase hingegen ist ein Hinweisauf ein nicht mehr intaktes, aber auch nicht komplett defektes PUL. Gesichertist in diesem Falle jedoch ein Defekt des Utero Sacral Ligamentes (USL), der be-wirkt, dass die Blase dem intraabdominalen Druck folgt und beim Husten nachunten in die Scheide sinkt.

Bei Patientinnen, bei denen es zu Urinverlust im Liegen kommt, liegt meist einsehr komplexer Schaden des Beckenbodens vor. Hier ist in der Regel nach derVASA bzw. CESA die zusätzliche Implantation eines TOT angezeigt.

Blasenentleerung

Die Angabe, ob die Blase nach dem Toilettengang ganz entleert ist, wird vonden meisten Patientinnen mit dem Zusatz „ich glaube“ versehen. Oftmals wirdberichtet, dass direkt im Anschluss ein erneuter Toilettengang notwendig seinkönnte bzw. ist. Bis dato ist nicht eindeutig geklärt, worauf dieses Symptomgründet.

Einhalten des Urins

Die Frage, wie lange bei Harndrang der Urin noch eingehalten werden kann, istfür die Patientinnen sehr wichtig, da danach das tägliche Leben eingerichtetwird. Ist eine Toilette einfach und schnell zu erreichen, ist ein anderes Verhaltenmöglich, als wenn dies nicht oder nicht unbeschränkt der Fall ist (z. B. im Kino,Theater etc.). Die folgende Situation kann jede Frau einschätzen, und sie gibtdem Arzt wichtige Hinweise im Hinblick auf die Wahl der Therapie. „Stellen Siesich vor, Sie haben im Kaufhaus eine Bluse gekauft und wollen zur Kasse gehen.Auf dem Weg dorthin spüren Sie, dass Sie zur Toilette müssen. An der Kasse

sehen Sie zwei wartende Kunden. Was tun Sie?“ Wenn keine Probleme bestehen,wird die Patientin antworten, dass sie sich an der Kasse anstellt. Lautet die Ant-wort, dass sie lieber erst zur Toilette gehen würde, hat die Patientin in der Regeldie Erfahrung gemacht, dass sie den Urin nicht sehr lange einhalten kann, schät-zungsweise mehr als 3 Minuten, aber selten länger als 10 Minuten. Frauen, dieangeben, beim ersten Harndrang umgehend die Toilette aufzusuchen, könnenden Urin erfahrungsgemäß weniger als 3 Minuten einhalten.

Diese durch die Befragung eruierten Erfahrungen liefern wichtige Differenzie-rungen im Vergleich mit den „ständig nassen“ Frauen, die keine Möglichkeithaben, den Harnabfluss – wenn auch nur für kurze Zeit – unterbinden zu kön-nen. Bei solchen ist fast ausnahmslos eine Korrektur aller Bänder erforderlich.

Inkontinenz seit der Jugend

Die Inkontinenz als Bindegewebsschwäche – oder deren Folge – kann bei jungenFrauen nicht angenommen werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Pa-tientinnen, die angeben, bereits in jungen Jahren unter Blasenentzündungenbzw. Inkontinenz zu leiden, besonders sorgfältig und sensibel befragt werden.Erfahrungen zeigen, dass solche Beschwerden nicht selten Folge kindlicher Miss-handlungen oder eines schmerzhaften Erlebnisses in der Jugend sind. DieseFrauen sollten daher zunächst einem Psychosomatiker vorgestellt werden. Die-sem sollten die speziellen Probleme der Patientin vorab genau geschildert wer-den, da die kompetente Behandlung solcher Fragestellungen bislang wenigenExperten vorbehalten ist.

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DIAGNOSTIK

GYNÄKOLOGISCHE UNTERSUCHUNG

Die gynäkologische Untersuchung sollte immer mit einem geteilten Spekulumdurchgeführt werden. Dabei sollte zunächst mit dem hinteren Blatt die Cervixbzw. der Scheidenstumpf in horizontaler Richtung nach oben geschoben wer-den. Hierbei sollte sich zeigen, ob wirklich eine Cystocele vorliegt. In nahezuallen Fällen handelt es sich nur um eine Folge des Descensus der Gebärmutteroder des Scheidenstumpfes, was durch Anheben mit dem Spekulum deutlichwird. Ein identisches Vorgehen mit dem hinteren Blatt zeigt gleiches für die Rec-tocele. Vordere und hintere Kolporrhaphien sind nur noch selten indiziert.

Das Anheben, Verschieben und Hinunterdrücken der Scheide zeigt, wann diePatientin Harndrang verspürt und wann nicht. Die Richtung des Spekulums sollteman umgehend notieren bzw. ggf. in einer Skizze festhalten. Häufig lässt sichfeststellen, dass das Dranggefühl abnimmt, wenn das Spekulum in Richtung S2weist. Dabei muss berücksichtigt werden, dass diese Untersuchung nur für dieliegende Position gilt. Erst im Stehen kann der Punkt des Dranggefühls jedochgenau lokalisiert werden. Dies ist mit einem kleinen Stieltupfer möglich.

Im Rahmen der Diagnostik unverzichtbar ist daher die Ergänzung der üblichenim Liegen durchgeführten Untersuchung durch eine Untersuchung im Stehen;dies vor allem auch, weil sich ein Descensus in liegender Position nicht bzw.nicht sicher feststellen lässt.

Praktisch wird die Untersuchung im Liegen begonnen und der Stuhl anschlie-ßend in die Ausgangsposition gefahren. Dann wird die Patientin gebeten, auf-zustehen, wobei der untersuchende Zeigefinger während der gesamten Zeit inder Scheide verbleibt. Die gynäkologische Untersuchung im Stehen brauchtetwas Zeit, da sich die Organe nicht sofort absenken, sondern erst nach einigerBelastung. Daher ist es ratsam, die Patientin ein wenig länger stehen und hustenzu lassen. Nach Möglichkeit sollte bei voller Blase untersucht werden. Ratsamist vor diesem Hintergrund, die Patientin auf einer Einmalvorlage stehen zu las-sen, da es häufig zu (un)erwartetem Urinabgang kommt.

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NYKTURIE

Patientinnen mit Dranginkontinenz haben in aller Regel nachts (also im Liegen)keine Probleme. Ein zweimaliger Toilettengang in der Nacht wird als normal an-gesehen. Wird berichtet, dass das nächtliche Aufsuchen der Toilette deutlichmehr als zweimal erfolgt, sollte an eine andere Problematik gedacht werden undein Miktionsprotokoll zur Messung der ausgeschiedenen Urinmenge erstellt wer-den. Die Patientinnen erhalten dazu ein entsprechendes Formular, in dem dieUhrzeiten und die ausgeschiedenen Urinmengen dokumentiert werden. Diesesist ebenfalls unter www.cesa-vasa.com downloadbar.

Liegen die jeweiligen Urinmengen unter 100 ml, sind vielfach Verwachsungendurch vorherige Operationen im Bauchraum zu vermuten, die die Ruhepositionder Blase beeinträchtigen unddiese so ziehen, dass der Eindruckder „vollen“ Blase entsteht. Soferngrößere Mengen ausgeschiedenwerden, sollten im Rahmen einerDifferenzialdiagnostik andere Er-krankungen ausgeschlossen wer-den.

Tipp:

Der Ausdruck „Windel“ ist bei den meisten Patientinnen sehr negativbesetzt und sollte daher vom Behandler nicht verwendet werden.Die Patientin wird ggf. selbst die Nutzung von Windeln erwähnen.

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WIE SAGE ICH ES MEINER PATIENTIN?

Der Umgang mit Patientinnen, die an Inkontinenz leiden, erfordert ein nicht un-erhebliches Maß an Sensibilität. Naturgemäß und durchaus verständlicherweiseist den meisten Frauen ihr Problem sehr unangenehm, und darüber zu sprechenkostet viel Überwindung. Allein sich mit der Problematik an eine spezialisierteÄrztin bzw. einen spezialisierten Arzt zu wenden, lässt auf einen beträchtlichenLeidensdruck schließen.

Wichtig ist es daher zunächst, der Patientin zu vermitteln, dass sie mit ihremProblem keineswegs alleine ist, dass sie es mit Millionen anderen Frauen teiltund dass Ärztinnen bzw. Ärzte, die sich auf die Behandlung von Inkontinenzspezialisiert haben, tagtäglich damit konfrontiert werden. Die Reduzierung derSchamgrenze ist der erste Schritt, ein Vertrauensverhältnis zwischen Ärztin bzw.Arzt und Patientin aufzubauen.

ANATOMISCHE STRUKTUREN EINFACH ERKLÄRT

Einer Patientin ihr Inkontinenzproblem zu erklären, ist nicht ganz einfach, dennanatomisches Wissen kann normalerweise nicht vorausgesetzt werden. Wichtigist es daher, Metaphern zu finden, über die eine laienverständliche Erklärungder Problematik sowie der Therapie gelingt. Bewährt hat sich in diesen Fällendie Brückenanalogie.

KreuzbeinGebärmutter

Blase

Scheide

Schambein

hintere Haltebändervordere Haltebänder

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Dabei werden die anatomischen Strukturen als Brücke dargestellt. Die knöcher-nen Strukturen Schambein und Sitzbein dienen hier als „Brückenpfeiler“. Die„Fahrbahn“ (Scheide) hängt an den Halteseilen (vorne: Pubo Urethral Ligamente(PUL), hinten Utero Sacral Ligamente (USL). Sind beide Halteseile intakt, ist dieBrücke voll funktionsfähig. Ist hingegen ein Seil locker, hängt die Fahrbahndurch. Die Brücke (Blase) kann dann ihre Funktion nicht mehr erfüllen. Liegt einSeil sogar am Boden, ist keine Kontrolle mehr über die Blase vorhanden, unddie Frau verliert den Urin bei jeglicher Gelegenheit.

Die klinischen Symptome sind zumeist Folge der defekten Halteseile – vorne,hinten oder an beiden Stellen. Damit die Funktion der Brücke in vollem Umfangwieder hergestellt ist, müssen sie ersetzt werden.

VERSTÄNDLICHE ERLÄUTERUNG DES OP-VERFAHRENS

Zur Erläuterung der Operation sowie zur Einwilligung erhält die Patientin selbst-verständlich vor dem Eingriff einen speziellen Aufklärungsbogen, der die Me-thode erklärt und die möglichen Risiken, Komplikationen und Folgen nennt.Unabhängig davon ist es ratsam, der Patientin bereits im Nachgang der Unter-suchung die Grundzüge der Operation verständlich zu erklären und so nicht zu-letzt auch die Angst vor dem Eingriff zu reduzieren. In Anlehnung an dieBrückenanalogie mit der nachlassenden Spannkraft der Haltebänder der innerenOrgane („Seile hängen durch“) erklärt man, dass es Ziel der Operation ist, dieOrgane wieder in ihre vormalige Position zu bringen. Dabei funk-tioniert es nicht, die originalen Bänder („Halteseile“) einfachzu straffen. Vielmehr muss man diese ersetzen, um die kor-rekten anatomischen Verhältnisse (bzw. - um inder Metapher zu bleiben - die Statik derBrücke) wieder herzustellen. Dieses Ziel lässtsich verständlich anhand einer vereinfachtenanatomischen Zeichnung veranschaulichen.

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Wichtig ist es zudem, darauf hinzuweisen, dass in rund zwei von drei Fällen so-wohl die hinteren als auch die vorderen Bänder ersetzt werden müssen. Immerwieder wird der Wunsch geäußert, dies in einem Eingriff durchzuführen. Ein sol-ches Vorgehen ist jedoch nicht zu empfehlen, da zum einen rund ein Drittel alleroperierten Patientinnen überversorgt würden und zum anderen die Heilungs-chancen in diesem Falle etwas schlechter sind. Vermutet werden kann, dass derGrund hierfür in der Schwellung der Gewebe im Verlauf der Operation begründetliegt.

Der Bogen zur verständlichen Erklärung der Problematik sowie der Einwilli-gungsbogen zur OP stehen unter www.cesa-vasa.com zum Download zur Ver-fügung.

mittlerer Defekt und Reparation der Pubo Urethral Ligamente (PUL) sowie der Utero Sacral Ligamente (USL)

S

BUPB

RV

S

B PB

R V

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vorderer Defekt und Reparation der Pubo Urethral Ligamente (PUL)

hinterer Defekt und Reparation der Utero SacralLigamente (USL)

S

S

U B

B

PB

S

U

BPB

PB

VR

VRS

UB

PB

VR

R V

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ANFORDERUNGEN AN DAS IMPLANTAT

ANFORDERUNGSANALYSE

Auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen mit unterschiedlichen Materialienund der Ergebnisse der durchgeführten Studien lassen sich die folgenden An-forderungen an die Implantate definieren:

• Um eine hohe Reproduzierbarkeit und Standardisierung der OP-Verfahren zuerreichen, müssen die verwendeten Implantate aus einem Stück gefertigt sein.Die zeitintensive und fehlerträchtige intraoperative Konfektion muss in dieImplantatherstellung verlagert werden.

• Form und Abmessungen der Implantate müssen auf die Anforderungen desjeweiligen Operationsverfahrens abgestimmt sein. Dies bedingt mindestensvier verschiedene Strukturen für die Verfahren CESA und CERESA sowie VASAund VARESA.

• Einerseits muss die Fixation der Implantate am Periost und am Scheiden- bzw.Cervixstumpf ein festes und dauerhaftes Durchwachsen mit endständigemGewebe gewährleisten, andererseits muss die Mobilität der rekonstruiertenUtero Sakral Ligamente erhalten bleiben. Feste Verwachsungen im ligamentä-ren Bereich gefährden den langfristigen Heilungserfolg.

• Viszerale Adhäsionen am Implantat sowie Materialschrumpfungen infolge derWundkontraktion aufgrund einer ausgeprägten Fremdkörperreaktion sinddurch die Auswahl geeigneter Materialien zu vermeiden.

• Ausreichende Stabilität, angepasstes Dehnungsvermögen und hohe Formbe-ständigkeit sind Grundvoraussetzung für den langfristigen OP-Erfolg. Insbe-sondere das Überdehnen bzw. Ausleiern des Ligamentersatzes infolge derBelastung muss vermieden werden.

• Um die OP-Zeiten zu reduzieren, muss die Implantatausführung ein einfachesintraoperatives Handling ermöglichen.

• Die Möglichkeit einer nicht-invasiven Nachkontrolle ist wünschenswert.

Grundsätzlich lassen sich diese Anforderungen nur durch die Auswahl bzw. Kon-struktion geeigneter Material- und Struktureigenschaften realisieren.

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MATERIALPARAMETER

Als Werkstoff der Wahl wird für alle Strukturen Polyvinylidenfluorid (PVDF) ver-wendet. Aus der exzellenten Biokompatibilität des PVDF resultiert im Vergleichzu konventionellem Polypropylen (PP) eine deutlich geringere inflammatorischeund fibrotische Fremdkörperreaktion8. Insbesondere reduziert sich der minimalnotwendige Fadenabstand zur Vermeidung des Bridging, also der Ausbildungeiner steifen Narbenplatte, im Vergleich zu Polypropylen von 1 mm auf nur 0,6mm9. Aus den Materialeigenschaften des PVDF und einer verminderten Wund-kontraktion infolge der geringeren inflammatorischen Reaktion resultiert einesignifikant geringere Schrumpfung der Implantate im Vergleich zu konventio-nellen Strukturen10. Diese einzigartige Materialcharakteristik erlaubt selbst denintraperitonealen Einsatz von PVDF-Implantaten und damit den direkten Kontaktzwischen Netzmaterial und Darm11. Zusätzlich ist die Biostabilität des PVDF ge-genüber anderen Werkstoffen deutlich höher. So reduziert sich die Festigkeit desPVDF im Langzeitimplantationsversuch über sieben Jahre lediglich um 7,5 %,während konventionelles PP mehr als 46,6 % seiner Festigkeit einbüßt12. Diesermöglicht vor allem auch die langfristige Realisierung konstanter dynamo-metrischer Eigenschaften wie Festigkeit und Dehn- und Rückstellvermögen (Re-covery). Weiterhin zeigt PVDF aufgrund seiner Materialkomposition eine im Ver-gleich zu konventionellen Implantatwerkstoffen reduzierte Bakterienadhärenz13.Dadurch reduziert sich sowohl das Risiko einer direkt postoperativen Infektion,als auch die langfristige Ausbildung eines Biofilms, der auch noch Jahre nachder Operation zu einer Infektion führen kann.

Generell sind die konventionellen Materialien in der Netzchirurgie nicht durchbildgebende Verfahren wie Röntgen oder MRT darstellbar, die Visualisierungdurch moderne Ultraschallgeräte ist gerade im Zielgebiet der neuen Methodendurch die maximale Tiefendarstellung der verfügbaren Geräte stark limitiert.Hier bietet eine hochinnovative Neuentwicklung spezieller PVDF-Garne einenneuen Lösungsweg. Durch die Zugabe geringster Mengen von Eisenoxid-Mikro-partikeln während des Schmelz-Spinn-Prozesses in der Fadenherstellung wirdes möglich, die neuen Implantate mit konventionellen MRT-Sequenzen detailge-treu im Patienten abzubilden.

STRUKTURPARAMETER

Neben diesen - vornehmlich durch das Material bestimmten - Parametern sinddie Strukturparameter der textilen Konstruktion von höchster Bedeutung für dieImplantatgüte. Auch hier lassen sich aus der Biomaterialforschung und der kli-nischen Anwendung einige allgemeine Anforderungen definieren. Dazu zählt inerster Linie die effektive Porosität, einziger Parameter, der nachweislich die Qua-lität des einsprossenden Gewebes und die resultierende Fremdkörperreaktionmaßgeblich beeinflusst14. Ausreichende Festigkeit, anwendungsgerechtes Dehn-und Rückstellvermögen, hohe Formstabilität und funktionelles Handling sindParameter die in der textilen Konstruktion umgesetzt werden. Sie ist allerdingsnur durch das enge Zusammenspiel aller beteiligten Fachabteilungen möglich.Hier liegt für die FEG Textiltechnik der große Vorteil in der nahezu 100 %igenFertigungstiefe. Von der Fadenerzeugung bis zum fertig konfektionierten Im-plantat werden alle Fertigungsschritte am Standort Aachen ausgeführt.

Einführhilfe

Fixationsbereiche

Vaginalstumpf / CervixRektopexie

Stichmarkierung

LigamentaugmentationTorsions- und Knickschutz

24

25

UMSETZUNG

Die Einführhilfe gewährleistet einen sicheren Halt mittels einer gebogenenKlemme oder DynaMesh® Instrument (Seite 50) und ermöglicht das leichte Fas-sen nach dem Durchzug durch den präperitonealen Raum. Die atraumatischeKantenausführung und der spezielle Übergang zwischen Einführhilfe und Im-plantat erleichtert das Einführen in den Tunnel und vermeidet das Einreißen desPeritoneums.

Die Stichmarkierungen auf der rechten und linken Seite sind auf die anatomi-schen Abmessungen der CE(RE)SA bzw. VA(RE)SA abgestimmt. Zusätzlich wirddurch die Markierungen sichergestellt, dass links- und rechtsseitig die identischeLigamentlänge restauriert und eine hohe Reproduzierbarkeit gewährleistet wird.Die großporige Struktur ermöglicht das einfache Einfädeln der Fadenenden.Gleichzeitig ist durch die textile Konstruktion sichergestellt, dass die lasttragen-den Strukturen sicher verankert werden. Die Einführhilfe wird nach der Fixation5 mm hinter den Stichmarkierungen abgeschnitten.

Im Falle einer Rektopexie bei der CERESA oder VARESA ist ein spezieller Fixati-onsbereich vorhanden, der ein einfaches und sicheres Befestigen des Mesorek-tums ermöglicht. Die großporige textile Struktur gewährleistet ein schnelles undfestes Einwachsen des Mesorektums nach der Resorption des Nahtmaterials. Beider Variante CESA oder VASA ist dieser Bereich im Sinne einer Materialreduktiondeutlich kürzer ausgeführt.

Die Rekonstruktion bzw. Augmentation der Utero Sacral Ligamente erfolgt übereine schmale Bandstruktur, die aus hochfesten PVDF-Filamenten gebildet wird.Die Verbindung dieser lasttragenden Strukturen untereinander in Form einergroßporigen Gitterstruktur erleichtert das intraoperative Handling und verhin-dert ein Verdrehen oder Dislozieren einzelner Filamente. Die großporige Strukturvermeidet das Ausbilden eines Narbenstranges und das Einkapseln des Liga-mentersatzes. Diese spezielle Textilkonstruktion ermöglicht die langfristige undkonstante Mobilität der neu gebildeten Ligamente. Aufgrund der Material- undStruktureigenschaften bleiben die definierte Elastizität und das exzellente Re-coveryvermögen auch langfristig erhalten. Zudem wird das Ausleiern oder Über-dehnen der Ligamente vermieden.

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Im Übergang zur Fixationsfläche am Vaginalstumpf bzw. zum cervikalen Ringverhindert ein spezieller Torsions- und Knickschutz, dass durch die 3-dimensio-nale Raumlage des Implantates an dieser Stelle hohe Schubspannungen oderBiegekräfte auftreten.

Der offenporige Fixationsbereich am Vaginal- bzw. Cervixstumpf gewährleistetein schnelles Einwachsen von endständigem Gewebe und damit die dauerhafteund feste Verankerung des Implantates. Die hohe Porosität dieses Bereiches unddie hervorragende Biokompatibilität des PVDF minimieren die Fremdkörper- undEndzündungsreaktion und vermeiden dadurch die Ausbildung einer schmerz-haften Narbenplatte und ein übermäßiges Schrumpfen des Implantates. Die Ab-messungen der Fixationsfläche sind auf den entsprechenden Situs der CESA oderVASA OP abgestimmt und können bei Bedarf auf die individuelle Patientensitua-tion zugeschnitten werden. Die textile Konstruktion verhindert hierbei ein Wei-terreißen oder Aufspleißen der Struktur.

Das gesamte Implantat ist aus einem Stück gefertigt. Dadurch werden Fügestel-len, die zwangsläufig einen Schwachpunkt in Bezug auf Festigkeit und Struktur-integrität darstellen, an den Übergängen zwischen den verschiedenen Funk-tionselementen vermieden. Insbesondere die lasttragenden Elemente bestehenaus durchgängigen Strukturen und bieten so maximale Sicherheit und dauer-haften Funktionserhalt.

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NACHSORGE

Die Intervalle für die Nachuntersuchung der Patientin nach OP und Entlassungaus der Klinik können im Einzelfall variieren und hängen nicht zuletzt auch vonFaktoren wie Vorerkrankungen, Allgemeinzustand, individuelle Konstitution etc.ab. Bewährt haben sich im Rahmen der Studien vier Untersuchungsintervalle.

2 Wochen post OP

Hier erfolgt v.a. eine allgemeine Wundkontrolle des Bauchschnitts sowie eine Ul-traschalluntersuchung zur Überprüfung des korrekten Sitzes der Bänder.

4 Wochen post OP

Im Vordergrund steht hier die Überprüfung der Inkontinenzsymptome (Mikti-onsfrequenz und Drang) sowie des Allgemeinzustandes der Patientin.

8 Wochen post OP

Sollte es zu Verwachsungen infolge des Eingriffs gekommen sein, werden mög-liche Veränderungen des Operationsergebnisses zu diesem Zeitpunkt erfasstund dokumentiert.

12 Wochen post OP

Bei diesem Kontrolltermin kann auf die Ergebnisse der vorherigen Untersuchungreagiert werden. Zur Disposition stehen bei nicht zufriedenstellendem Ergebnisein TOT 8/4 bzw. bei Verschlechterung der zuvor wiederhergestellten Kontinenzeine Adhäsiolyse. Bei notwendig werdendem zweiten Eingriff erfolgt eine ent-sprechende Aufklärung sowie die Vereinbarung des OP-Termins.

Alle Termine sollten auch eine Kontinenz-Kontrolle enthalten. Dazu werden mit-hilfe des Anamnesebogens die verschiedenen Parameter (Urinverlust, Blasen-entleerung, Anzahl der Toilettengänge am Tag / in der Nacht etc.) abgefragt undentsprechend dokumentiert.

Falls eine solch engmaschige Kontrolle aus unterschiedlichen Gründen nichtmöglich ist, sollten die Nachuntersuchungen nach 2 sowie 12 Wochen jedochunbedingt vorgenommen werden.

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DIE OP IM DETAIL

Die Operationen CE(RE)SA und VA(RE)SA sind in fünf bzw. sechs (bei zusätzlicherRektopexie) Schritte eingeteilt. Jeder Schritt nimmt jeweils rund 20 Minuten inAnspruch.

Schritt 1: Eröffnung des Bauchraums

Schritt 2: Absetzen der Gebärmutter (entfällt bei VA(RE)SA)

Schritt 3. Fixation an der Cervix bzw. am Scheidenstumpf

Schritt 4: Fixation am Os sacrum

Schritt 5: Rektopexie (optional)

Schritt 6: Verschluss des Bauchraums

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CE(RE)SA Die Cervico (Recto) Sacropexie kommt bei Patientinnen zum Einsatz, bei denennur ein Teil der Gebärmutter entfernt wurde.

OP-Ausstattung

INSTRUMENTARIUM:

normale Ausrüstung für eine Laparotomiezusätzlich extra lange Instrumente:Präparierschere mind. 260 mm,Präparierklemme fein mind. 300 mm, Darmfasszange mind. 155 mm, Arterien-klemme mind. 130 mm, chirurgische Pinzette mind. 305 mm, Atraumata-Pinzettemind. 300 mm, Lungenfasspinzette mind. 230 mm, 2 x Scheidenspekulum mind.180 x 40 mm, 2 x Scheidenspekulum mind. 130 x 25 mm, mittellange gebogeneNadelhalter (ca. 240 mm, 260 mm und 300 mm)

IMPLANTATE:

DynaMesh®-CESA bzw. CERESA

NAHTMATERIAL: (Alternativen zum Nahtmaterial vgl. Seite 70)Hautnaht: 3/0 monofiler Faden, mittelfr. resorbierbar oder 2/0 monofiler Faden,Polyester, nicht resorbierbarsubkutan: 2/0 geflochtener, beschichteter Faden, mittelf. resorbierbar, HR 37 • bei Querschnittslaparotomie: Faszie (Externusaponeurose): 1 geflochtener, be-schichteter Faden, mittelfr. resorbierbar, HR 37 • Parietales Peritoneum: 0 gefloch-tener, beschichteter Faden, mittelfr. resorbierbar, HR 37 • bei Längsschnitt -laparotomie: Schlingennaht 1 monofiler Faden, langfr. resorbierbar, HRT 48 • Absetzen des Corpus uteri: 1 monofiler Faden, langfr. resorbierbar, HR 37 • Fixation des Mesh am Os sacrum: 4 x 2 multifiler Faden, Polyester, geflochten,nicht resorbierbar, HR 26ss • Fixation des Mesh an der Cervix: 4 x 2 multifilerFaden, Polyester, geflochten, nicht resorbierbar, HR 27s • Fixation des Mesorek-tums: 4/0 monofiler Faden, langfr. resorbierbar, HR 26, 70 cm • Peritonealisierungdes Cervixstumpfes: 2/0 monofiler Faden, langfr. resorbierbar, HR 26s, 70 cm • Peritonealisierung im Bereich des Os sacrum: 3/0 geflochtener, beschichteterFaden, mittelfr. resorbierbar, HR 26, 90 cm

C 1

30

Der Bauchschnitt sollte genug Platz bieten, um in der Tiefe knüpfen zu können(Schnittbreite = Faustbreite, ca. 8 cm).

Ca. 2 cm über der Symphyse wird der Bauchraum mit einem Querschnitt eröffnet.

Schritt 1: Eröffnung des Bauchraums

C 2

C 3

31

Normaler Situs nach Eröffnung des Bauchraumes

Fassen der Gebärmutter mit einer Klemme

Schritt 2: Supracervicales Absetzen der Gebärmutter

C 4

C 5

32

Durch Zug an der Gebärmutter in obere Richtung Ansatz der Utero Sacral Ligamente an der Cervix identifizieren („Torbogen“).

Knapp über dem „Torbogen“ Absetzungsstelle für die Gebärmutter markieren.

Schritt 2: Supracervicales Absetzen der Gebärmutter

C 6

C 7

33

Makroansicht der Absetzungsstelle

Absetzen des rechten Parametriums. Rechter Ureter ist angezügelt.(Anzügelung erfolgt in diesem Falle nur zur Darstellung des ureteren Verlaufs.)

Schritt 2: Supracervicales Absetzen der Gebärmutter

C 8

C 9

34

Rechtsseitiges Absetzen der Gebärmutter. Schräg absetzen, da die Cervix zumeist etwas schräg liegt.

Schritt 2: Supracervicales Absetzen der Gebärmutter

C 10

35

Situs nach supracervicalem Absetzen der Gebärmutter. In der Mitte des Cervixstumpfes wird ein Haltefaden angelegt, um diesen während der nächsten

Schritte fixieren zu können.

Platzierung der nicht resorbierbaren Nähte Stärke 2/0 in allen Quadranten des Cervixstumpfes. Fäden werden tief und fest gestochen.

Schritt 3: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes an der Cervix

C 11

C 12

36

Das Einfädeln der Nähte durch das Implantat (Fixationsbereich) sollte so erfolgen, dass es relativ faltenfrei auf die Cervix gelegt werden kann.

Platzieren des Implantats auf dem Cervixstumpf

Schritt 3: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes an der Cervix

C 13

C 14

37

Nähte nicht zu fest knüpfen, damit sie die Cervix nicht durchschneiden („Luftknoten“). Anschließend überstehende Kanten abschneiden.

Schritt 3: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes an der Cervix

C 15

38

Darstellung des rechten Utero Sacral Ligamentesdurch Abschieben und Anheben des Rektums

Inzision der dorsalen Fixationsstelle über dem 2. Sakralwirbel

Schritt 4a: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (rechte Seite)

C 16

C 17

39

Die hinteren Fäden sind gelegt. Stichrichtung horizontal. Cave: Nerv nicht einnähen, nicht zu tief stechen (Venenplexus).

Fassen des Abgangs des rechten Utero Sacral Ligamentes

Schritt 4a: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (rechte Seite)

C 18

C 19

40

Einschneiden des Utero Sacral Ligamentes am Abgang der Cervix

Präparation des Kanals mit einer Lungenklemme oder alternativ mit dem DynaMesh® Instrument IVT01 (Seite 50)

Schritt 4a: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (rechte Seite)

C 20

C 21

41

Fixieren der Einführhilfe am Instrument.

Die Einführhilfe wird extraperitoneal bis zur Inzision über dem 2. Sakralwirbel (S2) durchgeführt.

Schritt 4a: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (rechte Seite)

C 22

C 23

42

Die Einführhilfe wird mit einer Zange gefasst und durch die Peritonealfaltegezogen. Die Einführhilfe wird durch den Kanal nach außen gezogen.

Schritt 4a: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (rechte Seite)

C 24

C 25

43

Der Ligamentersatz ist durchgezogen. Die Stichmarkierungen des Implantats liegen über der Fixationsstelle.

Die vorher gelegten Fäden werden durch die Stichmarkierungen gezogen.Die Einführhilfe wird 5 mm hinter der Stichmarkierung abgeschnitten.

Schritt 4a: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (rechte Seite)

C 26

C 27

44

Fixierung des Implantats mit Hilfe der vorgelegten Fäden vor S2.

Der Defekt wurde verschlossen.

Schritt 4a: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (rechte Seite)

C 28

C 29

45

Das Vorgehen ist auf dieser Seite schwieriger, da das Rektum genau vor der Fixationsstelle der Bänder liegt. Hier: Darstellung des linken Utero Sacral Ligamen-tes durch Anspannen der Cervix und Abschieben des Rektums mit dem Tupfer

Präparation der Annahtstelle vor S2 links

Schritt 4b: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (linke Seite)

C 30

C 31

46

Der erste Faden ist bereits gelegt.

Fassen des Abgangs des linken Utero Sacral Ligamentes und Anschneiden analog rechte Seite

Schritt 4b: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (linke Seite)

C 32

C 33

47

Durchziehen des Ligamentersatzes analog rechte Seite

Die vorgelegten Fäden werden durch die Stichmarkierungen gezogen.Die Einführhilfe wird 5 mm hinter der Stichmarkierung abgeschnitten.

Schritt 4b: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (linke Seite)

C 34

C 35

48

Fäden sind eingeknüpft.

Peritonealverschluss über S2 links

Schritt 4b: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (linke Seite)

C 36

C 37

49

Verschluss des Peritoneums über der Cervix

Verschluss der seitlichen Peritonealdefekte

Schritt 4b: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (linke Seite)

C 38

C 39

50

Komplette Peritonealisierung

Präparation des Kanals mit DynaMesh® Instrument IVT01 als Alternative zur Lungenklemme

Schritt 4b: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (linke Seite)

C 40

51

Die Rektopexie ist eine Option im Rahmen des Eingriffs und kann bzw.

sollte bei entsprechender Indikation erfolgen. Sie wird während Schritt

4 a (rechte Seite) sowie während Schritt 4 b (linke Seite) durchgeführt.

Hier ist der für die Rektopexie vorgesehene Teil des Implantats bereits amOs sacrum fixiert.

Schritt 5: Rektopexie (optional)

C 41

52

Ein verzögert resorbierbarer Faden wird zunächst durch das laterale Ende desfür die Rektopexie vorgesehenen Teils des Implantats gestochen. Das Mesorek-

tum mit der Nadel kräftig aufladen und die Nadel im äußeren Bereich des Implantats wieder herausführen.

Die Fäden locker knüpfen und das Implantat am Mesorektum fixieren.

Schritt 5: Rektopexie (optional)

C 42

C 43

53

Mit dem Verschluss des Bauchraums in klassischer Weise ist der Eingriff beendet.

Schritt 6: Verschluss des Bauchraums

C 44

54

VA(RE)SA Die Vagino (Recto) Sacropexie kommt bei hysterektomierten Patientinnen zum Ein-satz. Die Operationstechnik ist von wenigen Ausnahmen abgesehen analog zuCE(RE)SA.

OP-Ausstattung

INSTRUMENTARIUM:

normale Ausrüstung für eine Laparotomiezusätzlich extra lange Instrumente:Präparierschere mind. 260 mm, Präparierklemme fein mind. 300 mm, Darmfass-zange mind. 155 mm, Arterienklemme mind. 130 mm, chirurgische Pinzette mind.305 mm, Atraumata-Pinzette mind. 300 mm, Lungenfasspinzette mind. 230 mm,2 x Scheidenspekulum mind. 180 x 40 mm, 2 x Scheidenspekulum mind. 130 x25 mm, mittellange gebogene Nadelhalter (ca. 240 mm, 260 mm und 300 mm),Vaginal Phantom

IMPLANTATE:

DynaMesh®-VASA bzw. VARESA

NAHTMATERIAL: (Alternativen zum Nahtmaterial vgl. Seite 70)Hautnaht: 3/0 monofiler Faden, mittelfr. resorbierbar oder 2/0 monofiler Faden,Polyester, nicht resorbierbarsubkutan: 2/0 geflochtener, beschichteter Faden, mittelfr. resorbierbar, HR 37 • bei Querschnittslaparotomie: Faszie (Externusaponeurose): 1 geflochtener, be-schichteter Faden, mittelfr. resorbierbar, HR 37 • Parietales Peritoneum: 0 gefloch-tener, beschichteter Faden, mittelfr. resorbierbar, HR 37 • bei Längsschnitt-laparotomie: Schlingennaht 1 monofiler Faden, langfr. resorbierbar, HRT 48 • Fixation des Mesh am Os sacrum: 4 x 2 multifiler Faden, Polyester, geflochten,nicht resorbierbar, HR 26ss • Fixation des Mesh am Scheidenstumpf: 4 x 2 multi-filer Faden, Polyester, geflochten, nicht resorbierbar, HR 37s • Peritonealisierungdes Vagialstumpfes: 2/0 monofiler Faden, langfr. resorbierbar, HR 26s, 70 cm • Fixation des Mesorektums: 4/0 monofiler Faden, langfr. resorbierbar, HR 26, 70cm • Peritonealisierung im Bereich des Os sacrum: 3/0 geflochtener, beschichteterFaden, mittelfr. resorbierbar, HR 26, 90 cm

V 1

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Der Bauchschnitt sollte genug Platz bieten, um in der Tiefe knüpfen zu können(Schnittbreite = Faustbreite, ca. 8 cm).

Ca. 2 cm über der Symphyse wird der Bauchraum mit einem Querschnitt eröffnet.

Schritt 1: Eröffnung des Bauchraums

V 2

V 3

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Schritt 2: Supracervicales Absetzen der Gebärmutter

ENTFÄLLT BEI VA(RE)SA

57

Das Scheidenende muss eindeutig ausgemacht werden. Dies gelingt am besten,wenn der Abgang der Ligamenta Rotunda und der Adnexen identifiziert wird.

Diese werden in der Regel direkt am Scheidenstumpf abgesetzt. Hier zu sehen: Ligamentum Rotundum links.

Um den Scheidenstumpf darstellen zukönnen, wird zu Beginn des Schrittes 3ein Vaginal Phantom in die Scheide ein-gebracht und kräftig nach cranial vor-wärts geschoben.

Schritt 3: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Scheidenstumpf

V 4

C 7V 5

58

Situs mit nach oben geschobenem Vaginal Phantom. Im Anschluss wird die Blase etwas von der Scheide abpräpariert.

Frei präparierter Scheidenstumpf

Schritt 3: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Scheidenstumpf

V 6

V 7

59

Nun können analog CE(RE)SA die 4 Haltefäden im Rechteck platziert werden.Hier erste Annaht am Scheidenstumpf. Wichtig: Nicht in das Scheidenlumen

stechen.

Alle 4 Annähte am Scheidenstumpf sind platziert.

Schritt 3: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Scheidenstumpf

V 8

V 9

60

Der Fixationsbereich des Implantats wird nun auf dem Scheidenstumpf platziert und fixiert (Nähte locker knüpfen).

Schritt 3: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Scheidenstumpf

V 10

V 11

61

Ab Schritt hier verläuft der weitere Eingriff analog zu CE(RE)SA.vgl. Abb. C 16 bis C 29

Schritt 4a: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (rechte Seite)

V 7

analog CE(RE)SAvgl. Abb. C 30 bis C 40

Schritt 4b: Fixation des DynaMesh® Ligamentersatzes am Os sacrum (linke Seite)

analog CE(RE)SAvgl. Abb. C 41 bis C 43

Schritt 5: Rektopexie (optional)

analog CE(RE)SAvgl. Abb. C 44

Schritt 6: Verschluss des Bauchraums

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T 2

TOT 8/4 Im Vergleich zu normalen TOT- / TVT-Eingriffen weist TOT 8/4 Besonderheitenauf. Diese erlauben es, den Eingriff weltweit nach einem einheitlichen Standarddurchführen und die Ergebnisse damit international vergleichbar machen zu kön-nen.

OP-Ausstattung

Die übliche OP-Ausstattung ist zu erweitern um Blaulösung sowie HEGAR 8 und HEGAR 4 Stifte.

Erste Abweichung bei TOT 8/4: Über einen Einmalkatheter werden nach Entleerung der Harnblase 200 ml der Blaulösung in die Blase injiziert. Über diesen Weg werden eventuelle Verletzungen des Organs während

des Eingriffs sofort sichtbar.

T 1

T 2

63

Weitergearbeitet wird analog der bei einem TOT-/ TVT-Eingriff üblichen Methode. Zunächst wird das DynaMesh®-SISdirect soft Band (Ligamentersatz)

auf beiden Seiten eingezogen.

Sodann wird mit einem Einmalkathe-ter die Durchgängigkeit der Urethrageprüft. Mehrmaliges Rein- undRaus schieben zeigt, ob eine Rauig-keit der Harnröhre zu tasten ist. Istdies der Fall, liegt ein Teil des Bandeszu nah an der Urethra. Es muss ent-fernt und neu gelegt werden.

T 4

T 3

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Vor dem Anziehen des Dyna-Mesh®-SISdirect soft wird zu-nächst ein HEGAR 8 Stift (Pfeil)in die Urethra eingeführt. Er ver-hindert, dass die Harnröhrebeim Anziehen des Implantatszusammengezogen werdenkann.

Zusätzlich wird ein HEGAR 4Stift (Pfeil) zwischen Implantatund Harnröhre gehalten.

T 5

T 6

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Danach wird das DynaMesh®-SISdirekt soft fest angezogen.Die HEGAR Stifte stellen sicher,dass immer ein 8 mm großerUrethra-Durchmesser erhaltenwird und zudem der Abstanddes Implantats zur Harnröhrestets 4 mm beträgt. Auf dieseWeise wird immer die gleicheAnspannung des suburethralenBandes erreicht.

T 7

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ERFAHRUNGSBERICHTE VON PATIENTENStellvertretend für über 700 bislang operierte und von ihrer Dranginkontinenzgeheilte Frauen nachstehend zwei Erfahrungsberichte von Patientinnen. Anhanddieser Beispiele wird deutlich, wie stark das Inkontinenzproblem das Leben be-einträchtigt und wie viel mehr Lebensqualität eine CESA / VASA-Operation be-troffenen Frauen geben kann.

Helga N., 73 Jahre, verheiratet, 3 Kinder

Nach ihren beiden letzten schweren Geburten leidet Helga N. unter leichter Bla-senschwäche. Mit Beginn der Menopause kommt es zu einer dramatischen Ver-schlechterung. Permanenter Urinverlust führt dazu, dass die Patientin auf Sport,Unternehmungen und Reisen verzichtet. Nach und nach erfolgt ein nahezu kom-pletter Rückzug aus dem sozialen Leben, der als Vereinsamung empfundenwird, zumal mit dem nach wie vor aktiven Partner nicht mehr Schritt gehaltenwerden kann.

Bei der Taufe ihres jüngsten Enkelkindes kommt es zu einem Schlüsselerlebnis.Beim feierlichen Mittagessen muss Frau N. aufstehen, um die Vorlage zu wech-seln, worauf eine Enkelin in die Stille ruft: „Guck mal, die Omi tropft.“ Helga N.verlässt darauf tief deprimiert und beschämt die Gesellschaft.

Helga N.‘s Tochter erfährt erst jetzt von der Blasenschwäche ihrer Mutter undstellt den Kontakt zur Abteilung Urogynäkologie und Beckenbodenchirurgie derUniversitäts-Frauenklink Köln her. Hier wird Frau N. im April 2012 erfolgreichoperiert. Nach eigenen Aussagen kann sie seither all die Dinge machen, die ihrbis dahin nicht mehr möglich waren. Dazu gehören u.a. Reisen, die Teilnahmean kulturellen Veranstaltungen und nicht zuletzt der Besuch auf dem Spielplatzgemeinsam mit ihren Enkelkindern. Helga N. beurteilt die Situation nach der OPso, dass ihr „das Leben neu geschenkt“ wurde.

Gertrud K., 78 Jahre, verwitwet

Frau K. gibt an, seit Beginn der Wechseljahre sehr häufig zur Toilette gehen zumüssen. Ihr Mann ist, auch wenn ihm das ständige Warten vor der Damentoilettelästig erscheint, sehr verständnisvoll.

Einige Zeit nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 2002 macht sie eine neue Be-kanntschaft, zieht sich jedoch aus Scham über ihren ständigen Urinverlust ausder Beziehung zurück, was sie heute noch unglücklich macht. Frau K. lässt viele– auch invasive – Behandlungsmethoden über sich ergehen. Neben Beckenbo-dengymnastik wird ein TVT gelegt und wieder entfernt; auch Medikamente zei-gen nicht den gewünschten Erfolg. In ihrer Verzweiflung lässt sich Frau K.Botox-Injektionen verabreichen, die die Symptomatik tatsächlich zunächst mil-dern. Nach der dritten Serie muss sie sich allerdings selbst katheterisieren, daselbstständiges Wasserlassen gar nicht mehr möglich ist.

Als sie die Hoffnung, ein unbeschwertes Leben führen zu können, schon fastaufgegeben hat, sieht sie durch Zufall einen TV-Beitrag, in dem über die erfolg-reiche operative Behandlung der weiblichen Harninkontinenz durch CESA / VASAan der Abteilung für Urogynäkologie und Beckenbodenchirurgie der Universi-täts-Frauenklinik Köln berichtet wird und meldet sich für die Sprechstunde an.Im August 2012 wird der Eingriff bei Frau K. durchgeführt. Seitdem ist sie kon-tinent und kann gemeinsam mit ihrem Freundeskreis wieder am aktiven Lebenteilnehmen. Als besonders positiv empfindet sie, dass sie jetzt unbeschwert dasHaus verlassen kann und nicht mehr darauf achten muss, die Trinkmenge ein-zuschränken. Sie fühlt sich „rundum wohl“ und bedauert, nicht schon viel ehervon dieser Möglichkeit erfahren zu haben.

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SCHLUSSFOLGERUNG

Galt die weibliche Dranginkontinenz bislang als unheilbar, lässt die Operations-methode CESA / VASA eine klare Wende im Bereich der Therapie dieser „Volks-krankheit“ erkennen. Im Rahmen der sog. URGE I und URGE II Studien erfolgteine Überprüfung und Verifizierung der bisher dokumentierten Ergebnisse. InKooperation mit Prof. Dr. Stephen Jeffery, Leiter der Abteilung Urogynäkologieund Beckenbodenchirurgie an der Frauenklinik der Universität Kapstadt (GrooteSchuur Hospital) werden die Operationen mit den bisherigen Standardverfahrenzur Behandlung der Dranginkontinenz verglichen.

Wie beschrieben ist die Technik mittlerweile standardisiert worden und zeigt -teilweise in Kombination mit TOT 8/4 - bei rund drei von vier der bislang ope-rierten Frauen eine Heilung. Durch die über die Standardisierung möglich ge-wordene internationale Vergleichbarkeit besteht die Chance, durch weiteresorgfältig geplante Studien auch die bisherigen „Versagerinnen“ der Methodeidentifizieren und die Heilungsrate noch weiter erhöhen zu können. Über kurzoder lang könnten so nahezu 100 % aller Frauen erfolgreich therapiert werden.

Ziel sollte es sein, dass die Inkontinenz der Frau bis zum Jahre 2020 der Ver-gangenheit angehört. Dies ist zugegebenermaßen ein ehrgeiziger, vor dem Hin-tergrund der bisherigen Resultate mit einer Kombination aus einer weltweit nachgleichem Standard durchgeführten Technik und der Entwicklung der optimal ge-eigneten Implantate jedoch keineswegs mehr unrealistischer Anspruch.

Let`s make incontinence history!

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LITERATUR

1 Petros PE, Ulmsten UI: An integral theory and its method for the diagnosis and management

of female urinary incontinence. Sand J Urol Nephrol 1993;(suppl 153):1-93

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and colposuspension for primary urodynamic stress incontinence: two year follow-up.

Am J Obstet Gynecol 2004:190:324-331

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4 de Lancey JOL: Structural support of the urethra as it relates to stress urinary incontinence:

the hammock hypothesis. Am J obstretic Gynecol 1994;170:1713-1723

5 Petros PE: An integral theory of female urinary incontinence. Experimental and clinical con-

siderations. Acta Obstet Gynecol Scand Suppl. 1990;153:7-31

6 Kindermann G., Dimpf T. (Hrsg.): 53. Kongress der DGGG. Deutsche Gesellschaft für Gynä-

kologie und Geburtshilfe 13.-16. Juni 2000, München 2002

7 Jäger W., Mirenska O, Brügge S.: Surgical Treatment of Mixed and Urge Urinary Incontinence

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70

OP-AUSSTATTUNG:

EMPFEHLUNGEN NAHTMATERIAL

MonoSyn = monofiler Faden, mittelfristig resorbierbar

Premilene = monofiler Faden, Polyester, nicht resorbierbar

PremiCron = multifiler Faden, Polyester, geflochten, nicht resorbierbar

MonoPlus = monofiler Faden, langfristig resorbierbar

NovoSyn = multifiler Faden, geflochten, beschichteter Faden, mittelfristig resorbierbar

• Fixation am OS Sacrum: 4 x 2 PremiCron,HR 26ss ( ss= super strong)

• Fixation an der Cervix: 4x2 PremiCron, dicke: HR 27s (s=strong)

• Fixation am Scheidenstumpf: 4 x 2 PremiCron, HR 37s (s=strong)

• Fixation am Mesorektrum: 4/0 Mono Plus HR 26, 70 cm (verzögert resorbierbarer Faden)