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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner Ein Überblick über das Verbraucherinsolvenzverfahren und die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche SchuldnerEin Überblick über das Verbraucherinsolvenzverfahren und die  Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche SchuldnerEin Überblick über das Verbraucherinsolvenzverfahren und die  Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

VorwortViele Verbraucherinnen und Verbrau-cher haben Schulden. Das ist solange nicht problematisch, wie ein regel-mäßiges Einkommen oder vorhande-nes Vermögen zur Schuldentilgung eingesetzt werden können. Was aber, wenn der sicher geglaubte Job verlo-ren geht oder wenn sich die persönli-

chen Lebensumstände durch Trennung oder Tod der Partnerin/des Partners verändern und damit der soziale und wirtschaftliche Halt entgleitet? In diesen Fällen kann es leicht passieren, dass eine Ver-schuldung in eine Überschuldung führt und die Schulden am Ende nicht mehr bedient werden können. Es droht der soziale Abstieg mit oft dramatischen Folgen für den Einzelnen.

Gegen diese „Abwärtsspirale“ bietet die Insolvenzordnung einen Ausweg: der Gang in die Insolvenz und die damit verbundene Möglichkeit der sogenannten Restschuldbefreiung für alle redli-chen Schuldner. „Insolvenz anmelden“ mag für manche zunächst abschreckend klingen, weil darin möglicherweise ein „endgültig gescheitert sein“ gesehen wird. Das versperrt hingegen den Blick auf die mit dem Gang in die Insolvenz verbundene Chance auf vollständige Entschuldung und einen wirtschaftlichen Neuanfang. In 2013 haben über 90.000 Verbraucherinnen und Verbraucher einen Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt. Das ist nicht nur ein Indiz für das Ausmaß der Überschul-dung privater Haushalte in Deutschland. Es zeigt auch, dass viele Betroffene den Gang in die Verbraucherinsolvenz nicht (mehr) scheuen.

Der Gesetzgeber hat zum 1. Juli 2014 das Verbraucherinsolvenz- und das Restschuldbefreiungsverfahren durch eine Reihe von Maßnahmen effektiver gestaltet. Auch im Verbraucherinsolvenz-

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Vorwort

verfahren besteht nunmehr die Möglichkeit, dass Schuldner und Gläubiger sich in einem gerichtlich bestätigten Insolvenzplan auf eine bestimmte Form der Schuldenbereinigung verständigen. Eine wesentliche Neuerung im Restschuldbefreiungsverfahren ist, dass einem redlichen Schuldner auf seinen Antrag hin Restschuldbe-freiung schon drei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt werden kann, wenn er die Verfahrenskosten und immerhin 35 Prozent der Schulden beglichen hat. Damit wird einerseits dem Interesse des Schuldners an einem möglichst raschen finanziellen Neuanfang Rechnung getragen. Andererseits werden auch die In-teressen der Gläubiger an einer möglichst umfassenden Befriedi-gung ihrer Forderungen berücksichtigt. Diese Änderungen gelten für alle nach dem 30. Juni 2014 beantragten Insolvenzverfahren.

Es bleibt weiter vorgesehen, dass auch ein völlig mittelloser Schuldner ein Insolvenzverfahren durchlaufen und Restschuld-befreiung erlangen kann. Die Insolvenzordnung enthält mit dem Stundungsverfahren hierfür eine eigenständige Verfahrenskos-tenhilfe. Sie bewirkt, dass der Weg zur Restschuldbefreiung selbst dem Schuldner eröffnet ist, der die Kosten des Verfahrens nicht aufbringen kann.

Die vorliegende Broschüre soll einen ersten Überblick über das Verbraucherinsolvenz- und das Restschuldbefreiungsverfahren ge-ben, wobei die gesetzlichen Neuerungen zum 1. Juli 2014 zugrunde gelegt sind. Die Broschüre soll besonders den rechtsunkundigen Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Hilfe sein.

Heiko MaasBundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

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Inhalt

Inhalt

Ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Das Verbraucherinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Die außergericht liche Schulden regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Gerichtliches Ver fahren über den Schuldenbereinigungsplan . . . . . . . 14

Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Die Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Die Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Ein Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Übersicht Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

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Ein Überblick

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Ein Überblick

WAS SIND DIE ZIELE DER INSOLVENZORDNUNG?

Das vorrangige Ziel der Insolvenzordnung ist die bestmögliche Gläubigerbefriedigung. Daneben will das Insolvenzrecht jedoch jedem, der trotz redlichen Bemühens wirtschaftlich gescheitert ist, nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens einen wirtschaft-lichen Neuanfang ermöglichen. Dazu sieht die Insolvenzordnung das Instrument der Restschuldbefreiung vor.

WER HAT WIE ZUGANG ZUR RESTSCHULDBEFREIUNG?

Das Restschuldbefreiungsverfahren steht grundsätzlich allen Verbraucherinnen und Verbrauchern, aber auch Personen offen, die unternehmerisch tätig sind. Der Weg zur Restschuldbefreiung führt bei Verbraucherinnen und Verbrauchern über das soge-nannte Verbraucherinsolvenzverfahren und bei unternehmerisch tätigen Personen über das sogenannte Regelinsolvenzverfahren.

FÜR WEN GILT DAS VERBRAUCHERINSOLVENZ­VERFAHREN?

Das Verbraucherinsolvenzverfahren gilt – wie der Name schon sagt – für Verbraucherinnen und Verbraucher. Zu diesem Personenkreis zählen insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Emp-fänger von Versorgungsleistungen, Rentner und Pensionäre. Das Verbraucherinsolvenzverfahren gilt auch für ehemals Selbstän-dige, sofern deren Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen.

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

WIE LÄUFT EIN VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN IM GROBEN AB?

Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist ein mehrstufiges Verfahren. Die erste Stufe bildet zwingend ein außergerichtliches Verfahren, in dem der Schuldner versuchen muss, eine Einigung mit seinen Gläubigern über eine Schuldenbereinigung zu erreichen. Kommt eine außergerichtliche Einigung nicht zustande, schließt sich das gerichtliche Verfahren an, das sich wiederum in zwei Teile gliedert. Zunächst kann das Gericht nochmals versuchen, eine gütliche Einigung zwischen Gläubigern und Schuldner zu erzielen. Gelingt das nicht, folgt in einem zweiten Teil das eigentliche Insolvenzver-fahren. Dabei handelt es sich um ein gegenüber einem Unterneh-mensinsolvenzverfahren wesentlich vereinfachtes Verfahren, das in der Regel sogar schriftlich durchgeführt wird. Auch im Verbrau-cherinsolvenzverfahren besteht die Möglichkeit, dass Schuldner und Gläubiger sich in einem gerichtlich bestätigten Insolvenzplan auf eine bestimmte Form der Schuldenbereinigung verständigen.

WAS IST EIN REGELINSOLVENZVERFAHREN?

Alle „Nicht-Verbraucher“, also freiberuflich tätige Selbständige wie Ärzte, Rechtsanwälte oder Architekten, Kleingewerbetreiben-de und Unternehmer durchlaufen ein Regelinsolvenzverfahren. Bei diesem Verfahren ist weder ein außergerichtlicher noch ein gerichtlicher Einigungsversuch vorgesehen. Sehr wohl aber kann im Regelinsolvenzverfahren die Schuldenregulierung durch einen Insolvenzplan, der die Befriedigung der Gläubiger regelt, erreicht werden.

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Ein Überblick

WAS BEDEUTET RESTSCHULDBEFREIUNG UND WANN WIRD SIE ERTEILT?

Für den Fall, dass im Insolvenzverfahren eine Entschuldung nicht gelingt, gibt die Insolvenzordnung dem Schuldner Gelegenheit zur Restschuldbefreiung. Das bedeutet, dass der Schuldner eine Befrei-ung von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlich-keiten gegenüber seinen Insolvenzgläubigern erhalten kann. Dazu muss der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen. Dieser Antrag muss zulässig sein. Nach Durchführung des Insol-venzverfahrens während der sogenannten Wohlverhaltensperiode muss der Schuldner den pfändbaren Betrag seines Arbeitseinkom-mens an einen Treuhänder abführen und bestimmte Verpflichtun-gen erfüllen. Die Wohlverhaltensperiode endet grundsätzlich sechs Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Schließlich dürfen weder im Insolvenzverfahren noch in der Wohlverhaltensperiode Gründe für die Versagung der Restschuldbefreiung bekannt und von Gläubigern geltend gemacht werden. Denn Restschuldbefrei-ung soll nur der redliche Schuldner erlangen.

Nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode entscheidet das Ge-richt über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Auf Antrag des Schuldners kann Restschuldbefreiung aber schon vorzeitig drei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt werden. Voraussetzung ist, dass der Schuldner 35 Prozent der Schulden und die Verfahrenskosten beglichen hat. Kann der Schuldner nur die Verfahrenskosten bezahlen, kann Restschuldbefreiung immer-hin vorzeitig nach fünf Jahren erteilt werden. Anderenfalls muss der Schuldner die vollen sechs Jahre bis zur Restschuldbefreiung warten.

In Insolvenzverfahren, die noch bis zum 30. Juni 2014 beantragt wurden, kann Restschuldbefreiung stets erst nach Ablauf von sechs Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt werden.

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Das Verbraucherinsolvenzverfahren

DIE AUSSERGERICHTLICHE SCHULDENREGULIERUNGGERICHTLICHES VERFAHREN ÜBER DEN SCHULDENBEREINIGUNGSPLAN

INSOLVENZVERFAHREN

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Das Verbraucherinsolvenzverfahren

Das Verbraucherinsolvenzverfahren

Die außergericht liche Schulden regulierung

AN WEN WENDE ICH MICH ZUNÄCHST, WENN ICH EINE RESTSCHULDBEFREIUNG HABEN WILL?

Der erste Schritt auf dem Weg zu einer Schuldenbereinigung führt zu einer für die Schuldnerberatung geeigneten Person oder Stelle.

Die außergerichtliche Schuldenregulierung hat nämlich Vorrang vor dem gerichtlichen Insolvenzverfahren. Der Schuldner muss zunächst versuchen, eine Einigung mit seinen Gläubigern über eine Schuldenbereinigung (beispielsweise Ratenzahlung, Stun-dung, Teilerlass) zu erzielen. Ohne einen solchen Einigungsversuch ist das gerichtliche Verfahren und damit auch eine Restschuldbe-freiung nicht möglich. Mit dem Antrag auf Eröffnung des ge-richtlichen Insolvenzverfahrens muss durch eine entsprechende Bescheinigung belegt werden, dass eine außergerichtliche Eini-gung mit den Gläubigern innerhalb der letzten sechs Monate vor Antragstellung erfolglos versucht worden ist. Einen solchen Eini-gungsversuch kann der Schuldner nicht alleine unternehmen. Er muss sich hierfür der Mithilfe einer geeigneten Person oder Stelle bedienen, die dann auch die bereits angesprochene Beschei-nigung ausstellt.

„Geeignete Personen“ für die Beratung der Schuldner sind auf-grund ihres Berufes Rechtsanwälte, Notare oder Steuerberater. Wer als „geeignete Stelle“ in Betracht kommt, haben die Bundes-länder im Einzelnen bestimmt. Diejenigen Stellen, die als geeignet anerkannt werden wollen, müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. Dadurch soll eine qualifizierte Schuldnerberatung sowohl in persönlicher als auch in sachlicher und rechtlicher Hinsicht

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

sichergestellt werden. Überwiegend sind die Schuldnerberatungs-stellen, die etwa von den Trägern der freien Wohlfahrtsverbände oder den Kommunen eingerichtet wurden, geeignete Stellen im Sinne des Insolvenzrechts. Die Landkreise (Landratsamt), Stadtver-waltungen (Rathaus) oder Sozialämter können Auskunft darüber geben, wo geeignete Beratungsstellen zu finden sind. Auch die Wohlfahrtsverbände (Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonisches Werk, Paritätischer Wohlfahrtsverband oder Zentralwohlfahrtsstelle der Juden) können hierbei helfen. Weitere Informationen enthält auch die vom Presse- und Informations-amt der Bundesregierung herausgegebene Broschüre „Schulden abbauen – Schulden vermeiden“ (www.bundesregierung.de/Content/Infomaterial/BPA/Bestellservice/ratgeber-schuldenab-bau_17-01-2014.pdf?__blob=publicationFile&v=10). Dort finden Sie auch die Anschriften von Schuldnerberatungsstellen. Sie können sich aber auch auf der Internetseite der Bundesarbeitsgemein-schaft Schuldnerberatung (www.bag-sb.de) oder über den Online-Ratgeber www.meine-schulden.de informieren.

BEKOMME ICH DIE BESCHEINIGUNG BEREITS DANN, WENN ICH MEINE GLÄUBIGER NUR UM MITHILFE BITTE?

Für den Einigungsversuch wäre es nicht ausreichend, lediglich durch einen kurzen Telefonanruf allgemein bei den Gläubigern nachzufragen, ob sie zu einer Einigung über eine Schuldenberei-nigung bereit wären. Der Einigungsversuch muss vielmehr auf der Grundlage eines „Plans“ erfolgen. Das bedeutet, dass der Schuldner den Gläubigern seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse darlegen und einen konkreten Vorschlag zur Schuldenbereinigung unterbreiten muss, also etwa einen Zahlungs- und Tilgungsplan, der an alle Gläubiger versandt wird. Bei der Aufstellung eines solchen Plans ist diejenige Person oder Stelle behilflich, an die sich der Schuldner zur Beratung gewandt hat.

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Das Verbraucherinsolvenzverfahren

BEI DER AUFNAHME EINES DARLEHENS BEI MEINER SPARKASSE MUSSTE ICH EINEN TEIL MEINES GEHALTES ABTRETEN. EINIGE MONATE SPÄTER HAT EIN ANDERER GLÄUBIGER EINEN WEITEREN TEIL MEINES LOHNS GEPFÄNDET. ICH KANN IN DEM SCHULDENBEREINIGUNGSPLAN NICHTS ANBIETEN. WELCHE  MÖGLICHKEITEN HABE ICH?

Die Gläubiger werden bei der Frage, ob sie einem außergerichtli-chen Plan zustimmen wollen, auch überlegen, wie ihre Situation im Insolvenzverfahren wäre. Käme es zu einem Insolvenzverfah-ren, würden mit Eröffnung des Verfahrens Gehaltsabtretungen und Lohnpfändungen generell unwirksam. Das würde bedeuten, dass der Schuldner (genauer gesagt der Insolvenzverwalter für den Schuldner) das Gehalt dann zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger einsetzen könnte. Außerdem wären ab Verfahrenser-öffnung und während der Wohlverhaltensperiode Zwangsvoll-streckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger unzulässig. Auch das würde gewährleisten, dass dem Schuldner (genauer dem Insol-venzverwalter) wieder verfügbare Mittel zur – wenigstens teilwei-sen – Befriedigung aller Gläubiger verbleiben und nicht einzelne Gläubiger sich Vorteile verschaffen und andere deshalb nichts bekommen.

Alle diese Regelungen werden bereits bei einem außergerichtli-chen Plan eine Rolle spielen. Die Gläubiger wissen in der Regel, dass diese Bestimmungen greifen, wenn keine außergerichtliche Einigung zustande kommt und ein Insolvenzverfahren durch-geführt wird, so dass es sich für sie kaum lohnt, mit Blick auf die vermeintlich gute eigene Position durch Sicherungsabtretungen oder frühere Zwangsvollstreckungen eine umfassende Schulden-bereinigung zu blockieren. Der Schuldner hat also auch in diesem Fall etwas „anzubieten“.

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

Welche Regelungen den Gläubigern ansonsten zur Schuldenbe-reinigung im Einzelnen unterbreitet werden, steht dem Schuldner frei. Er kann Stundungen, Ratenzahlungen oder teilweisen Erlass der Schulden vorschlagen. Wichtig ist aber, dass Regelungen für den Fall einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners (z. B. Krankheit oder Arbeitslosigkeit) vorgesehen wer-den, weil er dann den Plan in der ursprünglichen Form möglicher-weise nicht mehr erfüllen kann.

Gerichtliches Ver fahren über den Schuldenbereinigungsplan

WAS MACHE ICH, WENN ICH OHNE GERICHTLICHE HILFE KEINE EINIGUNG MIT MEINEN GLÄUBIGERN ERREICHEN KANN?

Führt das außergerichtliche Verfahren nicht zu einer Einigung, kann der Schuldner bei dem Insolvenzgericht (Amtsgericht) einen Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens stellen und die Restschuldbefreiung beantragen. Örtlich zustän-dig sind regelmäßig die Amtsgerichte an dem Ort, an dem auch das Landgericht seinen Sitz hat. Über das im Einzelfall zuständige Amtsgericht informiert entweder die Person oder die Stelle, die den Schuldner bei seinem außergerichtlichen Einigungsversuch unterstützt hat, oder das ortsnahe Amtsgericht. Zugleich mit dem Antrag hat der Schuldner dem Gericht bestimmte Unterlagen und Erklärungen vorzulegen, und zwar:

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Das Verbraucherinsolvenzverfahren

› die Bescheinigung über den erfolglosen außergerichtlichen Einigungsversuch,

› den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung oder die Erklärung, dass eine Restschuldbefreiung nicht beantragt werden soll (z. B. weil deren Voraussetzungen unzweifelhaft nicht vorliegen),

› ein Verzeichnis des vorhandenen Vermögens und des Einkommens (Vermögensverzeichnis), eine Zusammenstellung des wesentlichen Inhalts dieses Verzeichnisses (Vermögensübersicht), ein Verzeichnis der Gläubiger und ein Verzeichnis der gegen ihn gerichteten Forde-rungen sowie eine Erklärung, dass diese Angaben vollständig sind,

› einen Schuldenbereinigungsplan.

Für den Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens und die damit vorzulegenden Bescheinigungen, Verzeichnisse und Pläne sind bestimmte Vordrucke zu verwenden, die z. B. bei den Schuldnerberatungsstellen oder bei den Insolvenzgerichten erhältlich sind. Die vorgelegten Vermögens-, Gläubiger- und For-derungsverzeichnisse müssen vollständig sein. Hat der Schuldner selbst keinen hinreichenden Überblick über die gegen ihn gerich-teten Forderungen, hat er einen Auskunftsanspruch gegen seine Gläubiger. Diese müssen ihm auf ihre Kosten die bestehenden For-derungen mitteilen. Bei der Zusammenstellung der Forderungen wird der Schuldner von den Personen oder Stellen, die ihn beraten, unterstützt.

MUSS DEM GERICHT EIN VÖLLIG NEUER SCHULDEN­BEREINIGUNGSPLAN VORGELEGT WERDEN?

Der Schuldenbereinigungsplan für das gerichtliche Insolvenz-verfahren ist ein eigenständiger Plan gegenüber dem Plan im außergerichtlichen Verfahren. Gleichwohl kann auf den außerge-

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

richtlichen Plan weitgehend zurückgegriffen werden. Soweit der außergerichtliche Einigungsversuch zu Teilergebnissen geführt hat, weil etwa einige Gläubiger bereits ihre Zustimmung zu der vorgeschlagenen Schuldenbereinigung erklärt haben, sollte dies natürlich in dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan berück-sichtigt werden, ohne dass hierdurch diese Gläubiger gebunden werden. Andererseits sollte dem Gericht detailliert geschildert werden, warum dem ersten Plan der Erfolg versagt blieb.

WAS MACHT DAS GERICHT MIT DEM ZWEITEN SCHULDENBEREINIGUNGSPLAN?

Im ersten Abschnitt des gerichtlichen Verfahrens kann das Gericht noch einmal versuchen, eine gütliche Einigung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern herbeizuführen. Das Insolvenz-verfahren wird also noch nicht eröffnet, sondern der Antrag auf Eröffnung des Verfahrens „ruht“, wie die Juristen sagen. Das Eini-gungsverfahren kann mit einem Prozessvergleich unter mehreren Beteiligten verglichen werden. Das Gericht stellt den beteiligten Gläubigern die Unterlagen zu und fordert sie zur Stellungnahme auf. Äußern sich die Gläubiger nicht innerhalb eines Monats, wird dies so gewertet, als hätten sie dem Plan zugestimmt. Ein Gläubiger kann also das Verfahren nicht dadurch blockieren, dass er untä-tig bleibt. Dies ist im außergerichtlichen Verfahren noch anders. Dort gilt das Schweigen nicht als Zustimmung. Im gerichtlichen Verfahren sind die Gläubiger also noch stärker gezwungen, an dem Ziel einer wirtschaftlich sinnvollen Schuldenbereinigung mitzuar-beiten.

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Das Verbraucherinsolvenzverfahren

IM AUSSERGERICHTLICHEN VERFAHREN HAT SICH LEDIGLICH EIN GLÄUBIGER DER EINIGUNG WIDER­SETZT. SCHEITERT DARAN AUCH DAS GERICHTLICHE VERFAHREN?

Der Gesetzgeber hat im gerichtlichen Verfahren Kompetenzen vorgesehen, die über die Möglichkeiten im außergerichtlichen Verfahren hinausgehen. So kann das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung einzelner Gläubiger ersetzen, wenn sie ungerechtfertigt eine wirtschaftlich sinnvolle Schulden-bereinigung verhindern. Dies ist möglich, wenn die Mehrheit der Gläubiger den Plan akzeptiert und der Plan angemessen ist, d. h. einzelne Gläubiger nicht benachteiligt werden. An der Weigerung eines einzelnen Gläubigers muss ein Plan unter diesen Bedingun-gen deshalb nicht scheitern.

Der Plan hat dieselbe Wirkung wie ein gerichtlicher Vergleich. Der Schuldner hat nur noch die Verbindlichkeiten so, wie sie in dem Plan festgelegt sind, zu erfüllen, nicht mehr die ursprünglichen Forderungen. Allerdings gilt dies nicht für Forderungen, die – etwa weil die Gläubiger unbekannt waren – im Plan nicht berücksichtigt wurden.

ICH KANN DEN GLÄUBIGERN NICHTS ANBIETEN, MUSS DENNOCH EIN GERICHTLICHES SCHULDEN­BEREINIGUNGSVERFAHREN DURCHGEFÜHRT WERDEN?

Ist das Gericht der Überzeugung, dass der Schuldenbereinigungs-plan von den Gläubigern nicht angenommen wird, weil beispiels-weise der Schuldner den Gläubigern nichts anbieten kann oder die Mehrheit der Gläubiger schon im außergerichtlichen Verfahren zu erkennen gegeben hat, definitiv einer gütlichen Einigung nicht zuzustimmen, werden den Gläubigern die Unterlagen nicht zuge-

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

stellt. In einem solchen Fall ordnet das Gericht nach Anhörung des Schuldners die Fortsetzung des Verfahrens an.

Insolvenzverfahren

WIRD BEI DEM SCHEITERN DES GERICHTLICHEN EINIGUNGSVERFAHRENS EIN INSOLVENZVERFAHREN WIE BEI EINEM GROSSUNTERNEHMEN DURCHGEFÜHRT?

Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist im Verhältnis zum Un-ternehmensinsolvenzverfahren erheblich vereinfacht. Wenn im gerichtlichen Einigungsverfahren keine Einigung möglich war und auch die Zustimmung einzelner Gläubiger zu dem Schuldenberei-nigungsplan nicht ersetzt werden konnte oder das Gericht wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit des gerichtlichen Einigungs-verfahrens ein solches nicht durchgeführt hat, wird das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wieder aufgenommen. In diesem Verfahren wird regelmäßig aber nur eine Gläubigerversammlung abgehalten. Bei überschaubaren Vermö-gensverhältnissen des Schuldners und geringer Zahl der Gläubiger oder der Höhe der Verbindlichkeiten wird das Verfahren in aller Regel schriftlich durchgeführt. Der Schuldner kann sich in dem gesamten gerichtlichen Verfahren von der Schuldnerberatungs-stelle vertreten lassen, die bereits beim außergerichtlichen Eini-gungsversuch sein Vertrauen gewonnen hat.

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Das Verbraucherinsolvenzverfahren

GIBT ES IM VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN DIE MÖGLICHKEIT EINER EINIGUNG MIT DEN GLÄUBIGERN?

Auch im Verbraucherinsolvenzverfahren besteht die Möglichkeit, dass Schuldner und Gläubiger sich in einem gerichtlich bestätigten Insolvenzplan auf eine bestimmte Form der Schuldenbereinigung verständigen. Der Insolvenzplan kann von dem Schuldner bereits mit dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor-gelegt werden. Inhaltlich gilt für den Insolvenzplan die Maxime: Die Beteiligten, also Schuldner und Gläubiger, sollen durch den Insolvenzplan mindestens so gut gestellt werden, wie sie ohne ihn stünden. Stimmt die Mehrheit der Gläubiger dem Insolvenzplan zu, kann er durch das Insolvenzgericht bestätigt werden, so dass seine Wirkungen für und gegen alle Verfahrensbeteiligte eintreten. Der Insolvenzplan gilt dann auch für Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet oder dem Insolvenzplan wider-sprochen haben, jedoch überstimmt wurden. Ein Insolvenzplan kann auch in allen vor dem 1. Juli 2014 beantragten Insolvenzver-fahren vereinbart werden.

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Die Restschuldbefreiung

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Die Restschuldbefreiung

WANN MUSS ICH DEN ANTRAG AUF RESTSCHULD­BEFREIUNG STELLEN?

Verbraucherinnen und Verbraucher müssen den Antrag auf Rest-schuldbefreiung mit dem Insolvenzantrag oder unverzüglich nach diesem Antrag stellen. Unternehmerisch tätige Personen sollen den Antrag auf Restschuldbefreiung mit dem Insolvenzantrag verbinden.

MIR IST VOR 5 JAHREN SCHON EINMAL RESTSCHULD­BEFREIUNG ERTEILT WORDEN. LEIDER HABE ICH MICH WIEDER ÜBERSCHULDET. KANN ICH NOCHMALS RESTSCHULDBEFREIUNG ERLANGEN?

Das Insolvenzgericht prüft noch vor Eröffnung des Insolvenz-verfahrens, ob der Antrag auf Restschuldbefreiung zulässig ist. Der Antrag ist nicht zulässig, wenn

› dem Schuldner in den letzten zehn Jahren Restschuldbefreiung erteilt oder

› ihm die Restschuldbefreiung in den letzten fünf Jahren wegen einer nicht unerheblichen Insolvenzstraftat bzw. in den letzten drei Jahren aus anderen Gründen, etwa wegen Verletzung von gesetzlichen Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten, versagt worden ist.

Der Schuldner muss – wenn er den Antrag auf Restschuldbefrei-ung stellt – angeben, ob ein solcher Fall vorliegt. Ist der Antrag auf Restschuldbefreiung unzulässig, gibt das Gericht dem Schuldner Gelegenheit, den Insolvenzantrag noch vor der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen. Der Schuldner kann dann überlegen, ob es für ihn Sinn macht, ein Insolvenzverfahren auch dann durchzuführen, wenn er Rest-schuldbefreiung nicht erlangen kann.

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

WIE VERFÄHRT DAS GERICHT, WENN MEIN ANTRAG AUF RESTSCHULDBEFREIUNG ZULÄSSIG IST?

Ist der Antrag auf Restschuldbefreiung zulässig (etwa weil dem Schuldner Restschuldbefreiung bisher weder erteilt noch ver-sagt worden ist), stellt das Gericht regelmäßig mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn im Insolvenzverfahren und in der sich anschließen-den Wohlverhaltensperiode keine Gründe für die Versagung der Restschuldbefreiung bekannt und von den Gläubigern geltend gemacht werden und der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode bestimmte Verpflichtungen erfüllt.

WELCHE GRÜNDE KÖNNEN ZUR VERSAGUNG DER RESTSCHULDBEFREIUNG FÜHREN?

Das Insolvenzgericht versagt auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung noch im Insolvenzverfahren, wenn der Schuldner

› in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach dem Antrag wegen einer nicht unerheblichen Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist,

› in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insol-venzverfahrens oder nach dem Antrag falsche oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um Kredite zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,

› in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insol-venzverfahrens oder nach dem Antrag die Befriedigung der Gläubiger dadurch beeinträchtigt hat, dass er z. B. unangemessene Schulden begründet oder Vermögen verschwendet hat,

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Die Restschuldbefreiung

› gesetzliche Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten verletzt oder falsche oder unvollständige Angaben in von ihm vorzulegenden Verzeichnissen über sein Vermögen, seine Gläubiger und seine Schulden macht oder

› während des Insolvenzverfahrens keine angemessene Erwerbstätig-keit ausübt, oder, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich nicht um eine solche bemüht oder eine zumutbare Tätigkeit ablehnt.

Insolvenzgläubiger können Versagungsanträge im Insolvenz-verfahren schriftlich bis zum Schlusstermin stellen. Versa-gungsgründe, die erst nach dem Schlusstermin bekannt werden, können nachträglich in der Wohlverhaltensperiode und bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung geltend gemacht werden, wenn der Gläubiger den Versagungsantrag innerhalb von sechs Monaten, seit er den Versagungsgrund kennt, stellt. Dadurch werden auch die Interessen der Gläubiger angemessen berücksichtigt. Denn Restschuldbefreiung soll nur der redliche Schuldner erhalten. Wann die Unredlichkeit des Schuldners bekannt wird – ob im Verfahren oder erst in der Wohlverhaltensperiode – darf letztlich keine Rolle spielen.

WAS WIRD VON MIR ERWARTET, UM EINE RESTSCHULD­BEFREIUNG ZU ERHALTEN?

Der Schuldner, der die Restschuldbefreiung beantragt hat, muss nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens während der Wohl-verhaltensperiode den pfändbaren Betrag seines Arbeitseinkom-mens an einen Treuhänder abführen. Die Wohlverhaltensperiode endet grundsätzlich sechs Jahre nach Eröffnung des Insolvenzver-fahrens. Der Treuhänder verteilt die während der Wohlverhaltens-periode eingegangenen Beträge gleichmäßig an alle Gläubiger.

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

Auch während der Dauer der Wohlverhaltensperiode muss der Schuldner eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben, oder, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche bemühen und jede zumutbare Tätigkeit annehmen. Er hat dem Gericht auch jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Arbeitsstelle zu melden. Ver-stößt er gegen diese Pflichten, kann das Gericht bereits während der Dauer der Wohlverhaltensperiode die Restschuldbefreiung versagen.

WANN WIRD MIR RESTSCHULDBEFREIUNG ERTEILT?

Das Insolvenzgericht entscheidet grundsätzlich nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode, also sechs Jahre nach Eröffnung des Insol-venzverfahrens, ob einem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt wird. Dem Schuldner kann allerdings auf seinen Antrag hin schon vorzeitig Restschuldbefreiung erteilt werden, nämlich

› sofort, wenn kein Gläubiger eine Forderung angemeldet hat oder alle angemeldeten Forderungen (auch die sog. Masseverbindlichkeiten und die Verfahrenskosten) getilgt sind,

› nach drei Jahren, wenn der Schuldner 35 Prozent der Forderungen und die Verfahrenskosten beglichen hat,

› nach fünf Jahren, wenn der Schuldner zumindest die Verfahrens-kosten bezahlt hat.

In Insolvenzverfahren, die bis zum 30. Juni 2014 beantragt wurden, kann Restschuldbefreiung allerdings erst nach Ablauf von sechs Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt werden.

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Die Restschuldbefreiung

KANN RESTSCHULDBEFREIUNG ERTEILT WERDEN, BEVOR DAS INSOLVENZVERFAHREN BEENDET IST?

Das Gericht erteilt die Restschuldbefreiung auch dann, wenn das Insolvenzverfahren noch nicht beendet ist. In diesem Fall steht Vermögen, das der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbe-freiung erwirbt (sog. Neuerwerb), grundsätzlich dem Schuldner zu. Ausgenommen ist nur solcher Neuerwerb, der auf Tätigkeiten des Insolvenzverwalters beruht (beispielsweise darauf, dass der Insol-venzverwalter einen laufenden Rechtsstreit gewinnt).

WELCHE WIRKUNG HAT DIE RESTSCHULDBEFREIUNG?

Mit Erteilung der Restschuldbefreiung wird der Schuldner von Vermögensansprüchen, die gegen ihn zum Zeitpunkt der Eröff-nung des Insolvenzverfahrens bestanden, grundsätzlich befreit.

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen sind lediglich die Verbindlichkeiten des Schuldners

› aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung,

› aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat,

› gegenüber dem Finanzamt für hinterzogene Steuern und für andere Steuerdelikte,

› aus Geldstrafen, Geldbußen sowie Zwangs- und Ordnungsgeldern und

› aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner von Dritten (z. B. von Stiftungen, öffentlichen oder karitativen Einrichtungen) zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

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Die Kosten des Verfahrens

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Die Kosten des Verfahrens

ICH KANN DIE KOSTEN DES VERFAHRENS NICHT AUFBRINGEN. KANN ICH TROTZDEM EINE RESTSCHULD­BEFREIUNG ERHALTEN?

In den einzelnen Verfahrensabschnitten entstehen unterschied-liche Kosten, die grundsätzlich von dem Schuldner zu tragen sind. Hat der Schuldner jedoch keine Mittel, um die Kosten zu zahlen, so bleibt ihm trotzdem der Zugang zum Verbraucherinsolvenz-verfahren und zur Restschuldbefreiung nicht verschlossen.

WELCHE KOSTEN ENTSTEHEN MIR IM AUSSERGERICHT­LICHEN SCHULDENBEREINIGUNGSVERFAHREN?

Die Schuldnerberatungsstellen in der Trägerschaft der freien Wohlfahrtsverbände bieten ihre Tätigkeit für die Schuldner in der Regel kostenfrei an. Will der Schuldner stattdessen eine Rechtsan-wältin oder einen Rechtsanwalt in Anspruch nehmen, so sollte er sich zuvor bei dem für ihn zuständigen Amtsgericht informieren, ob ihm ein Anspruch auf Beratungshilfe nach dem Beratungshilfe-gesetz zusteht. Informationen zur Beratungshilfe enthält die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz heraus-gegebene Broschüre „Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe“ (zum Download unter www.bmjv.de).

WELCHE KOSTEN ENTSTEHEN IM GERICHTLICHEN VERFAHREN?

Das gerichtliche Verfahren ist kostenpflichtig. Es sind Gerichts-gebühren und die gerichtlichen Auslagen (z. B. Veröffentlichungs-kosten) zu zahlen. Die Höhe der Gebühren hängt im Einzelfall von der sog. „Aktivmasse“, d. h. dem Wert des Schuldnervermögens, ab. Wer sich im gerichtlichen Verfahren von einem Rechtsanwalt vertreten lässt, hat weiter auch dessen Gebühren zu zahlen. Auch

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

der Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren und der Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode erhalten eine Vergütung.

Reicht das Vermögen des Schuldners nicht aus, um die Kosten des Verfahrens zu decken, hat das Gericht zu prüfen, ob von einem Dritten (etwa dem Ehe- oder Lebenspartner) ein Verfahrenskos-tenvorschuss zu leisten ist. Ist dies nicht der Fall, kann das Gericht dem Schuldner die Verfahrenskosten stunden.

Der Schuldner muss einen Stundungsantrag stellen. Stundung wird nur gewährt, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass es zu einer Restschuldbefreiung kommt.

WELCHE KOSTEN UMFASST DIE STUNDUNG?

Die Stundung umfasst die Gerichtsgebühren und die im Insolvenz-verfahren und im Schuldenbereinigungsplanverfahren entstehen-den Auslagen. Zu den Verfahrenskosten zählen auch die Vergü-tungsansprüche des Insolvenzverwalters/Treuhänders.

Im Einzelfall kann es auch geboten sein, dem Schuldner einen Rechtsanwalt beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage eine Vertretung erforderlich erscheint. Denkbar ist dies z. B., wenn ein Gläubiger einen Antrag auf Versa-gung der Restschuldbefreiung stellt und der Schuldner sich gegen diesen Antrag wehren will.

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Die Kosten des Verfahrens

WANN MÜSSEN DIE GESTUNDETEN KOSTEN AN DIE STAATSKASSE GEZAHLT WERDEN?

Die Verfahrenskosten werden bis zur Erteilung der Restschuldbe-freiung gestundet. Der Schuldner hat dann die Kosten zu tilgen, die nicht bereits im Insolvenzverfahren oder in der Wohlverhaltenspe-riode aus dem dem Treuhänder zur Verfügung gestellten Einkom-men oder Vermögen des Schuldners beglichen werden konnten.

Kann der Schuldner auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung die Kosten nicht sofort durch eine Einmalzahlung begleichen, können ihm Ratenzahlungen bewilligt werden. Die Höchstzahl der Raten beläuft sich auf 48 Monate.

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Ein Beispielsfall

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Ein Beispielsfall

ES BEGANN ALLES VERHEISSUNGSVOLL.

Herr Redlich fand nach seiner Ausbildung als Buchdruckermeister in einer großen Buchdruckerei eine gut bezahlte Stellung. Seine Ehefrau arbeitete ganztägig als Bürokauffrau. Das Haushaltsein-kommen gestattete ein großzügiges Leben bis zum Jahre 2011. Frau Redlich hatte ihren Beruf aufgegeben, um sich ganz der Er-ziehung ihrer zwei und vier Jahre alten Kinder widmen zu können. Das Ehepaar hatte sich gerade eine Eigentumswohnung gekauft, die allein mit dem Einkommen von Herrn Redlich hätte finanziert werden können. Auch die Zinsen, für die zur Finanzierung des Autos und der Einrichtungsgegenstände aufgenommenen Kredite, hätten ohne Probleme von dem Einkommen bezahlt werden kön-nen, wäre nicht überraschend über das Unternehmen, in dem Herr Redlich arbeitete, ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Herr Redlich verlor seine Stellung und fand in seiner Branche keinen neuen Arbeitsplatz. Auch die Umschulungsmaßnahmen des Ar-beitsamtes konnten ihm nicht die Chance einer neuen Anstellung verschaffen.

Das Arbeitslosengeld und das Kindergeld reichten für die not-wendigen Lebenshaltungskosten. Für die Bezahlung der Schulden blieb nichts mehr übrig. Die Eigentumswohnung wurde zwangs-versteigert. Aus der Finanzierung der Eigentumswohnung ver-blieben noch Verbindlichkeiten in Höhe von 40.000 € gegenüber der Bank, für die auch Frau Redlich mithaftet. Ende 2013 beliefen sich die Verbindlichkeiten gegenüber Herrn Redlich einschließlich der aufgelaufenen Zinsen auf über 85.000 € und gegenüber seiner Ehefrau auf über 50.000 €.

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

HOFFNUNG AUF DIE INSOLVENZORDNUNG

Eines Tages erzählt ein Bekannter Herrn Redlich von einem „Ent-schuldungsgesetz“. Herr Redlich hofft, dass ihm hierdurch gehol-fen werden kann. Mitte Juli 2014 geht er zum Amtsgericht und erkundigt sich, was er machen müsse, um nach diesem Gesetz von seinen Schulden loszukommen.

Der Rechtspfleger erklärt ihm, dass er beim Amtsgericht erst mal an der falschen Adresse sei, aber er wolle ihm gerne sagen, was er tun müsse. Ein „Entschuldungsgesetz“ gebe es nicht, aber die In-solvenzordnung, und die sehe in der Tat die Möglichkeit vor, eine Restschuldbefreiung zu erlangen. Der wesentliche Verfahrensab-lauf stelle sich wie folgt dar:

„Zunächst müssen Sie nicht zum Gericht, sondern zu einer Schuld-nerberatungsstelle, einem Anwalt, Steuerberater oder dergleichen gehen. Die zuständigen Sozialleistungsträger können Ihnen sagen, wo es eine Schuldnerberatungsstelle gibt. Die beratende Stelle oder Person wird dann versuchen, mit den Gläubigern möglichst eine gütliche Einigung über die Schuldenbereinigung zu erzielen, also etwa durch einen Teilerlass, eine Stundung oder eine Ratenzah-lung. Wenn das keinen Erfolg hat, dann können Sie wieder zum Gericht kommen und ein Insolvenzverfahren beantragen. Nach dessen Abschluss müssen Sie für mehrere Jahre den pfändbaren Teil Ihres Einkommens an einen Treuhänder abtreten. Dieser ver-teilt die Beträge an die Gläubiger. Außerdem müssen Sie in dieser Zeit notfalls jede zumutbare Arbeit annehmen und noch einige weitere Pflichten erfüllen. Diese sogenannte Wohlverhaltenspe-riode endet grundsätzlich sechs Jahre nach Eröffnung des Insol-venzverfahrens. Danach wird das Gericht über die Erteilung der Restschuldbefreiung entscheiden. Wenn Sie es allerdings schaffen, 35 Prozent der Schulden und die Verfahrenskosten zu begleichen, kann Ihnen das Gericht auf Ihren Antrag hin die restlichen Schul-den schon nach drei Jahren erlassen. Wenn Sie nur die Verfahrens-

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Ein Beispielsfall

kosten bezahlen können, ist eine Schuldenbefreiung immerhin bereits nach fünf Jahren möglich. Das hat der Gesetzgeber alles ge-rade ganz neu geregelt. Wenn Sie auch die Verfahrenskosten nicht begleichen können, müssen Sie – wie schon in der Vergangenheit – volle sechs Jahre warten, bis Ihre Schulden erlassen werden und Sie wirtschaftlich neu beginnen können.“

VERSUCH EINER AUSSERGERICHTLICHEN EINIGUNG

Herr Redlich geht daraufhin zur Schuldnerberatungsstelle in W. Der Schuldnerberater macht ihm deutlich, dass der Weg zur Schuldenbefreiung nicht ganz einfach sei und gewisse Opfer ver-lange. Das ist Herrn Redlich mittlerweile auch bewusst geworden. Gleichwohl sieht er, dass dies seine einzige Chance ist. Der Schuld-nerberater bittet Herrn Redlich dann, ihm seine gesamten Schul-den darzulegen. Herr Redlich hat jedoch keinen genauen Überblick und auch seine Unterlagen nicht dabei. Die beiden vereinbaren deshalb einen neuen Termin. Zu diesem neuen Termin erscheinen Herr Redlich und seine Ehefrau mit den erforderlichen Unterlagen.

Aber auch aus den Unterlagen lässt sich bei einigen Forderungen deren Höhe nicht genau ersehen, vor allem, weil noch Zinsen hinzugekommen sind. Der Schuldnerberater schreibt deshalb zu-nächst die Gläubiger an und bittet diese, die genauen Forderungs-höhen mitzuteilen. Er erklärt Herrn Redlich, dass die Gläubiger zu dieser Auskunft verpflichtet seien. Aus den Verträgen erkennt der Schuldnerberater, dass Frau Redlich diese teilweise mit unter-schrieben hat.

Er erklärt ihr deshalb, dass sie genauso wie ihr Mann Darlehnsneh-merin sei und die Gläubiger auch sie in Anspruch nehmen könnten.

Frau Redlich meint daraufhin: „Das ist doch egal, denn mein Mann ist ja schon dabei, eine Schuldenregulierung in die Wege zu leiten.“

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

Der Schuldnerberater belehrt sie: „Das Verfahren über eine Schul-denbereinigung für Ihren Mann betrifft nicht Sie und Sie selbst kommen hierdurch auch nicht von Ihren Schulden los. Ein Fami-lienentschuldungsverfahren gibt es im deutschen Recht nicht. Ein Ehepartner, der ebenfalls Schulden hat, muss vielmehr ein eigenes Verfahren durchführen.“

Nach einigen Wochen liegen alle Auskünfte der Gläubiger vor und Herr Redlich hat einen neuen Termin beim Schuldnerberater. Die Bank hat mittlerweile einschließlich Zinsen eine Forderung von 49.000 €, die übrigen acht Gläubiger haben Forderungen über insgesamt 46.000 €. Gemeinsam mit Herrn Redlich überlegt der Berater, wie diese Schulden wenigstens teilweise bezahlt werden könnten. Herr Redlich hat zwischenzeitlich eine Stelle als Haus-meister gefunden und angetreten. Von seinem Einkommen wären monatlich etwa 225 € pfändbar. Herr Redlich ist aber bereit, sich noch weiter einzuschränken und monatlich 350 € für die Beglei-chung der Schulden zur Verfügung zu stellen. Der Schuldnerbe-rater stellt daraufhin einen Plan auf, in den er alle Gläubiger und Forderungen aufnimmt und auch die Einkommenssituation des Herrn Redlich darstellt. Er bietet dann der Bank eine monatliche Ratenzahlung von 175 € und den übrigen Gläubigern im Verhält-nis ihrer Forderungen die übrigen 175 € an und zwar auf die Dauer von sechs Jahren. Auf die dann noch offenen Forderungen sollen die Gläubiger verzichten.

Die Bank und zwei weitere Gläubiger sind mit dem Vorschlag ein-verstanden. Drei Gläubiger haben nicht geantwortet und weitere drei Gläubiger haben den Vorschlag abgelehnt. Eine Einigung ist deshalb nicht möglich. Das bestätigt der Schuldnerberater Herrn Redlich in einer Bescheinigung. Er erklärt Herrn Redlich, dass er jetzt zum Gericht gehen und ein Insolvenzverfahren beantragen müsse. Dafür müsse er ein bestimmtes Formular verwenden. Insbesondere müsse für das gerichtliche Verfahren ein weiterer Schuldenbereinigungsplan aufgestellt werden. Der Schuldner-

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Ein Beispielsfall

berater hilft Herrn Redlich beim Ausfüllen des Formulars. Darin wird auch gleich der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt. Zugleich unterschreibt Herr Redlich eine Erklärung, dass er den pfändbaren Teil seiner Bezüge für die Dauer von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen Treu-händer abtritt. Dies ist für die Erlangung der Restschuldbefreiung notwendig.

DER WEG ZUM GERICHT

Mit diesen Unterlagen geht Herr Redlich zum Insolvenzgericht. Der Richter prüft, ob es sinnvoll ist, noch eine gerichtliche Schul-denbereinigung zu versuchen. Da im außergerichtlichen Schul-denbereinigungsverfahren nur drei Gläubiger den Plan abgelehnt hatten, könnte sich in dem gerichtlichen Verfahren eine Mehrheit für die Annahme des Plans ergeben. Die Aussichten dafür sind auch deswegen nicht schlecht, weil im gerichtlichen Schulden-bereinigungsverfahren das Schweigen des Gläubigers als Zustim-mung gilt. Das Gericht stellt aus diesem Grund den beteiligten Gläubigern den Schuldenbereinigungsplan und die übrigen Unter-lagen zu und fordert sie auf, hierzu Stellung zu nehmen. Die Bank und drei weitere Gläubiger widersprechen nicht, die restlichen fünf Gläubiger widersprechen.

Das Gericht prüft daraufhin, ob es deren Zustimmung ersetzen kann, weil ja immerhin die anderen Gläubiger zugestimmt haben. Das geht aber nicht, weil dafür mehr als die Hälfte der Gläubiger nach Kopfzahl und nach der Höhe der Forderungen zustimmen müsste. Hier haben aber weniger als die Hälfte der Gläubiger zuge-stimmt.

Herr Redlich erhält nun eine Aufforderung des Gerichts, 1.300 € einzuzahlen, damit das Insolvenzverfahren eröffnet werden kann. Ratlos geht Herr Redlich mit diesem Beschluss zum Rechtspfleger

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

des Amtsgerichts und fragt, was das denn bedeute. Der Rechts-pfleger erklärt ihm: „Dies ist der normale weitere Verlauf des Verfahrens. Wenn keine gütliche Einigung mit den Gläubigern über eine Schuldenbereinigung zustande kommt, und das ist ja nicht möglich gewesen, kann ein Schuldner eine Restschuldbefrei-ung nur nach Einleitung eines Insolvenzverfahrens bekommen. Im Insolvenzverfahren, genauer gesagt in dem vereinfachten Verbraucherinsolvenzverfahren, sollen durch die Verwertung des Vermögens des Schuldners, soweit solches vorhanden ist, die Gläubiger soweit wie möglich befriedigt werden. Die Gläubiger müssen zu diesem Zweck ihre Forderungen bei dem Insolvenzge-richt anmelden.“

Herr Redlich meint daraufhin: „Ich habe doch gar kein Vermögen. Ich habe jetzt nur noch mein acht Jahre altes Auto, mit dem ich zur Arbeit fahre, meine Wohnungseinrichtung und meine persön-lichen Sachen. Ich habe weder Sparguthaben noch sonst irgend-welche Wertsachen. Wird jetzt auch noch mein altes Auto verkauft und muss ich dann jeden Tag 20 km mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren?“ Der Rechtspfleger beruhigt ihn: „Es werden nur solche Gegenstände verwertet, die auch gepfändet werden können, und das ist bei all diesen Sachen wahrscheinlich nicht der Fall. Aller-dings dürfen Sie ab jetzt keine Sachen von Wert mehr verkaufen. Dies darf fortan nur noch der Insolvenzverwalter.

Andererseits dürfen aber auch einzelne Gläubiger keine Zwangs-vollstreckung mehr gegen Sie betreiben. Wenn das doch geschieht, weisen Sie auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hin. Notfalls müssen Sie den Rechtsbehelf der sog. Erinnerung gegen solche Zwangsvollstreckungen einlegen. Damit aber ein Insolvenzverfah-ren eröffnet werden kann, müssen die Kosten dieses Verfahrens gedeckt sein. Sollten Sie diese Kosten nicht zahlen können, dann müssen Sie einen Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten stellen. Wenn diese Kosten während des Verfahrens nicht aus der Insolvenzmasse oder später in der Wohlverhaltensphase aus dem

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Ein Beispielsfall

dem Treuhänder abgetretenen Einkommen beglichen werden können, dann sind die Kosten nach der Erteilung der Restschuld-befreiung zu zahlen.“

DIE ERÖFFNUNG DES INSOLVENZVERFAHRENS

Nachdem Herr Redlich einen Antrag auf Stundung der Verfahrens-kosten gestellt hat, bekommt er einen Beschluss des Amtsgerichts W. zugestellt, in dem es heißt, dass das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist. Zugleich wurde Herr Rechtsan-walt Berg als Insolvenzverwalter bestimmt. Außerdem veröffent-licht das Gericht einen Beschluss, in dem es (sinngemäß) feststellt, dass Herr Redlich Restschuldbefreiung erlangen wird, wenn im Insolvenzverfahren und in der Wohlverhaltensperiode keine Gründe für die Versagung der Restschuldbefreiung bekannt und von den Gläubigern geltend gemacht werden und der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode bestimmte Verpflichtungen erfüllt (etwa eine angemessene Tätigkeit ausübt oder sich um eine solche bemüht).

Am Tag darauf bekommt Herr Redlich Besuch von Rechtsanwalt Berg, der sich als der vom Gericht bestimmte Insolvenzverwalter vorstellt. Nachdem dieser sich gemeinsam mit Herrn Redlich einen Überblick über die Vermögensverhältnisse verschafft hat, erklärt er erwartungsgemäß, dass mit Ausnahme des laufenden Einkom-mens eine verwertbare Masse nicht vorhanden sei. Das schreibt Rechtsanwalt Berg auch dem Gericht. Aus dem pfändbaren Teil des Einkommens begleicht Rechtsanwalt Berg zunächst die Verfahrens kosten. Den Rest verteilt er an die Gläubiger.

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

DIE WOHLVERHALTENSPERIODE

Das Gericht hebt danach das Insolvenzverfahren auf und setzt Rechtsanwalt Berg als Treuhänder ein. Aufgrund der mit dem Antrag auf Insolvenzeröffnung bereits abgegebenen Abtretungs-erklärung wird der pfändbare Teil des Einkommens des Herrn Redlich von dessen Arbeitgeber direkt an Herrn Berg gezahlt, der diese Beträge jeweils am Jahresende an die Gläubiger verteilt. Für diese Tätigkeit bekommt Herr Berg eine Vergütung, die aus dem abgetretenen Teil des Einkommens beglichen wird.

In der ersten Zeit läuft zunächst alles nach Plan. Nach einem Jahr erhält Herr Redlich von seinem Arbeitgeber die Kündigung. Er ist nun wieder arbeitslos. Der Treuhänder weist ihn darauf hin, dass es nicht ausreicht, wenn er sich nur arbeitslos meldet. Er müsse sich zusätzlich auch selbst um Arbeit bemühen. Dann schade es nichts, wenn in der Zwischenzeit mangels Einkommen keine Beträge an die Gläubiger gezahlt werden könnten. Nach vielen Inseraten fin-det Herr Redlich endlich wieder eine neue Stelle als Hausmeister. Sein Einkommen ist jetzt geringer. Herr Redlich nimmt die Stelle trotzdem an, um seine Restschuldbefreiung nicht zu gefährden.

DIE RESTSCHULDBEFREIUNG

Seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind fünf Jahre ver-gangen. Herr Redlich hat in der Wohlverhaltensperiode die ihm gemachten Auflagen eingehalten und auch einen nicht uner-heblichen Teil der Schulden abgetragen. Leider ist es ihm nicht gelungen, 35 Prozent der Forderungen zu bezahlen. Dafür sind die Verfahrenskosten vollständig beglichen. Herr Redlich erinnert sich, dass er nach dem neuen Gesetz in diesem Fall nicht sechs Jahre bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung warten muss, sondern schon nach fünf Jahren eine vorzeitige Beendigung des Restschuldbefreiungsverfahrens beantragen kann. Er stellt daher

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Ein Beispielsfall

einen entsprechenden Antrag beim Amtsgericht. Das Gericht hört dazu die Gläubiger, Rechtsanwalt Berg und Herrn Redlich an. Der Treuhänder und die Gläubiger erheben keine Einwendungen. Das Gericht prüft die gesetzlichen Voraussetzungen und erlässt den folgenden Beschluss:

Amtsgericht W

Beschluss: In der Insolvenzsache des Herrn G. Redlich ... wird dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt.

Richter Hoffnung

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Restschuldbefreiung – eine Chance für redliche Schuldner

UNTERNEHMERISCH TÄTIGE PERSONEN

REGELINSOLVENZ­VERFAHREN

VERBRAUCHERINNEN/VERBRAUCHER

VERBRAUCHER­INSOLVENZVERFAHREN

Außergerichtlicher Einigungsversuch

wenn nicht erfolgreich

wenn nicht erfolgreich

Gerichtliches Schulden­bereinigungsverfahren

Insolvenzverfahren

RESTSCHULDBEFREIUNG

IST MÖGLICH, WENN

› der Schuldner einen zulässigen Antrag stellt,

› in der Wohlverhaltensperiode den pfändbaren Betrag seines Arbeitseinkommens an  einen Treuhänder abführt und bestimmte Verpflichtungen erfüllt und

› Versagungsgründe nicht zum Tragen kommen.

› grundsätzlich 6 Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens,

› auf Antrag des Schuldners jedoch schon 3 Jahre nach Eröffnung des Insolvenz­verfahrens, wenn 35 Prozent der Schulden und die Verfahrenskosten bezahlt sind bzw. 5 Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn zumindest die Verfahrenskosten bezahlt sind.

Übersicht Verfahrensablauf

WIRD ERTEILT

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Impressum

HERAUSGEBERBundesministerium der Justiz und für VerbraucherschutzReferat Öffentlichkeitsarbeit; Internet11015 Berlinwww.bmjv.de

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STAND1. Juli 2014

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Hinweis:Diese Druckschrift wird vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit heraus-gegeben. Sie ist kostenlos erhältlich und nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwen-det werden. Dies gilt für Bundestags-, Landtags- und Kommunalwah-len sowie für Wahlen zum Europäischen Parlament. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informa-tionsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Auf-kleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Partei nahme der Bundesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen ver standen werden könnte.