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Autor: Johannes Dreer; Dipl. Volkswirt Co-Autor: Johannes Schindler; M.A. Politikwissenschaft Rebecca Gebler; B.A. in communication and social science Kirchdorf, im Juni 2012 Regionaler Globalismus mit System zu verantwortlichem Handeln Erste Grundgedanken

Regionaler Globalismus - Erste Grundgedanken

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Nachhaltigkeit existiert seit Jahrzehnten als gut gemeintes Konzept und Wunschgebilde. Lebenswerte Bedingungen für alle Menschen auf der ganzen Welt können aber nur durch konkretes dauerhaftes verantwortungsvolles Handeln erreicht und gesichert werden.Verantwortungsvolles Handeln ist dort wahrscheinlicher, wo Nähe, Beteiligung und Betroffenheit der Handelnden gegeben, und existenzielle Risiken genauso wie von der Realwirtschaft losgelöste Renditechancen ausgeschlossen sind.Verantwortliches Handeln findet in der Region und im Hier und Jetzt statt.In dieser Arbeit wird der Blick auf das große Ganze gewagt. Dadurch ergeben sich Denkansätze zur Weiterentwicklung des Konzeptes Nachhaltigkeit hin zu pragmatisch umgesetzter Verantwortung im menschlichen Handeln.

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Page 1: Regionaler Globalismus - Erste Grundgedanken

Autor:Johannes Dreer; Dipl. Volkswirt

Co-Autor:Johannes Schindler; M.A. PolitikwissenschaftRebecca Gebler; B.A. in communication and social science

Kirchdorf, im Juni 2012

RegionalerGlobalismusmit System zu verantwortlichem Handeln

Erste Grundgedanken

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Zusammenfassung

Nachhaltigkeit existiert seit Jahrzehnten als gut gemeintes Konzept und Wunschgebilde. Lebenswerte Bedingungen für alle Menschen auf der ganzen Welt können aber nur durch konkretes dauerhaftes verantwortungsvolles Handeln erreicht und gesichert werden.

Verantwortungsvolles Handeln ist dort wahrscheinlicher, wo Nähe, Beteiligung und Betroffenheit der Handelnden gege-ben, und existenzielle Risiken genauso wie von der Realwirtschaft losgelöste Renditechancen ausgeschlossen sind.

Verantwortliches Handeln findet in der Region und im Hier und Jetzt statt.

In dieser Arbeit wird der Blick auf das große Ganze gewagt. Dadurch ergeben sich Denkansätze zur Weiterentwicklung des Konzeptes Nachhaltigkeit hin zu pragmatisch umgesetzter Verantwortung im menschlichen Handeln.

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Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung 2

1. Einleitung 4

2. Aufbau der Arbeit 4

3. Stand der Dinge 5

3.1 Ökonomische Krisen und deren Bewältigung 7

3.2 Grenzen des Wachstums 7

3.3 Das Konzept der Nachhaltigkeit in Mode 8

4. Ansatzpunkte einer neuen Theorie 10

4.1 Systeme und menschliches Verhalten 10

4.2 Offene Wunden unseres Systems 12

5. Theorie des Regionalen Globalismus 13

5.1 Weltbürgertum und einheitliche Währung 13

5.2 Regionale Grenzen des wirtschaftlichen Handelns 14

5.3 Besteuerung, Grundeinkommen und Finanzausgleich der Regionen 14

6. Auswirkungen der Umsetzung des regionalen Globalismus 15

6.1 Kurzfristige Tendenzen des Systems 16

6.2 Langfristige Tendenzen des Systems 17

7. Weitere Herausforderungen und Blick nach vorn 19

Danksagung 20

Urheberrecht 20

Literaturverzeichnis und -hinweise 21

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1. Einleitung

Unsere gesellschaftlichen Ordnungen und Wirtschaftssysteme kollabieren und erneuern sich – ohne sich

dabei grundsätzlich zu verändern. Ungleiche Machtverhältnisse, ungleiche Einkommens- und Vermögens-

verhältnisse, ungleicher Zugang zu Bildung bleiben bestehen, und verstärken sich sogar. 20 Jahre nach

der Klimakonferenz in Rio de Janeiro 1992 geht es mehr denn je um den Erhalt lebenswerter Lebensbe-

dingungen auf der Erde. Aber es scheint, als wäre die Menschheit nicht bereit oder in der Lage, an dieser

Situation etwas zu ändern.

Die gravierenden Probleme stehen in engem Zusammenhang mit den bestehenden Strukturen. Zur Prob-

lemlösung werden andere Strukturen nötig sein, als jene, die die Probleme hervorbrachten.

Ziel der Arbeit ist es, Ansätze für ein einfaches System zu beschreiben, das eine langfristige und dauerhaft

stabile Win-Win-Situation für alle Beteiligten darstellt, und auf Gleichberechtigung und Chancengleichheit

für die Zukunft baut.

Der Schlüssel dazu ist ein Mechanismus, der wie von unsichtbarer Hand zur Übernahme von Verantwor-

tung der Menschen für ihre direkte Umwelt, und damit für die ganze Welt führt. Der Begriff des Regionalen

Globalismus soll dabei sowohl für das im Folgenden in Grundzügen beschriebene System und dessen

Mechanismen, als auch für das menschliche Verhalten darin stehen. Er steht für verantwortungsvolles regi-

onales Handeln, das der ganzen Welt zu Gute kommt.

2. Aufbau der Arbeit

Die Arbeit gliedert sich in drei thematische Bereiche: die Bestimmung der aktuellen Situation, die Beschrei-

bung der grundsätzlichen Ansätze eines Regionalen Globalismus sowie die Darstellung der Auswirkungen

einer möglichen Umsetzung.

Abschnitt drei beschreibt dazu aktuelle Entwicklungen in der Welt. In Abschnitt vier werden Ansatzpunkte

für ein neues System dargestellt, das in Abschnitt fünf in seinen Grundzügen beschrieben wird. Abschnitt

sechs beschreibt die kurz- und langfristigen Tendenzen, die mit der Umsetzung eines Regionalen Globalis-

mus ausgelöst werden könnten. In Abschnitt sieben werden die zukünftigen Herausforderungen auch mit

Blick auf die mögliche Umsetzung beschrieben.

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3. Stand der Dinge

Wir erleben ziellose Gesellschaftssysteme, marode Wirtschaftssysteme, Schuldenkrisen, Naturkatastro-

phen, menschliche Dramen und Hilflosigkeit im weltweiten Ausmaß.

„Europa verfügt gegenwärtig über drei Optionen zur Reaktion auf die schnelle Aufeinanderfolge von Fi-

nanz-, Schulden- und Eurokrise: Weiterwursteln wird die Krise nur zusätzlich anheizen und verlängern; eine

Beendigung der Währungsunion wäre das Ende des europäischen Projekts und würde zu einem durch

niemand und nichts mehr zu beherrschenden Chaos führen; den Schritt voran in die echte wirtschaftliche

und politische Integration trauen sich die gegenwärtig politisch Verantwortlichen nicht zu, weil sie meinen,

ihre Völker nicht hinter sich zu bringen“.1

Dieses Zitat von Joschka Fischer vom September 2011 untermauert die Vermutung2, dass es im jetzigen

System vermutlich keine wirklichen Lösungen mehr geben wird, sondern im besten Fall Aufschub geopo-

litischer Konflikte um das bestehende Vermögen und die Ressourcen und Nahrungsmittel auf der Welt.

Die lebenswerte Zukunft der Menschen auf der Erde ist bedroht, und die Menschheit ist sich weitestgehend

dieser Bedrohung bewusst. Abbildung 1 stellt eine Reihe von Risiken der Zukunft mit Bezug zu Eintritts-

wahrscheinlichkeit und Bedeutung dar. Die Kenntnis der weltweiten Zusammenhänge scheint durch die

Komplexität des Ganzen unmöglich. Auch deshalb werden Krisen noch überwunden, ohne die grundsätz-

lichen Kerne der Probleme anzutasten, und die Risiken bleiben bestehen.

1

2

Joschka Fischer, Morsche Fundamente, SZ, 1.9., S. 2

in europäischer Sicht stellvertretend für die ganze Welt

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Economic RisksAsset price collapseExtreme commodity price volatilityExtreme consumer price volatilityExtreme energy price volatilityFiscal crisesGlobal imbalances and currency volatilityInfrastructure fragilityLiquidity/credit crunchRegulatory failuresRetrenchment from globalizationSlowing Chinese economy (<6%)

Environmental RisksAir pollutionBiodiversity lossClimate changeEarthquakes and volcanic eruptionsFloodingOcean governanceStorms and cyclones

Societal RisksChronic diseasesDemographic challengesEconomic disparityFood securityInfectious diseasesMigrationWater security

Geopolitical RisksCorruptionFragile statesGeopolitical conflictGlobal governance failuresIllicit tradeOrganized crimeSpace securityTerrorismWeapons of mass destruction

Technological RisksCritical information infrastructure breakdownOnline data and information securityThreats from new technologies

Abbildung 1: Weltweite Risiken

Quelle: World Economic Forum (2011) Global Risks 2011 – Sixth Edition: An initiative of the Risk Response Network; S.3

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3.1 Ökonomische Krisen und deren Bewältigung

In den Banken-, Finanz- und Währungskrisen der jüngeren Vergangenheit führten die milliardenschweren

Regierungshilfen zu besorgniserregender Verschuldung der Staatshaushalte.

Die bisherige Strategie, bei auftretenden Problemen die Folgelasten auf höhere Ebenen zu verschieben,

ist eine kurzfristige Notlösung, aus der auf lange Frist eine soziale und politische Krise werden kann. Das

Vorhaben, Probleme der Wirtschaft zuerst auf den Staat und dann von einzelnen Staaten auf Staatenge-

meinschaften im Hegelschen Verständnis „aufzuheben“, ist ein endliches Modell.3

Nationalstaaten nutzen die Möglichkeit, politisch unangenehme Entscheidungen vollkommen der inner-

staatlichen Willensbildung zu entziehen. Es werden scheinbare Sachzwänge dargestellt und geschaffen,

denen man sich unterwirft. Es herrscht in diesem Zusammenhang ein Gefühl des Versagens der Politik

vor. Es verstärkt sich der Eindruck, dass sowohl die Ökonomen als auch die Politiker den Herausforderun-

gen der Banken-, Schulden- und Währungskrise hilflos gegenüberstehen.4

3.2 Grenzen des Wachstums

Die kapitalistische Marktwirtschaft unterliegt einem Wachstumszwang und -drang. Essentiell ist dabei die

stete Vermehrung der Geldmenge durch Kreditschöpfung. Es kommt zu einer fortschreitenden Monetari-

sierung bestehender Freiräume. Stabilität und Nullwachstum scheinen nicht möglich.5 Argumente für quan-

titatives Wirtschaftswachstum finden sich in erhöhtem Wohlstand sowie in Beschäftigung und sinkender

Arbeitslosigkeit.

Ob das Konzept des umweltverträglichen Wachstums (Green Economy) sich als eine Möglichkeit zur Fort-

setzung von Wirtschaftswachstum und Entwicklung bei gleichzeitiger Vermeidung von Umweltdegradati-

on, Verlust biologischer Vielfalt und nicht nachhaltiger Ressourcennutzung6 bestätigt bleibt abzuwarten.

Bedeutet das grüne Wachstum die Dritte Industrielle Revolution, oder nur den verzweifelten Versuch der

Quadratur des Kreises?

Bedenklich ist bei allem Streben nach Wachstum, dass ab einem gewissen Wachstumsniveau keine Stei-

gerung der Wohlfahrtseffekte bzw. der subjektiven Lebensqualität mehr zu erreichen zu sein scheint.

Abgesehen davon gibt es neben Wachstum auch andere Möglichkeiten zur Wohlfahrtssteigerung, die keine

zusätzliche Ressourcennutzung erfordern. Wachstum scheint also nicht unbedingt nötig, und nicht der Kö-

nigsweg zu sein. Genauso scheint Wachstum aber auch nicht das zentrale Problem in unserer Welt zu sein.

3 5

4 6

vgl. Leipold; 2011; S.2

vgl. Leipold; 2011; S.3f.

vgl. Binswanger; 2006

OECD Kernverständnis der Green Economy

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3.3 Das Konzept der Nachhaltigkeit in Mode

Unter nachhaltigem Handeln wird ein Handeln im Einklang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem

verstanden, welches die Ressourcen und die Bodenfruchtbarkeit sowie die Qualität von Wasser, Luft und

der gesamten Welt auch für die kommenden Generationen erhält. Nachhaltigkeit wird von allen Seiten ein-

gefordert, und auch von allen Seiten umständlich in den Vorhaben verankert.

Problematisch erweist sich dabei der Eindruck, dass Gedanken zur nachhaltigen Entwicklung in den derzeit

existierenden Systemen erst mit Verzögerung zum Tragen kommen. Zum einen setzt nachhaltiges Handeln

erst dann ein, wenn Projekte und ihre Effekte räumlich und zeitlich näher rücken. Zum anderen scheint

Nachhaltigkeit erst ab einem gewissen Niveau an materiellem Wohlstand und persönlichem Wohlbefinden

eine bedeutende Rolle zu spielen. Nachhaltigkeit spielt also erst dann eine Rolle, wenn die persönliche Betroffenheit erhöht wird. (siehe dazu Abbildung 2).

Abbildung 2: Bedeutung von Nachhaltigkeit in Abhängigkeit verschiedener Kriterien

Quelle: eigene Darstellung

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Räumliche, zeitliche Nähe:Persönliches Wohlbefinden,Persönliche Betroffenheit,Materieller Wohlstand

Bedeutung von Nachhaltigkeit

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Nachhaltigkeit ist en vogue. Sie wird aber erst gelebt, sobald genügend Vermögen und Einkommen vorhan-

den ist. Auf dem Weg hin zum Wohlstand spielt Nachhaltigkeit zunächst keine tragende Rolle7.

Zusätzlich zu dieser Einschätzung stellt sich die Frage nach dem Gewicht der Säulen Ökonomie, Ökologie

und Sozialem im Rahmen von nachhaltigem Handeln. Räumliche, zeitliche und persönliche Nähe zum

Projekt begünstigen tendenziell ökologische und soziale Aspekte. Grundlage für nachhaltiges Verhalten mit

Schwerpunkt auf Ökologie und Sozialem ist die persönliche Betroffenheit der Handelnden von den Effekten

des Handelns.

Leben und persönliches Handeln teilt sich in Berufs- und Privatleben. Der Beruf dient vor allem dazu, Geld

zu verdienen, und den persönlichen Lebensunterhalt zu sichern. Im privaten Umfeld rücken Ökologie und

Soziales weiter in den Vordergrund. Man kann dabei das Verantwortungsgefühl deutlich unterscheiden. Im

Beruf wird zum Teil das Handeln damit gerechtfertigt, dass Geld verdient werden muss. Im Privatleben wird

dagegen zugunsten des Genusses finanziell nicht darstellbarer Werte (Erhalt der Landschaft, persönliche

Kontakte, etc.) falls nötig auch auf einen Teil der Rendite verzichtet.

7 Dies gilt sowohl für Einzelpersonen, aber insbesondere auch für Gruppen, Unternehmen, Staaten, Wirtschaftsräume und Kontinente als Akteure

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Abbildung 3: Bedeutung der verschiedenen Aspekte von Nachhaltigkeit in Berufs- und Privatleben

Quelle: eigene Darstellung

Privatleben

Ökologische Aspekte

Ökonomische Aspekte Soziale Aspekte

Berufsleben

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4. Ansatzpunkte einer neuen Theorie

Eine Welt nach Adam Smith funktioniert im jetzigen System nicht. Und sie würde nicht einmal bei optimalen

Bedingungen funktionieren.8 Auch andere Theorien sind nicht umsetzbar, da entweder die Voraussetzun-

gen dafür nicht zu schaffen sind, oder im Anschluss ein zu hoher Kontrollaufwand bestehen würde.

4.1 Systeme und menschliches Verhalten

Neben biophysischen Beschränkungen sowie Schicksal und Natur als externe Faktoren9 sind die wesentli-

chen Leitplanken für das menschliche Wohlbefinden10 die bestehenden vom Menschen geschaffenen Syste-

me und das Verhalten der Menschen selbst (interne Faktoren). Abbildung 4 stellt den Einfluss der Qualität

des Systems und des menschlichen Verhaltens darin auf das Wohlbefinden der Menschen grafisch dar.

8

9

10

vgl. dazu Abschnitt 3.3 zu nachhaltigem Handeln

Wie wir nicht erst seit Rio 1992 wissen, beeinflussen wir langfristig (und immer zeitnäher) auch die Natur. Für die kurze Frist werden hier nur vom Menschen geschaffene Systeme und menschliches Verhalten als veränderbar gesehen.

Wohlbefinden wird hier als ganzheitlicher Wohlstandsindikator verstanden. Das Konzept des Wohlbefindens ist dabei Ausdruck eines neuen Verständnisses von Wohlstand und gesellschaftlicher Teilhabe. Es berücksichtigt neben materiellem Wohlstand auch Aspekte wie Lebensqualität und Nachhaltigkeit. Es ist problematisch, Wohlbefinden zu messen. Interessant dabei ist, dass Wohlbefinden vieldimen-sional und komplex ist. Die Autoren gehen dabei jedoch davon aus, dass ein grundsätzliches weltweites Verständnis für besseres und schlechteres Wohlbefinden vorhanden ist.

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Abbildung 4: Einfluss von Qualität von System und Verhalten des Menschen auf das menschliche Wohlbefinden10

Quelle: eigene Darstellung

Qualität menschlichenVerhaltens

Qualität des Systems

Wohlbefinden

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Es können gleiche Niveaus von Wohlbefinden auf unterschiedlichem Weg erreicht werden (schlechte Sys-

teme und gutes Verhalten; gute Systeme und schlechtes Verhalten).11

Abbildung 5 stellt darüber hinaus die Möglichkeit dar, das Wohlbefinden der Menschen zu steigern (Ver-

besserung des Systems in Verbindung mit Verbesserung des Verhaltens oder geringer Verschlechterung

des Verhaltens u.u.).

11 Auch bezüglich gutem und schlechtem Verhalten wird davon ausgegangen, dass ein weltweites Grundverständnis dafür vorhanden ist, wobei deutliche regionale, kulturelle und religiöse Einflüsse zu berücksichtigen sind.

Abbildung 5: Veränderung von Qualität von System und Verhalten des Menschen mit Erreichung eines höheren Niveaus an Wohlbefinden

Quelle: eigene Darstellung

Qualität menschlichenVerhaltens

Qualität des Systems

Wohlbefinden 2

Wohlbefinden 1

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Je schlechter das System ist, desto besser müsste menschliches Verhalten sein, um dies kompensieren

zu können.

Da in den jetzigen Systemen ein Großteil der Menschen um die reine materielle Existenz kämpft, ist flächen-

deckendes nachhaltiges Verhalten jedoch nur schwer zu erreichen.13

4.2 Offene Wunden unseres Systems

Nach Grundsätzen der Marktwirtschaft zu wirtschaften kann nicht zum bestmöglichen Ergebnis für alle

Beteiligten führen, wenn die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen: wir haben keinen Freihandel und keine vollkommene Konkurrenz. Zudem wirkt in den bestehenden Polypolen der Konkurrenzdruck nicht

qualitätsverbessernd, sondern in erster Linie preissenkend und mengenbildend.

Allem wirtschaftlichen Handeln gemein ist die Suche von anonymem Geld nach der höchsten Rendite

weltweit. Transnationale Konzerne und Unternehmensgruppen verstricken sich sehr geschickt auf der

Suche nach Steuersparmodellen.

Es existiert ein Problem der Verwendung der Ergebnisse des Wirtschaftens. Unser ständiges Streben

nach Wohlstand, Lebensstandard, Geld und Macht führt uns zur Anhäufung von Geld, Wertanlagen und

Versicherungen. Ziel ist es, mit dem Geld Geschäfte zu machen – losgelöst von der Realwirtschaft. Geld ist

kein reines Tauschmittel mehr: es wird angehäuft, vermehrt, und dann um dessen Existenz gefürchtet. Geld

ist bezugslos geworden: grenzenlos und dimensionslos. Es wird irgendwo investiert. Reale Wertschöp-fung und Rendite werden räumlich getrennt. Je weiter weg das Geld verdient wird, desto gleichgültiger ist

man der Art und Weise gegenüber, wie es verdient wird.

Unterschiedliche Währungen begünstigen in diesem Rahmen Spekulationen – auch mit Lebensgrund-

lagen wie Nahrungsmitteln und Energierohstoffen. Die Vielfalt der Gelder wirft – auch im Lichte der an-

schwellenden Finanz- und Schuldenkrisen – die Frage nach dem optimalen Geldsystem auf.

So mobil das Geld ist, so immobil ist der Mensch. Die persönliche Handlungs- und Bewegungsfreiheit ist

im Moment nicht für alle Menschen gegeben, aufgrund fehlender finanzieller Mittel, aber auch aufgrund

fehlender rechtlicher Möglichkeiten.

Gewinnmaximierung, Spekulation, Materialismus und Egoismus erscheinen als Leitbilder – im kurz-

fristigen wie im langfristigen Trend, und bezogen auf Einzelne, auf Gruppen und auf Nationen, Wirtschafts-

räume und Kontinente: es existiert ein internationaler und interkontinentaler Wettbewerb um Investitionen,

Wachstum und Wohlstand auf Basis nicht adäquater Annahmen und auf Kosten der Ökologie.

13 siehe dazu Abschnitt 3.3 bzgl. nachhaltigem Verhalten

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5. Theorie des Regionalen Globalismus

„Wir brauchen einen Rahmen in dem alle Menschen – wie von unsichtbarer Hand – dem Wohle der Mensch-

heit dienen oder zumindest nicht schaden. Dies kann mit Blick auf die drohende Klimakatastrophe nur be-

deuten, regional und energieeffizient zu leben und zu handeln: weltweit.“14

Im Folgenden wird auf die zentralen Ansätze des Regionalen Globalismus eingegangen, und damit eine

erste grobe mögliche Ausgestaltung des Systems beschrieben. Es ergibt sich eine Mischung aus erweiter-

ten und eingeschränkten Freiheiten, und damit ein System; eine bestimmte Funktionalität.

5.1 Weltbürgertum und einheitliche Währung

Als einzige wirklich legitime Handlungs- und Bestimmungsmacht auf der Erde ist die Weltgemeinschaft zu

erkennen. Der Erhalt der Welt und unserer Lebensgrundlagen sollte daher die Angelegenheit der gesamten

Weltbevölkerung sein.

Die Kontinente, Staaten und Nationen von heute sind die Regionen von morgen. Um den in den Abschnit-

ten 3 und 4.2 beschriebenen Problembereichen zu begegnen, macht es Sinn, Staatsgrenzen abzuschaf-

fen. Die Abschaffung von Staatsgrenzen bringt Bewegungsfreiheit mit sich. Diese befördert den Transfer

von Wissen und Kultur von einer Region in die andere. Außerdem wird durch freies Reisen der Austausch

zwischen den Menschen gepflegt, sowie Zusammenhalt und Solidarität in der Gesellschaft gefördert. Welt-

weit zugängliches aufgeklärtes Wissen und Bildung in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens ist nötig,

um aufgeklärte weltoffene Bürger zu haben, die ein friedliches und verantwortungsvolles Leben verstehen,

befürworten und fördern. Durch und für Staatsgrenzen wurde bereits genug Unheil auf der Welt verursacht.

Eine geringere Differenzierung in der Weltbevölkerung mit Verzicht auf staatliche Grenzen und Nationa-

litäten, kann zu mehr Frieden führen. Alle Menschen sind Weltbürger, und keine Völker, die in künstlich

geschaffenen Grenzen leben müssen.

Die Einführung einer einheitlichen Weltwährung befördert den Welthandel und schließt Währungsspe-

kulationen aus. Nicht ausgeschlossen ist dabei, dass Güter, je nachdem wo auf der Welt, zu welcher Jah-

reszeit und mit welchen Transportleistungen sie angeboten werden, einen unterschiedlichen Preis haben.

Eine sinnvolle und wohl geordnete Weltregierung mit regionalen Abgeordneten beugt einem Durchei-

nander hinsichtlich der Legitimität und Zuständigkeit vor. Eine einfach strukturierte und klar legitimierte

Weltregierung könnte das zentrale Organ zur Entscheidungsfindung und -umsetzung sein. Die Verwaltung

und Kontrolle von Sicherheit, Versorgung, Menschenrechten, Vermögensgrenzen, Steuern, etc. kann über

regionale/ kontinentale Exekutiven geleistet werden.

14 Zitat aus den Diskussionsrunden des Kirchdorfer Zirkels

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5.2 Regionale Grenzen des wirtschaftlichen Handelns

Regionales Eigentum verpflichtet: dies ist ein zentraler Grundsatz des Regionalen Globalismus. Die

grundsätzlichen Bewegungs- und Handlungsfreiheiten aller Menschen sollten im beruflichen und im priva-

ten Bereich Einschränkungen erfahren.

Um den bekannten Möglichkeiten der Gewinnmaximierung und gleichzeitiger Steuerminimierung von trans-

nationalen Großkonzernen entgegenzuwirken, sollte es für Unternehmen zwar weiterhin möglich sein, welt-

weit zu agieren. Allerdings sollte es nur noch Personengesellschaften geben, deren Führungspersonen

ihren Wohnsitz nicht außerhalb eines gewissen Radius um den Firmensitz haben dürfen. Konzernstrukturen

sind zu undurchsichtig und komplex als dass sie in diesem System hilfreich sein könnten. Das Rechtsgebil-

de „Unternehmen“ sollte gewisse Grenzen hinsichtlich seiner räumlichen Ausbreitung nicht überschreiten.

Zusätzlich zum Sitz der Unternehmen am Standort, sollten in einem gewissen Radius um diesen Firmensitz

auch Zweigstellen erlaubt sein. Unternehmerische Beteiligungen an anderen Unternehmen – gleichgültig in

welchem Radius – sowie Kapitalanlage und Vermögensbildung des Unternehmens – außerhalb eines be-

stimmten Radius – sollten dagegen nicht zulässig sein. Internationale Geschäfte lassen sich durch Koope-

rationen mit den jeweils vor Ort ansässigen Unternehmen realisieren. Damit würde auch die Versteuerung der Wertschöpfung dort, wo das Geschäft gemacht wird, erreicht.

Auch im privaten Bereich der Kapitalanlage und Vermögensbildung würde eine Beschränkung des

finanziellen Engagements auf einen bestimmten Radius um den Wohnsitz des Einzelnen zur Folge haben,

dass Wertschöpfung und Rendite räumlich näher zusammenrücken, und tendenziell nachhaltigere bzw.

verantwortungsvollere Projekte realisiert würden.

5.3 Besteuerung, Grundeinkommen und Finanzausgleich der Regionen

Die in den Abschnitten 5.1 und 5.2 beschriebene Mischung aus Erweiterungen und Einschränkungen von

Handlungsfreiheiten erfordert ein Ventil, das Entwicklungen ausgleichen kann, die langfristig die Stabilität

des Systems gefährden könnten.

Durch ein geeignetes weltweit gleiches und verständliches Steuersystem lässt sich eine gerechte

Besteuerung wirtschaftlichen Handelns und Erfolges erreichen. Die Einnahmen aus diesem Steuersystem

könnten der Finanzierung der notwendigen Regierung und Verwaltung sowie verschiedener öffentlicher

Güter und Dienstleistungen dienen.

Es muss das gemeinsame Ziel der Weltbevölkerung sein, Armut und Hunger aus dieser Welt zu verdrän-

gen.15 Eine bereits viel diskutierte Lösung dafür ist ein Grundeinkommen für alle Menschen, das es den

ärmsten Menschen ermöglichen könnte, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

15 Es wird angenommen, dass alle Menschen als Kollektiv absolutes Interesse am Erhalt einer lebenswerten persönlichen Umwelt haben. Andernfalls macht es keinen Sinn, weiter zu diskutieren, und auf eine Zukunft unsere Enkel zu hoffen.

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Strukturelle Unterschiede verschiedener Standorte sind natürlich. Sie können und sollen im Rahmen dieses

Systems bestehen bleiben. Allerdings wird für den Regionalen Globalismus ein Ausgleichsmechanismus

ähnlich dem Länderfinanzausgleich in Deutschland angeregt: ein weltweiter regionaler Finanzaus-gleich. Dieser Ausgleich kann sich neben ökonomischen auch an ökologischen und sozialen Indikatoren

orientieren.

6. Auswirkungen der Umsetzung des regionalen Globalismus

Durch die Abschaffung von Staatsgrenzen in Verbindung mit der räumlichen Begrenzung der Verwen-

dung des Geldes konzentrieren sich Dynamiken und Entwicklungen nicht mehr in einem begrenzten Raum.

Durch die Vielzahl von Wohn- und Firmensitzen mit sich überschneidenden Handlungsradien, ergeben sich

räumlich gepufferte oder gesteigerte Entwicklungswellen: das System erlaubt größtmögliche Dynamik und Stabilität gleichzeitig. Die Wellen übertragen Entwicklungen – verstärkt oder abgeschwächt – in an-

dere Regionen (siehe dazu Abbildung 6).

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Abbildung 6: In sich greifende Regionen im regionalen Globalismus

Quelle: eigene Darstellung auf Basis einer Peters-Projektion der Weltkarte

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Die konkreten Effekte der Umsetzung des regionalen Globalismus können an dieser Stelle nicht im Detail

prognostiziert werden. Es ist aber möglich die grundsätzlichen Tendenzen der Umsetzung in kurzer und

langer Frist zu beschreiben. Die Mischung aus erweiterten und eingeschränkten Freiheiten führt zu einem

veränderten System, und in der Folge auch zu verändertem menschlichen Denken und Verhalten.

6.1 Kurzfristige Tendenzen des Systems

Durch einfache und weltweit anerkannte Regelwerke sowie wohl geordnete Zuständigkeiten von der obers-

ten bis zur untersten möglichen Verwaltungsebene ergibt sich weniger Verwaltungsbedarf und weniger Bürokratie. Dies bedeutet mehr Freiheit für reales Handeln und Wirtschaften. Der Stellenbedarf im öffent-

lichen Sektor sollte deutlich zurück gehen.

In Folge der Umstellung auf das neue System, und der damit verbundenen Einschränkung von weltwei-

ten Geld- und Kapitalanlagen werden im ersten Moment Regionen mit sehr unterschiedlicher Liquidität vorhanden sein. Dies hat zur Folge, dass relativ schnell deutlich unterschiedliche Preisniveaus in den

verschiedenen Regionen entstehen.

Dadurch wird es erste große Wanderbewegungen geben: zum einen von Menschen aus relativ teuren

Regionen in relativ billige Regionen, zum anderen aber auch von Menschen aus relativ billigen Regionen in

relativ teure Regionen. Diese ersten Wanderbewegungen werden sich zunächst an der möglichen Arbeit

und Verdienstmöglichkeiten sowie an den Lebenshaltungskosten in der neuen Region orientieren, und

zunächst bei Arbeitnehmern und kleinen Unternehmen stattfinden, die ihren Sitz relativ einfach verlegen

können.

Durch weltweites Grundeinkommen kann die soziale Sicherung gewährleistet werden, die die Grund-

lage für ein friedliches soziales Leben darstellt. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten durch uneingeschränkte

Mobilität und freies Arbeitsrecht werden die weltweite reale Wertschöpfung in der kurzen Frist vorantreiben.

Einheitliche Währung, fehlende Handelshemmnisse und grundsätzlich freies Wirtschaften machen ver-

schiedene Produkte zu Recht zu Alltagsgütern oder zu Luxusgütern. Regionale Produkte gewinnen an Be-

deutung. Unterschiedliche Preise spiegeln tatsächliche Wertschöpfungen und Knappheiten wider, und werden eine wirkliche Entscheidungsgrundlage. Geld findet in seine Rolle als Tauschmittel zurück, und

verliert den Charakter des Rauschmittels.

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6.2 Langfristige Tendenzen des Systems

Die Menschen gruppieren sich – ohne sich auszugrenzen –, und wägen mittlerweile nicht mehr nur

aufgrund von Arbeitsmöglichkeiten und Lebenshaltungskosten sondern auch aufgrund von Lebensqualität

ab, wo sie wohnen und leben möchten. Es entwickelt sich über alle Regionen hinweg ein globales Ver-ständnis für gesunde und natürliche Lebensumfelder und Lebensweisen von Einzelnen und Gemein-

schaften.

Über Kommunikation werden letzte Barrieren abgebaut und Missverständnisse ausgeräumt. Es kommt mit

dem Ziel des friedlichen Miteinanders zu einem einheitlichen Verständnis. Eine führende Weltsprache bildet

sich heraus, ohne die regionalen Sprachen zu unterdrücken. Die Verständigung überschreitet Grenzen, und

löst Freude, Stolz und Zufriedenheit aus.

In den Metropolregionen häuft sich Geld an. Die rentablen und prestigeträchtigen Investitionsmöglich-

keiten in den Ballungsräumen werden langsam knapp. Auch mangels Alternativen gewinnen nichtmonetäre

Werte an Rang. Bewusst zu leben und zu produzieren wird das Ziel eines Großteils der Menschen und Un-

ternehmen. Die ständige Angst um den Wert des Geldes vermischt sich mehr und mehr mit der Erkenntnis,

dass das Leben nicht zu Ende geht, wenn das Geld kaputt oder weg ist.

In der kurzen Frist unter Abwanderung leidende Regionen erfahren erste Zuwanderungen von Menschen,

die Ruhe, Raum und günstige Lebensqualität suchen. Der regionale Finanzausgleich sorgt auch in den

abgelegenen Regionen für eine verbesserte öffentliche Grundversorgung. Es entstehen verantwor-

tungsvolle Unternehmungen in früheren Randgebieten. Die Versteuerung der Wertschöpfung vor Ort bringt

weitere hilfreiche finanzielle Mittel in diese Regionen. Auch durch Reisen und Tourismus wird Geld in die

Randgebiete gestreut. Reisen wird dabei aufgrund der hohen Transportkosten im Personen-, wie im Fracht-

verkehr wieder höher geschätzt und etwas Besonderes.

Die Verhinderung nicht regionaler Geldanlagen und von von der Realwirtschaft losgelösten Renditen durch

anonymes Geld fördert nachhaltiges Handeln auch in den Randgebieten. Unternehmen in Metropol-

regionen wirtschaften auf Augenhöhe mit Unternehmen in Randgebieten, da diese aufgrund des Grund-

einkommens, günstiger Lebenshaltung und aufgebauter sozialer Netze keine existenziellen Risiken haben.

Es besteht keine Not, zu unwirtschaftlichen Preisen Produkte, Produktionsgrundlagen oder Arbeitskraft zu

verkaufen. Kooperation entwickelt sich zum Leitbild.

Langsam verlagern auch große Unternehmer Ihren Wohn- und Firmensitz in bisherige Randgebiete, da

ihnen das Leben in den Metropolregionen entweder zu teuer oder zu öde wird. Sie sehen die Möglichkeit,

auf dem Land Anerkennung und persönliche Befriedigung und Kontakt zu den Menschen zu finden. Auf-

grund des bestehenden Systems kommt es dabei zu langfristigen dauerhaft wirksamen Investitionen in die

Regionen. Diese Investitionen beleben die ganze Umgebung, und lösen weitere Wellenbewegungen aus.

Die Regionen verändern sich, ohne miteinander konkurrieren zu müssen und zu können.

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Es wird erkannt, dass Wachstum nicht so wichtig, und gleichzeitig auch nicht das zentrale Problem ist.

Wachstum ist weiterhin möglich, aber es deutet sich ein Paradigmenwechsel an: vom quantitativen hin zum qualitativen Wachstum. Dadurch scheint es beinahe unendliche Wachstumsmöglichkeiten zu ge-

ben, entkoppelt von oder zumindest angepasst an Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung.

Der Status Quo des Einzelnen ist nach wie vor eine Basis. Diese ist aber deutlich veränderbar durch

persönliches Engagement. Die Menschen verstehen, dass sie effektiv einen Beitrag für sich und die Welt

leisten können, der sich lohnt. Es entsteht ein positiver Konkurrenzdruck und Kooperationen weltweit. Ge-

schäftsbereiche wachsen und schrumpfen. Entstehen und Gehen lassen wird selbstverständlich. Die Men-

schen handeln individuell, respekt- und verantwortungsvoll im weltweiten Netzwerk (siehe dazu Abbildung

7). Es kommt zu einer Kultur des Wandels, und zu einer Vereinheitlichung im Individualismus.

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Abbildung 7: Individualismus im weltweiten Netzwerk

Quelle: Wellman, Barry (2002): Little Boxes, Glocalization, and Networked Individualism: S.12, Abb. 1 (Three Models of Community and Work Social Networks)

Little Boxes Glocalization

Networked Individualism

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Es kommt zu freiem Handeln auf Basis von Überzeugung, von Werten und Visionen. Zentral für

wirtschaftliches Handeln wird die tatsächliche Begeisterung für das eigene Tun und die eigene reale Wert-schöpfung vor Ort. Investoren wollen den Nutzen vor Ort erleben. Dies befördert eine neue global ver-

standene Grundethik menschlichen Tuns, die auf gegenseitigem Respekt, Gleichberechtigung und Chan-

cengleichheit, Einfachheit und Pragmatismus basiert. Aufgrund der Nähe zwischen Handelnden und Betroffenen spielt Personifizierung, Empathie und Identifikation im Rahmen von Projekten eine wichtige

Rolle. Stimmige Projekte beleben dabei in verträglichem Maß die ganze Umgebung: lokal, regional, kon-

tinental, weltweit. Es wird Verantwortung für regionales Handeln übernommen.

Entsprechend den in den jeweiligen Regionen vorliegenden Gegebenheiten können sich Leben und wirt-

schaftliche Aktivität sowie damit verbundene Umwelt- bzw. Ressourcenverbräuche auf das regional, und

damit weltweit verträgliche Niveau einstellen.

7. Weitere Herausforderungen und Blick nach vorn

Wie beschrieben handelt es sich hier um erste Grundgedanken und Ansätze eines Regionalen Globalis-

mus. Es geht in dieser Arbeit vorrangig um Richtung und Orientierung.

Auf die Schärfe der Eingrenzungen einzelner Begriffe in den Fußnoten wurde dabei zu Gunsten der Ver-

ständlichkeit verzichtet. Bei tiefergehender Bearbeitung der Themenfelder werden exaktere Definitionen

nötig. Es sind noch viele theoretische Detailfragen zu klären.16 Außerdem ergeben sich Fragestellungen mit

Blick auf eine mögliche tatsächliche Umsetzung.17

Gesellschaftliches, politisches, wirtschaftliches Gehör, und in der Folge Akzeptanz und Zustimmung für

eine konkrete Ausarbeitung und Umsetzung zu finden scheint auf den ersten Blick schwierig. Aber auf

Basis der Grundsätze der Einfachheit, Verständlichkeit und Klarheit sollte eine Ausarbeitung möglich sein.

Es wird sich einiges verändern auf dieser Erde – ohne und mit menschlichem Zutun. Da die Vernichtung

unserer Lebensgrundlagen zu Gunsten des materiellen Wohlstandes weniger keine Alternative darstellen

kann, ist es dringend notwendig, pragmatisch zu handeln. Der Gewinn gemeinschaftlichen verantwor-

tungsvollen Handelns bestünde im Erhalt der Lebensgrundlagen für die zukünftigen Generationen Mensch.

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Beispielsweise: Umgang mit bestehender Verschuldung (im privaten, geschäftlichen und staatlichen Bereich)/ Steuersystem/ Migrati-on/ Unternehmensformen/ Privateigentum-Gemeineigentum/ öffentliche Güter und Dienstleistungen/ öffentliche Sicherheit

Beispielsweise: Zeitpunkt der Umsetzung, Effekte bis zu einer möglichen Umsetzung, Probleme nach einer Umsetzung, Reaktion von Interessensgruppen auf diese Ideen (finanzielle Einbußen für Bürokraten, Politiker, nicht nachhaltige Industrien)

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Page 20: Regionaler Globalismus - Erste Grundgedanken

Danksagung

Allem, was wir wahrnehmen, liegt eine Idee, ein Gedanke, eine Überzeugung zugrunde. Ich bin überzeugt

davon, dass wir mit unserem täglichen Denken die Welt bestimmen, die uns umgibt. Als Familienvater,

Unternehmer und langfristig denkender Mensch habe ich die Hoffnung auf eine bessere Welt für alle Men-

schen, und die Überzeugung, dass ich mit dieser Arbeit jetzt und in Zukunft Einfluss nehmen kann.

Ich möchte vielen Menschen besonders danken, die mir diese Arbeit ermöglicht haben. Ich bedanke mich

bei Mareike und Vinzent Dreer für die Liebe, Nachsicht und Rücksicht sowie ständige Unterstützung in

meinem Tun. Die Familien Dreer und Beschnidt befördern in mir ein wunderbares Verantwortungsgefühl

und den Blick in die Zukunft. Für hilfreiche Kritik und entscheidende Impulse zum Weiterdenken in den Dis-

kussionen im Kirchdorfer Zirkel bedanke ich mich bei Rebecca Gebler, Johannes Schindler und Wolfgang

Kobold. Für die Gestaltung des Layouts dieser Arbeit bedanke ich mich wie immer bei Robert Wurm.

Diese Danksagungen stehen stellvertretend für den Dank an alle weiteren wohlwollenden Unterstützer die-

ser Arbeit.

Herzlichen Dank Ihnen und Euch allen!

Urheberrecht

Ich freue mich, wenn diese Arbeit und Ausschnitte daraus weiter verwendet, und auch vervielfältigt werden.

Bitte achten Sie bei der Übernahme von Inhalten oder Textteilen auf die korrekte Quellenbezeichnung.

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Page 21: Regionaler Globalismus - Erste Grundgedanken

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Binswanger, Hans Christoph (2006): Die Wachstumsspirale - Geld, Energie und Imagination in der Dynamik des Marktprozesses; Metropolis Verlag; Marburg; ISBN 3-89518-554-X

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Literaturverzeichnis und -hinweise

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Kirchdorf, im Juni 2012