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10.02.2014 1 Hintergründe zum modernen Drogenkonsum Dr. Torsten Binscheck-Domaß Labor Berlin Leitung Klinische Toxikologie & Pharmakologie Prolog Das Problem: Sie haben es leider mit Fachleuten zu tun.

Prolog - bewaehrungshilfe.de · 10.02.2014 2 Es schreibt „BwieDieter“ im Forum „Land der Träume“ zur Wirkungsstärke von Kratom und O-Desmethyltramadol („Krypton“) Also

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10.02.2014

1

Hintergründe zum modernen Drogenkonsum Dr. Torsten Binscheck-Domaß

Labor Berlin

Leitung Klinische Toxikologie & Pharmakologie

Prolog Das Problem: Sie haben es leider mit Fachleuten zu tun.

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Es schreibt „BwieDieter“ im Forum „Land der Träume“ zur

Wirkungsstärke von Kratom und O-Desmethyltramadol

(„Krypton“) Also durch die höhere Potenz des ODT gegenüber seinem Prekursor Tramadol (ist ja nur die Prodrug) kann man

die stärkere Wirkung ganz gut erklären. Anstatt, dass wie beim Tramal zuerst die schwächere Form die Rezeptoren

"vorwärmt", bekommt man hier sofort die stärkere in die Synapsen. Dadurch wird die Wirkung auch auf Dauer

stärker wahrgenommen.

Das einzige höherpotente Opi, dass ich bisher hatte, war Oxycodon. Und ich muss sagen, dass das Anfluten bei

weitem nicht so intensiv war wie jetzt beim ODT. Der Peak - keine Frage- war beim Oxy unschlagbar.

Aber auch für mich spielt ODT mindestens auf einer Augenhöhe mit DHC. Wobei der Tilidinähnliche Kick des ODT

diesem sogar noch einen kleinen Vorsprung auf der Skala verschafft.

Ranking:

1. Oxycodon

2. ODT

3. DHC

4. Tilidin

5. Tramadol

Nortilidin konnte ich noch nie testen, aber ich brenne darauf, das mal irgendwo erhaschen zu können - das soll

noch eher als ODT eine Klasse höher spielen.

LG, der Dieter

In diesem typischen Post werden sechs verschiedene Opioide erwähnt.

Nur eins davon wird im Standarddrogentest erfasst.

1 Epidemiologie und Statistik

Erfahrungen aus der toxikologischen Analytik

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3

Häufigkeit positiver Drogennachweise

0

10000

20000

30000

40000

50000

60000

pos.

neg.

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

pos.

neg.

183.537 Untersuchungen aus JVA und KMV vom

1.1.2010 bis 31.3. 2012

Relative Anteile positiver Drogennachweise

183.537 Untersuchungen aus JVA und KMV vom

1.1.2010 bis 31.3. 2012

Cannabinoide; 10,63%

Opiate; 4,94%

6-MAM; 25,18%

Kokain-Met.; 1,57% Amphetamine;

0,62%

Methadon; 27,05%

Buprenorphin; 5,40%

Tilidin; 1,42%

Synthet. Cannabinoide;

0,71%

Tramadol; 1,44%

GHB; 15,15%

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3 Drogennachweisverfahren

Technik, Ausssagekraft und Grenzen

Untersuchungsmaterialien

8

Material Nachweisbarkeit nach dem letzten

Konsum

Blut / Serum / Plasma Stunden

Urin Tage

Haare (chronischer oder wiederholter Konsum)

Monate*

* Das Kopfhaar wächst ca. 1 cm pro Monat. In

Abhängigkeit von der Haarlänge kann der

Konsum rückwirkend über mehrere Monate

sequentiell beurteilt werden.

Dies gilt nicht für alle Substanzen!

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Urin als bevorzugtes Untersuchungsmaterial

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+ Einfach und nicht invasiv zu gewinnen

+ höhere Konzentration der Substanzen als im Blut

+ Längeres Nachweisfenster als im Blut

- „lag time“ bis die Substanzen nach dem Konsum im Urin erscheinen

- Leicht zu manipulieren

- Wassergehalt des Urins bestimmt die Konzentration und damit im

Individualfall die Nachweisbarkeit der Substanz.

Analysentechniken und ihre Aussagekraft

Chromatographisch/

massenspektrometrische

Verfahren

Immunoassays

Drogenschnelltests

Bestätigungsanalyse

Ausschlusstest

Nachweistest

Time-of-flight-

massenspektrometrische

Verfahren

Ungerichtete Suche

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Analysentechniken und ihre Eigenschaften

Zeitaufwand* Kosten Spezifität Forensische

Aussagekraft

Chromatographisch/

massenspektrometrische

Verfahren

Immunoassays

Drogenschnelltests 10 min

24 Std

2-4 Tage

* Zeit von Probennahme bis Ergebniseingang

5-10 €

7-15 €

30 -50 €

12

• Allen Immunoassays liegt eine Antigen(Analyt)-

Antikörperreaktion zugrunde.

• Die Verteilung des Analyten zwischen der freien und

gebundenen Form hängt quantitativ von der

Gesamtkonzentration des Analyten in der Probe ab.

• In einer zweiten Reaktion wird dieses Verhältnis und damit

die Konzentration des Analyten in der Untersuchungsprobe

messbar gemacht

Messprinzip der Immunoassays

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Im Reaktionsansatz konkurriert der Analyt mit einem Konjugat

aus Referenzsubstanz und einem Nachweissystem (z.B. Enzym) um die Bindungsstellen.

Analyt

Referenzsubstanz

Nachweissystem (z.B. Enzym)

Konjugat

Y Y

Die Bindung des Konjugates an den Antikörper hemmt das Nachweissystem.

+ IgG-Antikörper

gegen den

Analyten

Nachweissystem

inhibiert

Die Testkomponenten

Y Y Y Y Y Y

Y Y Y Y Y Y

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Niedrige Konzentration des Analyten

Hohe Konzentration des Analyten

Kleines Signal

Grosses Signal

Quantitative Nachweisreaktion

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Für jeden Drogentest ist unter Berücksichtigung der Messempfindlichkeit sowie der

jeweiligen Kreuzreaktivität eine Entscheidungsgrenze definiert.

Dieser festgelegte Entscheidungsgrenze ist der cut-off des jeweiligen Tests.

Messwert Proband > cut off: positives Ergebnis

Messwert Proband ≤ cut off: negatives Ergebnis

Der cut-off kann in den Grenzen der Testeigenschaften an die Fragestellung

angepasst werden. Aber es gilt der Zusammenhang:

Senkung des cut-off → Häufigkeit falsch positiver Ergebnisse ↑

Erhöhung des cut-off → Häufigkeit falsch negativer Ergebnisse ↑

Das Konzept des cut-off

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Substanz(gruppe) Bezugssubstanz Cut off

[ng/ml]

Chromatographische

Bestätigung durch

Amphetamine/

Ecstasy d-Methamphetamin / MDMA 1000 LC/MS-MS

Barbiturate Secobarbital 200 HPLC, GC, GC/MS

Benzodiazepine Oxazepam 200 HPLC, GC, GC/MS

Cannabinoide 11-nor-D9-THC-Carbonsäure 50 GC/MS

Cocain Benzoylecognin 300 GC/MS

Heroin Monoacetylmorphin (6-MAM) 10 GC/MS

LSD LSD 0,5 LC/MS-MS

Methadon EDDP 100 GC/MS

Opiate Morphin 300 GC/MS

Buprenorphin Buprenorphin 5 GC/MS

Basisdaten zu immunologischen Drogentests

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Nachweisbarkeitsdauern im Immunoassay

Substanz Nachweisbarkeit Bemerkung

Amphetamine/Ecstasy 2-3 Tage Stark vom Urin-pH abhängig

Benzodiazepine

1-6 Monate

5-7 Tage

ca. 1 Tag

nach Langzeiteinnahme

z.B. Diazepam nach therapeutischer Einnahme

Lormetazepam, Lorazepam, Alprazolam

Cannabinoide

1-3 Tage

10 Tage

2-3 Monate

Einmaliger Konsum

Täglicher Konsum

Chronischer Konsum

Cocain 2-3 Tage

> 3 Tage

Bei tägl. Crack-Konsum und Senkung des cut-off

Heroin < 12 Stunden Als 6-Monoacetylmorphin

LSD 1-2 Tage

Methadon 2-3 Tage Vom Urin-pH abhängig

Opiate 1-3 Tage

Buprenorphin 1 Tag

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• Abgabe substanzfreien Fremdurins (z.B. aus dem

Internet) auch durch vorheriges Einführen eines

Urindepots oder Verwendung eines künstlichen Gliedes

mit Urinreservoir

• Abgabe „urinfarbener“ Flüssigkeit

• Verdünnen des Urins mit „urinfarbener“ Flüssigkeit

• Diuretikagebrauch mit gleichzeitiger Einnahme von

Substanzen, die den Urin gelb färben.

• Zusatz von Substanzen, die die Antikörperbindung stören

oder den Analyten chemisch abbauen

(Tenside, Chromate, Kochsalz, Säure, Lauge, etc.)

Manipulationen der Urinprobe

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• Urinabnahme unter Sichtkontrolle

(+ Temperaturkontrolle)

• Messung der Kreatininkonzentration und des pH-Wertes:

Handelt es sich überhaupt um Urin?

• „Sample check“:

Funktioniert der Test im vorliegenden Untersuchungsmaterial?

Eine qualifizierte Drogenkontrolluntersuchung ist unmöglich, wenn manipuliertes

Untersuchungsmaterial eingeschleust wird.

Zur Abwehr bzw. Erkennung von Manipulationen werden folgende Maßnahmen

ergriffen:

Schutz vor Manipulationen

4 „Neue“ Substanzen Klinisches Bild und Nachweisverfahren

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• Gammahydroxybuttersäure (GHB) oder „Liquid ecstasy“, GBL und 1,4-B

• Synthetische Cannabinoide („Spice“)

• Tilidin, Tramadol und andere Opioide

• Benzylpiperazine

• Cathinone (z.B. Mephedron)

• Mitragynin („Kratom“)

• Psilocybin / Psilocin aus „magic mushrooms“

• Atropin und Scopolamin aus Nachtschattenextrakten

• Anabole Steroide

Nicht von kommerziellen Immunoassays erfasst werden u.a.:

Grenzen des Untersuchungsumfanges von Immunoassays

Uneinheitliche oder

ausstehende BtMG-

Unterstellung

(sog. „legal highs“)

Gamma-Hydroxybutyrat (GHB) anxiolytisch, erst stimulierend

dann sedativ-hypnotisch, narkotisch oral und parenteral wirksam

Dosis: 500 – 4.000 mg Wirkdauer: 1-3 Stunden

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Gamma-Butyrolacton (GBL) Lösungsmittel

(z.B. in Nagellackentfernern Kleberesteentferner)

1,4-Butandiol (BDL) Industriechemikalie

ADH

Lactonase

Arzneimittel:

Xyrem®

Somsanit®

GHB, GBL und 1,4-B: Ein Wirkstoff und zwei prodrugs

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Gamma-Hydroxybutyrat (GHB) Dosis: 500 – 4.000 mg

Wirkdauer: 1-3 Stunden

Klinik: Sedierung, Ataxie, schlagartiger Bewusstseinsverlust,

Kollaps, Sekundenschlaf, retrograde Amnesie;

Kreislaufdepression, ggf. Atemstillstand, Aspirationsrisiko kein Antidot, symptomatische Therapie

Risiken: Extrem schlechte Steuerbarkeit

Geringe therapeutische Breite Massive Wirkungsverstärkung mit Ethanol

Nur 12 Stunden analytisch nachweisbar Beteiligung bei Straftaten („date rape drug“)

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Klinisches Bild und Risiken von GHB & Co.

gehören zu den Opioiden

unterliegen nicht dem BtMG.

Zugelassene verordnungspflichtige AM;

oral appliziert als Tabletten oder Lösung

Dosis: 100-400mg

Wirkdauer: 4-6 Stunden

Klinik:

schmerzstillend, antriebssteigernd,

stimmungsaufhellend,

in hoher Dosis sedierend oder enthemmend

Risiken:

akut: Bewusstlosigkeit mit Atemdepression

chronisch: Entwicklung einer Opiat-Abhängigkeit

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Tilidin und Tramadol

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Tilidin und Tramadol sind „prodrugs“

• Sie müssen durch körpereigenen Stoffwechsel erst in die Wirkformen überführt

werden:

N

CH3CH3

COOC2H5

NH

CH3

COOC2H5

Tilidin Nor-Tilidin

Tramadol O-Desmethyl-

Tramadol

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Die Urinausscheidung von Tilidin und Metaboliten

Köhler C; Grobosch T; Binscheck T

Rapid quantification of tilidine, nortilidine, and bisnortilidine in

urine by automated online SPE-LC-MS/MS.

Analytical and bioanalytical chemistry; 400 (1); p. 17-23

/201104/

Nach Gabe von 50 mg oral

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Alle Piperazine psychostimulierend, antriebssteigernd,

wahrnehmungsverändernd oral appliziert („Pille“)

Dosis: 100-200mg Wirkdauer: 6-12 Stunden

Klinik: Ähnlich den ringsubstituierten Ampehtaminderivaten

(MDMA, MDA, MDEA)

Risiken: selten: Serotonin-Syndrom mit Hyperthermie

schwieriger analytischer Nachweis

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Benzylpiperazin (BZP)

Chlorphenylpiperazin (mCPP)

Trifluormethyl- phenylpiperazin (TFMPP)

Piperazinderivate

Alle Cathinone

psychostimulierend, antriebssteigernd,

Ursprünglich aus den gekauten

Blättern von Catha edulis im Jemen und Nordafrika

Inzwischen als Methcathinonderivate auch als Missbrauchssubstanz

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Cathinon

Catha edulis

Metcathinon

Cathinone

„Room odorizer“

„Do not drink“

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Alle Cathinone psychostimulierend, antriebssteigernd,

wahrnehmungsverändernd oral appliziert (Tbl. oder Lösung)

Dosis: 150-300 mg Wirkdauer: 2 – 3,5 Stunden

Klinik: Ähnlich den ringsubstituierten Ampehtaminderivaten

(MDMA, MDA, MDEA)

Risiken: selten: Serotonin-Syndrom mit Hyperthermie

schwieriger analytischer Nachweis

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Methylon

Cathinone

Mephedrone („Meow“)

Cathinone

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Kräutermischung: Die neue legale Modedroge "Spice„

„Eigentlich ist es eine Kräuter-Räuchermischung für einen angenehmen Duft, doch

immer mehr Jugendliche rauchen das legale Spice, was eine ähnliche Wirkung wie

Cannabis verspricht. Das zur neuen Modedroge avancierte Spice wird in drei Variationen

angeboten: Silber, Gold und Diamant. Auf die Idee die wohlriechende Kräutermischung in

einem Joint zu verarbeiten hat schnell Früchte getragen. Die legale Droge wurde diesen

Sommer zur populären Biodroge, die oft als Ersatz für Marihuana genutzt wird, ganz

offiziell und ohne das die Polizei etwas dagegen tun könnte.“

Pressemitteilung November 2008

Die „harmlose“ und legale Biodroge „Spice“

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Partydrogen 2010

Synthetische Cannabinoide:

in stark schwankender qualitativer und

quantitativer Zusammensetzung in

getrocknete Pflanzenteile gemischt

Bis zu 40x potenter als THC

Schwieriger analytischer Nachweis

Quelle: Chinesische U-Labs

Klinik:

wie THC-Konsum,

aber gelegentlich erheblich stärker und

länger andauernd

Risiken:

Auslösung schwerer Psychosen mit

erheblicher Selbstgefährdung

Eventuell ungewollter BtMG-Verstoß

Inzwischen sind

mehr als 250

verschiedene

Substanzen

bekannt und die

Zahl steigt

ständig.

Und das war drin: Hochwirksame synthetische Cannabinoide

Kratom Getrocknete Teile der Pflanze Mitragyna speciosa

Enthält als Hauptalkaloid Mitragynin

Pflanzenteile werden geraucht oder als Tee getrunken

„legal high“

Klinik: Ähnlich den Opiaten und Opioiden

Krypton enthält getrocknete Pflanzenteile aus Mitragyna speciosa,

aber zusätzlich O-Desmethyl-tramadol

Klinik: schmerzstillend, euphorisierend, antriebssteigernd,

enthemmend

Kratom und „Krypton“

Mitragynin

O-Desmethyl-

tramadol

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5 Rationale

Drogenkontrolluntersuchung Differenzierte Strategien

Drogenkontrolluntersuchungen können nicht:

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• Die konsumierte Dosis der Missbrauchssubstanz feststellen oder das

Konsummuster bestimmen.

• Eine Abstinenz bzw. einen Konsum beliebig lange retrospektiv

nachweisen.

• Die Art der Applikation (geschluckt, gespritzt, geraucht etc.) feststellen.

• Den Zeitpunkt des Konsums bestimmen

• Die individuelle Wirkung der Substanz beim einzelnen Probanden

bewerten.

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• Identität des Urins sicherstellen!

• Bei Bewertung des Ergebnisses schwankenden Wassergehalt des Urins berücksichtigen

(Kreatininkonzentration)!

• Alle Immunoassays für Drogentests sind qualitativ;

Entscheidungsgrenze ist der testspezifische cut-off.

• Alle Immunoassays können falsch positive Ergebnisse liefern.

• Rechtsrelevante Analysenergebnisse erfordern immer eine chromatographische

Bestätigungsanalyse (zumeist GC/MS oder LC/MS).

• Quantitative Analysen einzelner Markersubstanzen, Darstellung von Metabolitenmustern

und kinetische Bewertungen erfordern eine chromatographische Analyse.

Essentials bei der Durchführung

• Bei Abstinenznachweis: Kurzfristige (< 24 Stunden) Einbestellungen!

Wunschtermine sind sinnlos, da die Probanden sich entweder vorher testen lassen

oder zumindest die Nachweisfenster sehr genau kennen.

• Bei Konsumverdacht mit klinischem Bild:

Sofort unter Sicht Urin gewinnen und unverzügliche Analytik

• Mehrfachuntersuchungen innerhalb des Nachweisfensters sind sinnlos.

• Bei forensisch relevanten Befunden immer Bestätigungsanalytik anfordern.

• Beim Untersuchungsumfang gilt: „Seltenes ist selten und Häufiges ist häufig“

• Negative Immunoassays können nicht durch weiterführende Analytik „bestätigt“

werden.

Merkmale eines rationalen Drogenscreenings

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19

1. Allgemeine Routineüberwachung:

Zufällig ausgewählte Probanden und Analyte

Keine Bestätigungsanalytik

2. Anlassbezogene Fälle:

bei klinischem Verdacht, Lockerungsgewährung, -

überwachung

Individueller Untersuchungsumfang

3. Überwachung bei Substitution:

Compliance-Überwachung und

Überprüfung auf Beikonsum

Spezifischer Untersuchungsumfang und ggf.

Bestätigungsanalytik

Hoher Kontrolldruck

+ hohe Ökonomie

Gezielte Suche

Hohe forensische

Relevanz

Beispiel Jugendstrafvollzug: Szenarien beim Drogenscreening

• Durch die globale Vernetzung werden die Industrienationen mit einer Flut neuer,

bisher unbekannter synthetischer Drogen überschwemmt. Gesetzliche

Reglementierungen haben de facto wenig Wirkung, weil sie kaum mehr durchgesetzt

werden können.

• Die Konsumenten/innen sind zumeist gut informiert über analytische und rechtliche

Rahmenbedingungen ihres Konsums sowie über Bezugsquellen.

• Das klassische Drogenscreening der „big five“ greift längst zu kurz und übersieht die

neueren Substanzen praktisch völlig.

• Anlässlich der ständig steigenden Zahl neuer Missbrauchssubstanzen besteht die

Notwendigkeit immer schneller immer empfindlichere Drogennachweisverfahren zu

entwickeln. Dies ist durch Nutzung neuer Technologien möglich.

Zusammenfassung

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• Erste klinische Erfahrungen zeigen Zusammenhänge zwischen:

• Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises mit THC und synthetischen

Cannabinoiden

• Depressionen und Persönlichkeitsveränderungen mit Amphetaminen (z.B. crystal meth),

MDMA, Benzylpiperazinen und Cathinonen („Badesalzdrogen“)

• Ähnlich wie die Analytiker sind die Organe der Rechtspflege herausgefordert, mit der

rasanten Entwicklung auf diesem Sektor Schritt zu halten, wenn sie nicht zu krassen

Fehleinschätzungen gelangen wollen.

• Nur eine enge Vernetzung verschiedener Behörden und Einrichtungen mit dem Ziel

eines kontinuierlichen Informationsaustausches und der Weiterbildung kann in dieser

Situation zielführend sein.

Zusammenfassung

• Es gibt keinen risikoarmen Substanzkonsum. Dies gilt sowohl für die akute als auch

die chronische Konsumsituation.

• Bei den neuen Substanzen sind die medizinischen Risiken höchstens im Ansatz

bewertbar.

Fazit und Frage

Wie viele KonsumentInnen wollen wir

zukünftig haben?

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Referent:

Dr. Torsten Binscheck-Domaß

Laborleiter Klinische Toxikologie und Pharmakologie

Laboratoriumsmedizin & Toxikologie

Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH

Kontakt:

Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH

Sylter Strasse 2

13353 Berlin

+49 30 405 026 251

[email protected]

www.laborberlin.com