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Recht der Windkraftanlagen Februar 2011

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Die Bundesregierung ist ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise mit Zustimmung des Bundesrates Immissionsgrenzwerte zu erlassen. Am 26.08.1998 wurde die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) erlassen. Sie konkretisiert die Normen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und bindet insoweit neben der Verwaltung auch die Gerichte.“

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Recht - Windkraftanlagen

Die Bundesregierung ist ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise mit Zustimmung des

Bundesrates Immissionsgrenzwerte zu erlassen. Am 26.08.1998 wurde die Sechste Allgemeine

Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technischen Anleitung zum Schutz

gegen Lärm - TA Lärm) erlassen. Sie konkretisiert die Normen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

und bindet insoweit neben der Verwaltung auch die Gerichte.“

Verwaltungs- und Zivilrecht wurden angeglichen. Der im § 906 BGB verwendete Begriff der

wesentlichen Beeinträchtigung wurde dem im BImSchG verwendeten Begriff der „erheblichen

Belästigung“ gleichgestellt.

Die „schädliche Umwelteinwirkung“ ist grundlegender Maßstab für das gesamte öffentliche –

rechtliche und zivilrechtliche Lärmschutzrecht geworden.

Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG sind solche Geräuschimmissionen, die

„erhebliche Nachteile“ oder „erhebliche Belästigungen“ herbeiführen.

Das Kriterium der Erheblichkeit ist auch für den Schadensbegriff von Relevanz, weil nur

erhebliche Rechtsgutsbeeinträchtigungen als Schaden qualifiziert werden. Von schädlichen

Umwelteinwirkungen lässt sich daher generell nur dann sprechen, wenn die negativen Effekte

erheblich sind. Der Begriff der Erheblichkeit deckt sich nach h.M. mit dem der (Un-) Zumutbarkeit. Erheblich sind

danach diejenigen Beeinträchtigungen, die in der gegebenen Situation nach Art, Ausmaß oder Dauer

das dem Betroffenen zumutbare Maß überschreiten.

Belästigungen sind Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens eines

Menschen unterhalb der Schwelle der Gesundheitsschädigung.

Als Nachteile wird die Beeinträchtigung bloßer Interessen erfasst.

Schutzgegenstand des Nachteilsbegriffs sind daher insb. das Vermögen und solche immaterielle

Werte, die nicht unmittelbar mit der menschlichen Persönlichkeit verbunden sind. Bsp.: Wertminderung eines Grundstücks, Verminderung der Wohnqualität.

Nach dem Umweltrecht (Grundzüge des öffentlichen Umweltschutzrechts,

Sparwasser, Engel, Vosskuhle) ist zur Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle in differenzierter und

zugleich typisierender Betrachtungsweise auf den Durchschnittsmenschen abzustellen, damit

bleibt die subjektive Empfindlichkeit des Einzelnen außer Betracht. Die Zumutbarkeitsgrenzen für

die Anwohner ergeben sich aus der Schutzwürdigkeit der Umgebung (Gebiet).

Schutzbedürftigkeit eines Gebiets

Maßgeblich ist die bauplanungsrechtliche oder auch die faktische Prägung des jeweiligen Gebiets.

Z.B. sind Nutzungen in einem allgemeinen Wohngebiet schutzwürdiger als die in einem

Gewerbegebiet.

Je nach Gebiet wird die Schutzwürdigkeit reduziert, also die Zumutbarkeitsschwelle erhöht.

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Somit ergibt sich die Erheblichkeit - und (Un-) Zumutbarkeitsschwelle aus der Schutzwürdigkeit der

Umgebung. Gewerbegebiet tags/nachts65 dB(A)/50 dB(A) in Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten tags/nachts 60 dB(A)/45 dB(A) in allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten tags/nachts 55 dB(A)/40 dB(A) in reinen Wohngebieten tags/nachts 50 dB(A)/35 dB(A) in Kurgebieten, für Krankenhäuser und Pflegeanstalten tags/nachts 45 dB(A)/35 dB(A)

Welche Konsequenzen hat dieses Umweltrecht für Anwo hner von Windkraftanlagen?

Im Januar 2009 schreibt das Bayerische Staatsministerium des Inneren „Belästigungswirkungen des

Infraschalls und allgemein des tieffrequenten Schalls werden weitgehend vermieden, wenn bei der

Messung und Bewertung des Schalls nach der DIN 45680 verfahren wird und bei keiner Frequenz die

Hörschwelle um mehr als 5 dB überschritten wird.“

Im Juni 2009 wird die Mitteilung vom Bayerischen STMUG ergänzt „Bei der derzeit laufenden

Überarbeitung der DIN 45680 werden neuere wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt und eine

um ca. 5 dB abgesenkte Hörschwelle verwendet.

Hier wird von Belästigungen geschrieben, welche das körperliche und seelische Wohlbefinden eines

Menschen unterhalb der Schwelle der Gesundheitsschädigung beeinflusst.

Belästigungen wie sie bei der oft zitierten Studie des Bundesgesundheitsamtes, Ising 1982 bei 23 von

28 Probanden auftraten.

„Verminderte Konzentrationsfähigkeit, Müdigkeit, Anstrengung beim Lernen , Druckgefühl auf den

Ohren, leichtes Unwohlsein, Kopfschmerzen, Nervosität, Dröhnen im Kopf und Ohren, Verringerung

der Atemfrequenz statistisch signifikant, Angst – Frühwarnung vor einer Gefahr, Missempfindung

durch Vibrationen, Erhöhung der Herzfrequenz.“ Identisch mit dem Windturbine Syndrom.

Das Bayerische Verfassungsgericht sagt dazu, dass nur unspezifische Stressreaktionen und keine

ausgeprägten Schadwirkungen festzustellen waren.

Wenn bei einer rechtlich einwandfreien genehmigten Windkraftanlage in einem Kern-, Dorf- oder

Mischgebiet tags/nachts 60 /45 dB(A) nicht überschritten werden und Anwohner derartige

unspezifische Stressreaktionen verspüren, sind diese hinzunehmen, weil hier rechtlich keine

erhebliche Belästigung vorliegt.

In einer Schrift des Bundesumweltamtes - Messungen und Bewertung tieffrequenter

Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft - DIN 45680, ist zu lesen,

„Enthält ein Geräusch ausgeprägte Anteile im Bereich tiefer Frequenzen, kann anhand der üblichen

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Messungen nicht mehr verlässlich abgeschätzt werden, ob innerhalb von Gebäuden erhebliche

Belästigungen vermieden werden. Zum einen liegen im Bereich unter 100 Hz nur wenige Daten über

Schalldämmwerte von Bauteilen vor (bauakustische Anforderungen werden für Frequenzen unter

100 Hz nicht gestellt), andererseits können durch Resonanzphänomene Pegelerhöhungen in den

Räumen auftreten. Daher sind bei Einwirkung tieffrequenter Geräusche ergänzende Messungen

innerhalb der Wohnungen notwendig.“

Bildliche Darstellung der Pegelerhöhungen in den Räumen und Schalldämmwerte von

Räumen, zur besseren Verständlichkeit.

Bilder aus - Messungen und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft - DIN 45680

Resonanzphänomene

Bild aus - „Tieffrequenter Lärm von großen Windkraftanlagen“ Aalborg Universitet 2010, Henrik MØller und Christian Sejer

Pedersen

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Zwar gibt es eine hohe Zahl von Verwaltungsklagen gegen Windkraftanlagen, aber in keinem der

Gerichtsbeschlüsse (zumindest konnte ich keine finden) werden ergänzende Messungen von

tieffrequenten Schall in den Schlafräumen der Anwohner angeordnet, obwohl es nach der

DIN 45680 notwendig wäre.

Obwohl in der Schrift - Messungen und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen in der

Nachbarschaft – von erheblichen Belästigungen geschrieben wird, sind es nach gegebener

Rechtslage, nur Belästigungen und diese sind vom Anwohner hinzunehmen.

Um dies näher zu verdeutlichen ein weiteres Bild aus - - „Tieffrequenter Lärm von großen

Windkraftanlagen“ Aalborg Universitet 2010, Henrik MØller und Christian Sejer Pedersen

Indoor-Schalldruckpegel, in der der A-bewertete Schalldruckpegel eines Windparks 44 dB im

Freien ist.

Hier gibt es hörbaren Schall an manchen Stellen in allen Räumen und von allen WKA. In mehr als

der Hälfte aller Fälle (48 von 81) wird die normale Hörschwelle mit mehr als 15 dB in einem oder

mehreren 1/3 –Oktavbändern überschritten, und es besteht das Risiko, dass ein bedeutsamer Teil

der Anwohner von dem Schall belästigt wird.

Nach der Schutzwürdigkeit von Mischgebieten ist eine Grenze von 45 dB(A) nachts das Maß der

Erheblichkeit.

Eine Überschreitung von 15 dB über der mittleren Hörschwelle, wäre demnach rechtlich nur eine

Belästigung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens.

Eine Grenze, eine rechtliche Markierung der Erheblichkeit gibt es bei den Frequenzen unter 100 Hz

nicht. Es gibt nur Richtwerte, bei denen, wenn sie Überschritten werden, von einer Belästigung

ausgegangen wird. Was rechtlich keine Bedeutung hat. Wäre sozusagen eine Klage ohne Aussicht auf

Erfolg.

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Aus dem Vortrag von Frau Prof. Alves-Pereira - Wind Turbine Noise, Lyon France September 20 – 21

2007 – habe ich eine Grafik entnommen und die mittlere Hörschwelle (nicht die um 5 dB

abgesenkte) grob eingetragen.

Die Hörschwelle ist im Bereich unter 100 Hz deutlich überschritten.

Damit sind die im Bericht angegebenen gesundheitlichen Beschwerden der Familie nicht nur

glaubwürdig, sie waren auch zu erwarten.

Im Umweltrecht - ist zur Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle in differenzierter und

zugleich typisierender Betrachtungsweise auf den Durchschnittsmenschen abzustellen.

Der typische Mensch(Durchschnittsmensch)

Der atypische Mensch (Kinder, Schwangere und alte Menschen)

Der hochgradig atypische Mensch (kranke und behinderte Menschen)

Laut – Abschlussbericht zum BMU-Forschungsvorhaben (FKZ: 0 3MAP134) – „Es ist davon

auszugehen, dass in der Nähe jedes WP mehr als 10 % Anwohner leben, die durch akute sowie

chronische, psychische und körperliche Beschwerden/Erkrankungen vorbelastet sind.“

Kurz - jeder 10. Anwohner ist hochgradig atypisch und seine subjektive Empfindlichkeit

(bleibt außer Betracht) ist nicht zu berücksichtigen.

Das BMU schreibt zwar das hier zu differenzieren sei: - „Bei Gesundheitsschäden ist das

Kriterium der Erheblichkeit grundsätzlich zu bejahen. Eine Gesundheitsbeeinträchtigung ist auch

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dann erheblich, wenn sie nur bei besonders empfindlichen Bevölkerungsgruppen, wie Kindern, Alten

oder Kranken, auftritt. Gesundheitsschäden - auch Behinderter - sind immer erheblich.“

Diese Aussage wird aber relativiert durch das Umweltrecht. Hier herrscht allein Gebietsschutz und

damit bleibt die subjektive Empfindlichkeit des Einzelnen außer Betracht, auch wenn sie erheblich

ist.

Im September 2009 schreibt das Bayerische STMUG „Aus Art. 10 Bay<UIG ergibt sich jedoch keine

Pflicht zur aktiven Information der Öffentlichkeit über eventuelle Nachteile Einzelner aufgrund

persönlicher Verhältnisse. „

„Es ist nicht ersichtlich, dass die finanzielle Beteiligung von Bürgern an Windkraftanlagen oder die

Werbung hierfür gegen Treu und Glauben verstößt, wenn hierbei nicht auf mögliche Belästigungen

Einzelner aufgrund persönlicher Verhältnisse hingewiesen wurde.“

In einem Schreiben des VDK von 2005 steht, „Zudem besagt die Rechtssprechung des

Bundesverwaltungsgericht nach uns vorliegenden Informationen, dass es denjenigen Menschen, die

sich durch die Auswirkungen von vorschriftsmäßigen Windkraftanlagen in ihrer Gesundheit oder

Ruhe erheblich gestört fühlen, selbst obliegt, einen anderen Wohnort zu suchen.“

Da gelangen Immissionen ins Haus, die geeignet sind Belästigungen herbeizuführen und die bei

speziellen Vorerkrankungen sogar bleibenden Schaden verursachen können und es besteht keine

Gesetzesgrundlage die Anwohner darüber zu informieren. Die Grundeinstellung des

Bundesverwaltungsgerichts, dass es den betreffenden Bürger selbst obliegt einen anderen Wohnort

zu suchen. Wird als Information nicht weitergegeben.

Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens, welche dem Kriterium einer

zulässigen Belästigung entsprechen, sind Auswirkungen einer Immission.

Jedes simple Medikament muss Aus-(Neben-)Wirkungen und die Häufigkeit des Eintreffens in Form

von sehr häufig, häufig, gelegentlich, selten, sehr selten angeben, um damit auf Risiken,

insbesondere bei Vorerkrankungen die verstärkt werden könnten, hinzuweisen.

Vorschlag für WKA-Gebiete - Handzettel beim Arzt oder Apotheker deponieren.

Falls sie Konzentrationsprobleme, Müdigkeit, Lernprobleme, Unwohlsein, ……usw. auch in seltenen

Fällen epileptische Anfälle bemerken und sie im Umkreis einer WKA wohnen, kann es sein, dass in

ihrem Haus die Hörschwelle der Frequenzen unter 100 Hz überschritten ist.

Das Bundesverwaltungsgericht empfiehlt in diesem Fall einen anderen Wohnort zu suchen.

Nein, dass ist nicht scherzhaft gemeint.

Helga Hung 10.02.2011

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Referenzen

1. Beurteilung und Bewertung von Gesamtlärm, Landesanstalt für Umweltschutz, Baden-

Württemberg, 2000 - 7. Rechtliche Aspekte

2. Grundzüge des Immissionsschutzrechts, Albert-Ludwigs-Universität-Freiburg, Holger Wöckel

2008 www.jura.uni-freiburg.de/institute/ioeffr3/forschung/papers.php

3. Umweltrecht: Grundzüge des öffentlichen Umweltschutzrechts, Sparwasser, Engel, Vosskuhle

„Zur Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle ist in differenzierter und zugleich typisierender

Betrachtungsweise darauf abzustellen, was von einem verständigen Durchschnittsmenschen

in Abwägung der Vor-und Nachteile für alle Betroffenen billigerweise hinzunehmen ist. Die

subjektive Empfindlichkeit des Einzelnen bleibt damit außer Betracht. Aus

verfassungsrechtlicher Sicht ist die besondere Empfindlichkeit von Personengruppen

(Kindern, Schwangeren und alten Menschen) jedoch zu berücksichtigen. Bei den meisten

Immissionen (nicht aber bei gesundheitsgefährlichen Immissionen) folgt die

Zumutbarkeitsgrenze aus der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Umgebung, also

aus dem Gebietscharakter, wie er faktisch bzw. aus einem Bebauungsplan besteht. In

gleicher Weise differenzieren auch die amtlichen oder privaten Regelwerke festgesetzten

Immissionsorientierungs-, Immissionsricht- oder Immissionsgrenzwerte.“

4. DIN 45680 Präsentation, Dr. Kubicek 10. Chemnitzer Fachseminar

www.iproplan.de/cms/images/stories/pdf/10_06.pdf

5. D.Kràhe, DEGA-Symposium 27. November Folienvortrag

6. Vortrag D.Kràhe , Acoustics 08 Paris http://intellagence.eu.com/acoustics2008/acoustics2008/cd1/data/articles/002964.pdf

7. Messungen und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen in der

Nachbarschaft - DIN 45680

www.umweltbundesamt.de/laermprobleme/publikationen/infraschall.pdf

8. Frau Prof. Alves-Pereira - Wind Turbine Noise, Lyon France September 20 – 21 2007

9. Tieffrequenter Lärm von großen Windkraftanlagen“ Aalborg Universitet 2010, Henrik MØller

und Christian Sejer Pedersen, 2010