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Das Hotel in der Wohnung: Was darf Airbnb, was nicht? Neue Modelle der Sharing Economy die Vermittlungsplattform Airbnb machen der konventionellen Wirtschaft zunehmend Konkurrenz. Verschaffen sie sich dabei einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil? Was dürfen Airbnb & Co., an welche Regeln sind sie gebunden? Darüber diskutieren Juristen und Unternehmer. Diskutierende Daniel Ennöckl, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Wien Matthias Kubicki, Mitgründer von Key to Office Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung Andreas Vonkilch, Professor für Zivilrecht an der Universität Innsbruck Brigitta Zöchling-Jud, Professorin für Zivilrecht an der Universität Wien Moderation Benedikt Kommenda, „Die Presse“ Zeit und Ort Montag, 6. Juni 2016, 18 Uhr Dachgeschoß im Juridicum, Schottenbastei 10–16, 1010 Wien Eintritt frei! Anmeldung bis 3. Juni 2016 per E-Mail an [email protected] Eine Veranstaltung der „Presse“ DiePresse.com/veranstaltungen DiePresse.com/veranstaltungen Wir schreiben seit 1848 RECHTSPANORAMA AM JURIDICUM © Clemens Fabry, Nr 27314f13 Einen Anwalt einzuschalten darf kein Nachteil sein Höchstgericht verwirft kuriose Rechtsmeinung eines Arbeitgebers. Wien. Mit klaren Worten reagiert der Oberste Gerichtshof (OGH) auf die Argu- mentation eines Arbeitgebers, der eine Mutter nicht mehr beschäftigen wollte. Es war nicht der erste Prozess zwischen den beiden. Zuvor hatte die Frau schon er- folgreich ihre Entlassung bekämpft, die der Arbeitgeber gegen die Schwangere fünf Monate vor der Geburt ihres Kindes ausgesprochen hatte. Nun ging es darum, dass der Arbeit- geber die Rückkehr der Mutter nach ihrer zweijährigen Karenz nicht akzeptieren wollte. Sie hatte zweimal den Arbeitgeber um Bekanntgabe ersucht, wann und wo sie ihren Dienst wieder antreten könne. Eine Antwort blieb aus. Als sie am Tag nach ihrer Karenz trotzdem wieder zu ih- rem Arbeitsplatz ging, traf sie dort nie- manden an. Daraufhin ging sie zu einer Rechtsanwältin, die dem Arbeitgeber noch einmal mitteilte, dass die Frau arbeitsbereit sei. Der Arbeitgeber, eine GmbH, sah in dieser Vorgangsweise einen Grund, nichts mehr zahlen zu müssen. Dem setzt nun der OGH (8 Ob A76/15g) entgegen: „Der Einwand, die Klägerin habe ihre Ansprü- che verloren, weil sie sich bei der Bekräfti- gung ihrer Bereitschaft zur Arbeitsauf- nahme eines Rechtsanwalts bedient hat, entbehrt jeglicher Grundlage.“ Die Frau hat somit ein Recht auf ihr Entgelt. (aich) Todkranker muss Zeugen suchen Letzter Wille. Wenn es dem Ende zugeht, darf man nicht einfach ein mündliches Testament verkünden. Entscheidend ist, ob man noch genug Zeugen für ein schriftliches finden könnte. VON PHILIPP AICHINGER Wien. Will man Streitigkeiten um sein Erbe verhindern, darf man mit den Formvorschrif- ten nicht leichtfertig umgehen. Das zeigt ein aktueller Rechtsfall. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob schon die Voraussetzungen für ein mündliches Nottestament gegeben waren. Der Mann, der sein Hab und Gut verma- chen wollte, wusste, dass es nicht gut um ihm stand. Er war selbst Arzt, nun lag er aber als Patient im Krankenhaus. Seine Lebensgefähr- tin, eine Richterin, wusste jedoch nicht auf Anhieb, wie man in so einer Situation ein gül- tiges Testament errichtet. Sie ging nach Hau- se, schaute in juristischen Büchern nach. Und erzählte dem Mann am Tag darauf, dass er ein mündliches Nottestament errichten dürfe. Ein mündliches Testament darf man seit dem Jahr 2005 nur mehr in einer Notlage er- richten. Die alte Regel, die mündliche Testa- mente ohne Ausnahmesituation erlaubt hat- te, wurde abgeschafft, weil die Missbrauchs- gefahr zu groß war. Droht aber „unmittelbar die Gefahr, dass der Erblasser stirbt oder die Fähigkeit zu testieren verliert“, dann, so sagt das Gesetz, könne man auch jetzt noch ein mündliches Testament errichten. Dafür benötigt man nur zwei Zeugen. Im Gegensatz zu einem regulären, von fremder Hand verfassten Testament, das der Erblasser unterschreibt. Dafür benötigt man drei Zeu- gen. An ein vom Betroffenen komplett hand- schriftlich verfasstes Testament (für das man keinerlei Zeugen benötigt) war nicht zu den- ken, dafür war der Mann zu schwach. Doch wenn er nicht schlief, war er geistig voll da. Er äußerte selbst auch die Vermu- tung, dass er wohl die Intensivstation nie mehr verlassen werde. Er konnte nicht mehr selbstständig essen und mit seinen geschwol- lenen Händen keine längeren Texte oder auch nur einzelne Sätze schreiben. Sehr wohl gelang es ihm im Spital aber, die Hausord- nung zu unterschreiben. Einen Tag, nachdem ihm seine Lebensgefährtin die Modalitäten für ein Nottestament erklärt hatte, schritt der Mann zur Tat. Er hatte Besuch von seiner Schwester, einem Freund und dem Freund der Schwester bekommen. In Anwesenheit der beiden Männer erklärte der Mann, testie- ren zu wollen. Und sagte, dass sein Neffe und seine Nichte alles erben sollten. „Sonst soll niemand etwas bekommen“, sprach der Mann. Acht Tage später starb er. Nun gab es aber auch ein älteres, eigen- händiges Testament des Mannes. Darin hatte er noch erklärt, dass seine Schwester und sein Bruder lebenslänglich zu gleichen Teilen die Einkünfte aus seiner Gesellschaft, einer OEG, erhalten sollen. Grundsätzlich schlägt das jüngere das alte Testament, aber nur, wenn es gültig errichtet wurde. Für die Schwester des Verstorbenen ging das neue Testament in Ordnung, waren doch ihre beiden Kinder die nun Bedachten. Der Verlierer des neuen Testaments, der Bruder, klagte aber. Und ver- langte die Feststellung, dass das Nottesta- ment ungültig sei, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Das Wiener Landesgericht für Zivilrechts- sachen gab dem Kläger recht. Möge der Ge- sundheitszustand des Patienten auch kritisch gewesen sein, so habe doch keine akute Le- bensgefahr bestanden. Das habe selbst der später Verblichene so gesehen, der seinen letzten Willen nicht sofort, nachdem er von der Möglichkeit eines Nottestaments unter- richtet worden war, erklärte. Es wäre dem Mann möglich gewesen, ein von einer ande- ren Person geschriebenes, reguläres Testa- ment zu unterfertigen. Schreibutensilien und mögliche Zeugen gebe es im Spital genug. Al- ternativ hätte der Mann auch noch einen No- tar rufen können, befand das Landesgericht. Das Oberlandesgericht Wien sah hinge- gen die Voraussetzungen für ein mündliches Nottestament gegeben. Dafür reiche eine ernstliche Todesgefahr. Und der Mann habe auf die juristische Meinung seiner Lebensge- fährtin vertrauen müssen, laut der das Not- testament hier zulässig wäre. Findet man im Spital genug Zeugen? Für den Obersten Gerichtshof (OGH) ist der springende Punkt die Frage, ob es dem Mann gelungen wäre, drei Zeugen aufzutreiben (die man für ein fremdhändig geschriebenes Testament gebraucht hätte, das der Mann nur hätte signieren müssen). Der Mann konnte zwar einerseits sein Bett nicht verlassen, an- dererseits bekam er regelmäßig Besuch und war von Spitalspersonal umgeben. Und er konnte sich noch äußern und unterschreiben oder Handzeichen machen. Einen Zeugen zu suchen wäre ihm jedenfalls zumutbar gewe- sen, befand der OGH (2 Ob 86/15h). Geprüft werden muss laut OGH aber noch, ob es dem Mann auch gelungen wäre, einen passenden dritten Zeugen zu finden. Einen, der nicht von dieser Funktion ausge- schlossen ist, weil er selbst im letzten Willen begünstigt wird oder mit einem Nutznießer verwandt ist. Diese Frage muss nun noch die Unterinstanz klären. Die Beweislast dafür, dass mangels genügend Zeugen nur noch ein Nottestament möglich war, werde hier Nichte und Neffe treffen, sagte der OGH. Also jene, die vom Nottestament profitiert haben. Wien Neubau: Schanigarten parkt in Anrainerzone „Die Presse“ hat vom vergeblichen Ver- such einer Gastronomin berichtet, in der Innenstadt einen Schanigarten be- willigt zu bekommen. Begründung der Stadt: Eine Anrainerzone wie in der Mahlerstraße schließe die Nutzung von Parkplätzen für andere Zwecke aus. In der Burggasse (Bild) scheint dies nicht zu gelten: Dort „parkt“ ein Schanigarten sehr wohl in der Anrainerzone. Ein Grund mehr, warum die von der Gast- wirtin in der Innenstadt angestrebte, aus verfahrensrechtlichen Gründen aber misslungene gerichtliche Klärung überfällig ist. [ Clemens Fabry] AUF EINEN BLICK Der Oberste Gerichtshof betont in einem aktuellen Fall den Ausnahmecharakter eines mündlichen Testaments. Auch wenn man todkrank im Spital liegt, kann man nicht einfach ein mündliches Not- testament machen, sofern keine akute Lebensgefahr besteht. Es ist zumutbar, drei Zeugen zu suchen, die man für ein fremdhändiges, schriftliches Testament benötigt. Zumal es in einem Spital potenzielle Zeugen gibt. Nur wenn die Suche nach drei Zeugen nicht gelingen konnte, wäre das mündliche Nottestament (vor nur zwei Zeugen) zulässig. Die Beweislast trifft den, der vom Nottestament profitieren würde. Rechtspanorama MONTAG, 23. MAI 2016 17

Rechtspanorama - KWR...BereitsaufB asis allgemeiner zivil-rechtlicher Vorschriften müssen UnternehmenVorsorgetreffen,um ausO rganisations-, Auswahl-,I n-struktions-,Kontroll- und

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Das Hotel in der Wohnung: Was darf Airbnb, was nicht?Neue Modelle der Sharing Economy die Vermittlungsplattform Airbnbmachen der konventionellen Wirtschaft zunehmend Konkurrenz.Verschaffen sie sich dabei einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil?Was dürfen Airbnb & Co., an welche Regeln sind sie gebunden?Darüber diskutieren Juristen und Unternehmer.

DiskutierendeDaniel Ennöckl, Professor für Öffentliches Recht an der Universität WienMatthias Kubicki,Mitgründer von Key to OfficeMichaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen HoteliervereinigungAndreas Vonkilch, Professor für Zivilrecht an der Universität InnsbruckBrigitta Zöchling-Jud, Professorin für Zivilrecht an der Universität Wien

ModerationBenedikt Kommenda, „Die Presse“

Zeit und OrtMontag, 6. Juni 2016, 18 UhrDachgeschoß im Juridicum, Schottenbastei 10–16, 1010 Wien

Eintritt frei!Anmeldung bis 3. Juni 2016 per E-Mail an [email protected] Veranstaltung der „Presse“

DiePresse.com/veranstaltungen

DiePresse.com/veranstaltungen

Wir schreiben seit 1848

RECHTSPANORAMA AM JURIDICUM

©Clemen

sFabry,Nr27

314f13

Einen Anwalteinzuschalten darfkein Nachteil seinHöchstgericht verwirft kurioseRechtsmeinung eines Arbeitgebers.

Wien. Mit klaren Worten reagiert derOberste Gerichtshof (OGH) auf die Argu-mentation eines Arbeitgebers, der eineMutter nicht mehr beschäftigen wollte. Eswar nicht der erste Prozess zwischen denbeiden. Zuvor hatte die Frau schon er-folgreich ihre Entlassung bekämpft, dieder Arbeitgeber gegen die Schwangerefünf Monate vor der Geburt ihres Kindesausgesprochen hatte.

Nun ging es darum, dass der Arbeit-geber die Rückkehr der Mutter nach ihrerzweijährigen Karenz nicht akzeptierenwollte. Sie hatte zweimal den Arbeitgeberum Bekanntgabe ersucht, wann und wosie ihren Dienst wieder antreten könne.Eine Antwort blieb aus. Als sie am Tagnach ihrer Karenz trotzdem wieder zu ih-rem Arbeitsplatz ging, traf sie dort nie-manden an. Daraufhin ging sie zu einerRechtsanwältin, die dem Arbeitgebernoch einmal mitteilte, dass die Frauarbeitsbereit sei.

Der Arbeitgeber, eine GmbH, sah indieser Vorgangsweise einen Grund, nichtsmehr zahlen zu müssen. Dem setzt nunder OGH (8 Ob A76/15g) entgegen: „DerEinwand, die Klägerin habe ihre Ansprü-che verloren, weil sie sich bei der Bekräfti-gung ihrer Bereitschaft zur Arbeitsauf-nahme eines Rechtsanwalts bedient hat,entbehrt jeglicher Grundlage.“ Die Frauhat somit ein Recht auf ihr Entgelt. (aich)

Todkranker muss Zeugen suchenLetzterWille.Wenn es dem Ende zugeht, darf man nicht einfach ein mündliches Testamentverkünden. Entscheidend ist, ob man noch genug Zeugen für ein schriftliches finden könnte.

VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Will man Streitigkeiten um sein Erbeverhindern, darf man mit den Formvorschrif-ten nicht leichtfertig umgehen. Das zeigt einaktueller Rechtsfall. Im Mittelpunkt steht dieFrage, ob schon die Voraussetzungen für einmündliches Nottestament gegebenwaren.

Der Mann, der sein Hab und Gut verma-chen wollte, wusste, dass es nicht gut um ihmstand. Er war selbst Arzt, nun lag er aber alsPatient im Krankenhaus. Seine Lebensgefähr-tin, eine Richterin, wusste jedoch nicht aufAnhieb, wie man in so einer Situation ein gül-tiges Testament errichtet. Sie ging nach Hau-se, schaute in juristischen Büchern nach. Underzählte demMann am Tag darauf, dass er einmündliches Nottestament errichten dürfe.

Ein mündliches Testament darf man seitdem Jahr 2005 nur mehr in einer Notlage er-richten. Die alte Regel, die mündliche Testa-mente ohne Ausnahmesituation erlaubt hat-te, wurde abgeschafft, weil die Missbrauchs-gefahr zu groß war. Droht aber „unmittelbardie Gefahr, dass der Erblasser stirbt oder dieFähigkeit zu testieren verliert“, dann, so sagtdas Gesetz, könne man auch jetzt noch einmündliches Testament errichten.

Dafür benötigt man nur zwei Zeugen. ImGegensatz zu einem regulären, von fremderHand verfassten Testament, das der Erblasserunterschreibt. Dafür benötigt man drei Zeu-gen. An ein vom Betroffenen komplett hand-schriftlich verfasstes Testament (für das mankeinerlei Zeugen benötigt) war nicht zu den-ken, dafür war derMann zu schwach.

Doch wenn er nicht schlief, war er geistigvoll da. Er äußerte selbst auch die Vermu-tung, dass er wohl die Intensivstation niemehr verlassen werde. Er konnte nicht mehrselbstständig essen und mit seinen geschwol-lenen Händen keine längeren Texte oderauch nur einzelne Sätze schreiben. Sehr wohlgelang es ihm im Spital aber, die Hausord-nung zu unterschreiben. Einen Tag, nachdemihm seine Lebensgefährtin die Modalitätenfür ein Nottestament erklärt hatte, schritt derMann zur Tat. Er hatte Besuch von seinerSchwester, einem Freund und dem Freundder Schwester bekommen. In Anwesenheitder beiden Männer erklärte der Mann, testie-ren zu wollen. Und sagte, dass sein Neffe undseine Nichte alles erben sollten. „Sonst sollniemand etwas bekommen“, sprach derMann. Acht Tage später starb er.

Nun gab es aber auch ein älteres, eigen-händiges Testament des Mannes. Darin hatteer noch erklärt, dass seine Schwester und seinBruder lebenslänglich zu gleichen Teilen dieEinkünfte aus seiner Gesellschaft, einer OEG,erhalten sollen. Grundsätzlich schlägt dasjüngere das alte Testament, aber nur, wenn esgültig errichtet wurde. Für die Schwester desVerstorbenen ging das neue Testament in

Ordnung, waren doch ihre beiden Kinder dienun Bedachten. Der Verlierer des neuenTestaments, der Bruder, klagte aber. Und ver-langte die Feststellung, dass das Nottesta-ment ungültig sei, weil die Voraussetzungendafür nicht vorlagen.

Das Wiener Landesgericht für Zivilrechts-sachen gab dem Kläger recht. Möge der Ge-sundheitszustand des Patienten auch kritischgewesen sein, so habe doch keine akute Le-bensgefahr bestanden. Das habe selbst derspäter Verblichene so gesehen, der seinenletzten Willen nicht sofort, nachdem er vonder Möglichkeit eines Nottestaments unter-richtet worden war, erklärte. Es wäre demMann möglich gewesen, ein von einer ande-ren Person geschriebenes, reguläres Testa-ment zu unterfertigen. Schreibutensilien undmögliche Zeugen gebe es im Spital genug. Al-ternativ hätte der Mann auch noch einen No-tar rufen können, befand das Landesgericht.

Das Oberlandesgericht Wien sah hinge-gen die Voraussetzungen für ein mündlichesNottestament gegeben. Dafür reiche eineernstliche Todesgefahr. Und der Mann habeauf die juristische Meinung seiner Lebensge-fährtin vertrauen müssen, laut der das Not-testament hier zulässig wäre.

Findet man im Spital genug Zeugen?Für den Obersten Gerichtshof (OGH) ist derspringende Punkt die Frage, ob es demManngelungen wäre, drei Zeugen aufzutreiben (dieman für ein fremdhändig geschriebenesTestament gebraucht hätte, das derMann nurhätte signieren müssen). Der Mann konntezwar einerseits sein Bett nicht verlassen, an-dererseits bekam er regelmäßig Besuch undwar von Spitalspersonal umgeben. Und erkonnte sich noch äußern und unterschreibenoder Handzeichen machen. Einen Zeugen zusuchen wäre ihm jedenfalls zumutbar gewe-sen, befand der OGH (2 Ob 86/15h).

Geprüft werden muss laut OGH abernoch, ob es dem Mann auch gelungen wäre,einen passenden dritten Zeugen zu finden.Einen, der nicht von dieser Funktion ausge-schlossen ist, weil er selbst im letzten Willenbegünstigt wird oder mit einem Nutznießer

verwandt ist. Diese Frage muss nun noch dieUnterinstanz klären. Die Beweislast dafür,dass mangels genügend Zeugen nur noch einNottestament möglich war, werde hier Nichteund Neffe treffen, sagte der OGH. Also jene,die vomNottestament profitiert haben.

Wien Neubau:Schanigarten parktin Anrainerzone

„Die Presse“ hat vom vergeblichen Ver-such einer Gastronomin berichtet, inder Innenstadt einen Schanigarten be-willigt zu bekommen. Begründung derStadt: Eine Anrainerzone wie in derMahlerstraße schließe die Nutzung vonParkplätzen für andere Zwecke aus. Inder Burggasse (Bild) scheint dies nichtzu gelten: Dort „parkt“ ein Schanigartensehr wohl in der Anrainerzone. EinGrundmehr, warum die von der Gast-wirtin in der Innenstadt angestrebte,aus verfahrensrechtlichen Gründenaber misslungene gerichtliche Klärungüberfällig ist. [ Clemens Fabry]

AUF EINEN BLICK

Der Oberste Gerichtshof betont in einem aktuellenFall den Ausnahmecharakter eines mündlichenTestaments. Auch wenn man todkrank im Spital liegt,kann man nicht einfach ein mündliches Not-testament machen, sofern keine akute Lebensgefahrbesteht. Es ist zumutbar, drei Zeugen zu suchen, dieman für ein fremdhändiges, schriftliches Testamentbenötigt. Zumal es in einem Spital potenzielle Zeugengibt. Nur wenn die Suche nach drei Zeugen nichtgelingen konnte, wäre das mündliche Nottestament(vor nur zwei Zeugen) zulässig. Die Beweislast trifftden, der vom Nottestament profitieren würde.

RechtspanoramaMONTAG, 23. MAI 2016 17

Page 2: Rechtspanorama - KWR...BereitsaufB asis allgemeiner zivil-rechtlicher Vorschriften müssen UnternehmenVorsorgetreffen,um ausO rganisations-, Auswahl-,I n-struktions-,Kontroll- und

Events der Woche

Die Rechtsanwaltskanzlei Schön-herr wurde vom renommierten

juristischen Fachverlag Chambersand Partners zur Rechtsanwalts-kanzlei des Jahres in Österreich2016 sowie zur Rechtsanwaltskanz-lei des Jahres in Rumänien 2016ausgezeichnet. Die Schönherr-An-wälte PartnerRomanPerner,Coun-sel Heidemarie Paulitsch, Rechts-anwalt Clemens Rainer, alle Wien,und Partnerin Simona Chirică,Bukarest, nahmen die Auszeich-nungen bei der Chambers EuropeAwards Gala Mitte Mai in Londonentgegen. Überreicht wurde dieAuszeichnung von Tim Ward,Monckton Chambers, und MarleneHermann, Chambers Europe.

Die zwei Wettbewerbsrechtsspe-zialisten Barbara Kuchar und

Honorarprofessor Jörg Zehetnertrugen im Rahmen des 159. KWR-Seminars Mitte Mai zum höchstaktuellen Thema der wettbewerbs-rechtlichen Compliance vor. Der

Vortragsbogen spannte sich vonaktuellen Geldbußenentscheidun-gen bis hin zu erlaubten und un-erlaubten Bezugnahmen aufMitbe-werber (vergleichende Werbung)und zu aktuellen Entwicklungen inBezug auf Bestpreisklauseln amBeispiel von booking.com.

Mehr als 100 interessierte Teil-nehmer trafen sich im Hotel

Schloss Seefels in Pörtschach zumsechsten Forum Privatstiftung.

Unter dem Titel „Privatstiftungenund Pflichtteilsrecht“ referiertenProfessor Johannes Zollner von derUniversität Graz undGernotMurko,Präsident der Rechtsanwaltskam-mer für Kärnten, über das Erb-rechtsänderungsgesetz 2015 undseine Auswirkungen auf die Stif-tungspraxis. Als Mitveranstalterwar die Alpen-Adria-UniversitätKlagenfurt durch Professor Johan-nes Heinrich vertreten. Für denSponsor der Veranstaltung begrüß-

te Gabriele Semmelrock-Werzer,Sprecherin des Vorstands derKärntner Sparkasse, das Publikum.

Deals der Woche

Die Kanzlei Nemetschke HuberKoloseus hat die Commerz

Real beim Erwerb des Projekts DCTower 2 beraten. Die Transaktionwurde von den beiden NHK-Part-nern Alfred Nemetschke und Alex-andra Huber betreut. Alexandra

Huber: „Das Projekt befindet sichin einem rechtlich hochkomplexenUmfeld. Die Transaktion war auchfür erfahrene Immobilienspezialis-ten in jeder Hinsicht eine Heraus-forderung.“ Alfred Nemetschke:„Die Transaktion zeigt, dass offenedeutsche Fonds in einem schwieri-gen Marktumfeld wieder risiko-freudiger agieren und dass derWie-ner Markt weiterhin für ausländi-sche Investoren sehr attraktiv ist.“

Die Rechtsanwaltssozietät CMSReich-Rohrwig Hainz hat die

B2Holding bei Übernahme der DebtCollection Agency in Bulgarienberaten. Partner Alexander Rakosihat das internationale CMS-Teamgeleitet, in Wien wurde er vonLisa Oberlechner, beide Corpora-te/M&A, unterstützt.

LEGAL § PEOPLEBranchen-News aus der Welt des Rechts

Die glücklichen Schönherr-Preis-träger in London. [Chambers and Partners]

Referenten, Mitveranstalter undSponsoren in Pörtschach. [RAK Kärnten]

A. Nemetschke und A. Huber leite-ten den Commerz-Deal. [Nemetschke]

LEGAL & PEOPLEist eine Verlagsserie der „Die Presse“Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG.Koordination: Robert KampferE-Mail: [email protected]: +43/(0)1/514 14-263

Vorbeugen gegen Cyberangriffe ist PflichtIT-Recht. Unternehmenmit großen Datensammlungen stehen verstärkt im Fokus krimineller Angreifer. Wollen sie Kundenund Geschäftsgeheimnisse schützen und Haftungsrisken minimieren, müssen sie ihre Infrastruktur absichern.

VON AXEL ANDERLUND NINO TLAPAK

Wien. Nach der erfolgreichen Atta-cke auf die Zentralbank von Bangla-desch hat der ZahlungsdienstleisterSwift Mitte Mai vor einer Angriffs-welle auf Banken gewarnt. Die er-höhte Alarmbereitschaft sowie dieBestrebungen der EZB zur Einrich-tung einer Meldestelle für Cyberan-griffe auf Kreditinstitute unterstrei-chen die Aktualität virtueller Bank-überfälle. Doch nicht nur Kreditin-stitute oder ausländische Großun-ternehmen sind von Cybercrimebetroffen, wie der jüngste spektaku-läre Fall rund um den mithilfe desFake-President-Tricks beraubtenchinesisch-oberösterreichischenLuftfahrtzulieferer FACC belegt.

Seit Jahren bestehen speziell inBezug auf Cyberangriffe geschaf-fene Straftatbestände, die bestimm-te Angriffe auf IT unter Strafe stel-len. Dazu zählen etwa der wider-rechtliche Zugriff auf Computersys-teme (Hacking), die Störung derFunktionsfähigkeit eines Compu-tersystems (Denial of Service) oderauch das neu geschaffene Ausspä-hen von Daten eines unbaren Zah-lungsmittels (Phishing). Danebengibt es Äquivalente für im Internetbegangene, klassische Straftaten.Darunter fallen etwa Datenbeschä-digung, betrügerischer Datenverar-beitungsmissbrauch oder miss-bräuchliches Abfangen von Daten.Je nach Vorsatz, Intensität undSchadenshöhe variiert die Strafdro-hung zwischen sechs Monaten undzehn Jahren Freiheitsstrafe.

Strafurteile relativ seltenZu Verurteilungen kommt es in derPraxis aber vergleichsweise selten.Dies liegt einerseits daran, dass ei-nige der genannten Delikte nur mitErmächtigung des Verletzten zubestrafen sind und viele Unterneh-men etwaige Vorfälle aus PR-Grün-den nicht publik machen wollen.Andererseits stößt die Rechtsver-folgung bei den üblicherweisegrenzüberschreitend begangenenOnline-Straftaten und den hochprofessionellen, ihre Identität ver-

schleiernden Tätern oft an zeitlicheund faktische Grenzen.

Um die Gefahr eines erfolgrei-chen Angriffs zu minimieren, müs-sen Unternehmen ihre IT-Infra-struktur hinreichend absichern.Dies nicht nur, um Geschäftsge-heimnisse und Kundendaten zuschützen, sondern auch, um etwai-ge Haftungsrisiken hintanzuhalten.Bereits auf Basis allgemeiner zivil-rechtlicher Vorschriften müssenUnternehmen Vorsorge treffen, umaus Organisations-, Auswahl-, In-struktions-, Kontroll- und Überwa-chungsverschulden resultierendeHaftungen zu vermeiden. Dement-sprechend sind nicht nur klare Be-richtslinien, krisensichere Speiche-rung der Daten, sorgfältige Auswahlund Anleitung der Dienstleister undMitarbeiter, sondern auch effizienteÜberwachungsmaßnahmen nötig.

Gerade Letzteres wird in derPraxis sehr selten umgesetzt. Es be-

darf daher neben einem erprobtenIT-Risk-Management auch eines aufden Tätigkeitsbereich des jeweiligenUnternehmens abgestimmten in-ternen Kontrollsystems. Auch ge-mäß § 14 Datenschutzgesetz isteine der Art und dem Umfang derVerarbeitungen wirtschaftlich ange-messene Vorsorge gegen unrecht-mäßige Zerstörung, Verlust oderNutzung vonDaten zu treffen.

Nach § 14 Abs. 2 DSG ist esdazu zumindest erforderlich, dassa) eine konkrete Aufgabenvertei-lung erfolgt, b) Mitarbeiter entspre-chend geschult sind und c) ein an-gemessenes Zutritts- und Zugriffs-berechtigungssystem eingeführt ist.Mit dem Inkrafttreten der Daten-schutzgrundverordnung (DSGVO)wird diesem Punkt durch die in vie-len Fällen notwendige, vorab vorzu-nehmende Datenschutz-Folgenab-schätzung eine erhöhte Bedeutungzukommen.

Sofern einem Unternehmen be-kannt wird, dass Daten „systema-tisch und schwerwiegend unrecht-mäßig verwendet wurden und denBetroffenen Schaden droht“, musses die Betroffenen unverzüglich in-formieren (§ 24 Abs. 2a DSG). Daskann nur entfallen, wenn der poten-zielle Schaden bloß geringfügig istoder die Information unverhältnis-mäßige Kosten verursachen würde.Ab Mai 2018 wird auch dieses Re-gime durch die DSGVO verschärft:So ist zukünftig die zuständige Auf-sichtsbehörde möglichst binnen 72Stunden von jeglicher Verletzungder Datensicherheit detailliert zu in-formieren. Neben der Art der Ver-letzung sind auch die Kategorienund Anzahl der Betroffenen und derDaten anzugeben sowie die wahr-scheinlichen Folgen und ergriffenenGegenmaßnahmen.

Dies wird in der gebotenen kur-zen Frist nur möglich sein, wenn

das Unternehmen proaktiv einesaubere Dokumentation der Verar-beitungsvorgänge nach Art. 30DSGVO führt. Zusätzlich sind beivoraussichtlich hohem Risiko fürdie Rechte und Freiheiten der Be-troffenen wie bisher auch diese di-rekt zu informieren. Bei unverhält-nismäßigem Aufwand einer Kon-taktaufnahme entfällt diese nunaber nicht mehr, sondern hat einePR-mäßig noch negativere öffentli-che Bekanntmachung zu erfolgen.

Regress beim GeschäftsführerBetroffene haben sowohl nach all-gemeinem Zivilrecht bei Nachweisdes konkreten Nachteils als auchmit Beweislastumkehr auf Basis des§ 33 Abs. 3 DSG hinsichtlich imma-terieller Beeinträchtigungen Scha-denersatzansprüche gegen das Un-ternehmen, das die verpflichtendenSorgfalts- und Vorsorgemaßnah-men schuldhaft außer Acht lässt.Neben etwaigen (Verwaltungs-)Strafen – die mit der DSGVO eben-falls angezogen werden – drohenden Unternehmen auch massivePR-Schäden und damit Vertrauens-und Kundenverlust. Aber auch diepersönlich haftenden Geschäftsfüh-rer können vom Unternehmen aufdem Regressweg zur Kasse gebetenwerden, sofern sie die Sorgfalt einesordentlichen und gewissenhaftenGeschäftsleiters schuldhaft außerAcht gelassen haben und so einenSchaden ermöglicht oder nicht mi-nimiert haben.

Unternehmen müssen gegenCyberangriffe dem Stand der Tech-nik entsprechend und unter Be-dachtnahme auf die Sensibilität dervon ihnen verarbeiteten Daten vor-sorgen. Mit Inkrafttreten derDSGVO wird die Bedeutung vonGuidelines, Datenschutzsiegeln und-zertifikaten wohl wachsen, um imAnlassfall belastbare Nachweise derEinhaltung der nötigen Sicherheits-maßnahmen vorweisen zu könnenundHaftungen zu vermeiden.

Dr. Axel Anderl LL.M. (IT-Law) ist Partner beiDorda Brugger Jordis, [email protected],Mag. Nino Tlapak LL.M. (IT-Law) ist Rechts-anwaltsanwärter in seinem Team.

Sicherheit im Internet wird zunehmend zum Thema auf Kongressen für Unternehmen. [ Reuters/Kham ]

18 RECHTSPANORAMA MONTAG, 23. MAI 2016

Page 3: Rechtspanorama - KWR...BereitsaufB asis allgemeiner zivil-rechtlicher Vorschriften müssen UnternehmenVorsorgetreffen,um ausO rganisations-, Auswahl-,I n-struktions-,Kontroll- und

Eigentlich ist die Bezeichnung „Staatstrojaner“ ja mythologischfalsch. Es geht nicht um einen Trojaner, sondern um ein trojani-

sches Pferd. Und dieses kam nicht aus Troja, sondern von dessen Geg-nern, den Griechen. Darum auch Brad Pitt, und nicht Orlando Bloom.Nun ist es also soweit: Die im Jahr 2007 offiziell eröffnete Debatte,ob sich der Staat einen verdeckten Zugriff auf fremde Computergestatten soll, steht kurz vor einem Abschluss: Ein Gesetzesentwurf(§ 136a StPO) sieht vor, dass Eingriffe in Computer zwecks Über-wachung des Nachrichtenverkehrs zulässig sind. Dies sei erforder-lich, weil WhatsApp, Skype & Co zunehmend starke Verschlüsselungnutzen und ein Abfangen der Nachrichten am Weg nichts mehrbringt. Man müsse den unverschlüsselten Klartext daher an derQuelle abzapfen.Technisch erfolgt dies durch verdeckte Manipulation von Compu-tern, und zwar nicht durch kompromittierte email-Anhänge oderSchadcode in Webseiten, sondern durch physischen Zugriff aufden Computer vor Ort. Dazu darf sogar unter Überwindung vonSicherheitsvorkehrungen in Wohnungen eingedrungen und dasPaket abgeliefert werden. James Bond at its best.Der Eingriff in Grundrechte ist evident, und der Gesetzgeber istdurchaus bemüht, diesen in Grenzen zu halten. Die Technik schlägtihm dabei aber ein Schnippchen: Um sein Ziel zu erreichen, musssich der Staatstrojaner nämlich Rechte am Zielsystem zugestehen,die ihn viel mächtiger machen als eigentlich gewünscht. Nicht nurder gegenwärtige Nachrichtenverkehr, sondern - in Form diverserlog-files - auch die gesamte Historie steht ihm offen. Und notge-drungen sieht er auch alles, was von Dritten kommt, aber mit demZweck der online-Überwachung nichts zu tun hat.Derzeit also weder Brad Pitt noch Orlando Bloom, sondern eherQuasimodo. Aber vielleicht wächst sich das Kind noch aus. Auchandere Staaten haben dasselbe Problem und arbeiten an einer aus-gewogenen Lösung, von der man abschauen könnte.

DerStaatstrojaner -ein Brad Pittder IT?

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Neumayr/Resch/Wallner (Hrsg)

Gmundner Kommentarzum Gesundheitsrecht

Experte warnt:Ärzte nicht zuTat provozierenMystery Shopping unterliegtweniger strengen Kriterienals die Strafverfolgung.

Wien/Gmunden. „Das ist unstim-mig.“ So fasst Alois Birklbauer,Professor für Strafrecht an derUni Linz, im Gespräch mit der„Presse“ einen Vergleich der Re-geln für Mystery Shopping inArztpraxen mit der Strafprozess-ordnung zusammen. Um einenGleichklang des neuen Instru-ments für die Sozialversiche-rungsträger mit den erst jüngstnachgeschärften Kriterien fürdie Strafverfolgung zu erzielen,müssten die Kontrollore derKassenärzte vor allem eines be-achten: Sie dürften die Ärztenicht zu Straftaten provozieren.

Verstoß gegen die FairnessDie von den Kassen ausgesand-ten Scheinpatienten sollen vorallem unrichtige Kranken-standsbestätigungen und Mal-versationen aufdecken, bei de-nen Leistungen nicht oder nichtim abgerechneten Ausmaß er-bracht werden. Würden Ärzteaber nicht bloß dabei beobach-tet, sondern sogar dazu angestif-tet, stünde dies in Kontrast zudem von der EuropäischenMenschenrechtskonvention ge-botenen fairen Verfahren. DerEuropäische Gerichtshof fürMenschenrechte (EGMR) hat2014 in einem deutschen Fall(54648/09) entschieden, dass esbei staatlicher Tatprovokationnicht ausreicht, den Täter milderzu bestrafen; vielmehr sei einVerbot angebracht, solcherarterlangte Beweise zu verwerten.Der österreichische Gesetzgebergeht, wie Birklbauer am Samstagbeim Gmundner Medizinrechts-Kongress 2016 erläuterte, nocheinen Schritt weiter: Er verbietetab 1. August überhaupt jeglicheVerfolgung eines Beschuldigtenwegen einer Tat, zu der er vonErmittlern verleitet wurde.

Eine solche Konsequenzfehlt beim Mystery Shopping inArztpraxen. Um im Zusammen-hang mit möglichen Straftatender Fairness dennoch Rechnungzu tragen, rät Birklbauer denScheinpatienten der Kassen, dieKriterien des EGMR für eine un-zulässige Tatprovokation zu be-achten: Sie dürften keinenDruck auf den Arzt ausüben,etwa indem sie trotz dessen Ab-lehnung auf Malversationen in-sistieren oder indem sie mit-leidserregende Tatsachen vor-spiegeln. (kom)

Ein Fest fürHeinz KrejciDer bekannte Handels-rechtler feierte seinen 75er.

Wien. Heinz Krejci,emeritierter Profes-sor an der UniWienmit vier Lehrbefug-nissen (Bürgerli-ches, Arbeits-, So-

zial-, Handelsrecht), hat dieserTage seinen 75. Geburtstag ge-feiert. Wegbegleiter haben ihmein Festheft der Zeitschrift „DerGesellschafter“ überreicht. Krej-ci hat die Reformen im Handels-und Gesellschaftsrecht in denletzten Jahrzehnten geprägt wiekaum ein anderer. Eine schwereErkrankung hat ihn nicht gehin-dert, voriges Jahr seine viel be-achtete Monografie „Recht aufStreik“ vorzulegen. Wer Krejcikennt, schätzt auch seinen fei-nenHumor. (kom) [ Foto: M. Bruckberger ]

Spezialisierungdurch LL.M. mitder „Presse“Freiplatz im PostgraduateInformationsrecht 2016/17.

Wien. „Die Presse“ vergibt auchfür das Studienjahr 2016/17einen Freiplatz im Postgra-duate-Studium Informations-und Medienrecht an der UniWien. Das von Nikolaus Forgogeleitete Masterstudium dauertein Jahr und ist berufsbeglei-tend möglich. „Der Endspurt ist

am intensivs-ten“, sagt SilkeGraf (29), diediesjährig„Presse“-Sti-pendiatin. Sieist bereits ge-

prüfte, aber noch nicht einge-tragene Anwältin und hat sichfür die Schlussphase Bildungs-karenz genommen.

Graf schreibt ihre Master-arrbeit über Datenverwendungfür Werbung nach der Daten-schutz-Grundverordnung, einsehr aktuelles Thema. Betreutwird sie von Thomas Hoeren,Professor in Münster, der sie imLehrgang besonders beein-druckt hat.

Graf ist davon überzeugt,dass sie ihre Spezialisierung imDatenschutzrecht beruflich gutverwerten kann. Um den Frei-platz im Wert von 10.500 Eurokönnen sich bis 31. August Ju-ristinnen und Juristen bis 30Jahre bewerben. (red.) [ Foto: C. Fabry ]

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MONTAG, 23. MAI 2016 RECHTSPANORAMA 19

Die Sorge vor einer gesteigerten Kundenfrequenz brachte einen Nachbarn auf die Barrikaden. [ Tom Thöne/Action Press/picturedesk.com]

Bordellbewilligung: Lärm auchnach Mitternacht zu messenNachbarrecht. Der Verwaltungsgerichtshof hebt die Baubewilligung füreinen Bordellbetrieb in Zeltweg auf. Ein Nachbar wehrte sich erfolgreich.

VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Wenn schon Lärm messen,dann richtig: Das ist die zentraleBotschaft einer Entscheidung, mitwelcher der Verwaltungsgerichts-hof (VwGH) die Baubewilligung füreinen Bordellbetrieb in Zeltwegaufgehoben hat. Der Betrieb hättein einer als Kerngebiet gewidmetenZone eröffnet werden sollen, wasnach Meinung des Bürgermeistersfür eine Vergnügungsstätte ohneWeiteres zulässig gewesen wäre.Doch ein Nachbar wehrte sich, weiler befürchtete, dass vor allemnachts durch das Kommen undGehen der Gäste zusätzlicher Lärmin der ohnehin nicht gerade stillenGegend entstehen würde. Zumin-dest vorerst setzte sich der Nachbardurch; denn so, wie die steirischeLandesregierung als Vorstellungs-behörde die Bewilligung aufberei-tete, war diese nicht haltbar.

Straßenverkehr ist lauterDer Nachbar hatte also gegen dieBewilligung durch den Bürgermeis-ter berufen. Daraufhin führte einAmtssachverständiger Lärmmes-sungen durch; sie ergaben, dass derBetrieb die vom (Straßen-)-Verkehrslärm geprägte Istsituationnicht verschlechtern würde. Erschlug aber Auflagen vor, mit denen

die Lärmimmissionen verringertwerden sollten, etwa einen Wind-fangmit einer zweiten Eingangstür.

Unter diesen Bedingungen be-stätigte der Gemeinderat die Bewil-ligung, woraufhin sich der Nachbarmit einer Vorstellung an die Lan-desregierung wandte. Die fand, wieer, dass die Lärmmessungen nichtgenau genug waren. Also rückteder Sachverständige nochmals ausund erhob den Iststand an Ort undStelle zwischen 23 und 24 Uhr. Mitneuen Auflagen sollte das Bordellin Betrieb gehen dürfen.

Bis schließlich der VwGH ent-schied, dass auch die neuen Mes-sungen unzureichend waren: DerGerichtshof konnte keine Rechtfer-tigung dafür erkennen, dass nachnull Uhr keine Lärmmessungennotwendig sein sollten, war dochgeplant, das Bordell erst um 5 Uhrfrüh zu schließen (2013/06/0205).

Das Erkenntnis lässt sich aller-dings nicht verallgemeinern. Ausder früheren Judikatur des Höchst-gerichts geht nämlich hervor: InKerngebieten braucht tatsächlich,wie auch der Bürgermeister ge-meint hat, vor der Bewilligung sol-cher Etablissements keine Lärm-messung durchgeführt zu werden.Weil der Vorstellungsbescheid desLandes mit seinem tragenden Auf-hebungsgrund, der unzureichen-

den Lärmmessung, rechtskräftiggeworden ist, musste der VwGHvon diesem ausgehen. Nun musswieder gemessen und die zu er-wartende Veränderung prognosti-ziert werden.