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DAS BIP 18 Die Volkswirtschaſt  3 / 2018 Demgegenüber führt das Staatssekreta- riat für Wirtschaft (Seco) vier Mal pro Jahr eine BIP-Quartalsschätzung durch. Einerseits wer- den dadurch unterjährige Informationen zum BIP und anderen Grössen der Volkswirtschaft- lichen Gesamtrechnung (VGR) verfügbar, und andererseits gibt die Quartalsschätzung we- sentlich früher Auskunft über die laufende Ent- wicklung. Die Zahlen werden rund zwei Monate nach Quartalsende veröffentlicht – beispiels- weise erscheint die Schätzung für das BIP des vierten Quartals jeweils Ende Februar oder An- fang März. Damit stehen auch bereits Informa- tionen zum jährlichen BIP zur Verfügung – rund ein halbes Jahr vor der BFS-Berechnung. Die Vorteile der höheren Frequenz und frü- heren Verfügbarkeit sind nicht ohne Nachteile zu haben. Die BIP-Zahlen 1 werden auf Quartals- basis mittels statistischer Methoden geschätzt und unterliegen Unsicherheiten. Die Qualität der Schätzung hängt wesentlich von der Qua- lität der verfügbaren Daten ab – insbesonde- re von den ökonomischen Indikatoren und von den BFS-Jahreswerten – sowie von der Güte der eingesetzten statistischen Methoden. Schätzung anhand von Indikatoren Wie funktioniert die Quartalsschätzung? Einer- seits werden die offiziellen BFS-Jahreszahlen anhand statistischer Methoden auf die Quarta- le der vergangenen Jahre «verteilt» (Interpola- tion). Andererseits werden auch für die jüngsten Quartale, für die noch kein Jahreswert zur Ver- fügung steht, die Quartalsdaten geschätzt (Ex- trapolation). Für das Vorgehen ist es zentral, Indikato- ren zu finden, die auf Jahresbasis den grösst- E ine frühzeitige und präzise Einschätzung der Konjunkturlage hilft Firmen, Staat und Privatpersonen dabei, wirtschaftliche Entwick- lungen rechtzeitig zu erkennen. Dazu sind Daten notwendig, die möglichst zeitnah und in hoher Frequenz zur Verfügung stehen und internatio- nal vergleichbar sind. Die darauf basierenden Lagebeurteilungen und Prognosen sind für die Wirtschafts- und Geldpolitik sowie für die Fi- nanzplanung des Bundes unverzichtbar. Zentrale Kennzahlen sind das Bruttoinland- produkt (BIP) und seine Komponenten. Weil die Berechnung des BIP anspruchsvoll ist und eine sehr breite Datengrundlage erfordert, be- steht jedoch ein Zielkonflikt zwischen rascher Verfügbarkeit und hoher Genauigkeit. So liegt die erste Berechnung des jährlichen BIP durch das Bundesamt für Statistik (BFS) jeweils erst im August des Folgejahres vor. Die Verzögerung ergibt sich aus den hohen Erfordernissen an Daten, welche zuerst landesweit erhoben wer- den müssen. Quartalsschätzung verkürzt das Warten auf die BIP-Zahlen Vier Mal pro Jahr schätzt das Seco das Quartals-BIP. Wirtschaftsakteure erhalten damit bereits frühzeitig eine zuverlässige Einschätzung der Konjunkturentwicklung.  Andreas Bachmann, Ronald Indergand Abstract  Die Quartalsschätzung des Bruoinlandprodukts (BIP) des Staatssekretariats für Wirtschaſt (Seco) liefert Wirtschaſtsakteuren frühzeitig Informationen über die Konjunktur im vergangenen Quartal. Die Daten sind nicht nur für die Einschätzung der aktuellen, sondern auch für die Prognose der zukünſtigen Wirtschaſtsentwicklung zentral. Zudem bilden die Quartalsdaten eine wichtige Grundlage für die em- pirische Wirtschaſtsforschung. Die Schätzung orientiert sich an euro- päisch harmonisierten Vorgehensweisen und erfolgt mit international verbreiteten ökonometrischen Methoden. Sie basiert auf Indikatoren, die einen starken Zusammenhang mit den Jahresdaten der Volkswirt- schaſtlichen Gesamtrechnung (VGR) aufweisen und zugleich quartals- weise und frühzeitig verfügbar sind. Die geschätzten Daten unterliegen zwar Revisionen, die im Durchschni aber nicht signifikant sind. Daher liefern bereits die ersten Quartalsschätzungen ein zuverlässiges Bild der Konjunkturlage. 1 Die Ausführungen dieses Artikels gelten grundsätzlich sowohl für die BIP-Zahlen als auch für deren Kom- ponenten, d. h. für die Zahlen der VGR. Aus Gründen der Leserlich- keit ist jeweils nur von BIP-Zahlen die Rede.

Quartalsschätzung verkürzt das Warten auf die BIP-Zahlen · DAS BIP 18 Die Volkswirtschaft 3 2018/ Demgegenüber führt das Staatssekreta-riat für Wirtschaft (Seco) vier Mal pro

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DAS BIP

18 Die Volkswirtschaft  3 / 2018

Demgegenüber führt das Staatssekreta-riat für Wirtschaft (Seco) vier Mal pro Jahr eine BIP-Quartalsschätzung durch. Einerseits wer-den dadurch unterjährige Informationen zum BIP und anderen Grössen der Volkswirtschaft-lichen Gesamtrechnung (VGR) verfügbar, und andererseits gibt die Quartalsschätzung we-sentlich früher Auskunft über die laufende Ent-wicklung. Die Zahlen werden rund zwei Monate nach Quartalsende veröffentlicht – beispiels-weise erscheint die Schätzung für das BIP des vierten Quartals jeweils Ende Februar oder An-fang März. Damit stehen auch bereits Informa-tionen zum jährlichen BIP zur Verfügung – rund ein halbes Jahr vor der BFS-Berechnung.

Die Vorteile der höheren Frequenz und frü-heren Verfügbarkeit sind nicht ohne Nachteile zu haben. Die BIP-Zahlen1 werden auf Quartals-basis mittels statistischer Methoden geschätzt und unterliegen Unsicherheiten. Die Qualität der Schätzung hängt wesentlich von der Qua-lität der verfügbaren Daten ab – insbesonde-re von den ökonomischen Indikatoren und von den BFS-Jahreswerten – sowie von der Güte der eingesetzten statistischen Methoden.

Schätzung anhand von Indikatoren

Wie funktioniert die Quartalsschätzung? Einer-seits werden die offiziellen BFS-Jahreszahlen anhand statistischer Methoden auf die Quarta-le der vergangenen Jahre «verteilt» (Interpola-tion). Andererseits werden auch für die jüngsten Quartale, für die noch kein Jahreswert zur Ver-fügung steht, die Quartalsdaten geschätzt (Ex-trapolation).

Für das Vorgehen ist es zentral, Indikato-ren zu finden, die auf Jahresbasis den grösst-

E ine frühzeitige und präzise Einschätzung der Konjunkturlage hilft Firmen, Staat und

Privatpersonen dabei, wirtschaftliche Entwick-lungen rechtzeitig zu erkennen. Dazu sind Daten notwendig, die möglichst zeitnah und in hoher Frequenz zur Verfügung stehen und internatio-nal vergleichbar sind. Die darauf basierenden Lagebeurteilungen und Prognosen sind für die Wirtschafts- und Geldpolitik sowie für die Fi-nanzplanung des Bundes unverzichtbar.

Zentrale Kennzahlen sind das Bruttoinland-produkt (BIP) und seine Komponenten. Weil die Berechnung des BIP anspruchsvoll ist und eine sehr breite Datengrundlage erfordert, be-steht jedoch ein Zielkonflikt zwischen rascher Verfügbarkeit und hoher Genauigkeit. So liegt die erste Berechnung des jährlichen BIP durch das Bundesamt für Statistik (BFS) jeweils erst im August des Folgejahres vor. Die Verzögerung ergibt sich aus den hohen Erfordernissen an Daten, welche zuerst landesweit erhoben wer-den müssen.

Quartalsschätzung verkürzt das Warten auf die BIP-Zahlen

Vier Mal pro Jahr schätzt das Seco das Quartals-BIP. Wirtschaftsakteure erhalten damit bereits frühzeitig eine zuverlässige Einschätzung der Konjunkturentwicklung.  Andreas Bachmann, Ronald Indergand

Abstract    Die Quartalsschätzung des Bruttoinlandprodukts (BIP) des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) liefert Wirtschaftsakteuren frühzeitig Informationen über die Konjunktur im vergangenen Quartal. Die Daten sind nicht nur für die Einschätzung der aktuellen, sondern auch für die Prognose der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung zentral. Zudem bilden die Quartalsdaten eine wichtige Grundlage für die em-pirische Wirtschaftsforschung. Die Schätzung orientiert sich an euro-päisch harmonisierten Vorgehensweisen und erfolgt mit international verbreiteten ökonometrischen Methoden. Sie basiert auf Indikatoren, die einen starken Zusammenhang mit den Jahresdaten der Volkswirt-schaftlichen Gesamtrechnung (VGR) aufweisen und zugleich quartals-weise und frühzeitig verfügbar sind. Die geschätzten Daten unterliegen zwar Revisionen, die im Durchschnitt aber nicht signifikant sind. Daher liefern bereits die ersten Quartalsschätzungen ein zuverlässiges Bild der Konjunkturlage.

1 Die Ausführungen dieses Artikels gelten grundsätzlich sowohl für die BIP-Zahlen als auch für deren Kom-ponenten, d. h. für die Zahlen der VGR. Aus Gründen der Leserlich-keit ist jeweils nur von BIP-Zahlen die Rede.

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Die gesamte Wertschöpfung im Tourismus lässt sich anhand der Logiernächte schätzen. Touristinnen in Luzern.

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DAS BIP

20 Die Volkswirtschaft  3 / 2018

MethodikFür die BIP-Quartalsschätzungen verwendet das Seco aktuelle wissenschaftliche Standards, wel-che international zur Schätzung von vierteljährli-chen VGR-Daten eingesetzt werden. Die Vorge-hensweise stützt sich dabei auf das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 (siehe EU, 2014 und EU, 2013). Bei der Quar-talisierung hängt die Wahl der Methode davon ab, ob zwischen der Zielgrösse und den Indikatoren eine Kointegrationsbeziehung besteht. So wird bei Kointegration die Methode von Chow und Lin (1971) verwendet, ansonsten die Methode von Fernandez

(1981). Falls kein Zusammenhang zwischen Indika-tor und Zielgrösse geschätzt werden muss, wird die Denton-Cholette-Methode (Denton, 1971; Dagum and Cholette, 2006) angewandt. Dies ist der Fall, wenn entweder gar kein Indikator vorhanden ist oder wenn ein Indikator quasi perfekt der Zielgrös-se entspricht.

Die Saisonbereinigung erfolgt mittels «X-13-Arima -Seats». In einem ersten Schritt wird ein Arima- Modell geschätzt. Dabei wird beispielsweise der Effekt von Ostern, der Anzahl Arbeitstage etc. iden-tifiziert. Unter Verwendung des Arima-Modells wird

die Zeitreihe an beiden Enden verlängert, was die Saisonbereinigung an den Rändern der Zeitreihe verbessert. Danach kann entweder ein nicht para-metrisches Verfahren (X-11: siehe Findley et al, 1998) oder eine modellbasierte Methode (Seats: Gomez und Maravall, 1996) für die Saisonbereinigung ver-wendet werden. Für die vierteljährliche VGR ver-wendet das Seco in der Regel die Seats-Methode. Die resultierende saisonbereinigte Reihe schliesst regelmässige saisonale Schwankungen aus.

möglichen Zusammenhang mit der zu schät-zenden Komponente aufweisen. Dies genügt aber noch nicht: Damit ein Indikator für die Quartalsschätzung verwendet werden kann, muss er auf Quartalsfrequenz und zeitnah (in-nerhalb von 60 Tagen nach Quartalsende) ver-fügbar sowie lang genug sein, um statistische Zusammenhänge sinnvoll schätzen zu können.

Ein Beispiel für einen geeigneten Indikator sind die Logiernächte in der Schweiz. Sie wei-sen auf Jahresbasis ähnliche Wachstumsraten auf wie die reale Wertschöpfung des Gastgewer-bes (siehe Abbildung 1). Dies ermöglicht es, den Zusammenhang zwischen Wertschöpfung im Gastgewerbe und Logiernächten mittels einer Regression auf Jahresbasis zu schätzen. Dieser Zusammenhang wird verwendet, um anhand der quartalsweisen Logiernächte die reale Wert-schöpfung für das Gastgewerbe auf Quartalsba-sis zu bestimmen (siehe Abbildung 2). Beispiele für Indikatoren anderer Branchen sind Industrie- und Detailhandelsumsätze, Exportzahlen, Be-schäftigungsdaten, Preise etc. Das BIP ergibt sich am Schluss als Summe der quartalisierten Wert-schöpfung aller Branchen (siehe Kasten).

Hohe Treffsicherheit der BIP-Quartalsschätzung

Grundsätzlich kommen alle verfügbaren Daten, die oben stehende Kriterien erfüllen, als Indikatoren für die Quartalisierung einer Jahresreihe infrage. Für die Schätzung kön-nen auch mehrere Indikatoren verwendet wer-den. Um ins Modell aufgenommen zu werden, sollten die Indikatoren in einem signifikanten und ökonomisch sinnvollen Zusammenhang zur gesuchten Komponente stehen. Gleichzei-

tig sollten sie einen hohen Erklärungsgehalt für die Entwicklung dieser Komponente in der Vergangenheit aufweisen. Besonders wichtig ist zudem die Güte der Extrapolation, d. h., dass die Summe der extrapolierten Quartale mög-lichst nahe am später veröffentlichten Jahres-wert des BFS liegt.

Ein allfälliges saisonales Muster der Indika-toren überträgt sich auf die BIP-Quartalsschät-zungen. Beispielsweise sind die Logiernächte jeweils im dritten Quartal am höchsten. Ausge-prägte Saisonschwankungen können jedoch die konjunkturelle Dynamik, die in der Regel im Zen-trum des Interesses steht, verdecken. Für sämtli-che Komponenten des BIP werden daher sowohl unbereinigte wie auch saison- und kalenderbe-reinigte Reihen veröffentlicht (siehe Kasten).

Insgesamt ist die Treffsicherheit der Quar-talsschätzungen relativ gross: Beim BIP lag die Differenz zwischen den summierten, extra-polierten Quartalen und dem ersten BFS-Jahres-wert für 2016 bei 0,09 Prozentpunkten; für 2015 und 2014 waren es jeweils 0,07 Prozentpunkte.2

Die Quartalszahlen unterliegen regelmässi-gen Revisionen. Die Gründe dafür sind vielfäl-tig: Erstens werden die verwendeten Indika-toren selber teilweise revidiert. Zweitens gibt es bei den VGR-Jahresdaten Änderungen, die sich auf die Quartalszahlen übertragen. Drit-tens werden die ökonometrischen Modelle für die Quartalisierung und die Saisonbereinigung gelegentlich angepasst, falls dadurch eine Ver-besserung der Schätzung erreicht werden kann. Schliesslich führt jeder neue Jahreswert zu leichten Änderungen der geschätzten Ko-effizienten in den Quartalisierungsmodellen, und jeder neue Quartalswert hat Anpassungen des geschätzten Saisonmusters zur Folge.

2 2014: Seco: 1,96%, BFS: 1,89%; 2015: Seco: 0,91%; BFS: 0,84%, 2016: Seco: 1,29%; BFS: 1,38%).

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FOKUS

Die Volkswirtschaft  3 / 2018 21

Abb. 1: Anzahl Logiernächte und reale Wertschöpfung des Gastgewerbes: Wachstumsrate gegenüber Vorjahr (2011–2016)

BFS,

SEC

O /

DIE

VO

LKSW

IRTS

CH

AFT

Abb. 2: Anzahl Logiernächte und reale Wertschöpfung: Quartalsreihen (2011–2017)

BFS,

SEC

O /

DIE

VO

LKSW

IRTS

CH

AFT

Abb. 3: BIP-Wachstum (1996–2017; real und saisonbereinigt; gegenüber Vorquartal)

Die rote Linie zeigt die aktuelle Schätzung der Wachstumsrate. Die gepunkteten Linien zeigen die höchste und die tiefste Wachstumsrate, die für das jeweilige Quartal geschätzt wurden (inkl. aller Revisionen zwischen Ende 2002 bis Ende 2017).

SEC

O /

DIE

VO

LKSW

IRTS

CH

AFT

4 In %

15 In Mio.

3 In %

2

1

0

–1

–2

–3

20122011

1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016

2013 2014 2015 2016 2017

In Mio. Franken 4000

3200

2400

1600

12

9

6

2011 2012 2013

  Logiernächte              Reale Wertschöpfung Gastgewerbe

  Logiernächte              Reale Wertschöpfung Gastgewerbe (rechte Achse)

  Aktuelle Schätzung (30.11.2017)              Minimum              Maximum

2014 2015 2016

2

0

–2

–4

–6

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DAS BIP

22 Die Volkswirtschaft  3 / 2018

In der Vergangenheit betrug die durch-schnittliche absolute Revision des BIP-Wachs-tums zwischen der ersten und der zweiten Quartalsschätzung 0,1 Prozentpunkte und in-nerhalb eines Jahres 0,2 Prozentpunkte. Dies ist vergleichbar mit der Höhe der Revisionen in an-deren Ländern. In aller Regel sind die Revisio-nen zudem unverzerrt, d. h., sie erfolgen sowohl nach oben wie nach unten, und sie unterschei-den sich im Durchschnitt nicht signifikant von null. Das grundlegende Bild der Konjunkturla-ge wird somit durch die Revisionen nicht verän-dert (siehe Abbildung 3). Stand und Entwicklung der Konjunktur werden durch die BIP-Quartals-schätzungen korrekt angezeigt – und dies be-reits zwei Monate nach Quartalsende.

Eine noch frühzeitigere Verfügbarkeit der BIP-Zahlen wäre theoretisch möglich. Wesent-liche Indikatoren wie beispielsweise die Zah-lungsbilanz, die Umsätze der Industrie oder die Beschäftigungsstatistik sind gegenwärtig jedoch nicht früher verfügbar. Eine frühzeiti-gere Schätzung der BIP-Zahlen wäre daher nur

bei Inkaufnahme grösserer späterer Revisionen möglich.

Demgegenüber liefert die BIP-Quartals-schätzung unter der derzeitigen Vorgehenswei-se eine verlässliche, frühe Grundlage sowohl für die konjunkturelle Lagebeurteilung als auch für Konjunkturprognosen. Diese wiederum sind unter anderem für die Wirtschaftspolitik, die Budgetplanung des Bundes sowie die geldpoliti-sche Lagebeurteilung durch die Schweizerische Nationalbank von zentraler Bedeutung.

Andreas BachmannWissenschaftlicher Mit-arbeiter, Ressort Konjunk-tur, Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

Ronald IndergandLeiter, Ressort Konjunk-tur, Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

LiteraturChow, Gregory C., und An-loh Lin (1971). Best

Linear Unbiased Interpolation, Distribution, and Extrapolation of Time Series by Related Series. The Review of Economics and Statis-tics, 53(4): 372–375.

Dagum, Estela B., und Pierre A. Cholette (2006). Benchmarking, Temporal Distribution, and Reconciliation Methods for Time Series. Lec-ture Notes in Statistics. Springer-Verlag, New York.

Denton, Frank T. (1971). Adjustment of Mon-thly or Quarterly Series to Annual Totals: An Approach Based on Quadratic Minimization. Journal of the American Statistical Associa-tion, 66: 99–102.

Europäische Union (2014). Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, ESVG 2010, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg.

Europäische Union (2013). Handbook on Quar-terly National Accounts. Amt für Veröffentli-chungen der Europäischen Union, Luxemburg.

Fernandez, Roque B. (1981). A Methodological Note on the Estimation of Time Series. The Review of Economics and Statistics, 63(3): 471–476.

Findley, David F., Brian C. Monsell, William R. Bell, Mark C. Otto, und Bor-Chung Chen. (1998). New Capabilities and Methods of the X-12-ARIMA Seasonal-Adjustment Program. Journal of Business & Economic Statistics, 16(2): 127–152.

Gomez, Victor und Agustin Maravall (1996). Programs TRAMO and SEATS, Instructions for the User, Documento de Trabajo, Banca de Espagna: 9628.

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FOKUS

Die Volkswirtschaft  3 / 2018 23

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