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Ranking ist nicht alles — aber ohne Ranking wird alles nichts

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Page 1: Ranking ist nicht alles — aber ohne Ranking wird alles nichts

Wie soll man die Qualitat eines Studien-gangs messen? Wie soll man die Qualitatvon Forschung objektivieren? WelcheQualitaten zeichnen Universitaten undFachbereiche im Vergleich zu anderen aus?Auf diese Fragen sind keine einfachen Ant-worten moglich, aber diejenigen, die Res-sourcen in diese Systeme geben, haben einRecht auf nachvollziehbare Ansatze uber-greifender Antworten. Wahrend es z. B. inden anglo-amerikanischen Landern seitlanger Zeit gangig ist, die Qualitat vonHochschulen und Fakultaten mittels sog.Rankinglisten einzuschatzen, wird unse-rem hoch regulierten Land anhaltend da-ruber debattiert, warum derartige Instru-mente gerade nicht tauglich sind, was an-gesichts sowohl der Komplexitat derbehordlichen Vorgaben wie auch der desErkenntnisgegenstands Forschung und Bil-dung und zusatzlich auch jener der ge-nannten Organisationen vielfach die Ge-wahr bietet, dass der Durchlauf dieser Dis-kussionen mehr Zeit in Anspruch nimmtals Entscheidungstrager gangigerweise ver-fugbar haben – kurzum: Es passiert in vie-

len Hochschulen zu wenig. Und, schlim-mer noch, nach diesem Vorgehensmodellmuss sich aus Sicht vieler Beteiligter auchnichts Substanzielles verandern, denn mankann sich auf einer solchen Grundlagedurchaus auch im Nichtstun wohl fuhlen.Wie ist der Stand der Dinge? Ranking be-

zeichnet den Tatbestand, dass man Entita-ten, in unserem Fall z. B. Studiengange oderFachbereiche, in eine Reihenfolge bringt,meist eng verbunden mit dem Benchmar-king-Konzept „Messe an den Besten in derRangliste!“. Eindimensionale Rankings be-ziehen sich auf die Darstellung der Wir-kung von nur einer Einflussgroße. Mankann Rangreihenfolgen etwa erstellen nachAnzahl der Studierenden oder nach For-schungsoutput, wobei viele Beobachterfalschlicherweise hier eine gegenlaufigeAussage fur eine Fakultat vermuten: HoheForschungsleistung geht einher mit einerkleinen Anzahl an Studierenden und um-gekehrt. Realitatsnahe mehrdimensionaleRankings zielen demgegenuber darauf ab,die Interaktion verschiedener Einflussgro-ßen in ihren Wirkungen auf die Organisa-tion abzubilden, um so zu einer Gesamt-bewertung derselben zu kommen. Publika-tionsorgane wie Junge Karriere, Capitalund Focus sowie wissenschaftliche Institu-te wie CHE veroffentlichen mittlerweilehierzulande regelmaßig mehrdimensionaleRankings, deren methodische Vorgehens-weisen mehr oder weniger klar beschriebenwerden. Haufig sind weder die Daten-grundlage der Auswertung noch der Aus-wertungsprozess (die „Mechanik“, die derRangreihung zu Grunde liegt) auf Basisder zur Verfugung gestellten Angaben re-produzierbar, was naturlich Wasser auf dieMuhlen der Kritiker derartiger Konzepteist. Die presseorientierten Medien bedienensich dabei in aller Regel zwar wissenschaftli-cher Unterstutzung, aber man hat bisweilenden Eindruck, dass, wenn es hart auf hartkommt (etwa bei Qualitatsmangeln der zu

Grunde liegenden Daten, was gerade umUmfeld von Hochschulen offenbar vielfachauftritt), eine aus Sicht der �ffentlichkeits-arbeit erwunschte Pragnanz der Aussagenim Zweifel vor Klarheit der verwendetenDaten und des Verfahrens geht. Hier ent-steht die Forderung, bei den nachsten Ver-offentlichungen von Rankings z. B. uberein Webportal die Primardaten der Unter-suchung sowie den vollstandigen Verarbei-tungsprozess zugreifbar zu machen.Zusatzlich verkompliziert sich die Situa-

tion, wenn Rating-Ergebnisse in die Ran-kings eingehen. Rating bezeichnet den Tat-bestand, dass man Entitaten (einzeln) ent-sprechend eines ubergreifend objektivenMaßstabs bewertet. In das Focus-Rankingvon Fachbereichen bzw. Studienfacherngeht beispielsweise im Fach Volkswirt-schaftslehre ein eigens fur die Studie ent-wickelter Zitationsindex, der auf der ISI-Datenbank Social Science Citation Indexder Fa. Thomson Scientific Inc., Philadel-phia, basiert, ein, und die Betrachtung derErhebung und Verarbeitung der diesbezug-lichen Daten gibt einen Einblick in dieoben angeschnittenen methodischen Prob-leme. Dieses Unternehmen analysiert lau-fend die 8.500 weltweit wichtigsten wissen-schaftlichen Zeitschriften u. a. hinsichtlichder Frage: Wie oft und von wem wird nachErscheinen eines Artikels derselbe zitiert?Ziel ist dabei zu quantifizieren, wie starkein Beitrag den wissenschaftlichen Fort-schritt befruchtet, denn die auf diesen In-formationen aufbauenden Forscher sindzur Angabe ihrer Quellen verpflichtet.Nach einer Datenbereinigung (auch dieskann ein sehr komplexer Prozess mit sub-jektiven Einflussen sein) wurden die Werteder durchschnittlichen Zitation pro Beitragfur die einzelnen Fachbereiche dann aufeine Punktzahl zwischen 100 (bester Wertaller Beteiligten) und 0 (schlechtester Wert)normiert, leider ohne Angabe des konkre-ten Vorgehens. Interessant ist, dass die in

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 397–398

Der Autor

Wolfgang Konig

Prof. Dr. Wolfgang KonigUniversitat FrankfurtInstitut fur WirtschaftsinformatikMertonstr. 1760054 Frankfurt am [email protected]

Ranking ist nicht alles –aber ohne Ranking wird alles nichts

WI – Editorial

Page 2: Ranking ist nicht alles — aber ohne Ranking wird alles nichts

der Rangfolge erste Universitat mit 100 ab-schneidet und die punktbesten nachstendann in absteigender Reihe die Werte 50,44, 44, 40, 40,37, 33, 33 . . . aufweisen, wasnahe legt, dass ab dem Zweitbesten eineasympotisch sinkende Kurve heraus-kommt. �ber evtl. zu Grunde liegendeEinflusse kann man leider nur spekulieren– und so etwas ist nicht in Ordnung.Eine weitere massive Problematik be-

steht darin, dass die in der ISI-Datenbankerfassten wissenschaftlichen Zeitschriftenfast ausschließlich rein englischsprachigeMedien sind, wobei zweifellos seit einemhalben Jahrhundert die wesentlichen wis-senschaftlichen Fortschritte in englischerSprache veroffentlicht werden. Grundsatz-lich kommen nur Journale in Betracht, de-ren Begutachtungsprozess doppelt blindablauft, sodass sowohl der/die Autor/in/enden/die Gutachter/innen nicht kennt/enwie dies auch umgekehrt der Fall ist. Eine�berprufung der beiden fur unsere Zeit-schrift relevanten Fachgebiete ergibt furden Journal Citation Report, welcher dieBedeutung einer Zeitschrift anhand desImpact Factor zu messen versucht:& Die Klasse Business and Management

umfasst 121 Journals, wovon nur 6 mul-tilingual sind und nur 1 Zeitschrift ausDeutschland kommt und deutschspra-chig ist: die Zeitschrift fur betriebswirt-schaftliche Forschung und Praxis.

& In der Klasse Computer Science werden378 Journals ausgewertet (der uberwalti-gende Anteil veroffentlicht englischspra-chig). Hieraus stammen nur 16 ausDeutschland und davon veroffentlichenwiederum 13 ausschließlich englisch-sprachig. Und nur 3 der aus Deutschlandkommenden Zeitschriften sind multilin-gual und hieraus publiziert nur die Zeit-schrift WIRTSCHAFTSINFORMA-TIK Beitrage uberwiegend in Deutsch.

Fur Autoren in deutschen Medien fallen da-mit faktisch – bis auf die genannten beiden –dieselben als Zitations„partner“ in dieserAuswertung aus. Eine Folge ist wohl, dassder Impact Factor – jetzt bezogen auf die(beiden) Zeitschriften – zu niedrig beziffertist, was sich im vorgenannten Focus-Falldann negativ auf das Fachbereichsrankingauswirken wurde – wenn sich diese Vor-gehensweise durchsetzte. Aktuell betragtder Impact Factor fur die WIRTSCHAFTS-INFORMATIK 0,360 (gegenuber demmittleren Impact Factor von 0,716 aller Zeit-schriften im Bereich Computer Science und0,755 in Business und Management).In den wissenschaftlichen Disziplinen ist

die Nutzung derartiger Impact-Indizes un-terschiedlich verbreitet. Die Erklarungen

zum Focus-Ranking fuhren beispielhaftaus, dass Ingenieursdisplizinen weniger in-ternational veroffentlichten, sodass man indiesen Fallen das Ranking ohne Betrach-tung des ISI-Zitationsindex durchfuhrte.Dies gilt auch fur die Betriebwirtschafts-lehre und die Informatik, wahrend dasFach Wirtschaftsinformatik nicht als eige-ner Rankinggegenstand ausgefuhrt wurde.

Was ist aus diesen Ausfuhrungen zu ler-nen?1. Rankings von Lehre und Forschung,

insbesondere solche von angesehen In-stitutionen (welche die Primardaten so-wie die Mechanik der Vorgehensweiseveroffentlichen, um Nachprufungen zu-zulassen, was wiederum den Druck aufdie Klarheit und Reproduzierbarkeitder Vorgehensweise erhoht), werden fla-chendeckend zu einem Standardprozessder Einschatzung der diesbezuglichenQualitaten.

2. Die mangelnde Verfugbarkeit objekti-vierter Daten zwingt ersatzweise zuVerwendungen von Umfrageergebnis-sen in mehrdimensionalen Rankings. Sowerden im Focus fur die Betriebswirt-schaftslehre drei solche Meinungserhe-bungen verarbeitet, namlich Reputationin der Forschung, in der Lehre und inUnternehmen.

3. In verschiedenen Disziplinen wird dem-gegenuber die Verwendung von Zita-tionsindices als valide Option betrach-tet, die Forschungsleistung zu objekti-vieren. Auf Sicht gesehen wird man sichauch in der Informatik und in der Be-triebswirtschaftslehre dem diesbezug-lichen „Nachfragesog“ derjenigen, dieRessourcen bereitstellen, nicht entzie-hen konnen. Dies gilt naturlich auch furdie Wirtschaftsinformatik.

4. Fur den deutschsprachigen Raum gibt eskeinen Zitationsindex. Der Journal Cita-tion Report ist das weltweit bekanntesteund vollstandigste Zitationsindex-Pro-dukt – aber es kennt leider bis auf wenigeAusnahmen, u. a. die WIRTSCHAFTS-INFORMATIK, keine deutschsprachi-

gen Zeitschriften, was zu massivenUnterbewertungen der hiesigen For-schungsleistungen fuhrt. Verbesserun-gen sind nur zu erzielen, wenn entwe-der auch hierzulande Zitationsindizesgefuhrt werden, was nicht nur wegender Notwendigkeit des Betriebs einerParallelorganisation, sondern auch an-gesichts des bereits bestehenden Ge-wichts und der weltweiten Verbreitungdes ISI-Produkts nur die zweitbesteLosung ware. Oder aber – und dies istbeste Losung: Auch wir Deutschenpassen uns den internationalen Gepflo-genheiten an und lassen viele unsererleistungsstarken deutschen Zeitschriftenim Journal Citation Report auswerten.

5. Man kann sicherlich umfanglich dieSchwachen der Ranking- und Rating-vorgehensweisen diskutieren und kriti-sieren – hier ist jede/r Mitstreiter/in zuVorschlagen besserer Prozesse aufgeru-fen. Fundamentalablehnung fuhrt je-doch zur internationalen Isolation, wel-che uns Deutschen – Wissenschaftlernwie auch Praktikern – schadet.

6. Fur die Autoren und Fachbereiche res-pektive Universitaten im Wettbewerbkann daruber hinaus bei guten und bes-seren Forschungsergebnissen nur eineVeroffentlichung in Englisch in Fragekommen, denn ihnen ist daran gelegen,dass man weltweit uber deren Arbeitenund Resultate diskutiert und sie in Fol-gevorhaben als – zitierpflichtige und da-mit Impact-Factor-relevante – Grund-lagen verwendet.

Die Zeitschrift WIRTSCHAFTSINFOR-MATIK publiziert auch Beitrage in Eng-lisch. Die Zeitschrift Data Base geht nocheinen Schritt weiter: Sie akzeptiert Einrei-chungen in der Landessprache (in unseremFall Deutsch) – die Begutachtung erfolgtauf der Basis der landessprachlichen Aus-fuhrung. Bei Annahme lasst der Verlag dieBeitrage in Englisch – die Veroffent-lichungssprache – ubersetzen.

Prof. Dr. Wolfgang Konig

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 6, S. 397–398

In eigener Sache

Die Herausgeber unserer Zeitschrift uben ihr Amt fur eine begrenzte Zeit aus. Endet eineMitgliedschaft im Herausgeberkreis, bestimmt das Gremium neue Mitglieder durch ge-heime Wahl. Wir danken Prof. Dr. Manfred Grauer, Universitat Siegen, der aus dem He-rausgebergremium ausgetreten ist, fur die langjahrige, vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Prof. Dr. Wolfgang KonigGeschaftsfuhrender Herausgeber

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