19
Kurzbericht zum Forschungsvorhaben Regelleistungsverschleißmodell f¨ ur prim¨ ar- und sekund¨ argeregelte thermische Kraftwerke im ENTSO-E-Netz Bearbeitungszeitraum: 01.08.2012 bis 31.01.2015 Bearbeiter: Universit¨ at Rostock Dipl.-Phys. Maria Richter M.Sc. Andr´ e Berndt M.Sc. Patrick Mutschler Dipl.-Ing. Moritz H¨ ubel Dr.-Ing. J¨ urgen Nocke Prof. Dr.-Ing. Harald Weber Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. Egon Hassel Prof. Dr.-Ing. habil. Manuela Sander Alstom M.Sc. Sebastian Beck Dr.-Ing. Klaus Helbig Rostock, 14. September 2015

Regelleistungsverschleiˇmodell fur prim ar- und …Mainz-Wiesbaden 515 465 130 Tabelle 1: J ahrliche H au gkeiten der Lastwechsels-zenarien f ur die untersuchten Kraftwerke. Angabe

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Kurzbericht zum Forschungsvorhaben

Regelleistungsverschleißmodell fur primar- undsekundargeregelte thermische Kraftwerke imENTSO-E-Netz

Bearbeitungszeitraum:

01.08.2012 bis 31.01.2015

Bearbeiter:

Universitat RostockDipl.-Phys. Maria RichterM.Sc. Andre BerndtM.Sc. Patrick MutschlerDipl.-Ing. Moritz HubelDr.-Ing. Jurgen NockeProf. Dr.-Ing. Harald WeberProf. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. Egon HasselProf. Dr.-Ing. habil. Manuela Sander

AlstomM.Sc. Sebastian BeckDr.-Ing. Klaus Helbig

Rostock, 14. September 2015

III

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Kraftwerksmodelle 1

2.1 Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

2.2 Validierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

3 Eingangsgroßen 3

3.1 Fahrplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

3.2 Primarregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

3.3 Sekundarregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

4 Lebensdauerberechnung 5

4.1 Schadensmechanismen und betrachtete Bauteile . . . . . . . . . . . . . . . . 5

4.2 Ermudung der Komponenten des Wasser-Dampf-Kreislaufs (außer Turbosatz) 6

4.3 Ermudung der Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

5 Einfluss der Primarregelung 8

5.1 Komponenten des Wasser-Dampf-Kreislaufs (außer Turbosatz) . . . . . . . . 8

5.2 Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

5.3 Beanspruchung von Regelventilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

5.4 Vergleich unterschiedlicher Primarregelprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . 11

6 Einfluss der Sekundarregelung 12

6.1 Komponenten des Wasser-Dampf-Kreislaufs (außer Turbosatz) . . . . . . . . 12

6.2 Dampfturbinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

7 Zusammenfassung 14

Abkurzungsverzeichnis

Lehrstuhl fur Elektrische EnergieversorgungLehrstuhl fur Technische Thermodynamik

Lehrstuhl fur Strukturmechanik

IV

Abkurzung Bedeutung

2D/ 3D zwei-/ dreidimensional

Abb. Abbildung

DT Dampfturbine

E Ermudung

ECO Economizer

FEM Finite-Elemente-Methode

GuD Gas und Dampf

Abkurzung Bedeutung

HD Hochdruck

HDV Hochdruckvorwarmer

HS Heißstart

KW Kraftwerk

LW Lastwechsel

MD Mitteldruck

ND Niederdruck

NDV Niederdruckvorwarmer

PR Primarregelung

Sref Referenzschadenssumme

Samm, S Sammler

SD Shut Down / Abfahren

SpWStutz Speisewasserstutzen

SR Sekundarregelung

Trom Trommel

UH, UEH Uberhitzer

Vert, V Verteiler

vgl. vergleiche

WS Warmstart

z.B. zum Beispiel

ZUH, ZUEH Zwischenuberhitzer

Lehrstuhl fur Elektrische EnergieversorgungLehrstuhl fur Technische Thermodynamik

Lehrstuhl fur Strukturmechanik

1

1 Einleitung

Zur Umsetzung internationaler Klima-

schutzvereinbarungen wird im Rahmen des

deutschen Erneuerbare Energien Gesetzes

(EEG) der Ausbau einer regenerativen

Stromerzeugung geregelt. So sind die

Netzbetreiber zum Anschluss und zur

Abnahme von Strom aus erneuerbaren

Energien verpflichtet. Weiterhin sind fes-

te Vergutungssatze gesetzlich verankert.

Diese Forderung regenerativ erzeugten

Stroms stellt neue Anforderungen an die

konventionellen thermischen Kraftwer-

ke. Die Einspeisungen aus Photovoltaik-

und Windkraftanlagen weisen witterungs-

bedingt große tageszeitliche aber auch

saisonale Fluktuationen auf. Um die ak-

tuelle Verbraucherlast dennoch zu decken,

muss die Differenzleistung zwischen Last

und intermittierender Einspeisung durch

regelfahige Kraftwerke erbracht werden. Im

Zuge der Liberalisierung des Strommarktes

ist damit die Flexibilitat eines Kraftwerks

von großer wirtschaftlicher Bedeutung.

Bei der Lieferung der Regelleistung fuhren

die betroffenen Kraftwerke dynamische

Vorgange aus, welche sich durch alle tech-

nischen Komponenten ziehen. Dabei treten

Temperatur- und Druckschwankungen in

den dampffuhrenden Bauteilen auf. Dieses

kann zu einer reduzierten Lebensdauer

einzelner Komponenten fuhren.

Ziel dieses Projektes ist, die Auswirkungen

der zu erbringenden Regelleistung auf

die Lebensdauer der betroffenen Bauteile

der Kraftwerksanlagen zu ermitteln. Die

Fahrweise eines Kraftwerkes wird durch

drei sich uberlagernden Eingangsgroßen

bestimmt:

• Leistungsanforderung aus Fahrplan

• Primarregelanforderung aus Netzfre-

quenzschwankungen

• Sekundarregelleistungsanforderung

vom Ubertragungsnetzbetreiber.

Diese Daten werden analysiert, um re-

prasentative Szenarien zu entwickeln, wel-

che den instationaren, physikalischen Kraft-

werksmodellen als Eingangsgroße ubergeben

werden. Mit diesen Simulationsmodellen ist

es moglich, fur alle modellierten Komponen-

ten vergleichbare Druck- und Temperatur-

verlaufe zu ermitteln und eine strukturme-

chanische Bewertung vorzunehmen.

2 Kraftwerksmodelle

Die Kraftwerksmodelle wurden anhand

folgender Referenzkraftwerke zur Validie-

rung entwickelt: das Steinkohlenkraftwerk

Rostock, ein Block des Braunkohlen-

kraftwerks Janschwalde und das Gas-

und Dampf (GuD)- Kraftwerk Mainz-

Wiesbaden. Als Entwicklungsumgebung

wird die Software Dymola verwendet.

2.1 Modellbildung

Bei der Modellbildung fur die Kraftwerks-

modelle wird zwischen der thermodynami-

schen und regelungstechnischen Vorgehens-

weise unterschieden.

Institut fur Elektrische EnergietechnikLehrstuhl fur Technische Thermodynamik

Lehrstuhl fur Strukturmechanik

2

Die thermodynamische Modellbildung fur

die Komponenten des Kraftwerkes findet

auf Grundlage der Bilanz-, Transport-

und Zustandsgleichungen statt. Der Raum

wird in kleine, miteinander verknupfte

Kontrollvolumina unterteilt, fur welche die

korrespondierenden Bilanzgleichungen fur

Masse, Impuls und Energie gelost werden.

Die Warmeubertragung wird gemaß den

physikalischen Transportgleichungen fur

Warmeleitung, Warmestrahlung und Kon-

vektion modelliert. Die Berechnung von

Warmeubergangskoeffizienten, Emissions-

und Absorptionsgraden erfolgt u.a. auf

Grundlage von [3]. Gleiches gilt fur die

Beschreibung von Druckverlusten.

Zur Berechnung der Zustandsgroßen von

Wasser bzw. Wasserdampf werden die

Zustandsgleichungen gemaß dem Tech-

nischen Bericht IF97 [2] herangezogen.

In den verwendeten Medienbibliotheken

finden sich außerdem die notigen Stoffdaten

und Materialkennwerte fur Frischluft und

Rauchgas sowie der weitverbreiteten Stahle.

Fur die Modellbildung der Leittechnik wird

in enger Zusammenarbeit mit den Kraft-

werksbetreibern ein Modell der realen Leit-

technik mit Hilfe von Regelplanen erstellt.

Dieses Vorgehen ist fur eine hohe Gute

der Simulationsmodelle unablassig. Weiter-

hin ist durch dieses Vorgehen eine simula-

tionstechnische Optimierung von Reglerpa-

rametern fur einen optimierten Betrieb des

realen Kraftwerks moglich.

2.2 Validierung

Die Validierung ist ein Prozess zur Si-

cherstellung der Realitatsnahe des Modells.

Hierbei werden Messdaten aus dem Kraft-

werk mit Simulationsdaten verglichen.

Nachfolgend sind ausgewahlte Abbildungen

der Validierung vom Steinkohlenkraftwerk

aufgefuhrt. Wie zu erkennen, stimmen

460

500

540M

WSollwert Leistung

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4

450

500

550

t / h

MW

Generatorleistung

Abbildung 1: Validierung der Generatorleistung fureine Sekundarregelleistungsanforderung im Kraft-werk Rostock

die simulierten (durchgezogenen) mit den

gemessenen (gestrichelten) Zeitreihen sehr

gut uberein. Im Abschlussbericht zum For-

schungsvorhaben ist die Validierung fur alle

drei Kraftwerke detailliert aufgefuhrt.

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Lehrstuhl fur Strukturmechanik

3

460

500

540M

WSollwert Leistung

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4

500

550

600

t / h

◦ C

TFD

T nach ZUH

Abbildung 2: Validierung der Dampfaustrittstempe-raturen des Kessels fur eine Sekundarregelleistungs-anforderung im Kraftwerk Rostock

460

500

540

MW

Sollwert Leistung

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4

40

45

50

t / h

kg/

s

Kohleverbrauch

Abbildung 3: Validierung des Kohleverbrauchs fureine Sekundarregelleistungsanforderung im Kraft-werk Rostock

3 Eingangsgroßen

3.1 Fahrplan

Die sich aus den Einsatzplanen ergeben-

den Fahrplanwechsel fur die Referenzkraft-

werke Rostock, Janschwalde und Mainz-

Wiesbaden wurden anhand ihrer Große in

Klassen zusammengefasst. Es wurde be-

stimmt, wie haufig ein Lastwechsel (positive

und negative) einer bestimmten Klasse pro

Jahr auftritt. Diese Haufigkeiten sind in der

Tabelle 1 fur das Jahr 2011 zusammenge-

fasst.

LastwechselKraftwerk 15 % 25 %

Janschwalde 229 6

15 % 30 % 40 %Rostock 267 75 75

Mainz-Wiesbaden 515 465 130

Tabelle 1: Jahrliche Haufigkeiten der Lastwechsels-zenarien fur die untersuchten Kraftwerke. Angabein % der Nennleistung

3.2 Primarregelung

Um den Einfluss der Primarregelung auf die

Kraftwerkskomponenten zu untersuchen,

wurde eine umfangreiche Frequenzanalyse

erstellt. Im Histogramm in Abbildung 4

sind die Abweichungen vom Frequenzsoll-

wert 50 Hz dargestellt. Durch die Reduktion

des Lastrauschens durch Mittelung wird

der Zusammenhang von großer Netzfre-

quenzabweichung und vollen Zeitstunden

ersichtlich (Abb. 5).

Aus den gemessenen Frequenzsignalen

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Lehrstuhl fur Strukturmechanik

4

−0,2 −0,1 0 0,1 0,20

20

40

60

Frequenzabweichung in Hz

Dau

erin

Tag

en

Abbildung 4: Histogramm der auftretenden Netz-frequenzenabweichungen im Jahr 2011 bei einer Ab-tastzeit von einer Sekunde

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24

49,95

50,00

50,05

Uhrzeit

Fre

qu

enz

inH

z

Abbildung 5: Gemitteltes Frequenzsignal des Jahres2011

um die volle Zeitstunde wurden acht

charakteristische Frequenzverlaufe ermit-

telt (Abb. 6). Diese werden den Lastwech-

seln uberlagert und hochgerechnet um das

vollstandige Jahr abbilden zu konnen.

Abbildung 7 zeigt das Auftreten von Last-

wechseln zu den vollen Zeitstunden fur ver-

schiedene Tageszeiten. Wie zu erkennen, tre-

ten zu den Abendstunden zwischen 20 Uhr

und 4 Uhr gehauft negative Lastwechsel auf.

Dies korreliert sowohl mit den Frequenzein-

bruchen im gemittelten Netzfrequenzsignal

50 60 70

49,90

50,00

50,10

t / min

f/

Hz

Klasse 1Klasse 2Klasse 3Klasse 4Klasse 5Klasse 6Klasse 7Klasse 8

Abbildung 6: Frequenzseitige Stundelwechselszena-rien

des Jahres 2011 (Abb. 5) als auch mit den

ermittelten Netzfrequenzverlaufen der Am-

plitudenklassen 1 (Netzfrequenzeinbruch)

bis 8 (Uberschwingen der Netzfrequenz (vgl.

Abb. 8)). Gleiches gilt fur die Morgenstun-

den von 4 Uhr bis 12 Uhr, wobei uber-

wiegend positive Lastwechsel auftreten und

dementsprechend eine Netzfrequenzuberho-

hung auftritt.

20-4 Uhr 4-12 Uhr 12-4 Uhr0

50

100

150 pos./neg. LW 0-15% PN——–

pos./neg. LW 0-15% PN——–

pos./neg. LW 0-15% PN——–

pos./neg. LW 0-15% PN

pos./neg. LW 15-30% PN

pos./neg. LW 30-40% PN

Tageszeit

Anza

hl

pro

Jah

r

Abbildung 7: Zeitliches Auftreten von Lastplan-wechseln fur das Kraftwerk Rostock

3.3 Sekundarregelung

Fur die Sekundarregelung wurden fur jedes

Kraftwerk aktuelle Messreihen ausgewertet.

Die Sekundarregelszenarien ergeben sich aus

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5

1 2 3 4 5 6 7 80

500

1000

1500

Amplitudenklasse

Hau

figke

it20

1120-4Uhr

4-12Uhr

12-20Uhr

Abbildung 8: Haufigkeit von Frequenzanderungenim Jahr 2011

der aktuell maximal angebotenen Sekundar-

regelleistung. Diese sind

• ±5 %PNenn fur das Braunkohlenkraft-

werk,

• ±10 %PNenn fur das Steinkohlenkraft-

werk und

• ±23 %PNenn fur das GuD Kraftwerk.

4 Lebensdauerberechnung

4.1 Schadensmechanismen und

betrachtete Bauteile

Eine Reduktion der Lebensdauer bzw. das

Versagen von Komponenten wird durch un-

terschiedliche Beanspruchungen hervorgeru-

fen:

• Mechanische Beanspruchung

– Ermudung

– Rissausbreitung

• Thermische Beanspruchung

– Verzunderung

• Tribologische Beanspruchung

– Abrasion / Erosion

– Adhasion

– Tribochemische Reaktionen

• Korrosion

– Interkristalline Korrosion

– Spannungsrisskorrosion

– Schwingungsrisskorrusion

In Zusammenarbeit mit dem Lenkungskreis

erfolgte eine Einigung auf die folgenden Un-

tersuchungschwerpunkte:

1. Ermudung: Lebensdauerverbrauch von

Komponenten

2. Verschleiß: Bewertung der Ventilbean-

spruchung durch Stellaufwand

Kern dieses Forschungsvorhabens bilden die

zyklischen mechanischen Beanspruchungen

infolge von Druck- und Temperaturschwan-

kungen in den einzelnen Kraftwerkskompo-

nenten, welche durch Primar- und Sekun-

darregelvorgange hervorgerufen werden. Da-

her wird im Rahmen dieser Arbeit der Le-

bensdauerverbrauch auf mechanischer Basis

bewertet.

Um die Primar- und Sekundarregelung ab-

bilden zu konnen, wird ein vollumfangliches

Modell des Wasser-Dampf-Kreislaufes fur

jedes Kraftwerk benotigt. Im Vorfeld wur-

de hierfur der Detailierungsgrad festgelegt.

Folgende Komponenten wurden untersucht:

HD-Vorwarmer, Sammler und Verteiler (von

Economiser, Verdampfer, Uberhitzerstufen,

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6

Zwischenuberhitzerstufen), Einspritzkuhler,

Komponenten der Frischdampfleitung, Tur-

binenventile, Turbinenstrang, Kondensator,

ND-Vorwarmer und Speisewasserbehalter.

Der Generator wurde nach Rucksprache mit

Herstellern nicht untersucht, da dieser fur

die untersuchte Belastung unkritisch ist.

Im Laufe des Projektes konnte der Turbi-

nenhersteller Alstom mit eingebunden wer-

den, welcher den komplexen Turbinenstrang

untersucht hat. Dadurch unterscheiden sich

die strukturmechanischen Herangehenswei-

se in dieser Komponente.

Fur die Betrachtung der Komponenten des

Wasser-Dampf-Kreislaufs (außer Turbosatz)

wird das Nennspannungskonzept nach der

aktuellen DIN EN 12952 angewendet. Der

Turbosatz wird unter Anwendung des ortli-

chen Konzeptes mit FEM-Rechnungen un-

tersucht.

4.2 Ermudung der Komponenten

des Wasser-Dampf-Kreislaufs

(außer Turbosatz)

Fur die Komponenten des Wasser-Dampf-

Kreislaufes werden die zyklischen Bean-

spruchungen der Bauteile aufgrund von

Druck- und Temperaturschwankungen mit

Hilfe des Betriebsfestigkeitsnachweises nach

DIN EN 12952 [1] bewertet (Nennspan-

nungskonzept). Hierbei werden Spannun-

gen, die am Lochrand an der Innenflache

des Ubergangs zwischen zwei Zylindern oder

zwischen Zylinder und Kugel entstehen,

betrachtet. Insbesondere bei dickwandigen

Bauteilen kommt es zu hohen thermisch

induzierten Spannungen, welche durch die

Kerbwirkung der Stutzengeometrien noch-

mals verstarkt werden.

Die thermisch induzierten Spannungen wer-

den konservativ als Thermoschockspannun-

gen berechnet. Sie ergeben sich aus der Tem-

peraturdifferenz zwischen zwei aufeinander-

folgenden Extremwerten der Temperatur-

Zeit-Funktion, sowie Werkstoff- und Kerb-

faktoren.

Schließlich ergibt sich durch Superpositi-

on der mechanischen und thermisch in-

duzierten Spannungen die Belastungs-Zeit-

Funktion, welche hinsichtlich der auftre-

tenden Schwingspiele nach der Rainflow-

Counting-Methode [4] klassiert wird. Der

Einfluss von Oberflachenrauheiten und

Schweißnahten wird durch Multiplikation

mit entsprechenden Korrekturbeiwerten be-

rucksichtigt. Um die resultierenden Teil-

schadigungen der aus der Rainflowzahlung

ermittelten Zyklen zu bestimmen, werden

die entsprechenden Spannungsamplituden

mit den ertragbaren Amplituden der Woh-

lerlinie verglichen. Die Addition aller Teil-

schadigungen fuhrt zur Gesamtschadigung

der jeweiligen Komponente.

Abbildung 9: Betrachtete Stutzengeometie nachDIN EN 12952 (Nennspannungskonzept [1])

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7

4.3 Ermudung der

Dampfturbinen

Im Rahmen des Projektes wurden die

Lebensdauerberechnungen der Dampfturbi-

nenrotoren der Kraftwerke Rostock und

Janschwalde durch die Firma ALSTOM

durchgefuhrt.

Die umfassende Uberwachung aller Bau-

teile einer Dampfturbine dient dem Ziel,

die Betriebssicherheit sowie Flexibilitat

und Verfugbarkeit der Maschinen langfris-

tig sicherzustellen. Die Lebensdaueruberwa-

chung basiert auf theoretischen Berechnun-

gen und zerstorungsfreiem Prufen hochbe-

lasteter Bauteile.

Die Berechnungen umfassen Bauteile, die

Betriebstemperaturen oberhalb von 400 ◦C

ausgesetzt sind. Typisch hierbei sind die

HD- und MD- Turbinenrotoren, Innen-

gehause und Einstromleitungen. In einer

Lebensdauerberechnung werden allgemein

Kriech- und Dehnungswechselermudung der

hoch belasteten Bauteile ermittelt, nicht Be-

standteil der Untersuchungen sind Schadi-

gungsarten, die auf Erosion, Korrosion oder

Verschleiß basieren.

Fur die transiente Fahrweise einer Dampf-

turbine wird der hochst belastete Bereich

(meist die erste Wellennut) durch die An-

fahrsonde Turbomax bezuglich uberhohtem

Lebensdauerverbrauch geregelt. Der Ro-

tor ist aus Erfahrungswerten vieler Unter-

suchungen die fuhrende Komponente fur

Dehnungswechselermudungen. Die Turbi-

nenschaufeln konnen aufgrund ihrer Be-

schaffenheit als dunnwandige Bauteile bei

den Betrachtungen vernachlassigt werden.

Im Turbinenbetrieb konnen die Dampf-

zustande infolge betrieblicher Forderungen

von den Nenn- und Auslegungsparame-

tern abweichen, womit sich der geplan-

te zeitliche Verlauf der Ermudung andert.

Je nach Uberwachung, Art und Haufigkeit

von Starts und Leistungsanderungen wird

der Ermudungsablauf der Bauteile zusatz-

lich beeinflusst. Aufgrund des zunehmend

volatilen Anteils der Stromerzeugung sind

die Belastungen der Dampfturbine stark

schwankend. Die Berechnungen werden des-

halb nicht mehr uber reprasentative Events

durchgefuhrt, sondern mit ganzheitlichen

Betriebsdaten, die in den Kraftwerken aus-

gelesen werden.

Die Ermittlung der Gesamtermudung E

aus Zeitstands- und Dehnungswechselermu-

dung erfolgt nach den Regeln von Robin-

son und Palmgren-Miner. Versuche haben

gezeigt, dass bei veranderlichem Anteil der

Zeitstands- und Dehnungswechselbeanspru-

chungen Turbinenbauteile schon bei Werten

von E < 1 ihre Versagensgrenze erreichen

konnen. Unter Beachtung der bei Dampftur-

binen ublichen Variationsbreite der Bean-

spruchungen wird das rechnerische Lebens-

dauerende bei einer Ermudung E = 0,75

festgelegt.

Um eine qualitative Aussage von Regelein-

flussen auf die Ermudung der Turbinen-

komponenten zu erlangen, wurden die Deh-

nungswechselermudungen fur die verschie-

denen Regelszenarien berechnet.

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8

Abbildung 10: Dreidimensionale Darstellung derSpannungsverteilung innerhalb eines MD-Rotors(KW Rostock). Berechnung mittels transienter Fi-niter Elemente Methode.

Die hohe Bauteilkomplexitat forderte die

Anwendung eines ortliches Konzepts, bei

dem 2D/3D Finite Elemente (FE) Modelle

erstellt wurden.

Schwerpunkt bildeten jeweils die Hoch-

und Mitteldruckturbinenrotoren, deren ex-

akte Geometrie, sowie thermodynamischen

Randbedingungen mit einem Inhouse-Tool

umfassend abgebildet wurden. Alle Berech-

nungsergebnisse sind daher auf den speziel-

len Belastungsfall bezogen. Eine generische

Losung wird aufgrund zahlreicher Modellva-

riablen und Randparameter nicht empfoh-

len. Der Einfluss von unterschiedlichen Nut-

geometrien und Nuttiefen im Turbinenrotor,

die Lage der Entlastungsblase, firmenspezi-

fische Materialparameter und verschiedene

Arten der transienten Fahrweisen (z.B. An-

und Abfahren, Primarregelung, Niedriglast)

ist zu groß, um allgemeine Aussagen treffen

zu konnen.

Die fur die Analyse der Regelvorgange not-

wendigen Prozessdaten, wie beispielsweise

Dampfdruck und -temperatur, wurden aus

den dynamischen Kreisprozesssimulationen

entnommen und in die thermodynamischen

Berechnungen der Warmeubergangskoeffi-

zienten uberfuhrt, um anschließend FEM-

Berechnungen durchzufuhren. Im Ergeb-

nis dessen konnten die zeitlichen Verlau-

fe von Spannungen, Dehnungen und Tem-

peratur innerhalb der Turbinenrotoren be-

stimmt werden, die im Weiteren als Ein-

gangsgroße fur die Bestimmung von Zyklen-

zahlen dienten. Die Grundlage dafur bil-

deten Dehnungswohlerdiagramme, die ei-

ner Alstom-internen Datenbank entnommen

wurden und dabei die Materialeigenschaf-

ten der Dampfturbinen im Speziellen abbil-

den. Fur die Bewertung des Einflusses der

Regelenergielieferung auf die Lebensdauer

der Dampfturbinen wurden Referenzzyklen

betrachtet, wobei die Zyklenzahlen fur un-

terschiedliche An- und Abfahrprozesse be-

stimmt wurden und diese dann in Relation

zu den Ergebnissen der Betriebszyklen mit

Primar- und Sekundarregelung gesetzt wur-

den.

5 Einfluss der

Primarregelung auf die

Lebensdauer von

Kraftwerkskomponenten

5.1 Komponenten des

Wasser-Dampf-Kreislaufs

(außer Turbosatz)

Das normalerweise gleichzeitige Auftreten

eines Lastwechsels mit einer Primarregel-

leistungsanforderung kann zu einer Schadi-

gung fuhren. Dies konnte fur einige Kompo-

nenten des GuD-Kraftwerks und des Stein-

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Lehrstuhl fur Strukturmechanik

9

kohlenkraftwerks nachgewiesen werden (vgl.

Abb. 11 und 12). Fur das untersuchte

Braunkohlenkraftwerk wurde keine Schadi-

gung festgestellt, da die Amplituden des

Fahrplanwechsels relativ klein sind. In den

Abbildungen sind jeweils die Schadigungs-

summen fur ein Jahr durchgehende Primar-

regelung mit Lastwechselbetrieb SPR in Re-

lation zu den Schadigungssummen fur ein

Jahr reinen Lastwechselbetrieb Sref gesetzt.

HDV1Vert

HDV1Samm

HDV2Vert

HDV2Samm

UEH1Vert

UEH4Vert

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

SPR

/Sref

Abbildung 11: Jahrliche relative Schadigung durchPrimarregelung SPR im Steinkohlenkraftwerk

HD-TromSteigrohre2

HD-TromSpWStutz

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

SPR

/Sref

Abbildung 12: Jahrliche relative Schadigung durchPrimarregelung SPR im GuD Kraftwerk

Wie zu erkennen ist, sind die stark tempera-

turbelasteten Bauteile, wie der Uberhitzer 4

im Steinkohlenkraftwerk, mit einer um 20 %

erhohten Schadigung und die Hochdruck-

Trommel im GuD-Kraftwerk mit einer um

30 % erhohten Schadigung betroffen. Die

Absolutwerte der jahrlichen Schadigungss-

umme liegen im Bereich von 10−4. Somit

ist der Einfluss der Primarregelung auf die

Lebensdauer einzelner Komponenten nach

DIN EN 12952 in allen untersuchten Kraft-

werken vernachlassigbar.

5.2 Dampfturbinen

Kraftwerk Rostock Aufgrund der Regel-

gute des Steinkohlenkraftwerkes fuhren die

untersuchten Regelvorgange zu keinen signi-

fikanten Anderungen in den Dampftempe-

raturen in der HD- und MD-Turbine und

somit zu einem vernachlassigbaren Lebens-

dauerverbrauch im Vergleich zu den be-

trachteten Referenzzyklen. Es wurde fest-

gestellt, dass Spannungs- und Dehnungsver-

laufe innerhalb der Turbinenrotoren, die den

großten Einfluss auf die Berechnungsergeb-

nisse haben, die Extremwerte vom An- und

Abfahren nicht uberschreiten (Abb.13).

100 200 300 400 500 600 700 8000

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Zeit in min

Nor

mie

rte

Ver

gle

ich

sspan

nun

g

ReferenzzyklusLW30 + PR8PR8

Abbildung 13: Exemplarischer von-Mises-Vergleichsspannungsverlauf in der ersten Wellennutder MD-Turbine Rostock fur einen 30 % Lastwech-sel (LW30) und eine Primarregelanforderung derAMplitudenklasse 8 (PR8)

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Lehrstuhl fur Strukturmechanik

10

Zusatzlich wurden Lebensdauerberechnun-

gen der Regelszenarien ohne An- und Abfah-

ren durchgefuhrt. Alle Ergebnisse lagen da-

bei innerhalb des Dauerfestigkeitsbereiches.

Wie in Tabelle 2 exemplarisch zu sehen ist,

haben die An- und Abfahrvorgange der HD-

Turbine einen großen Einfluss auf die Le-

bensdauer. Je nach Eventkombination vari-

ieren die Zyklenzahlen bis zu einem Lebens-

dauerverbrauch von 100 % um den Faktor

drei.

Abfahren 1 Abfahren 2Heißstart 4287 2598

Warmstart 7440 2394

Tabelle 2: Zyklenzahlen eines Heiß- (HS) undWarmstarts (WS) mit unterschiedlichen Abfahr-events (SD). Erste Wellennut HD-Turbine.

Die Regelevents Lastwechsel (LW) Primar-

regelung (PR) (Tab. 3) hingegen zeigen

einen zu vernachlassigenden Einfluss auf die

betrachteten Referenzzyklen. Die Zyklen-

zahlen weichen nur minimal voneinander ab

und werden als unkritisch betrachtet.

LW30 LW30 + PRHS+SD01 4287 4227HS+SD02 2598 2598WS+SD01 7440 7120WS+SD02 2394 2386

Tabelle 3: Zyklenzahlen der Referenzszenari-en (HS/WS+SD) mit einem 30% Lastwech-sel (LW30) und einem ausgewahlten Regelszena-rio (PR). Erste Wellennut HD-Turbine.

Die Berechnungen der MD-Turbine zeigten

ein ahnliches Verhalten. Der Einfluss der Re-

geleingriffe wird als ernachlassigbar bewer-

tet (Tab. 4 und 5).

Abfahren 1 Abfahren 2Warmstart 8463 5366Heißstart 8752 2511

Tabelle 4: Zyklenzahlen eines Heiß- (HS) undWarmstarts (WS) mit unterschiedlichen Abfahr-events (SD). Erste Wellennut MD-Turbine.

LW30 LW30 + PRWS+SD01 8463 8463WS+SD02 5366 5366HS+SD01 8752 8752HS+SD02 2511 2511

Tabelle 5: Zyklenzahlen der Referenzszenarien(HS/WS+SD)) mit einem 30% Lastwechsel und ei-nem ausgewahlten Regelszenario. Erste WellennutMD-Turbine Rostock.

Kraftwerk Janschwalde Fur die Lebens-

dauerberechnungen der beiden Turbinen des

Braunkohlenkraftwerkes wurden Betriebs-

daten von zweieinhalb Jahren ausgewertet,

um die notwendigen Referenzzyklen zu se-

lektieren. Beim An- und Abfahren im Duo-

kesselbetrieb treten, im Vergleich zum zu-

vor betrachteten Kraftwerk Rostock, hohere

Temperaturgradienten im Turbinenbereich

auf. Dies fuhrt rechnerisch zu hoheren Deh-

nungen innerhalb des Materials und damit

zu niedrigeren Zyklenzahlen der Referenzzy-

klen.

Abfahren 1 Abfahren 2Heißstart 1503 3259

Tabelle 6: Zyklenzahlen eines Heißstarts mit un-terschiedlichen Abfahrevents (SD). Erste WellennutMD-Turbine.

Tabelle 6 und 7 bestatigen, dass im Ergeb-

nis der Berechnungen des Netzregelbetriebs

die Spannungs- und Dehnungsamplituden

der Referenzzyklen nicht uberschritten wur-

den und somit kein Einfluss auf die Deh-

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Lehrstuhl fur Strukturmechanik

11

nungswechselermudung nachgewiesen wer-

den kann.

LW25 LW25 + PRHS+SD01 1503 1503HS+SD02 3259 3259

Tabelle 7: Zyklenzahlen der Referenzszenarien miteinem 25% Lastwechsel und einem ausgewahltenRegelszenario. Erste Wellennut MD-Turbine.

Ebenfalls wurden alle Regelszenarien ohne

An- und Abfahren analysiert und ausgewer-

tet. Die Spannungen liegen alle innerhalb

des Dauerfestigkeitsbereiches.

Kraftwerk Mainz-Wiesbaden Das Kraft-

werk Mainz-Wiesbaden verwendet eine Sie-

mens Dampfturbine. Zu dieser haben keine

Untersuchungen stattgefunden.

5.3 Beanspruchung von

Regelventilen

Die Primarregelung hat einen großen Ein-

fluss auf den Stellaufwand von Turbinen-

regelventilen und Anzapfklappen. Exem-

plarisch wurden die Hochdruckventile des

Braunkohlenkraftwerkes anhand von Mess-

daten untersucht. Hierbei wurde durch die

Primarregelung eine Erhohung des jahrli-

chen Ventilweges um den Faktor 1,35 und

der Umkehrpunktanzahl um den Faktor 1,15

und damit einer Reduktion der Einsatz-

dauer von ca 20 % festgestellt. Aufgrund

der verwendeten Messdaten und der rela-

tiv großen Zeitdifferenz zwischen zwei Mess-

punkten sind diese Faktoren als unter-

schatzt zu bewerten.

5.4 Vergleich unterschiedlicher

Primarregelprinzipien

Mit Hilfe der Simulationsmodelle ist es

moglich, unterschiedliche Primarregelprin-

zipien zu untersuchen. Hierbei wurde die

Frischdampf-Androsselung durch die HD-

Ventile, der Kondensatstau durch Verrin-

gerung des Anzapfdampfmassenstroms zu

den Niederdruckvorwarmern bei gleichzei-

tiger Drosselung des Kondensats und die

Drosselung des Anzapfdampfmassenstroms

zu den Hochdruckvorwarmern (HDV) unter-

sucht. Wie in Abbildung 14 zu erkennen, ha-

ben die Primarregelprinzipien unterschiedli-

che Einflusse auf die Komponenten.

Dargestellt ist die maximale Spannungs-

amplitude in Relation zur Dauerfestigkeit.

Werden die 100 % uberschritten, erfahrt die

Komponente eine Schadigung. Durch Kon-

densatstau und HDV-Androsselung werden

die Komponenten des Kessels, wie die Uber-

hitzer 3 und 4 und die Zwischenuberhitzer 1

und 2, im Vergleich zur Frischdampfandros-

selung entlastet. Allerdings erhohen sich die

Spannungen in den Niederdruckvorwarme-

rn (Kondensatstau) und den Hochdruckvor-

warmern (HDV-Androsselung) um ein Viel-

faches. Die Dauerfestigkeit wird in keinem

Fall uberschritten.

Institut fur Elektrische EnergietechnikLehrstuhl fur Technische Thermodynamik

Lehrstuhl fur Strukturmechanik

12

6 Einfluss der

Sekundarregelung auf die

Lebensdauer von

Kraftwerkskomponenten

6.1 Komponenten des

Wasser-Dampf-Kreislaufs

(außer Turbosatz)

Das gleichzeitige Auftreten von Last-

wechseln und Sekundarreglung fuhrt zu

einem erhohten Lebensdauerverlust im Ver-

gleich zu einem reinen Lastwechselbetrieb

beim Steinkohlen- und GuD-Kraftwerk.

Beim Steinkohlenkraftwerk fuhrt dies

zu einer Zunahme der Schadigung in

den Hochdruckvorwarmern (+30 %)

und den Uberhitzern 1 (+20 %)

und 4 (+15 %) (vgl. Abb. 17). Zu-

dem erfahren im Steinkohlenkraftwerk

neun (vgl. Abb 16) weitere Komponenten

durch die Uberlagerung erstmalig eine

Schadigung.

HDV1Vert

HDV1Samm

HDV2Vert

HDV2Samm

UEH1Vert

UEH4Vert

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

1,2

1,4

SSR

/Sref

Abbildung 15: Relative Erhohung der Schadigungfur ein Jahr durchgangige Sekundarregelung imSteinkohlenkraftwerk

Beim GuD-Kraftwerk fuhrt die Sekun-

darregelung in Uberlagerung mit Last-

wechseln zu einer Zunahme der Schadi-

gung in den Steigrohren (+400%) und

der Speisewasserstutzen (+300%) der HD-

Trommel (vgl. Abb. 17). Zudem erfah-

ren durch die Uberlagerung vier weite-

re Komponenten erstmalig eine Schadi-

gung (vgl. Abb 18).

ND

V1

ND

V2

ND

V3

ND

V4

HD

V1

S

HD

V2

S

HD

V3

S

Eco

V

Eco

S

Ver

dp

fS

UH

2S

UH

3S

UH

4S

ZU

H1

S

ZU

H2

S

0

20

40

60

σmax

/σd

in%

Frischdampf-Androsselung

Kondensatstau

HD-Vorwarmer-Androsselung

Abbildung 14: Maximale Spannungsamplituden einer Auswahl von Komponenten bei unterschiedlichen Pri-marregelprinzipien im Braunkohlenkraftwerk (Angaben bezogen auf den jeweiligen Dauerfestigkeitswert).

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Lehrstuhl fur Strukturmechanik

13

HD

V1

VH

DV

1S

HD

V2

VH

DV

2S

HD

V3

SV

erdp

fV

Ver

dp

fS

UH

1V

UH

1S

EK

1U

H2

VU

H3

VU

H3

SE

K2

UH

4V

0

0,5

1,0

·10−4S

pro

Jah

r

ohne Sekundarregelungmit Sekundarregelung

Abbildung 16: Absolutwerte der Schadigung fur einJahr durchgangige Sekundarregelung im Steinkoh-lenkraftwerk

HD-TromSteigrohre2

HD-TromSpWStutz

1

2

3

4

SSR

/Sref

Abbildung 17: Relative Erhohung der Schadigungfur ein Jahr durchgangige Sekundarregelung imGuD-Kraftwerk

Zu beachten ist, dass die jeweiligen Schadi-

gungssummen in der Großenordnung 10−4

liegen und damit vernachlassigbar sind.

Beim Braunkohlenkraftwerk sind die Ampli-

tuden der Fahrplanwechsel und der Sekun-

darregelung relativ klein und fuhren zu kei-

ner Schadigung.

HD-T

rom

Dampfstu

tz

HD-T

rom

Steigrohre1

HD-T

rom

Steigrohre2

HD-T

rom

Fallrohre

HD-T

rom

SpW

Stu

tz

MD-T

rom

Steigrohre1

0

2

4

6·10−4

Sp

roJah

r

ohne Sekundarregelungmit Sekundarregelung

Abbildung 18: Absolutwerte der Schadigung furein Jahr durchgangige Sekundarregelung im GuD-Kraftwerk

6.2 Dampfturbinen

Die Uberlagerung eines negativen Lastwech-

sels mit einem negativen Sekundarregelsi-

gnal (und vice versa) fuhrt zu einer Ver-

großerung der Leistungsanpassung und da-

mit auch zu transienten Vorgangen, die

mit großeren Temperaturgradienten verbun-

den sind. Dies wiederum fuhrt zu erhoh-

tem Lebensdauerverbrauch, der allerdings

erst durch den angesetzten Lastwechsel er-

moglicht wird. Es zeigte sich, dass die Zy-

klenzahlen aufgrund der erreichten niedri-

geren Teillast im Vergleich zum Referenzzy-

klus nicht sanken (Tab. 8).

LW25 LW + SRHS+SD01 1503 1503HS+SD02 3259 3259

Tabelle 8: Zyklenzahlen der Referenzszenarien miteinem 25 % Lastwechsel (LW25) und einem gleich-zeitigem 5% Sekundarregelszenario (SR). MD-Turbine Janschwalde.

Es wird angemerkt, dass der Einfluss der

Teil- oder Niedriglast in den Untersuchun-

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Lehrstuhl fur Strukturmechanik

14

gen als dominant gewertet und durch mog-

liche Regeleingriffe verstarkt wird.

7 Zusammenfassung

Bedingt durch Liberalisierung und Energie-

wende unterliegen in dem Gesamtsystem der

elektrischen Energieversorgung thermische

Kraftwerke erhohten Anforderungen und ei-

nem hoheren Verschleiß. In der Realitat be-

deutet dies eine steigende Anzahl von An-

und Abfahrvorgangen, ansteigende Lastgra-

dienten und zunehmende Fahrweise in Min-

destlast. Damit ergibt sich haufiger Betrieb

jenseits der ursprunglichen Auslegung. Eine

Reduktion der Lebensdauer bzw. das Versa-

gen von Komponenten werden durch unter-

schiedliche Beanspruchungen hervorgerufen

• Mechanische Beanspruchung (Ermu-

dung, Rissausbreitung)

• Thermische Beanspruchung (Verzunde-

rung)

• Tribologische Beanspruchung (Abrasi-

on, Erosion, Adhasion, Tribochemische

Reaktionen)

• Korrosion (Interkristalline Korrosion,

Spannungsrisskorrosion, Schwingungs-

risskorrosion)

Der Einfluss der Primar- und Sekundarre-

gelung auf die Dauerfestigkeit (Lebensdau-

erverbrauch) gemaß DIN EN12952 ausge-

wahlter dickwandiger Bauteile des Wasser-

Dampfkreislaufes wurde im Zusammenhang

mit Lastwechseln untersucht. Im Ergebnis

wurde kein kritischer Einfluss auf die Ge-

samtlebensdauer festgestellt. Der Einfluss

der Primarregelung auf die Turbinenventi-

le durch tribologische Beanspruchung wurde

durch quantitative Analyse der Ventilwege

und Umkehrpunkte ermittelt. Im Ergebnis

wurde eine um mindestens 20% reduzierte

Ventileinsatzdauer nachgewiesen.

In der Untersuchung wurden integre Werk-

stoffe (ohne Vorschadigung, insbesondere

rissfrei) vorausgesetzt. Dabei fuhrt gerade

der Einfluss der Primar- und Sekundarrege-

lung und der damit einhergehenden kleinen,

aber haufigen Lastwechseln, zu einem erhoh-

ten Risswachstum und in der Folge zu einem

Versagen der Komponenten. Um Aussagen

zu dem Gesamteinfluss der Liberalisierung

und Energiewende treffen zu konnen besteht

weiterer Untersuchungsbedarf zu folgenden

Schwerpunkten:

• kunftige Szenarien, z.B. Lastande-

rungsgradienten

• erweiterte tribologische Untersuchun-

gen, z.B. Reibung

• Untersuchung weiterer Komponenten,

z.B. im Rauchgassystem

• Einbeziehung Teillast- und Mindest-

lastbetrieb

• Einbeziehung An- und Abfahrvorgange

• Belastungen durch Abbau von Traghei-

ten im Ubertragungsnetz, z.B. ROCOF

Die im Projekt entwickelten hochdetaillier-

ten, dynamischen Kraftwerksmodelle sind

fur diese weiterfuhrenden Untersuchungen

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Lehrstuhl fur Strukturmechanik

Literaturverzeichnis 15

sehr gut geeignet.

Literaturverzeichnis

[1] DIN EN 12952-3 Wasserrohrkessel und

Anlagenkomponenten - Teil 3: Konstruk-

tion und Berechnung fur drucktragen-

de Kesselteile. Deutsche Fassung EN

12952-3, 2011.

[2] Dooley, R.B.: Revised Release on the

IAPWS Industrial Formulation 1997 for

the Thermodynamic Properties of Wa-

ter and Steam. Technischer Bericht, The

International Association for the Proper-

ties of Water and Steam, 2007.

[3] Gnielinski, V: VDI-Warmeatlas. Ver-

ein Deutscher Ingenieure, 10. Auflage

Auflage, 2006.

[4] Internetseite von MATLAB Cen-

tral: Rainflow Counting Algorithm by

Adam Nieslony. www.mathworks.com,

2003.

Abkurzungsverzeichnis

Abkurzung Bedeutung

2D/ 3D zwei-/ dreidimensional

Abb. Abbildung

DT Dampfturbine

E Ermudung

ECO Economizer

FEM Finite-Elemente-Methode

GuD Gas und Dampf

Abkurzung Bedeutung

HD Hochdruck

HDV Hochdruckvorwarmer

HS Heißstart

KW Kraftwerk

LW Lastwechsel

MD Mitteldruck

ND Niederdruck

NDV Niederdruckvorwarmer

PR Primarregelung

Sref Referenzschadenssumme

Samm, S Sammler

SD Shut Down / Abfahren

SpWStutz Speisewasserstutzen

SR Sekundarregelung

Trom Trommel

UH, UEH Uberhitzer

Vert, V Verteiler

vgl. vergleiche

WS Warmstart

z.B. zum Beispiel

ZUH, ZUEH Zwischenuberhitzer

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