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845 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 82 (2005), Heft 12 1 Veranlassung Wie die Ereignisse der letzten Jahre zeigen, muß das Risiko infolge Hoch- wasser in Deutschland besonders ge- Daraus resultierende Schäden können bisher nur vage prognostiziert werden und machen dadurch gezielte Hilfsmaßnahmen nahezu unmöglich. Infolge zunehmender Ausbreitung, dichterer Besiedlung und Wertekon- zentrationen der urbanen Zentren ist eine Sensibilisierung der Betroffenen von großer Bedeutung. Dabei auftre- tende strukturelle Schäden an Ge- bäuden können entscheidend zum di- rektem wirtschaftlichen Schaden bei- tragen. Synergieeffekte, die sich aus der Behandlung der Naturgefahren Erd- beben, Hochwasser und Sturm – aus- gehend von einem weitgehend ein- heitlichen Bewertungsschema zur Verletzbarkeit der Bauwerke und Bauweisen – ableiten lassen, sind u. a. in [9] dargelegt worden. Erste Ansätze einer interdisziplinären Zu- sammenarbeit von Forschergruppen aus den Bereichen unterschiedlicher Naturkatastrophen führten zu einer vergleichenden Betrachtung der Ge- fährdungspotentiale am Beispiel der Stadt Köln [9]. Die Einbindung der Ergebnisse in ein professionelles Ka- tastrophenmanagement bzw. in Tech- nologien von Schadensszenarien im Rahmen eines nutzerorientierten In- formationssystems konnte – nach Verzicht auf eine weitere Förder- phase des DFNK – noch nicht reali- siert werden. Der Beitrag versteht sich als eine Fortführung und Umsetzung der im Rahmen eines BMBF-Forschungs-Ver- bundvorhabens zur Etablierung eines „Deutschen Forschungsnetzes Natur- katastrophen DFNK“ entwickelten methodischen Grundlagen zur Erfas- sung der Schadenspotentiale des in Deutschland typischen Bauwerksbe- Jochen Schwarz Holger Maiwald André Gerstberger Quantifizierung der Schäden infolge Hochwassereinwirkung: Fallstudie Eilenburg Die für das Katastrophenmanagement notwendige Abschätzung der Schäden unter Hoch- wassereinwirkung ist eine entscheidende, aber bislang methodisch-wissenschaftlich noch unzureichend vorbereitete Aufgabenstellung. In Anlehnung an die für die Risikoanalyse Erdbeben entwickelte Vorgehensweise wird überprüft, inwieweit methodische Grundlagen übernommen werden können bzw. modifi- ziert werden müssen, und welche Kenngrößen aus Datenerhebungen abzuleiten sind. Dabei wird neben der Hochwassereinwirkung in Form der Überflutungshöhe als wesent- liche Neuerung der Einfluß der Bauwerksparameter berücksichtigt. Die Bauweisen sind danach in Verletzbarkeitsklassen einzuordnen, denen einwirkungsabhängig charakteri- stische strukturelle Schäden bzw. Durchfeuchtungsgrade zugewiesen werden können, die letztlich auch die Höhe des Schadens (Kosten) bestimmen. Wie anhand der Fallstudie Eilenburg gezeigt werden kann, können mit dem gewählte Ansatz für ein vorgegebenes Szenarium Gebiete mit besonders verletzbarer Bauwerks- struktur identifiziert und Empfehlungen für künftige Bebauung abgeleitet werden. Ein Schlüsselelement in der Vorgehensweise liegt in der Aufbereitung der erforderlichen bzw. geeigneten Datenebenen, die über Schadensfunktionen zu verknüpfen sind. Der Beitrag gibt eine Übersicht zu den Vorgehensweisen im mesoskaligen und mikroskali- gen Betrachtungsmaßstab. Wie am Beispiel der Stadt Eilenburg gezeigt wird, können mit den bereitgestellten ingenieurmäßigen Hilfsmitteln und Datenebenen die aufgetretenen Schäden durch das Hochwasser 2002 in ihrer Höhe und Verteilung reinterpretiert werden. Assessment of damage due to flood impact: the case study of Eilenburg. Estimating damage caused by flood impact is an important, yet scientifically and methodically insufficiently inve- stigated task, which is necessary for preparing the management of catastrophes. Alluding to the procedure developed in the risk analysis of earthquakes it is checked, whether methodical fundamentals can be transferred or have to be modified, and which parameters must be derived from data surveys. As an essential improvement, in addition to the inundation level, the influence of the buildings’ parameters are considered. Subsequently, the building ty- pes are sorted into vulnerability classes, to which characteristic structural damages, depen- ding on the impact, or humidity penetration ratios can be assigned, which ultimately deter- mine the extent of the damage and the resulting cost. As can be shown for the case study of Eilenburg, areas with unusually high vulnerability of the building stock can be identified by ap- plying the chosen approach assuming a defined scenario, leading to recommendations for fu- ture decisions on building in the area. A key element of the procedure lies in the preparation of the required or, respectively, usable data, which must be linked by damage functions. The paper gives an overview of the approaches for observations on mesoscale and microscale. As can be shown on the example of the town Eilenburg, with the provided tools and data, the damages caused by the flood in August 2002 can be reinterpreted re- garding their height and distribution. Fachthemen würdigt werden. Daß dabei auch Ex- tremereignisse (HW500, HW 1000) möglich sind, hat das Hochwasser an Mulde und Elbe vom August 2002 be- stätigt (Bild 1) [15].

Quantifizierung der Schäden infolge Hochwassereinwirkung: Fallstudie Eilenburg

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Page 1: Quantifizierung der Schäden infolge Hochwassereinwirkung: Fallstudie Eilenburg

845© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 82 (2005), Heft 12

1 Veranlassung

Wie die Ereignisse der letzten Jahrezeigen, muß das Risiko infolge Hoch-wasser in Deutschland besonders ge-

Daraus resultierende Schädenkönnen bisher nurvage prognostiziertwerden und machen dadurch gezielteHilfsmaßnahmen nahezu unmöglich.Infolge zunehmender Ausbreitung,dichterer Besiedlung und Wertekon-zentrationen der urbanen Zentren isteine Sensibilisierung der Betroffenenvon großer Bedeutung. Dabei auftre-tende strukturelle Schäden an Ge-bäuden können entscheidend zum di-rektem wirtschaftlichen Schaden bei-tragen.

Synergieeffekte, die sich aus derBehandlung der Naturgefahren Erd-beben, Hochwasser und Sturm – aus-gehend von einem weitgehend ein-heitlichen Bewertungsschema zurVerletzbarkeit der Bauwerke undBauweisen – ableiten lassen, sindu. a. in [9] dargelegt worden. ErsteAnsätze einer interdisziplinären Zu-sammenarbeit von Forschergruppenaus den Bereichen unterschiedlicherNaturkatastrophen führten zu einervergleichenden Betrachtung der Ge-fährdungspotentiale am Beispiel derStadt Köln [9]. Die Einbindung derErgebnisse in ein professionelles Ka-tastrophenmanagement bzw. in Tech-nologien von Schadensszenarien imRahmen eines nutzerorientierten In-formationssystems konnte – nachVerzicht auf eine weitere Förder-phase des DFNK – noch nicht reali-siert werden.

Der Beitrag versteht sich als eineFortführung und Umsetzung der imRahmen eines BMBF-Forschungs-Ver-bundvorhabens zur Etablierung eines„Deutschen Forschungsnetzes Natur-katastrophen DFNK“ entwickeltenmethodischen Grundlagen zur Erfas-sung der Schadenspotentiale des inDeutschland typischen Bauwerksbe-

Jochen SchwarzHolger MaiwaldAndré Gerstberger

Quantifizierung der Schäden infolgeHochwassereinwirkung: Fallstudie Eilenburg

Die für das Katastrophenmanagement notwendige Abschätzung der Schäden unter Hoch-wassereinwirkung ist eine entscheidende, aber bislang methodisch-wissenschaftlichnoch unzureichend vorbereitete Aufgabenstellung.In Anlehnung an die für die Risikoanalyse Erdbeben entwickelte Vorgehensweise wirdüberprüft, inwieweit methodische Grundlagen übernommen werden können bzw. modifi-ziert werden müssen, und welche Kenngrößen aus Datenerhebungen abzuleiten sind.Dabei wird neben der Hochwassereinwirkung in Form der Überflutungshöhe als wesent-liche Neuerung der Einfluß der Bauwerksparameter berücksichtigt. Die Bauweisen sinddanach in Verletzbarkeitsklassen einzuordnen, denen einwirkungsabhängig charakteri-stische strukturelle Schäden bzw. Durchfeuchtungsgrade zugewiesen werden können,die letztlich auch die Höhe des Schadens (Kosten) bestimmen. Wie anhand der Fallstudie Eilenburg gezeigt werden kann, können mit dem gewählteAnsatz für ein vorgegebenes Szenarium Gebiete mit besonders verletzbarer Bauwerks-struktur identifiziert und Empfehlungen für künftige Bebauung abgeleitet werden. EinSchlüsselelement in der Vorgehensweise liegt in der Aufbereitung der erforderlichenbzw. geeigneten Datenebenen, die über Schadensfunktionen zu verknüpfen sind.Der Beitrag gibt eine Übersicht zu den Vorgehensweisen im mesoskaligen und mikroskali-gen Betrachtungsmaßstab. Wie am Beispiel der Stadt Eilenburg gezeigt wird, können mitden bereitgestellten ingenieurmäßigen Hilfsmitteln und Datenebenen die aufgetretenenSchäden durch das Hochwasser 2002 in ihrer Höhe und Verteilung reinterpretiert werden.

Assessment of damage due to flood impact: the case study of Eilenburg. Estimating damagecaused by flood impact is an important, yet scientifically and methodically insufficiently inve-stigated task, which is necessary for preparing the management of catastrophes.Alluding to the procedure developed in the risk analysis of earthquakes it is checked, whethermethodical fundamentals can be transferred or have to be modified, and which parametersmust be derived from data surveys. As an essential improvement, in addition to the inundationlevel, the influence of the buildings’ parameters are considered. Subsequently, the building ty-pes are sorted into vulnerability classes, to which characteristic structural damages, depen-ding on the impact, or humidity penetration ratios can be assigned, which ultimately deter-mine the extent of the damage and the resulting cost. As can be shown for the case study ofEilenburg, areas with unusually high vulnerability of the building stock can be identified by ap-plying the chosen approach assuming a defined scenario, leading to recommendations for fu-ture decisions on building in the area. A key element of the procedure lies in the preparationof the required or, respectively, usable data, which must be linked by damage functions.The paper gives an overview of the approaches for observations on mesoscale andmicroscale. As can be shown on the example of the town Eilenburg, with the providedtools and data, the damages caused by the flood in August 2002 can be reinterpreted re-garding their height and distribution.

Fachthemen

würdigt werden. Daß dabei auch Ex-tremereignisse (HW500, HW 1000)möglich sind, hat das Hochwasser anMulde und Elbe vom August 2002 be-stätigt (Bild 1) [15].

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stands unter extremen Erdbeben-ereignissen, erweitert auf die Natur-gefahr „Hochwasser“ [18], [20].

Die während der Studie durchge-führten Vor-Ort-Datenerhebungen [8]konzentrierten sich auf den unterenEinzugsbereich der Freiberger Mulde(mit Einzelbauwerksaufnahme imStadtgebiet von Döbeln) und das Ein-zugsgebiet der Vereinigten Mulde(mit umfänglicher Einzelbauwerks-aufnahme in Eilenburg) und somitauf die besonders betroffenen Über-flutungsgebiete (Bild 1).

2 Methodische Grundlagen zur Quanti-fizierung von Schadenspotentialen

2.1 Elemente der Risikoanalyse beiErdbeben – eine Analogiebetrach-tung zum Hochwasser

Für die Betrachtung derVerletzbarkeitvon Bauwerken unter Erdbebeneinwir-kung steht mit der European Macro-seismic Scale (EMS-98) [10] ein lei-stungsfähiges Instrumentarium zurVerfügung. Die Klassifikation der In-tensität – als dem Maß für die beob-achteten erdbebenbedingten Schütter-wirkungen – stützt sich auf folgendeInformationen bzw. Deskriptoren: a) Wahrnehmung durch Personen b) Wirkung auf Gegenständec) Schäden an Bauwerken.

Die Beschreibung der Bauwerks-schäden unterscheidet zwischen struk-turellen und nicht-strukturellen Schä-

den, denen in Form der Schadensgradebereits charakteristische Schadensbil-der zuordenbar sind. Nach der EMS-98[10] sind als wesentliche Neuerung ge-genüber früheren Skalen die verschie-denen Bauweisen in Verletzbarkeits-klassen einzuordnen. Für jede Verletz-barkeitsklasse ist für eine bestimmteschadensverursachende Intensität eineSchadenerwartung für die Gesamtheitder Bauwerke dieser Klasse definiert.Somit bietet sich die Möglichkeit, Scha-denspotentiale infolge der Naturgefahrzu quantifizieren (vgl. [21].

Nicht zuletzt als ein Ergebnis desDeutschen Forschungsnetzes Naturka-tastrophen DFNK ist es gelungen, dieerforderlichen methodischen Grund-lagen – zugeschnitten auf die Beson-derheiten der deutschen Erdbebenge-biete – zu entwickeln und an Fallstu-dien zur Anwendung zu bringen (u. a.[17], [18]). Für eine bestimmte Erdbe-benintensität können die Schadens-grade der Gebäude oder mittlere Scha-densgrade für bestimmte Stadtgebiete

simuliert werden. Da die adressenge-naue Darstellung aus verschiedenenGründen problematisch ist und zurVerunsicherung führen kann, ist eineanonymisierte Darstellung im meso-skaligen Maßstab zu bevorzugen (vgl.[17]). Es zeigen sich Bereiche mit un-terschiedlicher Schadenserwartung,so daß Handlungslinien für ein vor-beugendes Katastrophenmanagementabgeleitet werden können.

Für Hochwassereinwirkungen lie-gen entsprechende methodische Grund-lagen und Hilfsmittel derzeit nicht vor.Die Überprüfung und Übertragung derErfahrungen aus dem Bereich Erdbe-ben auf die Hochwasserproblematikgeben die Motivation für die nachfol-gend vorgestellten Untersuchungen.Dabei ist zu klären, welche Anforde-rungen an ein Bewertungstool zu stel-len sind, das den Zusammenhang zwi-schen Verletzbarkeit und Schaden un-ter Hochwassereinwirkung herstellt.

2.2 Hochwasserintensität

Betrachtet man die Hochwasserinten-sität analog der Erdbebenintensität, somüßte zur Beschreibung der Auswir-kung auf Mensch, Natur und Ge-bäude zunächst im Sinne einer Skalaeine Klassifikationsgrundlage (analogder EMS-98 [10]) entwickelt werden.

Ein ersterAnsatz liegt mit dem so-genannten „Schweizer Modell“ bereitsvor, wobei auf die Empfehlungen zur„Berücksichtigung der Hochwasserge-fahren bei raumwirksamen Tätig-keiten“ der BWW, BRP, BUWAL ver-wiesen werden kann [4]. Danach wirddie Schadenwirkung durch Über-schwemmung in drei Stufen klassifi-ziert (Tabelle 1). Die Hochwasserin-tensität folgt aus dem Wasserstand (h),der Fließgeschwindigkeit (v) oder demProdukt aus beiden Parametern (h · v).

Der (h · v)-Ansatz ist schon früherin der Literatur verwendet worden, umGrenzkriterien für das Versagen vonGebäuden zu begründen.

Bild 1. Überflutungsgebiete Hochwasser 2002 in Sachsen [15]Fig. 1. Inundation area of 2002 flood in Saxony [15]

Tabelle 1. Hochwasserintensitäten nach [4] Table 1. Flood intensities acc. to [4] (BWG Switzerland)

Intensität Einteilungskriterien

Wasserstand h [m] h ¥ v [m2/s]

III (schwach) < 0,5 < 0,5

III (mittel) 0,5 £ h £ 2,0 0,4 £ h ¥ v £ 2,0

III (stark) > 2,0 > 2,0

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Von Black [2] werden für drei ein-fache Holzrahmenkonstruktionstypen(1, 11/2, 2 Etagen mit unterschiedli-chen Füllmaterialien) unter kombi-nierter Wirkung von Auftriebskräftenund dynamischen Kräften Fließge-schwindigkeiten berechnet, die nötigsind, um ein Gebäude zu verschieben.

Claußen und Clark [6] stellenGrenzkriterien von (h · v) für Ziegel-und Mauerwerksbauten auf, bei denenein bestimmter (qualitativ differenzier-ter) Schaden auftritt:– bei (h · v) = 3,0 m2/s: Übergang vomreinen Durchfeuchtungsschaden zumpartiellen strukturellen Schaden– bei (h · v) = 7,0 m2/s: Übergang vompartiellen strukturellen Schaden zurvollständigen Zerstörung– für die Vereinfachung der Vernach-lässigung des Bereichs des partiellenstrukturellen Schadens gilt: (h · v) =6,0 m2/s.

Diese Werte wurden aus derSchadensanalyse des Dale-Damm-bruchs von 1864 abgeleitet. Dabeiwurden die Überflutungshöhen undFließgeschwindigkeiten nach demDammbruch simuliert und mit denbeobachteten Schäden korreliert.

Für v < 2 m/s wurde kein struktu-reller Schaden berichtet. Daher ist die-

ser Wert als unterer Grenzwert für dasEintreten eines strukturellen Schadenseingeführt worden.

Die Daten von Black [2] beruhenauf Schadensfällen an ländlichen Ge-bäuden (die vor 1975 gebaut wurden)in den USA. Eine Übertragung der Er-kenntnisse auf die Bebauungssitua-tion anderer Länder sollte daher nurmit Vorsicht erfolgen.

So zeigen die Erfahrungen desHochwassers 2002, daß bei Lehmbau-ten, wie sie in der europäischen Bebau-ung noch oder wieder zu finden sind,schon bei geringeren Werten der Fließ-geschwindigkeit als 2 m/s mit struktu-rellen Schäden bis zum Totalversagender Struktur zu rechnen ist. Ursache isthier die reine Durchfeuchtung, welchemit einem Festigkeitsverlust in den tra-genden Lehmwänden verbunden ist.

In Ermangelung entsprechenderMeßwerte und aus Aufwandsgründenwird sich eine Einteilung des Zielge-biets in Intensitätszonen jedoch in derRegel auf die Wassertiefe h beschrän-ken müssen. Bild 2 zeigt die drei Be-reiche der Hochwasserintensitäten,die aus der Verschneidung der vomErdbebenzentrum ermittelten Flut-höhen für das UntersuchungsgebietEilenburg festgelegt werden können.

2.3 Unterschiede zwischen Hoch-wasser- und Erdbebenintensitäten

Die gemäß Tabelle 1 definierte Hoch-wasserintensität und die Erdbebenin-tensität (nach EMS-98 [10]) weisenUnterschiede auf:– Die Erdbebenintensität ist mit zwölfStärkegraden weitaus differenzierterklassifizierbar als die Hochwasserin-tensität mit drei Schadenswirkungen.Dies ist auch durch die Datenbasis zubegründen. Ansätze zur Klassifikationder beobachteten Erdbebenwirkun-gen lassen sich über einen Zeitraumvon ca. 100 Jahren zurückverfolgen.Makroseismische Skalen verarbeitetendiesen Erfahrungshorizont. Es bedarfsomit einer systematischen Datenak-kumulation, um das Konzept derHochwasserintensität durchsetzen zukönnen. (Hinzu kommt als weitererUnterschied, daß starke Beben selte-ner, Hochwasser aber in zunehmen-der Regelmäßigkeit auftreten. Der Er-fahrungsrücklauf läßt sich demzufolgein überschaubaren Zeiträumen über-winden.)– Während die Festlegung der Erd-bebenintensität auf Angaben zu denbeobachteten und über Fragebo-genrücklauf (oder andere Formender Datenübermittlung) beschriebe-nen Schütterwirkungen angewiesenist, sind solche Datenerhebungen beiHochwasser derzeit vornehmlich ver-sicherungstechnischen Anforderun-gen der Schadenregulierung zu ver-danken. (Wie eigene Erfahrungenbestätigen, können Vor-Ort-Aufnah-men gekoppelt mit Fragebogener-hebungen, die von gleichen Bear-beitern durchgeführt werden, dieDatengrundlagen wesentlich verbes-sern.)– Die Hochwasserintensität ist weni-ger auf die beobachteten Wirkungen,denn auf die Zuordnung meßtechni-scher Kenngrößen ausgerichtet, dievon den Betroffenen kaum übermit-telt werden können. Die Erdbebenin-tensität schließt ein, daß bei gleicherIntensität Bauwerke in Abhängigkeitvon ihrer Verletzbarkeit sehr unter-schiedlich betroffen sein können.Diese Differenzierung fehlt beimHochwasser (noch). Sie muß alsgrundlegend neuer Ansatzpunkt fürdie Weiterentwicklung der derzeit an-gewandten Methoden zur Quantifi-zierung der Schadenspotentiale gese-hen werden.

J. Schwarz/H. Maiwald/A. Gerstberger · Quantifizierung der Schäden infolge Hochwassereinwirkung: Fallstudie Eilenburg

Bild 2. Klassifikation der Überflutungsgebiete nach der Hochwasserintensitätgemäß den Kriterien in Tabelle 1 (auf der Basis der vom Erdbebenzentrum aufge-nommenen Überflutungshöhen)Fig. 2. Classification of inundation areas by flood intensity acc. to the criteriagiven in Table 1 (on the basis of flood levels measured by the earthquake center)

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– Unterschiede zeigen sich auch inder Betroffenheit von der Einwirkung.Bei Erdbeben ist die Betroffenheitflächendeckend. Alle Gebäude einerStadt werden von den durchlaufendenErdbebenwellen mehr oder wenigerstark angeregt (erschüttert). Das Ein-wirkungsgebiet unter Hochwasser läßtsich genau abgrenzen. Es gibt inner-halb eines Bauwerksbestands nicht-betroffene Gebäude, die bei der Er-mittlung der Schadenspotentiale aus-geklammert werden können. Diesreduziert den Aufwand der Datener-hebung, führt aber bei großräumigenSzenarien zu Problemen bei der Sub-traktion der betroffenen Gebäude ausdem statistisch verfügbaren Datenan-gaben.

2.4 Zielstellungen für das weitereVorgehen

Aus derAnalogiebetrachtung zum Erd-beben leiten sich folgende Zielstel-lungen ab, die auf die Besonderheitender Hochwassereinwirkung auszu-richten sind: 1. Schadensfälle sind aufzunehmenund zu dokumentieren. 2. Die Schäden sind zu klassifizieren,um auch Datenerhebungen systema-tisch und einheitlich durchführen zukönnen.

In der EMS-98 [10] werden fünfSchadensgrade nach den strukturellenund nichtstrukturellen Schäden unter-schieden, deren Merkmale für maß-gebliche Tragwerkselemente (Wände,Stützen usw.) beschrieben sind.

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Der strukturelle Schaden ist fürHochwassereinwirkungen aber nichtausreichend, da im Unterschied zu denErdbebeneinwirkungen das Klassifi-kationsschema um die Schäden infolgeDurchfeuchtung erweitert werdenmuß. Es wird deshalb eine Schadens-matrix gemäß Bild 3 vorgeschlagen[19], die auch die Zuordnung allerSchadensfälle ermöglicht.3. Neben der Durchfeuchtung, die all-gemein durch die Überflutungshöhe hbzw. hier (neu) durch den Durchfeuch-tungsgrad df gekennzeichnet wird,läßt sich mit der in Bild 3 dargestell-ten Schadensmatrix auch der struktu-relle Schaden di einordnen. Der Hoch-wasserschaden ist somit durch zweiKomponenten zu beschreiben. Gegen-wärtig wird bei der Quantifizierungder Schadenspotentiale ausschließlichdie Fluthöhe berücksichtigt.

Eine Klassifikation der struktu-rellen Hochwasserschäden ist Tabelle 2zu entnehmen. Der Vorschlag stütztsich auf die Schadensaufnahme 2002[8]; Beispiele von Schadensgradenwerden durch die im Beitrag aufge-nommenen Schadensfälle erläutert.Aus der Verteilung der Schadensgradeläßt sich der mittlere Schadensgradbestimmen.4. Schäden infolge Hochwasser wer-den durch die komplexe Überlagerungverschiedener Einflußfaktoren begrün-

det. Es ist eine Unterscheidung zwi-schen primären und sekundären Fak-toren erforderlich (siehe Abschn. 3.1).Die Durchfeuchtung und in verein-fachter Form die Fließgeschwindigkeitsind bauweisenabhängig in Zusam-menhang mit den strukturellen Schä-den zu bringen. 5. Zur Umsetzung sind die verschie-denen Bauweisen in Verletzbarkeits-klassen analog zur Vorgehensweisebei Erdbeben einzuordnen [13].

Unter Berücksichtigung dieserForderungen bzw. Aspekte leiten sichfür die Quantifizierung der Schadens-potentiale infolge Hochwasser neuar-tige Vorgehensweisen ab, die im fol-genden für das UntersuchungsgebietEilenburg und am Beispiel der Hoch-wassersituation 2002 im Sinne einerFallstudie veranschaulicht werden sol-len.

3 Vorgehensweisen zur Quantifizierungvon Hochwasserschäden

3.1 Schadensaufnahme – Einfluß-faktoren und Schadensbilder

Unmittelbar nach dem Hochwasserwurden in den betroffenen Gebietenentlang der Vereinigten Mulde dieSchäden dokumentiert (Bilder 5 bis10) und die signifikanten, schadens-beeinflussenden Parameter erfaßt (vgl.Bilder 3 und 4).

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Bild 3. Schema zur Charakterisierungvon Schadensgraden unter Hochwas-sereinwirkung (eingeordnete Schädensiehe Bild 5–10 und Bild 15–18)Fig. 3. Scheme for characterizing da-mage grades caused by flood impact(assigned damages see Figs. 5–10 andFigs. 15–18)

Tabelle 2. Schadensgrade zur Beschreibung der Hochwassereinwirkungen aufBauwerke; hier: Struktureller Schaden in Anlehnung an das Klassifikations-schema nach EMS-98Table 2. Damage grades for describing flood impacts on buildings; here: structuraldamage alluding to classification scheme by EMS-98

Schadensgrad di Beispiel

i Beschreibung Merkmale(structural damage nach EMS-98)

1 kein struktureller Schaden geringfügige Sanierungs- und Bild 9nur Durchfeuchtung Trocknungsmaßnahmen

erforderlich

2 geringer Schaden leichte Rißbildung in Wänden(slight structural damage)

3 mittlerer Schaden größere Risse an tragenden Bild 6, Bild 7(moderate structural Wänden, Unterspülungen derdamage) Fundamente, Setzungen)

4 schwerer Schaden Einsturz von Wänden; auch als Bild 10(heavy structural damage) Sekundärschaden infolge

Unterspülung (Einsturzgefahr)

5 sehr schwerer Schaden Einsturz des gesamten Gebäudes Bilder 5, 8(very heavy structural (Kollaps) bzw. von größeren Bilder 15, 16damage) Gebäudeteilen Bilder 17, 18

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rücksichtigung derWand- und Decken-ausbildung in den Keller- und Oberge-schossen (siehe Schema in Bild 4)– auf der Einwirkungsseite: die Über-flutungshöhe h; die Fließgeschwindig-keit v, die Verweilzeit dv, die Anstiegs-geschwindigkeit des Hochwassers alsprimäre Faktoren sowie der Geschie-betransport in Zusammenspiel mit ei-nem Anprall von mitgeführtem Mate-rial (sekundäre Faktoren)

Impact-artige Effekte infolgeSchwall (z. B. Flutwellen durchDammbruch) werden im folgendenausgeklammert.

Im Ergebnis dieser Auswertun-gen stehen Schadensfälle, die bau-weisenabhängige Schadensgrade undUnterschiede in den Verletzbarkeitenerkennen lassen. Die Relevanz dervier primären Einflußfaktoren auf derEinwirkungsseite wird in den Beispie-len qualitativ (stark, mittel, gering)bewertet (Bild 3).

Ausgewählte, im Beitrag doku-mentierte Schadensfälle werden zu-nächst der für Hochwasser gefordertenSchadensmatrix für strukturelle undDurchfeuchtungsschäden zugeordnet(Bild 3). Der Durchfeuchtungsgrad df

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Mit einem zu diesem Zweck ent-wickelten Fragebogen werden Anga-ben zu den Gebäuden, den Schädenund den Kosten/Verlusten erhoben.Dabei werden auch subjektive Ein-drücke der Betroffenen hinsichtlichder Einwirkungskenngrößen erfaßt.Die Bauweisen gliedern sich in Anleh-nung an die EMS-98 nach derArt ihrerHaupttragstruktur. Die Hauptklassenbilden Mauerwerk, Lehmbau, Holz-fachwerk, Holzbau, Stahlbeton, Stahl-

bau, Fertigteilbau und andere nicht er-läuterte Bauweisen. Kombinationenaus den Bauweisen werden als „ge-mischte Bauweise“ zusammengefaßt.

Eine erste Auswertung der Scha-densfälle bestätigt den unterschiedli-chen Beitrag von Parametern derEinwirkungs- und Widerstandsseiteauf das Schadensbild. Zu nennensind: – auf der Widerstandsseite: die Bau-weise bzw. Tragstruktur unter Be-

Bild 4. Einwirkungsparameter – Schema ÜberflutungshöhenFig. 4. Influence parameters – scheme of flood levels

Bild 5. Beispiel Lehmbau, Schadens-fall: S1Fig. 5. Example clay, damage case S1

Bild 6. Beispiel Lehmbau, Schadens-fall: S2Fig. 6. Example clay, damage case S2

Bild 7. Beispiel Mauerwerk, Schadens-fall: S3Fig. 7. Example masonry, damage caseS3

Bild 8. Beispiel Mauerwerk; Schadens-fall: S4Fig. 8. Example masonry, damage caseS4

Bild 9. Beispiel Mauerwerk; Schadens-fall: S5Fig. 9. Example masonry, damage caseS5

Bild 10. Beispiel Mauerwerk mitLehmmörtel; Schadensfall: S6Fig. 10. Example masonry with claymortar, damage case S6

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beschreibt das Verhältnis von Überflu-tungshöhe zur Gesamthöhe des Ge-bäudes (einschließlich Kellergeschoß).

Im Schema werden für die Scha-densfälle S1 bis S10 (siehe auchBilder 5 bis 10 bzw. Bilder 15 bis 18) derGrad derAusprägung der Einflußfakto-ren von Bauweise, Überflutungshöhe,Verweilzeit und Fließgeschwindigkeitauf die konkrete Schadenssituation be-wertet. Die Farbabstufung zwischen ge-ringem (grün), mittlerem (gelb) undstarkem Einfluß (rot) läßt in dieserForm folgende Schlußfolgerungen zu:– Hohe Fließgeschwindigkeiten ste-hen in Verbindung zu hohen struktu-rellen Schäden.– Die Fließgeschwindigkeit ist imStandardfall geringer bzw. moderaterstruktureller Schäden von unterge-ordneter Bedeutung.– Die Überflutungshöhe eines Ge-bäudes kann nur in Verbindung mithoher Fließgeschwindigkeit und/oderhoher Verletzbarkeit zu schwerenstrukturellen Schäden führen.– Die Verweilzeit kann bei geringerFließgeschwindigkeit strukturelle Fol-geschäden bedingen; die Konsequen-zen für die auch nachträgliche (weitersteigende) Durchfeuchtung entziehtsich der ersten Bearbeitungsstufe,wäre aber bei späteren Befragungenzu erheben.

Die Hochwasserschäden lassensich nach dieser Schadensmatrix aussa-gefähig zusammenfassen. Es ist davonauszugehen, daß einzelne Elementedieser Schadensmatrix (di; df) in Ver-bindung zu charakteristischen Ein-wirkungsbedingungen stehen. SchwereSchäden folgen in der Regel ausSpringfluten und dem Versagen vonGründungs- oder Böschungsbereichen.Die mittels Fragebogen und Vor-Ort-Gespräche erhobenen Schadensanga-ben in Tabelle 3 verdeutlichen, daß sichdie Schäden im Testgebiet Eilenburgauf die strukturellen Schadensgrade d2und d3 und einen Durchfeuchtungs-grad zwischen 20 und 60 % konzentrie-ren.

Wird unterstellt, daß in diesemBereich die relevanten Hochwasser-szenarien anzusiedeln sind, wären alsmaßgebliche Einflußparameter dieVerletzbarkeit der Bauweise und dieÜberflutungshöhe anzusehen. Für dieFließgeschwindigkeit scheint der An-satz durchschnittlicher Bedingungenohne weitere Differenzierung zulässig(vgl. Abschn. 2.2).

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3.2 Übersicht zu den erforderlichenGIS-Datenebenen

Die Vorgehensweisen zur Schadens-prognose sind Bild 12 zu entnehmen.Zur Vereinfachung der Erläuterungensoll jeder Datensatz (x.y.z) durch dreiElemente inhaltlich eindeutig ab-grenzt werden:

x (Hauptdatenebene): 0 – StandortfaktorenAngaben zur Bebauung und zu denWerten im 1 – mesoskaligen Maßstabbzw. 2 – mikroskaligen Maßstab

y (Präzisierung der Inhalte): 0 – Geo-Struktur1 – Werte/Potentiale 2 – Bauweisen/Verletzbarkeiten 3 – Schadensgrade 4 – Schadensprognose

z (Vorgehensweise):1 – herkömmlich;2 – modifiziert (hier neu vorgeschlagen)Auch die Verknüpfung der Elemente(GIS-Datenebenen) sind nach bishe-riger (schwarz) und modifizierterVor-gehensweise (rot) zu unterscheiden.

Die Standortfaktoren (0.y.z) sind füralle Vorgehensweisen und Szenariengleich:– Den Ausgangspunkt bildet einHöhenmodell für das zu untersu-chende Gebiet (0.0.1).– Durch die topografische Einord-nung der Fließgewässer und Wasser-stände in das Geländemodell (0.0.1)folgt ein Gefährdungsmodell (0.1.1).Für die Festlegung der Wasserhöhenstehen unterschiedliche Bezugsebenenzur Verfügung (vgl. Bild 4), die als ab-solute oder relative Höhen die Hoch-wassereinwirkung beschreiben.

3.3 Herkömmliche Vorgehensweise

Der Schaden wird einerseits von denEinwirkungen, andererseits aber auchvon der Nutzung oder Bauweise desBauwerks beeinflußt. Zur Prognosti-zierung der Schäden sind Schadens-oder Verletzbarkeitsfunktionen erfor-derlich, die in der notwendigen Diffe-renzierung nicht vorliegen bzw. einezu große Streubreite besitzen. Bishe-rige Schadenserhebungen wie z. B.die HOWAS-Datenbank [3] enthaltenin der Regel keine Angaben zur Bau-weise des geschädigten Gebäudes.

Die bis dato übliche Vorgehens-weise wird in Bild 11 schematisch auf-bereitet. Grundsätzlich gilt es, zwischeneiner mesoskaligen und mikroskaligenVorgehensweise zu unterscheiden.

Ausgangspunkt der mesoskaligenVorgehensweise bildet die Art derFlächennutzung (1.0.1). Informationenüber die Flächennutzung sind u. a. denATKIS- oder CORINE-Datensätzen zuentnehmen [1], [7].

Die zur Quantifizierung derSchäden (Verluste) erforderlichen In-formationen stehen mit den spezifi-schen Vermögenswerten (1.1.1) zurVerfügung bzw. sind aus statistischenDatenerhebungen zu übernehmen. DieErgebnisdarstellung folgt den Flächen-strukturen (1.0.1).

Die Schadensfunktionen DF (Da-mage Function) (Bild 13) bilden dasmaßgebliche Steuerelement zur Ver-knüpfung der Datenebenen. Zur An-wendung kommen herkömmlicheWasserstand-Schadensfunktionen, diein Abhängigkeit von der Überflutungs-höhe (0.1.1) für die jeweilige Nutzung(1.0.1) den Schaden absolut oder pro-zentual (bezogen auf den Gesamt-wert) (1.4.1) angeben. Die Funktionen(DF) basieren auf statistischen Aus-wertungen vorangegangener Hoch-wasserereignisse (z. B. [3]).

Bei der mesoskaligen Vorgehens-weise erhält man auf Basis der zu-grunde liegenden Flächenstruktur derNutzung und der Vermögenswerteaggregierte, d. h flächenbezogen zu-sammengefaßte Schadensangaben.

Ausgangspunkt der mikroskaligenVorgehensweise können Angaben zumBauwerksbestand auf der Ebene vonBlockstrukturen (2.0.1) sein.

Die zur Verlustabschätzung not-wendigen Informationen über dieBauwerkswerte werden aus (2.1.2) aufEinzelobjekte heruntergebrochen undauf die Gebietseinheiten des Elemen-tes 2.0.1 aufgeteilt. Der Ansatz vonkonkreten Bauwerkswerten (2.1.2) istals Neuerung zu betrachten, da bei mi-kroskaligen Studien in der Regel Ein-heitswerte für die Gebäudetypen ange-setzt werden bzw. der Wert nicht di-rekt berücksichtigt und mit absolutenSchadenswerten pro Objekt [11] ge-rechnet wird.

Die Schadensfunktionen DF ver-knüpfen analog zur mesoskaligen Vor-gehensweise die Überflutungshöhe(0.1.1) mit den verschiedenen Elemen-ten des Bauwerksbestands.

J. Schwarz/H. Maiwald/A. Gerstberger · Quantifizierung der Schäden infolge Hochwassereinwirkung: Fallstudie Eilenburg

Page 7: Quantifizierung der Schäden infolge Hochwassereinwirkung: Fallstudie Eilenburg

851Bautechnik 82 (2005), Heft 12

Die mikroskalige Vorgehens-weise vermittelt ein detailliertes Bildzur Verteilung der Schäden im Unter-suchungsgebiet.

Die mit erheblichem Mehrauf-wand verbundene mikroskalige Be-trachtung bringt im Ergebnis keinewesentliche Reduzierung der vorhan-denen Streuung, da zur Schadensab-schätzung spezifische Schadensfunk-

tierung sollen durch Einführung zu-sätzlicher und neuer Elemente ge-nauere Schadensabschätzungen er-möglicht werden (Bild 12).

3.4 Entwicklung einer neuartigen (bau-weisenorientierten) Vorgehensweise

Ausgangspunkt der mesoskaligenVorgehensweise bilden die Angabenzu den Nutzungsflächen, die um diemittleren Verletzbarkeiten in den Teil-flächen (1.2.2) erweitert werden. DieVerteilung der mittleren Verletzbar-keit folgt der Zusammensetzung nachder Altersstruktur in den einzelnenFlächen.

Neu und als weiteres Elementwird der mittlere Schadensgrad in denTeilflächen eingeführt (1.3.2). Dermittlere Schadensgrad wird für reprä-sentative Durchschnittswerte der Bau-werksanfälligkeit, d. h. für mittlereVerletzbarkeiten gemäß (1.2.2) aus derÜberflutungshöhe (0.1.1) abgeleitet.

Von grundsätzlich neuer Qualitätsind die Schadensfunktionen SDF(Specific Damage Function). Die Was-serstand-Schadensfunktionen verknüp-fen die Überflutungshöhe (0.1.1) mitden mittleren Verletzbarkeiten gemäß(1.2.2); sie sind für die einzelnen mittle-ren Schadensgrade (1.3.2) aufzuberei-ten.

Der Verlust wird über die Vermö-genswerte (1.1.1) für die jeweilige Si-tuation (Schadensgrad, Überflutungs-höhe) bestimmt.

Bei der mikroskaligen Vorge-hensweise wird das Element (2.0.1),in dem der Bauwerksbestand meist inGruppen gleicher Nutzung darge-stellt ist, um das Element (2.0.2) er-weitert.

Betrachtet man die Einzelob-jekte (2.0.2), so lassen sich jedemObjekt Eigenschaften zuordnen, diefür die Klassifikation der Verletzbar-keit unter Hochwassereinwirkungenvon Bedeutung sind, wie z. B. typi-sierte Bauweisen, Baustoffe, verti-kale Tragstrukturen und Bauwerks-alter. Die Gesamtheit dieser Merk-male ermöglicht die Zuweisung desObjekts in eine Verletzbarkeitsklasse(2.2.2).

Werden die einzelnen Verletzbar-keitsklassen mit einer Überflutungs-höhe (0.1.1) überlagert, so kann fürjedes Objekt ein Erwartungswert desSchadensgrades (2.3.2) zugeordnetwerden.

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Bild 11. Bisherige Vorgehensweise(n) zur Schadensabschätzung im meso- undmikroskaligen BereichFig. 11. Previous procedure on meso- and mikroscale

Bild 12. Schema zur Schadensabschätzung von Hochwasserereignissen unterEinbeziehung der im Beitrag vorgestellten neuartigen Vorgehensweise(n)Fig. 12. Scheme for estimating damages caused by flood events

tionen fehlen, die die unterschiedlicheVerletzbarkeit der Bauweisen auch imHinblick auf Feuchteeinwirkungberücksichtigen.

Hier liegt derAnsatzpunkt für dieEntwicklung einer neuartigen Vorge-hensweise, die von einer ingenieur-mäßigen, d. h. bauweisenabhängigenKlassifizierung der Daten ausgeht. InAnalogie zur seismischen Risikokar-

Page 8: Quantifizierung der Schäden infolge Hochwassereinwirkung: Fallstudie Eilenburg

Die Bauwerkswerte (2.1.2) kön-nen für jedes Objekt abgeleitet werden.

Die Schadensgrade (2.3.2), dieBauwerkswerte (2.1.2) und die Hoch-wasserhöhen (0.1.1) sind die Ele-mente der Schadensfunktionen SDF,wobei für jeden Schadensgrad eineFunktion anzugeben ist. Dadurchkann für einzelne Objekte der zu er-wartende Verlust quantifiziert wer-den.

Grundsätzlich sind zwei Typenvon Schadensfunktionen SDF zu un-terscheiden:– Typ 1 bezieht sich auf die Verletz-barkeiten der Bauweisen (2.2.2.), wo-bei eine weitere Differenzierung nachder Nutzung, Unterkellerung, Etagen-zahl möglich ist (Bild 14a).– Typ 2 bezieht sich ausschließlichauf den strukturellen Schadensgraddi des Bauwerks in Abhängigkeit vonder konkreten Bauweise (2.0.2) undder Einwirkung (0.1.1); eine Differen-zierung nach Etagenzahl und/oder an-deren Parametern ist möglich (Bild14b).

Um die Schadensfunktionennach Typ 2 anzuwenden, ist derstrukturelle Schadensgrad di unterBerücksichtigung der Verletzbarkeitzu bestimmen [13]. Bild 14b gibt da-

852 Bautechnik 82 (2005), Heft 12

bei den theoretischen Funktionsver-lauf wieder. Es ist hierbei zu berück-sichtigen, daß höhere Schadensgrade(d3, d4, d5) erst bei Erreichen einerbestimmten Überflutungshöhe auf-treten. Ebenso sind niedrigere Scha-densgrade (d1, d2) dann unwahr-scheinlich. Der Schadensgrad di istvon der konkreten Bauweise abhän-gig.

Beide Typen der Schadensfunktio-nen SDF lassen eine realistische undingenieurmäßig begründete Quantifi-zierung der Schadenspotentiale erwar-ten.

4 Ermittlung der Schadenspotentialefür Hochwassereinwirkungen:Fallstudie Eilenburg

4.1 Hochwasserschäden im Untersuchungsgebiet

Das August-Hochwasser 2002 verdeut-licht, daß sich die maximalen Scha-denspotentiale nicht zwangsläufig aufGroßstadtbereiche beschränken müs-sen, sondern vielmehr aus der Summekleinerer und mittlerer urbaner Zen-tren erwachsen können.

Aufgrund des relativ großenÜberflutungsbereichs und des großenAnteils am Gesamtschaden in Sach-

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Bild 13. Herkömmliche Schadensfunktionen DFFig. 13. Conventional damage functions DF

a) b)

Bild 15. Grimma, Schadensfall: S7(EDAC 2002)Fig. 15. Grimma, damage case S7(EDAC 2002)

Bild 16 , Grimma, Schadensfall: S8(EDAC 2002)Fig. 16. Grimma, damage case S8(EDAC 2002)

Bild 17. Eilenburg, Abriß nach Teilein-sturz, Schadensfall: S9 (EDAC 2002)Fig. 17. Eilenburg, demolition afterpartial collapse, damage case S9(EDAC 2002)

sen wurde die Stadt Eilenburg (ca.18000 Einwohner) an der VereinigtenMulde als ein Untersuchungsgebietausgewählt (Bild 1).

Eilenburg wurde am 13. 08. 2002auf einer Breite von etwa 2,5 km vonder ansonsten ca. 50 bis 60 m breitenMulde überflutet. Unmittelbar vor Ei-lenburg betrug die Breite des Überflu-tungsgebietes sogar knapp 4 km. DieÜberflutungshöhen betrugen in der In-

a) b)

Bild 14. Neuartige Schadensfunktionen SDFFig. 14. Specific damage functions SDF

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853Bautechnik 82 (2005), Heft 12

nenstadt bis zu 2,5 m. Insgesamt wur-den ca. 1350 Haushalte vom Hochwas-ser geschädigt; ca. 7500 Personen ver-loren zeitweilig ihre Wohnung [22].

Ein Großteil der Schäden kon-zentriert sich in Eilenburg aufFeuchtigkeitsschäden an Wohnhäu-sern und Gewerbeobjekten. In einerbesonders betroffenen Siedlung (Bei-spielgebiet in Bild 20) standen ein-bis zweigeschossige Häuser ca. eineWoche lang komplett unter Wasser.Schadenserhöhend wirkte sich hierdie Kontamination des Wassers mitHeizöl aus.

Nach den Erhebungen des Erdbe-benzentrums [8] waren Schäden an ca.1000 Wohngebäuden und ca. 300 Ge-werbe- und Industriebauten festzu-stellen. Obwohl die Schadensbilder inihrer Gesamtheit weniger spektakulärwie z. B. in Grimma (siehe z. B. Bild15 und 16) waren, stürzten mehrereGebäude (zumeist Lehmbauten) einbzw. erlitten starke strukturelle Schä-den, so daß ein Abriß erforderlichwurde (Bild 17 und 18).

Die Bahnanlagen waren schwergeschädigt, die Eisenbahnbrücke Leip-zig – Cottbus eingestürzt (Bild 19).Schäden an derart speziellen Bauwer-ken sind jedoch nicht Gegenstand derBetrachtung, da sich diese nur unzu-reichend korrelieren lassen und damiteiner Einzelbewertung bedürfen.

Die Schadenssummen betragen83,3 Mio. 2 bei den Wohngebäudenund 31,1 Mio. 2 bei Wirtschaft undGewerbe [14]; der Gesamtschaden anGebäuden beläuft sich auf etwa 146 Mio. 2. Beide Angaben werdenim folgenden zur Einordnung der ei-genen Schadensabschätzungen zu-grunde gelegt (vgl. Tabelle 4).

4.2 Ergebnisse der Bauwerksaufnahme

Vom Gesamtbestand an ca. 2800Wohngebäuden (Stand 31. 12. 2003[23]) wurden ca. 1000 vom Hochwas-ser betroffene Wohngebäude vor Ortdetailliert aufgenommen. Zusammenmit den anderen Nutzungsarten (In-dustrie- und Gewerbe, Verwaltung, So-zialgebäude, Garagen usw.) wurdeninsgesamt 2100 Objekte erfaßt. DieBauwerke wurden hinsichtlich ihrerParameter (Nutzung, Etagenzahl, Bau-weisen, Unterkellerung usw.) ingenieur-mäßig klassifiziert. Bei dieser Gelegen-heit wurde in den betroffenen Gebieteneine Fragebogenaktion durchgeführt,die seitens der Stadt unterstützt wurde.

Bei ca. 25 % der Gebäude ließensich die maximalen Überflutungshö-hen über Gelände vom August 2002feststellen, so daß innerhalb des Auf-nahmegebiets eine näherungsweise Re-konstruktion der maximalen Wasser-spiegellage möglich war.

Von der Stadtverwaltung Eilen-burg bereitgestellte GIS-Daten mitden Gebäudegrundrissen wurdennach der Aufnahme aktualisiert. EineÜbersicht zum Bauwerksbestands

und Überflutungsgebiet kann in Über-lagerung der Datenebenen Bild 2 ent-nommen werden.

Im Hinblick auf das Schema zuden die Verletzbarkeit und damit denSchaden beeinflussenden Bauwerks-parametern in Bild 4 lassen sich fol-gende Aussagen ableiten: – Die Wohnbebauung ist überwie-gend 1- bis 4geschossig, wobei die2geschossigen Bauwerke mit ca. 40 %der Wohnbebauung dominieren. Die3- und 4geschossigen Gebäude folgendann mit 27 % und 20 %.– Die Auswertung der abgeschätztenAltersstruktur zeigt, daß sich ca. 25 %der Bauwerke den Aufbaumaßnahmennach dem 2. Weltkrieg zuordnen las-sen. Nur ein kleiner Teil der Gebäudewurde im Überflutungsgebiet vor 1900errichtet. Ansonsten verteilen sich dieBaujahre der Gebäude recht gleich-mäßig über das 20. Jahrhundert. – Die vorherrschende Bauweise derBauwerkswände im Erdgeschoß undden Obergeschossen ist Mauerwerks-bau mit ca. 85 %.– Zu geringeren Prozentsätzen sindNatursteinmauerwerk, Holz- undLehmbauten, Fertigteilbauten, Stahl-und Stahlbetonbauweisen sowie di-verse Mischbauweisen enthalten.– Im Kellerbereich dominiert ebenfallsder Mauerwerksbau mit einem Anteilvon ca. 90 %. Natursteinmauerwerk istbei ca. 7 % der Bauwerke zu finden. Eingeringerer Teil von Kellern besteht ausStahlbeton und diversen Mischbau-weisen aus den genannten Baustoffen.

Aus den erhobenen Daten könnender strukturelle Schadensgrad di undder Durchfeuchtungsgrad df festgelegtund dem Schema von Bild 3 zunächstohne Differenzierung der Bauweisenzugeordnet werden (Tabelle 3). Nurwenige Bauwerke weisen hohe struk-turelle Schäden (d4 und d5) auf. Einegrößere Anzahl der Bauwerke erreicht

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Bild 19. Eilenburg, EisenbahnbrückeMulde Strecke zwischen Leipzig undCottbus (EDAC 2002)Fig. 19. Eilenburg, railway bridgeMulde line Leipzig to Cottbus (EDAC2002)

Tabelle 3. Schadensgrade Gebäude in Eilenburg (undifferenziert)Table 3. Damage grade of building in Eilenburg (not differentiated)

Durchfeuchtungsgrad df [%]

0–20 20–40 40–60 60–80 80–100

1 3 4 1 0 0

2 8 21 20 6 0

3 3 11 14 1 0

4 3 1 0 0 0

5 0 3 0 0 0Sch

aden

sgra

d d i

[%]

Bild 18. Eilenburg, Abriß nach drohen-dem Einsturz; Schadensfall: S10 (EDAC2002)Fig. 18. Eilenburg, demolition due tothreat of collapse, damage case S10(EDAC 2002)

Page 10: Quantifizierung der Schäden infolge Hochwassereinwirkung: Fallstudie Eilenburg

aber Schadensgrade von d2 bzw. d3.Die strukturellen Schäden sind somitnicht vernachlässigbar.

Bild 20 zeigt neben derVerteilungder Bauweisen (BauwerksaufnahmeEDAC [8]) im gesamten Überflutungs-gebiet sowie für ein stark betroffenesGebiet die Verteilung von strukturellenSchadensgraden aus den Befragungs-daten.

Die Auswertung der Daten be-stätigt, daß die unterschiedlichenBauweisen auch eine unterschiedli-che Höhe der Schäden aufweisen. InBild 21 ist der durchschnittliche Ver-lust bezogen auf die Wiederherstel-lungskosten (MDR – Mean Damage

854 Bautechnik 82 (2005), Heft 12

Ratio) für die einzelnen Bauweisendargestellt. Aufgrund der unter-schiedlichen Überflutungshöhen sinddabei zunächst nur Tendenzen zu er-kennen.

4.3 Schadensszenarien – Übersicht zuden Datenebenen

Abschließend wird untersucht, ob mitden entwickelten Ansätzen eine reali-stische Abschätzung der Schadenspo-tentiale und somit Schadensprogno-sen möglich sind.

Gemäß dem Ablaufschema inBild 12 werden folgende GIS-Daten-ebenen zugrunde gelegt:

– Als Geländemodell (0.0.1) kommt einDigitales Gelände-Modell (DGM 20)als Höhenmodell zur Anwendung (einDGM 5 liegt für die Mulde noch nichtvor).– Das Gefährdungsmodell (0.1.1) be-inhaltet die aus der Bauwerksauf-nahme abgeleitete Wasserspiegellage,welche mit den Überflutungsflächenvom Augusthochwasser 2002 abgegli-chen wurde (Bereitstellung durchStUFA Radebeul, StUFA Chemnitzund StUFA Leipzig).– Für die anonymisierte Darstellungder mikroskaligen Ergebnisse und füreine mesoskalige Vorgehensweise wirddie Flächennutzung (1.0.1) auf Basisder ATKIS-Daten berücksichtigt.Grundlage ist ein Digitales Land-schafts-Modell (DLM 20). – Die Bauwerkswerte (2.1.2) werdenüber die Normalherstellungskosten(NHK) [5] ermittelt.

Aus den zurVerfügung stehendenSchadensdaten werden bauweisen-spezifische Schadensfunktionen (Typ 1,Bild 14a) für die Wohnbebauung ab-geleitet. Die Funktionen werden dabeihinsichtlich Unterkellerung und Eta-genzahl differenziert. Als Einwirkungs-parameter geht die Überflutungshöheein.

Zur Prüfung der Plausibilität derSchadensfunktionen wurde das Hoch-wasserereignis vom August 2002 nach-vollzogen. Die Daten aus der Bauwerks-aufnahme wurden dazu verwendet,um einen konkreten Wiedererrich-tungswert [13] für jedes Bauwerk zuermitteln. Entsprechend der Überflu-tungshöhe, der Bauweise und des Ge-bäudetyps (Unterkellerung, Etagen-zahl) wurde ein mittlerer Schaden fürjedes Gebäude ermittelt.

Näherungsweise wurden dieSchadensfunktionen SDF der EDAC-Studie auch auf die Industrie- und Ge-werbebauten angewendet.

Auf die Probleme bei Schadens-darstellungen auf Einzelbauwerks-ebene wurde in [17] hingewiesen.Daher ist eine „Verschmierung“ derSchäden auf Basis der Flächennut-zungsebene (hier ATKIS [1]) zu be-vorzugen. Obwohl die Berechnungauf Basis der Einzelobjekte erfolgt,werden die Resultate durch die An-gabe eines mittleren Schadens vonDetailaussagen weggeführt.

Die Verteilung der Schäden in-nerhalb der ATKIS-Flächennutzungenkann Bild 22 entnommen werden.

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Bild 21. Verletzbarkeit der Bauweisen gegenüber HochwassereinwirkungenFig. 21. Vulnerability of building types compared to flood impacts

Bild 20. Bauweisen und Schadensgrade di im Untersuchungsgebiet EilenburgFig. 20. Building types and damage grades in Eilenburg

Page 11: Quantifizierung der Schäden infolge Hochwassereinwirkung: Fallstudie Eilenburg

855Bautechnik 82 (2005), Heft 12

Zum Vergleich wurden ebenfallsSzenarien für die Funktionen gemäßBild 13 berechnet. Diese Funktionensind normalerweise mesoskaligen Sze-narien vorbehalten. Die Anwendung aufmikroskaliger Ebene bietet aber denVorteil, daß vom gleichen Wertebestandbei der Berechnung ausgegangen wird.

Der Vergleich der berechnetenSchadenssummen (Tabelle 4) zeigt einebemerkenswerte Übereinstimmung derErgebnisse derEDAC-Studie mit den ge-meldeten Schäden [14]. Die Ergebnisseunter Verwendung der herkömmlichenSchadensfunktionen [11], [12] weisendagegen eine große Streubreite auf.

Die Berücksichtigung der bau-weisenabhängigen Verletzbarkeit führtauch bei der Quantifizierung der Scha-denspotentiale infolge Hochwasser zuvertrauenswürdigen Ergebnissen.

5 Ausblick

Aus der Analogiebetrachtung zu denim Bereich der Risikoanalyse Erdbe-ben entwickelten methodischen

Grundlagen und den Hilfsmitteln er-schließen sich auch für die Naturge-fahr Hochwasser Ansätze für einewirklichkeitsnahe, stärker auf die Ver-letzbarkeit der Bauweisen abhebendeVorgehensweise. Die zur praktischenUmsetzung erforderlichen Datenebe-nen und Funktionen werden im Bei-trag skizziert und in einer Fallstudiebeispielhaft vorgelegt.

Der Schaden wird nicht nur imSinne der Kosten für eine Nutzungs-art verstanden, sondern im Gegensatzzur bisherigen Vorgehensweise auf in-genieurtechnische Beschreibungsfor-men erweitert, wobei neben denDurchfeuchtungsschäden auch struk-turelle Schäden am Bauwerk überver-schiedene Schadensgrade berücksich-tigt werden.

Bauweisen mit ähnlicher Scha-densanfälligkeit sind nach dem Vor-bild der EMS-98 im Bereich Erdbebenin Verletzbarkeitsklassen zu über-führen. Für diese Verletzbarkeitsklas-sen sind dann Schadensfunktionenabzuleiten.

In Weiterführung der hier vorge-stellten Untersuchungen sollen bau-weisenspezifische Korrelationen zwi-schen den Einwirkungsparametern(Fluthöhe h, Durchfeuchtung df) undden strukturellen Schäden herausge-arbeitet werden. Neben den monetärenVerlustgrößen wird mit den struktu-rellen Schadensgraden di eine für dasKatastrophenmanagement interessanteKenngröße bereitgestellt, die im mi-kroskaligen Bereich für vorgegebenesSzenarium die Identifikation von Ge-bieten mit zu erwartenden Schadens-konzentrationen ermöglicht. Diesschließt neben den zielgerichtetenEmpfehlungen Maßnahmen für einpräventives und vorbeugendes Krisen-management ein.

Dank

Für das Interesse an den Arbeiten, daskonstruktive Zusammenwirken mit denverantwortlichen städtischen Einrich-tungen und anderen beteiligten Insti-tutionen gilt Frau Häussler vom Bau-dezernat Eilenburg unser besondererDank.

Den Wohnungsbaugenossenschaf-ten EWV und WGE sowie dem Ver-messungsbüro Hofmann danken dieAutoren für die Unterstützung bei derrückwirkenden Dateninterpretation.Die Schadenserhebungen wären ohnedas freundliche Interesse der Bewoh-nervon Eilenburg, insbesondere durchdie umfänglichen Rückantworten aufdie Fragebögen, nicht in der vorliegen-den Detaillierung möglich gewesen.

Literatur

[1] Arbeitsgemeinschaft der Vermes-sungsverwaltungen der Länder derBundesrepublik Deutschland, AdV:ATKIS – Amtliches Topographisch-Kartographisches Informationssystem:http://www.atkis.de/

[2] Black, R. D.: Floodproofing RuralResidences, Washington D. C. Reportno EDA 77-088, US Department ofCommerce, Economic DevelopmentAdministration (1975).

[3] Buck, W. und Merkel, U.: Auswertungder HOWAS Schadensdatenbank, Insti-tut fürWasserwirtschaft und Kulturtech-nik der Universität Karlsruhe, HY98/15.

[4] Bundesamt für Wasser und GeologieBWG, Schweiz (2005): Hilfe-Assistentzum Excel-Tool MethodeBWG für dieAbschätzung des SchadenpotentialsÜberschwemmung und Übermurung,Biel 2005, Version 1.2: http://www.bwg.

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Bild 22. Schadensszenario Hochwasser 2002 unter Verwendung der Schadens-funktionen SDF Typ 1Fig. 22. Damage scenario 2002 flood applying damage functions SDF type 1

Tabelle 4. Vergleich der Schadenszenarien mit den gemeldeten SchädenTable 4. Comparison of damage scenarios with registered damages

Schaden Gebäudebestand [%]Variante

Wohnbebauung Gesamtbestand

IST-Schaden [15] 100,0* 100,0**

Rheinatlas [13] 37,4 36,5

Hochwasser-Aktionsplan Lippe [12] 136,9 134,0

EDAC Studie SDF Typ 1 99,8 104,3

** 183,3 Mio. 2** 146,0 Mio. 2

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admin.ch/service/download/d/schapo/schapoah.pdf

[5] [Bundesministerium für Raumord-nung, Bauwesen und Städtebau: Nor-malherstellungskosten NHK 95: http://www.bmvbw.de/Anlage4159/Normal-herstellungskosten-1995-NHK-95.pdf

[6] Claußen, L.; Clark, P. B.: The deve-lopment of criteria for predicting dam-break flood damages using modellinghistorical dam failures, Internationalconference on river flood hydraulicsWallingford: John Wiley Sons Ltd. 1990.

[7] Deutsches Zentrum für Luft- undRaumfahrt (DLR), Cluster AngewandteFernerkundung: Corine Landcover 2000:http://www.caf.dlr.de/caf/anwendun-gen/projekte/projekte_nutzung/corine/

[8] EDAC Schadensaufnahme (2002).[9] Grünthal, G.,Thieken,A. H., Schwarz,

J.; Radtke, K. S., Smolka, A., Merz, B:Comparative risk assessments for thecity of Cologne – storms, floods, andearthquakes. In: Deutsches For-schungsnetz Naturkatastrophen – Ab-schlußbericht (Hrsg. B. Merz, H. Apel),Reihe: Scientific Technical Reports(STR) Nr.: 04/01 (2004), GeoFor-schungsZentrum Potsdam, 286–305.

[10] Grünthal, G. (ed.), Musson, R.,Schwarz, J., Stucchi, M.: EuropeanMacroseismic Scale 1998. Cahiers duCentre Européen de Geodynamique etde Seismologie, Volume 15, Luxem-bourg 1998.

[11] Hydrotec Ingenieurgesellschaft, Was-ser und Umwelt mbH: Hochwasser-Ak-tionsplan Lippe Grundlagen, Überflu-tungsgebiete, Schadenspotenzial, De- fi-zite und Maßnahmen:

856 Bautechnik 82 (2005), Heft 12

http://www.stua-lp.nrw.de/map/p/hwlippe/main/07_Bericht/tr/bericht.pdf

[12] Internationale Kommision zumSchutz des Rheins (IKSR)(2001): Rhein-atlas 2001, Atlas der Überschwemmungs-gefährdung und möglichen Schäden beiExtremhochwasser am Rhein: http://www.iksr.de/rheinatlas/german/german_text.pdf

[13] Maiwald, H.: Ingenieurmäßiges Be-wertungssystem zur mikroskaligen Er-mittlung von Hochwasserschadenspo-tentialen (Dissertation in Bearbei-tung).

[14] Sächsische Aufbaubank (SAB): Aus-kunft zur Schadenssumme im privatenWohnbereich für Eilenburg (2004).

[15] Sächsisches Landesamt für Umweltund Geologie (LfUG) 2003.

[16] Chhea, S., Rockett, P.: BENFIELDPrague Day, 24thJune 2003: www.ben-fieldgroup.com/research/reports/con-ference+publications/prague_eastern_europe_flood_modelling.pdf

[17] Schwarz, J., Raschke, M., Maiwald,H.: Methodische Grundlagen der seismi-schen Risikokartierung am Beispiel derStadt Schmölln/Ostthüringen (2): Mo-dellereignisse, lokale Verstärkungseffekteund Schadensszenarien. Thesis – Wiss.Zeitschrift der Bauhaus-Universität Wei-mar 47 Heft 1./2. (2001): ‚Ingenieur-seismologie und Erdbebeningenieur-wesen‘, 200-217.

[18] Schwarz, J., Raschke, M., Maiwald,H.: Seismische Risikokartierung auf derGrundlage der EMS-98 – Fallstudie Ost-thüringen. Tagungsband zum 2. ForumNaturkatastrophen, S. 325–336, Leipzig2002.

[19] Schwarz, J., Gerstberger, A., Mai-wald, H.: Gebäudeschäden durchHochwassereinwirkung. Vortrag zuden AON Rück Hochwassertagen,Potsdam 2003.

[20] Schwarz J., Maiwald, H., Raschke,M.: Zu erwartende Erdbebenszenarienfür deutsche Großstadträume undQuantifizierung der Schadenspotentiale.Bericht zu Teilprojekt B31. In: DeutschesForschungsnetz Naturkatastrophen –Abschlußbericht (Hrsg. B. Merz, H.Apel), Reihe: Scientific Technical Re-ports (STR) Nr.: 04/01, Geo-For-schungszentrum Potsdam (2004).

[21] Schwarz, J.; Langhammer, T., Kauf-mann, Ch.: Quantifizierung der Scha-denspotentiale infolge Erdbeben. Teil 1:Rekonstruktion des Bebens in derSchwäbischen Alb vom 03. September1978. Bautechnik 82 (2005), S. 520–532.

[22] Stadt Eilenburg: www.eilenburg.de[23] Statistisches Landesamt Sachsen:

www.statistik-sachsen.deBildnachweis: Erdbebenzentrum, amInstitut für Konstruktiven Ingenieur-bau, Bauhaus-Universität Weimar

Autoren dieses Beitrages:Dr.-Ing. Jochen Schwarz, Dipl.-Ing. AndréGerstberger, Dipl.-Ing. Holger Maiwald; Bauhaus-Universität Weimar, Zentrum für dieIngenieuranalyse von Erdbebenschäden (Erdbebenzentrum), Marienstraße 7A; D-99421 Weimar

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