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Justinus C. PechCamillo Ruini (Hg.)

Quellen –Auslegungen –PerspektivenInternationale theologische Refl exionen der Premio-Ratzinger-Preisträger

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ISBN 978-3-7917-2593-2

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VIIRat z inger -Stud ien

Seit dem Jahr 2011 verleiht die ›Fondazione Vatica-na Joseph Ratzinger – Benedetto XVI‹ den Premio Ratzinger an Wissenschaftler, die sich in beson-derer Weise um die Theologie Joseph Ratzingers/Benedikts XVI. verdient gemacht haben. Dieser Band versammelt Beiträge der Preisträger 2011 und 2012: Rémi Brague, Olegario González de Cardedal, P. Brian E. Daley SJ, Abt Maximilian H. Heim OCist und Manlio Simonetti. Die beiden Ansprachen von Papst Benedikt XVI. anlässlich der Preisver-leihungen würdigen die Autoren als international renommierte Wissenschaftler, die in ihren Bei-trägen wichtige Fragen des christlichen Glaubens und seiner Grundlagen refl ektieren.

Justinus C. Pech Dr. rer. oec., Dr. theol., geboren 1973, ist Mönch der Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz und Dozent für Fundamentaltheologie an der Philoso-phisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz.

Camillo Kardinal Ruini Lic. theol., geboren 1931, war Generalvikar Seiner Heiligkeit für die Diözese Rom und langjähriger Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz.

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Ratzinger-Studien

Band 7

Herausgegeben im Auftrag des Institut Papst Benedikt XVI.Regensburg

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Justinus C. Pech OCistCamillo Kardinal Ruini (Hg.)

Quellen – Auslegungen – Perspektiven

Internationale theologische Reflexionen der Premio-Ratzinger-Preisträger

Verlag Friedrich PustetRegensburg

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

eISBN 978-3-7917-7033-8 (pdf)© 2015 by Verlag Friedrich Pustet, RegensburgUmschlaggestaltung: Martin Veicht, RegensburgSatz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. DonaueBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:ISBN 978-3-7917-2593-2

Weitere Titel aus unserem Programm finden Sie unterwww.verlag-pustet.de

Informationen und Bestellungen unter [email protected]

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Inhaltsverzeichnis

Camillo Kardinal RuiniVorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Papst Benedikt XVI.Ansprache bei der Verleihung des ersten Premio in der Sala Clementina am 30. Juni 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Justinus C. Pech OCistAuf der Suche nach der Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Abt Maximilian H. Heim OCistDer Theologe als cooperator veritatis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31Dankesrede am 30. Juni 2011

Olegario González de Cardedal„Jesus von Nazareth“ von Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Genese, Struktur und Bedeutung

Abt Maximilian H. Heim OCistOffenbarung als lebendiges Wort Gottes – Wort des lebendigen Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88Die Verflechtung von Wort und Zeuge und Glaubensregel

Manlio SimonettiDie patristische Auslegung des Alten Testaments im 2. und 3. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Manlio SimonettiHomilien und Kommentare in der Zeit der Kirchenväter . . . . 138

Papst Benedikt XVI.Ansprache bei der Verleihung des zweiten Premio in der Sala Clementina am 20. Oktober 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

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6 Inhaltsverzeichnis

Brian E. Daley SJDie Spiritualität des heiligen Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Brian E. Daley SJDieselbe Geschichte erzählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190Schrift und Lehre bei den Kirchenvätern

Rémi BragueIst ein anderes Regime als Theokratie möglich? . . . . . . . . . . . . . 205

Rémi BragueUnsere neue Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225Das Scheitern des Atheismus und die Notwendigkeit der Religion

Rémi BragueDie Frage nach Gottvor dem Hintergrund der Säkularisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

Die Herausgeber und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

Erstveröffentlichungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

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Vorwort

Der „Fondazione Vaticana Joseph Ratzinger – Benedetto XVI“ ist es eine Freude, dass in diesem Buch eine Sammlung wichtiger Auf-sätze zur Theologie von Joseph Ratzinger vorgelegt werden kann. Autoren dieser Artikel sind Theologen und Philosophen, die von Papst Benedikt XVI. in den Jahren 2011 und 2012 mit dem Premio Ratzinger ausgezeichnet wurden. Viele dieser Aufsätze liegen erst-malig in deutscher Sprache vor. Ziel dieses Buches ist es, die Wis-senschaftler Rémi Brague, Brian Daley SJ, Olegario González de Cardedal, Maximilian Heim OCist und Manlio Simonetti über Sprachgrenzen hinweg einem breiteren Publikum bekannt zu ma-chen. Alle fünf sind Professoren, die in ihren Forschungsgebieten Entscheidendes für das theologische und philosophische Denken geleistet haben. Mein Dank gilt hier dem „Institut Papst Benedikt XVI.“ in Regensburg für die Aufnahme dieses Bandes in die theo-logische Kommentarreihe der Ratzinger-Studien und Herrn Dr. Zwank vom Pustet-Verlag.

In der Einführung zu diesem Buch wird ein Überblick über die wissenschaftlichen Schwerpunkte der mit dem sogenannten Pre-mio Ratzinger ausgezeichneten Preisträger gegeben. Als Vorsitzen-der des wissenschaftlichen Beirates der „Fondazione Vaticana Joseph Ratzinger – Benedetto XVI“ fällt mir die Aufgabe zu, das Ziel, welches mit dem Premio Ratzinger verbunden ist, darzustel-len. Das wissenschaftliche Wirken von Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. umfasst mehr als 60 Jahre. Begonnen hat es mit der Doktor-arbeit über „Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche“ und fand seinen Abschluss mit den drei Büchern über J esus von Nazareth. Sein gesamtes wissenschaftliches Werk durch-zieht eine Form des theologischen Denkens, die ihresgleichen sucht. Dies wird auch immer mehr Theologen und Gläubigen deut-lich. Dafür sind die „Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften“, die vom „Institut Papst Benedikt XVI.“ in Regensburg publiziert werden, eine wertvolle Hilfe. Diese auf 16 Bände angelegte Publikation des Gesamtwerkes von Joseph Ratzinger ermöglicht der theologischen Wissenschaft eine eingehende und dauerhafte Rezeption.

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8 Vorwort

Die Art und Weise, wie Joseph Ratzinger theologisch arbeitet, er-wächst aus seiner Liebe zur Kirche Gottes und ist von einer wachen Aufmerksamkeit und Dialogbereitschaft gegenüber den kulturel-len und zeitgeschichtlichen Gegebenheiten geprägt. Seine zahlrei-chen Aufsätze, Reden, wissenschaftlichen Artikel und Bücher sind durch eine überaus reiche und tiefe Kenntnis der Heiligen Schrift, der Werke der Kirchenväter, der Liturgie und der christlichen Geis-tesgeschichte gespeist. Ausgehend von diesen Quellen und einem lebenslangen Gehen mit der Kirche bewegt sich die Theologie von Joseph Ratzinger immer wieder auf das Christusereignis zu. Die Christologie ist ein fester Bezugspunkt in den Schriften und Pre-digten von Joseph Ratzinger. Von daher zeigt er auch Wege auf, wie der christliche Glaube in seiner missionarischen Dynamik weiter-gegeben werden kann. Dies stellt die Besonderheit in der Theologie von Joseph Ratzinger dar. Er zählt ohne Zweifel zu den großen christlichen Denkern.

So sollen die Aufsätze, die in diesem Buch zusammengestellt sind und jeweils einen eigenen Blick auf Aspekte des Werkes von Joseph Ratzinger bieten, letztlich zur Lektüre der Originalschriften einladen. Den Lesern dieses Buches wünsche ich ein bereicherndes Nachdenken, das zum Weiterstudium anregen möge.

Camillo Kardinal RuiniFondazione Vaticana Joseph Ratzinger – Benedetto XVI

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Ansprache bei der Verleihung des ersten Premio in der Sala Clementina am 30. Juni 2011

Papst Benedikt XVI.

Verehrte Herren Kardinäle, liebe Mitbrüder, sehr geehrte Damen und Herren!

Zunächst möchte ich meine Freude und Dankbarkeit darüber aus-drücken, dass die nach mir benannte Stiftung mit der Verleihung ihres theologischen Preises das Lebenswerk zweier großer Theo-logen öffentlich anerkennt und einem Theologen der jüngeren Ge-neration ein Zeichen der Ermutigung zum Fortschreiten auf dem begonnenen Weg gegeben hat. Mit Professor González de Cardedal verbindet mich eine Weggemeinschaft vieler Jahrzehnte. Wir ha-ben beide mit dem hl. Bonaventura begonnen und uns von ihm die Richtung zeigen lassen. Professor González hat in einem langen Leben als Gelehrter alle großen Themen der Theologie behandelt und dabei nie nur vom Schreibtisch aus gedacht oder gesprochen, sondern sich immer dem Drama unserer Zeit gestellt, ganz persön-lich die großen Fragen des Glaubens und damit die Fragen des Menschen von heute durchlebt und auch durchlitten. Das Wort des Glaubens ist da nicht eine Sache von gestern; es wird in seinen Werken wirklich gleichzeitig mit uns. Professor Simonetti hat uns die Welt der Väter neu erschlossen. Gerade indem er uns genau und sorgsam historisch aufzeigt, was die Väter sagen, werden sie zu Zeitgenossen, die mit uns sprechen. Pater Maximilian Heim ist vor kurzem zum Abt des traditionsreichen Klosters Heiligenkreuz bei Wien gewählt worden und hat damit den Auftrag übernommen, eine große Geschichte gegenwärtig zu halten und in die Zukunft

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10 Papst Benedikt XVI.

hineinzuführen. Ich hoffe, dass ihm die Arbeit über meine Theolo-gie, die er uns geschenkt hat, dabei eine Hilfe sein kann und dass die Abtei Heiligenkreuz in dieser unserer Zeit die monastische Theologie weiter entfalten kann, die immer die Universitätstheolo-gie begleitete und mit ihr zusammen das Ganze der abendländi-schen Theologie gestaltet hat.

Aber es ist ja nicht mein Auftrag, hier eine Laudatio über die Preisträger zu halten, die von kompetenter Seite durch Kardinal Ruini schon geleistet worden ist. Vielleicht aber kann die Preisver-leihung ein Anlass sein, der Grundfrage einen Augenblick nachzu-gehen, was denn das ist – „Theologie“. Theologie ist Glaubenswis-senschaft, sagt uns die Überlieferung. Aber da erhebt sich sofort die Frage: Geht das eigentlich? Oder ist dies nicht ein Widerspruch in sich selbst? Ist Wissenschaft nicht der Gegensatz zu Glaube? Hört Glaube nicht auf, Glaube zu sein, wenn er Wissenschaft wird? Und hört Wissenschaft nicht auf, Wissenschaft zu sein, wenn sie sich dem Glauben zuordnet oder gar unterordnet? Solche Fragen, die schon für die mittelalterliche Theologie ein ernstes Problem bedeu-teten, sind mit dem neuzeitlichen Wissenschaftsbegriff nur noch drängender, auf den ersten Blick geradezu aussichtslos geworden. So ist es zu verstehen, dass sich die Theologie in der Neuzeit in wei-ten Bereichen zunächst ins Historische zurückgezogen hat, um hier ihre ernste Wissenschaftlichkeit zu beweisen. Man muss dankbar anerkennen, dass dabei Großartiges geleistet wurde und neue Lichter auf die christliche Botschaft fielen, die ihren inneren Reich-tum sichtbar machen. Aber wenn Theologie sich ganz in die Vergan-genheit zurückzieht, lässt sie den Glauben heute im Dunklen ste-hen. In einer zweiten Phase hat man sich dann auf die Praxis konzentriert, um in der Verbindung mit Psychologie und Soziologie Theologie als nützliche Wissenschaft zu erweisen, die praktische Weisungen für das Leben schenkt. Auch dies ist wichtig, aber wenn dabei das Fundament der Theologie, der Glaube, unbedacht bleibt, wenn Praxis nur noch sich selbst betreiben würde oder allein von den Leihgaben der Humanwissenschaft lebt, dann wird die Praxis leer und grundlos.

So reichen diese Wege nicht aus. So nützlich und wichtig sie sind, sie würden zu Ausflüchten, wenn die eigentliche Frage nicht beant-wortet würde. Sie lautet: Ist das wahr, was wir glauben, oder nicht? In der Theologie geht es um die Frage nach der Wahrheit; sie ist ihr letzter und eigentlicher Grund. Ein Wort von Tertullian kann uns

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11Ansprache bei der Verleihung des ersten Premio

hier einen Schritt weiterführen; er schreibt, dass Christus nicht ge-sagt hat: Ich bin die Gewohnheit, sondern: Ich bin die Wahrheit – non consuetudo sed veritas (Virg 1, 1). Christian Gnilka hat gezeigt, dass der Begriff consuetudo die heidnischen Religionen bezeichnen kann, die ihrem Wesen nach nicht Glauben, sondern „Gewohn-heit“ waren: Man tut, was man seit je getan hat, man beobachtet die überlieferten kultischen Gestalten und hofft, so im rechten Verhält-nis zum geheimnisvollen Bereich des Göttlichen zu bleiben. Das Revolutionäre des Christentums war in der Antike gerade der Bruch mit der „Gewohnheit“ um der Wahrheit willen. Tertullian spricht hier vor allem vom Evangelium des heiligen Johannes her, in dem auch die andere grundlegende Interpretation des christli-chen Glaubens zu finden ist, die sich in der Bezeichnung Christi als Logos ausdrückt. Wenn Christus der Logos, die Wahrheit ist, dann muss der Mensch ihm mit seinem eigenen Logos, mit seiner Ver-nunft entsprechen. Er muss, um zu Christus zu kommen, auf dem Weg zur Wahrheit sein. Er muss sich dem Logos öffnen, der schöp-ferischen Vernunft, von der seine eigene Vernunft herkommt und auf den sie ihn verweist. Von da aus versteht man, dass der christ-liche Glaube von seinem eigenen Wesen her Theologie hervorbrin-gen, nach der Vernunft des Glaubens fragen musste, auch wenn natürlich der Begriff Vernunft und derjenige der Wissenschaft viele Dimensionen umfassen und damit das konkrete Wesen des Zu-sammenhangs von Glaube und Vernunft immer neu ausgelotet werden musste und muss.

So klar also der grundsätzliche Zusammenhang von Logos, Wahrheit und Glaube im Christentum dasteht – die konkrete Form dieses Zusammenhangs gab und gibt immer neue Fragen auf. Es ist klar, dass diese Frage, die alle Generationen bewegt hat und bewe-gen wird, in dieser Stunde nicht im Einzelnen und nicht einmal in großen Zügen behandelt werden kann. Nur eine ganz kleine An-merkung möchte ich versuchen. Der hl. Bonaventura hat im Prolog zu seinem Sentenzen-Kommentar von einem zweifachen Gebrauch der Vernunft gesprochen – von einem Gebrauch, der mit dem Wesen des Glaubens unvereinbar ist, und von einem, der gerade zu seinem Wesen gehört. Es gibt, so sagt man, die violentia rationis, die Selbstherrlichkeit der Vernunft, die sich zum obersten und letzten Richter über alles macht. Diese Art von Vernunftgebrauch ist frei-lich im Bereich des Glaubens unmöglich. Was meint er damit? Ein Wort aus Psalm 95,9 kann uns zeigen, worum es geht. Hier sagt Gott

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12 Papst Benedikt XVI.

zu seinem Volk: „Dort – in der Wüste – haben eure Väter mich ver-sucht, haben mich auf die Probe gestellt, obgleich sie doch meine Werke gesehen hatten.“ Zweierlei Begegnung mit Gott ist hier an-gesagt: Sie haben „gesehen“. Aber das reicht ihnen nicht. Sie stel-len Gott „auf die Probe“. Sie wollen ihn dem Experiment unterwer-fen. Er wird gleichsam ins Verhör genommen und muss sich einem experimentellen Prüfungsvorgang unterwerfen. Diese Weise des Vernunftgebrauchs ist in der Moderne im Bereich der Naturwis-senschaft zu ihrer vollen Entfaltung gekommen. Die experimen-telle Vernunft erscheint heute weithin als die einzig wissenschaft-lich erklärte Form von Vernünftigkeit. Was nicht experimentell verifiziert oder falsifiziert werden kann, fällt aus dem wissenschaft-lichen Bereich heraus. Mit diesem Ansatz ist Großartiges geleistet worden, wie wir wissen; dass er im Bereich der Erkenntnis der Natur und ihrer Gesetze richtig und notwendig ist, wird niemand im Ernst bestreiten wollen. Aber es gibt eine Grenze dieses Ver-nunftgebrauchs: Gott ist kein Objekt des menschlichen Experimen-tierens. Er ist Subjekt, und nur in der Begegnung von Person zu Person zeigt er sich: Dies gehört zum Wesen von Person.

So benennt Bonaventura dann einen zweiten Gebrauch der Ver-nunft, der für den Bereich des Personalen, für die großen Fragen des Menschseins selber gilt. Die Liebe will den besser kennen, den sie liebt. Liebe, wirkliche Liebe, macht nicht blind, sondern sehend. Zu ihr gehört gerade der Durst nach Erkenntnis, nach wirklichem Kennen des anderen. Weil es so ist, haben die Kirchenväter – au-ßerhalb der Offenbarungswelt Israels – die Vorläufer und Wegbe-reiter des Christentums nicht im Bereich der Gewohnheitsreligion gefunden, sondern in den gottsuchenden Menschen, in den „Philo-sophen“ – den Menschen, die nach Wahrheit dürsteten und so auf dem Weg zu Gott waren. Wenn es diesen Vernunftgebrauch nicht gibt, dann fallen die großen Menschheitsfragen aus dem Bereich der Vernunft heraus und werden der Irrationalität überlassen. Des-wegen ist eigentliche Theologie so wichtig. Der rechte Glaube leitet die Vernunft an, sich dem Göttlichen zu öffnen, um Gott unter der Führung der Liebe zur Wahrheit näher kennenzulernen. Die Initia-tive für diesen Weg liegt bei Gott, der dem Menschen das Suchen nach seinem Angesicht ins Herz gelegt hat. So gehört zur Theologie zum einen die Demut, die sich von Gott anrühren lässt, anderer-seits die Zucht, die sich an die Ordnung der Vernunft bindet, die Liebe vor Blindheit hütet und ihre sehende Kraft entfalten hilft.

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13Ansprache bei der Verleihung des ersten Premio

Ich bin mir bewusst, dass mit alledem die Frage nach der Mög-lichkeit und dem Auftrag der rechten Theologie nicht beantwortet ist, sondern erst die Größe der Herausforderung erscheint, die im Wesen der Theologie enthalten ist. Aber gerade diese Herausforde-rung braucht der Mensch, weil sie uns dazu drängt, unsere Vernunft zu öffnen, indem wir nach der Wahrheit selbst, nach Gottes Ange-sicht fragen. So danken wir auch den Preisträgern, die uns mit ihren Arbeiten gezeigt haben, dass die Vernunft, indem sie auf dem Weg voranschreitet, den ihr der Glaube vorgezeichnet hat, nicht eine entfremdete Vernunft sein kann, sondern eine, die ihrer höchsten Berufung entspricht.

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Auf der Suche nach der Wahrheit

Justinus C. Pech OCist

Am 30. Juni 2011 hat Papst Benedikt XVI. zum ersten Mal den Premio Ratzinger der „Fondazione Vaticana Joseph Ratzinger – Benedetto XVI“ an drei renommierte Theologen überreicht. In dieser illustren Versammlung von Kardinälen, kirchlichen Wür-denträgern und geladenen Gästen aus verschiedenen Ländern Europas wurde den Preisträgern Professor Dr. Manlio Simonetti (Italien), Professor Dr. Olegario González de Cardedal (Spanien) und dem Abt des Zisterzienserklosters Heiligenkreuz im Wiener-wald (Österreich), Dr. Maximilian Heim OCist, in der Sala Cle-mentina des Apostolischen Palastes im Vatikan dieser Preis über-reicht. Im Folgejahr wurden am 20. Oktober der US-amerikanische Jesuit P. Professor Dr. Brian Daley SJ und der französisch-deut-sche Philosoph Professor Dr. Rémi Brague ausgezeichnet. Aus den hier abgedruckten Ansprachen des Heiligen Vaters wird deutlich, warum diese Wissenschaftler den päpstlichen Preis er-halten haben.

In dieser thematischen Hinführung wird zuerst ein kurzer Sta-tusbericht zur generellen Situation der Theologie am Beginn des 21. Jahrhunderts aus der Sicht von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. gegeben und in der gebotenen Kürze erläutert, wie aus sei-ner Sicht das Verhältnis von Glaube und Vernunft in Bezug auf die wissenschaftliche Theologie gesehen werden kann. Der zweite Teil dieser Einführung gibt die wichtigsten biographischen und bib-liographischen Daten der Preisträger und einige Stationen ihres wissenschaftlichen Lebens und Arbeitens wieder, um damit den Einstieg in die für diesen Sammelband ausgewählten Artikel der Preis träger zu erleichtern.

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15Auf der Suche nach der Wahrheit

1. Zur Situation der Theologie

In unregelmäßigen Abständen sollte sich jede Wissenschaft in ei-ner Selbstreflexion Rechenschaft über ihr Tun ablegen, so wie das jüngst in dem von Thomas Marschler und Thomas Schärtl heraus-gegebenen Sammelband für die gesamte Dogmatik geschehen ist.1 Eine Aufforderung, die ebenso an den einzelnen Wissenschaftler gerichtet werden kann. Der Theologe Joseph Ratzinger hat sich diesem Anspruch wiederholt gestellt. Während vieler Jahrzehnte seines wissenschaftlichen Arbeitens hat Joseph Ratzinger deutlich gemacht, wie der geistesgeschichtliche Grundzug eines relativisti-schen Denkansatzes auch innerhalb der Wissenschaft der Theolo-gie Raum ergreift.2 Der Ausgangspunkt seiner Analyse ist die These, dass der Relativismus die Grundlage für das Denken und Handeln in den demokratischen Gesellschaften von heute darstellt. „So ist in der Tat der Relativismus zum zentralen Problem für den Glauben in unserer Stunde geworden. Er erscheint freilich keines-wegs nur als Resignation vor der Unermeßlichkeit der Wahrheit, sondern definiert sich auch positiv von den Begriffen der Toleranz, der dialogischen Erkenntnis und der Freiheit her, die durch die Be-hauptung einer für alle gültigen Wahrheit eingeschränkt würde. Relativismus erscheint so zugleich als die philosophische Grund-lage der Demokratie, die eben darauf beruhe, dass niemand in An-spruch nehmen dürfe, den richtigen Weg zu kennen.“3 Deutlicher formuliert es der Kardinal in der heiligen Messe ‚Pro eligendo Pon-tifice‘, indem er auf die zahlreichen Winde, die aus ganz verschie-denen Richtungen das kleine Schiff der Kirche in den Stürmen der

1 Vgl. Thomas Marschler/Thomas Schärtl (Hg.), Dogmatik heute. Bestandsaufnahmen und Perspektiven, Regensburg 2014. Zu nennen wäre hier auch das mehrbändige Werk von Herbert Vorgrimler, Bilanz der Theologie im 20. Jahrhundert, Freiburg 1969–1970, sowie Johannes Feiner u. a. (Hg.), Mysterium salutis. Grundriß heilsgeschichtli-cher Dogmatik, Einsiedeln 1969–1973; eine aktuelle Kurzfassung findet sich auch bei: Josef Wohlmuth, Nach der Postmoderne – Wo steht die Theologie?, in: Peter Hardt/Klaus von Stosch (Hg.), Für eine schwache Vernunft? Beiträge zu einer Theologie nach der Postmoderne, Ostfildern 2007, 13–29.

2 Vgl. dazu das erste Kapitel aus Joseph Ratzinger, Einführung in das Christentum, JRGS 4, 54–89.

3 Joseph Ratzinger, Die in den 1990er Jahren aufgebrochenen Fragestellungen. Zur Lage von Glaube und Theologie heute (1996), in: ders., Glaube – Wahrheit – Toleranz. Das Christentum und die Weltreligionen, Freiburg 2003, 93–111, 94–95.

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16 Justinus C. Pech OCist

4 Vgl. Missa pro eligendo Romano Pontifice. Omelia del Cardinale Joseph Ratzinger. Decano del Collegio Cardinalizio, 18.04.2005.

5 Vgl. Gerhard Nachtwei, Dialogische Unsterblichkeit. Eine Untersuchung zu Joseph Ratzingers Eschatologie und Theologie, Leipzig 1986, 35.

6 Ratzinger, Fragestellungen (Anm. 3), 104.

verschiedenen -ismen unserer Zeit hin und her bewegen4, hinweist. Hinter dieser Diskussion scheint die fundamentale Frage auf: „Was ist Wahrheit?“ und „Wie können wir die Wahrheit erkennen?“ Eine der fundamentalen Fragen in der Lehrunterweisung von Papst Be-nedikt XVI., aber auch schon in seiner theologischen Selbstrefle-xion, ist die Suche nach einer Begründung, warum die Wahrheit gerade in Gesellschaften, in denen das Christentum über Jahrhun-derte hinweg eine geistliche und geistige Grundlage darstellte, nicht mehr akzeptiert ist.

Mit dieser seiner Suche wendet er sich – nach einer Interpreta-tion von Gerhard Nachtwei – erstens gegen die Antwortversuche der zeitgenössischen atheistischen Ansätze sowie der Theorie des Positivismus, welche jede Form der Gnade ablehnen, zweitens ge-gen eine Form des Christentums, welches die Gnade gegenüber der Natur überbetont, und drittens gegen einen theologischen In-terpretationsversuch, welcher Natur und Gnade zu stark voneinan-der trennt.5 Hier zeigt sich, wie die Wahrheitssuche mit dem ausge-wogenen Verhältnis von Natur und Gnade zusammenhängt. Für den Glauben ist der Verlust der Wahrheitssuche eine schwerwie-gende Herausforderung, denn wenn die Wahrheit nicht mehr er-kennbar ist, dann stellt dies einen Angriff auf den Zentralisations-punkt des christlichen Glaubens dar. Damit wäre der Glaube eben nicht mehr aus sich heraus wahr, sondern würde dann zu etwas von uns gemacht werden. „Der Glaube und seine Praxis kommt entwe-der vom Herrn her durch die Kirche und ihre sakramentalen Dienste zu uns, oder es gibt ihn gar nicht.“6 So unterliegt der Glaube auch nicht dem Bereich des in der Praxis Veränderbaren, sondern er ist das sich in der Wahrheitssuche Zeigende, und diese Suche nach der Wahrheit hat einen Ort. Dazu heißt es im publizierten Text zur Vorlesung von Papst Benedikt XVI. an der römischen Universi-tät „La Sapienza“: „Ich denke, man dürfe sagen, der eigentliche in-nere Ursprung der Universität liege in dem Drang des Menschen nach Erkenntnis. Er will wissen, was das alles ist, was ihn umgibt. Er will Wahrheit. In diesem Sinn kann man das Fragen des Sokrates als den Impuls sehen, aus dem die abendländische Universität

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17Auf der Suche nach der Wahrheit

7 Vorlesung von Papst Benedikt XVI. für die römische Universität „La Sapienza“ am 17. Januar 2008. http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2008/january/documents/hf_ben-xvi_spe_20080117_la-sapienza_ge.html (abgerufen am 30.01.2015).

8 Ebd.9 Vgl. Clive Lewis, The Screwtape Letters, London 1965, 139f.

geboren wurde. Ich denke etwa – um nur einen Text zu nennen – an das Streitgespräch mit Eutyphron, der dem Sokrates gegenüber die mythische Religion und ihre Frömmigkeit verteidigt.“7 Mit der Wahrheitsfrage öffnet sich für Joseph Ratzinger die Problemstel-lung der heutigen Philosophie, die gerade auch im universitäten Umfeld wieder ernsthaft gestellt werden sollte. Ausführlicher for-muliert er es in der römischen Vorlesung: „In der Neuzeit haben sich neue Dimensionen des Wissens eröffnet, die in der Universität vor allem in zwei großen Bereichen zur Geltung kommen: in der Naturwissenschaft, die aus der Verbindung von Experiment und vorausgesetzter Rationalität der Materie sich gebildet hat; in den Geschichts- und Humanwissenschaften, in denen der Mensch sich im Spiegel seiner Geschichte und im Ausleuchten der Dimensio-nen seines Wesens besser zu verstehen sucht. Bei dieser Entwick-lung hat sich der Menschheit nicht nur ein ungeheures Maß von Wissen und Können erschlossen; auch Erkenntnis und Anerkennt-nis von Menschenrechten und Menschenwürde sind gewachsen, und dafür können wir nur dankbar sein. Aber der Weg des Men-schen ist nie einfach zu Ende, und die Gefahr des Absturzes in die Unmenschlichkeit nie einfach gebannt: Wie sehr erleben wir das im Panorama der gegenwärtigen Geschichte: Die Gefahr der west-lichen Welt – um nur davon zu sprechen – ist es heute, daß der Mensch gerade angesichts der Größe seines Wissens und Könnens vor der Wahrheitsfrage kapituliert. Und das bedeutet zugleich, daß die Vernunft sich dann letztlich dem Druck der Interessen und der Frage der Nützlichkeit beugt, sie als letztes Kriterium anerkennen muß.“8 So ist es Joseph Ratzinger für die Selbstrechtfertigung seines Faches an der Universität wichtig, dass der Mensch heute gerade nicht vor der Wahrheitsfrage kapituliert. Eine eingeübte Wissenschaftlichkeit ist wichtig, aber sie darf nicht als Immuni-sierungsstrategie gegen die Wahrheitssehnsucht des Menschen missbraucht werden, indem man nur noch nach Beeinflussungen, Entwicklungen und Abhängigkeiten frage.9 „Eine solcher Art be-triebene Wissenschaftlichkeit wird zur Immunisierung gegenüber

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18 Justinus C. Pech OCist

10 Joseph Ratzinger, Glaube, Wahrheit und Kultur – Reflexionen im Anschluss an die Enzyklika „Fides et Ratio“ (1999), in: ders., Glaube – Wahrheit – Toleranz. Das Chris-tentum und die Weltreligionen, Freiburg 2003, 148–169, 150.

11 Ansprache von Papst Benedikt XVI. bei der Begegnung mit jungen Universitätspro-fessoren in der Basilika des Klosters „San Lorenzo de El Escorial“ am 19. August 2011. http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2011/august/documents/hf_ben-xvi_spe_20110819_docenti-el-escorial_ge.html (abgerufen am 30.01.2015).

12 Ratzinger, Glaube, Wahrheit und Kultur (Anm. 10), 152.13 Ansprache von Papst Benedikt XVI. (Anm. 11).

der Wahrheit. Die Frage, ob und wie weit das vom Autor Ausge-sprochene wahr sei, wäre eine unwissenschaftliche Frage; sie würde ja aus dem Bereich des Belegbaren und Nachweisbaren heraus-führen, zurückfallen in die Naivität der vorkritischen Welt.“10 An diesem Punkt öffnet sich ein weiterer Horizont im Ansatz von Joseph Ratzinger. Für ihn ist die Universität der prinzipielle Ort der Wahrheitssuche. „Tatsächlich war die Universität und ist immer noch dazu berufen, der Ort zu sein, wo man die eigentliche Wahr-heit über den Menschen sucht. Es ist daher kein Zufall, dass es gerade die Kirche war, die die Einrichtung der Universität gefördert hat, denn der christliche Glaube spricht zu uns von Christus als dem Logos, dem Wort, durch das alles geworden ist (vgl. Joh 1,3), und von dem nach dem Abbild Gottes und Gott ähnlich geschaffe-nen Menschen.“11

In diesem Umfeld der wissenschaftlichen Suche darf der Mensch sich seiner wahren Freiheit gewahr werden. „Der Mensch ist nicht im Spiegelkabinett der Interpretationen gefangen; er kann und muss den Durchbruch zum Wirklichen suchen, das hinter den Wörtern steht und sich ihm in den Wörtern und durch sie zeigt.“12 In diesem Umfeld haben die im Folgenden vorgestellten fünf Preis-träger gearbeitet, für die Papst Benedikt XVI. folgende Hinweise gab: „In der intellektuellen und Lehrtätigkeit ist daher die Demut eine unerläßliche Tugend, die vor der Eitelkeit schützt, welche den Zugang zur Wahrheit versperrt. Wir dürfen die Studenten nicht für uns selbst einnehmen, sondern müssen sie auf den Weg zu dieser Wahrheit bringen, die wir alle suchen. Dabei wird Ihnen der Herr helfen, der Ihnen aufträgt, schlicht und wirksam zu sein wie das Salz oder wie die Lampe, die Licht gibt, ohne Lärm zu machen (vgl. Mt 5,13ff).“13 Ein Anspruch, dem sich die Prämierten gern hin-gegeben haben und weiterhin widmen.

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19Auf der Suche nach der Wahrheit

14 „Con un occhio dunque già abituato e allenato a confrontarsi con i classici latini e greci e che con il tempo progressivamente si allargò.“ Giovanni M. Vian, Prefazione, in: Manlio Simonetti, Classici e cristiani. Alle radici del mondo occidentale, Milano 2007, 7–9, 7.

15 Vgl. Vian, Prefazione (Anm. 14), 8.

2. Die Preisträger 2011

Im Jahr 2011 wurden drei Europäer mit dem Premio Ratzinger aus-gezeichnet. In dieser erweiterten Vorstellung sollen Werk und Wir-ken der Prämierten nahegebracht und eingeordnet werden. Zwi-schen den Professoren Manlio Simonetti und Olegario González de Cardedal auf der einen Seite und dem Zisterzienserabt Maximilian Heim OCist auf der anderen fällt auf den ersten Blick der große zeitliche Unterschied in der zurückgelegten wissenschaftlichen Wegstrecke auf. Der Letzte der drei ist nahezu 30 Jahre jünger als die beiden anderen. Daraus wird bereits klar, dass es nicht einen Grund geben kann, der für alle drei Preisträger gilt.

Manlio Simonetti

Manlio Simonetti wurde 1926 in Rom geboren und hat sich zeit sei-nes Lebens den patristischen Studien gewidmet. Bis heute ist er, obwohl im neunten Lebensjahrzehnt stehend, in der Bibliothek des Institutum Patristicum Augustinianum in Rom anzutreffen. Er zählt zu den größten Latinisten Italiens und Europas. Bereits als junger Mann hatte er die Originaltexte der griechischen und lateinischen Patristik gelesen.14 Im Laufe seines Lebens konnte er diese Studien immer weiter vertiefen, was in einer Publikationsliste mit Hunder-ten von Studien und kritischen Ausgaben seinen Niederschlag fin-det. Darüber hinaus hat er eine Vielzahl von Übersetzungen aus den alten in die italienische Sprache initiiert.15

Manlio Simonetti hat klassische Geisteswissenschaften studiert. Seit 1969 unterrichtet er „Storia del Cristianesimo“ an der römi-schen Universität „La Sapienza“ und ebenso am „Augustinianum“. Seine hauptsächlichen Forschungsfelder sind dabei die Geschichte des antiken Christentums und die Geschichte der patristischen Ex-egese. Im Besonderen hat er sich mit dem Arianismus, der Gnosis, Origenes und der Hagiographie beschäftigt. Seine wissenschaftli-chen Artikel befassen sich tiefgehend mit den trinitarischen und

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20 Justinus C. Pech OCist

16 Vgl. Manlio Simonetti et al., La preghiera dei Cristiani, Milano 2000.17 Zu einer aktuellen Veröffentlichung zu Dei Verbum und der Rezeption der Kirchen-

väter in dieser Konstitution des II. Vatikanums vgl. Martin Rehak, Die Zitate der Kirchenväter in ‚Dei Verbum‘, in: Michaela Hastetter et al. (Hg.), Symphonie des Wor-tes. Festgabe des Neuen Schülerkreises zum 85. Geburtstag von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI., St. Ottilien 2012, 140–168. Für einen guten Gesamtüberblick: Michael Fiedrowicz, Theologie der Kirchenväter, Freiburg 2007.

18 Die Bedeutung der Kirchenväter für die Theologie von heute lässt sich sehr gut mit Wort und Antwort umschreiben. Vgl. hierzu den Aufsatz: Joseph Ratzinger, Die Be-deutung der Väter im Aufbau des Glaubens (1968), in: ders., Theologische Prinzipien-lehre. Bausteine zur Fundamentaltheologie, München 1982, 139–159.

19 „Uno sguardo curioso e unitario su un mondo lontano, eppure così vicino: tanto vi-cino che l’attuale cultura delle società occidentali – pur soggetta a trasformazioni pro-fonde e sempre più rapide – resterebbe incomprensibile senza riandare a quelle ra-dici.“ Vian, Prefazione (Anm. 14), 7.

20 Ratzinger, Die Bedeutung der Väter (Anm. 18), 156.

christologischen Kontroversen der ersten christlichen Jahrhun-derte. Ebenso hat er sich auch mit dem Gebet der ersten Christen beschäftigt.16

Einen gemeinsamen Forschungsschwerpunkt mit Joseph Ratzin-ger stellt die Arbeit über die Kirchenväter dar, welche bis heute eine unübertroffene Wichtigkeit für die Theologie als Ganze und insbesondere die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils17 sowie für einzelne Theologen wie beispielsweise Odo Casel, Hugo Rah-ner, Henri de Lubac und Jean Daniélou haben.18 In den Arbeiten dieser Theologen zeigen sich eine tiefgehende Kenntnis der Heili-gen Schrift und ein exzeptionelles Wissen hinsichtlich der Schriften der Patristik, insbesondere der Kirchenväter. Durch das Studium dieser für das Christentum grundlegenden Autoren der Theologie öffnet sich eine auch für uns wichtige Perspektive unseres Glau-bens. In einem Vorwort zu einem Buch von Simonetti heißt es dazu, dass der Bezug auf unsere geschichtlichen und denkerischen Wur-zeln einen wesentlichen Beitrag zum Selbstverständnis bietet.19 Bei Joseph Ratzinger heißt es dazu ergänzend: „So wird die Kirche, in-dem sie sich mit den Worten des Symbolum zu ihrem Herrn be-kennt, immer wieder zurückverwiesen auf jene, die dieses Bekenntnis zuerst gesprochen und die in der Zusage des Glaubens, die es bedeutet, zugleich die Absage an den Scheinglauben formu-liert haben.“20

Ein weiteres gemeinsames Interessengebiet zwischen Simonetti und Ratzinger findet sich in der Person des Predigers und Kirchen-

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21Auf der Suche nach der Wahrheit

21 „La straordinaria capacità dimostrata da certi predicatori – valga per tutti il nome di Agostino – nell’adeguare il tono della loro oratoria al modesto livello di comprensi-one del pubblico, dimostra in modo emblematico la capacità delle lettere cristiane di operare sempre e comunque a servizio della comunità.“ Manlio Simonetti, Introduzi-one, in: ders. et al., La Sapienza degli Antichi Padri, Bergamo 1999, 5–11, 8.

22 Ratzinger, Die Bedeutung der Väter (Anm. 18), 159.23 Für die biographischen Daten vgl. José Revidatti, Aproximación a la cristología de

Olegario González de Cardedal a la luz de la categoría del ,encuentro‘ (I), in: Stromata (2000) 145–190, 147–149.

24 Vgl. Joseph Ratzinger, Aus meinem Leben. Erinnerungen, Stuttgart 1998, 83–85.25 „Allí oí y conviví con personalidades decisivas en el Concilio Vaticano II: Rahner,

Döpfner, Ratzinger, Schmaus, Pascher, Söhngen, Fries; y al lado de ellos las grandes figuras de la exégesis: Schlier, Schnackenburg, Kuss, von Rad, Weiser, Bultmann.“ Olegario González de Cardedal, Existencia cristiana y experiencia religiosa, in: Re-vista Católica Internacional Communio (1996) 212–239, 230.

vaters Augustinus, über den der italienische Preisträger festhält, dass gerade die überaus beeindruckende Redekunst immer im Dienst an der Gemeinschaft steht.21 So gilt für Augustinus und die gesamte Patristik: „Der Umgang mit den Vätern ist keine bloße Ka-talogarbeit im Museum des Gewesenen. Die Väter sind die gemein-same Vergangenheit aller Christen. Und im Wiederfinden dieser Gemeinsamkeit liegt die Hoffnung für die Zukunft der Kirche, die Aufgabe für ihre – unsere Gegenwart.“22

Olegario González de Cardedal

Olegario González Hernández de Cardedal wurde am 2. Oktober 1934 in der Stadt Cardedal in der Region von Avila geboren. Mit neun Jahren ist er in das kleine Seminar eingetreten und wech-selte anschließend in das Diözesanseminar des Bistums von Avila. Am 21. Februar 1959 wurde er zum Priester geweiht und darauf zum Vizerektor des Priesterseminars ernannt. Als Lehrender war er im Fach Patrologie und Spiritualität tätig.23 In den Jahren von 1960 bis 1965 lebte er in München, um sein Doktorat unter der Leitung von Professor Dr. Michael Schmaus, mit welchem sich auch die Lebensgeschichte von Joseph Ratzinger während seiner Habilitation in München gekreuzt hat24, zu erwerben. Über diese Zeit hält González fest, dass er dort gewichtige Personen „wie Rahner, Döpfner, Ratzinger, Schmaus, Pascher, Söhngen, Fries, die am Zweiten Vatikanischen Konzil mitgewirkt haben, und Exege-ten wie Schlier, Schnackenburg, Kuss, von Rad, Weiser und Bult-mann kennenlernen durfte“25. Darunter befinden sich einige, mit

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22 Justinus C. Pech OCist

26 „Die Liturgie war für mich seit meiner Kindheit zentrale Wirklichkeit meines Lebens und ist in der theologischen Schule von Lehrern wie Schmaus, Söhngen, Pascher, Guardini auch Zentrum meines theologischen Mühens geworden.“ Joseph Ratzin-ger/Benedikt XVI., Zum Eröffnungsband meiner Schriften, in: JRGS 11, 5–8, 6.

27 Darüber hinaus war er auch ein geschätzter Ratgeber in unterschiedlichen Kommis-sionen und wissenschaftlichen Gesellschaften. So war er u. a. Mitglied der Société Européenne de la Culture, der Paulus-Gesellschaft, der Sociedad Española de Estu-dios Monásticos und der Internationalen Theologenkommission in Rom. Vgl. Revi-datti, Aproximación (Anm. 23), 148.

28 Vgl. ebd., 146.29 Vgl. Olegario González de Cardedal, Jesús de Nazaret. Aproximación al Cristología,

Madrid 1993, XV. „Nosotros ofrecemos esta humilde aportación sistematizando nues-tra comprehensión de Cristo a la luz de la categoría del ,encuentro‘.“ Die Erstausgabe stammt aus dem Jahr 1975.

30 „Die Person Jesu ist seine Lehre, und seine Lehre ist er selbst. Christlicher Glaube, das heißt Glaube an Jesus als den Christus, ist deshalb wahrhaft ,personaler Glaube‘“: JRGS 4, 192.

denen sich auch Joseph Ratzinger näher beschäftigt hat.26 Im Jahr 1965 durfte Olegario González bei der dritten Session des II. Vati-kanums assistieren.

Wieder nach Spanien zurückgekehrt, wurde er Vizerektor des Seminars in Avila und Professor ebenda. Kurz darauf wurde Gon-zález de Cardedal durch den Rektor der „Universidad Pontificia di Salamanca“ zum Universitätsprofessor ernannt. An der dortigen theologischen Fakultät hat er bis 2005 als Professor für systemati-sche Theologie gewirkt. Dabei konzentrierte er sich besonders auf die Traktate Christologie, Ekklesiologie, Mariologie und die ein-führenden Kurse in das Christentum. Darüber hinaus war er als Gastprofessor u. a. am St Anthony’s College in Oxford und an der Catholic University of America in Washington tätig.27

Sein originäres Forschungsinteresse, für das er international bekannt ist, gilt der Christologie. Dabei geht sein Ansatz von der Begegnung des Menschen mit dem Gott Jesus Christus aus.28 In unterschiedlichen Werken von González findet sich immer wieder die Person „Jesus von Nazareth“29, die für ihn einen außergewöhn-lichen Stellenwert hat, denn bei Jesus handelt es sich, wie auch Ratzinger schreibt, eben nicht nur um eine historische Person. Die Person ist die Lehre und seine Lehre ist er selbst.30 In den Schriften von González wird auch eine sehr gute Kenntnis der Theologie von

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23Auf der Suche nach der Wahrheit

31 Er zitiert wiederholt Joseph Ratzinger. Pars pro toto: Olegario González de Cardedal, Entstehungsgeschichte und erste Auswertung des Katechismus der Katholischen Kirche, in: MThZ (1994) 45, 375–397, 379–381.

32 Vgl. für diesen Ansatz bei Joseph Ratzinger: Maximilian Heim/Justinus C. Pech (Hg.), Zur Mitte der Theologie im Werk von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. (RaSt 6), Re-gensburg 2013.

33 Papst Benedikt XVI., Ansprache, in: RaSt 7, 9f.34 Maximilian Heim, Joseph Ratzinger – Kirchliche Existenz und existentielle Theologie

unter dem Anspruch von Lumen gentium. Ekklesiologische Grundlinien, Frankfurt 2004. Diese Arbeit liegt heute in der dritten Auflage vor.

Joseph Ratzinger31 deutlich. Für beide ist die Christologie der zent-rale Punkt ihres Arbeitens.32

Maximilian Heinrich Heim OCist

Der Abt des Zistierzienserklosters Stift Heiligenkreuz, Dr. Maximi-lian Heim OCist, ist der jüngste der drei Preisträger. Für ihn ist der Preis nicht nur ein Dank für geleistete wissenschaftliche Arbeit, sondern gleichzeitig Aufforderung für die Zukunft, denn er hat als Abt „den Auftrag übernommen, eine große Geschichte gegenwär-tig zu halten und in die Zukunft hineinzuführen“33. So ist diese Auszeichnung auch als eine Aufforderung und eine Bitte für die zukünftigen Tätigkeitsbereiche des Stiftes und des Abtes zu verste-hen. Maximilian Heim wurde am 14. April 1961 in Kronach in Fran-ken (Deutschland) geboren. Er hat Theologie in Augsburg, Heili-genkreuz und Bochum studiert. Im Jahr 1983 ist er in die fast 900 Jahre bestehende Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz eingetre-ten, wo er unter anderem Novizenmeister und Prior war. Im Jahr 2003 hat er seine Doktoratsstudien an der Katholisch-Theologi-schen Fakultät in Graz in Österreich mit einer Arbeit zum Thema „Joseph Ratzinger – Kirchliche Existenz und existentielle Theologie unter dem Anspruch von Lumen gentium. Ekklesiologische Grund-linien“34 abgeschlossen. In dieser Arbeit gelingt es dem Autor, ei-nen wesentlichen Beitrag zur und eine Neuausrichtung in der wis-senschaftlichen Diskussion der Theologie über die Kirche im Werk von Joseph Ratzinger vorzulegen. Seine Doktorarbeit wurde von Professor Dr. Bernhard Körner (Lehrstuhl für Dogmatik) betreut und ist im Jahr 2007 mit dem „Kardinal-Innitzer-Förderpreis“ in Wien und dem „Johann-Kaspar-Zeuß-Preis“ in Kronach prämiert worden. Frisch zum Dr. theol. promoviert, hat er das Fach Funda-

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24 Justinus C. Pech OCist

35 JRGS 4, 309.36 „Der Hermeneutik der Diskontinuität steht die Hermeneutik der Reform gegenüber,

von der zuerst Papst Johannes XXIII. in seiner Eröffnungsansprache zum Konzil am 11. Oktober 1962 gesprochen hat.“ Ansprache von Papst Benedikt XVI. an das Kardi-nalskollegium und die Mitglieder der Römischen Kurie beim Weihnachtsempfang am 22.12.2005. Vgl. http://w2.vatican.va/content/benedict-xvi/de/speeches/2005/ december/documents/hf_ben_xvi_spe_20051222_roman-curia.html (abgerufen am 31.01.2015).

mentaltheologie und den dogmatischen Kurs Ekklesiologie am Studienort Heiligenkreuz übernommen (seit 2007: Philosophisch-Theologische Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz).

Das wissenschaftliche Erstlingswerk von Abt Maximilian Heim gliedert sich in zwei Hauptteile. Im ersten geht es dem Autor um das Selbstverständnis der Kirche nach Lumen gentium. Im zweiten erläutert er die kirchliche Existenz von Joseph Ratzinger, die sich immer als existentielle Theologie versteht. Diese Forschungsarbeit bietet innerhalb der deutschsprachigen theologischen Reflexion zu Joseph Ratzinger eine Möglichkeit zu einer tiefergehenden Exe-gese seines Ansatzes. Aber auch in anderen Sprachgebieten erfreut sich diese Arbeit eines breiten Interesses.

Abt Maximilian Heim hat die ekklesiologischen Texte von Jo-seph Ratzinger einer näheren Analyse unterzogen. Er zeigt die existentielle Prägung des Gläubigen durch die Bindung an die Kir-che, die ein Organismus und nicht nur eine Organisation ist. Die Kirche ist als ein lebendiger Leib, eben als Leib Christi zu verste-hen. „Denn die Kirche ist am meisten nicht dort, wo organisiert, reformiert, regiert wird, sondern in denen, die einfach glauben und in ihr das Geschenk des Glaubens empfangen, das ihnen zum Leben wird. Nur wer erfahren hat, wie über den Wechsel ihrer Die-ner und ihrer Formen hinweg Kirche die Menschen aufrichtet, ih-nen Heimat und Hoffnung gibt, eine Heimat, die Hoffnung ist: Weg zum ewigen Leben – nur wer dies erfahren hat, weiß, was Kirche ist, damals und heute.“35

Nicht nur anlässlich des Jubiläums des Zweiten Vatikanischen Konzils in den letzten Jahren wurde die Diskussion über die grund-legenden Texte dieses Konzils wieder mit neuem Leben erfüllt. So hat Papst Benedikt XVI. in der ersten Weihnachtsansprache an die in Rom versammelten Kardinäle und Bischöfe am 22. Dezember 2005 einen Beitrag zur Rezeptionshermeneutik angeboten.36 Dort stellt er als Rezeptionsprinzip die Hermeneutik der Reform gegen

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25Auf der Suche nach der Wahrheit

37 Papst Benedikt XVI., Ansprache, in: RaSt 7, 166.38 Ebd., 167.

eine Hermeneutik des Bruches. Nicht nur hier, sondern auch an vielen anderen Punkten bieten sich Ansatzpunkte für weitere Ar-beiten zur Ekklesiologie im Werk von Joseph Ratzinger.

3. Die Preisträger 2012

Im Jahr 2012 wurden ein französisch-deutscher Philosoph, Professor Dr. Rémi Brague, und ein US-amerikanischer Jesuit, Professor Dr. P. Brian Daley SJ, mit dem Premio Ratzinger der vatikanischen Stiftung ausgezeichnet. Papst Benedikt XVI. nennt beide eine Persönlichkeit. „Und ‚Persönlichkeit‘ meine ich im vollen Sinne: das Profil der For-schung und der ganzen wissenschaftlichen Arbeit; den wertvollen Dienst der Lehre, dem beide seit vielen Jahren nachkommen; aber auch ihre Verbundenheit mit der Kirche, natürlich auf unterschied-liche Weise – der eine ist Jesuit, der andere verheirateter Laie –, im aktiven Bestreben, ihren fachkundigen Beitrag zur Gegenwart der Kirche in der heutigen Welt zu leisten“37. In dieser erweiterten Vor-stellung sollen das Werk und das Wirken der Prämierten erläutert und eingeordnet werden. Beide vertreten in ihren Lehrveranstaltun-gen ganz unterschiedliche Fächer, sodass auch die Gründe, warum man dieses Jahr gerade diese beiden herausragenden Wissenschaft-ler prämiert hat, herausgearbeitet werden.

Rémi Brague

Rémi Brague wurde am 8. September 1947 in Paris geboren. Das Studium der Philosophie und der klassischen Sprachen schloss er 1976 mit der Promotion ab. Darauf aufbauend folgten noch Studien des mittelalterlichen Hebräisch und der arabischen Sprache. Damit gilt er als einer der wenigen Philosophen in Europa, der nicht nur die aktuellen europäischen Sprachen fließend spricht, sondern der auch in der Lage ist, die gesamten philosophischen und theologi-schen Schriften, die für unseren Kulturkreis Relevanz besitzen, in der Originalsprache zu lesen und zu interpretieren. „Prof. Brague ist ein großer Gelehrter der Religionsphilosophie, insbesondere der jüdischen und islamischen des Mittelalters.“38

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26 Justinus C. Pech OCist

39 Vgl. Rémi Brague, De la disposition. A propos de diathesis chez Aristote, in: Pierre Aubenque, Concepts et catégories dans la pensée antique, Paris 1980, 285–307.

In den Jahren von 1976 bis 1988 übernahm Brague Forschungs-aufträge am Centre national de la recherche scientifique. Diese Studien wurden mit dem Erwerb eines Doktorates in Literatur ge-krönt. Von 1988 bis 1990 war er Professor an der Universität von Burgund und seit 1991 ist er ordentlicher Professor für arabische Philosophie und die Philosophie des Mittelalters an der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne. Parallel dazu war er von 2002 bis 2012 auch Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie der Religionen Euro-pas, des sogenannten Guardini-Lehrstuhls an der Ludwig-Maxi-milians-Universität in München. Darüber hinaus forschte er u. a. in der Schweiz (Universität Lausanne) und den USA (Penn State University, Boston University). Die Forschungsfelder und -interes-sen von Rémi Brague sind sehr breit, aber auch tief angelegt. So finden sich in seinem Werkverzeichnis Arbeiten zur antiken und mittelalterlichen Kultur, in denen er die Wurzeln des europäischen Denkens und der europäischen Geistesgeschichte als Ganze un-tersucht. Hier wären sein Kommentar zu Platons Menon im Jahr 1978 sowie seine Publikationen „Du temps chez Platon e Menon“ (Paris 1982) und „Aristote et la Question du monde“ (Paris 1988) zu nennen.39 Für seine besonderen philosophischen Forschungsleis-tungen wurde er im Jahr 2008/09 mit dem Josef-Pieper-Forschungs-preis ausgezeichnet. Er nimmt immer wieder Bezug auf die Tradi-tionen der Antike und der religiösen Schriften des Vorderen Orients. Dabei beeindruckt seine profunde Kenntnis der bibli-schen Schriften.

Ein weiteres Forschungsinteresse von Brague gilt dem Zusam-menspiel von Jerusalem und Athen, der Anthropologie und Ethik vor Christi Geburt und in dem ersten Jahrtausend nach Christus, aber auch der Theologie von Thomas von Aquin. Hier sind das Werk „Saint Bernard et la Philosophie“ (Paris 1993), das zusammen mit Peter Koslowski herausgegebene Buch „Vaterland Europa. Eu-ropäische und nationale Identität im Konflikt“ (Wien 1997) und „La sagesse du monde“ (Paris 1999) zu nennen. Seine Publikationsliste ist so umfangreich, dass hier nicht auf alle einzelnen Veröffent-lichungen eingegangen werden kann.

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27Auf der Suche nach der Wahrheit

40 Vgl. Rémi Brague, Orient und Okzident. Modelle ‚römischer‘ Christenheit, in: Otto Kallscheuer (Hg.), Das Europa der Religionen. Ein Kontinent zwischen Säkularisie-rung und Fundamentalismus, Frankfurt 1996, 45–65.

41 Ebd., 48.

Ein Grundzug seines Denkens kommt sehr gut in seinem Aufsatz „Orient und Okzident“40 zum Ausdruck. Hier nimmt er eine Klä-rung jener Begriffe vor, die auch in der aktuellen politischen Dis-kussion oft benutzt werden, deren inhaltliche Füllung aber nicht immer vollkommen erkannt ist. So wird geklärt, was unter Morgen- und Abendland zu verstehen ist. Bereits die Erläuterung dieser Be-griffe lässt den Leser erahnen, dass es bei einer nicht sachgerechten Abgrenzung dieser Wörter zu einer sprachlichen Verwirrung kom-men kann. Des Weiteren zeigt Brague in diesem Artikel auf, dass die Identität Europas sich aus einer Quelle füllt, die es so nur für Europa gibt: das Christentum. Das Christentum steht für eine An-erkenntnis des Alten Testamentes als unverfälschtes Dokument ei-ner Offenbarung. „Darin unterscheidet sich das Christentum vom Islam. Dieser kennt die biblischen Gestalten des Alten und des Neuen Testaments und respektiert die Botschaften Mosis und Jesu, d. h. die Thora und das Evangelium (…). Aber er erkennt ihre schriftlichen Aufzeichnungen, wie sie heute verbreitet sind, nicht an, weil sie, nach muslimischem Dogma, von ihren jüdischen und christlichen Hütern verfälscht (tahríf) wurden.“41 So wird bereits die weiter oben zitierte hermeneutische Vorbemerkung deutlich, worin die Stärke des Brague’schen Ansatzes liegt. Durch einen Gang zu den Wurzeln unseres Denkens wird ein vertieftes Ver-ständnis unseres eigenen Ursprungs und der darauf aufbauenden Tradition deutlich.

P. Brian E. Daley SJ

Brian E. Daley ist am 1. Januar 1940 in Orange (New Jersey) gebo-ren. Bereits während seiner Schulausbildung kam er mit dem Jesu-itenorden in Kontakt. Mit 21 Jahren wurde er an der Fordham Uni-versity graduiert. 1964 trat er dem Orden des hl. Ignatius bei und erwarb im Jahr 1967 am Merton College der University of Oxford einen Master. Im 30. Lebensjahr wurde er zum Priester geweiht. Anschließend setzte er seine patristischen Studien an der Philoso-phisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am

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