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Chirurg 2013 · 84:907 DOI 10.1007/s00104-013-2613-x Online publiziert: 27. September 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 O. Strobel · M.W. Büchler Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universität Heidelberg Rekonstruktion nach partieller  Pankreatoduodenektomie Pankreatojejunostomie   oder Pankreatogastrostomie? Hintergrund und Fragestellung Die Pankreasfistel ist die häufigste schwer- wiegende Komplikation nach partiel- ler Pankreatoduodenektomie. Das beste Rekonstruktionsverfahren zur Vermei- dung von Pankreasfisteln ist daher von zentralem Interesse. Hierfür stehen die Pankreatojejunostomie (PJ) und die Pan- kreatogastrostomie (PG) zur Verfügung. In randomisierten Studien und Metaana- lysen zum Vergleich beider Rekonstruk- tionsverfahren konnte bisher kein rele- vanter Unterschied bezüglich der Fistel- raten nachgewiesen werden. Topal et al. führten in Belgien eine neue multizent- rische randomisiert kontrollierte Studie zum Vergleich von PJ und PG durch. Methoden Von 2009 bis 2012 wurden 329 Patienten nach Resektion von Pankreas- und peri- ampullären Tumoren anhand des Gang- durchmessers stratifiziert (≤3 mm vs. >3 mm) und intraoperativ in die Grup- pen PJ (n=167) und PG (n=162) randomi- siert. Die Operateure mussten mindestens jeweils 5 PJ und PG durchgeführt haben. Anastomosierungstechnik (ein- oder zweireihig, Einzelknopf oder fortlaufend) und Nahtmaterial waren nicht standar- disiert. Sandostatin wurde intraoperativ und bis 7 Tage postoperativ verabreicht. Primärer Endpunkt war die Inzidenz kli- nisch relevanter Pankreasfisteln (Grad B/C, International Study Group on Pan- creatic Fistula -Definition) bis 2 Monate postoperativ. Ergebnisse B/C-Pankreasfisteln traten bei 14% der Patienten auf und waren nach PJ signifi- kant häufiger als nach PG (PJ: 19,8% vs. PG: 8,0%; p=0,002). Die Gesamtrate an Pankreasfisteln (inklusive biochemischer Fisteln) lag nach PJ bei 31,1% und nach PG bei 20,4%. Bei Patienten mit einem Gang- durchmesser ≤3 mm und eher weichem Parenchym traten B/C-Fisteln nach PJ in 24,5% und nach PG in 10,2% auf, bei Pa- tienten mit Gangdurchmesser >3 mm und härterem Parenchym (niedriges Risiko) nach PJ in 12,3% und nach PG in 4,7%. Eine verzögerte Magenentleerung war nach PJ weniger häufig als nach PG (8 vs. 15%). Bezüglich anderer Komplikationen, Krankenhausmortalität (PJ: 5% und PG: 3%) und Liegedauer (PJ: 18 Tage vs. PG: 19 Tage) gab es keine Unterschiede. Diskussion Die Autoren folgern, dass die Pankreato- gastrostomie als sichereres Rekonstruk- tionsverfahren bevorzugt werden sollte. Wir glauben, dass die Studie mehrere Mängel hat, die die Interpretation und Anwendbarkeit der Ergebnisse stark ein- schränken: F Die routinemäßige Gabe von Sand- ostatin und Liegedauern um 18 Tage spiegeln nicht die aktuelle Praxis in der Pankreaschirurgie wider. F Die fehlende Standardisierung der Anastomosierungstechniken erschwert eine Vergleichbarkeit durch Addition zusätzlicher Variablen. F Die Fistelraten nach PJ (klinisch rele- vante Fisteln in 20%) sind wesentlich höher als von Zentren und in ande- ren randomisiert-kontrollierten Stu- dien berichtet. Die scheinbare Über- legenheit der PG ist daher keinesfalls übertragbar auf Zentren mit besseren Ergebnissen nach PJ. F Ein Grund für die hohen Fistelraten könnte die Beteiligung von Chirurgen sein, die Erfahrung mit nur 5 PJ und PG hatten und damit die Lernkurve sicher nicht durchschritten hatten. Fazit Denkbar ist, dass die PG als einfache- res Verfahren schneller erlernt wer- den kann und bei kleinerer Fallzahl  sicherer ist, während die Vorteile der PJ  als   tech  nisch anspruchsvolleres Verfah- ren erst bei   größerer Fallzahl zum Tra- gen kommen. Interessant wäre hier die  Aufschlüssel  ung der Ergebnisse anhand  der   Erfahrung der Chirurgen mit dem  jeweiligen Verfahren. Wir hoffen, dass  die in Deutschland laufende RecoPanc-  Studie zur weiteren Klärung des Themas  beiträgt. Korrespondenzadresse PD Dr. O. Strobel Klinik für Allgemein-, Viszeral-   und Transplantationschirurgie,   Universität Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg [email protected] Interessenkonflikt.  O. Strobel und M.W. Büchler ge- ben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.  Originalpublikation Topal B, Fieuws S, Aerts R et al (2013) Pan- creaticojejunostomy versus pancreaticogas- trostomy reconstruction after pancreaticodu- odenectomy for pancreatic or periampullary  tumours: a multicentre randomised trial.  Lancet Oncol 14:655–662 907 Der Chirurg 10 · 2013| Journal Club

Rekonstruktion nach partieller Pankreatoduodenektomie; Reconstruction after pancreatoduodenectomy;

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Page 1: Rekonstruktion nach partieller Pankreatoduodenektomie; Reconstruction after pancreatoduodenectomy;

Chirurg 2013 · 84:907DOI 10.1007/s00104-013-2613-xOnline publiziert: 27. September 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

O. Strobel · M.W. BüchlerKlinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universität Heidelberg

Rekonstruktion nach partieller Pankreatoduodenektomie

Pankreatojejunostomie  oder Pankreatogastrostomie?

Hintergrund und Fragestellung

Die Pankreasfistel ist die häufigste schwer­wiegende Komplikation nach partiel­ler Pankreatoduodenektomie. Das beste Rekonstruktionsverfahren zur Vermei­dung von Pankreasfisteln ist daher von zentralem Interesse. Hierfür stehen die Pankreatojejunostomie (PJ) und die Pan­kreatogastrostomie (PG) zur Verfügung. In randomisierten Studien und Metaana­lysen zum Vergleich beider Rekonstruk­tionsverfahren konnte bisher kein rele­vanter Unterschied bezüglich der Fistel­raten nachgewiesen werden. Topal et al. führten in Belgien eine neue multizent­rische randomisiert kontrollierte Studie zum Vergleich von PJ und PG durch.

Methoden

Von 2009 bis 2012 wurden 329 Patienten nach Resektion von Pankreas­ und peri­ampullären Tumoren anhand des Gang­durchmessers stratifiziert (≤3 mm vs. >3 mm) und intraoperativ in die Grup­pen PJ (n=167) und PG (n=162) randomi­siert. Die Operateure mussten mindes tens jeweils 5 PJ und PG durchgeführt haben. Anastomosierungstechnik (ein­ oder zweireihig, Einzelknopf oder fortlaufend) und Nahtmaterial waren nicht standar­disiert. Sandostatin wurde intra operativ und bis 7 Tage postoperativ verab reicht.

Primärer Endpunkt war die Inzidenz kli­nisch relevanter Pankreasfisteln (Grad B/C, International Study Group on Pan­creatic Fistula ­Definition) bis 2 Monate postoperativ.

Ergebnisse

B/C­Pankreasfisteln traten bei 14% der Patienten auf und waren nach PJ signifi­kant häufiger als nach PG (PJ: 19,8% vs. PG: 8,0%; p=0,002). Die Gesamtrate an Pankreasfisteln (inklusive biochemischer Fisteln) lag nach PJ bei 31,1% und nach PG bei 20,4%. Bei Patienten mit einem Gang­durchmesser ≤3 mm und eher weichem Parenchym traten B/C­Fisteln nach PJ in 24,5% und nach PG in 10,2% auf, bei Pa­tienten mit Gangdurchmesser >3 mm und härterem Parenchym (niedriges Risiko) nach PJ in 12,3% und nach PG in 4,7%. Eine verzögerte Magenentleerung war nach PJ weniger häufig als nach PG (8 vs. 15%). Bezüglich anderer Komplikationen, Krankenhausmortalität (PJ: 5% und PG: 3%) und Liegedauer (PJ: 18 Tage vs. PG: 19 Tage) gab es keine Unterschiede.

Diskussion

Die Autoren folgern, dass die Pankreato­gastrostomie als sichereres Rekonstruk­tionsverfahren bevorzugt werden sollte. Wir glauben, dass die Studie mehrere Mängel hat, die die Interpretation und Anwendbarkeit der Ergebnisse stark ein­schränken:FDie routinemäßige Gabe von Sand­

ostatin und Liegedauern um 18 Tage spiegeln nicht die aktuelle Praxis in der Pankreaschirurgie wider.

FDie fehlende Standardisierung der Anastomosierungstechniken

erschwert eine Vergleichbarkeit durch Addition zusätzlicher Variablen.

FDie Fistelraten nach PJ (klinisch rele­vante Fisteln in 20%) sind wesentlich höher als von Zentren und in ande­ren randomisiert­kontrollierten Stu­dien berichtet. Die scheinbare Über­legenheit der PG ist daher keinesfalls übertragbar auf Zentren mit besseren Ergebnissen nach PJ.

FEin Grund für die hohen Fistelraten könnte die Beteiligung von Chirurgen sein, die Erfahrung mit nur 5 PJ und PG hatten und damit die Lernkurve sicher nicht durchschritten hatten.

Fazit

Denkbar ist, dass die PG als einfache-res Verfahren schneller erlernt wer-den kann und bei kleinerer Fallzahl  sicherer ist, während die Vorteile der PJ als  tech nisch anspruchsvolleres Verfah-ren erst bei  größerer Fallzahl zum Tra-gen kommen. Interessant wäre hier die Aufschlüssel ung der Ergebnisse anhand der  Erfahrung der Chirurgen mit dem jeweiligen Verfahren. Wir hoffen, dass die in Deutschland laufende RecoPanc- Studie zur weiteren Klärung des Themas beiträgt.

Korrespondenzadresse

PD Dr. O. StrobelKlinik für Allgemein-, Viszeral-  und Transplantationschirurgie,  Universität Heidelberg,Im Neuenheimer Feld 110, 69120 [email protected]

Interessenkonflikt.  O. Strobel und M.W. Büchler ge-ben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

Originalpublikation

Topal B, Fieuws S, Aerts R et al (2013) Pan-creaticojejunostomy versus pancreaticogas-trostomy reconstruction after pancreaticodu-odenectomy for pancreatic or periampullary tumours: a multicentre randomised trial. Lancet Oncol 14:655–662

907Der Chirurg 10 · 2013  | 

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