Raphael Friedeberg: Arzt und Anarchist in Ascona

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  • 8/9/2019 Raphael Friedeberg: Arzt und Anarchist in Ascona

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    HANS MANFRED BOCK/FLORIAN TENNSTEDT

    RAPHAEL FRIEDEBERG (1863 b is1940), ca. 1920.D SammlungCesar Domela, Paris

    Parlamentarismusund Generalstreik

    .... ollII . . . . . . . (......1_ so.. r-s.- '. -

    1904.D IISG, Amsterdam

    Gustav Herve, Das Vaterland der Rei-chen, Zrich, Sozialistischer Verlag,o .D . (1907). Mit e inem Vorwort vonRaphael Friedeberg.D AGG

    RAPHAEL FRIEDEBERG: ARZT UND ANARCHIST INASCONAAls eine der legendr gewordenen Gestalten von Ascona galtRaphael Friedeberg seinen Zeitgenossen 1. Dort, in Ascona,lebte zeitweise eine ganze anarchistische Kolonie bei ihm 2, alles, was sich Anarchist nennt, schart sich gern um seine sympathische Persnlichkeit 3. Die in diesen Zeugnissen angesprochene Rolle Friedebergs alsMittelpunkt anarchistischer Diskussion und anarchistischen Besucher-Verkehrs wird durch die erhalten gebliebenen Teile seiner Korrespondenz besttigt4 DaFriedeberg whrend der mehr als drei Jahrzehnte seines zuerstzeitweiligen, dann stndigen Aufenthaltes in Ascona aber nichtnur dem Theoretiker des kommunistischen Anarchismus, PjotrKropotkin, und dem bedeutendsten Historiographen des Anarchismus, Max Nettlau, sondern auch dem langjhrigen sozialdemokratischen Ministerprsidenten von Preuen, Otto Braun,und - zumindest in den ersten Jahren - dem fhrenden Theoretiker der internationalen Vorkriegs-Sozialdemokratie, Karl Kautsky , mit praktischer Solidaritt und rztlicher Beratung beistand,war das Ergebnis eines intensiven und wechselreichen politischenLebenslaufes, den er vor seiner Niederlassung am Monte Veritabereits abgeschlossen hatte.

    J. Politische Wirksamkeit in der ArbeiterbewegungRaphael Friedeberg, am 14. Mrz 1863 als Sohn einer RabbinerFamilie in Tilsit (Ostpreuen) geboren, hat te in den achtzigerJahren gemeinsam mit einer kleinen, aber wachsenden Zahl brgerlicher junger Intellektueller den Weg zu der vom BismarckStaat unter Ausnahmegesetz gestellten SozialdemokratischenPartei Deutschlands gefunden. Sein ursprngliches Studium derNationalkonomie und der Medizin an der Knigsberger Uni-versitt wurde Ende 1887 abgebrochen, als er wegen sozialdemokratischer Wahlpropaganda relegiert wurde s. Von 1890 bis 1895studierte er dannMedizin an der Berliner Universitt. Als praktischer Arzt und Spezialarzt fr Lungenkrankheiten in Berlin niedergelassen, setzte er seine politische Rekrutierungs-Ttigkeit frdie nach demEnde des Sozialistengesetzes seit 1890 sich organisatorisch festigende Sozialdemokratie u. a. durch die Mitarbeit anZeitschriften fort, die die akademischen Berufsgruppen fr dieSPD gewinnen sollten; er war von Anfang 1895 bis Ende 1896verantwortlicherMitarbeiter des SozialistischenAkademiker undseit 1897 Mitglied der Presse-Kommission der SozialistischenMonatshefte 6 Friedebergs berufliches Engagement als Arzt undsein politisches Engagement als Sozialdemokrat verbanden sich indieser ersten Phase seiner Entwicklung bis um die Jahrhundert-wende und wurden zu r Grundlage seiner sozialpolitischen Aktivitt, die er insbesondere in Verbindung mit der Krankenkassenbewegung entfaltete7.In den neunziger Jahren versuchte er, die Krankenkassenbewegung zu politisieren, sie als dieGesellschaft umformenden Faktorneben die politische und die Gewerkschaftsbewegung zu stellen.Die Selbstverwaltung in den Krankenkassen war gerade als politisches Bettigungsfeld fr Gewerkschafterund Sozialdemokratenentdeckt worden 8, aber eine Koordination fehlte. Lediglich dieBerliner Arbeitervertreter in den Krankenkassen hatten 1891 einen Verein gegrndet. Hier hielt 1896 Raphael Friedeberg einenVortrag, inde'mer das Zusammenwirken smtlicher Krankenkassen Berlins und dann des Deutschen Reiches im Kampfe gegen dieKrankheit, vor allem gegen die Tuberkulose, forderte. Sokam eszu r Grndung der Zentralkommission der Krankenkassen Berlins, die - im Anschlu an den ersten Tuberkulose-Kongre inBerlin - Ende Mai 1899 den 1. Kongre der KrankenkassenDeutschlands einberufen konnte. Hier strebte er ebenso wie alsBerater des Centralverbandes von Ortskrankenkassen im Deut-schen Reich 9 eine Krankenkassenbewegung an, dieals proletarische Bewegung kulturell auf die ganze Masse der Bevlkerungwirken sollte.

    Insbesondere die Forderung Friedebergs, die Krankenkassewegung drfe ihr organisatorisches Potential von 8,5 MillioMitgliedern nicht nur auf sozialpolitische Forderungenschrnken, sondern msse darber hinaus fr kulturelleideelle Zwecke den arbeitenden Massen dienstbar gemachtden 10 , ist ein Hinweis auf sein Vertrauen in die MglichkeitHilfe der organisatorischen Macht der ArbeiterbewegungElend der Lohnabhngigen beseitigen zu knnen, das sich ihseiner Praxis als Pulmologe am Beispiel der Proletarier-Krheit, der Tuberkulose, drastisch dokumentierte. Diese bzeugung wurde jedoch erschttert durch die taktische Entwlung, die die beiden wichtigsten Organisationen der Arbeitewegung, die SPD und die Freien Gewerkschaften, nachAufhebung des Sozialistengesetzes (1890) eingeschlagen haDie von Friedeberg ber eine lngere Zeit hin aufgestaute Kan der Fixierung der SPD auf die Ttigkeit in den politisch omchtigen Parlamenten und an der politischen Neutralittsklrung der Freien Gewerkschaften war eine der Vorauszungen dafr, da er nach der Jahrhundertwende im Alterbereits vierzig Jahren begann, den engeren Rahmen seiner sopolitischen Aktivitt zu berschreiten und zu den allgemeFragen der Theorie und Taktik der organisierten Arbeiterbegung in Deutschland ffentlich Stellung zu nehmen 11 .Diese durch wachsenden Radikalismus gekennzeichnete Pder Entwicklung Friedebergs fllt in die Jahre 1903 bis 1907die Robert Michels von einer syndikalistisch gerichteten Unstrmung in der deutschen Sozialdemokratie gesprochendie u. a. auf der Betonung eines lebendigeren Idealismus inPartei und auf der Abneigung gegen den Parlamentarismgegrndet gewesen sei 12. In eben diesen Jahren verzeichnetenGewerkschaftsbeweung und die SPDihre grten ErfolgeinMitgliederwerbung 1 Fr brgerliche Intellektuelle wie Micund Friedeberg war eine unertrglicheDiskrepanz zwischenorganisatorischen Machtpotential und der praktisch-politiscErfolglosigkeitder Arbeiterbewegung erkennbar, die sie - interschiedlicher Akzentuierung - als Resul ta t des Festhaltennicht mehr lnger tauglichen theoretischen und taktischen Kzepten interpretierten. Friedebergs Radikalisierungs-Prozein den Anfngen zurckzuverfolgen bis auf Zweifel an der pmentarischen Taktik der SPD angesichts des schsischenWrechts-Raubs von 1896, in dem die Sozialdemokratie dieschlechterung des Zensus-Wahlrechtes durch die Regierung nhatte verhindern knnen 14 .Die Erfolglosigkeit des Kampfes der SPD gegen das undemotische Drei-Klassen-Wahlrecht in Preuen und die politiEinflulosigkeit des demokratisch gewhlten Reichstagesstrkten mutmalich Friedeberg auf die Dauer in seiner antlamentarischen Orientierung. Die politische AbstinenzFreien Gewerkschaften, die in der Phase ihrer Rekonsierung in den neunziger Jahren mit den existierenden koalitirechtlichen Zwngen begrndet wurde, mute Friedeberg vends als unhaltbar erscheinen, nachdem mit dem neuen Veregesetz vom Jahre 1900 jene angeblichen Zwngeweggefallenren. Seine ffentlich noch nicht artikulierte Kritik an der Frung derSPD auf Parlamentsarbeit und an der habituell gewonen politischen Neutralitt der Freien Gewerkschaften braFriedeberg nachder Jahrhundertwende in eine immer deutlicOppositionshaltung zu den beiden wichtigsten S u l e n ~ derganisierten Arbeiterbewegungin Deutschland und bewirkte sAnnherung und schlielich seineKontaktnahmemit derFrVereinigung deutscher Gewerkschaften. Die Freie Vergungdeutscher Gewerkschaften war eine rund 15000Mitglizhlende oppositionelle Minderheit in der deutschen Gewschafts-Bewegung, die seit dem Kongre vonHalberstadt (1die zentralverbandliche Organisation und die mit ihr zusammhngende politischeNeutralitt der Freien Gewerkschaftenlehnte 15. Sie hatte sich seit 1897 als selbstndiger Verband

    In: Monte Verita, Berg der Wahrheit. Milano : Electa Ed., 1978. S. 38-53

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    Reichsebene konstituiert und wurde berwiegend von besondersaktiven Sozialdemokraten geleitet, die auf der notwendigen Verbindung des politischen und des gewerkschaftlichen Kampfes bestanden. Der Grndungs-Kongre de r Freien Vereinigunghatte 1897 erklrt: Eine Trennung der gewerkschaftlichen Bewegung von der bewuten sozialdemokratischen Politik ist unmglich, ohne den Kampf um die Verbesserung de r Lage der Arbeiter auf dem Boden der heutigen Ordnung aussichtslos zu machen und zu lhmen 16. Unter dem wachsenden Druck der Fhrung der Freien Gewerkschaften versuchte de r Vorstand derSPD nach der Jahrhundertwende, den Verband der Freien Vereinigung zu r Auflsung und zu r Eingliederung in d ie Zentralverbnde zu bewegen. In Berlin, de r Hochburg der Freien Vereinigung, kam es im Mrz 1903 zu offiziellen Verhandlungenzwischen Vertretern des Partei-Vorstandes, de r zentralverbandlichen Generalkommission und dem opposit ionellen Verband;die Freie Vereinigung verweigerte die Aufhebung ihrer selbstndigen Organisation und geriet in einen Konflikt mi t der SPD,de r ihre Entwicklung whrend der folgenden Jahre bestimmensollte. In dieser Situation der beginnendenAblsung des Verbandes von de r offiziellen parteipolitischen Linie der SPD machte ersich zum Frsprecher eines neuen taktischen Konzeptes, dasdurch groe Streikbewegungen in Belgien, Schweden, Hollandund Italien auf die Tagesordnung der internationalen sozialistischen Diskussion gesetzt worden war17: mit dem Generalstreikschien sich eine erfolgversprechendeAlternative zu r frustrierenden parlamentarischen Ttigkeit der Sozialdemokratie anzubieten. Im Hinblick auf den Mit te August 1904 in Amsterdam tagenden Kongre der 2. Internationale veranstaltete das BerlinerGewerkschaftskartell der Freien Vereinigung am 4. August1904 eine aufsehenerregende Versammlung mit etwa 4000 Teilnehmern, in deren Mittelpunkt Raphael FriedebergsReferat berParlamentarismus und Generalstreik stand 18. Die Sensation, dievon diesem Referat ber Berlin hinaus ausging, beruhte gleichermaen auf de r Persnlichkeit des Referenten wie auf dem Inhaltdes Vortrages: ein bewhrtes SPD-Mitglied, das als einer von 28sozialdemokratischen Stadtverordneten zum engeren Fhrungskreis der Berliner Parteiorganisation gehrte 19 , propagierte ffentlich den Generalstreik als neues taktisches Kampfmittel undprangerte die parlamentarische Fixierung der Partei und die politische Neutralitt der Gewerkschaften als verhngnisvolle Fehlentwicklung der Arbeiterorganisationen in Deutschland an. EineResolution Friedebergs mit diesen inhaltlichen Schwerpunktenwurde von der Versammlung einstimmig angenommen.Auf dem internationalen Kongre in Amsterdam trug Friedebergdann im selbenMonat noch einmal eine Kurzfassung seiner Thesen vor 20 . Die Reaktion de r sozialdemokratischen Presse stelltes ich aus de r Sicht der Freien Vereinigung so dar : Bei Bekanntwerden dieses Auftretens Friedebergs ging natrlich einstarkes Staunen durch die ganze geeichte sozialdemokratischePresse Deutschlands undvor allem des lammfrommen Parteivorstandes. Das deutsche Zentralorgan de r Partei, der Vorwrts, faselte gleich von einem )antiparlamentarischen Kretinismus< Friedebergs und blies im Bunde mit allen anderen Provinzbltternkrftig Alarm. 21Umfassende Sozialbewegungen des Jahres 1905 wie der Streik derBergarbeiter im Ruhrgebiet, Streik und Aussperrung der Metallarbeiter in Bayern und der Elektrizittsarbeiter in Berlin, vor allem aber die im Januar 1905 losbrechenden revolutionren Ereignisse in Ruland bewirkten die anhaltende Aktualitt der Frageder Massenaktionen und begnstigten die 1904 begonnene Generalstreik-Agitationder Freien Vereinigung. Nachdem der Klner Kongre der Freien Gewerkschaften vom Mai 1905 denMassenstreik in aller Entschiedenheit abgelehnt hatte, berief dieFreie Vereinigung am 23. Abgust 1905 wiederum eineffentliche Arbeiterversammlung im Berliner Feenpalast ein, aufder Raphael Friedeberg vor mindestens 3000 Zuhrern ber das ThemaWeltanschauung und Taktik des deutschen Proletariats 22 sprach.Die von ihm vorgelegte Resolution, die ein Zurckstellen, fastVerleugnen aller revolutionren Ziele seitens de r groen Arbei-

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    terorganisationen konstatierte und sich f r die nderung de rTaktik zu schneller und endgltiger Erreichung der Ziele des Sozialismus aussprach 23 , wurde fast einstimmig angenommen.Unter anderem durch diese wiederholten Agitations-ErfolgeFriedebergs veranlat, wurde auf dem Jenaer Parteitag der SPDdie Frage des Massenstreiks diskutiert. August Bebel grenzte sichin seine r Rede ber den Massenstreik 24 nach rechts gegen dieMassenstreik-Resolution des Klner Gewerkschaftskongressesund deren Untersttzung durch Revisionisten in der Partei ab,nach links distanzierte er sich von der von Friedeberg vorgetragenen Generalstreik-Konzeption; er schlug in einem ResolutionsEntwurf die Anerkennung des Massenstreiks als eine D e f e n ~ v -waffe im Falle eines Anschlags auf das allgemeine, gleiche, direkte und geheimeWahlrecht oder das Koalitionsrecht 25 vor. Errckte Friedeberg unter Berufungauf seine beiden Vortrge ind ieNhe des individualistischen Anarchismus in de r Nachfolge MaxStirners und in d ie Nhe der Nurgewerkschafterei, wie sie gerade im revolutionren Syndikalismus in Frankreich entstand,und versuchte, ihn durch den Nachweis theoretischer Konfusionzu diskreditieren. Bebel kndigte, ber die Agitations-ErfolgeF r i e d e b e r ~ s sichtlich irritiert, an, er werde mit ihm in Berlin abrechnen 6.De r 7. Kongre der Freien Vereinigung bernahm Mitte April1906 wesentliche Teile der von Friedeberg skizzierten neuen taktischen Konzeption und vollzog damit den ersten Schritt von ihrem ursprnglich sozialdemokratischen zu ihrem spteren revolutionr-syndikalistischen Programm 27 . Der Konfl ik t derFreien Vereinigung mit den Zentralverbnden und der Parteiverschrfte sich 1906 aufs uerste, als das Organ der FreienVereinigung das Protokoll einer Geheimkonferenz der Vors tnde der SPD und de r Freien Gewerkschaften vom Februar1906 verffentlichte 28, auf der die sozialdemokratischen Fhrerden Zentralverbnden versicherten, sie htten keine.swegs die Absicht, den politischen Massenstreik zu propagieren, sondern ihnnach Mglichkeit zu verhindern. Da diese Zusage offensichtlichim Widerspruch stand zu r Jenaer Massenstreik-Resolution derSPD, konnte die Freie Vereinigung die Partei-Fhrung de r brokratischen Geheimpoli t ik und der Miachtung der Mitgliederbeschuldigen. Nachdem namentlich earl Legien frdie Generalkommission und August Bebel fr den Partei-Vorstand auf demMannheimer Parteitag der SPD im September 1906 diese Indiskretion (Bebel) heftig verurteilt hatten, wurden die Mitgliederdes oppositionellen Verbandes vom Essener Parteitag 1907 zumgeschlossenen bertritt in die Zentralverbnde verpflichtet. Dieser Aufforderung kam schlielich im Februar 1908 knapp dieHlfte derMitglieder nach, whrend der Rest der Freien Verein igung sich b is 1914 in der Richtung des 1904 eingeschlagenenWeges fortentwickelte 29 . Die von Bebel in Jena angekndigteAbrechnung mit Raphael Friedeberg erfolgte in ffentlichenParteiversammlungen im 6. Berline r Wahlkreis am 5. und 12.September und dann noch e inmal am 17. Oktober 1906 30 Auf der Versammlung vom Oktober 1906 fate Friedeberg, demoffenbar nicht an einem Einlenken in der Auseinandersetzung gelegen war, sondern an de r grtmglichen Klarheit seines Standpunktes, seine Grundstze in folgender Erklrung zusammen:Ich verwerfe den Parlamentarismus und den politischen Massenstreik, der ja nu r innerhalb des heutigen Klassenstaates undinnerhalb des brgerl ichen Parlamentarismus dem Proletariatparlamentarische Rechte sichern soll. Ich trete dagegen nach wievor ein: fr die Gesetzlosigkeit, die Religionslosigkeit, dieVaterlandslosigkeit und den Antimilitarismus, fr die direkte Aktionund den anarchosozialistischen Generalstreik, der, unter Verweigerung der Arbeitskraft des Proletariats als Klasse, die Zertrmmerung der kapitalistischen Ordnung und die Beseitigungdes Klassenstaates zum Endzweck hat 31 .Diese Erklrung gab ein Jahr spter den Ausschlag f r den Aus schlu Friedebergs aus der SPD durch den Urtei lsspruch einerSchiedskommission, der u. a. Legien und Kautsky angehrten 32 .Bald nach dem Ende September 1907 erfolgten Ausschlu Friedebergs aus der Partei kam es auch zum Bruch mit der

    Friedeberg am 3. Internationalengre der Anarchisten in AmsterAugust 1907.D I1SG, Ams te rd am

    ERRICO MALATESTA (1853-1i ta li en is cher Anarchi st , Mitgl ied1. Internationale und der ..Brschaft- von Bakunin. Freund vonpotkin und Elisce Reclus. BedeutTheoretiker des AnarchokommunisUnser Bild zeigt ihn auf derselbenbne wie Friedeberg in Amste1907.D I ISG. Amst er dam

    GUSTAV HERVE (1871-1941).tere Angabens. Anm. 36.D IlSG, Amsterdam

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    BerlinNW.SJ,J"n 9 1 e n ~ I TurmSlrns"C No.91.

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    lutionr-taktischer Erneuerung der Arbeiterbewegung diedes Generalstreiks. In seinen Vortrgen ging Friedeberg vonnen Erfahrungen als Arzt und Sozialpolitiker aus. Er versuden Nachweis zu bringen, da den Proletariern im Wilhelmschen Reich trotz gewisser relativerVerbesserungen in der sener Reihe von Jahren eingetretenen Prosperittsperiode 39sentliche Menschenrechte vorenthalten wrden: hohe Kinsterblichkeit und geringe Lebenserwartung, ein groer Prozsatz an Lungen- (Tuberkulose-) und anderen sozialen Erkkungen kennzeichnet immer noch die proletarische Existendie Sicherheit der Erwerbsttigkeit sei durch das Vorhandeneiner industr iellen Reservearmee jederzeit in Frage gestschlechter Volksschul-Unterricht und die Verweigerung eobligatorischen Fortbildungs-Vnterrichts durch die herrschden Klassen verhinderte jede tiefere Volksbildung; die Erlung seiner Rechtsansprche werde dem Arbei ter durchKlassenjustiz weitgehend unmglich gemacht 41 ; von soziAufstiegsmglichkeiten fr Proletarierkinder knne n ichtRede sein: Das Kind des Arbeiters ist ausgeschlossen vonKultur- und Bildungsmitteln der Nation. Angesichts diesergativbilanz des proletarischen Emanzipationskampfesmssemsich fragen, ~ ) o b da nicht ein Fehler etwa in dem Wege vorlden die deutsche Arbeiterbewegung gegangen ist 42 . Diese ,.Fler versuchteer, in derTheorieund in derTaktik derorganiten Arbeiterbewegung in Deutschland aufzuzeigen.Im Bereich der Theorie wandte er sich gegen den dogmatiscMarxismus 43 , den e r unter Berufung auf Marx' VorwortKritik derpolitischen Okonomie (1859) gekennzeichnet sah dudie monokausale Herleitung der Antriebskrfte der Geschiaus den konomischen Verhltnissen. Diese Auffassung dersellschaftlichen Strukturen und Entwicklungen habe das Vdienst, ltere Ideologien wie die auf den christlichen Glaubensttzte autoritre und die auf den Vernunftglauben gegrn

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    II. Die politisch-theoretische Konzeption

    Freien Vereinigung. Friedeberg teilte dem Organisationsleiterder Freien Vereinigung Fritz Kater (der seinerseits im Mrz1908 freiwillig aus derSPD austrat) mit, er habe sich weiter nachlinks 33 entwickelt. Das hie konkret, da er fr eine direkte Zusammenarbeit mit den anarchistischen Gruppen in Deutschlandoptierte, deren bedeutendster berregionaler Integrations-Versuch sei t 1903 die Anarchistische Fderation Deutschlands(AFD) darstellte 34 Einen solchen Schritt wollte Kater aus Sorgeum den organisatorischen Zusammenhalt der Freien Vereinigung nicht wagen. Friedeberg nahm bereits Ende August 1907mit Gus tav Landaue r, E rr ico Malatesta, dem sterreichischenAnarchisten Pierre Ramus (Pseudonym fr: Rudolf Gromann)und anderen fhrenden Anarchisten an dem 3. InternationalenKongre der Anarchisten in Amsterdam teil 35 In diesem Jahr bereitete auch der Reichsanwalt gegen ihn eine Anklage wegen Vorbereitung zum Hochverrat anllich seines Vorworts zu derSchrift Das Vaterland der Reichen von GustaveHerve vor 36 DerHhepunkt und zugleich auch der Schlu seiner direkten Zusammenarbeit mit dem organisierten Anarchismus war ein Vortrag, den er auf der Leipziger Konferenz der AnarchistischenFderationDeutschlands Anfang Juni 1909 ber das ThemaDerAnarchismus, seine Idee und Taktik hielt 37 Zu dieser Zeit hatteFriedeberg mit Sicherheit bereits die fr die Entwicklungs-Phasevon 1903 bis 1907 charakteristische berzeugung, da in denvorhandenen Organisationen de r Arbeiterbewegung neue undradikalere Einsichten und taktische Orientierungen durchsetzbarseien, hinter sich gelassen. An die Stelle des politischen Emanzipations-Kampfes in den und durch die Organisationen der Arbeiterbewegung trat nun das im wesentlichen erzieherischeWirkenfr die innere und uere Befreiung vieler einzelner in de r und mitHilfe der anarchistischen und lebensreformerischen Ideengemeinschaft. Die zwanzigjhrige Periode der politischen Organisationsarbeit Friedebergs war engstens verbunden mit derReichshauptstadt Berlin, die anarchistisch-IebensreformerischeIdeengemeinschaft fand Friedeberg bis zum Ende seines Lebensvor allem in Ascona. Gegen Ende seines Lebens deutete er dieJahrzehnte seiner politischen Organisationsarbeit als e inen langen, allzu langen Umweg zu dem Ziel seines anarcho-sozialistischen Selbstverstndnisses, an dem er bis zuletzt festhielt: er seiden Weg vom Brgertum ber den reformistischen Sozialismus(Krankenkassenbewegung und Kampf gegen die Tuberkulose)ber den revolutionren Sozialismus (Generalstreik-Agitationund Historischer Psychismus) gegangen zum endlich klar erkannten und zum Bestandteil meines Wesens gewordenen Anarchismus 38 .

    Da Raphael Friedebergs Anarcho-Sozial ismus, den er in derzweiten Phase seiner politischen Organisationsarbeit 1904 bis1907 formulierte, die Grundlage seinesWirkens in Ascona blieb,scheint es angebracht, vor der Darstellung dieser Ttigkeit diewichtigsten Umrisse seiner politisch-theoretischen Konzeptionzu skizzieren. Friedeberg legte seine Ideen nahezu ausschlielichin Vortrgen dar; er wirkte agitatorisch vor allem durch die Ausstrahlung seiner Persnlichkeit und durch das gesprocheneWort.So ist man bei der Rekonstruktion seines Anarcho-Sozialismusvor allem auf die gedruckten Wiedergaben seiner Referate angewiesen, die trotz mangelnder Systematik einige Leitmotive erkennen lassen: als gleichsam empirische Grundlage erkennt mandie Darstellung der Ausbeutungs-Symptome de r proletarischenKlasse im Wilhelminischen Reich, als theoretisches Anliegen dieErgnzungsbedrftigkeit des Historischen Materialismus durchden Historischen Psychismus, als Kritik an de r traditionellenTakt ik der Arbeiterbewegung die Auseinandersetzung mit demParlamentarismus der SPD und der politischen Neutralitt de rFreien Gewerkschaften und schlielich als Ansatzpunkt revo-

    PIERRE RAMUS (Rudolf Grossmann.ca. J870-J942). Osterreichischer individualistisch-pazifistischer Anarchist.Im Ap'ril J907 fragte Pierre Ramus ausLondon Friedeberg an, o b er nicht dieLeitung der Zeitschrift Die freie Generation, Dokumente der Weltanschauungdes Anarchismus bernehmen wolle,was dieser aberablehnte.D I ISG, Ams te rd am

    Mit te ilung bet re ffend d ie Vorun te rsuchungwegenVorbereitungeineshochverrterischen Unternehmens gegen dasDeutsche Reich.D IISG, Amsterdam

    AUGUST BEBEL (J84Q-J913). ErichMhsam schr ieb am 4. Mai 1905 ausAscona an seinen Vater: Ich habe hierdie persnliche nhere Bekanntschaftmit BebeI, Singer und Kautsky gemacht,vo n d en en Kau ts kv mir d en Eindruckeiner wirklich b e d ~ u t e n d e n Persnlichkeit machte. Bebel ist selbst im Privatgesprch ein &anz intoleranter Fanatikerund Singer Wirkt eher wie ein protzigerParvenu als wie ein Proletarierfhrer(Or ig in al im Besitze des L eo BaeckInstitute, New York, Mitteilung durchGerd W. Jungblut). Bebels Buch DieFrau und der Sozialismus wurde auchauf dem Monte Verita viel gelesen. Erhielt dort J905 einen Vortrag.D Schweiz. Sozialarchiv , Zrich

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    rationalistische Anschauung prinzipiell in Frage gestellt zu haben. DasVerdienst des Marxismus ist diehistorische Auffassungder sozialen Strukturen, istdie Inbeziehung-Setzung der sozialenErscheinungen und Vorgnge zu den konomischen.44 An dieser Erklrung, die zur Zeit ihrer Entstehung weitgehend berechtigt gewesen sei, knne man jedoch nicht in der Gegenwart unbesehen festhalten, so wie das der dogmatische Marxismus tue.Aufgrund der inzwischen eingetretenen technologischen Entwicklung, insbesondere im Verkehrs- und im KOlnmunikations-Bereich, komme dem Faktor des Psychischen, der Steuerungsmglichkeit der Menschen von innen im Vergleich zu ihrer Bestimmung von auen eine wachsende Bedeutung zu; derHistorische Materialismus msse daher durch einen Historischen Psychismus ergnzt werden: Solange das menschlicheLeben zusammenfllt mit de r Aufrechterhaltung der materiellenExistenz, solange die Produktivkrfte so geartet sind, da die gesamte menschliche Persnlichkeit verbraucht werden mu, umdie nackte Existenz zu s ichern , solange ist das fast r icht ig , wasMarx sagt. Je meh r aber die von Generation zu Generation steigende Aufspeicherung von Werten, jemehr ferner die technischeEntwicklung ... dazu fhrt, da wir mehr freie Zeit bekommenfr andere als materielle Dinge, desto mehr werden psychischeFaktoren bestimmend, die allmhlich den materiellen als selbstndige Mchte entgegentreten. Der historische Psychismus besagt, da die seelischen Beziehungen ihrerseits die strkste Kraftauf die materiellen Verhltnisse ausben 45. Die praktische Konsequenz des theoret ischen Mangels des dogmatischen Marxismus sei eine extreme Abhngigmachung von der wirtschaftlichen Entwicklung, ein gewisser Fatalismus, der die Selbstbettigung und die Selbstanteilnahme des Menschen in den Hintergrund drngt 46. Diese Kritik Friedebergs deckte zweifellos einewesentliche Schwche der von sozialdarwinistischen Vorstellungen geprgten offiziellen Marxismus-Auffassung in der SPD vordem 1. Weltkrieg auf47.Sie beruhte j edoch offensichtl ich auf e inem konomistischenMiverstndnis der Marxschen Theorie und enthielt keinerleiPerspektive zu r Behebung des aufgezeigten Mangels: Friedebergverwies pauschal auf den Anarchismus, in dessen Theorie er eineeingehendere Reflexion de r intellektuellen und psychischenWirkungsmechanismen kapitalistischer Herrschaft gegeben sah: erprzisierte jedoch niemals, welche theoretischen Konzepte undEinsichten desAnarchismus fr eine Analyse de r subjektiven Antriebskrfte gesellschaftlicher Entwicklung brauchbar seien.Seine Kritik an der Taktik der Sozialdemokratie zielte auf derenParlamentarismus. Er hiel t die jahrzehntelange Ttigkeit derSozialdemokratie in den Parlamenten fr ergebnislos und schdlich. Folgende - unsystematisch entwickelte - Argumente werden von Friedeberg wiederholt angefhrt: der deutsche Scheinkonstitutionalismus und die Scheinparlamente 48 seien als solche ungeeignet fr den Kampf der Arbeiterklasse; man habe sichvon der Bourgeoisie auf das Kampffe ld des Parlamentarismusziehen lassen, das einzig der Sicherung ihrer politischen und konomischen Herrschaft diene und das s ie mit Hil fe von Wahlkreisgeometrie oder Verschlechterung des Wahlrechts 49 jederzeit beherrsche; da der Staat immer nu r das Ausbeutungsinstrument der besitzenden Klassen 50 sei, knne man in der staatlichen Institution des Parlaments keine Fortschritte im Emanzipationskampf der Arbeiterklasse erzielen: Trotz vierzigjhrigerkraftvollster Arbeit im Parlament ist es uns nicht gelungen, denregierenden Klassen etwas anderes abzuringen als )Konzessinchen

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    Raphael Friedeberg (Mitte mit Hut) beider Eurythmie, ferner v. I. n . r . HenriOedenkovcn und Ida Hofmann, AnniPrach t, Corne li s Gabes Gouba undMimi Sohr. Der neue Pat ient i st nochn icht g an z zu Hause mit seiner halbstdtischen Kleidung und der Kopfbedeckung. Auch geht er nicht barfuoder in Sandalen. Das Bild e nt hl tgl ei ch vi er H inwe is e auf da s MonteVerita-Regime: Bewegung im Freien,Taulaufen, Reformkleid und die LichtLuft-Chalets.D Doris Hasenfratz, Ascona (t )

    Friedeberg sch rieb aus Ber lin an Fri tzBrupbacher am 18.8. 1907: .Also beiden Pflanzenfressern stecken Sie, woauch ich einstmals meinen Leib curierthabe . Je denf al ls ist es e in g an z neue sMilieu und ein neuer Culturkreis , dereinem da e n t g ~ g e n t r i t t . I ch h ab e es niebereut, dem Monte Verita mich genahtzu ha ben . . . - (Nachla Brupbacher,IISG, Amstcrdam).

    PJOTR KROPOTKIN (1842-1921).D Sammlung Cesar Domela, Paris

    kannten , und er auch von den Anarchisten persnliche Wertschtzung erfuhr, konnte Friedeberg in Ascona die Kommunikation nach beiden Seiten aufrechterhalten.

    111. Politische Resignation und politische Freundschaften1904 kam Raphael Friedeberg zum ersten Mal nach Ascona. Erhatte sich einer Karbunkeloperation unterziehen mssen, einedabei entstandene Blutvergiftung fhrte zu einem lebenslangenLeiden, einer Herzerweiterung.Vermutlich gab Erich Mhsam 62ihm den Hinweis auf Ascona, den sdlichen Ort, in dem er zunchst nu r Erholung und Heilung suchte. Retrospektiv zeigtsich, da dami t der Beginn einer Abkehr von der politischen Ttigkeit in Berlin verbunden war. 1905 fanden dort aber noch einmal seine heftigsten Auseinandersetzungen mit der dortigen Sozialdemokratie und den Zentralgewerkschaften statt. 1906,wieder als Rekonvaleszent in Ascona, deckt dann die Krankheit schon seinen ersten Rckzug aus dem Kampf gegen dasPlschsofa in der Arbeiterbewegung63 . An Fritz Brupbacher64s ch ri eb e r, da e r s ich durchgreifender Agitation absolut nichtgewachsen fhle, er anderenfalls sicher zusammenklappenwrde 65 . Es warihm bitter leid, gerade jetzt (1906) die Angelegenheiten in Deutschland stehen zu lassen, wo die in den letztenJahren von mir gemachten Anstrengungen etwas Frchte t r a ~ e nwollen und gerade ein guter Ruck noch recht heilsam wre 6_aber er referierte nu r in Zrich berDie russische Revolution, diedort besondere Hoffnungen bei den anarchosyndikalistischenArbeitern um Fritz Brupbacher geweckt hatte. Vo r diesen Arbeitern sprach er auch noch einmal am 22. Januar 1907 im Velo-

    drom in Zrich ber Die Machtmittel des Proletariats zurderwerfung der Klassenherrschaft 67 . Auf diese Gruppe hschon frher die Idee des Generalstreiks auerordentl ichfruchtend gewirkt, und auch zum Antimilitarismus und zurtik de r Demokratie war man gekommen 68 . So wurde er dorgeistert empfangen, nur das brgerl iche Zricher Volksapostrophierte ihn beunruhigt als Hetzapostel, d er vonSchweizer Verhltnissen nicht mehr verstehe als ein Maikvon einer Nhmaschine 69 .In Deutschland erreichte der Kampf der fhrenden Sozialdekraten und Gewerkschafter gegen Raphael Friedeberg, wiereits beschrieben, ein vorlufiges Endstadium, und der Staatsuchte, ihn wegen eines Vorworts des Hochverrats anzukla1907 scheint de r endgltige Wendepunkt in seinem poli t isund persnlichen Leben geworden zu sein: er hielt sich fonicht nu r zunehmend lnger im abgelegenen Ascona auf, sonzog auch in Deutschland von der Hauptstadt fort , zunchstin den Vorort Friedrichshagen, wo sich berei ts der KreisBruno Wille, Wilhelm Blsche und Rudolf Steiner angesihatte 70 ; 1911 dann - jeweil s fr d ie Kur sa ison - nach Baddowa am Heuscheuergebirge in Schlesien - ohne besondere ptische Intentionen, nu r um als Arzt ttig zu sein und so seinenbensunterhalt zu sichern. So sind die Jahre nach seinem Paausschlu von politischer Resignation gekennzeichnet.1908meinte er, daman als A - oderAntiparlamentarier vonWirkung fr den Augenblick absehen mu. Wer sich davon nfreimachen kann und anstatt indie Zukunft seineSaat auszusten, die Gegenwart direkt sichtbar beeinflussen will, wird wbeim Parlamentarismus bleiben mssen 71 . Politisch bedsam war in diesem Jah r nur seine Reise nach London zu PKropotkin.Am 1. Juni 1909 hielt er, wie erwhnt, seinen letzten groenfentlichen Vortrag ber Anarchismus, seine Idee und Taktikder Konferenz der Anarchistischen Fderation in Leipzig 72versprach, den Vortrag als Broschre auszuarbeiten: diesesterblieb ebenso wie die Herausgabe eines BegriffslexikonsAnarchismus. Spter hat er es bereut und festgestellt, da beider Weg vom Gehirn , wo ja vielleicht manches Brauchbarebildet , bis zu dem mit Fllfeder bewaffneten Fingern stetssehr weiter, fast ein unberwindlicher gewesen ist. GesprochWort und Tat (Aktion) sind stets adquater Ausdruck meganzen Persnlichkeit mit ihrer ganzen Impulsivitt gewesenFortan verzichtete er auf gesprochenes Wort und Tat in Msenveranstaltungen, er besuchte lediglich noch rztekongre1911 schrieb er an Brupbacher, da erselbst dieVorbereitunZukunft aufgegeben hat: Ich lebe berhaupt nicht mehr undauch so ehrl ich, das nach keiner Richtung mehr zu praefunren 74. Hatte er 1904 und 1905 Tausende von Arbeitern dbewogen, von ihm verfertigte Resolutionen einstimmig odereinstimmig anzunehmen - so hat te er 1912 an Resolutionenwieso keine allzugroe Freude mehr, verzichtete auf die Tnahme an einem Kogre aus privaten Grnden: Was gesprowerden wird, kann man ja ungefhr wissen 75 . Der HungeProletariat ist n icht so gro, da dieses fr eine nderungVerhltnisse etwas riskieren wrde und die Gewerkschakommen vorlufig noch eine ganzeWeilemit U ntersttzungsrichtungen und sonstigen palliativen Mitteln als werbenden Kten aus.... 76 In Briefen an Freunde und Unterredungenihnen, kommentierte er die Geschehnisse der deutschen undropischen Politik, aber er versuchte nicht mehr, sie aktiv zueinflussen. 1931 siedelte er vollstndig nach Ascona ber.mute er feststellen, da sich die Verhltnisse inDeutschlandgrauenvoller Rapiditt entwickeln77 , seine Sorgen galtenraId, seinem Sohn, und Julius, seinem Bruder. Die Nationazialisten nahmen durch das Gesetz zurWiederherstellungdesrufsbeamtenturns beiden ihre berufliche Existenz 78 . Der Swurde als wissenschaftlicher Assistent (Liebigassistent) ammischen Institut der Berliner Universitt entlassen, mute sHochschullaufbahn aufgeben; sein Bruder verlor die Zulasals Kassenarzt, und auch die privaten Krankenkassen erstatt

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    von dem Nichtarier ausgestellten Rechnungen nicht79 . Julius Friedeberg war seit 1900 in Berlin Kassenarzt geer lebte zurckgezogen und war politisch indifferent. Dermute in das Exil, sein Weg fh rt e ber die Sowjetuniond die Niederlande nach England80. Fr den durch die Gevon Depressionen heimgesuchten Bruder besorgteael Friedeberg in jahrelangen Kmpfen ein Einreisevisum Erhalt desselben schied jener noch in Berlin aus dem Leben. Der nach und nach Vereinsamte klagte, da das Geschickihnseinem abgelegenen Felsen vergessen habe82. In d iese r ZeitschwererKrankheitheimgesucht- bezeichneteer sichs armseliges, minderesHuhn 83, als armen Schcher 84, zu rgentium gehrig 8S - doch wute er auch zu vermerken, e r fr sich vindizierenkonnte, damals, als es noch Zeit war,m Ende der 90er Jahre ab seine warnende Stimme erhoben zuund fr eine vlligeUmkehr, fr eine vlligenderungTaktik und fr eine vllig andere Erziehung und Beeinflusng der Massen eingetreten zu sein 86.mehr als 30 Jahre whrende, bis zu seinemTode anhaltendeitische Resignation fllte Raphael Friedeberg aus durch perGedankenaustausch mit Gleichgesinnten, aber auchfreundschaftlich verbundenen Andersdenkenden sowie indi-menschenfreundliche, rege Arztttigkeit.e .lngsteFreundschaftdrfte ihn t;tit Fr.i.tz B r u p b a c h ~ r 6 4 , de.mArzt, verbunden haben. EnchMuhsam hatte SIe vermIt87. Fritz Brupbacher war auch Sozialdemokrat gewesen undgeworden, Raphael Friedeberg bezeichnete ihn als eider ganz wenigen, der mein Wirken und Arbeiten langebeobachtethat, mitdem ich viel debattiertund mich auseintzt habe88. Friedeberg scheint ihn schon auf seiner ern Reise nach Ascona kennengelernt zuhaben; der Korresponzwischen diesen beidenrzten und Anarchisten verdankenr die meisten Informationen ber das Denken und HandelnRaphael Friedeberg in Ascona.der Geschichte des Anarchismus ist Pjotr Alexejewitsch Kroungleich bekannter. Am 27. Mai 1908 suchte ihn Raphaelin der Doppelrolle alsArzt und politischer Bewunder in London auf und legte ihm aus therapeutischen Grndenhe, nach dem Sden zu gehen89. Der Arz t konnte spter frch in Anspruch nehmen, das Leben und die Arbeitskraft desFrsten durch seine Therapie wesentlich erhaltend verlngert zu haben 90 . Den rztlichen Ratschlgen folgend,Kropotkin 1908, 1909, 1911 und 1913 einige Monate

    Cannobio, Ascona und Locarno und siedeltevon London nachghton um. VonLocarno schrieb eran seinenArztund Freund,es ihm dort sehr gefalle - nur die Berner Regierung macheund fordere die Tessiner Regie rung auf , ihn ,auszuweisen - ein Verlangen, dem diese sich wider91. 1912 veranstaltete Friedeberg eine Sammlung frKroin, er selbst wollte 500,- DM spenden 92. 1913 behandelte erwieder und wurde durch seinen Patienten, der an sei-

    ner Ethik schrieb, veranlat, sich ebenfalls mit diesemGebiet zubefassen. Damals hatte sich der Gesundheitszustand seines Patienten gebessert, war aber immer noch nicht zufriedenstellend:Immerhin, zum Schreiben der Ethik, an der er jetzt arbeitete,langt 's sicher noch, zumal der Mangel der Zhne auf diesemGebiet nicht so schwer in's Gewicht fllt 93.Gemeinsam mit Fritz Brupbacher verband ihn eine besondere,langwhrende Freundschaft mit MaxTobler

    94. Kenntnisse undStreben, Knnen und Wollen waren in einem seltenenMae zuedelster Harmonie und grter Wirkung in ihm vereint. Er warfr ihn e iner derUntadeligen, einerder ganz Seltenen 95. Dessen Rastlosigkeit reizte ihn manchmal zu mildemSpott ber dieTobleritis, eine Art Abnutzung der Persnlichkeit, die dann nu rnoch fr die anderen, aber nichtsmehr fr sich selbst ntze ist 96und: Tobler macht, scheints, Carriere und legt sich aufdie Streberei, ich sehe ihn noch als Stadtmedicinalratmit dem sozialistischen Polizeiprsidenten zusammenunsereq KaiserWilhelm begren 97.Anfang der zwanziger Jahre traf Raphael Friedeberg in Bad Kudowa am Heuscheuergebirge in Schlesien den preuischen Ministerprsidenten Otto Braun, der sich und seine Frau alljhrlichdaselbst und spter in Ascona von ihm behandeln lie98. OttoBraun und Raphael Friedeberg hatten eine gemeinsame Vergangenheit in der illegalen Sozialdemokratie Knigsbergsund in derKrankenkassenbewegung - Otto Braun war am 1. Oktober 1899

    bis 1. Oktober 1911 der Geschftsfhrer der GemeinsamenOrtskrankenkasse fr die Stadt Knigsberg gewesen99 - hintersich, auch hatte die preuischeJustiz einen Hochverratsprozegegen ihn durchgefhrt 100 - ansonsten aber waren sie politischeGegner geworden: Otto Braun war auf dem Wege des Parlamentarismus Ministerprsidentvon Preuen, der roteZar von Preuen geworden, whrend Raphael Friedeberg Anarchist geworden war .Doch ber alle Gegenstze in denGrundanschauungen hinwegfr Fritz Brupbacher warOtto Braun dasSymbol des Plschsofa-Sozialisten 101 - ent st and eine lange Freundschaft: RaphaelFriedeberg wurde Otto Brauns besterFreund und einerder wenigenMenschen, denen Braun sich ganz anvertraute102. DasRefugium Raphael Friedebergsdrfte ausschlaggebenddafr gewesen sein, daOtto Braun nach Ascona emigrierte. GleichfallsvonKrankheit gezeichnet und politisch resignierend, erfllte er sichin Ascona eine alte Sehnsuchtund fhrte ein buerliches, naturverbundenes Leben 103.In den dreiiger Jahren lernten sich dann Raphael FriedebergundMax Nettlau auch noch persnlich kennen und schtzen 104. Aufseiten desArztes war diese Beziehung getragen von Sorgeum denHerodot des Anarchismus und von Bewunderung fr dessenWirken. In di ese r Zei t sah e r es als e ine Hauptaufgabe an, demprofunden Denker, Kenner der Vergangenheit und Horuspexder Zukunft 105, der durch seine historischen Forschungen demheiligen Feuer der Wahrheit dient und ihr nachjagt 10 , durchgesundheitliche Ratschlge dieJahre des Wirkens etwas zu verlngern wie auch dessen Forschungendurch Materialgaben (Inhalt eines groen, sehr lange nicht geffneten Fachs mit vielenBroschren, Vergangenheitsfragmenten etc. 107) und Erinnerungen zu untersttzen. Gelegentlich eines Besuches bei RaphaelFriedeberg machte MaxNettlau es dem Arz t und Freunde zumVorwurf, da er durch seine Therapie auch ihrem gemeinsamen Gegner Kar! Kautsky noch einJahrzehnt geistigen Wirkens geschenkt habe108. Im brigen wohl etwas skeptisch gegenber der natrlichen Therapie, versuchte er es in Zrich beiFritz Brupbacher auch mit der medikamentsen Schule 109.Von den weiteren Bekanntschaftenund Freundschaften ist weniger berliefert: ausder Krankenkassenzeit hieltennoch zu ihmdie Geschftsfhrerder Berliner Allgemeinen OrtskrankenkasseAlbert Kohn und Julius Cohn sowie der fhrende Dermatologe,Sozialhygieniker und Mitbegrnder der Deutschen Gesellschaftzur Bekmpfung der Geschlechtskrankheiten Alfred Blaschkound auch Eugen Simanowski110.Zu den Asconeser Bekanntschaften sind auerdem zu zhlen

    FRITZ BRUPBACHER (1847-19mit seiner ersten frau Lydia Petrowmit d er er im August 1907 a uf dMonte Verita weilte. Bereits 1902Brupbache r von Ida Hofmann anschrieben worden: "Ire zeitschrif tflt mir - hten si in der se lbenwendung fr freie s c h i l d e r u n ~ e nmontenegro, (frei im fortschmlichf re ihei tl ichen s ine auf pol it ischreligisem u. sozialem gebit)? danich um umgecnde benachr icht iguworauf ich i nen das manuskr ip ts enden wr de , nicht wi disesreform-ortografi. wird ire zeitschauch auerhalb der Schweiz gelese(Postkarte, 31. 8.1902, Nachla Bbacher, IISG, Amsterdam). Die zwFrau Brupbache rs , Hclmi Krw,Estin. Er krntc sie 1915 in Asckennen, wo sie ihre Lungentuberkuaushe ilen wol lte. Die Aufnahmestand 1911 in d er Ver ba nnung LPetrownas in Pinega, An.:hangelsk.F Nachla Fri tz Brupbache rD Schweiz. Sozialarchiv, Zrich

    Max Nettlau, Ascona, September 1F Margarethe FeIlerer, Ascona (t)D Ike FeI le re r, Wien

    MAX NETfLAU (1865-1944) undphael Friedeberg vor dem Columbin Ascona,September 1936.F MargaretheFeIlerer, Ascona (t)D IISG, Amsterdam

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    Landauer angeboten, seinen Sozialist whrend des Krieges inSchweiz zu publizieren, was dieser jedoch ablehnte. In Ascuntersttzte er Minderbemittelte mit Renten, so die GattinPsychiaters Otto Gross, Frieda Gross-Schloffer und ihreKinder. Vor und whrend des Zweiten Weltkrieges beherbeer Albert Ehrenstein, FritzHochwlder und ermglichte IgnSilone die Publikation des RomansFontamara durch bernader Garantie bei Oprecht. Mit Geld untersttzte er auch FonA4artina, die Siedlung von Fritz Jordi und Heinrich VogeleRonco.Ernst Frick l ie sich 1906 in Ascona von F r i e d e b e r ~ gesundpgen. Von Beruf Metallgieer, trat er f rh der Gewerkschafund redigierte 1905 denWeckruf, die deutsche Parallelausgades Risveglio anarchico oder Reveil des Tessiner AnarchiLuigi Bertoni fr das deutsch-schweizerischeSprachgebiet. Wrend seines Ascona-Kuraufenthaltes l ernte er die Anarchiund Bohemiens Erich Mhsam und Johannes Nohl kennendurch diese Otto Gross, mit dessen Gattin er dann sei t 191Ascona lebte. Nach der Verbung einer einjhrigen Gefngstrafe (Versuch der Befreiung eines russischen Staatsangehraus der Kaserne der Kantonspolizei Zrich mittels Sprengam 3.14. Juni 1907 und vorstzlich herbeigefhrte Straenbentgleisung vom 30. Oktober 1908) 1913 in Regensdorf z osich von der aktiven Bewegung zurck. Er wurde Bildhauer,ler und Amateurarchologe.Wir f inden ihn jedoch 1936auchdem Bnklein am Monte Verita si tzend, als die drei Altanarsten Friedeberg, Nettlau und Frick der Fotografin MargarFeIlerer, der Gefhrt in von Fr ick sei t 1920, saen 111.Am Rande sei noch erwhnt, da Raphael Friedeberg auchWeber in Ascona begegnete. Mitihm, der im Frhjahr 19131914 zur Erholung in Ascona weilte, engagierte er sich im Dr . Gro: de r eine bot juristischen Beistand112, der andereein medizinisches Gutachten gegen die durch nichts begrten Behauptungen des alten Gro 113. Im brigen aber glaMax Weber, in dieser sonderbaren Fabelwelt de r Gemeinscam Monte Verita nicht lange atmen zu knnen 114. Mi t RapFriedeberg und MaxWeber begegneten sich hier zwei exponiBrgershne des Deutschen Kaiserreichs - allerdings wohl oGedankenaustausch. Dabei hatten sie eine auffallende hnlkeit: bei aller skeptischenDistanz zum Kaiserreich hatten siesen Ehrbegriffe in besonderer Weise internalisiert: Raphael Fdeberg hatte sich duelliert, war mit Haft bestraft wordenhatte den feigen Proletariern die Brgerlichen vor Augenfhrt, die bereit seien, sich jederzeit fr ihre Ehre, ihre Aufsungvon Ehre vor diePolitik zu stellen, sich niederknallen zusen, ideellerMomente willen 115. Und auch MaxWeberwarreit, sich da zu duellieren, wo er seine Ehre gefhrdet sah 116.allem aber scheinen beide durch ih r Auftreten, als Persnlichganz besonders auf ihre Umgebung gewirkt zu haben 117: bausgezeichnet mit einer glnzenden Rednergabe, einer hohgebietenden, stolzen Gestalt und belastet durch ein fast das hLeben whrendes Leiden, da s mit stolzer, patriarchalisSelbstdisziplin getragen wurde, traten sie ohne Rcksichtaufsnliche Vorteile furchtlos und kmpfend-agitierend fr daswas sie als r icht ig erkannt hatten.

    Ern st F ri ck , Max Ne tt lau, Raphae lFr ied ebe rg au f dem Mon te Verita,eptember 1936. Ne tt lau wa r auf d erDurchreise nach Spanien, wo ihm dieepublikaner fr seine Studien ber die. Internationale in diesem Lande dierchive zur Verfgung stellten.

    Margarethe Fei lerer, Ascona (t )Ike FeI lerer, Wien

    ~ C o l u m b a r i o , das Haus ber dem Felen (kaum s icht ba r e twas links d erdmitte), Postkarte an den Sohn ,unleserlich.Pancald i, AsconaSammlung I rmga rd F riedebe rg,Freiburg i. B.

    Bernhard Mayer (1866-1946) und Ernst Frick (1881-1956).Bernhard Mayer, Selfmademan, Pelzhndler, Sozialist, verlieDeutschland 1890 und bersiedelte vorerst nach Brsse1, danndurch den I. Weltkrieg 1916 nach Zrich. Er war Mzen groenStils, Kunstsammler und hinter den Kulissen der groe Helfer derEdelanarchisten, meist ber Raphael Friedeberg, durch den er1909 ers tmals nach Ascona gekommen war. Aus FriedebergsKorrespondenz wissen wir, daMayer Henri Oedenkovendurchbernahme einerHypothek half, den Monte Verita weiterzufhren. Er war der Hauptgeldgeber in der UntersttzungsaktionKropotkin, mit seinen Beitrgen ermglichte er Ferdinand Dome1a Nieuwenhuis die Herausgabe von Broschren, er finanzierte Err ico Malatestas Erfindungen. Er hatte auch Gustav

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    IV. Arzt undColumbarius, Politik und PrivatheitDie Shne Raphael und Julius des Tilsiter Rabbiners SalomonFriedeberg entschieden sich fr das Medizinstudium. Damitwhlten sie als Angehrige einer Minoritt im Deutschen Reicheinen wissenschaftlichen Beruf, der ihnen zugleich einen brgerlichen Aufstieg ermglichte 118. De r Arztberuf war der bevorzugte Beruf dieser Minoritt, denn in der gesamten Beamtenschaft, de r Universittslaufbahn und in de r Groindustrie warendie Mglichkeiten fr deutsche Staatsbrger jdischen Glaubens sehr schlecht. Whrend Julius Friedeberg (1875-1939)unpolitisch war, war Raphael Friedeberg schon als Studentfrdie damals illegale Sozialdemokratie ttig. Die Folgen und seinweiteres politisches Wirken sind bereits dargestellt worden. ImHinblick auf seinen schlielich doch noch ausgebten Arztberufmu noch dar au f hingewiesen werden, da seine spezialrztlichen Fachkenntnisse so geschtzt waren, da er korrespondierendes Mitglied des Internationalen Bros zu r Tuberkulose-Bekmpfung werden konnte und von der 70. Jahresversammlungdeutscher Naturforscher und rzte in d ie stnd ige Kommissionzur Schwindsuchtbekmpfung gewhlt wurde, in der sonst fastnu r Medizinordinarien wirkten 119. Aufgrund seiner politischenHaltung blieb ihm jedoch die Universittslaufbahn verschlossen.Er versuchte, wie auch andere jdische rzte, die de r Arbeiterbewegung nahestanden oder ihr angehrten - genannt seien nu rAlfred Blaschko (1858-1922) und Ignaz Zadek (1858-1931) - ,seine sozialhygienischenErkenntnisse mit entsprechender politischer Wirksamkeit zu verbinden 120. Dabei scheint er von allenSozialhygienikern die vergleichsweise grte politische Ttigkeitam Rande der Sozialdemokratischen Partei entfaltet zu haben:erst in der Krankenkassenbewegung und dann durch seine Agitation fr den Generalstreik. Sein rckhaltloses Eintreten fr seinepolitischen Ideen und Ideale, die e r, w ie er spter meinte, naivund primitiv 121 aus sich und sicher auch aus seinen rztlichenErfahrungen heraus, entwickelt hatte - gegenber einer zunchsttriumphierenden bermacht - wirkte 10 Jahre nach Erffnungseiner rztlichen Praxis wieder zurck auf seine rztliche Existenz. Es fhrte zu r Freigabe einer angesehenen S t e l l u n ~ , einesgroen Einflusses und einer hohen materiellen Position 22 , dieer sich als anerkannter Facharzt und Vertrauensarzt in Berlin geschaffen hatte. Von de r Hauptstadt des Deutschen Reichs, einemder Zent ren de r deutschen und internationalen Arbeiterbewegung, zog er ~ i c h zurck in das kleine Fischerdorf Ascona mit einer armen Klientel, anderen Gesundheitsproblemen und anderentherapeutischen Aufgaben.War auch er auf der Suche nach einemdritten Weg?Es is t gu t vorstellbar, d a dem trotz allem hchst brgerlichenPatienten und Arzt Raphael Friedeberg die - wie er sie nanntePflanzenfresser auf dem Monte Verita zunchst etwas suspektwaren, stellten sie doch einen fr ihnganz neuen Kulturkreis dar,aber er bereute es nie, s ic h diesem genaht zu haben 123. Asconawurde politischesRefugium und neueWirkungssttte fr den politisch resignierenden und i n seine r Gesundheit geschdigten

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    Arzt. Er konnte die neue Atmosphre zunchstdistanziert-ruhiggenieen, denn wie einige Begrnder der neuen Lebensgemeinschaft aufdemMonte Veritawar auch er aufgrund seines brgerlichen Hintergrundes materiell so gesichert, da e r ohne Existenzsorgen sein konnte: beatus ille, qui procul negotiis- Glcksel ig jener , der von S tadtgeschf te n fern - Raphael Friedeberg gehrte in Ascona zunchst zu diesen Glcklichen 124. Allerdings herrschte auch mancherlei Zwang und Disziplin aufdem Monte Verita 125!Raphael Friedeberg kaufte sich neben dem Monte Verita auf einem Felsen ein Haus mit herrlicher Aussicht auf den Lago Maggiore und ein 10000 qm groes, noch zu kultivierendes Grundstck 12 6 und begann ein privates Leben als Columbarius - Taubenwrter nannte e r s ich im Freundeskreis, vermutlich verglicher sein hoch gelegenes Haus mit einem Taubenschlag. 1931 hatteer kein Interesse an einer Reise nach Paris, denn dort gibt es keinen sasso columbario und ich glaube nicht, da der Eiffelturmmir meine Berge ersetzen knnte 126a. Hier machte er Ferienund ging e ine priva te Bindung ein: mit der Malerin Elisabeth(EHy) Lenz (15. Februar 1874 bis 7. Dezember 1945), die mitihrer Freundin Ida Pfaffenbach auf dem Monte Verita Zufluchtbe'i den Menschen gesucht hatte, die sich von der brgerl ichenGesellschaftgeschieden hatten 127. Im Sommer 1907 zog sie vomMonte Verita zum Columbario Rarhael Friedeberg. Die Luf tdes Faulheit athmenden Ascona 12 genieend, kultivierte dies er h ie r mit i hr die Erde, fuhr Dnger und verteilte ihn auf dieTerrassen und erntete die Perle von Erfurth - fr Laien bemerke ich, da das e ine ebare Kartoffel ist 129.Am 28. Dezember 1907 wurde ihnen der Sohn Harald geboren,dem fortan das besondere Interesse des Vaters galtund den er alsbald adoptierte. Schon in seiner Theorie des historischen Psychismus hatte Raphael Friedeberg darauf hingewiesen, wie notwendig eine freie Kindererziehung als die Grundlage aller kulturellen Entwicklung sei 130, und noch im Alter, als Max Nettlaui hm den Plan einer neuen Schule bermittelte, "fhlte er sichwie ein altes Zirkuspferd, das, amMistkarren eingespannt, beimHren de r alten Arenensignale der Hohen Schule in der Manegehochgeht 131. Und so schien der Sohn fr i hn - bei al ler Privatheit dieses Ereign isses - auch Gegenstand seiner anarchistischen Gedankengnge zu werden: Die meisten Pdagogen streben danach, selbst mglichst viel Befriedigung von ihren Erziehungsknsten zu ernten; was der Junge macht , wenn er gro geworden und der Erziehung entwachsen, kommt wenig in Betracht. So wie er als Antiparlamentarier nu r fr die Zukunft leben konnte, so vermochte er auch nu r dieses als Erzieher 132. Ha raids nahm etwas Besitz von ihm, freilich ohne ihn von seinerLebensbahn abdrngen zu knnen, lediglich des Vaters Besuchbei Kropotkin in London drfte durch die Existenz des Sohnesverkrzt worden sein 133! 1911 schrieb Raphael Friedeberg anBrupbacher: HaraId wchst, scheint geistig gut, krperl ich sehrgu t veranlagt zu sein 134. - 1913 zeigte die kurze BemerkungElly macht noch in Theosopie, Harald wchst und ich a ltere 135, da zu Krankheit und poli t ischer Resignation auch nochprivate Enttuschung getreten war.Marianne Weber, d ie Max Weber nach Ascona begleitet hatte,stellte zu den dortigen, neuen Lebensformen fest: Schwere,nicht konventionsgeschaffene, sondern naturgewaltie Konflikte, vor allem fr die beteiligten Frauen, treten ein I 6. Das galtauch f r die freie Ehe, die Elly Lenz mit Raphael Friedeberg jenseits der Konventionen eingegangen war . I n ih r kam es zum Gegensatz zwischen zwei geistigenKonzeptionen, die beide Partnermit ihrer ganzen Person trugen. Elly Lenz war Anhngerin de rtheosophischen Lehren von Rudolf Steiner geworden, der1900-1905 in Berlin noch an der Arbeiterbildungsschulemi t Raphael Friedeberg unterrichtet hatte und zuvor sich sogar selbstzum ))individualistischen Anarchismus des John Henry Mackaybekannt hatte 137! F r den Theoretiker des historischen Psychismus aber, der ,>die ganze autoritre Weltauffassung (Gott,Schpfung usw.) und selbst den dogmatischen Marxismus ablehnte, weil diesermit seinem ganzenMateriali smus )selbst wert-

    BERNHARDMAYER (1866-1946F Franz Pfemfer t, Ber linD IISG, Amsterdam

    BERNHARDMAYER (1866-1946Max Nettlau, Ascona, SeptemberD IISG, Amsterdam

    ERNST FRICK (1881-1956) in Asca. 1912.D Ike Fel le rer, Wien

    MAX WEBER (1864-1920) .. Aufnvon 1917.F Mari ann e Webe r, Max WeberLebensbild, Heidelberg, 1950

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    ELLY LENZ (1874-1945). Emil Ludwiglt in seinen Erinnerungen Geschenkedes Lebens (Berlin, 1931) einen Bildh au er R ico von EHy Lenz erzhlen:-Ich war einmal . .. dort unten in einemKastanienwald, eine Malerin war dabeimit sehr langen blonden Haaren .. . EinWeinberghuschen, sehr viel Efeu undLorbeer , sp ter, wie ich im Sommerwiederkam, auch Feigen, und zwar dieroten , mit denen man sich immer das

    ganze Gesicht einschmiert . .. brigenswar ihr Haar n icht d irek t b lond , aberdas tut ja wohl nichts... Spter, hatsie mir geschrieben, konnte Sie beinaheganz von den Kastanien leben, die dortniemand aufhebt ..... (S.209/10), und:, .Das S te inhaus, das uns am er stenTage dieMalerin berlie, denn sie hatteihreasketische Periode berwunden undschlief nicht mehr hier und nicht mehrallein (.. . die Maler in mit den langen

    Haaren, die jetzt bei dem Anarchistenschlief . .. , S. 229), war freil ich schonsehr komfort abel , denn sie hat te dasDach etwas r epa rie rt u nd unt en , woehedem der Stall war , durch saubereKalkwnde, einen Zementbodenund einhbsches Fenster einen Raum geschaffen, noch niedriger als der obere, aberheimlich durch die groen rohgeschnittenen Balken und das grne Licht , dashier, ander Erde, durch den ums Fenster

    wuchernden Efeu mit wrmerem Schatt en hereinf lo. Die Fel senwand, d iejene Schlucht nach Osten abschliet,heg t das Haus in e iner Art von Nischeein, und whrend es de r Fels dur chEinsturz zu bedrohen scheint,schtzt eres in Wahrhei t, wenn es strmt, unddas ist am Ufe r dieses sche in ba r somilden Sees nicht selten... Damalswaren im Umkreis des Hauses nur dreiEschen und zwei L inden bejah rt , di e

    Kastanien aber, die den Hauhaben , schossen wie Lanzenscimmer in Bndeln von 8 oder 12ziemlich dnnen Stangen aus denWurzeln. Doch uralt wucherte sdamals der Efeu um riesige BlckGranit , die bei i rgendeiner Krisiein paar t ausend Jahren ges t rz tgespalten waren. (S. 222/223).o Sammlung Irmgard Fri edeFreiburg i. B.

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    le, fast freie Gehirne verkleistert und monomanisiert hat 138,diese Hinwendung unertrglich sein, gleichzeitig aberderte ihn seine Konzeption von Freiheit an Versuchen zu unDominanz: EHy wirtschaftet und fhrt ihr eigetheosophisches Leben 139. DieSpannungen blieben nicht ausd schlugen sich bei Raphael Friedeberg in Sarkasmus nieder: anschrieb er: Wie wr's, wenn Sie mit ihr zusammenZeitschrift fr >syndicalistische Theosophie< grndeten, esetwas Modernes und wrde sich mindestens solange haltenandere Zeitschriften auch, auch kaum mehr den Geldbeutelda man ja ganz dematerialisiertes, schlechtes PapierDrucken nehmen knnte 140. Im gleichen Jahr schrieb fritzber Elly Lenz: Sie ist fast wei geworden. Sie kam,2 theosophischeVortrge zu hren. Sie lebt mit ihren Gedann in der anderen Welt und spricht sehr abschtzig von der Lie. Eine weibl iche Energie , d ie s ich nicht ausgeben kann undTheosophin wird. Ich denke, ihr Mann ist ihr zu breitund darum reist sie gern zum Theosophenmeeting. Siet nach einer Photographie gepackt worden von dem durchgeiAusdruck des Redners, derhier spricht 141. 1914 nach de rder Anthroposophischen Gesellschaft ging sie mitRedner, RudolfSteiner, nach Dornach, um amBau des Goezu helfen. Raphael Friedeberg, ih r freier Mann, untersie dort, so lange er selbst dazu in der Lage war. Da EllyalsMalerin ihren Lebensunterhalt nicht sichern konnte, ersie eine Wscherei . Harald ging mit ihr, besuchte dasin Basel , d ie Ste inerschule in Arlesheim und diein Stuttgart und in den Ferien seinen Vater. 1937seiner Moskauer Emigrationszeit - fand auch Haraldr Anthroposophie. Raphael Friedebergwar ihm besorgter undVater auch nach derTrennung.08 wechselte Raphael Friedeberg von de r Patientenrolle erneutdieArztrolle, die seine Existenz nun wieder strker bestimmenVon verschiedenen Seiten hat te man dem Glcklichen,r fern der Geschfte war, seines Kindes wegen als heiligsteicht bereits nahegelegt, wieder als Erwerbsmaschine ttigsein 142. Die Voraussetzungen dazu bot eine noble Geste desTessin: Dieser hatte dem deutschen Arzt die rztlichein der Schweiz ohne ein Schweizer Arztexamen gehrt . Dabei war der wissenschaftliche Ruf ausschlaggebend,n er als Facharzt fr Tuberkulose bereits erworben hatte. Alsmute er nun wieder sehr geschftig sein: ichmu ziemlicharzten, die Quantitt wird durch die Lnge der Wege er143 - er wirkte fr seine Patienten, fr die Kolonie auf demVerita, und bald wurde er zum Amtsarzt der kleinen Figewhlt. Die arme Fischer- und Bergbevlkerungt wohl mehr Gratispatienten als zahlendeKlienten. Er war sehrDankbarkeit und Verehrung sollen ihm aus jeder armenentgegengekommen sein. Er selbst empfand das Arztseindem schnen Klima, den netten Leuten und den interessantenals eine angenehme Arbeit. Sein 75. Geburtstag gingallseitiger Anteilnahme des ganzen Ortes vo r sich: MusikDeputationen, eine Flle von Gaben, ich kann jetzt ein Blumenladen mit Bar erffnen usw. usw. 144.die AsconeserTtigkeit trotzMonte Verita und ausBerlin anPatienten auf die Dauer nicht seinen Lebensunterhaltkonnte, wurde er 1911 bis 1931 alljhrlich von Mitte AprilMitte Oktober als Bade- und Kurarzt in Bad Kudowa ttig,dort bald als sehr tchtiger Arzt und hat te von den neu nierzten die beste Klientel 145 Mit politischerTtigfhlte er sich weiterhin gesundheitlich berfordert, aber zuausgezeichneten bourgeoisen Bettigung im schlesischenreichte es noch 146. 1906 hatte er als Patient die Faradisaber sich ergehen lassen 147 - 1912 errichtete er ein elektro

    A m b u l a t o r i u ~ in Bad Kudowa, wo er dieseanwendete wie Hochfrequenzstrombehandlungbei Arte148.hatte er sich seinerBerliner Klientel, der Tuberkulosebekmpund der Sozialhygiene also nicht nu r rumlich etwas entZwar war er in Ascona kein fanatischer Naturapostel

    geworden, hatteaber doch eine neueDinlension des Gesundseinsim Umgangmit den Leuten dortund seinereigenen Krankheit gefunden. Gesundsein heit : Harmonie zwischen Wollen undKnnen, man kann bei vernnftiger Einstellung, Erkenntnis desgesetzmigen Ablaufs des Menschenlebens recht lange gesundsein und bleiben 149. Der Asconeser Gemeinde- und Bad Kudowaer Badearzt R ~ h a e l Friedeberg praktizierte demzufolge alsPhysiotherapeut 1 ) und vertrat weitgehend die natrliche Schule in der Therapie - er bevorzugte Natur und Erde, t rieb Gemse- und Obstbau; und er sa gern im Freien auf der Bank vor seinem Haus; im Alter gebrauchte er sogar die Metapher von derfruchtbaren italienischen Erde, )) der Elementares selbstgebrendimmer wieder Freiheit, Kultur, tiefstes Menschentum entquillt,um deutlich zu machen, in welcherWeise Errico Malatesta nichtnu r Anarchist, sondern selbst Anarchismus war 151. Viel Gemse, viel Obst, frische Luft und Bewegung, Etechnik (langsam essen und gut kauen)- man kann aus seinen Briefen fast ein Repetitorium der Naturheilkunde zusammenstellen 152.Insbesondere seinen prominenten Patienten empfahl er eine Therapie , d ie schon Vinzenz Prienitz um 1830 in Grfenberg amAltvatergebirge (ehern. sterr. Schlesien) seinen Patienten, dieden Grfenberg nicht tglich besteigen, sich dort in luftiger Hheauskleiden und sich dem frischkaIten Wasser der Gebirgsduschenaussetzen konnten, verordnet hatte: Holzsgen und kleines Anlegeholz bereiten 153.Holzsgen war und ist eine geeignete natrliche Bettigung mittherapeutischen Effekten - vor allem fr Brger, die berernhrtsind und sonst wenig Bewegung haben: es fhrt zum aktivenSchwitzen, beeinflut die Fettwerte und belastet die Muskulatur

    FERDINAND DOMELA-NIEWENHUIS (1846-1919), Aufnahvon 1913. Der hollndische Arbeifhrer weilte mehrere Male in Ascbei F r i e d e b c r ~ . Sein Sohn lt sich nseinem Tode In Ascona nieder und wda zum Maler.o Sammlung Ccsar Domc1a. Pans

    ELGA LUOWIG (1884-1971) zusmen mit EUy Lenz (rechts) , Mo(Februar bis Juni) 1906. Erich Mhcharakterisiene Elly Lenz: ~ A ihnichts Erknsteltes, nichts Gemachnichts Forciertes. Aber eine vollenZigeunernatur ist sie, wie manunter Frauen selten findet. Ihr wrdein Leichtes sein, wenn irgenduerer Antr ieb sie dazu bewge,allerliebst aussehendes Zimmer,einzigbewohnbaren Raum ihrer Klazu verlassen und sich in diametralgegengesetzte Lebensverhltnissefgen . Sie ist e in Weib, das n icht msein will als ein Weib und grade damehr i st als d ie meisten Weibe r.Moralbegriffen der Kre ise, denenentstammt - EHy ist ei ne deu tsProfessorentochter -. steht s ie mitdenkbar freisten Anschauungen gegber und ist dabei weder aufVeget ar ismus noch a uf son st eiismus versessen. Da sie qi e g rFreiheit in der Auffassung des Lebmit der grten Freiheit von allensonderlichen Originalitten verbindas ist ihre e inzige und nicht gerOriginalitt (Ascona, Locarno. 1S.40/41).D Samml ung Irmgard Fri edebFreiburg i. B.

    Elly Lenz, Harald und Raphael Friberg, Anfang 1908.F Fra te ll i Bchi , LocarnoD S a m m l u n ~ Irmgard FriedebFreiburg t. B.

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    De r ehemalige Preuische Ministerprsident tto Braun beim HolzsgenIn Ascona.F Geheimes Staatsarchiv PreuischerKulturbesitz, BerlinD Hagen Schul ze, Dtto Braun oderPreuens demokratische Sendung,Berlin, 1977, Abb. 33

    "Der Ex-Ka iser hat e ine Liebl ingsbeschftigung: Holzsgen. Dies ist dieHtte, in d er er die Scheite zubereitet,die er seinen treuen Freunden als Geschenke zusendet, so lautet, bersetzt,die Legende in der Reportage von JeanChateau, Avec /e Kaiser, a Doorn .. .in: Le Monde illustre, Paris, 27.4.1935,S.354-357. Im selben Artikel ist erneute rwhnt , d a Bar on von der Heydtdem Kaiser Monte Verita als Residenzangeboten, da sich die Bundesbehrden die sem Vorhaben abe r entgegengesetzt htten.D Von der Heydt-Museum, Wuppertal

    Dankesbrief von Errico Malatesta. Fried e b e r ~ hat trotz eigener Gddsorgl'nMalatesta, der zwar unbehelligt. ah as te ts bewacht unter dem Mu-. so lini Regime lebte, untersttzt.D S ammlung Ange lo Conti Rossini.Brissago

    gleichmig - darber hinaus ist es fr die Psyche wohltuend: esvermittelt Erfolgserlebnisse 154.Raphael Friedeberg bewirkte, da auch.der ehemals erste Brger des Preuischen Staates, de r emigrierte MinisterprsidentOtto Braun, zum stolzen Holzsger wurde 155. Man darf annehmen, da Raphael Friedeberg sich an seinen eigenen Rckzug ausder Politik erinnerte, wenn er seinen Patienten und Freund nichtnu r holzsgen sah, sondern auch als Besitzer eines Grundstcks,das dieser bearbei te te , um es im Kampf mit Steinen, Dorngest rpp und Schlangen zu einem Garten zu ges ta lt en - auch einbescheidenes Kartoffelfeld fehlte nicht. Er drfte dafr mehrVerstndnis gehabt haben als die unglubig staunenden Berliner Behrden und Bekannten aus Berlin: De r rote Zar sgte und begngte sich im Exil mit dem Anbau von Kartoffeln; er regiertenicht mehr Preuen mit seinen dreimalhunderttausendQuadratkilometern und fast vierzig Millionen Bewohnern, aber er verwaltete seinen gesicherten Hgelplatz, zu dem kein Kampflrmhintnte, in heiterer Gengsamkeit 156.Exkurs: Merkwrdige Parallelen: die vom Arzt, der Anarchistgeblieben war, bevorzugte natrliche Therapie hatte sich auchsein einstiger Antipode, der preuische Monarch und obersteHerr der Landeskirche 157, Kaiser Wilhelm 11. im Ex il zu eigengemacht: Von 10 b is 1Uhr sgt der Kaisermitmir im Garten unte r einer alten Kastanie. Diese krperliche Ttigkeit tu t ihm auerordentlich wohl. Schon nach einer halben Stunde schwitzt erso, daihm das Wasser auf die Stirnetri tt . Wie er selbst sagt: >Dakommt der ganze Dreck raus, der n ic ht in den Krper gehrt IS8!< F r den exiliertenReprsentanten des Staates war auchdas Erfolgserlebnis entscheidend: Durch dies Holzsgen bin ichwenigstens noch fr etwas ntzlich 159 und: Wenn er ins Hauskommt, erzhlt er jedem: >Ich habe heute frh 60 oder 80 Bumegest

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    Dr ed . R.J ' r l edebers~ ( ' t e s e 1 n )

    Ooluabarl0Unterzelcbneter or ter len , 1 . Fal le einer EYalCuat10n von Zurleb.

    Herrn und Frau Dr.rri tz und Paula Brupbacber, Kr"{hbUhhtra"H 114 und Ia -l I e r n e n s t r a ~ H 1 7, e in Dop-pelzil11tDer 1n Iu!lnem Hau se z u unbee:renzter'1ert'tlt1una

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    Anmerkungen1. Roben Landmann, Monte Verita. Die Geschichte einesBerges, Ascona 1934, S. 61 (2. erw. Aufl . , Einsiedeln 1973).2. So Ida Hofmann in ihren Memoiren, zitiert ebenda, 5.61.3. So Emi l Szi ttya , Das Kuriositi:itenkabinett, Konstanz 1923,

    zitiert ebenda, S. 62. Im brigen sinddie Details, dieSzittyaber Friedeberg anfhrt, falsch: Friedeberg war weder sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter, noch schrieber die erste syndikalistische Broschre in deutscher Sprache mit dem Tit el Direkte Aktion.4. Besonders in den Nachlssen Max Nettlau und Fritz Brupbacher im Internationalen Inst itut fr Sozialgeschichte,Amsterdam (IISG). DieAutoren verdanken neben ihren eigenen, dort vorgenommenen Studien viele Informationenden Nachforschungen von Harald Szeemann.5. Die meisten dieser biographischen Angaben nach MaxNettlaus unvollendetem vierten Band der Geschichte desinternationalen Anarchismus, S. 199 verso und 199 B, C, 0 ,E, F, im Nachla Nettlau, IISG und den Akten der Preuischen politischen Polizei im Staatsarchiv Potsdam, insbesondere Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeiprsidium Tit. 95Sekt. 8, Nr. 16130. Raphael Friedeberg hatte selbstverfateFlugbltterauf den Holzpltzen und im Hafen von Knigsberg verteilt. Darber hinaus scheint er mit Kommilitonendie Verbindung zwischen der Knigsberger Parteiorganisation und der Redaktion des Sozialdemokrat in Zrich gehalten zu haben (vgl. Hagen Schulze, Duo Braun oder Preu-ens demokratische Sendung, Berlin 1977, S. 870 Anm. 81).Von 1888 bis 1890 war Raphael Friedeberg dann als Hauslehrer der dre i Shne der jdischen Witwe Lissauer ttig.Wohl im Zuge der Aufhebung des Sozialistengesetzeswurde er am20. November 1890 zu r Immatrikulation zugelassen, weil er unzweideutige Beweise einer nachhaltigenBesserung und ernsten Lebensfhrung gegeben habe.6. Diese Zeitschrif t r ichtete sich zunchst nur an Akademikerund wurde erst spterzu einem gewissen Sprachrohr derRevisionisten und Reformisten in de r SPD.7. vgI. dazu e ingehend : F lo ri an Tennstedt Sozialismus, Le-bensreform und Krankenkassenbewegung. FriedrichLandmann und Raphael Friedeberg als Ratgeber der Kran-kenkassen. Sozia le Sicherhei t (26. Jg .) 1977, S. 306f f und332 H. Da diese Ttigkeit von Raphael Friedeberg ausreichend dargestellt ist, wird sie hier nur kurz erwhnt. Fr diepraktische (Krankenkassen-)Politik der SPD und de r FreienGewerkschaften drfte sie gleichwohl langfristigere Folgengehabt haben als der Anarchosozialismus - Friedeberg zogsich von der Krankenkassenbewegung zurck, als sie ihmzu brokratisch wurde.8. Florian Tennstedt, Geschichte der S e l b s t ~ ' e r w a l t u n g in derKrankenversicherung von derMitte des 19. Jahrhunderts biszur Grndung der Bundesrepublik Deutschland, Bonn-BadGodesberg, Verlag der Ortskrankenkassen (1977), S. 47ff.9. Florian Tennstedt, Geschichte der Selbstveru'altung ... ,S. 83 ff.10. Friedeberg in seinemVorwortzum Protokol l des Kongressesder Krankenkassen Deutschlands in Berlin vom 27. u. 28.Mai 1899, Berlin, 1899, S. 3.11. vgl. zu dem Hintergrund: Hedwig Wachenheim, Diedeutsche Arbeiterbe'wegung 1844-1914, Opladen 1967;Dieter Fricke, Die deutsche Arbeiterbewegung 1869-1914.Ein Handbuch, Berlin 1976; Klaus Saul, Staat, Industrie,Arbeiterbewegung im Kaiserreich 1903-1914, Dsseldorf,1974.12. Robert Michels, Eine syndikalistisch gerichtete Unterstr-mung im deutschen Sozialismus (1903-/907), in: Festschriftfr earl Grnberg zum 70. Geburtstag, Leipzig 1932,S.353, vgl. auch d ie von Friedeberg selbs t mehrfach erwhnte Darstel lung von Paul Kampffmeyer, Radikalismusund Anarchismus, in: Ignaz Jeiower (Hrsg.), Die Befreiung

    Der stolze Vater.D Sammlung I rmga rd f r i c d e Freiburg i. B.

    D IISG, Amstcrdam

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    der Menschheit. Freiheitsideen in Vergangenheit und Gegenwart, Berlin 1921, Teil 11, S. 71-88 (Briefan Fritz Brupbacher v. 24. I. 1927 und an Max Nettlau vom 29. 11. 1937).13. \'gl. dazu DieterGroh, Negative Integration und revolutionrer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Frankfurt/Main u. Berlin1973, S. 73f . und Dieter fricke, Die deutsche Arbeiterbewegung .. . , S. 243 H. u. 718 ff.; interessantauch die Analyse von Eduard Bernstein, Gewerksc:haftswesen inDeutschland, in: Helmut Hir sch, Der ,Fabier, EduardBernstein, Bonn-Bad Godesberg, 1977.14. So Nettlau im Manuskript des vierten Bandes seiner Geschichte des internationalen Anarchismus, S. 199 verso.Friedeberg kam in seinen Vortrgen immer wiederauf denschsischen "Wahlrechts-Raub zu sprechen, s. z.B. Raphael Friedeberg, Parlamentarismus und Generalstreik,Berlin o.J. (1904), S. 16f.; zur Sache selbst: Geschichte derdeutschen Arbeiterbewegung. Chronik. TeilI, VondenAnfngen bis 1917, Berlin, 1965, S. 176f.15. s. dazu DieterFricke,Die deutsche Arbeiterbewegung . . . ,S. 74l'r756 und: Hans Manfred Bock, Syndikalismus undLinkskommunismus von 1918 bis 1923, Meisenheim/Glan1969, S. 23-34.16. zitiert in: Dieter Fricke, Die deutsche Arbeiterbewegung,S.747 und in: Hans Manfred Bock, Syndikalismus, S. 25.

    17. s. dazu Carl E. Schorske , The German Social Democracy1905-1917, Cambridge/Mass. 1955, S. 28ff.18. Der Vortrag erschien als Broschre im Verlag der "FreienVereinigung, der von Fritz Kater geleitet wurde: RaphaelFriedeberg, Parlamentarismus und Generalstreik, Berlino.J. (1904). Die Schrift fand auch internationale Verbreitung; 1904 erschien eineungarische, 1905 eine fral1zsische,1906 eine niederlndische und 1907eine schwedische bersetzung.19. Friedeberg war am 6. 11. 1901 als sozialdemokratischerVertreter in die Berliner Stadtverordneten-Versammlunggewhlt worden; er legte sein Mandat am 8.9. 1904 nieder.Siehe Eduard Bernstein,Die Geschichte der Berliner Arbeiter-Bewegung, Dritter Teil, Glashtten/Taunus 1972,S. 217f.; Ulrich Linse,OrganisierterAnarchismus im Deutschen Kaiserreich von 1871, Berlin 1969, S. 55. Nach PaulHirsch, 25 Jahre sozialdemokratischer Arbeit in der Gemeinde, Berlin 1908, S. 545 war Raphael Friedeberg nurvom2. 1. 1902 bis 8.9. 1904 Stadtverordneterder SPD undMitglied der Krankenhausdeputation. Aus dieser Darstellungergibtsich auch, da Friedeberg keine besonderen Aktivitten als Stadtverordneter entfaltete.20. SeinRedner-Beitrag ist neuerdings abgedrucktin:Die Massenstreikdebatte. Beitrge von Parvus, Rosa Luxemburg,Karl Kautsky und Anton Pannekoek. Herausgegeben undeingeleitetvon Antonia Grunenberg, Frankfurt/Main 1970,S. 338f.21. Andreas Kleinlein, Der Syndikalismus in Deutschland, in:Jahrbuch der Freien Generation. Volkskalender und Dokumente zur Weltanschauung des Sozialismus-Anarchismus. Hrg. Pierre Ramus, Bd. 3 (1912), S. 108.22. Verffentlicht im Verbands-Organ der Freien Vereinigung:Die Einigkeit, Jg. 1905, Nr. 37 bis41 (16. 9.-14.10.1905).23. s. Die Einigkeit, Jg. 1905, Nr. 35.24. Protokoll ber die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, abgehalten zuJena vom 17.-23. September 1905, Berlin 1905, S. 310ff.Auch abgedruckt in Antonia Grunenberg (Hrsg.) , DieMassenstreikdebatte, S. 35l'r378.25. Ibidem, S. 355.26. Ibidem, S. 360.27. vgl. dazu die Analyse in Hans Manfred Bock, Syndikalismus, bes. S. 30ff.28. Die Einigkeit, Jg. 1906, Nr . 25.

    29. Zu ihrer Entwicklung whrend und nach dem Ersten Wekrieg s. jetzt auch: Angela Vogel, Der deutsche AnarchSyndikalismus. Genese und Theorie einer vergessenen Bwegung, Berlin, 1977.30. vgI. dazu zusammenfassend dieDarstellung eines akademschen Beobachters: Walther Borgius, Die neuere Entwiclung des Anarchismus, in: Zeitschrift fr Politik, Jg. 191S.524f.31. Verffentlicht im Vorwrts vom 19. 10. 1906; hier zitinach Walther Borgius, a. a. 0., S. 525.32. vgI. dazu: Vorwrts vom26. September 1907, Nr. 225; KKautsky jr. (Hrsg.); August Bebels Briefwechsel mit KKautsky, Assen: vanGorcum& Comp. 1970, S. XIII, 38Friedeberg schrieb am 4. 12. 1935 an Max Nettlau(NachlIISG), da er Kautsky, Legien undStadthagen, drei "fanascheGegner seinerAnschauungen alsseine Vertreterin dSchiedsgericht delegiert hatte, "nur um von der Partei lozukommen.33. Brief von Fri tz Kater an Max Net tlau vom 6. 11. 1932Nettlau-Nachla des IISG.34. vgI. dazu: Ulr ich Linse, Organisierter Anarchismus . .S.203.35. vgI. das anarchistische Blatt:Der Freie Arbeiter, JG . 190Nr.22 und Nr. 37.36. vgI. dazu Staatsarchiv Potsdam, Pr. Br. Rep. 30 BerlinPoI.Prs. Titel 94, Lit A. Nr. 8824 betr. Vaterland der Rchen, enthlt u. a. Vorfhrungsbefehl fr Friedeberg, Emittlungen gegen Friedeberg wegen Vorbereitung zuHochverrat und Briefe von Friedeberg an Brupbacher vo27. 12.1906,22.4. 1907,15. 10.1907,22. 11. 1907;GustaHerve (1871-1944), Gymnasialprofessor, 1900 als revotionrer Pazifist suspendiert, dann Advokat, 1906 wegantimilitaristischer Propaganda aus der Anwaltsliste gestchen, trat fr Kriegsdienstverweigerung und schroffstKlassenkampf ein. 1913 wandelte sich Herve, wurde erklter Militaristund grndete 1927eineNational-sozialistiscPartei. Leurpatrie (1906) erschien in der deutschen FassuDas Vaterland der Reichen 1907 im "Sozialistischen Velag, Zrich.Das Vorwort hat Friedeberg aufgrund eines persnlichWunsches von Herve verfat.37. Der Freie Arbeiter, Jg. 1909, Nr. 25 (19. Juni 1909). Hfindet sich nur ein Hinweis, die angekndi6te Verffentchung als Broschre unterblieb.38. Brief an Max Nettlau vom 9. 11. 1935 (alle hier und im fgenden genannten Briefe befinden sich im Nettlau- bzBrupbacher-Nachla im IISG).39. Hans-UlrichWehler,Das deutsche Kaiserreich, Gttinge1973, S. 48ff.40. vgI. zur Gesamtsituation: Florian Tennstedt, Sozialgschichte der Sozialversicherung, in: Blohmke, Maria u(Hrsg.), Handbuch der Sozialmedizin, Bd. 3, Stuttg1976, S. 385 und Max Mosse und Gustav TugendreicKrankheit und soziale Lage, Mnchen 1913 (Reprint: Gtingen, Jrgen Cromm, 1977).41. vgI. dazu: Klaus Saul: Staat. Industrie . ..42. Raphael Friedeberg, Parlamentarismus und GeneralstreiS.13.43. Den Begriff gebraucht er zuerst in seinem Vortrag bWeltanschauung und Taktik des deutschen Proletariats v1905. VgI. Die Einigkeit vom 16. 9. 1905. Vgl. auch fogende Zeitungsberichte: Knigsberger Volks-Zeitung vo7. 11. 1905, 11. 11. 1905 und Knigsberger HartungscZeitung vom 7. 11. 1905 u. 29.8. 1905, Staatsbiirgerzeitun(Berlin) vom 31.8. 1905 u. H a n n o ~ ' e r s c h e r Courier vom28. 1905.44. Raphael Friedeberg, Historischer Materialismus und Klasenkampf, in: Polis. Eine Monatsschrift, Jg. 1907, Nr .S. 73. Auch die folgenden Zitate nach dieser vergleichweise kohrentesten Formulierung des "Historischen Ps

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    chismus.45. Ebenda, S. 74.46. Ebenda.47. vgl. dazu grundlegend Hans Josef Steinberg, Sozialismusund deutsche Sozialdemokratie. Zur Ideologie der Parteivor dem 1. Weltkrieg, Hannover, 1967.48. Raphael Friedeberg, Weltanschauung und Taktik, vgl.Anm.43.49. Friedeberg in einem Vortrag in Zrich im Januar 1907, zusammengefat im Zricher Volksrecht vom 22. 1. 1907.50. dazu bes. Raphael Friedeberg,Parlamentarismus und Generalstreik, S. 14ff., Zitat S. 15.51. Die Einigkeit vom 23. 9 . 1905.52. Friedeberg, Parlamentarismus und Generalstreik, S. 19.Diese Stereotypen seiner Parlamentarismus-Kritik entsprechenfast wrtlichden antiparlamentarischen Auslassungender Opposition der "Jungen in der SPD um 1890, an diesich Bebe! in seinerRede auf dem JenaerParteitag durchauszu Recht durchFriedeberg erinnertsah. Zu den"Jungen s.jetzt:Dirk H. Mller, Idealismus und Revolution. Zur Opposition derJungen gegen den Sozialdemokratischen Parteivorstand 1890 bis 1894, Berlin 1975, zu diesem Vergleichsiehe auch die in Anm. 12 genannte Darstellung von PaulKampffmeyer.53. Friedeberg, Parlamentarismus und Generalstreik, S. 15.54. Die Einigkeit vom 16. 9. 1905.55. Friedeberg, Parlamentarismus und Generalstreik, S. 26.56. Ebenda, S. 29.57. In diesem Sinne auch die von Friedeberg aufdem Anarchisten-Kongre in Amsterdam 1907 eingebrachte Resolutionzum Generalstreik: "Der libertre communistische Kongre verwirft den >politischen Massenstreik

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    PI ETRO GAGLIARD I, E RR ICOMALATESTA (1853-1932) und LUIGIBERTONI (1872-1947) zurck vomKongrcll in Saint-Imier. Dank BertonisBriden an Friedeberg und Nettlau sindwir ber die Aufenthalte Kropotkins inCannobio, Loc ar no und Ascona informiert. Foto des Anarchisten BrunnMisdari.I' Louis Bertoni, Un homme dans laMe/ee sociale (Paur son 70cmcannivcrsairc), Quelquc part enSuissc. Fcbr. 1942D AGG

    107. Brief vom 17. 12. 1936 an Max Nettlau.108. Br ie f vom 31. 7. 1937 an Max Nettlau.109. Brief vom 6. 9. 1937 an Max Nettlau (auf an Brupbacheradressierter Postkarte).110. vgl. d ie Angaben ber diese Personen bei Florian Tennstedt, Geschichte der Selbstverwaltung . . . , S. 103, 142,167, 171 und Florian Tennstedt u. a ., Albert Kohn - einFreund der Kranken, Die Ortskrankenkasse 1976, S. 810.111. Die Ausfhrungen ber Bernhard Mayer und Ernst Frickverdanken die Verfasser vollstndig Harald Szeemann. Aus den erhaltenen Briefwechseln ergibt sich, da RaphaelFriedeberg - auer mit den bereits erwhnten Personen folgende Bekanntschaften oder Freundschaften pflegte: mitden Anarchisten Luigi Fabbri, Errico Malatesta, RudolfLange, Rudolf Rocker, Ferdinand Domela Nieuwenhuisund mitder Mnchner rztin und Sozialistin Hope BridgesAdam Lehmann - sie und ihr Mann waren auch mit Parvusund Lenin bekannt gewesen.112 Marianne Weber, Max Weber. Ein Lebensbild, Tbingen,1926, S. 497ff.113. Brief vom 19.3. 1913 an Fritz Brupbacher, vgl. zu den Hintergrnden: Green, Martin, The vo n Richthofen Sisters:

    The Triumphant and Tragic Modes of Love, New York,1974 (dt. Mnchen 1976).114. Marianne Weber, Max Weber . . . , S. 499.115. Weltanschauung und Taktik des Proletariats, Schlu, DieEinigkeit, NI'. 41 v. 14. Oktober 1905.116. Marianne Weber, Max Weber . . . , S. 449f.117. vgl. fr Friedeberg Anm. 61, fr MaxWeber den Eindruckvon Heinrich WlfEn: ,>Ich habe an dieserGestaltgesehen zum ersten Mal gesehen: was das gewesen sein mu: ein hellenischer Redner. (Eduard Baumgarten, Max Weber,

    Werk und Person> Tbingen 1964, S. 626, Anm.).118. vgl. Erwin H. Ackerknecht, GermanJews, English Dissen-ters and French Protestants as Pioneers of Modem Medicineand Science during the 19th Century, in: Gedchtnisschriftfr George Rosen, ed. Charles Rosenberg, New York 1978.119. Raphael Friedeberg, Meine Verhaftung. In : Die Zukunft1907, S. 74 f., ders.: Im Lande dervollendeten Rechtsgaran-tien, Vorwrts (24. Jg.) 1907,9. April 1907.120. vgl . dazu: Florian Tennstedt,Arzte, Arbeiterbewegung unddie Selbstver'waltung in der gesetzlichen Krankenversiche-rung. Historischer Rckblick aus aktuellem Anla Jahrbuch fr Kri ti sche Mediz in , Bd. 2 (Argument-Sonderband17), BerEn, 1977, S. 13.121. Brief vom 4. 12. 1935 an Max Nettlau.122. Brief vom 9. 11. 1935 an Max Nettlau.123. Karte vom 18. 8. 1907 an Fritz Brupbacher.124. DieseSentenz von Horaz (Epoden 11,1 Alfius) erscheintin verschiedenen Abwandlungen in mehreren Briefen anFritz Brupbacher, z.B. vom 28. 8. 1908, 18.9. 1908.125. Brief vom 7. 3. 1906 an Fritz Brupbacher. Am 1. 10. 1907schrieb F. Domela Nieuwenhuis an ihn: Wie herrlich lebenSie da im Gebirge, so frei wie mglich und auerhalb derWelt, am 8. 12. 1907: Ich denke fter an die friedsamenStunden, welche wir zusammen durchlebt haben in derEinsamkeit des Gebirges, wo Sie leben mit der herrlichen Aussicht auf den See von Locarno.126. Brief vom 16. 9. 1916 an Fritz Brupbacher.126a. Karte vom 10. 3 . 1931 an Fritz Brupbacher.127. Marianne Weber, Max Weber . . . , S. 494.

    128. Brief vom 28. 8. 1908 an Fritz Brupbacher.129. Brief vom 18. 9. 1908 an Fritz Brupbacher.130. Weltanschauung und Taktik des Proletariats (Schlu), DieEinigkeit vom 14. Oktober 1905 (NI'. 41).131. Bri ef vom 31. 7. 1937 an Max Nettlau.132. Brief vom 28. 8. 1908 an Fritz Brupbacher.133. B ri ef vom Mai 1908 (undatiert) an Fritz Brupbacher.134. Brief vom 30. 11. 1911 an Fritz Brupbacher.135. Kar te vom 3 . 1. 1913 an Fritz Brupbacher.

    136. Marianne Weber, Max Weber, S. 494.137. Ulr ich Linse , Organisierter Anarchismus, S. 84; ]ohanHernIeben, Rudolf Steiner, Reinbek 1973, S. 69 ff.138. Brief vom 29. 1. 1938 an Max Nettlau.139. Brief vom 30. 11. 1911 an Fri tz Brupbacher.140. Brief vom 11. 9. 1912 an Fri tz Brupbacher.141. Brief von Fri tz Brupbachervom 15. 1. 1912 an Lyd iatrowna.142. Brief vom Mai 1908 (undatiert) an Fritz Brupbacher.143. Brief vom 18. 9. 1908 an Fritz Brupbacher.144. Brief vom 16. 3. 1938 an Max Nettlau.145. Brief vom 30. 11. 1911 an Fritz Brupbacher.146. Ebenda.147. Brief vom 24.4. 1906 an Fri tz Brupbacher.148. Briefe vom 25. 2. 1913undI7.3. 1913 an FritzBrupbach149. Brief vom 29.6. 1935 an Max Nettlau.150. Die Physiotherapie oder Physikalische Therapie hattevor allem seit der Jahrhundertwende als wissenschaftlMedizin aus den alten Naturheilmethoden der Volksmzin entwickelt und durchgesetzt; zu r Affinitt zwiscArbeiterbewegung und Naturheilkunde vgl.: Ignaz ZadSozialdemokratie und Naturheilkunde, Sozialistische Mnatshefte, 1898, S. 514 u. HermannWeyl,Sozialdemokrund Naturheilkunde, Sozialistische Monatshefte 1898557.151. Brief vom 4. 3. 1938 an Max Nettlau.152. Die Briefe an Otto Braun sind nicht erhalten; aus den Bfen von Otto Braun an Raphael Friedeberg, die im NachBraun Geh. Staatsarchiv Berlin erhalten sind, ergibtaber indirekt auch u. a. das Thema Gesundheit und Kraheit.153. Raphael Friedeberg betonte, er empfehle fascina (Hobndel, Reisigbndel), nicht fascismo (Faschismus)!Holzsgetherapie bei Vinzenz Prienitz vgl.: Brauchle,fred, Naturheilkunde des praktischen Arztes, Bd. 2, Stgart 1953, S. 92.154. Freundliche Auskunft von Dr . Victor Harth, BambVorsitzender des Bundesverbandes Deutscher rzteNaturheilverfahren e. V.155. vgl . Abb. 33 bei Hagen Schulze: Qtto Braun . . .156. Theodor Wolff, Der Marsch durch zu'ei Jahrzehnte. Asterdam 1936, S. 357ff., z'it. nach Hagen Schulze , QBraun ... S. 795 f. -

    157. Die evangelischen Landeskirchen hatten bis 1918 keieigenen, geistlichen Bischof, sondern der jeweilige Mnarch, der im Rahmen der Kirchenhoheit als konstitutiobeschrnktes Staat soberhaupt ( ius c irca sacra) handehandelte gleichzeitig im Kirchenregiment als (synodalschrnkter) Summepiskopus der ev. Landeskirche ( iusacra). (Johannes HeckeI, Cura religionis, ius in sacra,circa sacra, Festschrift fr Ulrich Stutz, KirchenrechtliAbhandlungen 117/118 (1938), S. 224ff.). Dieses undLegitimierung der monarchischenHerrschaft durch diehauptete Einsetzung der Dynastie von 'Gottes Gnadhatte Friedeberg frher thematisiert, wenn er von Gotgnadenturn, von Staatsreligion usw. sprach unddenbeitern empfahl , aus de r Landeskirche auszutreten.158. Sigurd von Ilsemann, Der Kaiser in Holland, Bd. 1: Arongen und Doom 1918-1923, Mnchen 1967, S. 92.159. Ebenda, S. 108.160. Ebenda, S. 138.

    161. Ebenda, S. 128.162. Ebenda, S. 167.163. Ebenda, S. 204.164. Brief vom 9. 9. 1937 an Max Nettlau.165. Brief vom 5.4.1917 an Fri tz Brupbacher.166. Brief vom 9. 11. 1935 an Max Nettlau.167. Ebenda.168. Karte vom 14.3. (7.?) 1932 an Fritz Brupbacher.169. Brief vom 7. 8. 1936 aB Fritz Brupbacher, vgl. Augu

  • 8/9/2019 Raphael Friedeberg: Arzt und Anarchist in Ascona

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    Souchy, Nacht ber Spanien. Ein Tatsachenbericht. Anarcho-Syndikalisten in Revolution und Brgerkrieg, Frank-furt, 1975.170. Das Wort Columbarium (Taubenhaus) nahm spter auchdie Bedeutung Begrbnisgewlbe zu r Aufbewahrung derUrnen an. Dadie Herkunft dieser Selbstbezeichnungen (colombario, columbarius) im Kontext von Friedebergs Lebennicht genau ermittelt werden kann, sei noch darauf hingew ie sen , da - n ach Wrterbuchauskunft - tirar sassi in colombaia - bzw. - t ir ar e un sasso in colombaia - bedeutet:sich selbst (seinen Freunden, seiner eigenen Partei) schadenbzw. das eigene Nest beschmutzen. Es sei dahingestellt,inwieweit Friedeberg auch daran und an mgliche Vor-wrfe dachte, die man von seiten der Sozialdemokraten gegen ihn erhoben hatte. In einer Karte vom 9. 10. 1933 anFritz Brupbacher und einem Brief vom 16. 3. 1938 an MaxNettlau bezeichnete er die casa Dr. Friedeberg als >,sassocolumbario (Stein, Felsen des Columbarius).

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    Der beliebte Arzt.D S a m m l u n ~ I r m ~ a r J FricJcbf r e i b u r ~ i. B.

    Der alte Arzt.D Sammlunl; Vesler. Ascona

    H . r a 1 i c h a t e n o . n k f i L r I k r . " n t ~ b e i aHiNc;.heideft UNMM lieben

    Dr. Raphael Friedeberg

    D I1SG. AmslerJam