Pulssynchroner Tinnitus radiologische Diagnostik und · PDF fileAbschnitt der A. carotis interna. Dissektionen. Auch zu den Stenosen zu rechnen, aber meistens nicht durch Arteriosklerose

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  • Einleitung

    Tinnitus ist ein sehr weitverbreitetes Symptom. In derLiteratur schwanken die Angaben zur Inzidenz undweichen z.T. erheblich von einander ab. Es werdenZahlen zwischen 4 und 20% angegeben. Damit wirddeutlich, dass es in Europa mindestens so viele Patien-ten mit Ohrgerusch gibt wie mit koronarer Herz-erkrankung. Die Folgen einer koronaren Herzerkran-kung knnen natrlich weitaus schwerwiegender seinals die beim Tinnitus. Allerdings ist die Lebensqualittbei einem Tinnitus manchmal auch erheblich einge-schrnkt und kann Patienten sogar im wahrsten Sinnedes Wortes lebensmdemachen. Die meisten Tinni-tus-Patienten geben an, dass ihr Ohrgerusch perma-nent vorhanden ist, nur relativ wenige beschreiben esals pulsatil. Bei diesen Patienten kann der Tinnitus kli-nisches Zeichen einer lebensbedrohlichen Erkrankungsein.

    Symptome

    Der Tinnitus ist definiert als individuelle Geru-schwahrnehmung. Der Betroffene nimmt Geruschewahr, die keine uere, fr andere Personen wahr-nehmbare Quelle besitzen.

    Klassischer Tinnitus. Typisch ist ein permanentes Pfei-fen oder Quietschen als Dauerton im Ohr. Die Ursachendieses Tinnitus sind sehr vielfltig und nicht Gegen-stand dieses Textes. Die therapeutischen Optionen sindin vielen Fllen limitiert.

    Pulssynchroner Tinnitus. Der pulssynchrone Tinnitusist durch ein rhythmisches, vom Patienten im Ohr oderKopf wahrgenommenes Gerusch gekennzeichnet.Dieses Gerusch bringt der Patient meistens mit sei-nem Pulsschlag in Verbindung. Dieser pulssynchroneTinnitus ist Thema des folgenden Beitrags.

    Pulssynchroner Tinnitus radiologische Diagnostik und Therapie

    Pulsatile tinnitus radiologic diagnosticand therapeutic options

    Isabel Wanke, Michael Forsting, Daniel A. Rfenacht

    bersicht

    Einleitung 149Symptome 149Pathophysiologie 150Diagnostik 150Ursachen fr pulsatilen Tinnitus 151Therapeutische Optionen 159

    Neuroradiologie Scan 2 2014 DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1359182 VNR 2760512014144213211

    Fortbildung 149

    Zusammenfassung

    Ein pulssynchroner Tinnitus zeichnet sich durch

    ein rhythmisches Gerusch aus, das vom Patien-

    ten im Ohr wahrgenommen wird und dem Puls-

    schlag angepasst ist. Anders als beim klassischen

    Dauerpfeifton im Ohr lassen sich beim pulssyn-

    chronen Tinnitus oft krankhafte, vaskulre Ursa-

    chen in der Bildgebung feststellen. Dieser Beitrag

    soll zeigen, welche Ursachen es gibt, wie man sie

    darstellt und klar machen, dass es gefhrliche

    Ursachen fr ein pulssynchrones Ohrgerusch

    gibt, die behandelt werden mssen.

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  • Pathophysiologie

    Der pulssynchrone Tinnitus hat als Ursache hufig einevaskulre Pathologie oder wird durch eine Normvari-ante ausgelst. Anders als beim vom Patienten wahr-genommenen klassischen Dauerpfeifton im Ohr gibt esbei mindestens 2 Dritteln der Patienten mit pulssyn-chronen Tinnitus eine bildmorphologisch erkennbareUrsache, die man u.U. behandeln kann bzw. sogarbehandeln sollte [1].

    ndern sich der Fluss oder die Strmung des Blutes,geht dies auch immer mit einer nderung der Rey-noldszahl (RE=DichteGeschwindigkeitLnge/Vis-kositt) einher, die den Strmungszustand des Blutesbeschreibt. Im Gefsystem ist der Blutfluss zwar niestreng laminr, aber vermehrte Turbulenzen oderRezirkulationen kann der Patient als Flussgeruschwahrnehmen. Turbulenzen werden u.a. auch durchViskosittsnderungen des Blutes verursacht, so kannsich z.B. eine Anmie initial durch ein pulssynchronesOhrgerusch bemerkbar machen. Stenotische Gef-prozesse verursachen ebenfalls Turbulenzen des Blut-stroms, die je nach Lokalisation vom Patienten alsGerusch wahrgenommen werden knnen.

    Diagnostik

    Wichtig fr die Abklrung des pulssynchronen Ohr-gerusches ist zunchst die klinische Untersuchung.Dabei ist es natrlich ntzlich, dass der Untersucher dieverschiedenen mglichen Ursachen eines pulsatilenTinnitus kennt, um alle Informationen zu erhalten.

    Pulsatiler Tinnitus. Beim Tinnitus gilt es zunchstherauszufinden, ob es sichwirklich um einen pulsatilenTinnitus handelt, also um ein der Herzfrequenzangepasstes Ohrgerusch. Nicht selten lsst sich dasGerusch objektivieren durch das Auflegen einesStethoskops, z.B. am Hals oder hinter dem Ohr. Wennes aber keine objektivierbaren Gerusche gibt, lsstman den Patienten seinen eigenen Puls tasten und fragtihn dann gezielt, ob das Gerusch tatschlich demHerzschlag angepasst ist, also rhythmisch auftritt.

    Vense oder arterielle Seite. Die klinische Untersu-chung sollte herausfinden lassen, ob sich eine Patholo-gie auf der vensen oder arteriellen Seite befindet.Durch zervikale Kompression zunchst des vensenSystems und durch etwas erhhten Druck auf das arte-rielle System, die hintereinander auf beiden Seitendurchgefhrt werden sollte, lsst sich relativ einfach

    bestimmen, ob ein Problem auf arterieller oder venserSeite vorliegt. Das Gerusch reduziert sich bzw. ver-schwindet vollstndig, mitunter auch erst durchgezielte Kompression bestimmter Gefe, z.B. derA. occipitalis amWarzenfortsatz.

    Otoskopie. Ein Patient mit pulsatilem Tinnitus stelltsich initial hufig bei einem Hals-Nasen-Ohren-Arztvor. Stellt dieser bei der otoskopischen Untersuchungeinen Tumor fest, so ist die erste Wahl der radiologi-schen Manahmen eine Schnittbilduntersuchung.Dabei spielt die dnnschichtige CT eine groe Rolle,weil hierbei der kncherne Befund bzw. eine Destruk-tion des Felsenbeins mit grter Genauigkeit darge-stellt werden kann. Die Sensitivitt dieser Untersu-chung ist sehr hoch, sie ist allerdings in ihrer Spezifitteingeschrnkt. Die MRT bietet demgegenber denhheren Weichteilkontrast und erlaubt eine bessereartdiagnostische Zuordnung durch den Einsatz ver-schiedener Sequenzen.

    uere Symptome. Die Evaluation uerer Sympto-me ist von Bedeutung, wenn sie Zeichen von Erkran-kungen sind, die pulsatilen Tinnitus hervorrufen. Weistein Patient z.B. ein blasses Hautkolorit auf, knnte diesZeichen einer Anmie sein, die mit pulssynchronemOhrgerusch einhergehen kann. Blutuntersuchungensind hier ein Baustein der Ursachenabklrung. Weitereuere und klinische Merkmale sind z.B. bei derbenignen intrakraniellen Hypertension (BIH) wegwei-send. Die Merkmale sind sehr klassisch und sollten, dadie BIH nicht selten Ursache eines pulsatilen Tinnitusist, abgeklrt werden: Fettleibigkeit, junge Patientin,Visusminderung durch Papillendem, klassischerBefund in der MRT-Untersuchung (empty sella, auf-geweitete Optikusscheide, vense Stenosen, Abb.1).Die definitive Diagnose wird durch eine Lumbalpunk-tion gestellt, die einen erhhten Liquordruck (>20cmWassersule) ergibt [2].

    Gefstatus. Das Ohr, ein Teil der Schdelbasis, liegt inunmittelbarer Nhe zu wichtigen und groen arteriel-len und vensen Gefen. Lsst sich durch die klinischeUntersuchung klren, ob eine vense oder arteriellePathologie vorliegen kann, mssen die supraaortalenGefe genau abgeklrt werden. Hierbei ist zunchstder Einsatz der nicht invasiven Gefdarstellung indi-ziert, d.h., der erste Schritt ist eine Doppler-Untersu-chung der Hals- und Kopfgefe. Da sich mit demUltraschall nicht alle Gefabschnitte gleich gutbewerten lassen und es einiger Erfahrung des Unter-suchers bedarf, ist im Falle eines negativen Befundesdie weitere nicht invasive Abklrung des Gefstatus

    Neuroradiologie Scan 2 2014

    Pulssynchroner Tinnitus radiologische Diagnostik und Therapie150

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  • indiziert. Im Falle eines positiven Befundes wrde mangezielt mit Einsatz der CT oder MRT das morphologi-sche Korrelat untersuchen.

    Hierbei spielt weniger die Art der Bildgebung eine

    Rolle, also, ob CT oder MRT genutzt werden, als

    vielmehr das richtige Timing der Kontrastmittelga-

    be zur Darstellung des fraglichen Gefabschnitts.

    Bei einer CT ist eine native Untersuchung nicht not-wendig. Es sollte direkt eine CT-Angiografie durch-gefhrt werden. Mit richtigem Timing kann mittelsCT-Angiografie sehr gut gleichzeitig eine Aussagezum Status der Arterien und Venen gemacht werden,Artefakte durch turbulenten Fluss sind bei der CT imGegensatz zur MRT nicht vorhanden. Auch Norm-varianten, wie z.B. ein hochsitzender Bulbus venaejugularis, kann mit dieser Methode erfasst werden.Einschrnkungen hat diese Untersuchungsmodalittim Nachweis oder Ausschluss von gefkomprimie-renden, tumorsen Vernderungen, da der Weichteil-kontrast nicht optimal ist [3, 4].

    Weitere Ursachensuche. Wird in der CT- und MR-Angiografie inkl. Spin-Echo-Sequenzen keine Ursachefr einen pulsatilen Tinnitus gefunden, sollte eineKatheterangiografie in digitaler Subtraktionstechnik(DSA) diskutiert werden. Kleine Fisteln bzw. kleinearteriovense Shunts bei AV-Malformationen (AVM)knnen nur damit sicher ausgeschlossen werden. Vali-de Untersuchungen mit Einsatz der zeitaufgelstenMR-Angiografie zur Ablrung eines pulsatilen Tinnitussind derzeit noch nicht publiziert, mglicherweisewird

    diese Untersuchungsmethode aber in Zukunft durcheine Verbesserung auch der rumlichen Auflsungdazu beitragen, Patienten mit kleinen AV-Shunts zudiagnostizieren.

    Entscheidend bei der Durchfhrung einer Katheter-angiografie ist, dass die supraaortalen Gefe selektivaufgesucht werden. So sind Injektionen in die A. carotiscommunis oder gar nur in den Aortenbogen keinesfallsausreichend [5].

    Selektive Darstellungen der A. carotis interna und

    externa sowie beider Vertebralarterien sind bei der