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Trainerwissen 6 Von Thomas Krüger Foto: Oliver Böhmer Den Erfolgen der „Bad Boys“ und der boomenden Bundesliga zum Trotz: Im Handball in Deutschland schwinden die Mitglieder! Mit Folgen, die gerade an der Basis inzwischen deutlich spürbar sind. ht-Autor Thomas Krüger will nicht in Schwarzmalerei verfallen, wenn er im ersten Teil seines Beitrags zahlreiche Probleme anspricht und nach den Grün- den fragt. Vielmehr geht es ihm darum, wachzurütteln. Auch (und gerade) die Trainer – ganz gleich, ob sie als Nach- wuchstrainer an der Basis selbst betrof- fen sind, als Seniorentrainer darauf an- gewiesen sind, auch künftig noch Talente „nach oben“ zu bekommen, oder im pro- fessionellen Handball nicht zuletzt von einer funktionierenden (Fan-)Basis profi- tieren. Thomas Krüger will die drängenden Pro- bleme bewusst machen. Im zweiten Bei- tragsteil, der in der kommenden Ausgabe von handballtraining erscheint, geht er einen Schritt weiter und offeriert einige Lösungsansätze. Quo vadis, Handball? Teil 1 Eine kritische Bestands- aufnahme aus der Perspektive eines engagierten Basistrainers Seltene Ausnahme – oder traurige Realität? Während ein Team gerade mal vollzählig (zu siebt!) aufläuft, hat der Gegner nur sechs Akteure an Bord und muss in Unterzahl antreten. Aber vielleicht einigt man sich immerhin darauf, sportlich-fair sechs gegen sechs zu spielen ...

Quo vadis, Handball? Teil 1 - handballtraining.comhandballtraining.com/user/pages/08.service/_service-downloads/htj/2017/... · und und haben in Rio Bronze gewonnen; Junioren und

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� Trainerwissen6

Von Thomas Krüger

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Den Erfolgen der „Bad Boys“ und derboomenden Bundesliga zum Trotz: ImHandball in Deutschland schwinden dieMitglieder! Mit Folgen, die gerade an derBasis inzwischen deutlich spürbar sind.ht-Autor Thomas Krüger will nicht inSchwarzmalerei verfallen, wenn er imersten Teil seines Beitrags zahlreicheProbleme anspricht und nach den Grün-den fragt. Vielmehr geht es ihm darum,wachzurütteln. Auch (und gerade) dieTrainer – ganz gleich, ob sie als Nach-wuchstrainer an der Basis selbst betrof-fen sind, als Seniorentrainer darauf an-gewiesen sind, auch künftig noch Talente„nach oben“ zu bekommen, oder im pro-fessionellen Handball nicht zuletzt voneiner funktionierenden (Fan-)Basis profi-tieren.Thomas Krüger will die drängenden Pro-bleme bewusst machen. Im zweiten Bei-tragsteil, der in der kommenden Ausgabevon handballtraining erscheint, geht ereinen Schritt weiter und offeriert einigeLösungsansätze.

Quo vadis,Handball? Teil 1

Eine kritische Bestands-aufnahme aus derPerspektive einesengagierten Basistrainers

Seltene Ausnahme – oder traurige Realität? Während ein Team gerademal vollzählig (zu siebt!) aufläuft, hat der Gegner nur sechs Akteure an Bord und muss in Unterzahl antreten. Aber vielleicht einigt man sich immerhin darauf, sportlich-fair sechs gegen sechs zu spielen ...

handballtraining 11/2016 � Nachwuchsgewinnung 7

In seinem Beitrag legt Thomas Krüger, einer der profi-liertesten Jugendtrainer hierzulande, den Finger in dieWunde und weist auf das drängende Problem „Nach-wuchsmangel“ hin. handballtraining fragte nach denGründen für seine kritische Beurteilung.

Die deutschen Männer sind amtierender Europameisterund und haben in Rio Bronze gewonnen; Junioren und Ju-gend räumen seit Jahren bei den Großturnieren ab. Demdeutschen Handball geht es doch gut, oder Herr Krüger?Das trifft auf die Spitze – vor allem den männlichen Bereich –erfreulicherweise zu. An der Basis sieht es aber anders aus ...

Nun gut, ein paar Hobbyhandballer weniger. Ist das wirk-lich ein Problem?Grundsätzlich brauchen wir jeden, aber darum geht es nichtvordringlich. Unter Basis verstehe ich nicht den Breitensport-sektor, sondern das Fundament unserer Sportart: die 5-, 6-,7-Jährigen, die sich für Handball entscheiden, dauerhaft da-beibleiben und aus deren Kreis einmal Landes- und Ver-bandsligaspieler, aber auch künftige Bundesligaprofis undNationalspieler hervorgehen. Dieses Fundament – da lassendie Zahlen keinen Deutungsspielraum – bröckelt. Und ich ma-che mir Sorgen, dass es weiter einbrechen könnte.

Wie lässt sich das ändern?Zunächst einmal das Problem wahrnehmen und anerkennen.Und dann nach Lösungen suchen – jeder noch so kleine Ver-ein im Rahmen seiner Möglichkeiten. Aber eben auch dieSpitze – Klubs und Verbände –, die ihren Auftrag nicht daraufreduzieren dürfen, Top-Sport zu produzieren. Die Spitze profi-tiert davon, dass die Basis intakt bleibt; sie muss deshalbauch Verantwortung für deren Fortbestand übernehmen.

Geschieht das nicht?Doch, aber nicht ausreichend. Gerade jetzt, wo der Handballin Deutschland erfolgreich und angesagt ist, müssen wir alleHebel in Bewegung setzen, um wieder mehr Kinder in die Ver-eine zu bekommen. Solch günstige Gelegenheiten dürfen wirnicht verstreichen lassen, um noch mehr auf die Sportart auf-merksam zu machen.

Haben Sie konkrete Maßnahmen im Sinn?Der zweite Teil dieses Beitrags wird den beschriebenen Pro-blemen Lösungsansätze gegenüberstellen. Aber das ist eineGemeinschaftsaufgabe. Ich würde mich freuen, Feedback zuerhalten, Meinungen kennenzulernen und zu erfahren, mitwelchen Ideen andere an diesen Baustellen arbeiten.

Sie kennen die Probleme?Und haben Ideen entwickelt, mit denen Sie diesen

in Ihrem Verein zu Leibe rücken? Das finden wir vorbildlich!Teilen Sie uns mit, wie Sie Ihre Nachwuchshandballer finden.

Vorschläge und Ideen bitte an: [email protected](Bei Bedarf kontaktieren wir Sie wegen einer Veröffentlichung.)

MITMACHEN!

� Trainerwissen8

Handball – eine aussterbende Sportart?Der Gewinn des Männer-Weltmeistertitels2007 ist knapp 10 Jahre her. Der Mitglie-derzuwachs, den der Triumph seinerzeitauslöste, hat sich aus heutiger Sicht alsStrohfeuer entpuppt: Längst sind die Zah-len nicht nur auf das vormalige Niveau zu-rückgegangen, sondern deutlich daruntergesunken. Die Gründe sind vielschichtig,die Auswirkungen inzwischen deutlichspürbar: als statistischer Befund (sinkendeMannschaftszahlen; s. Info 1), aber vor al-lem auch (und gerade) an der Basis, vor Ort,in den „kleinen“ Vereinen, in den Trainings-hallen. Die Phänomene:• Traditionsvereine verschwinden plötzlichvon der Bildfläche oder gehen, weil alleinnicht mehr existenzfähig, in (den allerortenaus dem Boden schießenden) Spielgemein-schaften auf. So wird das Vereinsnetz im-mer löchriger, interessierte Kinder müs-sen – im Unterschied zum Fußball – denNachbarort bzw. -stadtteil aufsuchen, umHandball spielen zu können.• Immer weniger Vereine sind in der Lage,lückenlos alle Altersklassen im Jugendbe-reich mit mindestens einer Mannschaft zubesetzen.• Die einzelnen Teams verfügen immerseltener über Personal in voller Mann-schaftsstärke; vielfach sind sie so knappbesetzt, dass sie den Kader zwingend mitAkteuren aus jüngeren Altersklassen auf-füllen müssen, um überhaupt noch spielfä-hig zu sein.Nicht nur die Zahl der Aktiven geht zurück.Es finden sich auch immer weniger Funk -tionsträger, die bereit (bzw. in der Lage)sind, Vorstandstätigkeiten zu übernehmenoder den Teams (insbesondere Kinder- undJugendteams) als Trainer bzw. Betreuer zurVerfügung zu stehen.

Triumph und TragikSo erfreulich die mitreißenden und erfolg-reichen Auftritte unserer „Bad Boys“, dasüberragende Niveau der HBL, die konstantguten Vorstellungen der DHB-Nachwuchs-teams und die fruchtbare Talentförderungdurch Verbände und Bundesliga-Nach-wuchszentren auch sind: Die Schwierigkei-ten, mit denen die zahlreichen kleinen Ver-eine, beim Versuch, im Rahmen ihrer Mög-

Info

Gesamtzahl der Mannschaften

30.000

25.000

20.000

15.000

10.000

5.000

02005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

27.4

65

26.8

68

26.7

43

27.4

12

27.1

97

26.8

56

25.9

78

25.0

55

24.1

16

23.2

09

22.1

92

Männer/Frauen

8.0007.0006.0005.0004.0003.000

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02005

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2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

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23.

950

6.83

34.

052

6.82

33.

984

6.80

33.

998

6.63

83.

866

6.46

43.

747

6.35

03.

704

6.16

53.

635

5.92

53.

566

Männliche und weibliche Jugend A

2.000

1.500

1.000

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2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

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51.

263 1.

679

1.23

8 1.57

61.

211 1.

605

1.15

3 1.56

61.

106 1.

517

1.04

7 1.45

21.

025 1.

449

999 1.

372

959

Männliche und weibliche Jugend B

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2.000

1.500

1.000

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2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

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657 2.

176

1.67

4 2.15

51.

639 2.

153

1.66

7 2.13

81.

625 2.

119

1.59

8 2.01

71.

488 1.

901

1.39

5 1.78

91.

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Männliche und weibliche Jugend C

3.000

2.500

2.000

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2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

2.51

91.

952 2.

630

2.01

2 2.66

32.

035 2.

644

2.02

2 2.53

61.

972 2.41

71.

816 2.

310

1.74

3 2.21

11.

587 2.03

11.

490

Männliche und weibliche Jugend D

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

500

02005

n.n. n.n.

2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

2.75

62.

019

2.95

62.

172

2.99

82.

113 2.

832

1.97

9 2.67

61.

855 2.

551

1.77

9 2.35

31.

674 2.

258

1.60

9 2.17

51.

529

Abwärtsentwicklung der Mitglieds- undMannschaftszahlen (Quelle: Verbände)

Männer Frauen Gesamt

handballtraining 11/2016 � Nachwuchsgewinnung 9

lichkeiten bodenständige Basisarbeit zu betreiben, permanent zukämpfen haben, sind nichtsdestotrotz unübersehbar. Und vor al-lem: Sie dürfen nicht ignoriert werden!

Warum fehlt es an Nachwuchs?Den größten Anlass zur Sorge bereitet ohne Zweifel die Entwick-lung der Nachwuchsarbeit an der Vereinsbasis. Sie ist durch zweivordringliche Probleme gekennzeichnet:1. Es gelingt – von Ausnahmen abgesehen – immer weniger, ge-nügend Kinder für unsere Sportart zu gewinnen (s. Info 1).2. Den Vereinen bereitet es zunehmend Schwierigkeiten, diejeni-gen Kinder, die sich entschieden haben, Handball zu spielen, auchangemessen zu betreuen – und somit dauerhaft zu binden.Im Folgenden sollen beide Problemfelder eingehend unter die Lu-pe genommen werden mit dem Ziel, insbesondere die Ursachendifferenziert und detailliert zu benennen und zu analysieren.

Unzureichende NachwuchsgewinnungEs gelingt uns Handballern offensichtlich nur sehr unzulänglich,der (sportinteressierten) Öffentlichkeit ein Bild von unserer Sport-art zu vermitteln, das Kinder motiviert, mit dem Handballspielenanzufangen (bzw. Eltern animiert, ihren Kindern genau dies zuempfehlen). Dabei ist unübersehbar, dass gerade in der jüngerenVergangenheit vor allem die herausragenden Erfolge, aber auchdas bodenständig-sympathische Auftreten der Männer-National-mannschaft (EM, Olympische Spiele) eine überaus positive öffent-liche Wahrnehmung gefunden haben. Die HBL gilt – zumindest inder Breite – als die stärkste Liga der Welt, das beständig gute Ab-schneiden der deutschen Top-Klubs auf europäischer Ebene darfin diesem Kontext nicht unerwähnt bleiben. Für den Frauenhand-ball ist zu hoffen – und mit etwas Optimismus durchaus zu erwar-ten! –, dass die anstehende Heim-Weltmeisterschaft einen Schubauslösen kann. Die angesichts der Verpflichtung von Michael Bieg-

ler als Bundestrainer wohlwollende mediale Aufmerksamkeit istein deutlicher Hinweis auf das vorhandene Potenzial.Ungeachtet der erfreulichen und öffentlichkeitswirksamen Ent-wicklung an der Leistungsspitze der Sportart (hier sind – wenn-gleich medial „unauffälliger“ – auch die Erfolge der Nachwuchs-teams des Deutschen Handballbunds zu nennen), bleibt ein durch-schlagend positiver Effekt auf den Zulauf von Neu-Einsteigern ander Vereinsbasis aus. Aus meiner Wahrnehmung als Trainer in ei-nem solchen Basis-Verein, aber auch als (Sport-)Lehrer, ist diesesUngleichgewicht auf folgende Gründe zurückzuführen:• DHB, Landesverbände und Ligen verlassen sich zu sehr darauf,dass die positive Situation an der Leistungsspitze – wie eine ArtAutomatismus – ohne weiteres Zutun eine „Sogwirkung“ für denBasis- und Breitensportsektor entfaltet.• Initiativen wie „Handball-Stars go school“ sind für sich betrach-tet zwar sinnvoll und begrüßenswert. Ohne nachhaltige konzeptio-nelle Unterfütterung laufen sie jedoch Gefahr, Initialzündungen zubleiben, mit deren Hilfe es nicht gelingen wird, den „Motor“ anzu-werfen.• Wir begehen den Fehler, die positive aktuelle Wahrnehmung derSportart in der medialen Öffentlichkeit mit dem Image zu ver-wechseln, das von einer breiten, lediglich allgemein sportinteres-sierten Öffentlichkeit mit dem Handball in Verbindung gebrachtwird – also auch von der überwiegenden Zahl der Eltern, die ihreKinder bei der Wahl der Sportart unterstützen und lenken. In die-sem Kreis wird Handball leider noch immer viel zu häufig als einemindestens sehr körperbetonte, harte, wenn nicht brutale Sportarteingestuft.• Die Schule – über den Sportunterricht traditionell Zulieferer(auch) für unsere Sportart – hat diese Funktion längst nicht mehrin dem Maß inne, wie das in der Vergangenheit verlässlich der Fallwar. Die Ursachen für diese Entwicklung sind mannigfaltig undvielschichtig (s. Info 2 auf S. 10).

Deutschland ist Europameister 2016: Grund zur Freude – und Anlass für eine überwältigende Präsenz der „Bad Boys“ in der medialen und(wie hier beim Empfang in der Max-Schmeling-Halle) realen Sportöffentlichkeit.

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� Trainerwissen10

Info

Schule spielt als „Zulieferer“ nur noch eine untergeordnete Rolle

Den Wunsch, sich einer Sportart zuzu-wenden, entwickeln Kinder, wenn sie die Gelegenheit haben, Fußball, Tischtennis,Volleyball – oder eben Handball – auszu-probieren. Dies ist der Fall, wenn sie aufInitiative ihrer Eltern, älteren Geschwisteroder Freunde ein unverbindliches„Schnuppertraining“ absolvieren. Oderwenn sie die Sportart im Rahmen desSchulsports kennen und schätzen lernen– eine Möglichkeit, der aufgrund des um-fassenden Zugriffs auf alle Kinder für jedeSportart eine immense Bedeutung zu-kommt. Das Problem: Für den Handballfällt die Schule als wichtigster „Zulieferer“schon seit längerem mehr oder minderaus. Dafür gibt es verschiedene Gründe:• In den diversen Bildungsplänen (Lehr-pläne, Studien- und Ausbildungspläne fürangehende Sportlehrer) ist Handballkaum noch vertreten. Das heißt, Handballist weder als Unterrichtsinhalt vorgese-hen, noch wird den Sportlehrern das me-thodisch-didaktische Rüstzeug an die

Hand gegeben, Schülern unsere Sportartin der Praxis vorzustellen, geschweigedenn nahezubringen oder gar zu vermit-teln. Der Effekt, dass Kinder im Schulsportauf den „Handball-Geschmack“ kommen,fällt mithin in der Mehrzahl der Schulen(natürlich gibt es Ausnahmen!) aus!• Eine Ursache für diese Entwicklung:Viele Lehrer haben aus ihrer Fernseh-Wahrnehmung eine völlig falsche Vorstel-lung von Handball und wissen nicht, dassdas Spiel bei Kindern ganz anders – we-nig bis gar nicht körperbetont, im Prinzipohne Fouls, geschweige denn Härte undBrutalität – aussieht; dass das Spiel (fürden Sportunterricht) zu kompliziert undaußerdem nur in der (nicht oder nur seltenzur Verfügung stehenden) ganzen Halledurchführbar sei, sind weitere häufig zuvernehmende Argumente.• Der Schulwettbewerb „Jugend trainiertfür Olympia“, der gerade auch den klassi-schen Ballspielen eine Schul-Plattformbietet, hat in einigen Bundesländern mit

leicht rückläufigen Meldezahlen zu kämp-fen. Im Gegensatz zum olympischen Mot-to „Dabeisein ist alles!“ nehmen Schulenhäufig nicht mehr teil. Die vielfach ge-nannte Begründung „Wir haben ja eh kei-ne Chance, was zu erreichen!“ hebt aufdie fehlende sportliche Chancengleichheitim Wettbewerb mit Sportschulen/-inter-naten ab.• Der Anteil an Ganztagsschulen nimmtzu, d. h., die Kinder verbringen mehr Zeitin der Schule, entsprechend weniger Frei-zeit steht ihnen für ihre Hobbys – z. B.Handball – zur Verfügung.• Die Vereine verhalten sich gegenüberden Schulen in ihrem Ort oder Stadtteil inder Regel viel zu passiv. Kooperationen (inwelcher Form auch immer) kommen abernur zustande, wenn die Initiative von denVereinen ausgeht. Schule und Lehrer sindmit ihrem Bildungsauftrag schon jetztderart ausgelastet, dass sie in der Regelaus eigenem Antrieb keine zusätzlichenAktivitäten auf sich nehmen werden.

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handballtraining 11/2016 � Nachwuchsgewinnung 11

• Die Konkurrenz schläft nicht! Die anderen Ballspiele machenuns Handballern den Nachwuchs streitig und buhlen um die glei-che Klientel: ballspiel-affine Kinder. Dass der „große Bruder“ Fuß-ball in der Regel den Erstzugriff auf die talentiertesten Jungen hat,ist keine neue Erkenntnis; dass seit geraumer Zeit auch immermehr Mädchen Fußball spielen, verschärft die Situation. • Andere Sportarten versuchen, die Nachwuchsgewinnung zuprofessionalisieren. Beispiel Basketball: BBL-Klubs wie die Eisbä-ren Bremerhaven oder Alba Berlin beschäftigen hauptamtliche„Scouts“, die Schulen im Einzugsgebiet aufsuchen, um dort Wer-bung für Basketball zu machen.• Neben den Ballspiel-Konkurrenten treten stets andere, immerwieder neue Trendsportarten (wie Hip-Hop-Dance, um nur ein Bei-spiel zu nennen) auf den Plan, denen Kinder und Jugendliche sichzuwenden, weil sie cool und angesagt sind – zum Teil auch des-halb, weil diese gerade nicht in den klassischen Sportvereinen be-heimatet sind.

Unzureichende Betreuung der NachwuchsspielerEin weiteres zentrales Problemfeld der allermeisten Vereine ist dieadäquate Betreuung derjenigen Kinder und Jugendlichen, die –immerhin – den Weg in die Klubs bereits gefunden haben. Diese„Kronjuwelen“ zu hegen und zu pflegen, erweist sich – allen gutenVorsätzen und Absichtsbekundungen zum Trotz – als überausschwierig. Dass die Vereine ihren Pflichten nicht nur irgendwie(mehr schlecht als recht), sondern verantwortungsvoll nachkom-men, ist aber Voraussetzung dafür, dass Jugendliche nicht die Lustverlieren (und womöglich aufhören), sondern unserer Sportart diegesamte Jugendzeit hindurch und danach in den Erwachsenen-teams als Spieler erhalten bleiben – und darüber hinaus nach deraktiven Karriere vielleicht sogar Funktionstätigkeiten übernehmen.Auf einen kurzen Nenner gebracht: Nur wenn es den Vereinen gelingt, zu Beginn der sportlichen Laufbahn auf das „Motivations-konto“ der (jugendlichen) Spieler einzuzahlen (je mehr, desto bes-ser!), dürfen sie später – nicht bei jedem, aber bei einigen – einegewinnbringende „Zinsausschüttung“ erwarten! Die Hauptwäh-rung dabei ist ein Trainingsbetrieb, der jede Menge Spaß undsportliche Entwicklungsperspektiven unter einen Hut bringt.

In der Praxis sehen sich die Vereine auf zwei Gebieten mit großenSchwierigkeiten konfrontiert:• Schaffung angemessener Rahmenbedingungen für das Training• Gewinnung geeigneter Trainer und deren fachliche Qualifizierung

TrainingsbedingungenGrundvoraussetzung für eine zielführende Trainingsarbeit, die denAnsprüchen der Spieler gerecht wird, ist ein entsprechender orga-nisatorischer Rahmen – den einzurichten, vielen Vereinen nichtoder nur unzureichend gelingt.• Hallenkapazitäten: Ganztagsschulen drängen vor allem mitSportangeboten in den Nachmittagsbereich, in Ausnahmesituatio-nen (Flüchtlingsunterbringung) werden Sporthallen zweckent-fremdet, hinzu kommt die Konkurrenz mit anderen Hallensportar-ten (im Winter oftmals zusätzlich mit Fußballern) – in Basis-Verei-nen ist die Unterversorgung mit Trainingszeiten Normalität.• Häufig stehen Zeiten am frühen Nachmittag (14 Uhr) für die jün-geren Teams (Minis, E-Jugend) zur Verfügung, es lassen sich aberkeine Trainer finden, die (aufgrund von Beruf oder Ausbildung) inder Lage sind, diese zu nutzen; ganz davon abgesehen, dass zu-mindest auch Kinder im Ganztagsschulbetrieb solche Zeiten in derRegel nicht wahrnehmen können.• Als Folge unzureichender Hallenzeiten trainieren die Mann-schaften seltener (z. B. nur eine statt zwei Einheiten pro Woche),kürzer (nur eine statt anderthalb bis zwei Stunden) und häufig imParallelbetrieb (zwei Teams trainieren zur gleichen Zeit, jedes ineiner Hallenhälfte).• Vereinen und Trainern fehlt es an Ideen, wie andere, neben dereigentlichen Handball-Spielfläche zur Verfügung stehende Räume(z. B. Randstreifen, Tribüne) genutzt oder die Trainingsplangestal-tung optimiert werden können (z. B. überlappende statt parallelerTrainingszeiten).

TrainerBeim pfleglichen Umgang mit unseren jüngsten und jungen Hand-ballern fällt dem Trainer zweifellos die entscheidende Rolle zu. Obein junger Spieler dem Handballsport langfristig erhalten bleibtoder die Lust verliert, ob er sich im Rahmen seiner individuellen

Schwierige Trainingsbedingungen: viele Kinder, aber nur wenig Platz ...

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� Trainerwissen12

Kriegt 20 Euro imMonat – und nurNiederlagen ...

Warum spieltmein Kindso wenig?

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1. Training2. Weihnachtsfeier3. Fahrerplan

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Voraussetzungen und Erwartungen bestmöglich entwickelt oderein unentdecktes (weil ungefördertes) Talent bleibt, hängt maß-geblich vom fachlichen Know-how, aber auch von der Persönlich-keit des Trainers ab. Geeignete Trainer zu finden, die diesem hohenAnspruch genügen, ist für die Vereine ebenso wichtig wie schwie-rig. Oft genug (oder richtiger: viel zu oft!) geht es nur darum, über-haupt jemanden ausfindig zu machen, der bereit ist, eine Mann-schaft zu übernehmen. Das hat viele Gründe:• Grundsätzlich ist festzustellen, dass junge Erwachsene für Trai-nerjobs eher nicht oder aber erst dann wieder zur Verfügung ste-hen, wenn sie sich beruflich, aber auch familiär etabliert haben.Das Spektrum der (überschlägig) 20- bis 35-Jährigen kommt da-her als Jugendtrainer in der Regel nicht in Frage.• Studierenden fällt es heute schwerer als früher, das Training ei-ner Jugendmannschaft zu übernehmen: Bachelor- und Master-Studiengänge lassen schlicht weniger Freiräume für solche Tätig-keiten.• Die Entlohnung von Jugendtrainern ist in den meisten Fällenweder ansprechend noch der Bedeutung ihrer Tätigkeit (Kümmernum die „Kronjuwelen“) angemessen – umso mehr, je jünger die zutrainierenden Kinder sind. Ursache sind nicht die logischerweisestark differierenden finanziellen Möglichkeiten der Vereine. DasGros der Klubs und Verantwortlichen ist sehr wohl bereit (und inder Lage), die erforderlichen Mittel aufzutreiben, um Trainer von

Erwachsenenteams zu honorieren; ein vergleichbares Entgelt fürKinder- und Jugendtrainer halten sie augenscheinlich für überflüs-sig. Mit einer solchen Prioritätensetzung verantworten die Vereinenicht nur, dass Trainerjobs im Kinder- und Jugendbereich wenigerattraktiv/lukrativ sind, sie drücken damit – sicherlich unbewusstund ungewollt – auch ihre Geringschätzung dieser Aufgaben aus.• Mangelnde Wertschätzung für die Leistung von Kinder- oder Ju-gendtrainern äußert sich auch auf andere Weise: Sollen bei der Ab-teilungsweihnachtsfeier (oder vergleichbaren Anlässen) verdienteMitglieder öffentlich geehrt werden, kommen der Trainer der ers-ten Mannschaft (für den Aufstieg in die Bezirksliga) oder vielleichtnoch der A-Jugend-Coach (als Kreismeister) in Betracht; die Leis-tung des Mini-Trainers, der seine Schützlinge Woche für Wochetrainiert, bei Laune hält und womöglich aus anfänglich 11 bis zumSaisonende 16 Spieler gemacht hat, findet hingegen normalerwei-se keine Anerkennung.• Apropos öffentliche Anerkennung: Auch in der Berichterstattungdes Lokalsports finden die Erwachsenenteams Erwähnung, abernur in Ausnahmen (und dann deutlich spärlicher) die Jugend- undKinderteams (letztere meistens gar nicht!). Und selbst vereinsin-tern wird der Stellenwert des Mini- oder E-Jugendtrainers häufigverkannt, weil in diesen Altersklassen (übrigens aus gutem Grund)vielerorts keine Ergebnislisten und Tabellen geführt und konse-quenterweise auch keine Titel vergeben werden.

Drahtseilakt mit besonderen Risiken: Mit den zahlreichen Herausforderungen, die das Traineramt gerade bei Kindermannschaften mit sichbringt, sind Jung-Trainer häufig überfordert.

handballtraining 11/2016 � Nachwuchsgewinnung 13

Gängige Praxis: Jung-Trainer für die Kleinen –Lösung und zugleich Problem!Aus den genannten Gründen werden immer häufiger ältere Ju-gendspieler aus dem eigenen Verein rekrutiert, um jüngere Teamszu trainieren. Das ist grundsätzlich ein gangbarer Weg (und nichtselten der einzige, der den Vereinen bleibt!), wirft aber weitere Fra-gen – vor allem nach der Befähigung der „Jungtrainer“ für die Auf-gabe – auf.• Was auf Studenten zutrifft, gilt auch für Schüler: Ganztagsschu-len, G8 und die gestiegene gesellschaftliche Bedeutung eines gu-ten Schulabschlusses sorgen dafür, dass auch deren Zeitbudgetstark strapaziert ist.• Darüber hinaus werden Jugendspieler (und speziell solche, diebereitwillig Aufgaben übernehmen) von den Vereinen häufig sehrvereinnahmt. Die Folge: Sie sind mehrfach belastet – als Spieler,als Schiedsrichter, mit weiteren Ämtern (z.B. Hallensprecherund/oder -DJ bei Heimspielen) und als Trainer! Diese Ämterhäu-fung führt leicht dazu, dass die Qualität der einzelnen Tätigkeit ver-wässert, was mit der gewissenhaften Ausübung des Traineramtsbei einer Kindermannschaft unvereinbar ist.• Jungtrainer unterschätzen oft die Komplexität der Aufgabe undwerden dann von den zahlreichen Anforderungen überrollt. Vor al-lem der organisatorische Aufwand, aber auch die eingeforderteVerlässlichkeit (zumal, wenn sie für ein Team alleinverantwortlichsind) führen schnell zu einer Überforderung und sind Quellen fürUnzufriedenheit bei allen Beteiligten (Kinder, Eltern, Jungtrainerselbst).• Die Eltern begegnen Jungtrainern häufig mit einer gewissenSkepsis: Sie stellen deren Eignung von Vornherein in Frage, auch,weil diese als Trainer ja noch nichts erreicht haben (wie auch beimersten Trainerjob?). Erst mit den ersten Erfolgen – so sich dieseglücklicherweise rasch einstellen – wächst die Akzeptanz bei denEltern.• Im Umgang mit Kindern und jüngeren Jugendlichen ist die Per-sönlichkeit des Trainers – sein Auftreten, seine Erfahrung, sein Ge-fühl für schwierige Situationen – von enormer Bedeutung. DassJungtrainer (von wenigen Ausnahmetalenten abgesehen) auf die-sem Feld Defizite haben, liegt auf der Hand.

Um es deutlich zu sagen: Das Problem sind nicht die Jugendli-chen, die den Mut (!) und die Bereitschaft (!) mitbringen, sich derschwierigen (Trainer-)Aufgabe zu stellen. Das Problem besteht da-rin, dass sie in vielen Fällen zu wenig Unterstützung erfahren, umnicht zu sagen: im Regen stehen gelassen werden! Wenn sich Ver-eine damit zufriedengeben, einen Namen auf ihrer Homepage prä-sentieren zu können, aber verkennen, dass sie ihrem Trainernovi-zen erheblich unter die Arme greifen müssen, sind Frust und Ärgerbei allen Beteiligten – dem Trainer, den Vereinsverantwortlichen,den Eltern und vor allem: den Kindern – vorprogrammiert.

Probleme über Probleme – und jetzt?Gefahr erkannt – Gefahr gebannt? Schön wär’s, aber so einfachlassen sich die beschriebenen Schwierigkeiten kaum aus der Weltschaffen. Klar ist: Vor den offensichtlichen Unzulänglichkeiten ander Basis die Augen zu verschließen, sich nicht mit ihnen aus- einanderzusetzen, ist eine Sackgasse ohne Wendehammer. Nichtminder fatal wäre es, sie durch den Verweis auf die unbestreitba-ren Erfolge im Spitzensegment unserer Sportart klein- oder schön-reden zu wollen.Ein Anliegen dieses Beitrags ist es, Missstände klar zu benennen,um ein Problembewusstsein zu schaffen. Worum es nicht geht:Nach Schuldigen zu suchen, Sündenböcke an den Pranger zustel-len. Die Frage ist nicht, wer Fehlentwicklungen zu verantwortenhat, sondern wer Verantwortung für die Zukunft unserer Sportartübernehmen kann und will.Ich bin der Überzeugung, dass es einer gemeinsamen Anstren-gung bedarf, um Mitgliederschwund und Bedeutungsverlust ent-gegenzutreten. Dabei sind alle gefordert: Der Dachverband DHB,die Landesverbände und ihre Untergliederungen, die Bundesliga-Klubs mit den Nachwuchsleistungszentren – aber auch jeder ein-zelne Verein an der Basis, der von den Problemen betroffen ist.Und natürlich wir Trainer: Nicht nur diejenigen, die schon jetzt ver-suchen, Kinder und Jugendliche zu gewinnen und langfristig zubegeistern, sondern vor allem auch die Trainer von Erwachsenen-teams, deren Wort im Verein Gewicht hat. Sie sollten den Nach-wuchs-Ausbildern im eigenen Klub mit Wort und Tat zur Seite ste-hen – auch im eigenen Interesse!

12. KEMPA –BEACHHANDBALL –

TURNIER NORDERNEY16. – 18. Juni 2017

Damen/Herren/weibl. und männl. A-JugendVeranstalter: TUS NORDERNEY

Info und Anmeldung unter: www.norderney-handball.deKlaus Wolf – E-Mail: [email protected],

Tel.: 0 49 32/93 49 70Gespielt wird am Naturstrand “Weiße Düne” –

Badespaß unabhängig von Ebbe und Flut!