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Die Rache Des lebenden Toten Miniroman Die Rache Des lebenden Toten Peter Rubatscher Peter Rubatscher Miniroman

Rache des lebenden Toten

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Minigeschichte von Peter Rubatscher

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Die Rache

Des lebenden

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Die Rache

Des lebenden

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Peter Rubatscher Peter Rubatscher

Miniroman

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„Du dachtest, ich sei tot? Think again, Sweet-heart“, höhnten die bunten Buchstaben. Keu-chend starrte Marie auf die Kühlschrankmagne-ten. Marie, eine junge Frau Mitte zwanzig mit blonden gelockten Haaren, hellblauen Augen und großen, dreckigen Hasenzähnen.

Sie war gerade von einem ereignisreichen, sehr ereignisreichen Spaziergang zurückgekehrt, von dem sie noch viele Albträume haben sollte. Nicht nur irdische.

Alles hatte vor etwa einer Stunde begonnen. Ma-rie war mit ihrem Freund Leo in die Stadt ge-gangen. Sie wollten zusammen ein Geschenk für den Geburtstag von Leos Mutter kaufen. Sie waren vor einer Gärtnerei stehen geblieben. Leo hatte etwas Durst bekommen und war zu einem Brunnen geschritten. Er hatte Marie gebeten, ei-nen Blumenstrauß zu kaufen, währenddessen er trank.

Als sie aus dem Geschäft gekommen war, hatte er bereits auf sie gewartet. Sie hatte eine Garten-

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schere, aber keinen Blumenstrauß bei sich. „Ich habe eine Gartenschere gekauft, damit…“, doch da hatte Marie schon eine kleben. Immer noch mit dem gleichen Lächeln auf dem Gesicht stand sie da, als Leo ihr einen zweiten harten Schlag in die Magengrube versetzte. Als er das dritte Mal ausholen wollte, riss Marie die Schere hoch und durchbohrte ihm damit die Stirn.

Das herausströmende Blut des muskelbepack-ten, schwarzhaarigen Mannes war langsam ver-sichert, doch davon hatte Marie nichts mehr mit-bekommen. Auf dem Weg nach Hause hatte sie die blutbefleckte Tatwaffe in einen Fluss gewor-fen. Sie betrat ihre Küche und am Kühlschrank sah sie den rechtwinkligen weißen Zettel, der dort mit Magneten befestigt war. Aber es konnte nicht sein! Es war unmöglich, doch es musste stimmen. Dies war eindeutig Leos Handschrift.

Marie dachte an ihn. Sie sah Blut, doch dahinter auch ein Fragezeichen. Erst jetzt wurde ihr be-wusst, wie wenig sie über ihn wusste. Natürlich hatten sie viel geredet, aber über Leos Familie

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wusste Marie fast nichts. Da fiel ihr Blick wieder auf den Zettel. Erneut schäumte Verzweiflung in ihr hoch. Sie hatte ihn doch noch vor wenigen Minuten tot auf der Straße liegen sehen.

Sie rannte in ihr Zimmer, zerschlug mit ihrem Fuß eine giftgrüne Blumenvase. Die Scherben flogen durch das Zimmer, doch das kümmerte Marie nicht. Sie stürmte auf ihr Bett zu und biss so lange in den Polster, bis sie in einen tiefen, unruhigen Schlaf fiel.

In ihren Träumen verfolgte sie ihr Freund mit blutüberströmtem Gesicht und in seiner Stirn steckte immer noch die Schere. Mit einem Auf-schrei zwang sie sich aufzuwachen. Sie blickte auf die Uhr. Es war 21.31 Uhr. Völlig verschwitzt stieg sie aus dem Bett, als das Telefon läutete.

Als sie den Hörer abnahm, hörte sie Leos Stim-me, der hohl ins Telefon schrie: „Du wirst dafür bezahlen. Bezahlen!“ Mit einem Ruck riss sich Marie aus der Starre und schmetterte den Hörer gegen eine Fensterscheibe. Warum sie das Kom-

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mende tat, wusste sie selbst nicht. Sie riss die Kästen auf, nahm alles heraus und schmiss es auf den Boden. Die Lampen wurden herausgerissen, der Tisch umgeworfen und der Rest mit einem Hammer kurz und klein geschlagen.

Als sie eine Polizeisirene näher kommen hörte, wusste sie sich nicht anders zu helfen, als mit einem Regenschirm vom dritten Stock herunter zu springen. In der Luft ließ sie dann doch den Schirm los. Der Aufschlag war stärker als sie es je zu träumen gewagt hätte. Ihre Beine krachten auf den Boden, ein Oberschenkel brach und ihr Kopf schlug mit voller Wucht auf einen Stein. Der dreifache Schädelbasisbruch war unver-meidlich.

Einige Augenblicke war es totenstill, bis der geblümte rosa Regenschirm neben ihr landete. Dann brach das Chaos los. Die Polizisten stürm-ten das Haus und ein Arzt rannte zu Marie, aber er konnte nur noch den Tod der Frau feststellen.

Bei der Beerdigung war auch ein muskelbe-

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packter Schwarzhaariger mit etwas roten Au-gen am Trauerzug beteiligt. Es war Norbert, der zweite Sohn von Leos Mutter, der den ganzen grausamen Mord beobachtet hatte.

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Wie dieser Miniroman entstand Auf Twitter ist eine neue Literaturform entstanden: Kurzge-schichten aus maximal 140 Zeichen, die man an Freunde twittert. Peter Rubatscher, Klasse 1A, hat sich aus diesen spannenden Minigeschichten eine ausgesucht und sie dann zu einem Miniroman ausgebaut. Die ersten beiden Sätze seines Miniromans sind gleichzeitig auch die Twitter-Kurzgeschichte. Die Fotos im Buch zeigen Carolina und Hannah aus der 1A - oder zumindest ihre Schatten auf dem Steinchenboden im Schulhof.