23
Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im Krankenhaus: Spezifizierung der APS-Empfehlungen für Anwender und Betreiber von Anästhesiegeräten Originalartikel zur Veröffentlichung angenommen Bohnet-Joschko S, Zippel C, Siebert H (2015): Prävention Medizintechnik- assoziierter Risiken im Krankenhaus: Spezifizierung der APS-Empfehlungen für Anwender und Betreiber von Anästhesiegeräten. ZEFQ, 109 (9-10), S. 725-735, doi: 10.1016/j.zefq.2015.06.001 Verfügbar unter: uni-wh.de/MIG Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen veröffentlicht und ist nun unter dem folgenden Link verfügbar: zefq-journal.com via https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001 Korrespondenzadresse Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko Wackler Stiftungsprofessur für Management und Innovation im Gesundheitswesen Fakultät für Wirtschaftswissenschaft Universität Witten/Herdecke (UW/H) Alfred-Herrhausen-Straße 50 D-58448 Witten, Deutschland Tel.: +49 2302 / 926-505 E-Mail: [email protected]

Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im Krankenhaus:

Spezifizierung der APS-Empfehlungen für Anwender und Betreiber von

Anästhesiegeräten

Originalartikel

zur Veröffentlichung angenommen

Bohnet-Joschko S, Zippel C, Siebert H (2015): Prävention Medizintechnik-

assoziierter Risiken im Krankenhaus: Spezifizierung der APS-Empfehlungen für

Anwender und Betreiber von Anästhesiegeräten. ZEFQ, 109 (9-10), S. 725-735,

doi: 10.1016/j.zefq.2015.06.001

Verfügbar unter: uni-wh.de/MIG

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und

Qualität im Gesundheitswesen veröffentlicht und ist nun unter dem folgenden Link

verfügbar: zefq-journal.com via https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko

Wackler Stiftungsprofessur für Management und Innovation

im Gesundheitswesen

Fakultät für Wirtschaftswissenschaft

Universität Witten/Herdecke (UW/H)

Alfred-Herrhausen-Straße 50

D-58448 Witten, Deutschland

Tel.: +49 2302 / 926-505

E-Mail: [email protected]

Page 2: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

2

Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im Krankenhaus:

Spezifizierung der APS-Empfehlungen für Anwender und Betreiber von Anästhesiegeräten

Sabine Bohnet-Joschko, Claus Zippel, Hartmut Siebert

Fakultät für Wirtschaftswissenschaft

Universität Witten/Herdecke

Januar 2015

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund

Einsatz und Organisation von Medizintechnik spielen eine große Rolle für die Patienten- und

Anwendersicherheit in der Anästhesie.

Fragestellung

Konkretisierung der APS-Empfehlungen für Anwender und Betreiber von Anästhesietechnik, Erläuterung von

Chancen und Herausforderungen für die sichere Geräteanwendung und -organisation.

Methodik

Durchgeführt wurde eine Literaturrecherche in Medline/PubMed zu Forschungen, die sich mit den vom APS

konkretisierten Empfehlungen zur Prävention Medizinprodukt-assoziierter Risiken im Kontext der Anästhesie

beschäftigen. Zusätzlich erfolgte eine Internetrecherche, bei der Arbeiten zum sicheren Anästhesietechnikeinsatz

und -betrieb fokussiert wurden. Identifizierte Studien wurden sortiert und den APS-Empfehlungen zugeordnet.

Die vom APS vorgenommene Unterteilung in Anwender und Betreiber wurde beibehalten.

Ergebnisse

Anwender messen der Einweisung in Anästhesiegeräte teils wenig Bedeutung bei. Die Nichtdurchführung der

Funktionsprüfung scheint eine häufige Ursache für kritische Ereignisse in der Anästhesie. Beim Meldewesen zur

Aufsichtsbehörde besteht großes Potenzial. Ansatzpunkte für den sicheren Anästhesietechnikbetrieb finden sich

besonders an der Schnittstelle zwischen Mensch, Organisation und (Anästhesie-) Technik.

Schlussfolgerungen

Die APS-Empfehlungen bieten wertvolle Hinweise zur Förderung des sicheren Geräteeinsatzes und -betriebs in

der Anästhesie. Angeführt werden Risikoschwerpunkte bei der Anwendung sowie Grundsätze und Materialen

zum sicheren Betrieb von Anästhesiegeräten.

Schlüsselwörter

Anästhesietechnik; Anwender; Betreiber; Handlungsempfehlung; Medizintechnik-assoziierte Risiken;

Patientensicherheit

Page 3: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

3

ABSTRACT

Background

The use and organisation of medical technology has an important role to play for patient and user safety in

anaesthesia.

Objectives

Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators

of anaesthesia equipment, explore opportunities and challenges for the safe use and organisation of anaesthesia

devices.

Methods

We conducted a literature search in Medline/PubMed for studies dealing with the APS recommendations for the

prevention of medical device-related risks in the context of anaesthesia. In addition, we performed an internet

search for reports and recommendations focusing on the use and organisation of medical devices in anaesthesia.

Identified studies were grouped and assigned to the recommendations. The division into users and operators was

maintained.

Results

Instruction and training in anaesthesia machines is sometimes of minor importance. Failure to perform functional

testing seems to be a common cause of critical incidents in anaesthesia. There is a potential for reporting to the

federal authority. Starting points for the safe operation of anaesthetic devices can be identified, in particular, at

the interface of staff, organisation, and (anaesthesia) technology.

Conclusions

The APS recommendations provide valuable information on promoting the safe use of medical devices and

organisation in anaesthesia. The focus will be on risks relating to the application as well as on principles and

materials for the safe operation of anaesthesia equipment.

Keywords

Anaesthesia device; user; operator; recommendation; medical device-related adverse events; patient safety

Page 4: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

4

Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im Krankenhaus:

Spezifizierung der APS-Empfehlungen für Anwender und Betreiber von

Anästhesiegeräten

HINTERGRUND UND ZIELSETZUNG

Seit der Gründung 2005 hat sich das APS als zentrale Plattform zur Entwicklung, Förderung und Koordination

der Patientensicherheit in Deutschland etabliert [1]. Ein wesentlicher Teil der inhaltlichen Arbeit geschieht in

Arbeitsgruppen (AG), in denen sich Experten aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens

zusammenschließen. Sie beraten Patientensicherheitsthemen und erarbeiten nach dem Prinzip „aus der Praxis für

die Praxis“ Lösungen zu konkreten Problemstellungen (» Infobox 1). Die unter Einbezug aller Interessengruppen

konsentierten Ergebnisse werden nach Verabschiedung durch den APS-Vorstand als Handlungsempfehlung

veröffentlicht und kostenlos zum Download bereitgestellt (www.aps-ev.de) [2]. 2014 hat die AG

„Medizinprodukt-assoziierte Risiken“ unter der Leitung von Prof. Uvo Hölscher eine Handlungsempfehlung

vorgelegt, die sich an die Anwender und Betreiber von aktiven Medizinprodukten in Krankenhäusern richtet (»

Infobox 2) [3].

Parallel dazu entstand die unseres Wissens erste Studie über eine größere Anzahl von in deutschen

Gesundheitseinrichtungen berichteten unerwünschten Anästhesietechnikereignissen. Hierzu wurden 151

kritische Ereignismeldungen mit spezifischem Bezug zu Narkose- und Beatmungsgeräten durch ein

interdisziplinäres Team analysiert. Die Ereignisse wurden bis 2010 freiwillig in drei Kliniken und ein

öffentliches Berichts- und Lernsystem für die Anästhesie berichtet [4]. Medizingeräte sind für die moderne und

leistungsfähige Anästhesie unverzichtbar, können jedoch zu Vorkommnissen mit teils schwerwiegenden Folgen

für die betroffenen Patienten und Anwender führen. Berichte über kritische Ereignisse bieten hohe

Lernpotenziale für die Stärkung der Patientensicherheit in der Anästhesie. Dies belegen verschiedene Arbeiten

zum klinischen Risikomanagement [5], [6] und zu kritischen Ereignissen im Umgang mit Anästhesietechnik [7],

[8], [9], [10].

Die Empfehlungen des APS können aufgrund des breiten und heterogenen Medizinproduktespektrums nur im

Ansatz auf Besonderheiten einzelner Gerätegruppen bzw. medizinischer Fachbereiche eingehen. Daher sollen sie

im Folgenden am Beispiel des Einsatzes und Betriebs von Anästhesietechnik konkretisiert und beispielhaft durch

Maßnahmen zur Förderung des sicheren Geräteeinsatzes und -betriebs in der Anästhesie ergänzt werden. Die

Anästhesie ist hierfür besonders geeignet, da sie sich frühzeitig mit Patientensicherheitsthemen wie Incident

Reporting, Human Error oder dem Einsatz von Standards/Richtlinien auseinandersetzte und in diesem Bereich

führend ist [11]. In dieser Vorreiterrolle sind über die letzten Jahrzehnte viele bedeutende Arbeiten zum sicheren

Einsatz von Medizinprodukten entstanden [12].

Page 5: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

5

MATERIAL UND METHODEN

Zunächst wurde eine internationale Literaturrecherche zu den sechs Empfehlungen durchgeführt, die das APS als

wesentlich für den sicheren Medizinprodukteeinsatz und -betrieb anführt (» Infobox 2). Die Vorgehensweise der

Recherche orientierte sich an anerkannten wissenschaftlichen Standards [13]. Durchsucht wurden die

Datenbanken Medline/PubMed. Schlagworte waren folgende Medical Subject Headings: Anesthesia/adverse

effects, Anesthesiology/instrumentation, Equipment Failure, Equipment Safety, Patient Safety, Ventilators,

Mechanical/adverse effects [14]. Es wurde einzeln wie auch in Kombination der Begriffe sowohl zielgerichtet

nach Beiträgen zu Anästhesietechnik-assoziierten kritischen Ereignissen als auch zum sicheren

Gerätemanagement in der Anästhesiologie gesucht.

Die Literaturrecherche wurde ergänzt durch eine Internetrecherche zu Berichten und Hinweisen zum sicheren

Anästhesietechnikeinsatz und -betrieb. Im Gegensatz zur Literaturrecherche wurden dabei nur deutschsprachige

Quellen berücksichtigt. Beispiele dafür sind Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und

Intensivmedizin (DGAI) oder des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) [15].

Anschließend wurden die identifizierten Studien, Berichte und Hinweise im Hinblick auf Relevanz für den

sicheren Anästhesiegeräteeinsatz und -betrieb geprüft und in Bezug zu den APS-Empfehlungen (» Infobox 2)

gesetzt. Die Unterteilung der Empfehlungen nach Anspruchsgruppen wurde beibehalten, um dem vom APS

gewählten Perspektivenwechsel Anwender-Betreiber Rechnung zu tragen.

EMPFEHLUNGEN ANDIEANWENDER

Im Sinne der APS-Empfehlungen werden zunächst die Anwender fokussiert, definiert als diejenigen, die

Medizinprodukte bedienen und für deren sicheren Einsatz am Patienten verantwortlich sind [3], [15].

A.1 Einweisungen ernstnehmen

Das APS weist allgemein auf die Relevanz der Geräteeinweisung hin, zu der Ärzte bzw. am Gerät eingesetztes

nicht-ärztliches Fachpersonal verpflichtet sind (§ 5 Abs. 2 MPBetreibV [16]).

Zur Geräteeinweisung in der Anästhesie zeigt die Literatur folgendes Bild (» Tab. 1):

• Bei einer 1991 veröffentlichten Untersuchung berichtete rund jeder zweite Anwender, nicht ordnungsgemäß

in eingesetzte Geräte eingewiesen zu sein [17].

• Bei Studien zum Zusammenspiel zwischen gerätebezogenem Anwenderwissen und unerwünschten

Anästhesieereignissen wurde die Mehrzahl der Ereignisse auf eine unzureichende Geräteanwendung

zurückgeführt [12], [18].

• Bei einer 2010 publizierten Auswertung über ca. 2.000 unerwünschte Anästhesieproduktereignisse gingen

viele Risiken auf unzureichendes Geräte- und Prozesswissen der Anwender zurück [7]. Dies bestätigte

Ergebnisse einer Studie aus 1998 [19].

Studienübergreifend konnten Anästhesisten einen Geräteausfall schnell erkennen sowie die Patientenversorgung

sicher und effizient managen [20], [21]. Gleichwohl wird deutlich, dass der Einweisung in Anästhesiegeräte –

Page 6: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

6

trotz Sorgfaltspflicht und damit verbundenen Haftungsfragen – teils wenig Bedeutung beigemessen bzw. dass

deren Nutzen unterschätzt wird.

Die Autoren gehen davon aus, dass die Geräteeinweisung auch künftig ein zentraler Faktor für die

Patientensicherheit in der Anästhesie ist. Dies liegt u. a. daran, dass in Folge des medizinisch-technischen

Fortschritts und zeitlich kürzerer Produktlebenszyklen immer mehr Gerätetypen und -arten aus verschiedenen

Generationen von unterschiedlichen Herstellern nebeneinander eingesetzt bzw. als Einzelgeräte am Arbeitsplatz

kombiniert werden. Bei der Studie zu kritischen Ereignissen im Umfeld von Narkose- und Beatmungsgeräten

wurde in 58% der Meldungen neben dem Anästhesiegerät mindestens ein weiteres (Kombinations-) Produkt,

Teil oder Zubehör genannt [4]. Dies verdeutlicht die Komplexität und Fehleranfälligkeit des anästhesiologischen

Arbeits- und Geräteumfelds. Der Einsatz von Anästhesietechnik erfordert demzufolge hohe sicherheitstechnische

Anforderungen sowie umfassende Kenntnisse und Fähigkeiten von den Anwendern. Hierzu trägt auch die

Geräteeinweisung bei.

Diesbezüglich empfiehlt das APS, dass auch eingewiesene Anwender nach einer bestimmten Zeit an einer

Wiederholungseinweisung teilnehmen [3]. Für die Anästhesie ist dies aufgrund des hohen Geräteeinsatzes und

der fortwährenden technischen Weiterentwicklung durch Softwareupdates, veränderte Alarmeinstellungen/-

signale etc. besonders sinnvoll [22].

Aufmerksamkeit verdienen zudem die in der Regel kurzfristig angestellten Vertrags- bzw. Honorarärzte. Diese

wurden bei vorangegangenen Tätigkeiten unter Umständen auf anderen Gerätetypen ersteingewiesen. Die

Anästhesie ist hiervon besonders betroffen, da Fachärzte für Anästhesiologie die weitaus größte Gruppe unter

den Honorarärzten darstellen [23].

Eine weitere Herausforderung sind Assistenzärzte, die in der Weiterbildung relativ schnell eine Vielzahl

komplexer Medizingeräte sicher bedienen müssen. Bei Anästhesietechnik betrifft dies sowohl angehende

Fachärzte für Anästhesiologie als auch Weiterbildungsassistenten anderer medizinischer Fachbereiche. Ein

Beispiel dafür ist Innere Medizin, wo Assistenten etwa mit komplexen Beatmungsgeräten konfrontiert werden,

wenn sie auf die Intensivstation oder Weaning-Unit rotieren.

Zur Einweisung in Anästhesiegeräte empfiehlt die DGAI, neben den in der Gebrauchsanweisung angeführten

Funktionen auch allgemein relevante Kenntnisse zu den eingesetzten Geräten zu vermitteln [15]. So kann es

sicherheitsfördernd sein, Anwender bei (Wiederholungs-) Einweisungen präventiv für gehäuft berichtete

Risikoquellen zu sensibilisieren, die für sie neu sein können. » Tab. 2 führt ausgewählte Ergebnisse

gerätespezifischer Auswertungen zu gehäuft betroffenen Geräten/Komponenten bzw. gehäuft berichteten

Risikosituationen und Fehlerquellen im Umgang mit Anästhesiegeräten an [4], [7], [8]. Diese können hierzu

herangezogen werden. Simulatorbasierte Studien weisen ferner auf Lernpotenziale beim Handling der

Sauerstoffzufuhr hin [20], [21]. Schließlich können Anwender von kritischen Ereignissen lernen, die von

fachspezifischen Berichtssystemen als „Fall des Monats“ [24] oder als Einzelfall in der Literatur veröffentlicht

werden [9], [25], [26].

Page 7: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

7

A.2 Funktionsprüfung sorgfältig durchführen

Zur Risikoprävention wird Anwendern weiterhin empfohlen, sich vor geplanter Inbetriebnahme und beim

Patientenwechsel vom ordnungsgemäßem Zustand und der Funktionsfähigkeit der eingesetzten Medizingeräte zu

überzeugen. Hierzu dient die routinemäßig vorgeschriebene Funktionsprüfung (§ 2 Abs. 5 MPBetreibV [10]).

Für die Anästhesie finden sich hierzu in der Literatur folgende Ergebnisse (» Tab. 3):

• Bei einer 1992 publizierten Studie gaben 41% der Anwender an, das Narkosegerät ohne vorherige

Funktionsprüfung einzusetzen [27]. Eine Folgestudie zum Prüfverhalten bei Anästhesiegeräten aus 2007

ergab, dass 95% der Anwender den Gerätecheck nicht vollständig durchführen, und nur 12% bei jedem

Patientenwechsel [28].

• Die Nicht-Durchführung der Funktionsprüfung stellt mit 18 bis 33% der Anästhesievorkommnisse einen

(Haupt-) Risikofaktor dar [12], [29], [30], [31]. Eine Analyse von kritischen Ereignissen aus der

Kinderanästhesie kommt zu einem ähnlichen Ergebnis [32].

• Bei einer Fall-Kontrollstudie aus 2005 waren Funktionsprüfung mittels Protokoll und Checkliste sowie

deren Dokumentation statistisch signifikante Faktoren zur Risikovermeidung in der Anästhesie [33].

• Bei einer Auswertung von 40 Anästhesiegas-assoziierten Schadensfällen wurden 35% als durch die

präoperative Funktionsprüfung des Anästhesiegeräts vermeidbar eingestuft [10].

Die Analyse der in Deutschland berichteten Anästhesietechnikereignisse ergab, dass 61% der Risiken im Zuge

der Funktionsprüfung hätten identifiziert und verhindert werden können [4].

Auf Grundlage der Studiendaten kann nicht gesagt werden, wie häufig die Funktionsprüfung bei

Anästhesiegeräten nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird. Dies scheint jedoch – ohne eine

sicherheitsgefährdende Handlung herbeiführen zu wollen – weltweit eine häufige Ursache für kritische

Ereignisse in der Anästhesie zu sein. Die sorgfältige Funktionsprüfung ist daher ein zentraler Faktor für die

Vermeidung Anästhesietechnik-assoziierter Risiken und spielt eine bedeutende Rolle bei der Stärkung der

Patientensicherheit in der Anästhesie.

Vor diesem Hintergrund ist es trotz knapper Ressourcen und Rationalisierungsdruck sowie moderner

Anästhesietechnik und vollautomatisierter Selbsttests entscheidend, vor der Anwendung von Anästhesiegeräten

ausreichend Zeit für die Funktionsprüfung einzuplanen. Nach einer Befragung unter 101 Anästhesiemitarbeitern

eines Schweizer Universitätsspitals und einer Studie unter 20 neuseeländischen Anästhesisten verdient hierbei

die Sauerstoffversorgung besondere Beachtung [34], [35].

Sowohl APS als auch DGAI weisen darauf hin, dass der Funktionscheck auch bei nicht täglich eingesetzten

Geräten durchgeführt werden sollte [3], [15]. In der Anästhesie betrifft dies z. B. das Notfallbeatmungsgerät im

OP-Saal. Hierarchisch abgestufte Checklisten können die Anwender dabei unterstützen, die Funktionsprüfung

ordnungsgemäß durchzuführen und zu dokumentieren. Eine Checkliste zur Funktionsprüfung des Narkosegeräts

stellt die DGAI auf ihrer Homepage zum Download zur Verfügung (www.dgai.de) [36].

Page 8: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

8

A.3 Fehler und Probleme immer melden

Das APS macht Anwender schließlich auf die Meldepflicht an das BfArM aufmerksam. Diese greift bei

Medizinprodukt-assoziierten Vorkommnissen, die zu einer nicht unerheblichen Patientengefährdung geführt

haben, geführt haben könnten oder führen könnten (§ 3 Abs. 2 MPSV) [37], [38]. Dies ist wichtig, da berichtete

Vorkommnisse eine wesentliche Quelle des BfArM-Vigilanzsystems zur Risikoanalyse und -bewertung sind. Sie

sind Ausgangspunkt für die einrichtungsübergreifende Ableitung und Umsetzung von korrektiven Maßnahmen,

Rückrufen und sonstigen Empfehlungen für Gesundheitseinrichtungen, Hersteller etc. [39].

Zwar ist die tatsächliche Häufigkeit meldepflichtiger Vorkommnisse für Deutschland kaum erfasst [37]. Die

statistische Auswertung des BfArM zeigt jedoch, dass die Meldebereitschaft im Allgemeinen und bei

Anwendern von Anästhesietechnik im Speziellen relativ niedrig ist:

• Für das Berichtsjahr 2013 weist das BfArM in der kombinierten Produktgruppe „OP-Ausrüstung und

Anästhesie“ 572 Meldungen aus. Zum Vergleich: In Deutschland wurden nach Angabe der

Gesundheitsberichterstattung des Bundes zuletzt rund 15 Millionen Operationen pro Jahr durchgeführt

(www.gbe-bund.de). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Risikomeldungen auch von den

Gerätebetreibern und -herstellern stammen.

• Die Studie zu Anästhesietechnik-assoziierten Risiken lässt das Potenzial des Meldewesens für Deutschland

erahnen: Danach wurden 24 der 151 berichteten Ereignisse (16%) auf Basis der Meldetexte eindeutig als

BfArM-meldepflichtig eingestuft [40].

Zur Stärkung der Patientensicherheit empfiehlt das APS, möglichst viele Fehler und Probleme bei

Medizinprodukten zu melden [3]. Welches Potenzial damit verbunden sein kann, zeigen retrospektive Studien

aus Frankreich [7], [19] und Großbritannien [8] über eine größere Anzahl zentralbehördlich gesammelter Daten

zu meldepflichtigen (meist technikbedingten) Vorkommnissen. Die Voraussetzungen für eine Verbesserung des

Meldewesens sind wegen der hohen Meldebereitschaft in der Anästhesie gegeben [41]. Hierzu ist es sinnvoll,

wenn sich Anwender von Anästhesiegeräten sowohl über die BfArM-Aufgaben und das Meldeformular

(www.bfarm.de) als auch die Meldepflicht und den Meldeprozess informieren [39].

EMPFEHLUNGEN ANDIEBETREIBER

Im Weiteren werden die APS-Empfehlungen an Betreiber, verstanden als Verantwortliche für die sichere

Organisation von Medizinprodukten, aus Sicht der Anästhesie thematisiert.

B.1 Klare Zuständigkeiten

Das APS empfiehlt Betreibern, den Geräteeinsatz sicher zu organisieren, schon um sich keinem Haftungsrisiko

durch Organisationsverschulden auszusetzen. Voraussetzung dafür ist, dass damit verbundene Zuständigkeiten

und Verantwortlichkeiten klar verteilt sind.

Page 9: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

9

Die nationale Studie zu unerwünschten Anästhesietechnikereignissen ergab, dass Risiken mit Bezug zu Narkose-

und Beatmungsgeräten primär durch organisationsbedingte Faktoren im Anästhesietechnikumfeld wie Zeitdruck,

Kommunikationsfehler etc. begünstigt werden [4]. Dies verdeutlicht, wie wichtig es aus Managementsicht ist,

zunächst ganz praktische Fragen zum Geräteeinsatz zu klären: Wie häufig findet eine Geräteeinweisung statt?

Wer ist für die Funktionsprüfung der (Ersatz-) Geräte verantwortlich? Wer meldet Anästhesietechnik-bedingte

Vorkommnisse an das BfArM? Und: Existieren hierfür Vertretungsregeln?

Das APS schlägt vor, eine verantwortliche Stelle einzuführen [3]. Diese koordiniert alle Sicherheitsfragen mit

Bezug zur Medizintechnik und kommuniziert die zuständigen Ansprechpartner und deren Stellvertreter. In der

Praxis hat es sich bewährt, damit verbundene Aufgaben, Zuständigkeiten und Abläufe mit Fristen in einem

Prozessdiagramm zu visualisieren. Idealerweise wird dies durch eine hausinterne Risikomanagementsoftware

unterstützt.

B.2 Meldewesen organisieren

Weiter wird Betreibern dazu geraten, das Meldewesen systematisch zu organisieren, sodass Risikowissen im

Umfeld von Medizinprodukten bestmöglich transferiert und genutzt werden kann. Eine Herausforderung für das

Krankenhausmanagement sind oftmals parallel verlaufende Berichtswege für Gerätedefekte, unerwünschte

Medizinproduktevorkommnisse etc.

Im Falle der Anästhesie ist dies besonders komplex, da es hier zusätzliche Informationen aus einer Vielzahl

verschiedener Berichts- und Lernsysteme zu berücksichtigen gilt [42], [43], [44]. Diese wurden zunächst

hausintern in einzelnen Anästhesie- und Intensivabteilungen eingeführt [5], [6], [45], später

einrichtungsübergreifend als öffentliche Berichtsplattform umgesetzt [46].

In » Tab. 4 sind Berichts- und Lernsysteme kategorisiert, die für die Anästhesie relevante Meldedaten enthalten.

Wie groß das Lernpotenzial für das klinische Risikomanagement ist, zeigt sich daran, dass in den letzten sechs

Jahren allein in das größte deutsche Berichtssystem für die Anästhesie (www.cirs-ains.de) ca. 2.700 Ereignisse

berichtet wurden [47]. Hierzu zählen auch viele Anästhesietechnik-assoziierte Ereignisse [48], [49]. Die Autoren

gehen davon aus, dass die Anzahl der gemeldeten kritischen Ereignisse, Fehler und Beinahe-Schäden künftig

weiter steigt. Ein Grund dafür ist, dass mit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes in 2013 sowohl die

Umsetzung interner Berichts- und Lernsysteme als auch die Teilnahme von Häusern an

organisationsübergreifenden Systemen gestärkt wurde [50].

Um die Wissensbasis zu unerwünschten Anästhesietechnikereignissen stärken und damit auch von Fehlern

Anderer lernen zu können, ist ein zuständiger Mitarbeiter klar zu benennen. Dieser sichtet intern und öffentlich

verfügbare Informationen und Warnmeldungen, prüft diese auf Relevanz für den Anästhesiegeräteeinsatz im

Haus und setzt bei Bedarf die Anästhesieabteilung zeitnah in Kenntnis. Darüber hinaus sind die Warnhinweise

des BfArM sowie die in der Literatur veröffentlichten Lernfälle zu Anästhesieprodukt-assoziierten kritischen

Ereignissen zu berücksichtigen.

Page 10: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

10

Das APS betont, dass es in diesem Zusammenhang wichtig ist, das eigene Personal zur Meldung von

unerwünschten Ereignissen zu motivieren [3]. Nach der einschlägigen Literatur zum klinischen

Risikomanagement ist es wichtig, der Belegschaft zu signalisieren, dass der offene Umgang mit kritischen

Ereignissen in der Organisation gewollt ist. Hierzu gehört, dass Mitarbeiter bei Abgabe einer Meldung oder

Bekanntwerden eines Fehlers keine Sanktionen gegen sich oder andere zu befürchten haben. Dies ist im

Patientenrechtegesetz sogar explizit festgehalten. Zudem sollte die Umsetzung von Maßnahmen auf System-,

Prozess- oder Produktveränderungen zielen und zeitnah kommuniziert werden [53]. Schließlich können

Informationsveranstaltungen dazu dienen, die im Haus verantwortlichen Ansprechpartner zu kommunizieren

sowie weiterführende Informationen zum Meldeprozess bereitzustellen [39].

B.3 Systematische Beteiligung der Medizintechnikabteilung in allen Gremien

Das APS empfiehlt Betreibern schließlich, Medizintechniker systematisch in alle Gremien des klinischen

Risikomanagements einzubinden. Dies ist wichtig, da die Organisation von medizintechnischen Geräten und -

systemen im Krankenhaus in der Regel von der Medizintechnik umgesetzt wird. Hierzu zählt auch das

Beschaffungsmanagement, nämlich wenn es um den Einkauf von möglichst anwenderfreundlichen und

risikoarmen Systemen geht.

Im Fall von Anästhesietechnik erscheint dies aufgrund der komplexen und hochtechnischen Arbeitsabläufe

besonders sinnvoll und wünschenswert. Die Medizintechnik kann bei Analyse und Bewertung unerwünschter

Anästhesietechnikereignisse durch ihr gerätespezifisches und bereichsübergreifendes Fach- und

Erfahrungswissen wichtige Hinweise für den sicheren Geräteeinsatz liefern. Das klinische Risikomanagement

erhält dadurch wertvolle Detailinformationen zu betroffenen Anästhesiegeräten. Diese können dazu genutzt

werden, gerätebezogene Optimierungsmaßnahmen zur Risikovermeidung und Prävention in der Anästhesie zu

identifizieren und umzusetzen.

Darüber hinaus findet auf diese Weise ein Wissenstransfer zur Medizintechnik statt. Diese kann das Wissen über

sicherheitsrelevante Probleme im Umgang mit Anästhesiegeräten nutzen, um weitere Maßnahmen zur sicheren

Anästhesiegeräteorganisation umzusetzen [54]:

• Präventive Risikoabwehr: Anästhesiegeräte, die mit berichteten Gerätetypen baugleich sind, können gezielt

überprüft und – beispielsweise bei Verdacht auf Materialverschleiß − ausgetauscht werden.

• Interne Kommunikation: Schulungs- und Einweisungsunterlagen können kontinuierlich um gehäuft

betroffene Geräte (-komponenten) bzw. gehäuft berichtete Risikosituationen und Fehlerquellen ergänzt

werden, wodurch sich die hausinterne Beratung durch die Medizintechnik verbessert.

• Geräte-/Anlagenmanagement: Betroffene Anästhesiegeräte können einfacher identifiziert, sichergestellt und

ihr Verbleib im Haus dokumentiert werden. Instandhaltungs-, Wartungs- und Prüfintervalle einschließlich

mess- und sicherheitstechnischer Kontrollen werden so effizienter und effektiver an die spezifischen

Bedürfnisse der Klinik angepasst. Durch optimierte Instandhaltungsprozesse und kürzere Leerstandzeiten

steigt die Geräteverfügbarkeit und -nutzung, was zu Kosteneinsparungen führt.

• Beschaffungsmanagement: Wissen über unerwünschte Medizinproduktereignisse kann für den Einkauf bzw.

Austausch von Medizinprodukten genutzt werden, etwa bei der Anschaffung anästhesiologischer

Page 11: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

11

Komplettlösungen [25]. Dies ist in der Anästhesie besonders wichtig, da hier außerordentlich komplexe und

fehleranfällige Geräte eingesetzt werden.

• Kommunikation mit Herstellern: Gemeinsam mit der Industrie können Wege zur Risikovermeidung im

Umfeld betroffener Geräte erarbeitet werden. Beispiele dafür sind das Gerätedesign, die Kombination mit

Zubehör und Fremdprodukten oder die Menüführung zur einfacheren Bedienbarkeit.

• Umsetzung gesetzlicher Vorgaben: Für Kliniken stellt dies eine geeignete Möglichkeit dar, die Melde- und

Dokumentationspflicht von schwerwiegenden unerwünschten Vorkommnissen an das BfArM

sicherzustellen und zu koordinieren. Dies wirkt sich positiv auf das Meldewesen aus.

Trotz dieser Vorteile wird die Medizintechnik in der klinischen Versorgungspraxis nur selten in den Prüf- und

Analyseprozess von kritischen Ereignissen eingebunden. Dies zeigen Ergebnisse einer 2011 veröffentlichen

Studie zum Stand des klinischen Risikomanagements in deutschen Krankenhäusern. Danach setzten Kliniken

zwar zunehmend Berichts- und Lernsysteme ein; jedoch beziehen nur rund elf Prozent der Häuser, die über ein

Kontroll-/ Steuerungsgremium für klinisches Risikomanagement verfügen, auch Medizintechniker in dieses ein

[55].

ORGANISATIONALE LERNIMPULSE UND SICHERHEITSKULTUR IN DER ANÄSTHESIE

Versäumnisse bei Einweisungen und Funktionsprüfungen gehören weiterhin zu den häufig berichteten

Risikokonstellationen und machen auf die Bedeutung einer expliziten oder impliziten Sicherheitskultur

aufmerksam [56], [57]. Regelmäßiges Abweichen von z. B. Herstellervorschriften darf sich nicht als latenter

Fehler in der Organisation manifestieren („routine violation“) und üblich werden („normalization of deviance“).

Hierzu bedarf es einer Kultur, in der dies weder stillschweigend akzeptiert und toleriert noch aufgrund von z. B.

Zeitdruck überhaupt erst notwendig wird [58].

Aufgabe des Managements ist es, die hierfür nötigen Systembedingungen zu schaffen. Ausgangspunkt ist ein

humanzentrierter Risikomanagementansatz, bei dem die Mitarbeiter aktiv am Aufbau einer Sicherheitskultur

beteiligt werden [59]. Darüber hinaus gilt es auf dem Verständnis des vom britischem Psychologen Reason

entwickelten Modells der organisationalen Unfallentstehung [60] nicht die fehlerhaften Handlungen des

Einzelnen, sondern die organisationalen Bedingungen und Ursachen im System zu fokussieren. Es ist das

Management, das durch die Standardisierung von Prozessen und Ressourcenbereitstellung den Rahmen dafür

schafft, dass Anästhesiegeräte in komplexen und unvermittelt auftretenden (Stress-) Situationen sicher bedient

und unter Zeitdruck eingesetzt werden können.

Diesbezüglich hat die Anästhesie bereits von Forschungen zu Hochrisikoorganisationen (High-Reliability-

Organization, HRO) gelernt. Analog zur Anästhesie sind dort untersuchte Organisationseinheiten wie Luftfahrt,

Kerntechnik oder Petrochemie durch ein riskantes Arbeitsumfeld mit einem hohen Einsatz komplexer

Technologien und Geräte gekennzeichnet, in denen kleinste Routineabweichungen zu Katastrophen führen

können [61]. Neben der Etablierung einer Sicherheitskultur nennen die Anästhesisten Rall/Gaba optimierte

Page 12: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

12

Strukturen/Prozesse, Team-Training/Simulation von Routineverfahren und organisationales Lernen als

wesentliche HRO-Prinzipien für Gesundheitseinrichtungen [58].

Wegweisend sind in diesem Zusammenhang Arbeiten um den Organisationsforscher Weick. Danach ist es

wichtig, dass neben der Analyse und Bewertung von Risikowissen eine Bewusstseinsveränderung in der

Organisation eintritt, bei der trotz Sicherheits- und Kontrollmechanismen jederzeit von unerwarteten Risiken

ausgegangen wird [62]. Auf Basis dieser Annahme werden Grundsätze identifiziert, die HRO unterstützen

können, den sicherheitsfördernden Umgang mit (normalen) kritischen Ereignissen zu institutionalisieren. Hierzu

gehört:

• sich mit unerwarteten Fehlern zu beschäftigen;

• vereinfachten Interpretationen entgegenzuwirken;

• ein Gespür für betriebliche Abläufe zu vermitteln;

• Organisationsfunktionen nach äußeren Einflüssen aufrechtzuerhalten;

• Expertise und Wissen jedes Mitarbeiters zu berücksichtigen.

ALLGEMEINE ANMERKUNGENUNDLIMITATIONEN

Über die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen, Fehlern und Beinahe-Schäden mit Bezug zu

Anästhesiegeräten ist bislang wenig bekannt. Bei einer ersten Studie zur Gesamthäufigkeit von Medizinprodukt-

assoziierten Ereignissen aus 2004 wurden Risiken im Umfeld von Narkose- und Beatmungsgeräten mit jeweils

6% berichtet [63]. Eine retrospektive Studie über 83.000 Narkosen schätzt die Häufigkeit von unerwünschten

Anästhesietechnikereignisse auf 0,23% in der Allgemeinanästhesie und 0,05% in der Regionalanästhesie [64].

Ziel des Beitrags war es, die APS-Empfehlungen für Anwender und Betreiber im Kontext der Anästhesie zu

konkretisieren. Auch sollten damit verbundene Chancen und Herausforderungen aufzeigt werden. Es ist klar,

dass sich die in diesem Zusammenhang angeführten Anmerkungen und Hinweise teils auf Empfehlungen der

wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Berufsverbände oder Aufsichtsbehörde beziehen [15], [36], [65]. Sie sind

als Ergänzung zu verstehen und wollen einen Beitrag zur weiteren Stärkung der Patientensicherheit im Umgang

mit Anästhesietechnik leisten.

Aus methodischer Sicht ist darauf hinzuweisen, dass die betrachteten Studien auf einer Vielzahl

unterschiedlicher Methoden beruhen, welche verschiedenen Limitationen unterliegen. Mit Blick auf die

nationale Studie betrifft dies etwa die mitunter eingeschränkte Qualität der analysierten Meldedaten [4]. Bei

anderen Studie ist aufgrund einer geringen Probandenzahl von niedriger Reliabilität auszugehen [17], [27], [28],

[34]. Mit Blick auf die internationale Studienlage ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse (wenn überhaupt)

nur mit Einschränkungen auf Verhältnisse in deutschen Gesundheitseinrichtungen übertragen werden können.

Page 13: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

13

SCHLUSSFOLGERUNGEN UND FAZIT

Die überwiegende Anzahl der jährlich mehr als 10 Mio. Narkosen in Deutschland verläuft ohne Zwischenfall.

Für die Sicherheit in der Anästhesie spielen Medizinprodukte eine zentrale Rolle. Die geschilderten Erkenntnisse

zeigen, dass bei Anwendung und Organisation von Anästhesietechnik noch Raum für Verbesserungen besteht.

Die APS-Empfehlungen bieten hilfreiche Ansatzpunkte, um den sicheren Geräteeinsatz und -betrieb in der

Anästhesie zu fördern. Dies trägt zur Stärkung der Patientensicherheit in der klinischen Versorgung bei.

HINWEIS

Ergebnisse der Studie zu Anästhesietechnik-assoziierten Ereignissen wurden im European Journal of

Anaesthesiology publiziert sowie auf dem Versorgungsforschungskongress 2013, Medizintechnik- und

Ergonomiekongress 2014 und Deutschen Anästhesiecongress 2014 präsentiert.

INTERESSENSKONFLIKT

Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Page 14: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

14

LITERATURANGABEN

[1] Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS).Agenda Patientensicherheit 2013—Tätigkeitsbericht; 2013.

[2] Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS). Leitfaden für APS-Arbeitsgruppen zur Erstellung und

Verbreitung von Handlungsempfehlungen; 2014.

[3] Hölscher U, Rimbach-Schurig M, Bohnet-Joschko S, Juditzki I, Siebert H. Handlungsempfehlung—

Patientensicherheit durch Prävention medizinproduktassoziierter Risiken. Berlin: Aktionsbündnis

Patientensicherheit (APS) (Hrsg.); 2014.

[4] Zippel C, Börgers A, Weitzel A, Bohnet-Joschko S. Many critical incidents could be avoided by

preanaesthesia equipment checks: lessons for high reliability organisations. EurJAnaesthesiol 2014;

31:289—91.

[5] Hübler M, Möllemann A, Eberlein-Gonska M, Regner M, Koch T. Anonymes Meldesystem kritischer

Ereignisse in der Anästhesie. Anaesthesist 2006; 55: 133—41.

[6] Möllemann A, Eberlein-Gonska M, Koch T, Hübler M. Klinisches Risikomanagement —

Implementierung eines anonymen Fehlermeldesystems in der Anästhesie eines Universitätsklinikums.

Anaesthesist 2005; 54: 377—84.

[7] Beydon L, Ledenmat PY, Soltner C, Lebreton F, Hardin V, Benhamou D, Clergue F, Laguenie G.

Adverse events with medical devices in anesthesia and intensive care unitpatients recorded in the French

safety database in 2005—2006.Anesthesiology 2010; 112: 364—72.

[8] Cassidy C J, Smith A, Arnot-Smith J. Critical incident reports concerning anaesthetic equipment: analysis

of the UK National Reporting and Learning System (NRLS) data from 2006—2008. Anaesthesia 2011;

66: 879—88.

[9] Regner M, Osmers A, Hübler M. Kritische Ereignisse mit Medizinprodukten. Anaesthesist 2012; 61:

452—6.

[10] Mehta S P, Eisenkraft J B, Posner K L, Domino K B. Patient injuries from anesthesia gas delivery

equipment: a closed claims update. Anesthesiology 2013; 119: 788—95.

[11] Gaba D M. Anaesthesiology as a model for patientsafety in health care. BMJ 2000; 320: 785—8.

[12] Cooper J B, Newbower R S, Kitz R J. Ananalysis of major errors and equipment failures in anesthesia

management: considerations for prevention and detection. Anesthesiology 1984; 60: 34—42.

[13] Motschall E, Falck-Ytter Y. Searching the MEDLINE literature database through PubMed:as hort guide.

Onkologie 2005; 28: 517—22.

[14] Lowe H J, Barnett G O. Understanding and using the medical subject headings (MeSH) vocabulary to

perform literature sear-ches. JAMA 1994; 271: 1103—8.

[15] Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Empfehlung der DGAI zur

Medizinprodukte- Betreiberverordnung; 2011.

[16] Medizinprodukte-Betreiberverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.August 2002

(BGBl.IS.3396), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 11. Dezember 2014 (BGBl. IS.2010)

geändert worden ist.

[17] Weir P M, Wilson M E. Are you getting the message? A lookat the communication between the

Department of Health, manufacturers and anaesthetists. Anaesthesia 1991; 46: 845—8.

Page 15: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

15

[18] Caplan R A, Vistica M F, Posner K L, Cheney F W. Adverse an esthetic out comes arising from gas

delivery equipment: a closed claims analysis. Anesthesiology 1997; 87: 741—8.

[19] Beydon L, Conreux F, Le Gall R, Safran D, Cazalaa J B. Analysis of the French health ministry’s national

register of incidents involving medical devices in anaesthesia and intensive care.Br J Anaesth 2001; 86:

382—7.

[20] Lorraway P G, Savoldelli G L, Joo H S, Chandra D B, Chow R, Naik VN. Management of simulated

oxygen supply failure: is the reagapin the curriculum? Anesthesia and analgesia 2006;102:865—7.

[21] Ben-Menachem E, Ezri T, Ziv A, Sidi A, Berkenstadt H. Identifying and managing technical faults in the

anesthesia machine: lessons learned from the Israeli Board of Anesthesiologists. Anesthesia andanalgesia

2011; 112: 864—6.

[22] Edworthy J, Hellier E. Fewer but better auditory alarms will improve patient safety. QualSafHealthCare

2005; 14: 212—5.

[23] Bundesärztekammer, Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Honorarärztliche Tätigkeit in Deutschland:

Positionsbestimmung der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Berlin;

2011.

[24] Rall M, Zieger J, Schädle B, et al. Dieneue Pa SOS-Reihe: ,Fehler vermeiden – Risiken kennen‘‘:

Wichtige Fälle und Analysen zur Erhöhung der Patientensicherheit. Anästh Intensivmed 2008; 49: 281—

4.

[25] Schüttler J, Biermann E. Der Narkosezwischenfall — Management kritischer Ereignisse und rechtliche

Aspekte. Stuttgart: Thieme; 2010.

[26] Brock-Utne J G. Case Studies of Near Misses in Clinical Anesthesia. New York: Springer; 2011.

[27] Mayor AH, Eaton JM. Anaesthetic machine checking practices. A survey. Anaesthesia 1992; 47: 866—8.

[28] Langford R, Gale TC, Mayor AH. Anaesthetic machine checking guidelines: have we improved our

practice? Eur J Anaesthesiol 2007; 24: 1050—6.

[29] Chopra V, Bovill JG, Spierdijk J, Koornneef F. Reported significant observations during anaesthesia: a

prospective analysis over an 18-month period. Br J Anaesth 1992; 68:13—7.

[30] Craig J, Wilson ME. A survey of anaesthetic misadventures. Anaesthesia 1981; 36: 933—6.

[31] Kumar V, Barcellos WA, Mehta MP, Carter JG. An analysis of critical incidents in a teaching department

for quality assurance. A survey of mishaps during anaesthesia. Anaesthesia 1988; 43: 879—83.

[32] Marcus R. Human factors in pediatric anesthesia incidents. Paediatr Anaesth 2006; 16: 242—50.

[33] Arbous MS, Meursing AE, van Kleef JW, de Lange JJ, Spoormans HH, Touw P, Werner FM, Grobbee

DE. Impact of anesthesia management characteristics on severe morbidity and mortality. Anesthesiology

2005; 102: 257—68.

[34] Weller J, Merry A, Warman G, Robinson B. Anaesthetists’ management of oxygen pipeline failure: room

for improvement. Anaesthesia 2007; 62: 122—6.

[35] Klopfenstein CE, Van Gessel E, Forster A. Checking the anaesthetic machine: self-reported assessment in

a university hospital. Eur J Anaesthesiol 1998;15: 314—9.

[36] Baum JA. Funktionsprüfung des Narkosegerätes bei geplantem Betriebsbeginn, bei Patientenwechsel im

laufenden Betrieb und im Notfall. Anästh Intensivmed 2006; 47: 57—62.

[37] Bohnet-Joschko S, Lücker V. Medizinprodukt-assoziierte Risiken: Zum Umgang mit meldepflichtigen

Ereignissen. Deutsche Zeitschrift für Klinische Forschung 2011:44—7.

Page 16: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

16

[38] Kaiser R, Ininger G, Stößlein E. Was sollte der Anästhesist über das aktuelle Medizinprodukterecht

wissen? Anaesthesist 2003;52: 363—74.

[39] Siebert H, Stockheim M, Kienapfel H, Blömer W. Meldeverfahren bei Vorkommnissen mit Implantaten.

Unfallchirurg 2011;114: 786—93.

[40] Zippel C, Börgers A, Weitzel A, Bohnet-Joschko S. Ansatzpunkte zur Vermeidung Anästhesietechnik-

assoziierter kritischer Ereignisse: Zum Potenzial klinikübergreifender Ana- lysen von freiwillig

berichtetem Risikowissen am Beispiel von Narkose- und Beatmungsgeräten. Anästh Intensivmed 2014;

55: 236.

[41] Flin R, Fletcher G, Mc George P, Sutherland A, Patey R. Anaesthetists’ attitudes to teamwork and safety.

Anaesthesia 2003; 58: 233—42.

[42] Staender S, Kaufmann M, Scheidegger D. Critical Incident Reporting. With a view on approaches in

Anaesthesiology. In: Vincent C, de Mol B, editors. Safety in Medicine. Amsterdam/New York: Pergamon

Elsevier Science; 2000. p. 65—82.

[43] Hübler M, Möllemann A, Metzler H, Koch T. Fehler und Fehlermeldesysteme in der Anästhesiologie.

Anaesthesist 2007; 56: 1067—72.

[44] Maas M, Guss T. Bedeutung von CIRS-Systemen für die klinische Praxis. Anasthesiol Intensivmed

Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 466—72.

[45] Staender S, Davies J, Helmreich B, Sexton B, Kaufmann M. The anaesthesia critical incident reporting

system: an experience based database. Int J Med Inform 1997; 47: 87—90.

[46] Rall M, Dieckmann P, Stricker E, und die Arbeitsgruppe Incident Reporting der DGAI.

Patientensicherheits-Optimierungs- System (PaSOS) — Das neue bundesweite Incident-Reporting-

System von DGAI/BDA. Anästh Intensivmed 2006; 47: S 20—4.

[47] Reed S, Arnal D, Frank O, Gomez-Arnau JI, Hansen J, Lester O, Mikkelsen KL, Rhaiem T, Rosenberg

PH, St Pierre M, Schleppers A, Staender S, Smith AF. National critical incident reporting systems

relevant to anaesthesia: a European survey. BrJ Anaesth 2014; 112: 546—55.

[48] Rohe J, Schleppers A, Sanguino H A, Pierre M, St.Dichtjar T, Thomeczek C, Heinrichs W. CIRS-AINS

Spezial: ,,Achtung LUER- Anschluss!‘‘ Das Problem der Luer-Anschluss-Verwechslungen im Spiegel

des CIRS medical Anästhesiologie.Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im

Gesundheitswesen 2011; 105: 67—9.

[49] Hahnenkamp C, Rohe J, Schleppers A, Sanguino HA, Pierre M, St. Dichtjar T, Thomeczek C, Heinrichs

W. CIRS-AINS Spezial: Systematische Auswertung von Berichten aus CIRSmedical Anästhesiologie —

Problemfelder beider Verwendung von Perfusoren. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualitätim

Gesundheitswesen 2012;106:138—42.

[50] Siebert H, Biberthaler P. Patientenrechtegesetz. Unfallchirurg 2013; 116: 661—3.

[51] Schleppers A, Dichtjar T. CIRS-AINS—Ein Jahr CIRS medical Anästhesiologie: Ein Jahr für die

Sicherheit unserer Patienten. Anästh Intensivmed 2011; 52: 382—3.

[52] Frank O, Hochreutener M, Wiederkehr P, Staender S. CIRRNET® — Aus Fehlern lernen, eine

Erfolgsgeschichte. Therapeutische Umschau 2012; 69: 341—6.

[53] Leape L L. Reporting of adverse events. The New England Journal of Medicine 2002; 347: 1633—8.

[54] Bohnet-Joschko S, Zippel C, Weitzel A. Know More:Medizintechnik im Fokus des klinischen

Risikomanagements. KU Gesundheitsmanagement 2011; Juni: 10—2.

Page 17: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

17

[55] Bohnet-Joschko S, Jandeck L M, Zippel C, Andersen M, Krummenauer F. Strukturiertes

Risikomanagement in Krankenhäusern —Kommt es doch auf die Größe an? Z Orthop Unfall 2011; 149:

301—7.

[56] Hart D, Lichte T, Jonitz G, Schrappe M. Sicherheitskultur — das magic bullet der Patientensicherheit?

Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 2009; 103: 491—2.

[57] Pfaff H, Hammer A, Ernstmann N, Kowalski C, Ommen O. Sicherheitskultur: Definition, Modelle und

Gestaltung. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 2009; 103: 493—7.

[58] Rall M, Gaba D. Human performance and patient safety. In: Miller R, editor. Miller’s Anesthesia.

Philadelphia, PA: Elsevier, Churchhill Livingstone; 2010. p. 93—150.

[59] Bohnet-Joschko S, Zippel C. Humanzentriertes Risikomanagement im Krankenhaus — Steuerung

operationeller Risiken im Kontext der klinischen Leistungserbringung Der Betriebswirt 2014; 55: 21—6.

[60] Reason J. Understanding adverse events: human factors. Qual Health Care 1995; 4: 80—9.

[61] Gaba D M. Structural and Organizational Issues in Patient Safety: A Comparison of Health Care to other

High-Hazard Industries. California Management Review 2000; 43: 83—102.

[62] Weick K E. Organizational Culture as a Source of High Reliability. California Management Review

1987; 29: 112—27.

[63] Samore MH, Evans RS, Lassen A, Gould P, Lloyd J, Gardner RM, Abouzelof R, Taylor C, Woodbury

DA, Willy M, Bright RA. Surveillance of medical device-related hazards and adverse events in

hospitalized patients. JAMA 2004; 291: 325—34.

[64] Fasting S, Gisvold SE. Equipment problems during anaesthesia — are they a quality problem? Br J

Anaesth 2002; 89: 825—31.

[65] Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Atemkalk: Hinweise zu korrektem

Umgang und fachgerechter Nutzung. Anästh Intensivmed, 2010; 51: 49—52.

Page 18: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

18

ABBILDUNGEN

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS):

• wurde 2005 aufgrund einer Initiative von engagierten

Vertretern aus verschiedenen Bereichen des

Gesundheitswesens gegründet;

• wird unterstützt von einer Vielzahl von Einrichtungen,

Unternehmen, Organisationen, Verbänden und

Institutionen des Gesundheitswesens,

Leistungserbringern, Krankenhäusern, medizinischen

und wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Behörden,

Patientenorganisationen, Experten und Interessierten;

• hat sich als zentraler Ansprechpartner und nationale

Plattform für alle Fragen zu einer sicheren Versorgung

der Patienten etabliert;

• entwickelt, fördert und koordiniert Maßnahmen und

Aktivitäten zur Patientensicherheit in Form von

Handlungsempfehlungen;

• unterstützt praktische Projekte und fördert

wissenschaftliche Forschung zur Verbesserung der

Patientensicherheit und zur Verminderung von

Behandlungsfehlern;

• arbeitet ehrenamtlich und finanziert sich aus

Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Fördermitteln;

• arbeitet als Netzwerk und vereint Akteure aus allen

Bereichen des Gesundheitswesens.

Infobox 1: Das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS)

Page 19: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

19

Anwender aktiver

Medizinprodukte Betreiber aktiver

Medizinprodukte A.1 Einweisungen ernst

nehmen

A.2 Funktionsprüfung

sorgfältig durchführen

A.3 Fehler und Probleme

immer melden

B.1 Klare Zuständigkeiten

B.2 Meldewesen organisieren

B.3 Systematische Beteiligung

der Medizintechnikabteilung in

allen Gremien des

Risikomanagements Infobox 2: Die APS-Empfehlungen an Anwender und Betreiber aktiver Medizinprodukte [2].

Page 20: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

20

Tab. 1: Zu „A.1 Einweisungen ernst nehmen“ – Auszug wichtiger Quellen zur Einweisung in Anästhesiegeräte.

Studie

Land

Datengrundlagen

Ausgewählte Ergebnisse

Cooper

et al.,

1984

[12]

USA 1.089 kritische Ereignisse aus vier

Krankenhäusern

Die Mehrzahl der Ereignisse wurde

auf eine unzureichende

Gesamterfahrung (n=208) und den

Umgang mit unbekannten

Medizingeräten (n=126)

zurückgeführt

Weir/Wi

lson,

1991

[17]

Großbrit

annien

89 Anästhesisten aus Südwestengland Rund 50% gaben an, nicht

ordnungsgemäß in die Geräte

eingewiesen worden zu sein bzw.

die Gebrauchsanleitung nicht

gelesen zu haben

Caplan

et al.,

1997

[18]

USA 72 juristische Schadensfällen mit

Bezug zur Anästhesiegaszufuhr

75% der Vorfälle gingen auf eine

Fehlbedienung des

Anästhesiegeräts zurück

Lorrawa

y et al.,

2006

[20]

Kanada 20 Residents Die Mehrzahl konnte bei einem

simulierten Ausfall der

Sauerstoffversorgung die (Reserve-

) Sauerstoffflasche nicht richtig

ersetzen bzw. anschalten

Beydon

et al.,

2010 [7]

Frankrei

ch

Ca. 2.000 Medizinprodukt-ereignisse

aus Anästhesie- und

Intensivabteilungen

Viele der als personenbezogen

eingestuften Ereignisse wurden auf

unzureichendes Geräte- und

Prozesswissen der Anwender

zurückgeführt

Ben-

Menache

m et al.,

2011

[21]

Israel Aufzeichnungen von 31 Probanden 45% hatten bei einem simulierten

Ausfall der Sauerstoffversorgung

Probleme bei der Veränderung von

Einstellungen am Gerät

Page 21: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

21

Tab. 2: Zu „A.1 Einweisungen ernst nehmen“ – Ausgewählte Studienergebnisse zu Anästhesietechnik-

assoziierter Risiken.

Studie Datengrundlage und –herkunft Ausgewählte Ergebnisse

Beydon et al., 2010 [7] 1.935 unerwünschte

Medizinproduktereignisse mit

Bezug zu Anästhesie und

Intensivmedizin, Datenbank der

französischen Agentur für die

Sicherheit von Medikamenten und

Gesundheitsprodukten

Verteilung Anästhesietechnik-

assoziierter Risiken:

- Infusionsgerät (694)

- Beatmung (347)

- Dialyse (183)

- Defibrillator (145)

- Monitor/Patientenüberwachung (136)

- Transfusion (130)

- Katheter-Port (105)

- Drainage (88)

- Regionalanästhesie (49)

- Medizinische Gasversorgung (38)

- Inkubator (Neonatologie) (20)

Cassidy et al., 2011 [8] 1.029 Anästhesieprodukt-

assoziierte Ereignisse, Nationales

Berichts- und Lernsystem für

England und Wales

Hauptkategorien betroffener

Anästhesiegeräte:

- Monitoring / Patientenüberwachung

(410)

- Probleme mit dem Beatmungsgerät

(185)

- Leckage im Atemsystem (99)

- Ausfall des Narkosegeräts, mangelnde

Ausrüstung (54)

- Intravenöse Infusionspumpe (53)

- Probleme am Narkosegasverdampfer

(52)

- Bett / Wagen-Probleme (26)

- Patientenwärmegerät (20)

- Gaszufuhr am Gerät (20)

- Ausfall des Gerätealarms (14)

- Andere (96)

Zippel et al., 2014 [4] 151 CIRS-Meldungen mit Bezug

zu Narkose- und

Beatmungsgeräten aus deutschen

Gesundheitseinrichtungen

Die zehn häufigsten berichteten

Risikoursachen:

- Narkosegasverdampfer unbeabsichtigt

aus/leer (14)

- Problem beim Wechsel des

Atemkalks (13)

- Messleitung eingeklemmt (CO2,

Narkosegas) (11)

- Beatmung mit Parametereinstellungen

des Vorpatienten (8)

- Handbeatmungsbeutel außer

Reichweite (7)

- Sauerstoffzufuhr bei Präoxygenierung

ausgeschaltet (6)

- Sauerstoffflasche am Beatmungsgerät

leer (6)

- Anästhesieeinheit versehentlich

ausgeschaltet (5)

- Narkosegerät bei Anschluss nicht

funktionsfähig (5)

- Leckage bei

Kombinationsprodukt/Anästhesiebedarf

(4)

Page 22: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

22

Tab. 3: Zu „A.2 Funktionsprüfung sorgfältig durchführen“ – Auszug wichtiger Quellen zur Funktionsprüfung in

der Anästhesie.

Studie Land Datengrundlage Ausgewählte Ergebnisse

Craig/Wilson,

1981 [30]

Großbritannien 81

Anästhesiezwischenfälle

aus einem Krankenhaus

Bei 33% der Vorkommnisse war

die nicht durchgeführte

Funktionsprüfung der häufigste

Risikofaktor

Cooper et al.,

1984 [12]

USA 1.089 kritische

Ereignisse aus vier

Krankenhäusern

Mit 22% war die Unterlassung der

Funktionsprüfung der häufigste

assoziierte Risikofaktor

Kumar et al., 1988

[31]

USA 43

Anästhesiezwischenfälle

aus einem Krankenhaus

21% der betrachteten

Anästhesieereignisse waren mit

der Nicht-Durchführung des

Gerätechecks assoziiert

Chopra et al.,

1992 [29]

Niederlande 549 Anästhesie-

assoziierte

Beobachtungen aus

einem

Universitätsklinikum

22% der betrachteten Ereignisse

beruhten auf der nicht

durchgeführten Funktionsprüfung

eingesetzter Geräte

Mayor/Eaton,

1992 [27]

Großbritannien 40 Anästhesisten aus

drei Krankenhäusern

41% der Probanden gaben an, den

Funktionscheck nicht

ordnungsgemäß durchzuführen

Arbous et al.,

2005 [33]

Niederlande Gegenüberstellung von

807 und 883 Todesfälle

unter 869.483 Patienten

Die Funktionsprüfung mittels

Protokoll und Checkliste (Odds

Ratio 0,64) und deren

Dokumentation (Odds Ratio 0,61)

waren die statistisch

signifikantesten Faktoren zur

Vermeidung Anästhesie-

assoziierter Risiken

Marcus, 2006 [32] Großbritannien 284 unerwünschte

Ereignisse aus der

Kinderanästhesie eines

Krankenhauses

Mit 17,8% war die nicht

durchgeführte Funktionsprüfung

die zweithäufigste

personenbezogene Ursache

Weller et al., 2007

[34]

Neuseeland 20 Anästhesisten des

„New Zealand Medical

Council”

70% erkannten bei einem

simulierten Ausfall der

Sauerstoffzufuhr präoperativ

nicht, dass die Ersatz-

Sauerstoffflasche leer war

Langford et al.,

2007 [28]

Großbritannien 41 Anästhesisten aus

Südwestengland

95% der Anwender führten den

Gerätecheck nicht vollständig

durch, nur 12% bei jedem

Patientenwechsel

Mehta et al., 2013

[10]

USA 40 juristische

Anästhesiegas-

assoziierte

Schadensfälle

35% der Anträge wurden als durch

eine präoperative

Funktionsprüfung des

Anästhesiegeräts vermeidbar

eingestuft

Zippel et al., 2014

[4]

Deutschland 151 kritische Ereignisse

im Umfeld von

Narkose- und

Beatmungsgeräten aus

drei NRW-Kliniken und

PaSOS

61% der Ereignisse hätten bei der

Gerätevorbereitung durch eine

Funktionsprüfung identifiziert und

abgewehrt werden können

Page 23: Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im ... · Specification of the recommendations of the German Coalition for Patient Safety (APS) for users and operators of anaesthesia

Die finale Version dieses Beitrags wurde in der Zeitschrift ZEFQ veröffentlicht und ist unter

folgendem Link verfügbar https://doi.org/10.1016/j.zefq.2015.06.001.

23

Tab. 4: Zu „B.2 Meldewesen organisieren“ – Kategorisierung der für die Anästhesie relevanten Berichts- und

Lernsysteme.

Kategorie

Beispiel

Internet-präsenz

Berufsgruppen-

spezifisch

CIRSmedical Anästhesiologie (CIRS-AINS) [51] www.cirs-ains.de

Überregional Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland (KH-CIRS) www.kh-cirs.de

Regional Netzwerk CIRS-Berlin www.cirs-berlin.de

International Critical Incident Reporting & Reacting NETwork

(CIRRNET) [52]

www.cirrnet.ch

Hausintern Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie,

Universitätsklinik Dresden [5], [6]

-