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Erfolgsfaktor Anforderungsmanagement Am Anfang jedes Projektes steht der Wunsch, ein be- stimmtes Ziel zu erreichen, beispielsweise ein Haus zu bauen, ein neues Mailprogramm zu entwickeln oder die Abläufe in einer bestimmten Abteilung zu optimieren. Um bei allen Beteiligten das gleiche Verständnis zu för- dern und um das Projektziel zu operationalisieren, wird dieses ggf. in Unterziele gegliedert und in Form einzelner Anforderungen genauer beschrieben. Die Umsetzung die- ser Anforderungen ist somit von zentraler Bedeutung für jedes Projekt und der Umgang mit den Anforderungen ist für das Projektmanagement besonders wichtig. In die- sem Zusammenhang können zwei Aufgabenbereiche unterschieden werden, die Anforderungsdokumentation und das Anforderungsmanagement (Abb. 1). Unter der Anforderungsdokumentation wird hier die Beschreibung der Anforderungen durch Texte, Grafiken, Videos, Prototypen etc. verstanden. Die Beschreibung wird für die weitere Verwendung im Projekt mithilfe von Gliederungen und Verlinkungen geeignet strukturiert. Die Anforderungsdokumente werden für die Projekt- mitglieder zugänglich auf einem zentralen Speicher- medium abgelegt, zum Beispiel auf einem Fileserver, in einem Dokumentenmanagementsystem oder in einem Wiki. Wünschenswert ist eine Versionierung der Doku- mente, um die Entwicklung der Anforderungslage nach- vollziehen zu können. Das Anforderungsmanagement ist eine Management- aufgabe, welche die Erhebung, Prüfung und Verwaltung der Anforderungen sowie die Planung, Steuerung und Überwachung deren Lebenszyklen umfasst. Dabei steht die Frage nach dem Status von Anforderungen (in Kon- zeption, Umsetzung, Test, Einführung …) häufig im Mittelpunkt des Interesses. Für ein effektives Anforde- rungsmanagement sollten folgende Aspekte berücksich- tigt werden: eine Attributierung der Anforderungen, etwa mit Ziel- termin, Version, Autor; Ingo Geppert, Torsten Lodderstedt PM-Software: Projektanforderungsmanagement – Eine pragmatische Lösung für effiziente Toolunterstützung Für den Erfolg oder Misserfolg von Projekten spielt die Qualität des Anforderungsmanage- ments eine besondere Rolle. Welche Herausforderungen sind dabei zu bewältigen? Mit welchen Tools können die Komplexität und Dynamik dieses Themas beherrscht werden? Gängige Office-Anwendungen greifen zu kurz, professionelle Werkzeuge für Anforderungs- management sind teuer. Stattdessen ermöglicht der Einsatz eines Issue-Tracking-Systems ein pragmatisches und dennoch effizientes Herangehen. Der Beitrag zeigt, wie eine solche Lösung konkret aussehen kann und welche Vorteile sich daraus ergeben. eine Klassifizierung der Anforderungen, etwa nach Priorität, Quelle, Status. Im Verlauf eines Projektes ist es von unschätzbarem Vor- teil, wenn die Beteiligten jederzeit feststellen können, Der Artikel beschreibt eine projekterprobte Vorgehensweise für das Anfor- derungsmanagement mithilfe eines Issue-Tracking-Systems. Die Projektan- forderungen werden in einem solchen System auf Basis eines entsprechend attributierten Issue-Typs organisiert. Ein passender Workflow unterstützt die gemeinsame Bearbeitung sowie die Überwachung und Steuerung des Lebens- zyklus der Anforderungen. Alle notwendigen Informationen sowie der jeweilige Status einer Anforderung sind so allen Beteiligten jederzeit zugänglich. Der vorgestellte Ansatz zeichnet sich nach Erfahrung der Autoren im Vergleich zur Einführung spezialisierter Werkzeuge durch wesentlich geringere Hürden aus, gleichzeitig ist die Prozessunterstützung erheblich besser als bei der Verwen- dung von Standard-Office-Anwendungen. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Anforderungsmanagement A Anforderungsdokumentation Erheben Erheben Validieren Validieren Verwalten Verwalten Steuern Steuern Überwachen Überwachen Abb. 1: Anforderungsmanagement und Anforderungsdoku- mentation projekt MANAGEMENT aktuell 4/2010 l 33

Projektanforderungsmanagement – Eine pragmatische Lösung ... · Mit JIRA lassen sich Vorgänge („Issues“) verschiedener Art verwa lten und d eren Bearb eitung verfol gen. Im

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Page 1: Projektanforderungsmanagement – Eine pragmatische Lösung ... · Mit JIRA lassen sich Vorgänge („Issues“) verschiedener Art verwa lten und d eren Bearb eitung verfol gen. Im

Erfolgsfaktor Anforderungsmanagement

Am Anfang jedes Projektes steht der Wunsch, ein be -stimmtes Ziel zu erreichen, beispielsweise ein Haus zubauen, ein neues Mailprogramm zu entwickeln oder dieAbläufe in einer bestimmten Abteilung zu optimieren.Um bei allen Beteiligten das gleiche Verständnis zu för-dern und um das Projektziel zu operationalisieren, wirddieses ggf. in Unterziele gegliedert und in Form einzelnerAnforderungen genauer beschrieben. Die Umsetzung die-ser Anforderungen ist somit von zentraler Bedeutung fürjedes Projekt und der Umgang mit den Anforderungenist für das Projektmanagement besonders wichtig. In die-sem Zusammenhang können zwei Aufgabenbereicheunterschieden werden, die Anforderungsdokumentationund das Anforderungsmanagement (Abb. 1).

Unter der Anforderungsdokumentation wird hier dieBeschreibung der Anforderungen durch Texte, Grafiken,Videos, Prototypen etc. verstanden. Die Beschreibungwird für die weitere Verwendung im Projekt mithilfe vonGliederungen und Verlinkungen geeignet strukturiert.Die Anforderungsdokumente werden für die Projekt-mitglieder zugänglich auf einem zentralen Spei cher -medium abgelegt, zum Beispiel auf einem Fileserver, ineinem Dokumentenmanagementsystem oder in einemWiki. Wünschenswert ist eine Versionierung der Doku-mente, um die Entwicklung der Anforderungslage nach-vollziehen zu können.

Das Anforderungsmanagement ist eine Management-aufgabe, welche die Erhebung, Prüfung und Verwaltungder Anforderungen sowie die Planung, Steuerung undÜberwachung deren Lebenszyklen umfasst. Dabei stehtdie Frage nach dem Status von Anforderungen (in Kon-zeption, Umsetzung, Test, Einführung …) häufig im Mittelpunkt des Interesses. Für ein effektives Anforde-rungsmanagement sollten folgende Aspekte berücksich-tigt werden:❑ eine Attributierung der Anforderungen, etwa mit Ziel-

termin, Version, Autor;

Ingo Geppert, Torsten Lodderstedt

PM-Software:

Projektanforderungsmanagement –Eine pragmatische Lösung für effiziente Toolunterstützung

Für den Erfolg oder Misserfolg von Projekten spielt die Qualität des Anforderungsmanage-ments eine besondere Rolle. Welche Herausforderungen sind dabei zu bewältigen? Mitwelchen Tools können die Komplexität und Dynamik dieses Themas beherrscht werden?Gängige Office-Anwendungen greifen zu kurz, professionelle Werkzeuge für Anforderungs-management sind teuer. Stattdessen ermöglicht der Einsatz eines Issue-Tracking-Systemsein pragmatisches und dennoch effizientes Herangehen. Der Beitrag zeigt, wie eine solcheLösung konkret aussehen kann und welche Vorteile sich daraus ergeben.

❑ eine Klassifizierung der Anforderungen, etwa nachPriorität, Quelle, Status.

Im Verlauf eines Projektes ist es von unschätzbarem Vor-teil, wenn die Beteiligten jederzeit feststellen können,

Der Artikel beschreibt eine projekterprobte Vorgehensweise für das An for -derungsmanagement mithilfe eines Issue-Tracking-Systems. Die Projektan-forderungen werden in einem solchen System auf Basis eines entsprechendattributierten Issue-Typs organisiert. Ein passender Workflow unterstützt diegemeinsame Bearbeitung sowie die Überwachung und Steuerung des Lebens-zyklus der Anforderungen. Alle notwendigen Informationen sowie der jeweiligeStatus einer Anforderung sind so allen Beteiligten jederzeit zugänglich. Dervorgestellte Ansatz zeichnet sich nach Erfahrung der Autoren im Vergleich zurEinführung spezialisierter Werkzeuge durch wesentlich geringere Hürden aus,gleichzeitig ist die Prozessunterstützung erheblich besser als bei der Verwen-dung von Standard-Office-Anwendungen.

+++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++

Anforderungsdokumentation

Anforderungsmanagement

AAnforderungsdokumentation

ErhebenErheben ValidierenValidieren VerwaltenVerwalten

SteuernSteuern ÜberwachenÜberwachen

Abb. 1: Anforderungsmanagement und Anforderungsdoku-mentation

projekt MANAGEMENTaktuell

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under val datii on

va idated

solution designed

solution realized

created

closed

(start validation)

(complete validation)

(complete solution design)

(complete solutionrealization)

(close)

(completesolution

realization)

(re-entervalidation)

(completevalidation)

l

Abb. 2: Anforderungs-Workflow

WISSEN

22 l projekt MANAGEMENTaktuell

4/2010

Sie sind speziell für den Umgang mit Anforderungenkonzipiert und bieten – pauschal gesprochen – funktio-nierende Lösungen für die betreffenden Aufgabenstel-lungen an. Andererseits kann die funktionale Mächtig-keit ungewohnter Werkzeuge eine ablehnende Haltungder Anwender hervorrufen. Geeignete Maßnahmen zurSchulung und Einarbeitung sind in jedem Fall unum-gänglich. Zudem fallen erhebliche Kosten für Lizenzen,Installation und Wartung an. Zusammenfassend ist dieEinführungshürde hoch, die Akzeptanz muss erarbeitetwerden und die produktive Nutzung bedarf eines deut-lichen zeitlichen Vorlaufs.

Aufgrund der oben genannten Nachteile scheint es loh-nenswert, eine weitere Variante ins Auge zu fassen. Da -bei werden Werkzeuge verwendet, mit denen üblicher-weise Aufgaben, Änderungen und Fehler in Software-projekten verwaltet und verfolgt werden. Diese Domänewird neudeutsch oft als „Issue Tracking“ bezeichnet. Bei-spiele für derartige Werkzeuge sind: Bugzilla, RationalClearQuest oder Atlassian JIRA.

Dieser Artikel wird der Frage nachgehen, ob sich mitsolchen Werkzeugen die Stärken der beiden ersten Vari-anten kombinieren und gleichzeitig gravierende Schwä-chen vermeiden lassen. Dies wird anhand eines konkre-ten Beispiels unter Nutzung des Werkzeugs AtlassianJIRA beleuchtet. JIRA wird hier unter anderem deshalb

welche Anforderungen gelten, bei welchen noch Klä-rungsbedarf besteht, welche bereits umgesetzt wurden,welche in der nächsten Phase umzusetzen sind, welcheArbeitspakete der Umsetzung dienen, welche Abhängig-keiten dabei zu berücksichtigen sind und vieles mehr.Oftmals ist dieses Ziel schon durch den Umfang und dieKomplexität der Gesamtheit der Anforderungen im Pro-jekt schwer zu erreichen. Projektänderungen, wechselndePrioritäten sowie neue Erkenntnisse zur technischen Rea-lisierung machen Anforderungsmanagement dann zueiner echten Herausforderung.

Bandbreite des möglichen Tooleinsatzes

Bei der Begegnung mit dieser Herausforderung kommenin der Praxis verschiedene Tools zum Einsatz. Hierbeilassen sich drei Kategorien unterscheiden:❑ Standardanwendungen aus dem Desktop- bzw. Office-

Bereich,❑ professionelle Anwendungen für das Anforderungs-

management,❑ Werkzeuge zur Fehler- und Aufgabenverwaltung, die

an unterschiedliche Zwecke angepasst werden kön-nen.

Bei der ersten Variante werden die Anforderungen inMicrosoft-Word- oder -PowerPoint-Dokumenten mit ge -eigneten Inhaltsverzeichnissen und ggf. Querverweisenbeschrieben und in dem gemeinsamen Projektordnerabgelegt. Mit kreativen Variationen im Dateinamensowie Unterverzeichnisstrukturen lassen sich Versionie-rung, Attributierung und weitere der genannten Auf -gaben abbilden. Gerne werden die Anforderungen auchin Microsoft-Excel-Listen verwaltet und dort mit wei -teren Eigenschaften oder Statusinformationen an ge rei -chert.

Da alle Beteiligten mit diesen Werkzeugen vertrautsind, hat diese Variante den Charme, dass man ohne auf-wendige Schulung sofort loslegen kann. ZusätzlicheLizenzkosten oder Installationen fallen in der Regelebenso wenig an. Die Lösung ist also sofort nutzbar, dieEinführungshürde ist sehr niedrig und die Akzeptanzunmittelbar gegeben. Trotzdem sind viele Anwender mitdieser Lösung unzufrieden, wofür es vielfältige Gründegibt: Zum einen werden große Word-Dokumente leichtunübersichtlich und die Vernetzung vieler kleiner Doku-mente ist fehleranfällig und bedarf hinsichtlich der Ver-sionierung besonderer Sorgfalt. Hinzu kommt, dass diemit Office und Dateisystem verfügbaren Mechanismenzur Mehrbenutzerunterstützung nicht ausreichend sind.Damit ergeben sich insbesondere bei großen An for -derungsdokumenten Engpässe für die kooperative Be -arbei tung. Des Weiteren lassen sich aufgrund der Offen-heit des Systems Verletzungen der definierten Konven-tionen (für Benennung, Ablage, Attributierung etc.) unddamit Schäden am Anforderungsgebäude kaum vermei-den. Ein wesentliches Manko ist, dass sich eine Nach-verfolgung des Lebenszyklus der Anforderungen bei ent-sprechender Dynamik nur sehr schwer nachhaltig reali-sieren lässt, nicht zuletzt wegen des meist hier einsetzen-den Medienbruchs.

Somit fällt der Blick auf professionelle Werkzeuge, wiebeispielsweise Requisite Pro, Doors oder CaliberRM.Die Vor- und Nachteile solcher Werkzeuge liegen im Ver-gleich zur skizzierten Office-Lösung nahezu diametral.

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FP R O I S

R LmitP OF I

gfw - Gesellschaft zur Förderung der Weiterbildung an der Universität der Bundeswehr München e.V.www.gfw-munich.de

23 Jahre Managementausbildung:General MBA - Cert. International Management - MSc in Project Management

Cert. Projektmanagementfachmann (GPM)

1 De-Mail verspricht zuverlässige und sichere Kommunikationvia E-Mail, siehe www.de-mail.de

JIRA Customizing for Dummies

1. Vorgangstyp „Requirement“ einführen2. Anforderungs-Workflow definieren3. Verknüpfungstyp „is realized by“ erstellen

JIRA Customizing for Dummies

In unserem Beispielprojekt „De-Mail“1 wird ein neuesComputerprogramm für das zuverlässige und sichereVersenden von E-Mails entwickelt.

Hierzu wird im Folgenden dargelegt, wie das An-forderungsmanagement in diesem Projekt mithilfe vonJIRA effektiv unterstützt werden kann. Auf Fragen der Anforderungsdokumentation kann im Rahmen desvorliegenden Artikels leider nur wenig eingegangen wer-den.

Als Vorbereitung für den Projekteinsatz wird JIRAzunächst mit diesen einfachen Handgriffen für die Auf-gaben des Anforderungsmanagements konfiguriert:1. Zuerst wird der neue Vorgangstyp „Requirement“

eingeführt. Die JIRA-Standardattribute liefern für denneuen Typ bereits wichtige Eigenschaften, so zum Bei-spiel Description, Priority und Assignee. Die AttributeRequester und Category werden in Form sogenann-ter „Custom Fields“ ergänzt.

2. Für den neuen Vorgangstyp wird der in Abb. 2 dar-gestellte Workflow definiert, der die speziellen Be -lange des Lebenszyklus von Anforderungen wider-spiegelt.

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verwendet, weil die Autoren mit diesem Werkzeug kon-krete Projekterfahrungen im Kontext des Anforderungs-managements gesammelt haben.

Issue Tracking mit JIRA

Mit JIRA lassen sich Vorgänge („Issues“) verschiedenerArt verwalten und deren Bearbeitung verfolgen. Im Aus-lieferungszustand sind Vorgangstypen wie Bug, Task undNew Feature mit geeigneten Attributen, ein Standard-Workflow sowie ein Benutzer- und Rollenkonzept ent-halten. Damit ist JIRA aus dem Stand zur Fehlerverfol-gung oder zur Aufgabensteuerung einsetzbar.

Zusätzlich bietet JIRA umfangreiche Möglichkeitenzur Anpassung bzw. Erweiterung seiner Funktionalität.Diese reichen von zusätzlichen Vorgangstypen und Attri-buten über selbst definierte Workflows bis hin zu perso-nalisierten Auswertungen und Ansichten. Deren Ver-wendung kann zudem projekt- bzw. benutzerspezifischeingestellt werden.

Auf diese Weise lassen sich die grundlegenden Funk-tionen von JIRA – Definition und Verwaltung verschie-denartiger Objekte und deren Lebenszyklus in einemWorkflow – auch außerhalb seiner angestammten Do -mäne einsetzen, in unserem Fall für das Anforderungs-management von Projekten.

Für weitere Informationen zu JIRA sei auf www.atlassian.com verwiesen.

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Abb. 3: Einzelansicht einer Anforderung

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den. Eine ausführliche Dokumentation kann als Attach-ment angehängt werden. In vielen Fällen ist allerdingsein Verweis auf die eigentliche Dokumentation zweck-mäßig, die beispielsweise auf einem Fileserver oder ineinem Wiki verwaltet wird. Für den zuletzt genanntenFall ist die Verwendung von Confluence empfehlenswert.Es stammt vom gleichen Hersteller wie JIRA und bietetweitere Möglichkeiten hinsichtlich einer Integration vonAnforderungsmanagement und Anforderungsdokumen-tation.

Mithilfe des Standard-Attributs Fix Versions wird dieZuordnung der Anforderungen zu Projektphasen oderIterationen abgebildet. JIRA bietet hierzu die Möglich-keit, je Projekt entsprechende Versionen zu definieren.Sollten Abhängigkeiten zwischen Anforderungen beste-hen, so können diese mit sogenannten Verknüpfungenmodelliert werden. Häufig wird hierbei die Standard-verknüpfungsart „depends on“ verwendet. ZusätzlicheVerknüpfungsarten können bei Bedarf selbst ergänztwerden. Eine weitere nützliche Funktion stellt die Zer -legung einer umfangreichen Anforderung in mehrereTeilanforderungen dar.

Abb. 3 zeigt eine beispielhafte Anforderung nach Ein-gabe der Daten und Verknüpfungen.

Der weitere Umgang mit einer Anforderung ist durchden bereits definierten Workflow vorgezeichnet. Die Sta-tusschritte des Workflows entsprechen dabei den wichti-gen Meilensteinen im Lebenszyklus der Anforderung.

Häufig durchlaufen Anforderungen einen Reifepro-zess, in dem Inhalte validiert, offene Fragen geklärt undfehlende Details ergänzt werden. In diesem Stadium be -

3. Zu guter Letzt wird der neue Verknüpfungstyp „isrealized by“ erstellt. Mit dessen Hilfe wird eine Anfor-derung mit denjenigen Vorgängen verbunden, die ihreUmsetzung beschreiben. Mehr dazu später.

Bei pragmatischem Vorgehen sollten ein JIRA-Adminis-trator und ein Anforderungsmanager dafür nicht längerals einen halben Tag benötigen. Und schon kann es los-gehen …

Anforderungsmanagement mit JIRA

Zu Beginn unseres Projektes werden die vorliegendenAn forderungen als Vorgänge vom Typ Requirement in JIRA eingegeben. Dies kann entweder manuell odermittels Import einer entsprechend vorbereiteten Excel-Tabelle geschehen. In unserem Beispiel verwenden wirunter anderem die folgenden Attribute:❑ Summary: Titel der Anforderung❑ Description: Beschreibung der Anforderung❑ Priority: Priorität der Anforderung❑ Assignee: Wer bearbeitet die Anforderung derzeit?❑ Requester: Wer hat die Anforderung gestellt?❑ Category: Art der Anforderung, etwa funktional/nicht

funktional❑ Components: Welche Komponenten der Gesamtlösung

(in unserem Beispiel IT-Systeme) sind von der Umset-zung der Anforderung betroffen?

❑ Fix Versions: In welcher Projektphase soll die Anfor-derung erfüllt werden?

Die inhaltliche Beschreibung einer Anforderung kann in einfachen Fällen im Feld Description hinterlegt wer-

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SystemeLösungskonzepte

Login-SW

CRM-SW

Änderungen

Durch welche Systemänderungen lassen

sich die Anforderungen erfüllen?

Projekte

Anforderungen

UUmmsseettzzuunngg

UUmmsseettzzuunngg

De-Mail

Abb. 4: Modellierung der Umsetzung von Anforderungen

Den Überblick behalten

Für den Projektleiter ist es unverzichtbar, ins-gesamt, aber auch situationsabhängig denÜberblick über Menge und Status der Anfor-derungen zu behalten. Speziell in großen,dynamischen Projekten ist dies häufig nurschwer erreichbar. JIRA bietet hierfür einigeeinfache, wirkungsvolle Funktionen.

Mit einem einfachen Suchdialog können inJIRA ad hoc Suchanfragen mit Verwendungbeliebiger Attribute erstellt werden. Abb. 6zeigt beispielsweise alle Anforderungen unse-res Projektes, die für den Pilotbetrieb umzu-setzen sind, hohe Priorität haben und nochnicht validiert sind.

Eine so definierte Suche kann als Filtergespeichert und für verschiedene Nutzergrup-pen zur Verfügung gestellt werden. Auf dieseWeise lassen sich für alle Teammitgliedernützliche Filter vorbereiten, mit denen sie sich sehr schnell rollenspezifische Aspekte desAn for de rungs managements erschließen kön-nen.

Abb. 5: Verknüpfung einer Anforderung mitUmsetzungsvorgängen

nen Vorgängen sichtbar und in Form vonLinks auch navigierbar (Abb. 5).

Der weitere Verlauf der Umsetzung wird imAnforderungs-Workflow mit den Statuswer-ten „solution designed“ bzw. „solution real-ized“ dargestellt. Nach einer finalen Prüfungwird die Anforderung dann endgültig ge -schlossen (Status „closed“). Damit endet ihrLebenszyklus im Rahmen unseres Projektes.

findet sich eine Anforderung im Status „undervalidation“. Verlauf und Ergebnisse diesesProzesses werden in JIRA für alle sichtbardokumentiert. Hierzu kann eine Anforderungkommentiert, an andere Bearbeiter zugewie-sen oder mit anderen Anforderungen ver-knüpft werden. Auch Attribute wie Prioritätoder Zuordnung zur Version können sichdurch neue Erkenntnisse oder Vereinbarungennatürlich verändern. Am Ende dieses Prozess-schrittes wird der Status der Anforderung auf„validated“ gesetzt. Damit wissen alle Betei-ligten, dass hier keine Fragen mehr offen sind.

Nach der Validierung der Anforderungenwerden typischerweise Lösungen zu ihrerUmsetzung entworfen. Das Lösungskonzeptbeschreibt insbesondere, welche IT-Systemeneu zu entwickeln oder auf welche Art zu ver -ändern sind (Abb. 4).

In unserem Beispiel sind zur Umsetzungaller Anforderungen außer der eigentlichenMailanwendung die Anwendungen für Login,CRM und Billing anzupassen. Der Zusam-menhang zwischen Anforderungen und denzugehörigen Änderungen an IT-Systemen wirdin JIRA unter Nutzung von Standardfunktio-nen wie folgt abgebildet: Für jedes IT-Systemwird ein eigenes JIRA-Projekt mit der Endung„-SW“ erstellt. Darin wird für jede neue oderzu ändernde Funktionalität ein Vorgang vomTyp New Feature oder Improvement angelegt.Für andere Projektarten (als IT-Projekte) las-sen sich ebenfalls geeignete Komponentendefinieren, welche die Umsetzung der Anfor-derungen in analoger Weise repräsentieren.

Die Fortführung des Lebenszyklus der An -forderungen wird nun dadurch bewerkstelligt,dass die Anforderungen mit dem Verknüp-fungstyp „is realized by“ mit den zugehöri-gen Softwareänderungen verbunden werden.Damit ist dokumentiert, welche Anforderun-gen des Projektes durch welche Änderungenin welchen IT-Systemen umgesetzt werden.Diese Zusammenhänge sind in den betroffe-

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Abb. 6: Ergebnis einer Suchanfrage

Abb. 7: Startseite des Projektleiters

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oben rechts öffnet beispielsweise ein Filterergebnis, dasalle in Validierung befindlichen Anforderungen für denPilotbetrieb des späteren Systems zeigt.

Fazit

Die wichtigsten Vorteile des pragmatischen Anforde-rungsmanagements mit JIRA sind:❑ Mit wenigen Handgriffen lässt sich JIRA für die

Zwecke des Anforderungsmanagements unter spe-zieller Berücksichtigung projekt- und organisations-spezifischer sowie individueller Bedürfnisse anpassen.

❑ Die Bedienung ist verhältnismäßig leicht erlernbar,erfahrungsgemäß ist damit die Einführungshürde ver-gleichsweise gering. Mithilfe praktischer Ansichtenund Auswertungsmöglichkeiten unterstützt der Um -gang mit dem Tool die Bewältigung der täglichen Pro-jektarbeit sehr effektiv.

❑ Anforderungen können auf einfache Weise definiert,klassifiziert und verknüpft werden. Auch projektüber-greifende Abhängigkeiten lassen sich abbilden.

❑ Der Lebenszyklus der Anforderungen im Projekt kannunkompliziert gesteuert und überwacht werden. Derjeweilige Status der Anforderungen ist jederzeit ein-deutig und transparent dokumentiert.

Zudem kann sich jeder Nutzer personalisierte Start-seiten definieren. JIRA bietet hierzu eine Vielzahl an vor-gefertigten Elementen, mit denen eigene Filter und An -sichten zu einer Startseite für die persönliche Arbeit kom-biniert werden können.

Abb. 7 zeigt die Startseite des Projektleiters in unse-rem Beispiel.Er sieht hier auf einen Blick:❑ alle Vorgänge, die zur Bearbeitung bei ihm selbst liegen

(oben links),❑ alle für ihn verfügbaren Filter (unten links),❑ alle noch nicht geschlossenen Anforderungen seines

Projektes, gegliedert nach Version (Projektphase) undStatus; hier ist unmittelbar erkennbar, wie viele Anfor-derungen in welcher Phase umzusetzen sind und wieviele davon sich in welchem Status befinden (obenrechts),

❑ alle zur Umsetzung der Anforderungen nötigen Soft-ware-Änderungen, aufgeschlüsselt nach den jeweilsbetroffenen Software-Komponenten (unten rechts).

Der Projektleiter behält in dieser Form mit wenigenKlicks die Übersicht über sein Anforderungsmanage-ment. Äußerst nützlich sind hierbei die auf der rechtenSeite sichtbaren Auswertungen mit gleichzeitig angebo-tenen Detailfiltern. Ein Klick auf die „5“ in der Tabelle

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Vorteile auf einen Blick

❑ Schnelle, einfache Einführung❑ Zentrale Ablage für Anforderungen und Umset-

zungsarbeiten, auch für Multiprojektumgebungen❑ Sichtbarkeit und Verfolgbarkeit aller Anforderun-

gen mit ihren Merkmalen und Abhängigkeiten imLebenszyklus

❑ Einfache und effiziente Bedienung, rollenspezifischanpassbar

Ausblick

Zunächst ist zu sagen, dass die vorgestellte Lösung durchweitere Beschreibungs- und Klassifikationsmerkmalesowie umfangreichere Modellierung des Anforderungs-Workflows deutlich angereichert werden kann. Damit isterfahrungsgemäß bereits ein großer Teil individuellerWünsche erfüllbar.

Ein Tool wie JIRA kann aber auch für andere Domä-nen eingesetzt werden. So wird im Umfeld der Autorendas gesamte Change-Management für Softwarekompo-nenten mithilfe der Standardvorgangstypen und Work-flows einer JIRA-Installation abgebildet.

Jenseits dieser Möglichkeiten kann der Funktions-umfang von JIRA auf Grundlage eines Plugin-Konzeptser weitert werden. Auf der Homepage des Herstellerswird dafür eine Vielzahl an interessanten – teils kos-tenfreien – Plugins angeboten, so zum Beispiel für dieVisualisierung von Workflows oder die hierarchischeDarstellung von verknüpften Vorgängen. Darüber hinausbesteht auch die Möglichkeit, (in Java) eigene Pluginszu entwickeln und damit spezielle Leistungsmerkmaleeinzuführen.

Auf diese Weise lassen sich das Issue-Tracking-SystemJIRA und das Wiki-System Confluence zu einer Gesamt-

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lösung integrieren, welche die Aufgaben des Anforde-rungsmanagements und der Anforderungsdokumenta-tion zweckmäßig vereint [1]. ■

Literatur[1] Polscheit, F.: Requirements Lifecycle Management: Einneuer Weg zum Business-IT-Alignment und zu zufriedene-ren IT-Kunden. In: Managing IT, ISSN 1868-4416, Verlag fürdie Deutsche Wirtschaft AG, Bonn, Oktober 2009

SchlagwörterAnforderungsmanagement, Erfolgsfaktor im Projekt -mana gement, Issue-Tracking-System, Lebenszyklus vonAnforderungen, pragmatischer Werkzeugeinsatz, Verfolg-barkeit von Anforderungen

Kompetenzelemente der NCB 3.04.1.3 Projektanforderungen und Projektziele, 4.1.15 Ände-rungen

AutorDipl.-Math. oec. Ingo Geppert ist als Projektleiter und Berater bei derSYRACOM Consulting AG tätig. Seit1991 führt und begleitet er IT-Projekteverschiedener Branchen (Telekommu-nikation, Banken, Automobil). Neben der Projektleitung liegen seineSchwerpunkte in der Beratung und

im Coaching zu Fragen des Projektmanagements. IngoGeppert ist zertifizierter Projektmanager nach IPMA undakkreditierter TMS-Trainer und -Berater. Zudem ist er Lehr -beauftragter der Dualen Hochschule Baden-Württem-berg.

AnschriftSYRACOM Consulting AGOtto-von-Guericke-Ring 15D-65205 WiesbadenTel.: 0 61 22/91 76-0E-Mail: [email protected]

AutorDr.-Ing. Torsten Lodderstedt ist alsPrincipal Consultant und IT-Architektbei der SYRACOM Consulting AGtätig. Seit 1996 unterstützt er Kundenin verschiedenen Bereichen (Finanz-sektor, Transport, öffentlicher Dienst, Telekommunikation) bei der Entwick-lung großer und sicherheitskritischer

IT-Systeme. Seine fachlichen Schwerpunkte sind IT-Sicher -heit, Softwareentwicklungsmethoden und -werkzeugesowie Softwarearchitekturen.

AnschriftSYRACOM Consulting AGOtto-von-Guericke-Ring 15D-65205 WiesbadenTel.: 0 61 22/91 76-0E-Mail: [email protected]

❑ Die Umsetzung von Anforderungen in den betroffenenSystemen ist sichtbar modelliert und kann für einzelneAnforderungen, ganze Projekte, bestimmte Projekt-phasen oder aus dem Blickwinkel der Systeme betrach-tet werden. Solche Möglichkeiten sind für die Beherr-schung von Multiprojekt-/Multisystemumgebungenunerlässlich. Insbesondere bei der Umplanung vonReleases durch Änderungen der Priorität von Anfor-derungen hat sich diese Vorgehensweise als sehr effek-tiv erwiesen.

❑ Alle Anforderungen (und Umsetzungsvorgänge) allerProjekte sind in einem zentralen Tool über Webzu-gang verfügbar. Das Suchen in Verzeichnissen undDateien entfällt. Der Zugriff verschiedener Personenund Teams auf schützenswerte Daten wird über einRollen- und Rechtekonzept sichergestellt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auf die beschrie-bene Weise die Aufgaben des Anforderungsmanagementssehr effizient wahrgenommen werden können. Die An -forderungsdokumentation, die beispielsweise mit einemWiki erfolgt, wird mittels technischer Verknüpfungenangebunden.

Die Autoren praktizieren das hier geschilderte Verfah-ren erfolgreich bei einem großen europäischen Anbietervon Telekommunikations- und Internetleistungen.

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