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1 Rede von Ministerpräsident Volker Bouffier bei der Verleihung des Hessischen Friedenspreises 2019 im Hessischen Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Jahr wird der Hessische Friedenspreis, den der ehemalige Hessische Ministerpräsident Albert Osswald gestiftet hat, zum 25. Mal vergeben. Ein Vierteljahrhundert lang würdigt das Kuratorium Hessischer Friedenspreis nun bereits Menschen, die sich in ganz unterschiedlicher Weise um den Frieden verdient gemacht haben. Gemein ist allen Preisträgern, dass sie eine klare Vorstellung davon antreibt, wie das Leben ihrer Mitmenschen besser,

Rede von Ministerpräsident Volker Bouffier bei der ...€¦ · 1 Rede von Ministerpräsident Volker Bouffier bei der Verleihung des Hessischen Friedenspreises 2019 im Hessischen

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    Rede von Ministerpräsident Volker Bouffier bei

    der Verleihung des Hessischen Friedenspreises

    2019 im Hessischen Landtag

    Es gilt das gesprochene Wort!

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    in diesem Jahr wird der Hessische Friedenspreis,

    den der ehemalige Hessische Ministerpräsident

    Albert Osswald gestiftet hat, zum 25. Mal vergeben.

    Ein Vierteljahrhundert lang würdigt das Kuratorium

    Hessischer Friedenspreis nun bereits Menschen, die

    sich in ganz unterschiedlicher Weise um den Frieden

    verdient gemacht haben. Gemein ist allen

    Preisträgern, dass sie eine klare Vorstellung davon

    antreibt, wie das Leben ihrer Mitmenschen besser,

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    sicherer und friedlicher werden kann, und dafür

    häufig ein großes persönliches Risiko eingehen.

    Der Mann, den wir heute mit dem Hessischen

    Friedenspreis würdigen möchten, und dessen

    Werdegang und Wirken ich Ihnen vorzustellen die

    Ehre habe, ist ein Hoffnungsträger für Millionen von

    Menschen, nicht nur in seinem Heimatland

    Äthiopien. Er ist mit 43 Jahren der jüngste Staatschef

    des afrikanischen Kontinents und ein Vorbild

    insbesondere für die dortige junge Generation.

    Leider kann Ministerpräsident Dr. Abiy Ahmed Ali

    heute nicht persönlich anwesend sein. An seiner

    Stelle wird die Ministerin für Frieden, Frau Muferiat

    Kamil, den Preis entgegennehmen. Ich freue mich

    außerordentlich, sie heute hier begrüßen zu dürfen.

  • 3

    Ministerpräsident Dr. Abiy Ahmed Ali hat einen mehr

    als 20 Jahre andauernden Konflikt mit dem

    Nachbarland Eritrea durch einen historischen

    Friedensschluss beendet.

    Ich möchte an dieser Stelle einen Blick zurückwerfen

    auf die Beziehung der beiden Länder, denn wie so

    viele Konflikte in der Region wirft er einen langen

    historischen Schatten in die Verheerungen der

    Kolonialzeit: Der Konflikt zwischen Äthiopien geht

    zurück auf die Eingliederung Eritreas in das

    Äthiopische Kaiserreich in den 1950er Jahren,

    nachdem Eritrea aus britischer Verwaltung entlassen

    worden war. Auch nach dem Sturz des Kaisers durch

    ein kommunistisches Militärregime Mitte der 1970er

    Jahre blieb Eritrea eine Region Äthiopiens.

    Der schon zu Zeiten des Kaiserreiches begonnene

    Kampf der Eritreer um Unabhängigkeit wurde im

  • 4

    Rahmen des Widerstandes gegen das Militär-

    Regime fortgeführt.

    Nach dem Ende des äthiopischen Bürgerkriegs 1991

    wurde im April 1993 ein von den Vereinten Nationen

    überwachtes Referendum durchgeführt.

    Dabei sprachen sich nahezu alle, nämlich 99,8

    Prozent der Eritreer, für die Unabhängigkeit aus.

    Eritrea wurde am 24. Mai 1993 unabhängig. Die

    Beziehungen zwischen Eritrea und Äthiopien blieben

    aber weiter angespannt, bis es 1998 als Folge von

    Grenzstreitigkeiten zu einem Krieg kam, der sich im

    Kern um die Zugehörigkeit des Ortes Badme mit

    knapp tausend Einwohnerinnen und Einwohnern in

    einer eher unfruchtbaren Gegend drehte. Der Krieg

    endete im Juni 2000 mit einem Waffenstillstand, der

    von der UN überwacht wurde. Eine

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    Grenzkommission sollte den zugrundeliegenden

    Territorialkonflikt lösen. Äthiopien protestierte aber

    gegen den eigentlich verbindlichen Schiedsspruch,

    wollte nicht akzeptieren, dass das umstrittene Gebiet

    um die Stadt Badme Eritrea zugeschlagen wird, und

    hielt die Stadt besetzt. Immer wieder kam es zu

    Gefechten.

    Mehr als Hunderttausend Menschen verloren in dem

    schwelenden Konflikt ihre Leben.

    Abiy Ahmed Ali setzt sich für eine Aussöhnung mit

    Eritrea ein. Er kündigte zunächst im Juni 2018 die

    vollständige Umsetzung des 2002 von einer

    internationalen Schiedskommission

    verabschiedeten Beschlusses über den

    Grenzverlauf von Äthiopien und Eritrea an.

  • 6

    Bei einem Treffen mit dem eritreischen Präsidenten

    Isayas Afewerki im Juli 2018 in der eritreischen

    Hauptstadt Asmara unterzeichneten sie eine

    Erklärung für Frieden und Freundschaft.

    Abiy reichte jedoch nicht nur Eritrea seine Hand, er

    tat dies auch mit vorher verbotenen

    Oppositionsgruppierungen, welche er

    entkriminalisierte und einlud, an der Gestaltung

    Äthiopiens konstruktiv mitzuwirken. Seine

    Entschlossenheit, zum Wohl der Menschen in

    seinem Land einen ganz anderen Weg als seine

    politischen Vorgänger zu wagen, ist beispielhaft. Und

    sie nährt die Hoffnung, dass der Prozess in Äthiopien

    einen stabilisierenden Einfluss auf den ganzen

    Staatenbogen am Horn von Afrika haben wird.

  • 7

    Meine Damen, meine Herren,

    die Herausforderungen, denen sich die Regierung

    und die Menschen in Äthiopien stellen müssen, sind

    für Mitteleuropäer kaum vorstellbar. Sie reichen vom

    Zusammenwachsen eines Landes, Finden einer

    nationalen Identität, über das Beenden regionaler

    und kultureller Rivalitäten und Befrieden der

    nationalen Grenze bis hin zum immer

    wiederkehrenden Mangel an lebensnotwendigen

    Ressourcen, wie Wasser. Die Aufgaben, die zu

    bewältigen sind, sind schier überwältigend. Umso

    bewundernswerter, wenn aus diesem

    Spannungsfeld heraus etwas Konstruktives und

    Positives hervorgeht.

    Unser diesjähriger Preisträger Abiy Ahmed ist in

    einem Land aufgewachsen, in dem über 100

  • 8

    ethnische Gruppen zusammenleben. Immer wieder

    kam und kommt es zwischen diesen zu bewaffneten

    Konflikten. Diese Konflikte haben Ahmed sicher

    geprägt und ihn bewogen, immer wieder eine

    vermittelnde Rolle anzunehmen und nach

    konstruktiven Lösungswegen zu suchen.

    Abiy wurde als Sohn eines muslimischen Oromo und

    einer christlich-orthodoxen Amharin geboren und

    wuchs damit zwischen zwei Religionen und zwei

    Ethnien auf.

    Seine Jugend wurde vom Widerstand gegen das

    Derg-Regime geprägt, einer Militär-Junta, welche

    das Land in einen marxistisch-leninistisch geführten

    Staat verwandeln wollte.

    In den letzten Monaten der Herrschaft der Derg

    wurden sein Vater und sein ältester Bruder inhaftiert.

    Sein Bruder kam dabei ums Leben. Daraufhin

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    schloss sich Abiy – damals fast 15 Jahre alt – dem

    Widerstand an, kurz bevor der Staatschef Mengistu

    Haile Mariam im Mai 1991 gestürzt wurde.

    Abiy trat der Oromo Peoples’ Democratic

    Organization (OPDO) bei, die eine der vier Parteien

    ist, die als Koalition „Revolutionäre Demokratische

    Front der Äthiopischen Völker“ – kurz EPRDF – seit

    dem Sturz Mariams das Land regiert.

    1993 trat Abiy in die Armee ein. Während seiner Zeit

    dort studierte Abiy Computer- und

    Kommunikationstechnik sowie Kryptographie und

    stieg bis zum Oberstleutnant auf. Er wurde im

    Rahmen der UN-Friedensmission nach dem

    Völkermord in Ruanda eingesetzt und diente danach

    im eritreisch-äthiopischen Grenzkrieg von 1998 bis

    2000.

  • 10

    In seinem späteren Posten zeichnete sich seine

    zukünftige Rolle als Vermittler bereits ab: Ende 2006

    kam es in seiner Heimatstadt Beshasha zu

    Übergriffen radikaler Muslime auf orthodoxe

    Christen. Dabei gab es mehrere Todesfälle. Abiy

    Ahmed gelang es, die interreligiösen

    Zusammenstöße zu beenden und zu beruhigen.

    Er wurde 2010 als Abgeordneter der Stadt Agaro in

    der Oromia-Region in die Unterkammer des

    äthiopischen Parlaments gewählt. Von 2015 bis

    2016 war er äthiopischer Wissenschaftsminister, ab

    Oktober 2016 bekleidete er das Amt des Vize-

    Präsidenten der Oromia-Region.

    Nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten,

    Hailemariam Desalegn, dem anhaltende Proteste

  • 11

    der Bevölkerung vorausgegangen waren, folgte

    Ahmed ihm im Amt nach.

    Man kann den Veränderungs- und den

    Gestaltungswillen unseres diesjährigen Preisträgers

    fast mit Händen greifen, wenn man sich vor Augen

    führt, dass nach Jahrzehnten des Stillstandes im

    Friedensprozess mit dem Nachbarn Eritrea gerade

    einmal drei Monate vergangen waren, die

    Premierminister Abiy Ahmed im Amt war, als er mit

    Eritrea Frieden schloss. Dieser Friedensschluss hat

    nicht nur eine unmittelbare Bedeutung für die beiden

    beteiligten Länder.

    Da sowohl Äthiopien als auch Eritrea im somalischen

    Bürgerkrieg an der Seite rivalisierender

    Gruppierungen standen, besteht die Hoffnung, dass

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    auch die nach wie vor desparate Situation in Somalia

    von der Annäherung beider Länder profitiert.

    Auch im Sudan und in Südsudan ist Äthiopien stark

    engagiert und stellt Truppenkontingente für dortige

    UN-Missionen. Dieses Streiflicht zeigt, wie

    angespannt die Sicherheitslage rund um Äthiopien

    ist, und wie sehr dort ein starker Anker für Frieden

    und Demokratie gebraucht wird.

    Das Horn von Afrika hat nicht nur eine große

    strategische Bedeutung, wie sich eindringlich beim

    Schutz des Seeverkehrs im Golf von Aden durch die

    EU-Mission Atalanta zeigt. Den Staaten des Horns

    kommt auch eine große Bedeutung als

    Herkunftsland vieler Geflüchteter zu, die Schutz

    zumeist in anderen afrikanischen Ländern suchen,

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    sich teils aber auch auf den Weg in die Europäische

    Union begeben.

    So stammen die meisten afrikanischen Geflüchteten

    nach Angaben der Vereinten Nationen aus

    Südsudan, direkt gefolgt von Somalia.

    Bei den Anträgen auf Asyl in der Europäischen Union

    belegen Menschen aus Eritrea einen Spitzenplatz.

    Die Ursachen für Flucht und Vertreibung innerhalb

    Afrikas sind vielfältig. Ihnen entgegenzuwirken bleibt

    eine diffizile Aufgabe, bei der es keine einfachen

    Antworten geben kann. Ich bin aber der festen

    Überzeugung, dass eine nachhaltige Lösung nicht

    von außen kommen kann.

    Das macht die Bedeutung, die einem Vorbild wie nun

    Äthiopien zukommt, noch größer. Der diesjährige

    Preisträger Abiy Ahmed möchte über Äthiopien

  • 14

    hinaus als Mittler wirken, um eine ganze Region

    friedlicher werden zu lassen. Eines ist dabei

    überdeutlich: Dabei braucht er alle Unterstützung,

    die möglich ist.

    Denn vergessen dürfen wir an dieser Stelle nicht:

    Äthiopien ist eines der ärmsten Länder der Welt.

    Umso mehr Respekt gebührt all jenen, die dies nicht

    als Hindernis betrachten, und sich weit über ihre

    Landesgrenzen hinaus engagieren.

    Ich hoffe, dass die Verleihung des Hessischen

    Friedenspreises dazu beiträgt, das Augenmerk auf

    eine Region zu lenken, die nicht unsere regelmäßige

    Aufmerksamkeit genießt. Ministerpräsident Ahmed

    sieht sich bei der Befriedung Äthiopiens selbst mit

    einer enormen Kraftanstrengung konfrontiert.

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    Regionale Separationsbestrebungen und

    gewalttätige Auseinandersetzungen in diesem

    Vielvölkerstaat drohen immer wieder, das Erreichte

    teils zunichte zu machen. Und es bedarf weiterer

    Verbesserungen der wirtschaftlichen Lage, die den

    Menschen im Land Perspektiven für die eigene

    Zukunft geben.

    Daher ist die kontinuierliche Unterstützung der

    internationalen Staatengemeinschaft heute

    erforderlicher denn je.

    Abiy Ahmed war couragiert und zuversichtlich, als er

    die Politik seiner Vorgänger änderte und der

    Opposition im eigenen Land die Hand reichte.

    Er entließ tausende politische Gefangene und

    entschuldigte sich bei der Bevölkerung für Unrecht,

    das ihnen widerfahren war. Er hat sich damit unseren

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    Respekt und unsere Anerkennung verdient. Denn

    wie einfach ist es, zu spalten, um an die Macht zu

    kommen oder die Macht zu erhalten. Wieviel

    schwerer ist es, und wieviel mehr Größe braucht es,

    auf Versöhnung zu setzen.

    Viele Menschen fragen nicht, wenn man ihnen sagt,

    dass sie anderen überlegen seien, mehr Rechte

    hätten. Sei es durch eine andere Weltanschauung,

    eine andere Herkunft oder eine andere Kultur.

    Zu leicht ist es, sich nicht die Mühe zu machen um

    zu schauen, was uns als Gesellschaft, als das

    Miteinander von Menschen, im Inneren

    zusammenhält.

    Da ist Mitgefühl, da sind Rücksichtnahme und

    Respekt. Wenn ich jedoch an der Oberfläche bleibe,

    wo es einfach ist, geht es um die Durchsetzung des

  • 17

    eigenen Ich, um Egoismen und Ellenbogen. Hässlich

    verkürzt auf „die da“ und „wir hier“.

    Meine Damen, meine Herren,

    dieses Verhalten ist auf der ganzen Welt zu finden.

    Unser Blick richtet sich zurzeit häufig nach Westen,

    zu den USA und Großbritannien, oder nach Osten,

    zu China und Russland. Was wir von dort momentan

    erleben, ist getrost als desillusionierend zu

    beschreiben, wenn man es unter dem Gesichtspunkt

    von internationaler Zusammenarbeit,

    grenzüberschreitender Bekämpfung von Krisen und

    dem Streben nach einem friedlichen Wohlstand für

    die ganze Welt, und nicht nur das eigene Land, sieht.

    Der Vormarsch des Populismus und in seinem Sog

    das Wiedererstarken des Nationalismus ist auch in

    Europa, ja auch in Deutschland, zu beklagen.

  • 18

    In einer Welt, die von Filterblasen und Algorhythmen

    dominiert wirkt, scheint es allzu einfache Antworten

    auf komplexe Fragen zu geben. Der Irrglaube, sich

    durch Abschottung und Ausgrenzung einer sich

    rasch ändernden Welt entziehen zu können, treibt

    skurrile Blüten, wenn es etwa um das Leugnen des

    vom Menschen verursachten Klimawandels geht,

    der gerade auch auf den afrikanischen Kontinent

    dramatische Auswirkungen hat. Zu einer wirklichen

    Gefahr wird dieser Irrglaube aber dann, wenn er

    Menschen dazu bringt, Gewalt als eine Lösung in

    Betracht zu ziehen. Durch Fanatismus befeuerte

    politische Morde hielten wir auch in unserem Land in

    den letzten Jahrzehnten für kaum denkbar.

    Die traurige Realität hat uns hier eingeholt. So soll

    auch uns der Friedenspreis, den wir heute vergeben,

    eine Mahnung sein daran, dass Frieden untrennbar

  • 19

    mit Freiheit verbunden ist, und die Freiheit jeden Tag

    aufs Neue gegen ihre Feinde verteidigt werden

    muss. Die Freiheit, die für uns scheinbar so

    selbstverständlich geworden ist, geht mit einer

    großen Verantwortung einher.

    So etwa mit der Verantwortung, Andersdenkende,

    Andersgläubige oder Menschen eines anderen

    kulturellen Hintergrundes mit dem Respekt

    entgegenzutreten, die jedem Menschen gebührt.

    Auch unser diesjähriger Preisträger dürfte um die

    Gefahr wissen, dass ein Nachlassen in der Intensität

    und der Entschlossenheit leider faktisch sofort

    Rückschritte im Reform- und Friedensprozess

    bedeuten.

  • 20

    Friedenserklärungen sind zunächst nur so viel wert,

    wie das Papier, auf dem sie geschrieben stehen:

    Frieden erfordert einen langen Atem und muss

    gegen Widerstände und Rückschläge gewappnet

    sein. Auch der Friedensprozess zwischen Äthiopien

    und Eritrea oder auch die Demokratisierung in

    Äthiopien ist nicht unumstritten.

    Die Liberalisierung hat neben ihren positiven

    Effekten auch gesellschaftliche und politische

    Konflikte entzündet und bestehende teils verstärkt.

    Immer wieder aufflammende Gewalt und die

    mutmaßlichen Putschversuche im Oktober 2018

    sowie im Juni 2019 zeigen dies nur zu gut. Im Juni

    2018 explodierte bei einem öffentlichen Auftritt eine

    Handgranate.

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    Abiy ließ sich aber nicht einschüchtern, sondern

    besuchte die Opfer und rief im Fernsehen zu

    „Frieden, Versöhnung und Einigkeit“ auf.

    Vor diesem Hintergrund sind die von Abiy Ahmed Ali

    eingeleiteten Veränderungen bemerkenswert:

    Seitdem Kaiser Haile Selassie im Jahr 1974 gestürzt

    worden war, gab es keinen Regierungswechsel im

    Land ohne Blutvergießen. Die seit 1991 regierende

    EPRDF ist eng mit dem äthiopischen Staat

    verwoben, kontrolliert alle Ebenen des föderalen

    Systems und hat in der Vergangenheit immer wieder

    umfangreiche Repression eingesetzt.

    Abiys Regierung stützt sich auf die seit 1991

    herrschende EPRDF, hat aber trotzdem in den

    letzten anderthalb Jahren bedeutende Fortschritte in

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    der politischen und wirtschaftlichen Liberalisierung

    erzielt.

    Angesichts solcher Herausforderungen erfordert es

    den Mut, nicht zu verzagen und den Weg der

    Aussöhnung, der politischen Öffnung und der

    friedlichen Konfliktbearbeitung weiter zu beschreiten.

    Auch wenn dieser Prozess immer wieder

    gewaltsame Rückschläge erleiden muss.

    Hoffnung gibt es selbst dort und vielleicht gerade

    dort, wo die Lage besonders schwierig ist. Hölderlin

    hat das in seiner Hymne Patmos einst so auf den

    Punkt gebracht „Wo Gefahr ist, dort wächst das

    Rettende auch“.

    Wenn wir heute Abyi Ahmed, den

    Ministerpräsidenten von Äthiopien für seine

    Bemühungen um Frieden mit dem Nachbarland

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    Eritrea, aber auch für seine mutigen Schritte zu

    Liberalisierung und Demokratisierung in Äthiopien

    mit dem Hessischen Friedenspreis der Albert-

    Osswald-Stiftung auszeichnen, tun wir das auch,

    weil wir in der Gefahr das Rettende erwachsen

    sehen und es unterstützen wollen.

    Wir wünschen ihm, aber auch seiner heutigen

    Vertreterin, der Ministerin für Frieden, Muferiat

    Kamil, alles erdenklich Gute. Sie tragen in dieser Zeit

    der Veränderung in Äthiopien eine große

    Verantwortung auf Ihren Schultern. Ihnen und

    insbesondere den Bürgerinnen und Bürgern

    Äthiopiens und Eritreas wünschen wir viel Kraft,

    Geduld und natürlich Erfolg auf dem Weg des

    Friedens.

    Vielen Dank.