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486 Carbohydrate Resewch Elwier Publishing Company. Amsterdam Printed in Belgium REAKTIONEN ENOLISCHER ZUCKERDERIVATE TEIL II*. DIE RADIKALISCHE ADDITION VON BENZYLMERKAPTAN AN ENOLISCHE ZUCKERDERIVATE** JXHEN LEHhlANN Chemisches Luboratorium der Unioersittit, Freiburg LB. (Deutschland) (Eingegangen den 28. Miirz, xg66) EIraFijHRUNG Die Einfiihrung einer C-S-Bindung anstelIe einer C-0-Bindung in ein Zucker- molekiil wurde bisher durch nucleophilen Angriff geeigneter Thioverbindungen auf reaktive Zuckerderivate erreicht. Die Vielzahl der dabei miiglichen Reaktionen wurde von Horton und Hutsonl zusammenfassend dargestellt. Beilgufig werden such Arbeiten envihnt, in denen auf die Mijglichkeit hingewiesen wird, Schwefelverbin- dungen2-4 an ungesgttigte Zuckerderivate zu addieren. Dal3 sich enolische Zucker- verbindungen fiir radikalische Additionsreaktionen, z.B. von Bisulfit, in hervorragen- dem MaBe eignen, wurde bereits gezeigt s. Im Folgenden sol1 an einigen Beispielen die Reaktion von Benzylmerkaptan mit enolischen Zuckerderivaten unter Bestrahlung mit ultraviolettern Licht beschrieben werden. Von besonderem Interesse ist dabei die Stereoselektivitsit der radikalischen Addition. Gegeniiber der Reaktion ungesgittig- ter cyclischer Kohlenwasserstoffe, die in diesem Zusammenhang fast ausschliel3lich untersucht wurden, sind in der genannten Verbindungsklasse Unterschiede zu erwarten, die durch die Wirkung des Enolsauerstoffs als Elektronendonator und die stabili- sierende Wirkung freier oder substituierter Hydroxylgruppen auf die Konformation von Ringverbindungen zu erkliiren sind. DISKUSSION Die radikalische Reaktion von Thiolen mit Olefinen ist seit langer Zeit bekannP und in ihrem Mechanismus vor allem von Kharasch ef aZ.7 und Back et aZ.8 geklgrt. Die sterischen Verhgltnisse dabei wurden an Reaktionen von Thiolen mit Cyclohexen- und Cyclopenten-derivaten untersucht. Im Falle des r-Chlorcyclohexensg, des I-Methylcyclopentens und des r-Methylcyclohexens4 erfolgt vorwiegend Truns- addition. Weitherhin wurde gezeigt, da13 die Bevorzugung der Trans- gegeniiber der C&addition von Thiophenol iiber Schwefelwasserstoff nach Thioessigsgure abnimmtg. Auflergewijhnliche Verhiililtnisse existieren bei der Addition von Thiolen an I-Chlor- bicycloalkene, wo fast nur Cis-addition beobachtet wurdelO. * TeiI I: _I. LEHMANN, Carbohydrate Res., 2 (1966) I. ** Herrn Prof. Dr. A. Liittringhaus zum 60. Geburtstag gewidmet. Carbohydrate Res., 2 ( 1966) 486-499

Reaktionen enolischer zuckerderivate : Teil II. Die radikalische addition von benzylmerkaptan an enolische zuckerderivate

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486 Carbohydrate Resewch

Elwier Publishing Company. Amsterdam Printed in Belgium

REAKTIONEN ENOLISCHER ZUCKERDERIVATE TEIL II*. DIE RADIKALISCHE ADDITION VON BENZYLMERKAPTAN AN

ENOLISCHE ZUCKERDERIVATE**

JXHEN LEHhlANN

Chemisches Luboratorium der Unioersittit, Freiburg LB. (Deutschland)

(Eingegangen den 28. Miirz, xg66)

EIraFijHRUNG

Die Einfiihrung einer C-S-Bindung anstelIe einer C-0-Bindung in ein Zucker- molekiil wurde bisher durch nucleophilen Angriff geeigneter Thioverbindungen auf reaktive Zuckerderivate erreicht. Die Vielzahl der dabei miiglichen Reaktionen wurde von Horton und Hutsonl zusammenfassend dargestellt. Beilgufig werden such Arbeiten envihnt, in denen auf die Mijglichkeit hingewiesen wird, Schwefelverbin-

dungen2-4 an ungesgttigte Zuckerderivate zu addieren. Dal3 sich enolische Zucker- verbindungen fiir radikalische Additionsreaktionen, z.B. von Bisulfit, in hervorragen- dem MaBe eignen, wurde bereits gezeigt s. Im Folgenden sol1 an einigen Beispielen die Reaktion von Benzylmerkaptan mit enolischen Zuckerderivaten unter Bestrahlung mit ultraviolettern Licht beschrieben werden. Von besonderem Interesse ist dabei die Stereoselektivitsit der radikalischen Addition. Gegeniiber der Reaktion ungesgittig- ter cyclischer Kohlenwasserstoffe, die in diesem Zusammenhang fast ausschliel3lich untersucht wurden, sind in der genannten Verbindungsklasse Unterschiede zu erwarten, die durch die Wirkung des Enolsauerstoffs als Elektronendonator und die stabili- sierende Wirkung freier oder substituierter Hydroxylgruppen auf die Konformation von Ringverbindungen zu erkliiren sind.

DISKUSSION

Die radikalische Reaktion von Thiolen mit Olefinen ist seit langer Zeit bekannP und in ihrem Mechanismus vor allem von Kharasch ef aZ.7 und Back et aZ.8 geklgrt. Die sterischen Verhgltnisse dabei wurden an Reaktionen von Thiolen mit Cyclohexen- und Cyclopenten-derivaten untersucht. Im Falle des r-Chlorcyclohexensg, des I-Methylcyclopentens und des r-Methylcyclohexens4 erfolgt vorwiegend Truns-

addition. Weitherhin wurde gezeigt, da13 die Bevorzugung der Trans- gegeniiber der C&addition von Thiophenol iiber Schwefelwasserstoff nach Thioessigsgure abnimmtg. Auflergewijhnliche Verhiililtnisse existieren bei der Addition von Thiolen an I-Chlor- bicycloalkene, wo fast nur Cis-addition beobachtet wurdelO.

* TeiI I: _I. LEHMANN, Carbohydrate Res., 2 (1966) I.

** Herrn Prof. Dr. A. Liittringhaus zum 60. Geburtstag gewidmet.

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Die Lebensdauer des IntermedC-radikals, das nach dem Angriff des Thiyl- radikals ensteht, h%rgt von der Art des eingesetzten Olefins ab, auaerdem von der Geschwindigkeit, mit der im zweiten Schritt der Additionsreaktion ein Wasserstoff- atom aus einem weiteren Thiolmolekiil abstrahiert werden kann. Bei geniigend grosser

Lebensdauer ist im TntermediZb-radikal die Einstellung einer energetisch giinstigen Konformation moglich, wie schon von Bordwell et al.4 angedeutet wurde.

Als Thiol-Acceptoren wurden Methyl-6-desoxy-x--D-xylo-hex-5-enopyranosid (I)il, 3-Desoxy-I,2:S,Qdi-O-isopropyliden-a-D-erythro-hex-3-enose (lI)ls--13, und D-

Glucal(III)~5J6 gew$ihlt. Durch die groDen strukturellen Unterschiede kann mit diesen Verbindungen ein recht klares Bild der radikalischen Addition von Benzylmerkaptan an enolische Zuckerderivate gegeben werden. Als Thiol wurde Benzylmerkaptan eingesetzt. Die glatt verlaufende Hydrogenolyse der Thiobenzykither durch Natrium in fliissigem Ammoniak eriiffnet einen Weg zur Darstellung von Thiozuckem17-lg. Die reduktive Entschwefelung mit Raney-NickeFO fiihrt zu Desoxyzuckern. Neben diesen prsparativen Mijglichkeiten war fiir die Wahl von Benzylmerkaptan die weit

gr6Bere Stabilitgt der S-H-Bindung gegenilber der in Thioessigsgure mabgebend. Nach den schon erhiuterten Gesichspunkten ist dadurch die Additionsreaktion sehr verlangsamt. Die parallel laufende Erhiihung der Lebensdauer des Intermedigr- radikals ermbglicht diesem, sich in die stabilste Konformation einzustellen.

Im Gegensatz zu Benzylmerkaptan reagiert Thioessigsaure such ohne u.v.- Bestrahlung in wenigen Minuten quantitativ mit I unter Bildung schlecht isolierbarer Reaktionsprodukte, von denen zwei in grijBerer Menge entstehen. Die weitere Unter-

suchung dieser Reaktion sol1 Gegenstand einer sptiteren Arbeit sein. Das Tri-O- acetyl-Derivat von I reagiert unter analogen Bedingungen nicht. Ebensowenig konnten Maki et czl.“l ein Additionsprodukt von ThioessigsCrre an Tri-O-acetyl-D- glucal nachweisen. Sie erhielten statt dessen ein Di-0-acetyl-I-thio-D-pseudoglucal.

Die Reaktion von I mit Benzylmerkaptan ergibt nach zweistiindiger Bestrahlung mit einer Quecksilber-Hochdrucklampe ausschlieDlich ein Produkt. Der zeitliche Ablauf der Reaktion wurde papierchromatographisch verfolgt. Bereits nachroMinuten ist Reaktionsprodukt nachzuweisen, nach 30 Minuten ist der Umsatz So%ig und nach zwei Stunden quantitativ. Es entsteht dabei Methyl-6-S-benzyl-6-thio-a-D- glucopyranosid (IV), dessen Konstitution durch Entschwefelung mit Raney-Nickel unter Bildung von Methyl-6-desoxy-a-D-glucopyranosid (V) bewiesen wurde. IV reagiert in siedendem Methanol nicht mit Quecksilberchlorid, es kann also kein Thioacetal durch Addition in 5-Stellung von I entstanden sein. Auf gleiche Weise konnte bei allen folgenden Reaktionen eine Markownikoff-Addition ausgeschlossen werden. Dieser Befund entspricht den Erwartungen, da bei radikalischen Additionen von Thiolen an Olefine bisher nur anti-Markownikoff-Verlauf beobachtet wurde. IV ist eine wachsartige amorphe Substanz, die nach Acetylierung ein kristallines Acetylderivat VI liefert. Theoretisch w&en bei der Addition von Benzylmerkaptan zwei Isomere zu erwarten, n?imlich das bereits beschriebene D-Glucose- sowieein L-Idose-Derivat. Bei der Addition von Diboran an Derivate von I ist dies such der Fall’s_ Zwei Isomere werden ebenfalls bei der Addition von Thioessigsaure an p-Pinen

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gefunden*, das wie I ein sechsgliedriges Ringsystem mit exocyclischer Doppelbindung ist. Die beobachtete ausschliel3liche Bildung von IV kann so verstanden werden, dal3 das intermedZre Radikal Ia induktiv durch den benachbarten Ringsauerstoff stabilisiert wird. Die so erreichte hohere Lebensdauer ermiiglicht die Einstellung des Gleichgewichts zugunsten von Ia (Abb. I) mit einer Bquatorialen -CHZ-S-CHZ-~H~- Gruppierung. Das Wasserstoffatom aus einem zweiten Molekiil Benzylmerkaptan kann dann nur in axialer Position eintreten. Die Frage nach der sterischen Anordnung des trigonalen Kohlenstoffradikal&s beim Eintritt des Wasserstoffatoms, planare oder tetraedrische Form, ist damit in diesem speziellen Fall zugunsten der tetraedrischen

Ib

Abb. I

Form beantwortet. Bei der Entbenzylierung von VI in fliissigem Ammoniak mit iiber- schiissigem Natrium wird such ein Teil der Acetylgruppen angegritTen. Wahrscheinlich ist es giinstiger, derartige Debenzylierungen mit den nicht acetylierten Verbindungen durchzuftihrenlg. Reacetylierung des Reaktionsproduktes mit Acetanhydrid in Pyridin ergibt eine im Hochvakuum destlllierbare einheitliche Substanz von leichter Gelb- fgrbung. Nach Entacetylierung ensteht amorphes Methyl-6-thio-rr-D-glucopyranosid (VII) mit einer S-H-Absorption im Infrarotspektrum bei 2500 cm-l. Das Acetat von VII wurde auf anderem Wege von Machell und Richards23 erhalten. Bei der Behand- lung von VII mit Raney-Nickel in siedendem Athanol wurde in fast quantitativer Ausbeute kristallines Methyl-6-desoxy-cl-D-glucopyranosid (V) erhalten.

II setzt sich mit Benzylmerkaptan nach dreistilndiger u.v.-Bestrahlung in StickstoffatmosphZre quantitativ urn. Die Reaktion wurde diinnschicht- und gas- cbromatographisch verfolgt. Es entstehen in genau gleichen Mengen zwei Additions- produkte VIII und IX, die ohne Trenneffekt im Hochvakuum destilliert, aber sowohl diinnschicht- wie such gaschromatographisch unterschieden werden kiinnen. Eine prgparative Trennung sol1 mit Hilfe von Tritiummarkierung durch Papier-

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chromatographie an Acetylcellulose noch erfolgen. Dal3 es sich bei VIII und IX urn 3-S-Benzyl-I,z:5,6-di-O-isopropyliden-3-thio-a-D-glucofuranose bzw. 3-S-Ben@- r,2:~,6-di-O-isOpropyliden-3-to-a-D-galaktofuranose handelt, erkl&t sich folgender- maBen. Nach der Entschwefelung mit Raney-Nickel liefert das redestillierte sirupSse Isomerengemisch wiederum zwei Substanzen (X und XI), die im Vakuum als 01 gemeinsam iiberdestillieren. Eine Trennung kann durch Dtinnschicht- oder Gas- chromatographieerfolgen.DieeinederbeidenSubstanzen,XI,istgaschromatographisch nicht von 3-Desoxy-I,2:5,6-di-O-isopropyliden-a-D-xylo-hexofuranose zu unterschei- den. Die Vergleichssubstanz wurde durch katalytische Hydrierungl” von II erhalten. Nach Animpfen des Isomerengemisches mit 3-Desoxy-1,2:5,6-di-O-isopropyliden- a-D-xylo-hexofuranose und Aufbewahren iiber Nacht bei o” enstand ein dicker Kristallbrei, der auf Tonscherben abgepreBt, eine kristalline Verbindung, XI, lieferte. Aufgrund von Mischschmelzpunkt und i.r.-Spektrum konnte sie als 3-Desoxy- 1,2:5,6- di-O-isopropyliden-a-D-xylo-hexofuranose identiliziert werden.

/ RH I RH

lx H3C CHJ

Abb. 2

In verschiedenen Arbeiten wurde gezeigt s2as4, dal3 die endo-Seite von II durch die I,a-U-Isopropylidengruppe sterisch stark gehindert ist. Der Angriff eines Thiyl- radikals in 3-Stellung ist demnach nur von der exo-Seite miiglich und das resultierende IntermedZirradikal nimmt IConfiguration Ha an. Eine bevorzugte Konfiguration zu IIa ist aufgrund des vorliegenden Furanoseringes nicht zu erwarten, im Gegensatz zum Pyranosering, d.h., die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des ungepaarten Elektrons

ist auf beiden Seiten des Furanoseringes gleich grol3. Das Wasserstoffatom kann also in ubereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen gleichberechtigt unter Bildung des D-Glucose- (VIII), bzw. des D-Galaktose-derivates (IX) eintreten. Am

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Molektilmodell ist zu erkennen, daD die Benzylthiogruppe eine C&addition des Wasserstoffs nicht behindert (Abb. 2).

Bei der Addition von Benzylmerkaptan an III besteht ein grundlegender Unterschied zu den gleichartigen Reaktionen von I und II in der stark herabgesetzten Reaktionsgeschwindigkeit. Nach 5 Stunden findet man einen nur etwa 5o%igen Umsatz. Verl%gerung der Reaktionszeit fiihrt zu Nebenprodukten und ein starker Geruch nach Schwefelwasserstoff 18l3t es nicht ratsam erscheinen, den Umsatz auf diesem Wege erhijhen zu wollen. Wahrscheinlich ist die unterschiedliche Reaktions- geschwindigkeit von I und II gegeniiber III dem Vorhandensein eines quartgren Kohlenstoffatoms in I und II (5- bzw. gPosition) zuzuschreiben. Dagegen ist in III das dem RingsauerstofI benachbarte Kohlenstoffatom (r-Position) tertiar.

Die Trennung des Reaktionsgemisches erfolgte papier- und gaschromatogra- phisch. Im Gaschromatogramm erkennt man neben nicht umgesetztem III zwei Pro- dukte (XII, XIII) im Mengenverhaltnis I: I. Wegen der unterschiedlichen Lijslichkeit gelang es, XII und XIII in reiner, kristalliner Form zu erhalten. Daraus wurden die Acetate XIV und XV ebenfalls in kristalliner Fom-t hergestellt. Sowohl XII als such XIII ergeben nach Entschwefelung mit Raney-Nickel Dihydro-D-glucal (r&Anhydrc- a-desoxy-D-arabi,to-hexit), das in semen Eigenschaften (Gaschromatogramm, Schmelz- punkt, i.r.-Spektrum) mit dem aus D-GIUCal durch katalytische Hydrierunggewonnenen Dihydro-D-glucalrs identisch war.

In der Umsetzung von Thiolen mit I-substituierten Cyclohexenen findet die AdditionvonBenzylmerkaptanan III eineParallele. Allerdings besteht ein Unterschied

TABELLE I

BILDUNG VON BENZYLTHIO&iHERN DURCH RADIKALADDITION VON BENZYLMERKAPTAN AN ENOLISCHE

ZUCKERDERIVATE

Et101 Additiomprodukte MengenczrJuiltnis der Reaktions- pPZdttkte”

Methyl 6-Desoxy-a-D-_v_Vlo- hex-5-enopyranosid(1)

3-Desoxy-r.z:5,6-di-O-iso- propyliden-a-D-er_&ro-hex-2-enose(II)

D-Glucal (III)=

Methyl 6-S-Benzyl-6-thio- a-D-glucopyranosid (iv)

3-S-Benzyl-r&:5,6-di-O- isopropyliden-2-thio-a-o-galaktose (IX) I: I

3-S-Benzyl-I,t:5,6-di-O-iso- propyliden-3-thio-a-D-glucose (vIII)n

I,+Anhydro-a-S-benzyl-a- thio-D-mannit (XII)

r,+Anhydro-z-S-bet&-z- thio-D-ghtcit (XIII)

1:t

aDie Mengenverhatnisse wurden durch quantitative Auswertung der Gaschromatogramme ermittelt. *Die Struktur koMte noch nicht eindeutig gekI&t werden. WI ist strenggenommen kein enohsches Zuckerderivat, sondern ein enolischer r,g-Anhydro-zucker- alkohol.

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darin, dal3 in III drei Bquatoriale Substituenten (zwei Hydroxylgruppen, eine Hydroxy- methylgruppe) den ungesiittigten 6-Ring in der vorgegebenen Konformation fixieren (Abb. 3). Die beschriebenen Versuche sprechen gegen das Postulat von Goering et aLg. Danach sol1 der Angriff des Thiylradikals in axialer Stellung erfolgen. Je nach Lebensdauer des gebildeten Intermediarradikals findet eine Isomerisierung zur squatorialen Konformation statt. Daraus wird die Bevorzugung der Trans- gegeniiber

“o&q_H ------_ ‘OqH RH “Oy& j. R.

R H mc -- ?Zb XIII

Abb. 3

der C&addition geschlossen.Wahrscheinlicher ist, da13 bereits im Intermediarradikal (IIIa, IIIb) die axiale oder aquatoriale Stellung fixiert ist. Modellbetrachtungen zeigen, da0 ein AngrifYam z-Kohlenstoffatom von III sowohl von ,,oben“ als such von ,,unten“ miiglich ist, demnach axiale oder aquatoriale Stellung der eintretenden Thiylgruppe resultiert. Sterische Hinderung ist in keinem Fall zu erwarten, d.h., da13 das Gs-

Trans-Verhaltnis bereits im ersten Reaktionsschritt bestimmt wird. Huyser et aLz5

untersuchten die Reaktion von 4+Butylcyclohexen mit Methylmerkaptan und fanden, dal3 die Additionsprodukte mit axialer Thiylgruppe gegeniiber denen mit gquatorialer iiberwiegen. Mit Recht wird immer vorausgesetzt, da13 eine Zquatoriale Fixierung des t-Butylrestes als Ankergruppe in 4-Stellung vorliegt. Die Bevorzugung axialer gegen- iiber aquatorialen Thiylgruppen scheint den beschriebenen Umsetzungen von III zu widersprechen. Fiir das Produkt mit Bquatorialer Thiylgruppe wird jedoch von Huyser als erstes Intermediarradikal eine Verbindung mit ,,twisted boat“-Konforma- tion postuliert. Bei der Reaktion von III ist ein ahnlicher Verlauf kaum zu erwarten, da eine vergleichbare ,,twisted boat“-Konformation (111~) die 3- und 4- Hydroxyl- gruppen in energetisch ungiinstiger axialer Stellung verlangen wiirde. Vielmehr ist anzunehmen, dal3 sich das IntermediZrradikal, such wegen der IZngeren Lebensdauer, in die fiir IIIb angegebene Konformation einstellt. Die beschriebenen Ergebnisse sind demnach mit denen von Huyser nicht ohne weiteres vergleichbar.

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Die Isomeren XII und XIII sind nicht nur gaschromatographisch eindeutig zu unterscheiden, sondem such nach ihren Schmelzpunkten, i.r.-Spektren und vor allem such durch ihre verschiedenen Drehwerte. Es liegt nahe, e&e stmkturelleZuord- nung mit Hilfe der opt&hen Drehung vorzunehmen. Entsprechend den gleichsinnigen Drehwerten gegenilber I,+Anhydro-D-ghrcit (XVII, positiv) und r,+Anhydro-D- mannit (XVI, negativ)26, k6nnten XII und XIII als r,+4nhydro-z-S-benzyl-a-thio-D- glucit bzw. I,+Anhydro-2-S-benzyl-zyl-2-thio-D-mannit aufgefabt werden; das hiehe, XII (positiver Drehwert) besitzt D-Gluco-, XIII (negativer Drehwert) ~-Mann& Konfiguration. Eine derartige Zuordnung istjedoch nicht iiberzeugend, da die Acetate von XII wie such von XIII (XIV bzw. XV) positiv, die Acetate von XVI und XVII dagegen im gleichen Sinn wie die nicht acetylierten Produkte drehenss. Daneben sprechen such die llngere Retentionszeit im Gaschromatogramm und der tiefere Schmelzpunkt von XIII gegeniiber XII nicht fiir eine Entscheidung aufgrund der opt&hen Drehung. Erfahrungsgem#3 ware zu erwarten, da13 das kompaktere Molekiil, das mit einer axialen Benzylthiogruppe, eine kiirzere Retentionszeit und einen hZiheren Schmelzpunkt hat. In der Tat konnte inzwischen durch Kernresonanz-Untersuchungen bewiesen werden, daD XIII trotz des negativen Drehwertes die r,5-Anhydro-D-glucit- Kotiguration und XII die Kotiguration des r,+Anhydro-D-mannits besitztsr.

Der seltene Fall, dab ein r,S-Anhydrohexit-, r,5-Anhydropentit- oder such ein Hexopyranosid-Derivat ohne VerCrderung der Konfiguration durch Acetylierung in Pyridin bei Zimmertemperatur einen’ entgegengesetzten Drehwert annimmt, ist experimentell zuverfolgen. XIIIwird in einer Kiivette acetyliert. Wie Abbildungq zeigt, tidet momentan eine Drehwert&dernng in positiver Richtung statt, die nach 8oMinuten eiuen konstanten Endwert erreicht. Ausdem Reaktionsgemisch kannXVin fast quantitativer Ausbeute isoliert werden. Nimmt man umgekehrt das so gewonnene XV in absolutem Methanol auf und verfolgt nach Zusatz einer katalytischen Menge

10 20 30 40 50 60 70 60 SO 100 110 120 - t (min)

Abb. 4. AbhSnggkeit des spezifischen Drehwertes von der Zeit bei der Acetyliercng von XIII in Pyridi?-Acetanhydrid (2:1) (bezogen auf nicht acetyliertes Produkt).

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Natriummethylat den Drehwert in Abhgngigkeit von der Zeit, so sinkt die anfangs positive Drehung rasch ab und erreicht bereits nach 8 Minuten den Endwert (Abb. 5). Aus der L6sung kann XIII mit guter Ausbeute in reiner lcristalliner Form zuriicki gewonnen werden.

-t(minl

O- 2

’ -\ ’

I

4 6 1

0 10 12 14 16

Abb. 5. AbhZngigkeit des speziiischen Drehwertw van der Zeit bei der Entacetylierung van XV in absoIutem Methanol mit einer kataIytischen Menge Natriummethylat (bezogen auf nicht acetyliertes Produkt).

Das Ph2nomen der Drehsinnumkehrung kann also nicht auf Konfigurations- Bnderung beruhen, sondern ist wahrscheinlich einer Konformationsanderung in XV zuzuschreiben, die auf einer gewissen sterischen Hinderung der Benzylthiogruppe (aquatorial) durch die eintretende Acetylgruppe (2quatorial) in 3-Stellung beruhen kiinnte.

In diesem besonderen Fall erlaubt also die Messung der Drehwerte eine bequeme Kontrolle des Reaktionsablaufes. Im allgemeirien werden bei Acetylierungen und Entacetylierungen von Zuckerderivaten die ReaktionslSsungen selbst bei homogenen Gemischen mehrere Stunden, manchmal sogar Tage, aufbewahrt, urn eine voll- stgndige Umsetzung zu erreichen. Wie schon h&fig gegul3er-t wurde, konnte such hier wieder deutlich gezeigt werden, daD kiirzere Reaktionszeiten ausreichend sind. Das bedeutet neben dem Zeitgewinn bei manchen instabilen Verbindungen Schonung der Substanz und damit bessere Ausbeuten.

EXPERIMEN’IELLER TEIL

Allgemeine Methoden Papierchromatographie. Papierchromatogramme wurden absteigend auf What-

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man Nr. I -Chromatographiepapier in r-Butanol-Pyridin-Wasser (6:4:3, v/v/v) angefertigt. Die Methode diente zur Untersuchung des zeitlichen Verlaufs der Additionsreaktionen von I und III mit Benzylmerkaptan, da sich die Enole von den Additionsprodukten sehr gut trennen lassen. Die Differenz der R,-Werte betrEgt in beiden FHllen etwa 0.2. Jedoch sollen individuelle R,-Werte wegen ihrer relativ schlechten Reproduzierbarkeit nicht angegeben werden. Der stark lipophile Charakter der Benzylthioilther IV, XII, und XIII schliel3t eine ausreichende Trennbarkeit der Additionsprodukte nach der hier angefiihrten Methode sowieso aus. Als Entwicklungs- reagenz wurde Natriumperjodat-Fuchsinschweflige Sgure verwendets*_

Gaschromatograpltie. Gaschromatographische Trennungen wurden wie schon an anderer Stelle beschrieben ausgefiihrtz2.

Bestrahlung der Reaktionsgenzische. Die Proben wurden in Reagenzglgsern aus klarem Quarzglas bestrahlt. Als Lichtquelle diente eine wassergekiihlte Queck- silberhochdrucklampe. Die Reagenzglgser wurden nahe an der Lichtquelle befestigt und von aul3en mit Aluminiumfolie abgeschirmt, urn eine miig!ichst hohe Lichtaus- beute zu erzielen.

Entschw~felung rnit Raney-Nickel. .%imtliche Reaktionen wurden mit der zehnfachen Gewichtsmenge Raney-Nickel in der 4o-fachen Volumenmenge Alkohol,

bezogen auf eingesetzte Schwefelverbindung, durchgefiihrt. Die Suspension lie13 man in allen Fallen 5 Stunden am Riickflub kochen.

Methyi 6-S-Bemy!-6-thio-a-D-glucopyranosi (IV)

Methyl 6-Desoxy-a-o-_yylo-hex-5-enopyranosid (I) (3 g) wird in Athanol(r5 ml) gel&t und mit frisch destilliertem Benzylmerkaptan (6 ml) versetzt. Die klare Liisung wird zwei Stunden in Quarzglasern, die mit Korkstopfen verschlossen sind, bestrahlt. Die Gl%er sollten fast vollst%ndig gefiillt sein. Vor der Bestrahlung wird kurze Zeit

S$ckstoff durchgeleitet. Urn eine msglichst gleichm&sige Belichtung des Reaktions-

gemisches zu erreichen, schiittelt man die Proben von Zeit zu Zeit urn. In einem .Parallelversuch mit kleineren Mengen wird der Reaktionsverlauf papierchromato- graphisch verfolgt. Nach 1.5-2 Stunden ist I nicht mehr nachzuweisen. Dafiir tritt in gleichem MaDe wie I verschwindetein neuer Fleck mit gt%ererWanderungsgeschwin- digkeit auf. Die Reaktionsmischung wird in einer offenen Schale in einem kraftigen Ahzug aufgestellt und das Liisungsmittel und iiberschiissiges Benzylmerkaptan mit einem Stickstoffstrom verjagt. Es bildet sich bald eine feste Masse. Durch geiegent- lic!hes Umriihren wird die Entfernung des Benzylmerkaptans erleichtert. Dieser ProzeB dauert etwa 15 Stunden. Dem wachsartigen Riickstand haftet noch starker Thiolgeruch an. Kristallisationsversuche in verschiedenen Lijsungsmitteln schlugen fehl. Durch Verreiben mit einer geringen Menge Ather-Petrolzither (60-7o”), I:I, v/3, und scharfes Absaugen der Suspension erhalt man IV als weil3es amorphes Pulver, das ohne weitere Reinigung acetyliert wird.

Met~~~vl~,~,~-Tri-O-acetyl-6-S-be~~zyl-6-?ltio-a-~-glucopyranosi~~ ( VZ)

Die gesamte im zuvor beschriebenen Versuch gewonnene Substanz (IV) wird

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in trockenem Pyridin (30 mi) geliist und mit Acetanhydrid (25 ml) versetzt. Man IZBt das Reaktionsgemisch iiber Nacht stehen und gieDt dann unter Riihren in Eis- wasser. Das ausgefallene ijl kristallisiert nach 3-4 Stunden. Umkristallisation kann aus iithanol oder &her-Petrol%ther (60-70”) erfolgen. Ausbeute: 6.5 g = 87% d.Th., bezogen auf eingesetztes I; Fp 105~; [c&& + 135” (c 1.5, Chloroform). (Gef.: C, 56.02; H, 6.25; S, 7.38. C20H2608S Ber.: C, 56.32; H, 6.15; S, 7.52x)_

Methyl 6-Desoxy-a-D-glucopyranosid ( V) aus IV

IV (2 g) werden mit Raney-Nickel wie im Abschnitt ,,AlIgemeine Methoden“ beschrieben behandelt. Nach Filtration und Einengen der alkoholischen Lijsung im

Vakuum erstarrt der Riickstand kristallin. Er wird aus Essigester umkristallisiert. Fp 98” (Lit-so, 98-99”); [ a 578~ +- I 59 (c I, Wasser). Das i.r.-Spektrum von V sowie ] 22 der Schmelzpunkt und die optische Drehung waren mit einer aus Methyl-6-desoxy-6- jod-a-D-glucopyranosid29 durch Behandlung mit Raney-Nickel gewonnenen Probe identisch. Der Mischschmelzpunkt zeigte keine Depression. Auch die Konstanten

fiir acetyliertes V stimmen mit den Literaturwerten30 iiberein: Fp 79, [cc]“; + 15g.z”.

3-S-Be?l~yf-r,2:5,6-di-O-isopropyl3-ihio-a-D-galaktose (IX) und 3-S-Bemy&1,2:5,6-

di-0-isopropyliden-3-thio-a-mghlcose (VZZZ).

II (I -4 g) wird in frisch destilliertem Benzylmerkaptan (3 ml) gelast und in einem offenen Quarzreagenzglas belichtet. WBhrend der Reaktion wird Stickstoff mit einer Geschwindigkeit von 20-40 Blasen pro Minute aus einem spitz zulaufenden Glasrohr durchgeleitet. Man erreicht dadurch eine stgndige Durchmischung. Nach 3 Stunden hatsichII,wiediinnschichtchromatographischfestgestellt wurde, quantitativ umgesetzt. f_&erschiissiges Benzylmerkaptan wird im Hochvakuum unter Zwischenschaltung einer mit fliissigem Stickstoff gekiihlten Kiihlfalle bei 60-70~ abdestilliert. Der 6lige, schwach gelb gefgrbte Riickstand (2.1 g) besteht nach gaschromatographischer Analyse zu etwa go% aus zwei Substanzen mit wenig unterschiedlichen Retentions- zeiten im genau gleichen Mengenverhgltnis. Die Mischung wird im Klebevakuum destilliert. Der etwas triibe Vorlauf (9o-150“) wird verworfen. Die Hauptfraktion geht als viskoses gelbliches 01 bei 160-162~ iiber (I .3 g). Im Gaschromatogramm dieses Produktes erscheinen nur noch die beiden bereits erwghnten Komponenten (VIII und IX), wobei die Komponente mit kleinerer Retentionszeit (IX) in etwas geringerer Menge als im Rohprodukt vorliegt. Es ist anzunehmen, da13 ein Teil mit dem Vorlauf iiberdestilliert ist. Aufgrund des Gaschromatogramms kann geschlossen werden, daI3 das kompaktere Molekiil IX die GaIaktokonfiguration hat. (Gef.: C, 62.10;

H, 7.07; S, g.33_ ClgH26OsS Ber: C, 62.27; H, 7-15; S, 8.75x)-

3-Desoxy-r~:5,6-di-O-isopropyliden-r-D-xylo-hexose (XZ)

Die destillierte Mischung von VIlI und IX (I g) wird mit Raney-Nickel wie im Abschnitt ,,Allgemeine Methoden“ behandelt. Nach Filtration und Eindampfen im Vakuum wird der farblose Riickstand bei 0.2 Torr destilliert. Zwischen go und 105~ gehen 0.5 g eines klaren farblosen 01s iiber, das nach dem Gaschromatogramm

Carbobydrare Res., z (I 966) 486-499

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496 J. LEHMANN

zu etwa 95% aus zwei Hauptkomponenten besteht. Die Komponente mit der kiirzeren Retentionszeit ist gaschromatographisch von authentischer 3-Desoxy-r,2:5,6-di-0- is;opropyliden-a-D-xylo-hexose nicht zu unterscheiden. Nach Animpfen des 01s mit 3-Desoxy-r,2:5,6-Di-O-isopropyliden-a-D-xylo-hexose kristallisiert iiber Nacht bei o” ein Teil ads. Der Kristallbrei wird auf Tonscherben abgeprel3t. Die hinterbleibenden feinen Nadeln (XI, 0.1 g) kristallisiert man aus PetrolZther (60-70”) urn. Nach dem daschromatogrammistdieSubsta~reinundmit3-Desoxy-r,2:5,6-Di-O-isopropyliden- a-b-xylo-hexose identisch. Fp 79-80” bit., 81” (ref. 14), 81.5” (ref. 1311. Der Misch- SC

P melzpunkt mit authentischem XI zeigt keine Depression. Auch die i.r.-Spektren

sind identisch.

I Die Identilizierung der zweiten Komponente (X) steht noch bevor.

I, -Anhydro-2-S-benzyi-2-thio-D-mannit

gi

I

(XII) und r,5-Anhydro-2-S-benzyl-2-thio-D- tit (XIII)

Sirupijses r+Glucal (III, 5 g) werden in Iithanol (15 ml) gel&t, mit frisch destilliertem Benzylmerkaptan (7 ml) vermischt und wie fiir I beschrieben bestrahlt. D

e r Reaktionsverlauf wird papierchromatographisch verfolgt. Nach 4 Stunden tritt

Geruch nach Schwefelwasserstoff auf, der sich laufend versttirkt, sodaD die Reaktion, o

q wohl ein grol3er Teil des D-Glucals noch nicht umgesetzt ist, nach 5 Stunden

ab lg

ebrochen wird. Liisungsmittel und Benzylmerkaptan werden wie bei der Umsetzung vop I beschrieben entfernt. Der gewonnene Kristallbrei wird mit wenig trockenem Adher verrieben und dieser vom UngelSsten abgegossen. Diesen ProzeB wiederholt rnin 2-3 mal. Die gaschromatographische Analyse zeigt neben nicht umgesetztem III

t (50%) zwei Komponenten (XII und XIII) in gleichen Mengen. Nach Zugabe von

W sser nil dem Riickstand erhglt man eine Kristallsuspension, die nach zweistiindigem Stkhen im Eisschrank scharf abgesaugt wird. Das kristalline Produkt (XII) wird zwkimal aus Athanol umkristallisiert und ist dann gaschromatographisch einheitlich. Adsbeute: 1-7 g = 19_5% d.Th.; Fp 167-168”; [&,&, t30.5” (c 0.5, Methanol). (G

t

f.: C, 57.69; H, 6.78; S, 12.16. C13H1sO& Ber.: C, 57.76; H, 6.71; S, 11.86%). Die vereinigten Mutterlaugen CwZssrige und alkoholische) werden mit Wasser

aui: IOO ml aufgefiillt und kontinuierlich 48 Stunden mit warmem Chloroform (200 ml) exdrahiert. Die ChloroformlSsung wird mit gegliihtem Natriumsulfat getrocknet und im ‘Vakuum eingedampft. Der Riickstand ist kristallin. Durch Umkristallisieren aus A&on-lither erhglt man die Substanz (XIII) gaschromatographisch einheitlich. Au$beute: 1.2 g = 13% d.Th.; Fp 151-151.5~; [OL]$O -12.8’ (c I, Methanol). (Gef.: C, 17.80; H, 6.80; S, 11.72. Cl3HlSo4S Ber.: C, 57.76; H, 6.71; S, 11.86%).

I 3,4,~-Tri-O-acetyl-r,~-an~zydro-2-S-benzyI-2-thio-D-~nannii (XIV)

6 S unden stehen und giel3t dann unter Rilhren in Eiswasser. Das ausgefallene dl kris allisiert nach Anreiben mit einem Glasstab. Die trocken gesaugte kristalline Ma se wird aus Petrolsther (60-70”) umkristallisiert. Ausbeute: 1.2 g = 82% d.Th.; Fp Clg

i

XII (I g) l%t man in trockenem Pyridin (IO ml) mit Acetanhydrid (5 ml)

104-105~; [ ] a && f28” (c 0.5, Chloroform). (Gef.: C, 57.67; H, 6.29; S, 8.31. : 2407s Ber.: C, 57.55; H, 6.10; S, 8.0g”A).

CorbbhyaPate Rex, 2 (1966) 486-499

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REAKTIONEN ENOLISCHER ZUCKERDERIVATE. II 497

3,4,~Tri-O-acetyZ-r,5_anhydro-2-S-benzyl (XV)

XIII (I g) wird wie im vorhergehenden Versuch beschrieben acetyliert und aufgearbeitet. Das erhaltene Produkt kristallisiert man aus Petrolather urn. Ausbeute 1.3 g = 89% d.Th.; Fp 79-80”; [ ] a s$& f14_5” Cc 1.5, Chloroform); [o~]s& +34” (c 1.2, Methanol). (Gef.: C, 57-56; H, 6-35; S, 7.88. ClgH2407S Ber.: C, 57-55; H, 6.10; S, 8.09%).

Dihydro-D-glucal aus XII und XIII

XII und XIII wurden getrennt mit Raney-Nickel behandelt und das Reaktions- produkt nach Aufarbeitung und Destillation im Hochvakuum jeweils als klares farbloses Harz erhalten. Nach Animpfen mit authentischem kristallinen Dihydro-D- glucal, das durch katalytische Hydrierung aus D-Glucal gewonnen wurde15, erstarrten beide Proben nach einigen Tagen kristallin. Beide durch Entschwefelung erhaltenen Proben waren auger einer geringen Verunreinigung (etwa 5%) mit niedrigerer Reten- tionszeit gaschromatographisch identisch mit authentischem Dihydro-D-glucal. Nach Umkristajlisieren aus absolutem iithanol-Petroliither stimmten die Schmelzpunkte der Przparate iiberein; Fp 84-86” (Lit. 15, 86-87O). Der Mischschmelzpunkt zeigte keine Depression. Die ix.-Spektren waren untereinander identisch.

Geschwindigkeit der Acetylierrmg von XIII ztnd der Entacetylierung von XV

XIII (15.8 mg) werden in einer I dm-Kiivette in Pyridin (2 ml) gel&t, mit Acetanhydrid (I ml) vermischt und sofort krsftig umgeschiittelt. Die Zeit wird vom Moment des Umschiittelns an gemessen. Die erste Messung des Drehwertes erfolgte nach 2 Minuten. Urn vergleichbare Werte zu erhalten, wird die spezifische Drehung aufgrund von eingesetztem XIII berechnet. Nach z Minuten betrggt [c~]sf& + I 1.4~. Die Drehung zur Zeit 0 liegt nach dem Kurvenverlauf (Abb. 4) bei negativen Werten. Der Endwert ist mit [c&t&, +63.5’ nach 80 Minuten erreicht. Die Aufarbeitung der Liisung ergibt 20 mg XV = 87% d.Th. Der Mischschmelzpunkt mit authentischem XV zeigt keine Depression. In Methanol gemessen ergibt sich wieder die bereits gefundene spezifische Drehung fiir XV mit [cc]$& f34”.

XV (63.8 mg) werden in absolutem Methanol (5 ml) gel&t und davon 3 ml in einer I dm-Kiivette bei 578 m,u gemessen. Bezogen auf die entsprechende Menge entacetylierter Substanz XIII (45 mg) ergibt sich ein spezifischer Drehwert von [=],&, +48.5”. Dieser Wert wird fiir die Zeit 0 eingesetzt. In die Kiivette pipettiert man dann 0.025 ml einer 1.5~ Natriummethylatlasung und beginnt sofort mit der Messung der Drehwerte. Die durch Zugabe der MethylatlGsun, (J entstandene Konzentrations- gnderung ist zu vernachl&sigen. Der Anfangswert sinkt rasch ab tind ist bereits nach g Minuten annshernd konstant ([a]s;&, -12.27. Nach 16 Minuten wird der Endwert mit [c&,& -12.7’ abgelesen, der dem einer reinen Probe XIII sehr gut entspricht ([c&i& -12.8”). Die eingedampfte Lijsung ergibt nach dem Umkristalli- sieren des Riickstandes aus Aceton-&her 30 m g reines XIII = 67% d.Th. Der Mischschmelzpunkt mit einer authentischen Probe zeigt keine Depression.

CarbohyrGate Res., 2 (x966) 486-4gg

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498 J. LEHMANN

DANK

Hem Prof. Dr. K. Wallenfels danke ich fiir sein Interesse an dieser Arbeit und fiir aterielle Unterstiitzung, Herrn Dipl. Chem. H. J. Bretschneider fiir wertvolle Hilfe b i der Abfassung des Manuskriptes. Fiir eine Probe 3-Desoxy-r,z:5,6-di-O-

b

b

isoprop liden-a-D-xylo-hexofuranose danke ich Herm Dipl. Chem. G. Fahrenheim. AuBerd m danke ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft fiir ein Habilitanden- stipendi m und eine Sachbeihilfe.

ZUSAMM i FASSUNG

D e radikalische Addition von Benzylmerkaptan an enolische Zuckerderivate L

wird be chrieben. Die Stereoselektivit5t dieser Reaktion wird an Hand der Umsetzung I

i

von M thyE6-Desoxy-a-D-xylo-hex-5;enopyranosid, 3-Desoxy- I ,2:5,6-di- O-isopro- pyliden-br-D-eryrhro-hex-3-enose, und D-GlUCal untersucht und mit entsprechenden Additioien von Thiolen an cyclische Alkene vergiichen.

D-e Geschwindigkeit der AcetyIierung und Entacetylierung in homogener LSsung wurde durch Messung der Drehwertssnderungen von I,+Anhydro-2-S- i benzyl-&thio-D-glucit bzw. dessen Tri-0-acetylderivat als geeigneten Untersuchungs- objekte verfoigt.

SUMMAR

Th,e free-radical addition of toluene-a-thiol to enolic sugar derivatives is des- ;

cribed. 1 he stereoselectivity of this reaction was investigated by studying the addition tomethy. 6-deoxy-ac-D-xyZo-hex-5-enopyranoside,3-deoxy-r,2:5,6-di-O-isopropylidene- cc-D-erytl.lro-hex-3-enose, and D-glucal, and by comparison with analogous additions of thiols to cyclic alkenes.

Th velocity of acetylation anddeacetylation of sugar derivativesin homogeneous solutions was measured by means of changes in optical rotation_ r,pAnhydro-2-S- benzyl-2- hio-D-glucitol and its triacetate were studied in this manner.

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Carboltydrate Res., 2 (1966) 486-499

Notes

Reaktionen enoiischer Zuckerderivate

Teil III. StrukturaufkGrung der Additionsprodukte von Benzylmerkaptan an D-Glucal

Bei der radikalischen Addition von Benzylmerkaptan an D-Glucal in tithanol- ischer Losung unter Stickstoff und Bestrahlung mit ultraviolettern Licht entstehenl zwei kristalline Substanzen (I und II) im Verhaltnis I: I “. Der Angriff des Thiylradikals in z-Stellung des o-Glucals wurde durch Entschwefelun,o mit Raney-Nickel unter Bildung von Dihydro-D-glucal sowohl aus I als such aus II bewiesen, sowie durch

die Resistenz beider Verbindungen gegeniiber Quecksilberchlorid in siedendem Metha- noll.

Es liegt nahe, I (or+) und II (a-_) strukturell mit Polygalit (i,5-Anhydro-o- glucit) bzw. Styracit (1,5-Anhydro-o-mannit) zu vergleichens. Die Messung der optischen Drehung der Reaktionsprodukte I ([c&&s f30.9, c 0.5, Methanol) und II ([a]& -12.S0, c I, Methanol) wiirde somit schon eine strukturelle Zuordnung miiglich erscheinen lassen. Das hieBe, dal3 I, mit positiver Drehung, die Konfiguration von r&Anhydro-D-glucit, II, mit negativer Drehung die von r,5-Anhydro-D-mannit h&te. Die lange Zeit umstrittene strukturelle Zuordnung der Naturprodukte Styracit und Polygalit fiihrte zu widersprechenden Ergebnissen, unter anderem aufgrund der optischen Drehung. Die endgiiltige Struktur der Acetate von I und II (la und IIa) konnte jetzt mit Hilfe der Protonenspektroskopie aufgekhirt werden. ._

Carbohydrate Res., 2 ( I 966) agg-so I