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| Der Anaesthesist 12•2002 1006 Zusammenfassung Neue Methoden in der Blockadetechnik stützen sich auf die Möglichkeiten, die die moderne Sonographie bietet. Mit hochfre- quenten, linearen Sonden können kleinste Gewebestrukturen (u. a. periphere Nerven) in oberflächennahen Bereichen dargestellt werden.Dies ist die Voraussetzung für ultra- schallgestützte Blockadetechniken, die für die gängigen peripheren Blockaden mittler- weile etabliert sind.Diese Techniken sind grundsätzlich allen anderen unterstützen- den Methoden der peripheren Blockaden deutlich überlegen, denn sie ermöglichen eine Erfolgsquote von nahezu 100%, eine kürzere Anschlagszeit und einen verminder- ten Verbrauch an Lokalanästhetika.Ein wei- terer besonders wichtiger Aspekt ist, dass sie die Risiken der Regionalanästhesieverfahren durch die direkte Darstellung der benach- barten anatomischen Strukturen reduzieren. Im Folgenden werden die theoretischen Grundlagen der Ultraschalluntersuchung im Rahmen der Regionalanästhesie vermittelt und die Anwendung in der Praxis veran- schaulicht. Schlüsselwörter Regionalanästhesie · Ultraschallunterstützte Blockaden · Periphere Nervenbahnen Ultraschallgezielte Blockaden der oberen Extremität Axillärer Zugang zum Plexus brachialis Der axilläre Zugang zum Plexus bra- chialis wird in den meisten Kranken- häusern – sowohl in Europa als auch in Amerika – als Verfahren der Wahl be- trachtet. Dies wird durch den eindeutig definierten anatomischen Orientie- rungspunkten, der einfachen Durchfüh- rung und der niedrigen Komplikations- rate begründet. Nachteile dieses Zu- gangs sind die periphere Ausbreitung der Blockade und die deutlich höhere Versagerquote im Vergleich mit anderen Zugangstechniken zum Plexus brachia- lis. Die Trefferquote beträgt ca. 80%. Da- durch bedingt steigt jedoch das Gesamt- risiko des Kollektivs erheblich an, weil ein Verfahrenswechsel nicht unproble- matisch ist. Die Ursache für diese deutlich er- höhte Versagerquote ist darin zu sehen, dass der axilläre Plexuszugang nur ver- meintlich der einfachste ist. Nimmt man den Standpunkt des Anatomen ein, so wird man bald zur Ansicht gelangen, dass der axilläre Zugang der schwierigste sein müsste,da eine Fülle von Variationen der Nervenlage zueinander, zu den Gefäßen und den Faszienhüllen beschrieben und bekannt ist. Ferner muss man sich noch die verschiedenen Möglichkeiten der Fas- zikelteilung in die definitiven Nerven vor Augen halten, die konsekutiv in Lageva- riationen münden [23]. Die Gefäß-Nerven-Scheide in der Axilla wird nach lateral begrenzt durch: den M. coracobrachialis, den kurzen Kopf des M. biceps brachii, den langen Kopf des M. triceps brachii. So ist das neurovaskuläre Bündel in ei- ner gut geschützten Nische gelegen, ob- wohl beim abduzierten Arm der Zugang und die Identifizierung über den Puls der A. brachialis leicht nachzuvollziehen sind. In dieser Höhe befinden sich aller- dings nur noch die Nn. radialis, media- nus, ulnaris und teilweise der R. cuta- neus antebrachii medialis innerhalb der Scheide. Der N. musculocutaneus und der R. cutaneus brachii medialis liegen außerhalb derselben. Für Einsteiger in die Ultraschallme- thodik erscheint dieser Ort am geeig- netsten, da die Anatomie geläufig ist und sich sonographisch gut abgrenzbare Strukturen darstellen lassen (Abb. 1). Man sollte unter Verwendung einer 5- bis 12-MHz-Sonde und einer Eindring- tiefe von 3,5 cm im Querschnitt die A. und V. brachialis identifizieren, die zen- tral in der am ehesten dreieckigen Loge Trends und Medizinökonomie Anaesthesist 2002 · 51:1006–1014 DOI 10.1007/s00101-002-0392-8 S. Kapral · P. Marhofer · Klinik für Anaesthesie und Allgemeine Intensivmedizin, Universität Wien Ultraschall in der Regionalanästhesie Teil II: Ultraschallunterstützte Blockaden der peripheren Nervenbahnen © Springer-Verlag 2002 Univ. Prof. Dr. Stephan Kapral Klinik für Anaesthesie und Allgemeine Intensivmedizin, Universität Wien, Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien, Österreich, E-Mail: [email protected] Redaktion E. Martin, Heidelberg

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Trends und Medizinökonomie

| Der Anaesthesist 12•20021006

Zusammenfassung

Neue Methoden in der Blockadetechnik stützen sich auf die Möglichkeiten, die diemoderne Sonographie bietet. Mit hochfre-quenten, linearen Sonden können kleinsteGewebestrukturen (u. a. periphere Nerven) in oberflächennahen Bereichen dargestelltwerden. Dies ist die Voraussetzung für ultra-schallgestützte Blockadetechniken, die fürdie gängigen peripheren Blockaden mittler-weile etabliert sind. Diese Techniken sindgrundsätzlich allen anderen unterstützen-den Methoden der peripheren Blockadendeutlich überlegen, denn sie ermöglicheneine Erfolgsquote von nahezu 100%, einekürzere Anschlagszeit und einen verminder-ten Verbrauch an Lokalanästhetika. Ein wei-terer besonders wichtiger Aspekt ist, dass siedie Risiken der Regionalanästhesieverfahrendurch die direkte Darstellung der benach-barten anatomischen Strukturen reduzieren.Im Folgenden werden die theoretischenGrundlagen der Ultraschalluntersuchung imRahmen der Regionalanästhesie vermitteltund die Anwendung in der Praxis veran-schaulicht.

Schlüsselwörter

Regionalanästhesie · Ultraschallunterstützte Blockaden · Periphere Nervenbahnen

Ultraschallgezielte Blockadender oberen Extremität

Axillärer Zugang zum Plexus brachialis

Der axilläre Zugang zum Plexus bra-chialis wird in den meisten Kranken-häusern – sowohl in Europa als auch inAmerika – als Verfahren der Wahl be-trachtet. Dies wird durch den eindeutigdefinierten anatomischen Orientie-rungspunkten, der einfachen Durchfüh-rung und der niedrigen Komplikations-rate begründet. Nachteile dieses Zu-gangs sind die periphere Ausbreitungder Blockade und die deutlich höhereVersagerquote im Vergleich mit anderenZugangstechniken zum Plexus brachia-lis. Die Trefferquote beträgt ca. 80%. Da-durch bedingt steigt jedoch das Gesamt-risiko des Kollektivs erheblich an, weilein Verfahrenswechsel nicht unproble-matisch ist.

Die Ursache für diese deutlich er-höhte Versagerquote ist darin zu sehen,dass der axilläre Plexuszugang nur ver-meintlich der einfachste ist. Nimmt manden Standpunkt des Anatomen ein, sowird man bald zur Ansicht gelangen,dassder axilläre Zugang der schwierigste seinmüsste,da eine Fülle von Variationen derNervenlage zueinander, zu den Gefäßenund den Faszienhüllen beschrieben undbekannt ist. Ferner muss man sich nochdie verschiedenen Möglichkeiten der Fas-zikelteilung in die definitiven Nerven vorAugen halten, die konsekutiv in Lageva-riationen münden [23].

Die Gefäß-Nerven-Scheide in derAxilla wird nach lateral begrenzt durch:

● den M. coracobrachialis,● den kurzen Kopf des M. biceps

brachii,● den langen Kopf des M. triceps

brachii.

So ist das neurovaskuläre Bündel in ei-ner gut geschützten Nische gelegen, ob-wohl beim abduzierten Arm der Zugangund die Identifizierung über den Pulsder A. brachialis leicht nachzuvollziehensind. In dieser Höhe befinden sich aller-dings nur noch die Nn. radialis, media-nus, ulnaris und teilweise der R. cuta-neus antebrachii medialis innerhalb derScheide. Der N. musculocutaneus undder R. cutaneus brachii medialis liegenaußerhalb derselben.

Für Einsteiger in die Ultraschallme-thodik erscheint dieser Ort am geeig-netsten,da die Anatomie geläufig ist undsich sonographisch gut abgrenzbareStrukturen darstellen lassen (Abb. 1).Man sollte unter Verwendung einer 5-bis 12-MHz-Sonde und einer Eindring-tiefe von 3,5 cm im Querschnitt die A.und V. brachialis identifizieren, die zen-tral in der am ehesten dreieckigen Loge

Trends und MedizinökonomieAnaesthesist 2002 · 51:1006–1014DOI 10.1007/s00101-002-0392-8

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Ultraschall in der RegionalanästhesieTeil II: Ultraschallunterstützte Blockaden der peripheren Nervenbahnen

© Springer-Verlag 2002

Univ. Prof. Dr. Stephan KapralKlinik für Anaesthesie und Allgemeine Intensivmedizin, Universität Wien,Währinger Gürtel 18–20,1090 Wien,Österreich,E-Mail: [email protected]

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S. Kapral · P. Marhofer

Ultrasound in local anaesthesia.Part II: ultrasound-guided blockadeof peripheral nerve channels

Abstract

Recent developments in blockade tech-niques are based on the possibilities offeredby modern sonography.With high frequencylinear probes, the smallest tissue structures,such as peripheral nerves, in areas close tothe surface can be visualised.This is the pre-requisite for ultrasound-guided blockadetechniques which has now been establishedfor available peripheral blockades.Thesetechniques are basically far superior to allother assist methods of peripheral block-ades, because they allow a success rate closeto 100%, a short preparation time and areduction in the use of local anaestheticagents. Apart from these, one particularlyimportant aspect is that they reduce therisks of local anaesthesia procedures bydirect imaging of neighbouring anatomicalstructures. In this article the theoretical basisof ultrasound techniques and their practicaluse in local anaesthesia will be presented.

Keywords

Local anaesthesia · Ultrasound · Blockade ·Peripheral nerve channels

liegen. Im Längsschnitt gelingt es oftleicht den strangartigen Charakter derNerven nachzuvollziehen. Die Nervenlassen sich von dieser Stelle ausgehendnach peripher bis ans Handgelenk kon-tinuierlich verfolgen. Auch der N. mus-culocutaneus ist innerhalb des M. cora-cobrachialis klar zu identifizieren; invielen Fällen ist sein Abgang vom Fasci-culus lateralis darstellbar.

Diese Beschreibung erfasst jedochnoch nicht die zusätzliche enorme Va-riabilität des axillären Plexus, die durchLagerungsänderungen (z. B. Abduktionund/oder Rotation des Armes) verur-sacht wird. Diese Veränderungen wur-den kürzlich exakt in einer Probanden-studie vorgestellt [23]. Zusätzlich ver-schieben sich die Nerven aus ihrer ur-sprünglichen Position, wenn ein leichterDruck mit dem Finger auf die Gefäß-Nerven-Scheide ausgeübt wird. DieseFlexibilität in Verbindung mit der ra-schen Separation der Nerven in ihre Fas-zienlogen nach distal hin erklärt sehreindrucksvoll sowohl die Fehlermög-lichkeiten dieses Zugangs, als auch dieVielzahl der empirisch beschriebenenErfahrungen und Anweisungen.

Die Blockade des axillären Plexusvereinfacht sich durch die Unterstützungdes Ultraschalls erheblich.Da die Nervengut zu identifizieren sind,gelingt es auch

bei schwierigsten Fällen die Nadel sicherinnerhalb der Gefäß-Nerven-Scheidenahe eines Nervs zu positionieren. DieVerabreichung des Lokalanästhetikumskann einfach mitverfolgt werden. Da-durch lässt sich gut beurteilen, inwieweitdie Nerven vom Lokalanästhetikum um-spült sind und auf diese Weise eine Vor-hersage der Blockade treffen.Wird einerder Nerven primär nicht vom gelegtenDepot involviert, kann die Position derNadel problemlos so geändert werden,dass der ursprünglich fehlende Nervnachblockiert werden kann. Dies gilt inder Praxis vornehmlich für den N.radia-lis und den N. musculocutaneus. Hierinliegt ein wesentlicher Vorteil gegenüberallen anderen unterstützenden Metho-den einschließlich der Nervenstimula-tortechnik.

Bei einer ultraschallgezielten Blo-ckade wird wegen der sehr genauenFührung der Nadel und der Kontrolledes Lokalanästhetikums in der Regel miteiner deutlich reduzierten Menge desLokalanästhetikums eine ausreichendeBlockade erreicht, sodass diese Metho-dik statistisch signifikante Einsparun-gen erbrachte. Dies kann zu einer Re-duktion der Lokalanästhetikatoxizitätbeitragen (Abb. 2). Anhand einer pro-spektiven randomisierten Studie bei 200Patienten konnten kürzlich eine statis-

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Abb. 1 � Schnitt durch die Axilla. Die sog. Gefäß-Nerven-Scheide ist einRaum, der durch die Faszien der umgebenden Muskeln begrenzt ist. Inzentraler Position ist die A. brachialis (AB) positioniert. Um diese sind die 3 Hauptnerven gruppiert. Gut zu erkennen sind der N. medianus (NM), derN. ulnaris (NU) und der N. radialis (NR). Die V. brachialis (VB) liegt näher ander Oberfläche. Die anatomischen Verhältnisse der Axilla sind einer großenVariabilität unterlegen, die sich auch durch die Lage des Armes und Druckauf die Gefäß-Nerven-Scheide zusätzlich verändern lassen. Oft liegt aller-dings der N. musculocutaneus (NMC) außerhalb der Gefäß-Nerven-Scheideund ist nur durch eine selektive Blockade zu erreichen

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Trends und Medizinökonomie

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tisch hoch signifikant verbesserte Tref-ferquote, eine bessere Blockadequalität,eine kürzere Anschlagszeit und ein re-duzierter Verbrauch an Lokalanästheti-ka nachgewiesen werden [9].

Infraklavikulärer Zugang zum Plexus brachialis

Die Ultraschalldarstellung im Rahmender infraklavikulären Plexusblockade

wurde in einer chinesischen Fachzeit-schrift Anfang der 90er-Jahre beschrie-ben. Diese Arbeit konnte bei einer klei-nen Fallzahl von 9 Fällen keinen Vorteilgegenüber anderen Punktionstechnikenzeigen [27].

Eine zweite Arbeit einer japani-schen Arbeitsgruppe [22]. beschriebeine hohe Erfolgsquote einer ultra-schallunterstützten Technik, die sich al-lerdings nicht wesentlich von den Er-folgsquoten anderer Hilfsmittel unter-schied. Die Darstellung neuraler Struk-turen wurde nicht gewährleistet. Die Ur-sache für die an sich recht bescheidenenErgebnisse sind in den ungeeignetenMethoden zu suchen. Es wurde ein Sek-torschallkopf eingesetzt, der, wie auszahlreichen früheren Arbeiten bekanntist, zur Darstellung von Nerven ungeeig-net ist.Auch die Verwendung einer Füh-rungshilfe kann unserer Ansicht nachkeine Vorteile bringen.

Hingegen ist mittlerweile für dieseAnwendung ein Standard erreicht,durch den – basierend auf den erhebli-chen Fortschritten der Ultraschalltech-nik – deutlich exaktere Ergebnisse er-zielt werden können [6]. Wir arbeitengegenwärtig an einer Studie, die sich mitder infraklavikulären Blockade ausein-andersetzt. Gefäße, Nerven und die naheangrenzende Pleura lassen sich hervor-ragend abgrenzen, und eine Nadel kannauf leichte Weise unter Ultraschallsichtan den Plexus herangeführt werden(Abb. 3). Unter direkter Sicht auf die 3Faszikel, die zunächst eng gebündeltdorsal zur A. brachialis liegen, kann dieNadel so nahe an den Plexus platziertwerden, dass eine gemeinsame Blocka-de aller 3 Faszikel mit einer Einzelinjek-tion praktisch regelmäßig durchgeführtwerden kann. Zusätzlich ist es uns ge-lungen eine Punktion der V. cephalica,die gerade auf dieser Höhe über die 3Faszikel und die A. brachialis zur V. bra-chialis zieht, in allen Fällen zu vermei-den. Die Vermeidung einer ungewolltenPunktion,die bei anderen Techniken dervertikalen infraklavikulären Plexusblo-ckade (VIP) mit bis zu 30% beschriebenist, diente als statistische Grundlage ei-nes Modells, um mit dieser Arbeitgrundsätzlich die Vermeidung derPunktion benachbarter Strukturennachzuweisen und damit gleichzeitigdie Reduktion von Komplikationen desVerfahrens gegenüber anderen Metho-den zu zeigen. Die Blockade war bei al-

Abb. 2 � Schnittbild durch die Axilla nach Applikation von 40 ml Lokalanäs-thetikum beim gleichen Patient. Zentral ist die A. brachialis (AB) deutlich zuerkennen. Die aufgefüllte Gefäß-Nerven-Scheide ist mit einer feinen Liniebegrenzt worden. Ebenfalls sieht man, wie die Nerven (NU N. ulnaris,NM N. medianus, NR N. radialis) vom Lokalanästhetikum eingeschlossenwerden. Selektiv blockiert wurde der N. musculocutaneus (NMC), der eben-falls einen Randsaum durch das Lokalanästhetikumdepot aufweist. Einederartige Verteilung des Lokalanästhetikums lässt die Prognose einer pro-funden Anästhesie in Verbindung mit einer sehr raschen Anschlagszeit zu

Abb. 3 � Darstellung des Plexus brachialis im infraklavikulären Bereich.Unmittelbar unter der Klavikula liegt der Plexus dicht gebündelt der Arteriedorsolateral an und schiebt sich auf seinem Weg nach lateral korkenzieher-artig über die Arterie (hier dargestellt), um letztendlich die anatomischdefinierte Position der Faszikel um die Arterie zu erreichen (medial, lateralund dorsal). Gut zu sehen sind die Lunge (L) und die Pleura (mit einer Linieunterlegt). Medial der A. brachialis (AB) erkennt man die V. brachialis (VB),die in die V. cephalica (VC) mündet, nachdem sie die A. brachialis (AB) undden Plexus brachialis (FM medialer Faszikel, FL lateraler Faszikel,FP posteriorer Faszikel) überkreuzt hat

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len Patienten der Ultraschallgruppe er-folgreich. Der Plexus brachialis konntebei allen Patienten dargestellt werden.

Unserer Ansicht nach ist der Einsatzvon Ultraschall gerade für den VIP einemanifeste Bereicherung, da auf dieseWeise das latente Pneumothoraxrisikogebannt ist [18].

Supraklavikulärer Zugang zum Plexus brachialis

Das sonographische Monitoring der su-praklavikulären Blockade erschien un-serer Arbeitsgruppe von Anfang an be-sonders wichtig, weil dieser Zugang diehöchste Komplikationsrate (Pneumo-thoraxrate in der Literatur bis zu 6%),aber auch die beste Ausdehnung derBlockade nach sich zieht. Unsere ersteStudie zu ultraschallgestützten Plexus-blockaden beschäftigte sich daher mitdiesem Zugang [10]. Mit Hilfe des Ultra-schalls gelang es schon damals (bei we-sentlich schlechteren technischen Vor-aussetzungen) die Gefäße und die Pleu-ra klar abzugrenzen und erstmals dieFaszikel des Plexus im Bereich der „de-viation zone“ sonographisch darzustel-len. Einer der wichtigsten Fortschritteseinerzeit war das Monitoring der Nadelin Relation zur Lungenspitze,das das Ri-siko eines Pneumothorax minimierte(Abb. 4). Der Abstand der Nadel zur

Pleura betrug mindestens 1 cm. AuchNervenschädigungen und Parästhesienkonnten vermieden werden. UngewollteGefäßpunktionen traten in keinem Fallauf. Ein weiterer wichtiger Vorteil dersonographischen Methode bestand inder Erfolgsquote von 95%, die deutlichüber denen anderer Verfahren (inklusi-ve der Nervenstimulatortechnik) lag.

Durch die sonographische Identifi-kation der verschiedenen Faszikel war es

möglich, die Anschlagszeiten der einzel-nen Nerven mit der Kanülenlage inRelation zum Plexus zu korrelieren(Abb. 5). Eine Nadelposition nahe amTruncus superior wurde mit einer Blo-ckade beantwortet, die hinsichtlich derAnschlagszeit den N. musculocutaneusund N. radialis begünstigte und denN. ulnaris und N. cutaneus antebrachiibenachteiligte, während eine Nadellagenahe des Truncus medius eine in etwaäquivalente Anschlagszeit nach sich zog.So konnte die Blockadequalität entspre-chend dem chirurgischen Eingriff opti-mal gesteuert werden.

Die Schallbedingungen sind insbe-sondere für diese Blockade so gut ge-worden, dass die Ausbreitung heutzuta-ge in Abhängigkeit vom Lokalanästheti-kumdepot zu den Trunci gut prognosti-ziert werden kann.

Bis heute trat in keinem Fall eineKomplikation (inklusive ungewollte Ge-fäßpunktion) mit dieser Vorgehenswei-se auf (Abb. 6).

Interskalenärer Zugang zum Plexus brachialis

Die Wurzeln des Plexus brachialis(C5–Th1) ziehen dorsal der A. vertebralisdurch die Foramina intervertebrales. So-bald sie die Foramina verlassen,befindensie sich im interskalenären Raum undsind sonographisch abgrenzbar. Inner-halb des Raumes ziehen die 5 Wurzelnnach unten zur ersten Rippe, um die 3

Abb. 4 � Hohe supraklavikuläre Schnittfüh-rung. Der Plexus brachialis verlässt gerade dieSkalenuslücke (SM M. scalenus medius) undlegt sich an die A. subclavia (A) an. Darunterliegen die Pleura und die Lunge (L). Hier ist dieStelle, an der sich die Wurzeln des oberen undunteren Plexus (C5–C8) stark annähern und inder Folge in die Trunci übergehen

Abb. 5 � Supraklavikuläre Ansicht in Höhe derersten Rippe. Die Pleura mit der darunterlie-genden Lunge ist gut zu erkennen. Darüberliegt die V. und A. subclavia. Rechts neben denGefäßen sind die Trunci (S Truncus superior,M Truncus medius, I Truncus inferior) dichtgebündelt gelegen

Abb. 6 � Anatomische Variante des supraklavikulären Plexus. Man erkenntgut den M. scalenus anterior (SA) und die darunterliegende A. subclavia(ASC), aus der die A. transversus colli (ATC) abgeht. Diese zieht jedoch alsanatomische Variante mitten durch die Wurzeln des Plexus brachialis (PB)hindurch. Ebenfalls ist die anatomische Nähe zu Pleura (P) und Lunge (L)offensichtlich

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| Der Anaesthesist 12•20021010

Trunci zu bilden. Diese anatomischeTransformation kann mit dem Ultra-schall dargestellt werden (Abb. 7 und 8).Nachdem die Trunci die erste Rippe pas-siert haben, vermischen sie sich („devia-tion zone“),um zunächst die Faszikel undletztendlich die terminalen Nerven zu bil-den. Dabei vollziehen sie eine Rotation,die den Segmenten der fünfstrahligen Ex-tremität folgt. In der Praxis beginnt manlateral des Kehlkopfes zu schallen; hier istauch die Glandula thyroidea gut zu er-kennen. Nachdem die A. carotis und dieV. jugularis (dazwischen kann man dieReflexe des N. vagus identifizieren) er-kannt wurden, bewegt man den Schall-kopf in lateral-dorsaler Richtung, bis amHinterrand des M.sternocleidomastoide-us die Mm. scaleni wie Eingangspfeilerzum interskalenären Raum sichtbar wer-den. Zwischen diesen sind die Wurzeln(eine Reihe von rundlichen hypoechoge-nen Figuren) leicht zu erkennen (Abb.8).Im Längsschnitt wird der parallele ge-bänderte Verlauf in Richtung der tieferliegenden Arterie sichtbar. Die Wurzelnvereinigen sich zu einem Bündel über derA. subclavia, um die Arterie im weiterenVerlauf „korkenzieherartig“ zu umgar-nen; hierbei liegt die Arterie zentral. Diebeste sonographische Verteilung des Lo-kalanästhetikums (die C8- bis Th1-Wur-zeln einschließend) zeigte sich bei einerLage der Nadelspitze knapp oberhalb derArterie; hier vereinigen sich die Wurzelnzu den Trunci. Mit einiger Übung kann

hier nach anatomischer Orientierung dieNadel rasch in Richtung Plexus vorge-schoben werden,bis eine enge Beziehungder Nadelspitze zu den Wurzeln zu erken-nen ist.Während der Injektion des Lokal-anästhetikums kann man beobachten,wie die Lokalanästhetikumlösung dieWurzeln einschließt. Dadurch wird einideales Einwirken ermöglicht. Wenn dieVerteilung des Lokalanästhetikums vonden Wurzeln wegführt oder die tiefen

Wurzeln (C8–Th1) nicht erreicht, kanndies eindeutig erkannt werden und eineRepositionierung der Nadel erfolgen.

Wir führten eine prospektive ran-domisierte Studie durch, die den Einsatzeines Nervenstimulators mit der Anwen-dung von Ultraschall bei der Durchfüh-rung einer Skalenusblockade verglich[8]. Eingeschlossen wurden 100 trauma-tologische Patienten, die sich einer Ope-ration des Oberarmes unterziehenmussten. Als Hauptergebnis fand sich,dass mit dem Ultraschall eine statistischsignifikant höhere Erfolgsquote der Blo-ckade (98%) erreicht wurde als mit demNervenstimulator (82%). Die Ursachewar darin zu sehen, dass die Blockadeder Wurzeln C8–Th1 statistisch signifi-kant besser war; hierdurch konnte dieToleranz bei diesen Eingriffen deutlichgesteigert werden.

Einen zusätzlichen Vorteil erbrach-te der Ultraschall speziell bei adipösenPatienten und/oder Patienten mit einemkurzen Hals, da auch bei diesem Patien-tenkollektiv die Sonoanatomie eindeu-tig zu identifizieren war.

Blockaden peripherer Nerven

Die peripheren Nerven z. B. an Handge-lenk, Unterarm, Ellbogen und am dista-len Oberarm lassen sich grundsätzlichgut sonographisch darstellen. Ein detail-liertes Wissen der Schnitt- und Sono-

Abb. 7 � Schnitt durch den Hals in Höhe von C6. Dies ist der Ausgangspunktder Ultraschalluntersuchung des Halses zur Lokalisation des Plexus brachialis. Der M. sternocleidomastoideus (MSM) bedeckt die V. jugularis(VJ) und die A. carotis (AC), zwischen denen der N. vagus (NV) zu erkennenist. Medial der Karotisscheide ist die Glandula thyroidea (GT) abzugrenzen,die vom M. omohyoideus (MOH) bedeckt ist

Abb. 8 � Der Schallkopf wird nach lateral geführt, bis der laterale Rand desM. sternocleidomastoideus (MSM) abzugrenzen ist. Darunter sind der M. scalenus anterior (SA) und der M. scalenus medius (SM) zu erkennen.Zwischen diesen Muskeln befindet sich die hintere Skalenuslücke, durch dieder Plexus brachialis zieht. Der Plexus ist als Kette runder bis ovaler Strukturen zu erkennen, als Darstellung des Querschnittes der Wurzeln(C5–C8, Th1), die in dieser Höhe den Plexus repräsentieren

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anatomie der peripheren Nerven ist alsVoraussetzung unerlässlich. In der kli-nischen Praxis konnten wir schon zahl-reiche peripherere Blockaden unter Zu-hilfenahme des Ultraschalls durchfüh-ren. Die entsprechenden Veröffentli-chungen der Ergebnisse stehen noch aus(Abb. 9, 10, 11).

Zusammenfassende Bemerkungen zuden Blockaden der oberen Extremität

In der praktischen Anwendung wurdedie überwiegende Mehrheit der ultra-schallgestützten Blockaden an der obe-

ren Extremität durchgeführt (mehr als1.500 Blockaden an der Klinik in Wien).Die sonographischen Bedingungen sindfür die obere Extremität besonders gut.Der Einsatz von Ultraschall kann fürdiese Blockaden innerhalb nur wenigerAnwendungen erlernt und in fast allenFällen mit großem Erfolg durchgeführtwerden. Die deutlich gesteigerte Anzahlerfolgreicher Blockaden mit Ultraschall-unterstützung kann als evident betrach-tet werden. Eine gut detaillierte Vorher-sage der Blockade ist mit Ultraschallebenfalls möglich. Eine Reduktion mög-licher Komplikationen ist basierend auf

der direkten Sicht der anatomischenStrukturen und der Nadelführung [12]sowie dem Monitoring der Verteilungdes Lokalanästhetikums höchst plausi-bel. Die verkürzte Anschlagszeit und derreduzierte Bedarf an Lokalanästhetikasind weitere Vorteile und Qualitäts-merkmale dieser Methode.

In Anbetracht der Vorteile stellt sichdie Frage, ob die Sonographie den Ner-venstimulator in Zukunft ersetzenkönnte? Da diese beiden Verfahren vongänzlich unterschiedlichen Grundlagenausgehen, ist dies wohl nicht zu bejahen.Während der Ultraschall ein morpholo-gisch anatomisches Verfahren ist, kannman die Nervenstimulation als neuro-physiologische Methode einstufen. Aufder Grundlage dieser unterschiedlichenAnnäherung sind nicht konkurrierendeAspekte von Bedeutung, sondern die ge-genseitige Ergänzung. Ultraschall undNervenstimulation ermöglichen ge-meinsam die höchste Qualität, die ge-genwärtig zur Durchführung einer peri-pheren Blockade zur Verfügung steht.

Ultraschallgezielte Blockadender unteren Extremität

Nervenblockaden der unteren Extremi-tät stellen eine interessante Option beiallen Eingriffen an den unteren Extre-mitäten dar. Hämodynamisch inerteNarkosetechniken sind besonders beikardiovaskulär vorgeschädigten Patien-ten anzustreben. Häufig können durchperiphere Nervenblockaden neuroaxia-le Narkosetechniken bei Eingriffen derunteren Extremitäten vermieden wer-den [16]. Durch die Verwendung von Ul-traschall gelingt es die Treffsicherheitder Nervenblockaden auf beinahe 100%anzuheben. Im Folgenden sollen die ul-traschallgezielten Blockadetechnikender unteren Extremitäten dargestelltwerden, mit denen unsere Arbeitsgrup-pe klinische Erfahrung besitzt.

3-in-1-Block

Die gemeinsame Blockade der Nn. fe-moralis, cutaneus femoris lateralis undobturatorius mit einer einzigen inguina-len, paravaskulären Punktion wurdeerstmals von Winnie 1973 beschrieben[26] und „3-in-1-Block“ genannt. Seitherist diese Technik weit verbreitet und füreine Vielzahl von Indikationen anwend-bar. Dazu zählen Operationen im senso-

Abb. 9 � Sonographie des N. medianus am Ellbogengelenk (5–12 MHz).Der Gelenkspalt des Ellbogengelenks (EG) ist gut zu erkennen. Auch dieA. brachialis (AB) ist gut abgrenzbar, neben der der N. medianus (NM) zu liegen kommt

Abb. 10 � Sonographie des N. radialis im mittleren Schaftbereich des Humerus von dorsal. An dieser Stelle kreuzt der N. radialis (NR) durch denSulcus nervi radialis dorsalseitig den Humerusschaft (HS). Der N. radialis(NR) mit einer kleinen begleitenden Arterie ist gut abgrenzbar. Auch derM. triceps humeri (MTH) ist deutlich dargestellt

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| Der Anaesthesist 12•20021012

rischen Ausbreitungsgebiet der 3 Nerven(N. femoralis: Oberschenkelvorderseite,medialer Unterschenkel, medialer Fuß-rand; N. cutaneus femoris lateralis: late-raler Oberschenkel; N. obturatorius: in-konstant medialer Oberschenkel, Knie-kehle) sowie in Kombination mit derBlockade des N. ischiadicus alle Opera-tionen einer unteren Extremität. DieMöglichkeit einen Katheter unterhalbder Fascia iliopectinea zu platzieren,macht diese Technik aber auch für eineVielzahl schmerztherapeutischer An-wendungen interessant (z. B. Mobilisati-onstherapie nach Kniegelenkoperatio-nen, Schmerztherapie nach Ober- oderUnterschenkelamputationen).

Trotz der mittlerweile routinemäßi-gen Anwendung von Nervenstimulato-ren gelang es allerdings bisher nicht zu-friedenstellende Blockadeerfolge zu er-zielen. Nur in etwa 70% der Fälle wirdeine ausreichende Blockade aller 3 Ner-ven erzielt [19]. Besonders bei vorope-riertem Punktionsgebiet oder beigroßen Hämatomen nach z. B. Hüftge-lenkfrakturen ist die nervenstimulator-gezielte Punktionstechnik schwierigdurchzuführen.

Durch die relativ oberflächlicheLage knapp distal des Lig. inguinale undder A. femoralis als Koleitstruktur in un-mittelbarer Nachbarschaft bietet sich derN.femoralis hervorragend für eine ultra-schallgezielte Nervenblockade an.Als ul-trasonographische Leitstrukturen die-nen sowohl die A. femoralis als auch dieFascia iliopectinea, das tiefe Blatt desLig. inguinale. Der N. femoralis befindet

sich knapp lateral der A. femoralis undunterhalb der Fascia iliopectinea und istin der überwiegenden Zahl der Fälle imUltraschall leicht zu identifizieren(Abb. 12). Nach Identifikation des Nervserfolgt die Punktion ca. 2 cm kaudal desSchallkopfes in kranialer Richtung. DieNadelposition ist dann leicht sowohldurch die Gewebeverdrängung als auchdurch den dorsalen Schallschatten zu er-kennen. Sobald die optimale Nadelposi-tion in Nervennähe erreicht ist, wird dasLokalanästhetikum unter direkter Sichtverabreicht. Bei Fehlausbreitung (ober-halb der Fascia iliopectinea) kann nach-

träglich die Nadelposition korrigiertwerden.Somit gelang es unserer Arbeits-gruppe den Blockadeerfolg dieser regio-nalanästhesiologischen Technik auf 95%zu steigern [15].Ferner beobachteten wireine raschere sensorische Anschlagszeitund eine bessere Blockadequalität derultraschallgezielten Nervenblockaden imVergleich zur nervenstimulatorgezieltenTechnik. Dies wird auf die exakte Kanü-lenposition unter Ultraschallkontrollezurückgeführt. Ein zusätzlicher Vorteilzur nervenstimulatorgezielten Blockade-technik ist, dass die Ausbreitung des Lo-kalanästhetikums unterhalb der Fasciailiopectinea während der Blockade mitUltraschall kontrolliert und ggf. dieKanülenposition korrigiert werdenkann.Zusätzlich können intravasale oderintraneuronale Fehlpunktionen sichervermieden werden.

Ein weiterer unbestreitbarer Vorteildes ultraschallgezielten 3-in-1-Blockes istdie Einsparung von Lokalanästhetikum.In der Literatur werden für die nervensti-mulatorgezielte Technik die Verabrei-chung von bis zu 90 ml eines Lokalanäs-thetikums beschrieben, ohne wesentlichbessere Blockaden zu erzielen [19]. BeiVerwendung derart großer Lokalanästhe-tikamengen verbietet sich die gleichzei-tige Durchführung einer zweiten Blocka-de (z.B.3-in-1-Block oder Ischiadikusblo-ckade). Wir verwenden für den ultra-schallgezielten 3-in-1-Block ausschließ-lich 20 ml eines Lokalanästhetikums und

Abb. 11 � Sonographie des N. radialis am distalen Oberarm von anterior.Der Schaft des Humerus (HS) lässt sich gut abgrenzen. An dieser Stelle ha-ben sich die 2 Äste des N. radialis (NR) geteilt und wären daher getrennt zublockieren

Abb. 12 � Der ultraschallgezielte 3-in-1-Block orientiert sich bei der sono-graphischen Darstellung, ähnlich wie bei konventionellen Techniken, an derA. femoralis (AF) und der V. femoralis (VF) als Leitstrukturen. Neben derA. femoralis (AF) kommt der N. femoralis (NF) unter der Fascia iliopectineazu liegen. Die Aufnahme entstand während der Injektion des Lokal-anästhetikums, das als Randsaum um den Nerven zu erkennen ist

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erzielen im Vergleich mit höheren Lokal-anästhetikamengen bei einem nervensti-mulatorgezielten 3-in-1-Block deutlichbessere Blockadequalitäten [17].

N. ischiadicus

Eine bisher noch nicht publizierte Tech-nik ist die Punktion des N. ischiadicusunter Ultraschallkontrolle.Der N. ischia-dicus entspringt als größter Nerv desMenschen dem Plexus sacralis (L4/5–S4)und versorgt sensorisch den dorsalenOberschenkel,den dorsolateralen Unter-schenkel sowie die laterale Fußhälfte undinkonstant die mediale Fußhälfte bis zurGroßzehe. In der Literatur ist eine großeAnzahl an Punktionsorten (dorsal, ven-tral, midfemoral) beschrieben.

Obwohl, abhängig vom Punktions-ort, die Erfolgsquote der nervenstimu-latorgezielten Technik zwischen 90%und 95% liegt [21], lassen die Erfahrun-gen mit dem 3-in-1-Block doch denSchluss zu, dass sich mit der ultraschall-gezielten Technik die Erfolgsquote aufnahezu 100% steigern lässt. Wenn manden extrapelvinen Verlauf des N. ischia-dicus betrachtet, ist die oberflächlichsteLage im Bereich der Glutealfurche. So-mit ist der N. ischiadicus in diesem Be-reich einer ultraschallgezielten Punkti-on leicht zugänglich (Abb. 13). Die po-tentiellen Vorteile der ultraschallgeziel-ten Ischiadikusblockade sind, analogzum ultraschallgezielten 3-in-1-Block,die Lokalanästhetikainjektion unter di-rekter Sicht und die sichere Vermeidungeiner intraneuronalen Injektion, die be-

sonders bei einem so mächtigen Nervwie dem N. ischiadicus (bis zu3,5*0,9 cm) [5] ein nicht zu unterschät-zendes Gefahrenpotential darstellt.

Trotzdem kann es auch bei der ul-traschallgezielten Blockadetechnik zuinkompletten Blockaden kommen, dasich in 11% der Fälle der N. ischiadicusschon vor seinem Durchtritt durch dasForamen infrapiriforme in seine beidenHauptäste, den N. tibialis und den N. pe-ronaeus, teilen kann. Hier besteht aber

mit dem Ultraschall doch eine Möglich-keit die beiden Hauptäste des N. ischia-dicus in der Glutealfalte zu identifizie-ren und entsprechend zu blockieren.

N. tibialis

Der N. tibialis eignet sich als einer derbeiden Hauptäste des N. ischiadicusebenfalls zur ultraschallgezielten Blo-ckade. Besonders die sehr schmerzhaf-ten Operationen an der Fußsohle zählenzu den Indikationen der Blockade desN. tibialis. Am einfachsten ist der N. ti-bialis im Bereich der Kniekehle zwi-schen dem M. semimembranosus(medial) und dem M. bizeps femoris (la-teral) im Ultraschall aufzusuchen(Abb. 14). Er liegt hier dorsolateral (inBauchlage ventrolateral) der A. poplitea.Mit der herkömmlichen nervenstimula-torgezielten Blockadetechnik werdenErfolgsquoten von 80–90% angegeben[24]. Vorstellbar, wenn auch noch nichtwissenschaftlich bewiesen, ist, dass auchder N. tibialis, analog zu den bisher be-schriebenen Nerven, durch die ultra-schallgezielte Technik einen nahezu100%igen Blockadeerfolg bei sichererVermeidung der bisher beschriebenenKomplikationen (intravaskuläre oderintraneuronale Fehlpunktion) aufweisenkann.

Abb. 13 � Der N. ischiadicus (NI), der hier unter dem M. gluteus von dorsalaus eingestellt wurde, befindet sich an dieser Stelle nur von wenig Gewebeüberlagert und weist eine plattenartige Schnittfläche von mehr als 1,5 cmDurchmesser auf

Abb. 14 � Die Sonographie im Bereich der Fossa poplitea bringt sehr gut dieA. femoralis (AF) und die V. femoralis (VF) zur Darstellung. Man erkennt auchsehr gut den N. ischiadicus (NI), der sich bereits in den N. peronaeus undN. tibialis posterior geteilt hat

Der Anaesthesist 12•2002 | 1013

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Trends und Medizinökonomie

| Der Anaesthesist 12•20021014

Zusammenfassende Bemerkungen zu den Blockaden der unteren Extremität

Es sind bereits mehrere Arbeiten publi-ziert worden, die die Möglichkeiten desUltraschalls an der unteren Extremitätdarstellen. Es wurde gezeigt, dass we-sentliche Einsparungen des Lokalanäs-thetikabedarfs mit Ultraschall möglichsind, ohne dass dies einen Nachteil fürdie Blockadequalität bedeutet. So ge-langten wir zunächst zu der Ansicht,dass sich diese Methodik auf die Anwen-dung des Doppelblockes (3-in-1-Blockund Ischiadikusblockade) konzentriert.Die hohe Genauigkeit der Lokalanästhe-tikumapplikation und der geringerezeitliche Bedarf gepaart mit einem ver-besserten Patientenkomfort (erfolgrei-che Blockade eines Nervs mit der erstenultraschallunterstützten Punktion) ver-anlasste uns auch die Blockaden der un-teren Extremität zunehmend in Verbin-dung mit der Ultraschalltechnik routi-nemäßig einzusetzen. Zusätzlich ist dieAnwendung von tiefen Blockaden wiez. B. der hintere Zugang zum Plexuslumbalis [12, 13], bei denen zwar die Ner-ven per se nicht zur Darstellung kom-men, zu nennen. Bei diesen Anwendun-gen wird eine Erleichterung und Verbes-serung der Blockade durch eine verbes-serte Orientierung an der Anatomie er-reicht und folglich die Vorgehensweisesicherer und leichter durchführbar.Überperiphere Nervenblockaden am Unter-schenkel liegen gegenwärtig keine Da-ten vor.

Grundsätzlich gelten für die An-wendung des Ultraschalls an der unte-ren Extremität die gleichen Aussagenwie für die obere Extremität. Das Inte-resse an peripheren Blockaden mit Ul-traschall steigt gegenwärtig stark an. Ex-perten prognostizieren der Ultraschall-technik eine große Zukunft, die von derHoffnung getragen wird, die man in die-se Methodik setzt.

Keiner konnte diese Hoffnung bes-ser ausdrücken als Alon P. Winnie, derschrieb: „Sooner or later someone willmake a sufficiently close examination ofthe anatomy involved, so that exact tech-niques will be developed.“

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