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Ausgabe 2/10; Supplement zur Pharmazeutischen Zeitung 51/52/2010 PZ DEUTSCHES APOTHEKENMUSEUM 2 2010 www.pharmazeutische-zeitung.de Porträt. Deutsches Apotheken-Museum, Inv.-Nr. VII B 946

PZ DEUTSCHES APOTHEKENMUSEUM 2010 2€¦ · Der Codex »Thea-trum Sanitatis« (Biblio-teca Casanatense, Ms.4182, um 1400), vermittelt die Vor-stellung von einer solchen Bottega. Ta-fel

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Ausgabe 2/10; Supplement zur Pharmazeutischen Zeitung 51/52/2010

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Zuwachs erhält eine Museumssammlungfast täglich und das auf g anz unterschied-lichen Wegen. Der ein oder andere Besu-cher kommt unangemeldet mit frisch ge-erbten Altertümern vorbei, andere berei-ten die Übergabe lange vor.Manche Stückewerden gezielt auf Auktionen erworben,manches stammt aber auch vom Dachbo-den oder Trödelmarkt. 2010 kamen rund550 weitere Objekte neu in den Bestanddes Museums. Einige davon werden hiernäher vorgestellt.

Bewerbungen anno 1879Lange unbemerkt blieb ein Konvolut vonSchriftstücken im Museumsbestand. Es

war eingelegt in einen Band einer umfang-reichen Reihe von Rezepturjournalen ausder Schwan-Apotheke Hamburg, die be-reits vor vielen Jahren in das Museum ge-kommen war. Erst als die Journale für einewissenschaftliche Forschungsarbeit be-reitgestellt wurden, kam das flache Paketans Licht. Die handschriftlichen Blätterstellten sich als Bewerbungsschreiben her-aus, die auf eine am 5. Juli 1879 in der Phar-mazeutischen Zeitung erschieneneAnnon-ce hin verfasst worden waren. Unter dergroß gesetzten Überschrift »Hamburg«stand dort zu lesen:

»Zum 1. October wünscht Unterzeich-neter einen jüngeren Gehülfen zu engagi-

ren. – Die Herren Bewerber wollen Refe-renzen aufgeben und Abschrift ihrer Zeug-nisse beifügen. W. Mielck, Schwan-Apo-theke.«

Rund 30 Herren wandten sich darauf-hin mit Originalzeugnissen oder Abschrif-ten an Apotheker Mielck. Der Korrespon-denz sind teils interessante, teils auch kuri-ose Details zu entnehmen. So lautet dasPostskriptumder Referenz einesWilhelms-havener Apothekers für den Gehilfen Wil-helm Böhnke: »Hr. B. ist Baier u. spricht denNürnberger Dialekt« – ein Umstand, derdem Apothekenbesitzer bei einer Bewer-bung auf eine Stelle in Hamburg durchauserwähnenswert schien.

Wenn ein Bewerber in die nähere Aus-wahl kam, kontaktierteMielck ihn sogleichper Brief und teilte die Rahmenbedingun-genmit, darunter die Länge der Arbeitszei-ten (täglich von 7 bis 22 Uhr), die Art derStelle (zweiter Receptar) und die Höhe desGehalts (72 Mark monatlich). Die Antwort-schreiben wiederum zeigen, dass dies inder Regel als akzeptabel galt. Nur HugoMaurer, der in der Apotheke Blankenburgvom 1. 7. 1877 bis zum 1. 4. 1878 als Defektararbeitete und danach dort als Rezeptarwirkte, schrieb:

»[...] dass ich gern bereit bin, die Stellein Ihrem Geschäft zu besetzen, jedoch ichmich, was das Gehalt betrifft, nicht geradeverschlechtern [möchte]. Ich bekommehier 75 Mark per. M. Da dieser Unterschieddoch ein ziemlich geringer ist, so darf ichSie wohl, falls Sie noch auf mich reflektie-ren sollten, höflich ersuchen, Ihre Bedin-gungen, dahin abzuändern. Im Uebrigensind ja Ihre Bedingungen recht annehmba-re. Mit Hochachtung […].

Apotheker Mielck markierte dieSchlussbemerkung mit einem Fragezei-chen und vermerkte am Rand des Schrei-bens: »Abgeschrieben am 13. 7. 79«.

Von Chile nach CoburgDen Schreiben sind auch recht bewegteLebensläufe zu entnehmen, wie das Bei-spiel von Heinrich Haesemeyer zeigt. Erschrieb am 8. 7. 1879 (Abbildung):

»Sehr geehrter Herr! [...]. Ich bin ausValparadiso gebürtig […] Republik Chile inSüdamerica. Mit dem 14.ten Jahre verließich meine Vaterstadt, um in Greifswald,Pommern die dortige Realschule zu besu-chen […]. Da in der Zwischenzeit meine El-tern nach Coburg zogen, verließ ich Greifs-wald, um hier in Coburg noch die Secundazu besuchen […] . Hernach trat ich am 1tenMai 1876 in die hiesige Hofapotheke desHerrn Heil als Lehrling ein, wo ich die ers-ten zwei Jahre Rezeptur besorgte und jetztseit 1/4 Jahr die Defectur übernommen

Neuerwerbungen 2010Immer neue KostbarkeitenVon Elisabeth Huwer und Claudia Sachße / Bewerbungsschreiben, Briefemit Spuren einer Desinfektionsbehandlung und ein Porträt: Dies sind nureinige wenige Stücke aus den wertvollen Neuzugängen im DeutschenApotheken-Museum. Sie geben Einblick in das Alltagsleben frühererJahrhunderte.

Bewerbungsschreibendes Apotheker-gehilfen HeinrichHaesemeyer anApotheker W. Mielck,Schwan-ApothekeHamburg, vom 8. Juli1879

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habe […] und ich glaube, daß ich im Standebin in meinen Leistungen allen Anforde-rungen zu genügen.Mein Examen […] habeich in Gotha […] mit der ersten Note be-standen und kehrte hernach in die hiesigeApotheke zurück. Da es nun mein Wunschist die jetzige Stellung zu verändern, erlau-be ich mir, mich um die Vacanz in IhremGeschäft zu bewerben, indem ich Ihnendie Versicherung gebe, dass ich Alles auf-bieten werde Ihre Zufriedenheit zu erlan-gen. Ich bemerke n och, dass ich als ameri-kanischer Bürger militärfrei bin […].«

Die vollständige Transkription derSchreiben (Inventarnummer VII B 1381) istim Gang. Sicherlich treten dabei noch vieleinteressante Details, beispielsweise zurApothekerausbildung oder zu den erstenJahren im Berufsleben, zutage.

Apotheker oder Arzt?Mit freundlicher Unterstützung durch denFörderverein Deutsches Apotheken-Muse-um konnte 2010 ein seltenes Zeitzeugnis,ein Porträt aus dem mittleren 18. Jahrhun-dert, erworben werden. Es wird in Verbin-dung gebracht mit der Löwen-Apotheke inMölln (Schleswig-Holstein). Als Besitzerder 1637 gegründeten Apotheke nennendie Quellen für das 18. Jahrhundert die Fa-milien Schmaltz undMolle in je zwei Gene-rationen sowie ab 1764 ApothekerWilhelmBoye. Ob undwenn ja welcher dieser Besit-zer darstellt wird, ist noch nicht geklärt.

Das Bildnis zeigt einenMannmittlerenAlters mit kurzer Perücke, der den Betrach-ter direkt anblickt (siehe Titelblatt, Lossen-Foto, Heidelberg). Der leicht geöffneteschwarze Mantel lässt ein kostbares wei-ßes Spitzenjabot sowie an der rechten,ringgeschmückten Hand eine weiße Spit-zenmanschette erkennen.

Die weiteren Bilddetails betten ihn insein berufliches Umfeld ein. Ein grünerVorhang hinter dem Porträtierten ist zu-rückgehoben und gibt den Blick frei auf einRepositorium1 darin aufgereiht Gefäße ausHolz und Zinn,mit Kork verschlossene Vier-kantgläser sowie blau bemalte Fayencen.Die Zinn- und Glasgefäße tragen weiße,schräg über die Wandung verlaufendeSchriftfahnen. Die rechte Hand ruht auf ei-nem Buch. Darunter schaut ein Papier her-vor mit einer Rezeptanweisung für »Pillu-lae Aloephanginae«, ein aromatisches ma-genstärkendes Mittel. Auf dem Tisch lie-gen eine Handwaage, Drachmen- undObolusgewichte sowie eine Reibschale.

All diese Details könnten auf das Port-rät eines Apothekers hindeuten. Doch un-gewöhnlich ist die Aderlasslanzette aufdem Buch. Das Aderlassgerät war gewöhn-lich dem Arzt oder Bader vorbehalten.

Zeigt das Bildnis vielleicht einen Arzt, derdas Dispensierrecht hatte?

Briefe in Zeiten der CholeraZwei Briefe aus dem 19. Jahrhundert aus derSammlung von Klaus Meyer beleuchten dieGeschichte der Post ebenso wie die der Vor-sorge inSeuchenzeiten. AdressatbeiderBrie-fe war »N.H. Schreider / Rheims / en Cham-pagne« in Frankreich. Der erste Brief wurdeam 17. Januar 1832 von einem H. Schwarz-KochausAltonaverschickt, der zweiteam10.März desselben Jahres von J. G. Süsskind ausAugsburg (Inv.-Nr. VII A 1379a-b).

Die Briefe wurden versandt in der Zeitder Cholera-Epidemie, die Europa 1830 bis1832 heimsuchte. Sie tragen Stempel, hand-schriftliche Vermerke und Spuren ihrer Be-handlung an denGrenzübergängen in Straß-burg (Elsass) und Forbach (Lothringen).

Strenge Kontrollen und Desinfektionaller ankommenden Briefe und Güter anden Landesgrenzen waren gängige Maß-nahmen, um unbefallene Gebiete vor An-steckung aus »verdächtigen« Regionen zuschützen. Jahrhunderte lang vermuteteman, dass Briefen Krankheitsträger an-hafteten. Die »Reinigung« von Post gehtwohl schon auf das 14. Jahrhundert unddie große Pestepidemie zurück. In der Fol-

gezeit war dies weit verbreitet und Teilvon amtlichen Verordnungen in Seuchen-zeiten, bis im frühen 19. Jahrhundert dergeringe Nutzen dieser Maßnahmen er-kannt wurde.

Das Reinigen von Briefen mussten vorallem Postbedienstete und Postillione leis-ten. In »Rastelstationen« wurden Briefeunter anderem mit Perforierzangen, soge-nannten Rasteln, durchlöchert, um sie überspeziellem Rauch zu reinigen. Die Briefemussten teils geöffnet werden, um sieauch von innen zu behandeln, und warenanschließend ungelesen wieder zu ver-schließen undmit Prüfsiegel oder -stempelzu versehen.

Räucherpulver mit stark riechendenStoffen und Chemikalien wie Wacholder,Lorbeer, Essig, Salpeter oder Schwefel wur-den in Apotheken angefertigt. Ebensowur-den Briefe mit Essig bespritzt. Kam einBrief dabei zu Schaden, gab es Verfahren,die Tinte wieder sichtbar zu machen.

Lochungen im Papier des älteren Brie-fes zeigen, dass er mit einer Rastel behan-delt wurde. Eine solche ist auch imDeutschen Apotheken-Museum vorhan-den (Abbildung). Unsere beiden Briefe zäh-len zu den späten Zeugen dieser Siche-rungsmaßnahmen, als die Cholera Anfang1832 bereits am Abklingen war. Der Inhaltbeider Schreiben ist geschäftlich, unter an-derem Finanzinformationen und Bestel-lungen. So ordert Süsskind am Ende seinesBriefes vom Feinsten, auch in Notzeitenwie diesen: »35 bouteillen weißen / 15 bou-teillen rothen / zul. 50 bouteillen bestenChampagner mousseure / 1 Qualité«. /

Brief vom 17. Januar1832 mit Löchern, dievon der Desinfektionmit einer solchenRastel (19. Jahr-hundert) herrühren(Inv.-Nr. VII A 1379,VII E 151a)

Einladung!

Alle zwei Jahre treffen sich die Freundeund Förderer des Deutschen Apotheken-Museums zur Mitgliederversammlungmit Exkursion an kulturhistorisch inter-essanten Orten in Deutschland. DiesmalfindetdasTreffenvom15.bis 17.April 2011in Quedlinburg statt. SatzungsgemäßstehenVorstandswahlen an. Informatio-nen zur Tagung und zum Fördervereinunterwww.foerderverein-dam.de /

Literatur:

Dressendörfer, W. (Hrsg.), Apotheker-Kalender2011, Blatt 6.

Meyer, K., Desinfizierte Post – von ihren Anfän-gen bis heute. Postgeschichte und Altbrief-kunde 89, 1987.

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Unter einem Albarelloversteht man heute ei-nen zylindrischen Ke-ramiktopf mit konka-ver Wandung und aus-geprägtem Mündungs-rand, dessen Profil zurSchulter und zum Fußscharf umbricht. DieseKurzfassung definierteine Gefäßform, dievom 12. Jahrhundert anin Persien und Syriengetöpfert wurde (Ab-bildung 1). In Italiennannte man sie »albareglidomaschini«, wie aus einerder Inventarlisten des Piero de´Medici von 1463 hervorgeht. Andieser Formtypologie orientiertensich die im postmaurischen Spanien sowieim Italien des 15. Jahrhundert entstande-nen Produktionen, die ihren Vorbildern be-sonders in puncto Dekor und Farbenprachtnacheiferten.

Im Dekameron genanntAlbarello war bereits im 14. Jahrhundertein fester Begriff, der beispielsweise imDekameron von Giovanni Boccaccio litera-rische Erwähnung fand. Beispielweise er-zählt die dritte Geschichte vom 7. Tag: »Al-berelli, gefüllt mit Latwergen und Salben,

stehen in solcher Men-ge in Mönchszellen,dass man selbigeeher für Spezerei-oder Salbenläden hältals für Klosterzellen . . .«(Dek. VII,3).

Der Codex »Thea-trum Sanitatis« (Biblio-teca Casanatense,Ms.4182, um 1400),vermittelt die Vor-stellung von einersolchen Bottega. Ta-fel CLXXV zeigt viel-

leicht eine der frühes-ten Albarelli-Abbildungen

unter dem Titel »Mandelöl«,wo ein Ölausschank am Laden-

tisch sowie prächtige Majoliken inSzene gesetzt werden (Abbildung 2). Imzweiten und dritten Regal erkennt man zy-lindrische Keramiktöpfe, die zwar keineKonkavität zeigen, aber eine Bemalung inder für Albarelli typischen Manier.

Glossarien und EtymologieTatsächlich reicht die Benennung »albarel-lo« historisch noch weiter zurück als dieArtefakte der Töpfereien von Faenza undbezeichnete glasierte (Salb-)Gefäße mitDeckeln; dies belegen hochmittelalterlicheRegesten aus Pisa.

Pår Larson notiert das Substantiv »albarel-lum« in seinem Glossario Diplomatico Tos-cano avanti dell XII betreffs der Empfangs-bestätigung eines wohlhabenden Kleri-kers. Dieses listet für Mai 1196 unter ande-rem ein k leines Gefäß mit kugelförmigemDeckel (oder Deckel mit Kugelknauf) auf:»parvum albarellum de terre cum globo«.Das liefert zwar kaum Erkenntnisse zur Ge-fäßform, vermittelt jedoch, dass »alba-rello« bereits im 12. Jahrhundert einen Ke-ramiktopf definierte. Die Verkleinerungs-form »alberellino« ist im Übrigen seit 1310nachweisbar.

Unklarheit herrscht allerdings überdie Herkunft des Terminus selbst. Auto-ren, die »àlbero« (Baum) als Ursprung se-hen, berufen sich auf »albarèllo piccolo àl-bero«, also die Verkleinerungsform vonBaum. Das aktuelle Dizionario Etimologi-co della Lingua Italiana leitet den Gefäß-namen von lateinisch »albaris« ab undmeint einen weiß glasierten Behälter. Fürdiese Version könnte der Umstand be-deutsam sein, dass im 9. Jahrhundert einebegehrte weiß glasierte Keramik irakischeManufakturen verließ, gefolgt von weißgeschlickerter Ware aus dem Iran im 10.Jahrhundert.

Manche Forscher halten »alveolus«oder »albarius« (Gefäß) für das Stamm-wort, andere den Begriff »al barani«, derGewürztopf bedeuten soll. Letzteres, dieetymologische Ableitung von einem orien-talischen Wort, wird von dem LinguistikerF. J. Steingass, A Comprehensive Persian-English Dictionary, gestützt. Er sieht denUrsprung im persischen »bærni«, was einKeramikgefäß mit Deckel meint, das zurAufbewahrung von medizinischen Zube-reitungen, Zucker oder Öl dient. Hiervondeduziert Arabisch »bærnıya« mit demPlural »bærani«, dasmit Artikel »al-bærani«ergibt. Im Spanischen heißt es noch heutealbornía, während im Persischen Gefäßedieser Art »sarf« oder »goldan« genanntwerden.

Muss ein Albarello konkav sein?Fragen ranken sich auch um das konkaveProfil. Stand tatsächlich der Bambus Pate,dessen Internodien und Nodienwülste diekonkave Form für daraus gefertigte Büch-sen vorgaben, die als Verpackungsbehäl-ter im Ostasienhandel dienten? Oder wa-ren es praktische Erwägungen wie diebessere Handlichkeit? Konkav sind übri-gens auch mittelalterliche Holzstandge-fäße europäischer Provenienz; hier inte-grieren sich Fuß- und Deckelzone über-gangslos in den Gefäßkörper, wie es di-verse Stücke derMuseumssammlung oderein französisches Manuskript des 13. Jahr-

Albarelli»Gefüllt mit Latwergen und Salben«Von Gisela Stiehler-Alegria / Über kaum ein Gefäß ist wortgeschichtlichmehr spekuliert worden als über den Albarello. DasWort taucht bereits im12. Jahrhundert auf. Aber woher stammt es, und was war ursprünglichdamit gemeint?

Abbildung 2:Ausschnitt der Tafel175, Codex TheatrumSanitatis, um 1400

Foto: BibliotecaCasanatense, Rom,Ms.4182

Abbildung 1 (oben):Topf mit monochromblauer Kobaltglasurund konkaverWandung, H18,8 cm.Rayy (Nordiran), 12.Jh., Prime MinistryCollections, Tehran

Foto: M. Kiani, IranianPottery 1978, Nr. 89

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Abbildung 4:Monochrom türkis glasierter Topfmit koni-scherWandung, Höhe 16 cm. Ostiran, 12. bis 14. Jh.

Deutsches Apothekenmuseum, Inv.nr. II E 0562

hunderts (heute Trinity College Cam-bridge 0.1.20.) veranschaulichen.

Konkav ausgeformtwurden Standring-gefäße bereits im 2. Jahrtausend vor Chris-

tus in Susa (Westiran). Sie unterscheidensich nur durch die fehlende Schulter vonden Albarelli.

Die Entwicklung von konkaven Topf-formenmit den eingangs definierten Cha-rakteristika darf als Innovation des12. Jahrhunderts gelten. Bis dahin über-wogen zylindrische Prototypen mit leichtkonvexer Wandung, wie sie ein Exemplaraus dem 10. Jahrhundert aufweist (Abbil-dung 3). Zum Fundus des Deutschen Apo-theken-Museums zählt dagegen ein Kera-mikgefäß mit konisch ansteigender Wan-dung. Das monochrom türkisfarben gla-sierte Stück zeichnet sich durch kurzenHals, Wulstrand sowie Profilierungen anHals und Schulter aus (Abbildung 4). Der-art geformte Töpfe gab es im Orient in di-versen Größen; sie blieben – parallel zumkonkaven Typus – bis ins 14. Jahrhundertin Gebrauch.

Noch lässt die Quellenlage offen, obmit demWort Albarello eine regionale ita-lienische Bezeichnung bei Formgleichheitauf Importkeramik übertragen wurde oderob die Benennung der orientalischen Arte-fakte zur Wortbildung beitrug. In ihrer

Form entsprachen die frühen Albarellisicher nicht dem postulierten konkavenSchema. Dies gilt auch für Erzeugnisse jün-gerer Epochen. /

Abbildung 3: Weiß geslippter, bemalter Topf mitschwach konvexer Wandung, Höhe 23 cm. Afrasi-yab (Samarkand), 10. Jh., Al-Sabah Collection,Kuwait, LNS 1027C Foto: Aquarell der Autorin

BrigitteM. Gensthaler, Ingolstadt / Am24.November feierte Apothekerin Professor Dr.Dr. Christa Habrich ihren 70. Geburtstag.Der festliche Orban-Saal in Ingolstadt reich-te kaum für die vielen Gratulanten aus. Dr.Hermann Vogel, Vorsitzender der StiftungDeutsches Apotheken-Museum, zeichnetedie Kollegin mit der Fritz-Ferchl-Medailleaus.

Diese Medaille ist nach Dr. Fritz Ferchlbenannt, der das Deutsche Apotheken-Museum 1937 gründete.Mit der Verleihungwürdigten der Stiftungsvorstand und derFörderverein Deutsches Apotheken-Muse-um die wissenschaftliche, museale undpublizistische Lebensleistung der Apothe-kerin, Medizin- und Pharmaziehistorikerin.»Sie sind in jeder Hinsicht ein Phänomen«,betonte Vogel und meinte damit nicht nurihre Arbeit als Kuratorin und Direktorin desDeutschen Medizinhistorischen Museumsin Ingolstadt (siehe Laudationes in PZ 46).In fast 40-jährigem ehrenamtlichen Diensthabe sie dem Museum eine einzig artige,unübertroffene Prägung gegeben.

OberbürgermeisterDr. Alfred Lehmannwürdigte dasMuseumals »kulturellen Bot-schafter Ingolstadts mit überragender in-ternationaler Bedeutung«. Mit Spürsinn

und hoher Fachkenntnis habe sie hier diegrößte medizinhistorische Sammlung inDeutschland zusammengestellt. Einen Ein-blick bietet die Sonderausstellung »MitSinn und Verstand. Eine Ausstellung fürChrista Habrich«, die an diesem Abend er-öffnet wurde (www.dmm-ingolstadt.de).

In der Einführung verwies DirektorinPrivatdozentin Dr. Marion Maria Ruisingerbesonders auf denAudioguide, in demHab-

Fritz-Ferchl-Medaille für Christa Habrichrich Geschichten zu ihren Lieblingsobjekten– »und damit ein bisschen auch ihre eigeneGeschichte« – in deutscher und französi-scher Sprache erzählt. Als »Geburtstags-strauß in gebundener Form« sei der prächti-ge Katalog entstanden. Eine Ausstellungzum Geburtstag? »Unsere Objekte fügensich hier zu einer Choreografie«, schwärmteHabrich in ihren Dankesworten. Diese Aus-stellung sei ihr schönstes Geschenk. /

Freude über die Fritz-Ferchl-Medaille (von links): Dr. Gerhard Gensthaler, stellvertretender Vorsitzenderdes Fördervereins, Dr. Elisabeth Huwer, Direktorin des Deutschen Apotheken-Museums in Heidelberg,Professor Dr. Christa Habrich und Dr. Hermann Vogel Foto: PZ/Gensthaler

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Damit bot sie einen guten Rahmen für dierund 40 Sammler und Museumsmitarbei-ter, die sich vom 29. bis 31. Oktober 2010 inder Fachwerkstadt trafen.

Museumsmetropole Bönnigheim? Ingewissem Sinne schon. Hier ist nicht nurdie europaweit bedeutendste Sammlungvon »Art brut« und Naiver Kunst zu finden.Die Sammlung der ehemaligen GaleristinCharlotte Zander umfasst rund 4000Kunstobjekte und ist im Schloss Bönnig-heim öffentlich zugänglich. Gleich benach-bart wurde im ehemaligen Forstgefängniseine Dauerausstellung zu Sophie La Roche(1730 bis 1807) eingerichtet. Den ThemenAlkohol und Pharmazie sind zwei weitereMuseen gewidmet.

Destillate ganz konkretDer Begrüßungsabend fand im Kellerge-wölbe des mit 700 Jahren ältesten Gebäu-des in Bönnigheim, im sogenannten Stein-

haus, statt. Es beherbergt das SchwäbischeSchnapsmuseum mit einer beeindrucken-den Sammlung von Destillieranlagen. Die-se stammenmeist aus den zahlreichen tra-ditionsreichen Brennereien der näherenundweiterenUmgebung. ZumTeil handeltes sich auch um beschlagnahmte Geräte,einige davon abenteuerliche Konstruktio-nen aus Dampfkochtöpfen, Milchkannenoder Kühlern von Militärfahrzeugen, wieder Gründer und Leiter des Museums, KurtSartorius, erläuterte. Gemeinsam mit sei-ner Frau Marianne und dem Museums-teamwar er Gastgeber der Arbeitsgemein-schaft.

Anschließend lernten die aus ganzDeutschland angereisten Teilnehmer einenunverzichtbaren Trägerstoff in der Phar-mazie näher kennen: den Alkohol. Bei derLikör- und Schnapsverkostung konnten sie15 unterschiedliche Sorten verkosten, vombitteren Blutwurzeldestillat bis zum köstli-

chen Williams-Christ-Brand mit einge-wachsener Birne. Kurt Sartorius führtedurch den Abend und berichtete Interes-santes und Kurioses aus der Geschichtedes Alkohols und über dessen vielfältigeRolle in Medizin und Pharmazie.

Wertvolle PrivatsammlungenAm nächsten Morgen begann das Vortrags-programmmit einemEinblick in die Entwick-lung der Arzneibuchliteratur von GünterBergmann, Wallgau. Anhand rarer Erstaus-gaben und seltener Raubdrucke aus der ein-zigartigen Sammlung von rund 800 Druck-werken, die er mit seiner Frau im Lauf vonJahrzehnten zusammengetragen hat, veran-schaulichte ermitOriginalen abdem15. Jahr-hundert den Weg vom nützlichen Kompen-dium zum gesetzlich vorgeschriebenen Arz-neibuch. Das Interesse der Teilnehmer andiesem Gebiet war so groß, dass bereits einNachfolgevortrag bei einer der nächsten Ta-gungen ins Auge gefasstwurde.

Gleich im Anschluss referierten Homiund Ralf Jena, Essen, über ihre wertvolleMörserkollektion und die stilistische Ent-wicklung der süd- und norddeutschenMörsertypen. Dies erläuterten sie mit Bei-spielen aus ihrer Sammlung, die ebenfallsmehrere Hundert hochwertige Schwerge-wichte umfasst. Die Frage, wie FälschungvonOriginal zu unterscheiden sei, stand imMittelpunkt der regen Diskussion nach ih-rem Vortrag.

Beim Stadtrundgang führte Kurt Sar-torius, der auch der Historischen Gesell-schaft Bönnigheim vorsteht und wesent-lich zur Entwicklung des vielfältigen kultu-rellen Angebots in der Stadt beigetragenhat, zu verschiedenen Baudenkmälern der793 ersterwähnten Stadt.

Auch medizinhistorische Besonderhei-tenwie dieGeschichte vonBarbara Schmot-zerin und ihrem Kinderreichtum kamen da-bei zur Sprache: 53 Kinder soll sie zur Weltgebracht haben, berichtet sie in ihrer Auto-biografie und per Brief an KaiserMaximilian I(1459 bis 1519). So ist es auch auf einemTafelbild aus dem Jahr 1508 in der Bönnig-heimer Cyriakus-Kirche dargestellt. Jedochstarben alle Kinder früh, und das Ehepaarverschied kinderlos – so die Überlieferung,mit der sich bereits einige Medizin- undPharmaziehistoriker beschäftigt haben.

Einzigartige ObjekteAm Nachmittag ging es dann um öffent-lich zugängliche Sammlungen und Muse-en. Den Anfangmachte Felicitas Franz-Bol-singer, Künzelsau. Mit Gerätschaften undGefäßen des 19. und frühen 20. Jahrhun-derts, die vorwiegend aus der Johannes-Apotheke Künzelsau stammen, richtete sie

JahrestagungIn der Museumsstadt Bönnigheimzu GastElisabeth Huwer, Heidelberg / Passend zum museologischen Schwer-punkt der Arbeitsgemeinschaft Pharmaziehistorische Museen undSammlungen fand die 9. Jahrestagung in Bönnigheim statt. Die kleineStadt im schwäbischen Zabergäu weist statistisch gesehen mehr Museenpro Einwohner auf als Berlin.

Das MuseumArzney-Küche inBönnigheim ist imLaboratoriumsgebäu-de aus dem 19.Jahrhundertuntergebracht.

Foto:Museum Arzney-KücheBönnigheim

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Mitten in den Sommerferien verwandeltesich das Heidelberger Schloss in ein zau-berhaftes Märchenschloss. Der gestiefelteKater, Rotkäppchen, Aschenputtel und Co.zogen mit einer klingenden Parade am22. August ein und bevölkerten den Innen-hof des Schlosses. Am japanischen Perü-ckenstrauch erzählte Frau Holle von ihrenErlebnissenmit der Pechmarie. Auch Stern-taler und Froschkönig konnten nach ihremmärchenhaften Leben befragt werden.

Im Apotheken-Museumwaren die gro-ßen und k leinen Gäste eingeladen, sich als»Apotheker« zu versuchen. Informationenzu einzelnen Pflanzen, verbunden mit ei-nem Kräuterquiz, gab es in der BambergerOffizin. Die Kinder konnten Pflanzenbildermit Memo-Effekt mitnehmen, um dann inder Kinderapotheke eine kreative Teemi-schung oder ein historisches Teerezept zu-zubereiten. Von der Teestation ging es zumStand mit der duftenden Salbe: Es galt,Wollwachs und destilliertes Wasser zu ei-ner Salbe zu vermengen; ein ätherisches Ölverlieh der Mischung die eigene Note.

Vor dem Apotheken-Museum hattendie Mitarbeiter spannende Experimenteaufgebaut, unter anderem ließen sie Rake-ten steigen. Auch verschiedenen Super-marktprodukten und ihren chemischen Ei-genschaften gingen sie nach. Mit Wasser,Luft, Feuer und Erde g ab es kleine Versu-che, die Spaß machten und die vier Ele-mente charakterisierten.

Im Außenbereich des Museums warte-te eine weitere Attraktion. Ein großes Se-gel verhieß den Ausgangspunkt einer Reisedurch den Schlosspark. Von der Exkursionsollten die Gäste ein Gingko-Blatt mitbrin-gen, undWasser aus einer Quelle schöpfenund in einem Gefäß zum Apotheken-Mu-seum transportieren. In den Nischen derSubstruktionsmauern waren Kräuter ver-steckt, die in einem Herbarium zu sam-meln waren. Wer vier von fünf Stationenerfolgreich bestanden hatte, wurde mit ei-ner Überraschung aus dem Schatzkäst-chen belohnt. Rund 300 kleine »Apothe-kerlehrlinge« gingen an diesem Abendglücklich nach Hause.

Renaissance auf dem Schloss»Heidelbergs letzter Ritter lädt zum Fest!«So hieß es im September ein ganzes Wo-chenende lang. Der 400. Todestag von Kur-

fürst Friedrich IV. von der Pfalz (1574 bis1610) bot Anlass, das Schloss in der Zeit derSpät-Renaissance aufleben zu lassen.

Mit einem facettenreichen Programm er-innerten die Staatlichen Schlösser undGärten Baden-Württembergs an den po-pulären und trinkfesten Regenten: histori-scheMusik undGaukler, Vorträge und Son-derführungen. Im Deutschen Apotheken-Museum konnten die Heidelberger einigesüber die Heilkunde zur Zeit ihrer Kurfürs-ten erfahren: über die ersten HeidelbergerApotheken, die kurfürstlichen Hofapothe-ker und Leibärzte, über die kurfürstliche Bi-bliothek mit ihrer herausragenden Samm-lung medizinischer Werke, den Apotheker-garten und den berühmten Hortus medi-cus der Universität.

Der 18. September war zudem als The-mentag dem Leben bei Hofe und den kuli-narischen Genüssen der Zeit gewidmet.Und was kann Geschichte(n) von Heilkun-de und Kochkunst besser verbinden als Ge-würze?! Pfeffer, Nelken, Zimt oder Muskat– sie sind ebenso aromatische und augen-fällige Speisezutat wie wertvolles Heilmit-tel. So befasste sich der zweite Teil der Son-derführung im Museum mit den Gewür-zen in der historischen Arznei und Küche.

Gewürze, teures HandelsgutExotische Gewürzdrogen zählten zu denbegehrtesten und teuersten Handelsgü-tern. Seit demMittelalter sind sie aus Apo-theke und Küche nicht mehr wegzuden-ken. Zeitgenössische Arznei- und Kochbü-cher wie das »New Kochbuch« von 1581,verfasst vom Leibkoch des Mainzer Erzbi-schofs Max Rumpolt, und das »Kräutter-buch« des Hieronymus Bock aus dem Jahr1595 eröffneten ein lebhaftes Bild renais-sancezeitlicher Arzneien, kurfürstlicherBankette und Speisevorlieben mit teilsheute kurios anmutenden Rezepten.

MitGewürzenzumFühlenundSchnup-pern tauchten die Besucher begeistert einin die »würzige« Zeit der Heidelberger Re-naissance. /

AktionstageMärchen, Gaukler und GewürzeVon Heike Haß und Claudia Sachße / Zwei besondere Aktionen ragten inder zweiten Jahreshälfte heraus: ein sommerliches Märchenfest und einefarbenprächtige Schau zu Ehren Friedrich IV.

»Gepfefferte Heilkunst«

Die »würzige« Themenführung können Sie ab jetzt imMuseumbuchen, am Tag oderals exklusive Abendführung!

Die Erlebniskünstler Incanto brachten mit Stelzen-läufern und fantastischen Kostümen einen Hauchvon »Sommernachtstraum« in den Schlosshof.

Foto: M. Kleinböhl