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m November 2000 ist Uttaran- chal als neuer Bundesstaat der Indischen Union gegründet worden. Vor der Eigenständig- keit gehörte der flächenmäßig größte Teil des jungen Bundesstaa- tes zu den beiden administrativen Einheiten (Divisions) Kumaon und Garhwal, die gemeinsam den Norden von Uttar Pradesh bilde- ten. In Garhwal zählten hierzu die Distrikte Dehradun, Uttar- kashi, Tehri, Pauri und Chamoli, während Kumaon aus den Distrik- ten Nainital, Almora und Pithora- garh bestand (Joshi 2004, S. 7). Abgesehen von den genannten acht Gebirgsdistrikten ist Uttaran- chal bei der Gründung mit den Distrikten Haridwar im Südwesten und Udham Singh Nagar im Süd- osten noch ein schmaler Streifen des nördlichen Ganges-Tieflandes zugesprochen worden. Die territoriale Loslösung der Divisions Kumaon und Garhwal von Uttar Pradesh steht am Ende einer fast 50jährigen Protestbewe- gung der Gebirgsbevölkerung (Rangan 2004, S. 385). In erster Linie richteten sich die Separatis- musbestrebungen gegen die syste- matische Vernachlässigung der Berggebiete durch die administra- tiven Organe in Lucknow, der ehe- maligen wie heutigen Hauptstadt von Uttar Pradesh. Entwicklungs- rückstände in den bergbäuerlich geprägten Himalaya-Regionen wurden als Ergebnis der politi- schen Dominanz durch den büro- kratischen Verwaltungsapparat und wirtschaftlich einflussreiche Gruppen aus dem Tiefland inter- pretiert. Neben größerer Eigen- ständigkeit und regionaler Identi- tät forderte die Protestbewegung eine stärkere ökonomische Teil- habe der lokalen Bevölkerung an der Ressourcenexploitation im Gebirgsraum (Mawdsley 1999, S. 105; Rangan 2004, S. 371). 14 Geographische Rundschau 58 (2006) Heft 10 I Ressourcennutzung und nachhaltige Entwicklung im Kumaon-Himalaya (Indien) Fotos: M. Nüsser Kumaon umfasst den unmittelbar westlich an Nepal und südlich an Tibet grenzenden Ab- schnitt des zentralen Himalaya und dessen Vorland. Administrativ gehört die periphere Region zum indischen Bundesstaat Uttaran- chal. Bis heute basiert die Existenzsicherung der Gebirgsbevölkerung zu einem wesentli- chen Teil auf der Wald- und Weidenutzung in den verschiedenen Höhenstufen. Dabei bilden die agrarischen Nutzungssysteme keinesfalls nur die räumliche und saisonale Verfügbarkeit der biologischen Ressourcen ab. Vielmehr wird die Art und Intensität der lokalen Ressourcen- nutzung auch maßgeblich von politischen Ent- wicklungen und verfügungsrechtlichen Kon- flikten beeinflusst und unterliegt daher viel- fältigen Außeneinwirkungen. MARCUS NÜSSER Foto 1: Himalaya-Hauptkette mit dem Nanda Devi (7 816 m) und ausgedehnte Kiefernwälder (Pinus roxburghii) kennzeichnen Kumaon lizenziert f¨ ur Marcus N¨ usser am 12.04.2015 lizenziert f¨ ur Marcus N¨ usser am 12.04.2015

Ressourcennutzung und nachhaltige Entwicklung im Kumaon ... · Damit knüpfte die Bewegung für Uttaranchal mit einzelnen Forde-rungen an die Chipko-Aktivisten aus den 1970er Jahren

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m November 2000 ist Uttaran-chal als neuer Bundesstaat derIndischen Union gegründetworden. Vor der Eigenständig-keit gehörte der flächenmäßig

größte Teil des jungen Bundesstaa-tes zu den beiden administrativenEinheiten (Divisions) Kumaonund Garhwal, die gemeinsam denNorden von Uttar Pradesh bilde-ten. In Garhwal zählten hierzudie Distrikte Dehradun, Uttar-kashi, Tehri, Pauri und Chamoli,während Kumaon aus den Distrik-ten Nainital, Almora und Pithora-garh bestand (Joshi 2004, S. 7).Abgesehen von den genanntenacht Gebirgsdistrikten ist Uttaran-chal bei der Gründung mit denDistrikten Haridwar im Südwestenund Udham Singh Nagar im Süd-osten noch ein schmaler Streifendes nördlichen Ganges-Tieflandeszugesprochen worden.

Die territoriale Loslösung derDivisions Kumaon und Garhwal

von Uttar Pradesh steht am Endeeiner fast 50jährigen Protestbewe-gung der Gebirgsbevölkerung(Rangan 2004, S. 385). In ersterLinie richteten sich die Separatis-musbestrebungen gegen die syste-matische Vernachlässigung derBerggebiete durch die administra-tiven Organe in Lucknow, der ehe-maligen wie heutigen Hauptstadtvon Uttar Pradesh. Entwicklungs-rückstände in den bergbäuerlichgeprägten Himalaya-Regionenwurden als Ergebnis der politi-schen Dominanz durch den büro-kratischen Verwaltungsapparatund wirtschaftlich einflussreicheGruppen aus dem Tiefland inter-pretiert. Neben größerer Eigen-ständigkeit und regionaler Identi-tät forderte die Protestbewegungeine stärkere ökonomische Teil-habe der lokalen Bevölkerung ander Ressourcenexploitation imGebirgsraum (Mawdsley 1999,S. 105; Rangan 2004, S. 371).

14 Geographische Rundschau 58 (2006) Heft 10

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Ressourcennutzung und nachhaltigeEntwicklung im Kumaon-Himalaya (Indien)

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Kumaon umfasst den unmittelbar westlich an

Nepal und südlich an Tibet grenzenden Ab-

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Vorland. Administrativ gehört die periphere

Region zum indischen Bundesstaat Uttaran-

chal. Bis heute basiert die Existenzsicherung

der Gebirgsbevölkerung zu einem wesentli-

chen Teil auf der Wald- und Weidenutzung in

den verschiedenen Höhenstufen. Dabei bilden

die agrarischen Nutzungssysteme keinesfalls

nur die räumliche und saisonale Verfügbarkeit

der biologischen Ressourcen ab. Vielmehr wird

die Art und Intensität der lokalen Ressourcen-

nutzung auch maßgeblich von politischen Ent-

wicklungen und verfügungsrechtlichen Kon-

flikten beeinflusst und unterliegt daher viel-

fältigen Außeneinwirkungen.

M A R C U S N Ü S S E R

Foto 1: Himalaya-Hauptkette mit dem Nanda Devi (7 816 m) und ausgedehnte Kiefernwälder (Pinus roxburghii) kennzeichnen Kumaon

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15Geographische Rundschau 58 (2006) Heft 10

Abb. 1: Der zentrale Himalaya

Das Satellitenbild zeigt den scharfen Kontrast zwischen der subtropisch-feuchtenVegetation der Südabdachung des zentralen Himalaya (in roten Farbtönen) unddem ariden Hochland von Tibet im Nordosten. Das von Nord nach Süd verlaufen-de Quertal des Gori Ganga durchschneidet die Himalaya-Hauptkette.

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Damit knüpfte die Bewegung fürUttaranchal mit einzelnen Forde-rungen an die Chipko-Aktivistenaus den 1970er Jahren an, die sichin Garhwal und Kumaon gegendie Enteignung und Zerstörungder Bergwälder durch auswärtigeHolzkontraktoren und gegen dieVerdrängung traditioneller Le-bensformen im Zuge staatlicherModernisierungsbestrebungengestellt hatten.

Landschaftszonenund HöhenstufenKumaon erstreckt sich von dernördlichen Ganges-Ebene übereine Entfernung von etwa 180 kmbis in den Tibetischen Himalaya.In einem von Süden nach Nordengerichteten Profil lässt sich dieserGebirgsraum in vier Landschafts-zonen gliedern, die in Abhängig-keit von der Höhenlage und denklimatischen Bedingungen eigen-ständige agrarökologische Poten-ziale aufweisen. Aus dem knappüber 500 m hoch gelegenen Gan-ges-Tiefland (Terai) im Südenerhebt sich nördlich von Haldwaniübergangslos der steil aufragende,über 10 km breite Gebirgsrand(Bhabar). Bis zu einer Höhe von1 000 m wird dieser von tropischwechselfeuchten Sal-Wäldern(Shorea robusta) bewachsen, wel-

che allerdings nur noch in den stei-leren Hanglagen erhalten geblie-ben sind und fast ausschließlichals Reserved Forests staatlichgeschützt werden.

Ohne deutlich erkennbarenWechsel schließt sich nach Nor-den die 70 bis 100 km breite Zonedes Vorderen Himalaya (Himan-chal) an, die Kammlagen zwischen1 500 und 3 000 m aufweist. DieseLandschaftszone wird weitflächigvon Pinus roxburghii-Wälderndominiert, die über extensiveWaldweide, Schneitelung undGrasschnitt in das agro-pastoraleNutzungssystem eingebundensind. Daneben werden die Kiefernseit dem frühen zwanzigsten Jahr-hundert zur Harzgewinnung undzur Extraktion von Rohterpentinangezapft (Agrawal 2005, S. 69).In Siedlungsnähe sind fast allenutzbaren Hanglagen terrassiertund werden als Ackerflächen imRegenfeldbau mit Reis, Weizen,Fingerhirse und Hülsenfrüchtenkultiviert. Dabei werden Doppel-ernten mit zwei Jahre laufendenFruchtfolgen mit je einer Monsun-frucht (Kharif) und einer Winter-frucht (Rabi) realisiert (Nitz 1973,S. 6). In dieser Zone liegen mitAlmora, Nainital und Pithoragarhalle größeren Städte und Distrikt-hauptstädte im Berggebiet vonKumaon.

Die Himalaya-Hauptkette (vgl.Foto 1) ist in Kumaon zwischen30 und 50 km breit. Einzelneüber 7 000 m und zahlreiche über6 000 m aufragende vergletscherteGebirgsmassive kennzeichnen dasLandschaftsbild. Aufgrund dergroßen Höhenunterschiede sinddie naturräumlichen Bedingungenin den einzelnen Tälern zwischender montanen und alpinen Höhen-stufe vielfältig differenziert. Arten-reiche Höhenwälder mit Eichen(Quercus semecarpifolia, Qu. dila-tata), Koniferen (Abies spectabilis,Cupressus torulosa) und Baum-rhododendron (Rhododendronarboreum) sind charakteristischfür die montane Stufe.

Als nördlichste Landschafts-zone Kumaons ist der TibetischeHimalaya zwischen 30 und 40 kmbreit. Dieser Gebirgsabschnitt istdurch die Hauptkette gegen diesommerlichen Monsunnieder-schläge abgeschirmt. Im bis zusechs Monate währenden Wintertreten mächtige Schneedeckenauf. Aufgrund der glazialen Über-prägung befinden sich in dieserLandschaftszone ausgedehnteund relativ flache Talböden undHangbereiche, die von alpinenRasen und Zwergsträuchern be-deckt sind und als bevorzugteHochweiden genutzt werden.

Gori – eineperiphere TalschaftAm Beispiel des über mehr als100 km von Norden nach Südenverlaufenden Gori Ganga-Talslassen sich die Beziehungen zwi-schen der naturräumlichen Aus-stattung und der Entwicklung derRessourcennutzung in Kumaonveranschaulichen. Die oberenTalkammern werden durch dieGipfelmassive des Nanda Devi(7 816 m), Hardeol (7 151 m) undder Panchchuli-Gruppe (6 913 m)eingerahmt und reichen bis anden tibetischen Plateaurand (vgl.Abb. 1).

Administrativ gehört die Tal-schaft zum Pithoragarh-Distrikt imäußersten Nordosten von Uttaran-chal. Aufgrund der erst gegenEnde der 1970er Jahre verstärkteinsetzenden modernen Verkehrs-

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Ressourcennutzung und nachhaltige Entwicklung im Kumaon-Himalaya (Indien)M A R C U S N Ü S S E R

Foto 2: Nach Monsunniederschlägen unterbrochener Weg im Gori-Tal

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erschließung gilt das Gori-Tal alsperipheres Gebiet. Die einzigenStraßenverbindungen nach Südenverlaufen über den Kalamuni-Pass(2 765 m) und entlang des Haupt-tales bis Munsiari (2 200 m), dem

Verwaltungs- und Handelszen-trum der Talschaft. Nach Nordensind die höheren Talbereiche überReitwege und Saumpfade erschlos-sen (vgl. Abb. 2), die allerdingswährend der Wintermonate auf-

grund der Schneeverhältnisse undder Lawinengefahr in der Regelnicht nutzbar sind. Auch im Mon-sun sind einzelne Wegpassagenim Bereich aktiver Rutschungenund Entwässerungsbahnen häufig

17Geographische Rundschau 58 (2006) Heft 10

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Abb. 2: Tal des Gori Ganga im nördlichen Kumaon

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unterbrochen (vgl. Foto 2). Nochbis in den Sommer hinein könnendagegen im oberen Tal Brückenaus Lawinenschnee zur Fluss-querung genutzt werden. Bis zumindisch-chinesischen Grenzkrieg1962 dienten diese Gebirgswegeauch als Handels- und Pilgerrou-ten zwischen dem nordindischenTiefland und Tibet (Krengel1989, S. 3).

Neben weiteren historischenger mit Tibet als mit dem Tief-land verbundenen Talschaftenbildet das Gori-Tal einen traditio-nellen Siedlungsraum der autocht-honen ethnischen Gruppe derBhotiyas (Pant 1935, S. 40; Hoon1996, S. 66 ff). Von diesen wird

das Tal Johar genannt. In der Ge-genwart stellen die Bhotiyas aller-dings gegenüber den später einge-wanderten Kumaonis nur nocheine Bevölkerungsminderheit dar(Gerwin 2006, S. 52). Lediglichdie höher gelegenen Talabschnitte(Malla Johar) werden auch weiter-hin von Bhotiyas dominiert (vgl.Foto 3).

Agro-pastoraleNutzungsformenVor der Grenzschließung im Zugeder kriegerischen Auseinanderset-zung zwischen Indien und Chinaverknüpften die Bhotiyas mobileTierhaltung mit dem Anbau von

Feldfrüchten in einem mehrgliedri-gen Staffelsystem. Auch wenn dieIntensität der pastoralen Nutzungin den vergangenen Jahrzehntendeutlich zurückgegangen ist, bildetdie mobile Tierhaltung auch wei-terhin eine wichtige Komponentefür die Existenzsicherung dieserBevölkerungsgruppe. Wie auch inanderen Regionen des zentralenHimalaya (vgl. Uhlig 1995) ermög-licht das Wanderungsmuster zwi-schen Sommer- und Winterweideneine gut angepasste Ausnutzungder Futterressourcen und Vegetati-onsperioden in den einzelnenHöhenstufen (vgl. Abb. 3). Dabeiorientieren sich die Zeitpunkte fürden Auf- und Abtrieb der Tierher-den an der saisonalen Futtersitua-tion und an den Erfordernissendes Feldbaus, der allerdings nurauf rund 5 % der Gesamtfläche desTales betrieben wird (FES 2003,S. 17). Der Auftrieb der Herden zuden Sommersiedlungen in denHochtälern setzt gegen Ende Aprilein, so dass dort die Feldvorberei-tung für den Anbau von Gerste,Buchweizen und Kartoffeln erfol-gen kann. Von hier werden dieTiere zwischen Juni und Septem-ber auf die Hochweiden (Bugyals)gebracht, die oberhalb von 3 500m im Gletschervorfeld und auf fla-cheren Hangabschnitten liegen.Nach der Ernte Ende September

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Ressourcennutzung und nachhaltige Entwicklung im Kumaon-Himalaya (Indien)M A R C U S N Ü S S E R

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Abb. 3: Traditionelles Mobilitätsmuster der Bhotiya-Bevölkerung

Foto 3: Bhotiya-Frauen bei der Rast im oberen Gori-Tal

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werden die Tiere in die Winter-siedlungen zurückgeführt. DieWanderungsdistanzen zwischenden Sommer- und Wintersiedlun-gen betragen zwischen 50 und 100km.

Da die jahreszeitlichen Weide-wanderungen auf den schmalenGebirgspfaden mit großen Herden,die Stückzahlen zwischen 200 und500 aufweisen, durchgeführt wer-den, ist eine genau koordinierteAbfolge der Halteplätze (Paraos)erforderlich. Schafe und Ziegen,die auch als Transporttiere fürLasten zwischen 10 und 15 kg die-nen, werden von den Rindern ge-trennt geführt. Während die Rin-der zwischen Oktober und Aprilin den Wintersiedlungen bleiben,werden die Kleintierherden zu-meist von Berufshirten in dasuntere Gori-Tal oder in die Fuß-zone (Bhabar) bis hinunter nachHaldwani gebracht. Dabei dürfendie Hirten eine Weide allerdingsnur für 10–15 Tage nutzen.

Heute findet im Gori-Tal gegendie Entrichtung von Gebührenauch eine sommerliche Weidenut-zung von Herden aus benachbar-ten Tälern, zum Teil auch ausdem benachbarten BundesstaatHimachal Pradesh statt (Hoon1996, S. 91). Dies kann als Folgeeines geringeren Weideflächen-bedarfs der Talbevölkerung aufge-fasst werden. Die Nutzung durchauswärtige Tierhalter beschränktsich nicht nur auf die oberen Tal-abschnitte, sondern erstreckt sichauch auf die Hochweiden amKhalia Danda (3 747 m), westlichvon Munsiari (vgl. Abb. 2). Letzte-re werden zwischen Mai und Sep-tember von Büffeln und währendder Wintermonate von Schafenund Ziegen beweidet.

Tibet-Handel: Bedeutungund Konsequenzen desNiedergangsEng gekoppelt mit der mobilenTierhaltung etablierten die Bho-tiyas einen florierenden Tausch-handel mit tibetischen Nomadenund Händlern über zahlreiche nurzwischen Juli und Oktober geöff-nete Hochpässe, die den subtro-pisch feuchten Himalaya mit dem

ariden tibetischen Hochland ver-binden. Dabei wurden Getreide,andere Agrarprodukte und Klei-dung aus dem Tiefland gegenSalz, Wolle, Felle, Ziegen undYaks aus Tibet gehandelt (Pant1935, S. 220), wie es in vergleich-barer Weise auch aus den Durch-bruchstälern des nepalischen

Himalaya bekannt ist (vgl. Berre-mann 1963, Fürer-Haimendorf1975, Bishop 1990).

Als Konsequenz aus der durchdie Grenzschließung entstandenenSackgassensituation im oberenGori-Tal resultierte für die Bho-tiyas der Verlust ihrer Hauptein-nahmequelle. Einhergehend mit

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Foto 4: Die Sommersiedlung Milam im Jahr 1956

Foto 5: Milam im September 2004

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der Unterbrechung des Trans-himalaya-Handels kam es auchzum erwähnten Rückgang dermobilen Tierhaltung und damitzu einem Bedeutungsverlust derSommerdörfer in den oberen Tal-abschnitten. Diese Entwicklungkann am Beispiel von Milam(3 440 m) nachgezeichnet werden.Im frühesten regionalen Kataster-bericht aus dem Jahr 1823 gibtG.W. Traill, der erste britischeSettlement Officer von Kumaon,eine Anzahl von knapp 1 500Bewohnern für das damals größteDorf und Warenlager auf der altenHandelsroute an (zitiert nachAtkinson 1886, Bd. 3, S. 595).Für die Phase um 1930 wird dieGrößenordnung der über die Som-mermonate in Milam lebendenFamilien mit 600 beziffert (Pant1935, S. 240). Der Funktionsver-lust als Etappenstützpunkt zeigtsich in Angaben aus dem Jahr1988, in dem nur noch 23 Famili-en die Sommersiedlung Milamnutzen (Hoon 1996, S. 222). ZumEnde der 1990er Jahre suchten nurnoch 18 Familien dieses Dorf zwi-schen Juni und Oktober auf (Siloriund Badola 2000, S. 274), wasauch für 2004 bestätigt werdenkann.

Die weitgehende Aufgabe dertraditionellen Nutzung in Milamlässt sich im Siedlungsbild doku-mentieren. In der Gegenwart istdie große Mehrzahl der Gebäudeverfallen (vgl. Fotos 4 und 5). Nurnoch etwa 25 % der Häuser befin-

den sich in einem bewohnbarenZustand. Der Niedergang setztsich weiter fort, da aus den nichtmehr bewohnten Gebäuden nebenDachschieferplatten und Mauer-steinen vor allem Bauholz ent-nommen wird. Dieses wird alsEnergieträger genutzt oder an dieseit dem Grenzkrieg mit Chinaganzjährig bei Milam stationiertenEinheiten der Indo-Tibetan BorderPolice verkauft (Hoon 1996,S. 91). Die skizzierte Entwicklungzeigt sich auch in den anderenSommersiedlungen der Bhotiyas.Mit dem Dorfverfall ist auchein großflächiges Auflassen derAckerterrassen, insbesondere inden steileren Hanglagen verbun-den. Durch den Wegfall der Mög-lichkeit, Getreide nach Tibet zuverkaufen, ist eine Feldbewirt-schaftung in dieser Höhenlage seitnunmehr 45 Jahren offensichtlichnicht mehr profitabel.

Abgesehen vom Zusammen-bruch des Tibet-Handels führtenauch weitere übergeordnete politi-sche Vorgänge zu einer verstärk-ten Sesshaftigkeit der Bhotiyas.Hier wäre vor allem der UttarPradesh Zamindari Abolition andLand Reforms Act des Jahres 1950zu nennen, der auf die Übertra-gung der Eigentumsrechte von denLandlords an die Bauern abzielte.Da viele Bhotiyas ihr Kulturlandzur Bewirtschaftung verpachtethatten, zog dieses Gesetz denLandverlust in ihren Wintersied-lungen und damit einen gravieren-

den Nachteil im Rahmen ihrertraditionellen Mobilitätsmusternach sich (Nautiyal, Rao, Maikhu-ri und Saxena 2003, S. 256). Vordiesem Hintergrund ist auch derFunktionswandel des Ortes Mun-siari zu interpretieren, der sichinfolge der zunehmenden Ansied-lung von einer Etappenstation undWintersiedlung (Atkinson 1886,Bd. 3, S. 595; Pant 1935, S. 52)zum heutigen Zentrum der Tal-schaft entwickelt hat (Gerwin2006, S. 51).

Ressourcennutzung:Konzepte und KonflikteEin weiterer Faktor für den Rück-gang der mobilen Tierhaltungbesteht in den Einschränkungender Waldnutzung durch eine re-striktive staatliche Forstpolitik, diebereits in der Kolonialzeit einsetz-te und zum Verlust von Winter-weiden und Wanderungskorrido-ren führte (vgl. Linkenbach 1999).Im Zuge dieser Entwicklung undvor dem Hintergrund massiverProteste der lokalen Bevölkerunggegen den Verlust von Nutzungs-rechten entstanden in Kumaonseit 1931 zahlreiche Waldnutzer-komitees (Van Panchayats). Alleinin Kumaon existieren heute rund12 500 dieser Institutionen, diein einem staatlich vorgegebenenRahmen eine dezentrale Bewirt-schaftung der natürlichen Res-sourcen organisieren (Agrawal2005, S. 119). Sofern die VanPanchayats über ausreichendeFlächen verfügen und eine Größevon 30-100 Haushalten nichtübersteigen, können diese Institu-tionen zur nachhaltigen Ressour-cennutzung beitragen (Agrawal2001, S. 211). Im Gori-Tal wurdendie ersten Van Panchayats 1947gegründet. Heute wird die Res-sourcennutzung auf mehr als 70 %der gesamten Fläche durch Wald-nutzerkomitees organisiert (FES2003, S. 63). Unterstützung erfah-ren die Van Panchayats im Gori-Tal durch die indische Nichtregie-rungsorganisation Foundation forEcological Security (FES), die seit1992 zahlreiche Aktivitäten zurRegionalentwicklung koordiniertund durchführt. Eine tragende

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Ressourcennutzung und nachhaltige Entwicklung im Kumaon-Himalaya (Indien)M A R C U S N Ü S S E R

Foto 6: Trocknen von Medizinalpflanzen in der Sommersiedlung Ralam

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Komponente der Entwicklungs-maßnahmen dieser Organisationbesteht in der Revitalisierung tra-ditioneller Existenzsicherungsstra-tegien in den Bereichen Tierhal-tung, Feldbau und Waldnutzung.

Darüber hinaus wird das Res-sourcenmanagement der dörfli-chen Gemeinschaften auch durchdie Ausweisung von Schutzzonenmit eingeschränkten Nutzungs-möglichkeiten im Kontext regiona-ler Naturschutzstrategien beein-flusst. Im Jahr 1982 wurde derNationalpark Nanda Devi prokla-miert, der vor allem das so ge-nannte „Inner Sanctuary“ umfasst,also jenen Bereich der über dasRishi-Tal nach Westen entwässertwird und der nach Norden, Ostenund Süden durch über 6 000 mhoch aufragende Gebirgskämmeumschlossen wird (vgl. Abb. 1).Mit der Anerkennung als Biosphä-renreservat durch die UNESCOim Jahr 1988 wurde neben einer625 km2 großen Kernzone umdas Nanda Devi-Massiv aucheine Naturschutz- und Manage-mentzone mit einer Fläche von1 612 km2 ausgewiesen. In diesePufferzone ist auch das obereGori-Tal einbezogen, doch sinddie Auswirkungen hier bislangeher zu vernachlässigen. Gravie-rende Einschränkungen imBereich der Wald- und Weidenut-zung sind dagegen auf der West-seite des Nanda Devi im Rishi-Talin Garhwal wirksam (Maikhuriet al. 2000, S. 44; Nautiyal, Rao,Maikhuri und Saxena 2003,S. 258).

Medizinalpflanzen:Extraktion und HandelAbgesehen von der traditionellenWald- und Weidenutzung spieltauch die Neu- und Umbewertungder biologischen Ressourcen einewichtige Rolle. Wie im gesamtenHimalaya (vgl. Olsen und Larsen2003), so hat auch im Gori-Talin den vergangenen zwei Jahr-zehnten die Sammlung und Ver-marktung von Heilpflanzen deut-lich zugenommen und bildet einezunehmend wichtige außerland-wirtschaftliche Einkommensquelle(vgl. Foto 6). Der steigende Bedarf

der internationalen Pharmaindust-rie an den Inhaltsstoffen medizi-nisch nutzbarer Pflanzen und dieWiederbelebung traditionellerMedizinsysteme bieten den Anreizfür den weitgehend illegalen Han-del (Uniyal, Awashti und Rawat2002, S. 1 246). Zu den begehrtes-ten und hochpreisig gehandeltenArten zählen unter anderem Aco-nitum heterophyllum und Picror-hiza kurrooa (FES 2003, S. 38).Aufgrund der steigenden Nach-frage hat sich die Sammelperiodeder Wildpflanzen in den letztenJahren von zwei auf fünf Monateverlängert (Uniyal, Awashti undRawat 2002, S. 1250). Da dieHabitate der meisten Medizinal-pflanzen in der alpinen Höhen-stufe und damit im Bereich derHochweiden liegen, wird die Wild-pflanzensammlung häufig mit derWeidenutzung verbunden. Dieintensivierte Extraktion bestimm-ter Arten bedingt nicht nur derenGefährdung, sondern verursachtauch Bodendegradation, da invielen Fällen die Wurzelstöckeausgegraben werden.

Neben den angesprochenenMedizinalpflanzen stellt der chine-sische Raupenpilz Cordycepssinensis einen Sonderfall dar. Die-ser Pilz wird in der traditionellenchinesischen Medizin als Aphrodi-siakum, Antidepressivum sowiefür weitere Zwecke eingesetzt underzielt daher sehr hohe Preise. DieVermarktung erfolgt über komple-xe Netzwerkstrukturen unter-schiedlicher Akteursgruppen (vgl.Olsen und Bhattarai 2005, S. 39).Ein sinnvoller Ansatz zur Regulie-rung der zwar illegalen aber weitverbreiteten Heilpflanzen- undRaupenpilzsammlung besteht inder Förderung der traditionellverankerten Van Panchayats.Eine stärkere Rolle dieser dezen-tral agierenden Institutionen wirdauch für die Medizinalpflanzen-extraktion im benachbarten Nepalfavorisiert (Olsen und Larsen2003, S. 252). In einzelnen Dör-fern des Gori-Tales hat die lokaleBevölkerung mit dem Anbau kulti-vierbarer Heil- und Aromapflan-zen (z.B. Allium stracheyi, Carumcarvi) begonnen, mit denen sichim Gegensatz zu den gesammelten

Wildpflanzen allerdings nurrelativ geringe Einkommen rea-lisieren lassen. Neben dem Ver-kauf an auswärtige Mittelsmännerund Großhändler werden dieHeilpflanzen auch in den lokalenMedizinalsystemen verwendet(vgl. Maikhuri, Nautiyal, Raound Saxena 1998).

Fazit: Entwicklung einerperipheren GebirgsregionRessourcennutzung und Entwick-lungsperspektiven der Gebirgs-region Kumaon werden seit derKolonialzeit zwischen den Interes-sen lokaler Bevölkerungsgruppenund externer Akteure ausgehan-delt. Dies zeigt sich sowohl inden Konflikten um territorialeRessourcenzugangs- und Verfü-gungsrechte als auch in den Forde-rungen der Gebirgsbevölkerungnach größerer Eigenständigkeitund stärkerer ökonomischer Teil-habe an der Ressourcennutzung.Daher können Veränderungen imBereich der agro-pastoralen Wirt-schaftsweise keinesfalls isoliert alsBegleiterscheinung des Moderni-sierungsprozesses im Verlauf derjüngeren Geschichte gewertet wer-den. Vielmehr ist die Berücksichti-gung überregionaler Entwicklun-gen und veränderter Austauschbe-ziehungen seit dem indisch-chine-sischen Krieg für das Verständnisdes Wandels erforderlich.

Die veränderte Ressourcen-und Umweltbewertung zeigt sicham Beispiel der Heilpflanzen-sammlung. Dabei verursacht diesteigende globale Nachfrage nachden Inhaltsstoffen medizinischnutzbarer Pflanzen eine neue öko-nomische Bedeutung des periphe-ren Hochgebirgsraums. Im Zugedieser Entwicklung werden dieExistenzsicherungsstrategien loka-ler Akteure von neuen Heraus-forderungen im Spannungsfeldzwischen zusätzlichen Einkom-mensmöglichkeiten und Illegalitätbestimmt. Andererseits bieten sichgerade in diesem Bereich möglicheAnsatzpunkte für eine stärkereEinbindung lokaler Wissenssyste-me im Kontext einer multifunktio-nalen Nutzung biologischer Res-sourcen. In diesem Zusammen-

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hang können die Van Panchayatseine wichtige Rolle einnehmen.Eine entscheidende Voraussetzungbesteht allerdings darin, dass sichdas Interesse am peripheren Ge-birgsraum nicht primär an der Res-sourcenextraktion orientiert. Obeine nachhaltige Entwicklungsper-spektive für Kumaon unter denveränderten politischen Rahmen-bedingungen des jungen Bundes-staates Uttaranchal gelingen wird,bleibt eine offene Frage. ■

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AutorProfessor Dr. MARCUS NÜSSER,geb. 1964Südasien-Institut, Abteilung Geographie,Universität Heidelberg, Im NeuenheimerFeld 330, 69120 HeidelbergE-Mail: [email protected], Forschungsschwerpunkte:Südasien, Südliches Afrika, Hochgebirgs-und Entwicklungsforschung, Landnut-zungssysteme

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Ressourcennutzung und nachhaltige Entwicklung im Kumaon-Himalaya (Indien)M A R C U S N Ü S S E R

Resource Management andSustainable Development inthe Kumaon Himalaya, India

by Marcus Nüsser

The evolution of resource uti-lization in the central Hima-layas of Kumaon is marked byexternal interventions whichin turn began during colonialtimes and continue until thepresent day.

The study area of the GoriValley is a transveral valleylocated in the northernmostperiphery of Kumaon. Beforethe Indo-China War of 1962,the valley had the functionof a trade and transit routebetween the lowlands of In-dia and the Tibetan Plateau.The closure of the Trans-Himalayan trade has led tofar reaching changes in set-tlement structures, regionaltranshumance, and land usepatterns.

Desertion of settlementsand abandonment of terracedfields clearly indicate the re-cent decrease in land use in-tensity and the developmentof a new periphery.

Despite the reduced inten-sity of crop cultivation andlivestock keeping, large scaleextraction of medicinal plantsopens new dimensions of ille-gal income opportunities. Inorder to understand the com-plexity of resource manage-ment and contemporary landuse dynamics in the Gori Val-ley, it is necessary to addressthe history of resource con-flicts and the impact of localVillage Forest Councils (VanPanchayats), elected bodies,which manage the naturalresources in the village com-mons.

Summary

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