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Reiseland Ägypten Dr. Klaus Wiesenbacher, Regionalarzt Kairo, Auswärtiges Amt, Berlin -ein Titel, den man seit dem 25.1.11 nicht mehr ohne Weiteres unkommentiert stehen lassen kann. Ägypten war im letzten Jahr für ca. 1,2 Millionen Deutsche ein Urlaubsziel. Damit waren unsere Landsleute aber nur die drittgrößte Gruppe. Russen und Briten kamen in noch größeren Zahlen. Jetzt ist eigentlich Hochsaison und kaum ein Tourist ist im Land. Die Auslastung der Hotelkapazitäten liegt am Roten Meer bei ca. 10%. Das ist nicht nur wirtschaftlich eine Katastrophe. Gerade in der Zeit des politischen Neuanfangs ist das Land im besonderen Maße auf Einnahmen angewiesen, damit notwendige, neben politischen, insbesondere auch soziale Reformen überhaupt in Angriff genommen werden können. Tourismus ist also für Ägypten von immenser Bedeutung. Es ist daher zu wünschen, dass sich die Besucherzahlen bald wieder deutlich nach oben bewegen werden – natürlich nur wenn es die Sicherheitslage erlaubt. Ägypten ist im Hinblick auf die Reisemöglichkeiten wirklich vielfältig. Neben den klassischen Pauschalangeboten für Badeaufenthalte am Roten Meer, gibt es Tauchreisen, Studienreisen, Nilkreuzfahrten und Wüstentouren. Die Gesundheitsgefahren sind entsprechend unterschiedlich gewichtet. Die zwei Hauptrisiken sind aber allen Reisearten gemein: infektiöse Magen-/Darmerkrankungen und Unfälle, insbesondere Verkehrs- und klassische Badeunfälle. Bei Ägypten-Urlaubern sind Durchfallerkrankungen extrem häufig. Dabei ist das gesamte Spektrum der entsprechenden Krankheitserreger vertreten, auch wenn die überwiegende Mehrzahl der Fälle letztlich nicht sicher zugeordnet werden kann. Lebensbedrohliche Verläufe sind dabei zwar eine seltene Ausnahme, der Urlaub aber mitunter gelaufen. Entsprechende Lebensmittelhygiene lohnt sich und sollte ernst genommen werden. Von den ca. 100 Todesfällen unter deutschen Touristen im Jahr 2010 entfielen genau 20 auf Verkehrsunfälle. Damit ist es ca. 5 mal wahrscheinlicher während eines 2-wöchigen Ägyptenurlaubs im Straßenverkehr tödlich zu verunglücken, als während einer entsprechenden Zeitspanne in Deutschland. Neben den häufig schlecht ausgebildeten Fahrern der Busse und Kleinbusse, ist der oft mangelhafte Zustand der Fahrzeuge und Straßen ein wichtiger Grund. Zudem ist die ärztliche Versorgung gerade in den Touristenzentren am Roten Meer, trotz einiger Fortschritte in den letzten Jahren, weiterhin ungenügend. Demgegenüber fallen Dinge, die zumindest Medizinern spontan zu Ägypten einfallen, wie Hepatitis C, Bilharziose, Vogelgrippe, West-Nile-Fever, Tollwut, Haiattacken, Gifttiere usw. praktisch gar nicht ins Gewicht, da entweder zumindest im touristischen Kontext sehr selten oder ohnehin (derzeit) nur theoretischer Natur. Trotzdem sollten und müssen auch diese Risiken im Rahmen der reisemedizinischen Sprechstunde unbedingt angesprochen werden. Dies gilt insbesondere für die Hepatitis C, bei der Ägypten die mit weitem Abstand höchste Prävalenz weltweit aufweist. Bei ca. 15 bis 20% der Bevölkerung können Hepatitis C-AK nachgewiesen werden.

Reiseland Ägypten Dr. Klaus Wiesenbacher, … · C, Bilharziose, Vogelgrippe, West-Nile-Fever, Tollwut, Haiattacken, Gifttiere usw. praktisch gar nicht ins Gewicht, da entweder zumindest

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Reiseland ÄgyptenDr. Klaus Wiesenbacher, Regionalarzt Kairo, Auswärtiges Amt, Berlin

-ein Titel, den man seit dem 25.1.11 nicht mehr ohne Weiteres unkommentiert stehen lassen kann.

Ägypten war im letzten Jahr für ca. 1,2 Millionen Deutsche ein Urlaubsziel. Damit waren unsere Landsleute aber nur die drittgrößte Gruppe. Russen und Briten kamen in noch größeren Zahlen. Jetzt ist eigentlich Hochsaison und kaum ein Tourist ist im Land. Die Auslastung der Hotelkapazitäten liegt am Roten Meer bei ca. 10%. Das ist nicht nur wirtschaftlich eine Katastrophe. Gerade in der Zeit des politischen Neuanfangs ist das Land im besonderen Maße auf Einnahmen angewiesen, damit notwendige, neben politischen, insbesondere auch soziale Reformen überhaupt in Angriff genommen werden können. Tourismus ist also für Ägypten von immenser Bedeutung. Es ist daher zu wünschen, dass sich die Besucherzahlen bald wieder deutlich nach oben bewegen werden – natürlich nur wenn es die Sicherheitslage erlaubt.

Ägypten ist im Hinblick auf die Reisemöglichkeiten wirklich vielfältig. Neben den klassischen Pauschalangeboten für Badeaufenthalte am Roten Meer, gibt es Tauchreisen, Studienreisen, Nilkreuzfahrten und Wüstentouren. Die Gesundheitsgefahren sind entsprechend unterschiedlich gewichtet. Die zwei Hauptrisiken sind aber allen Reisearten gemein:

– infektiöse Magen-/Darmerkrankungen und Unfälle, insbesondere Verkehrs- und klassische Badeunfälle.

Bei Ägypten-Urlaubern sind Durchfallerkrankungen extrem häufig. Dabei ist das gesamte Spektrum der entsprechenden Krankheitserreger vertreten, auch wenn die überwiegende Mehrzahl der Fälle letztlich nicht sicher zugeordnet werden kann. Lebensbedrohliche Verläufe sind dabei zwar eine seltene Ausnahme, der Urlaub aber mitunter gelaufen. Entsprechende Lebensmittelhygiene lohnt sich und sollte ernst genommen werden.Von den ca. 100 Todesfällen unter deutschen Touristen im Jahr 2010 entfielen genau 20 auf Verkehrsunfälle. Damit ist es ca. 5 mal wahrscheinlicher während eines 2-wöchigen Ägyptenurlaubs im Straßenverkehr tödlich zu verunglücken, als während einer entsprechenden Zeitspanne in Deutschland. Neben den häufig schlecht ausgebildeten Fahrern der Busse und Kleinbusse, ist der oft mangelhafte Zustand der Fahrzeuge und Straßen ein wichtiger Grund. Zudem ist die ärztliche Versorgung gerade in den Touristenzentren am Roten Meer, trotz einiger Fortschritte in den letzten Jahren, weiterhin ungenügend.

Demgegenüber fallen Dinge, die zumindest Medizinern spontan zu Ägypten einfallen, wie Hepatitis C, Bilharziose, Vogelgrippe, West-Nile-Fever, Tollwut, Haiattacken, Gifttiere usw. praktisch gar nicht ins Gewicht, da entweder zumindest im touristischen Kontext sehr selten oder ohnehin (derzeit) nur theoretischer Natur. Trotzdem sollten und müssen auch diese Risiken im Rahmen der reisemedizinischen Sprechstunde unbedingt angesprochen werden. Dies gilt insbesondere für die Hepatitis C, bei der Ägypten die mit weitem Abstand höchste Prävalenz weltweit aufweist. Bei ca. 15 bis 20% der Bevölkerung können Hepatitis C-AK nachgewiesen werden.

Ein wirkliches Problem stellt der oft fehlende Krankenversicherungsschutz (incl. Rückholoption) deutscher Urlauber dar, da die GKV in Ägypten nicht deckt und Reisekrankenversicherungen vergessen oder absichtlich nicht abgeschlossen werden. Ein Ambulanzflug kostet etwa 25.000,- Euro, eine entsprechende Versicherung ca. 10,-- Euro!

Neben einer klassischen Impfberatung sollten auch sämtliche, der oben angeführten Punkte unbedingt Bestandteile einer reisemedizinischen Beratung sein!

Verfasser: Dr. Klaus WiesenbacherRegionalarzt KairoDeutsche Botschaft KairoWerderscher Markt 110117 Berlin