Rechtliche und methodische Anforderungen an Testing-Verfahren
in Deutschland Alexander Klose Bro fr Recht und Wissenschaft
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Testing-Verfahren in Deutschland Bis zum Inkrafttreten des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) 2006: Testing-Verfahren
als Instrument zur Bekmpfung von Diskriminierungen weitgehend
unbekannt/ungenutzt In den vergangenen Jahren Wiederholter Einsatz
von Testing-Verfahren durch Antidiskriminierungsbros vor allem im
Freizeitbereich Wissenschaftliche Testing-Studien in den Bereichen
Wohnen und Arbeit Justiz Wenige erstinstanzliche Urteile Keine
hchstrichterliche Rechtsprechung
Lebensbereich 1: Diskothek Antidiskriminierungsberatungsstelle
basis & woge (2012) Face-to-face Testing von 8 Clubs rund um
die Hamburger Reeperbahn Testpersonen afrikanischer und arabischer
Herkunft wird der Zugang verweigert, bei einigen Clubs werden sie
schon in der Warteschlange aussortiert Antidiskriminierungsbro
Sachsen (2011) Face-to-face Testing von Leipziger Clubs 6 Klagen
wegen rassistischer Einlasskontrollen 500 Schmerzensgeld wegen
Diskriminierung
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Lebensbereich 2: Wohnen Thomas Max Mller / Pixelio Marko
Greitschusr / Pixelio
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Lebensbereich 2: Wohnen Kilic: Diskriminierung von Migranten
bei der Wohnungssuche (2008) Testpersonen mit/ohne trkischem
Migrationshintergrund 1. Stufe: Schriftliche Internet-Anfrage
(n=400) 2. Stufe: Telefonische Vereinbarung eines
Besichtigungstermins (n=24) 3. Stufe: Wohnungsbesichtigung (n=8)
Planerladen e.V.: Ungleichbehandlung von Migranten auf dem
Wohnungsmarkt Telefonisch (2009): n=482 19 % der Anbietenden
behandelten die trkische Testperson schlechter als die deutsche
(Absage, kein Rckruf) Schriftlich im Internet (2007): n=151, 42 %
der Anbietenden antworten nur der deutschen und nicht der deutschen
Test-Identitt
Lebensbereich 3: Arbeit Kaas/Manger: Ethnic Discrimination in
Germanys Labour Market: A Field Experiment Schriftlich (2010):
n=1.056 Testperson mit/ohne trkischem Migrationshintergrund (Name)
Bewerbung um ein Praktikum im Rahmen des Wirtschaftsstudiums 40 %
der deutschen aber nur 35 % der trkischen Test- Identitten
erhielten eine positive Rckmeldung Goldberg/Mourinho/Kulke:
Arbeitsmarkt-Diskriminierung gegenber auslndischen Arbeitnehmern in
Deutschland Telefonisch (1993/1994): semi-skilled jobs, n=175
Diskriminierungsquote: 19 % Schriftlich (1994): higher qualified
jobs,): n=299 Diskriminierungsquote: statistisch nicht
signifikant
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Versuch einer Typisierung Zweck Einzelfallbezogen: Durchsetzung
von Antidiskriminierungsrecht im konkreten Einzelfall
Wissenschaftlich: Messung des Ausmaes diskriminierender Praktiken
in einer Gesellschaft Anlass Initiativ: Diskriminierungen sollen
aufgedeckt und vor Gericht gebracht werden Reaktiv: Fr einen
bereits bekannten Diskriminierungsfall sollen Beweise gewonnen
werden Methodik Echt: berprfung, ob Testpersonen, die sich mglichst
nur in dem getesteten Merkmal unterscheiden, verschieden behandelt
Unecht: Wiederholung eines diskriminierenden Verhaltens in
Anwesenheit von Zeug_innen
Rechtliche Anforderungen Strafrecht Urkundenflschung: Flschung
von Bewerbungsunterlagen (z.B. Lebenslauf, Zeugnis) jedenfalls bei
fiktiven Testpersonen? Betrug: keine Absicht, sich einen
rechtswidrigen Vermgensvorteil zu verschaffen Wettbewerbsrecht
Testings durch Konkurrent_innen zulssig, wenn sich Testpersonen wie
normale Kund_innen verhalten und den Betriebsablauf nicht stren
Arbeitsrecht berprfung von Mitarbeiter_innen durch Arbeitgeber_in
zulssig, solange dies nicht zu einer dauerhaften berwachung
fhrt
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Testings und Beweislast 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
- Beweislast Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist,
die eine Benachteiligung wegen eines in 1 genannten Grundes
vermuten lassen, trgt die andere Partei die Beweislast dafr, dass
kein Versto gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung
vorgelegen hat. 22 Loi gnrale sur l'galit de traitement (LGE) -
Charge de la preuve Si, en cas de litige, l'un des parties prouve
des faits conduisant conclure un traitement inquitable fond sur une
des raisons cites l'article 1er, l'autre partie a la charge de la
preuve pour montrer que les dispositions assurant la protection
contre tout traitement inquitable n'ont pas t violes.
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Testings und Beweislast Beweiserleichterung in zweierlei
Hinsicht Statt Haupttatsachen (z.B. Kausalitt) mssen nur
Hilfstatsachen bewiesen werden (Indizien). Es gengt, wenn das
Gericht den Schluss vom Indiz auf die Haupttatsache fr berwiegend
wahrscheinlich hlt (vermuten lassen). Rechtsfolge: Verlagerung der
Beweislast Die andere Partei hat nun die Mglichkeit, zur vollen
berzeugung des Gerichts zu beweisen, dass kein Versto gegen die
Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorliegt.
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Testings und Beweislast Ist es berwiegend wahrscheinlich, dass
fr die Ungleichbehandlung der Testpersonen die unterschiedliche
Merkmalsausprgung kausal war? hnlichkeit der Testpersonen (mit
Ausnahme der Merkmalsausprgung) Relevanz der Individualitt des/der
Vertragspartner/in fr das jeweilige Rechtsgeschft Vorliegen
weiterer Indizien (z.B. Aufdeckung eines Alibi-Arguments) Diskothek
Wohnung Arbeit
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Testings und Beweislast Testing- Verfahren UnechtEcht Initiativ
Kein Fall des 22 AGG: Da es hier darum geht, ein offen
diskriminierendes Verhalten vor Zeug/innen noch einmal auszulsen
und zum Gegenstand eines Rechtsstreits zu machen, bedarf es keiner
Beweiserleichterung. Vom unterschiedlichen Verhalten der getesteten
Person gegenber den beiden Testpersonen kann auf eine
Diskriminierung geschlossen werden, wenn es nach allgemeiner
Lebenserfahrung berwiegend wahrscheinlich ist, dass die
Ungleichbehandlung keinen anderen Grund als die unterschiedliche
Merkmalsausprgung hat. Reaktiv Von der (offenen) Diskriminierung im
Testing-Verfahren kann auf eine Diskriminierung im Ausgangsfall
geschlossen werden, vorausgesetzt die Rahmenbedingungen sind
hinreichend vergleichbar. Wie bei unechten reaktiven
Testing-Verfahren ist auch hier ber die Vergleichbarkeit der
Testpersonen und ihres Verhaltens hinaus zu fragen, ob die dem
Testing-Verfahren zugrunde liegende(n) Situation(en) mit der des
Ausgangsfalls vergleichbar ist. Unter dieser Voraussetzung ist ein
Schluss vom Testing-Verfahren auf die Kausalitt der
Merkmalsausprgung im Ausgangsverfahren zulssig.
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Schriftlich Telefonisch Persnlich Durchfhrung von
Testing-Verfahren Kreation von Testidentitten, die sich mglichst
nur in der Ausprgung des relevanten Merkmals unterscheiden
Rekrutierung von Testpersonen im Hinblick auf uere und innere
Eigenschaften Einstudieren der fr die Bewerbung relevanten
Informationen, den Gesprchsverlauf und Reaktionen auf mgliche
Nachfragen Dokumentation des Testing- Verfahrens durch Protokolle,
Berichte und Supervision
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Zusammenfassung Testing-Verfahren sind eine in Deutschland
bisher kaum genutzte Mglichkeit, um die Beweisnot von Menschen zu
lindern, die von Diskriminierung betroffen sind. Weder arbeits-
noch wettbewerbs- oder strafrechtliche Grnde stehen der Durchfhrung
von Testing-Verfahren grundstzlich entgegen. Inzwischen liegen
methodische Standards vor, deren Fehlen von Praktiker/innen als
zentrales Hindernis fr die Anwendung des Instruments genannt
wurden. Ergebnisse von Testing-Verfahren, die diesen Anforderungen
entsprechen, knnen vor Gericht das Vorliegen einer Diskriminierung
nach 22 AGG indizieren.
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Offene Fragen Auswirkungen des Testings auf das Bestehen / die
Hhe des Entschdigungsanspruchs? Zulssigkeit der Durchfhrung
einzelfallbezogener Testing-Verfahren durch staatliche Stellen?
Ethische Bedenken: Tuschung der Getesteten? Demtigung der
Testpersonen?