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30 yachtrevue.at 9|17 REVIER • ITALIENISCHE NÖRDLICHE ADRIA FOTOS: CARL VICTOR

REVIER • ITALIENISCHE NÖRDLICHE ADRIAmayer-yachten.com/file/Revierbericht Italienische...yachtrevue.at ¥ 9|17 31 Zwischen Meer und Lagune Einst!und!heute. Das italienische Urlauberparadies

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    R E V I E R • I T A L I E N I S C H E N Ö R D L I C H E A D R I A

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    Zwischen Meer und Lagune

    Einst und heute. Das italienische Urlauberparadies an der oberen Adria war für Segler lange Zeit ein Revier der

    zweiten Wahl. Carl Victor kennt es seit vielen Jahren und ist überzeugt, dass es sich lohnt den Blick mit

    Zuversicht über den Bug zu richten

    Atmosphärisch. Liegeplatz mit Blick auf den Markusplatz –

    dafür muss man hohe Marina-gebühren in Kauf nehmen

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    Schlosses um vier Jahre, weil er vor ein Erschießungskommando treten musste. Kitsch und Tragik, so nahe beisammen wie nirgendwo sonst auf diesem Törn.

    Wandern in den WasserstraßenKaum eine Yacht, die entlang der Riviera Triestina weiter nach Monfalcone segelt. Dass die Industriestadt nicht attraktiv für Segler ist, lässt sich nachvollziehen. Aber der Weg dorthin hätte jede Menge zu bieten. Vor allem bei Duino, wo die von Burgen gekrönten Klippen steil zu Strän-den mit beschaulichen bis mondänen Häfen abfallen. Dort könnte man knappe Segeltage kurzweilig ausklingen lassen. Doch kaum jemand lässt sich davon ver-führen, schließlich lockt schon Grado im Westen. Auch ich erliege immer wieder dieser Versuchung. Meist steuere ich den Stadt hafen der Lagunenstadt auf direktem Weg an und halte mitten im Herzen einer Stadt, die sich selbst so italienisch treu und dabei doch so kosmopolitisch geblieben ist. Daran haben die zahlreichen zusätzlichen Liegeplätze an der Nordmole sowie eine neue Marina nichts geändert. Grado sieht

    Es eilt die Zeit im Sauseschritt und eins, zwei, drei wir segeln mit. Es kommt mir vor, als wär’s erst gestern gewesen, als ich mein erstes Schiff in diesem Revier übernahm. Und doch sind schon 15 Jahre seit jenem Tag vergangen. So wie da-mals fegt auch heute die Bora mit einer sol-chen Vehemenz von den Bergen über Triest herab, dass mich ihre Böen wie betrunken über den Kai torkeln lassen. Eine Yacht er-kämpft sich gerade den Weg in den Hafen. Der Skipper versucht erst gar nicht, sein Schiff in einen freien Platz nahe der Ein-fahrt zu zwängen; zu ungemütlich läge er dort. Auch den Yachtclub steuert er nicht an. Vielleicht hält man mit jenem „tutto privato!“, mit dem man uns damals von den Stegen scheuchte, auch heute noch Gäste fern. Dann verliert sich das Schiff im Mas-tengewirr. Vor 15 Jahren gab es noch viel freies Wasser im Hafenbecken. Heute ist alles zugeparkt. Volle Häfen, leere See. Nicht nur in diesem Teil der Adria ein Phänomen. Fühlen sich die Segler von Triest, der einstigen Metropole der Donau-monarchie, so stark angezogen, dass sie

    aufs Auslaufen vergessen? Das kann ich kaum glauben. Triest nimmt mich nicht gefangen. Mag sein, dass die Stadt Atmo-sphäre versprühte, als noch James Joyce, in Gedanken dem Ulysses nachhängend, durch die Straßen lief. Heute scheint es, als hätten Triests Paläste diese Zeiten nur überlebt, um mit ihren klassizistischen Fassaden jegliches in der Altstadt aufkei-mende Flair zu erschlagen.

    Ganz anders ergeht es mir mit Castello di Miramare, das nördlich von Triest in der Sonne schimmert. Es lohnt sich kaum Segel zu setzen, dazu ist der Schlag zu kurz. Gelbe Tonnen verbieten es immer noch, sich dem Traum von Erzherzog Maximili-an, dem Bruder von Kaiser Franz Josef, zu nähern. Sie hatten uns damals veranlasst, es im kleinen Bootshafen des Schlosses zu versuchen. Doch dessen Schutz war uns – wenig freundlich – verwehrt worden. Auch daran hat sich nichts geändert. Nach wie vor muss man sich in Gringnanos nahem Hafen um einen Liegeplatz bemühen, erst dann lässt es sich auf den Spuren des un-glücklichen Kaisers von Mexiko wandeln. Er verpasste die Fertigstellung seines

    Triest. Die Großstadt (rechts) mit Marina

    (oben) liegt im Schnittpunkt unter-

    schiedlicher Kul-turen. Ob sie Flair hat oder nicht, ist

    Ansichtssache

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    das sich so gar nicht an die vorgegebenen Solltiefen halten will. Glücklich all jene, die nicht mit dem Kiel durch die Einfahrt in die Marina Punta Faro pflügen müssen, sondern bei Acqua alta über den immer wieder versandenden Kanal schweben. Auch daran hat sich nichts geändert, das scheinen jene Yachten beweisen zu wollen, die sich vor den Molenköpfen höflich ver-beugen, ehe sie ihre genervten Crews in Li-gnanos Trubel entlassen. Dieser östliche Vorposten des bis Venedig reichenden „Teu-tonengrills“ ist mittlerweile viel besser als sein Ruf. Ebenso wie in Bibione, Caorle oder Jesolo hat man sich auf seine italieni-schen Wurzeln besonnen. Das tat nicht nur

    dem Flair, sondern auch der Küche gut. An-ders ist die Lage für Segler. Wo man vor 15 Jahren noch heimelige Marinas oder stil-le Ankerplätze vorfand, wuchern heute wahre Marina-Landschaften über die Mün-dungsgebiete der Flüsse Livenza, Piave und Sile. Das freut die Dauerlieger, sorgt aber im Segelurlaub manchmal für Frust.

    Es gibt nur ein VenedigDoch dem muss man sich nicht aussetzen. Schon verspricht der Leuchtturm La Pago-da, der die Ansteuerung in die Lagunen-stadt Venedig markiert, den Höhepunkt des Törns. In der Einfahrt könnte der Strom hart gegenan stehen. Im Canale di San

    sich als Mutter Venedigs und Tochter Aquileias. Deren Basilika allein rechtfertigt schon den Nervenkitzel einer Fahrt durch die Kanäle der Lagune und den Fluss Natissa, hoch in die Marina di Aquileia. Das kann sich zudem als gutes Training erwei-sen, wenn man sich vom Scirocco über-raschen lässt. Wer würde Lust verspüren, die Ausfahrt aus der Lagune gegen eine brechende See zu erzwingen? Da zieht wohl jeder die Kanäle vor, welche die Lagune von Grado mit jener von Marana verbinden. Entspannt zurücklehnen kann sich der Skipper aber auch in deren geschützten Fahrrinnen nicht. Dafür sorgt, neben dem unbekannten Dalbensystem, ein Echolot,

    Grado. Der von Fischerbooten gesäumte Kanal (links) führt zum Hafen im Herzen einer Stadt, die im besten Sinne italienisch geblieben ist. Gleiches gilt für Chioggia im Süden der Lagune von Venedig (unten)

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    *Was also hat sich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten an der nördlichen Adria ge-ändert? Unbestritten ist, dass es viel mehr Marinas gibt. Sie bieten Komfort, lassen sich diesen aber auch bezahlen. Und in den Marinas liegen viel mehr Schiffe. Gibt es deshalb auch mehr Segler? Nein. Nach dem Verlassen der Marina kann man vielleicht nicht die Freiheit der Meere, aber doch jene der Adria genießen – selbst in diesem über-laufenen Revier.

    Dem Touristen-Trubel können Segler so-wieso leicht aus dem Weg gehen. Erfreulich ist, dass es immer bessere Restaurants gibt und man sich in den Küchen wieder auf die italienischen Wurzeln besinnt. So eine richtige Cena mit drei bis vier Gängen samt gutem Wein aus der Region kann allerdings ein tiefes Loch in die Bordkassa reißen. Es finden sich aber überall auch Kneipen, die Bodenständiges anbieten, und Wirte, die ihren Ehrgeiz daran setzen, einen Vino da Tavola zu kredenzen, der es mit so manchem Flaschenwein aufnimmt. Ja, es stimmt: Vieles hat sich an der oberen Adria verändert. Manches zur Freude des einen, manches zum Ärger des anderen. Rechnet man Plus- und Minuspunkte auf, kommt mindestens eine Null heraus.

    Deshalb: Ein Hoch auf dieses einzig-artige Revier, in dem man wie in keinem anderen zwischen Meer und Lagune pendeln kann. ■

    Mal von Venedig nach Chioggia segelte. Kaum einer nimmt dabei den Weg außen rum, um den berühmten Lido von Vene-dig. Auch ich nicht. So landete ich schon bei der Einfahrt in den Canale Orfano im Schlick, weil ich das, was mir die Dalben-reihen zu sagen versuchten, falsch deute-te. „Vertrau auf Gott, aber nie den Tiefen-angaben einer Lagunenkarte“, hatte mich ein Kenner des Reviers gewarnt. Trotzdem warf ich auf diesem kurzen Schlag mehr als ein Mal die Nerven weg, weil mir am Echolot der Boden rasend schnell entge-gen kam. An Chioggia, das von vielen als Venedigs kleine Schwester gesehen wird, er-innere ich mich noch gut und gerne. Das Anlegen zwischen Dalben war damals eine ebenso große Herauforderung wie das nächtliche Balancieren über schmale Stege, danach genehmigten wir uns gleich zwei Aperitifs in den Cafés am Corso del Popolo, weil diese so italienisch gemütlich und dazu so unitalienisch billig waren. Sie stimmten uns auf die Pizza ein, die wir uns auf einen wackeligen Tisch am Rande des Canale Vena servieren ließen. Heute haben Besucher die Wahl zwischen zwei Marinas, die jeden Komfort bieten; niemand muss sich mehr nachts über altersschwache Stege zittern. Die Cafés sind nicht mehr ganz so billig und der Aperitif wird im Res-taurant getrunken, vor einem Dinner, bei dem Fisch oder Meeresfrüchte nicht feh-len dürfen. Die Kneipe am Canale Vena gibt aber es noch immer.

    Nicolo könnte man von einem Kreuzfahrt-riesen an den Rand der Fahrrinne gedrückt werden. Und im Bacino San Marco könnte es wegen des Schiffsverkehrs unmöglich sein, den Anblick von Dogenpalast und Markuskirche zu genießen. Aber wen stört das, wenn am Ende ein Liegeplatz im stil-vollsten Yachthafen von Venedig wartet? Der Marina-Hype hat auch den Löwen von San Marco nicht verschont. Doch noch im-mer liegt man nirgendwo so wie hier, im Schatten des Campanile und unter den Kuppeln der Kirche von San Giorgio Mag-giore. Die Liegegebühren sind allerdings geschmalzen und erhöhen sich sprunghaft mit jeder Vaporetto-Fahrt nach San Marco. Das Betreten des berühmten Platzes war schon vor 15 Jahren ein Abenteuer mit un-gewissem Ausgang. Diesmal verkneife ich es mir; es ist zu befürchten, dass schon ein einziger Besucher mehr ihn samt Palast, Kirche und Campanile zum Versinken bringt. Ich versuche stattdessen mein Ziel auf Umwegen zu erreichen. Dabei lerne ich ein Venedig kennen, in das sich nur weni-ge verirren – in dem ich mich aber so sehr verirre, dass ich schließlich statt der Rialto-brücke die wohl drei Mal so weit entfernte Punta Roma ansteuere. Das wirft kein gu-tes Licht auf meine Navigation. Auf diese muss aber geachtet werden, will man Kleinode wie die Inseln Murano oder Bura-no auf eigenem Kiel besuchen. Die Kanäle in den Lagunen verzeihen keine Fehler. Das wurde mir schon klar, als ich zum ersten

    Prunkbau. Die Kirche Santa Maria della Salute liegt an der Einfahrt zum Canal Grande und prägt mit ihrem achtseitigen Grundriss das Bild Venedigs

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    NÖRDLICHE ADRIA Klima: gemäßigtes Kontinentalklima Lufttemperatur: 0 bis 15° C (Winter) 15 bis 30° C (Sommer) Wassertemperatur: 9 bis 25° C Regentage pro Monat: 6 Tage mit 40 bis 70 l/m² (Winter) 5 Tage mit 60 bis 100 l/m² (Sommer) Hauptwindrichtungen: Nord (Tramontana), Nordwest (Maestral),

    Nordost (Bora), Südost (Jugo) Windstärke: durchschnittlich 6 kt, durchschnittlich

    1 Sturmtag (> 8 Bft.) pro Monat Beste Reisezeit: April bis Oktober

    Besonderheiten: Das Klima in der Adria-Region ist im Norden gemäßigt kontinental und geht in Richtung Süden in medi-terranes Klima über. Der Unterschied liegt hauptsächlich im Einfluss des Meeres. Die Temperaturen im Tages- und Jahres-verlauf werden in der Nordadria weniger gedämpft als im me-diterranen Süden und fallen im Winter auch öfters unter den Gefrierpunkt.

    Die typischen Winde in der Nordadria sind Tramontana, Maestral (Mistral), Bora und Jugo (in Italien Scirocco). Bora und Jugo sind gut bekannt. Der Jugo, der meist dichte Wol-ken, länger andauernden Regen und warme Temperaturen bringt, verursacht das winterliche Hochwasser in Venedig – bekannt unter dem Namen „Acqua alta“. Starke Flut und nied-riger Luftdruck drücken das Wasser Richtung Norden, der Was-serspiegel steigt um rund 90 Zentimeter. Bei 100 Zentimeter sind kleinere Stadtteile Venedigs unter Wasser, bei 140 Zenti-meter wird der Notstand ausgerufen, da 90 Prozent der Stadt überflutet sind. Der Rekord vom 4. November 1966 mit 194 Zentimeter über dem normalen Niveau ist bislang ungebro-chen. Maestral und Tramontana werden gerne verwechselt. Der Name des Nordwindes Tramontana leitet sich aus dem lateinischen „ventus transmontanus“ ab – Wind, der über die Berge (also aus Norden) kommt. Kennzeichnend sind kühle Temperaturen und mäßige bis starke Windgeschwindigkei-ten, die sich als Vorboten für sonniges Wetter deuten lassen.

    Der Maestral, auch Mistral, folgt zumeist im Anschluss und steht für warme Temperaturen, Sonne und gleichmäßige Wind-verhältnisse zwischen 2 und 4 Beaufort. Verursacht wird er durch eine Thermik, die aufgrund der unterschiedlich schnel-len Erwärmung von Land und Meer entsteht.

    WIND & WETTER

    MICHAEL BURGSTALLER Der Gmundner ist begeisterter Fahrten- und Regatta-Segler, hat in Innsbruck Meteorologie und Geophysik studiert und sich mit einem Ingenieursbüro für Meteorologie und Energiewirtschaft selbststän-dig gemacht. Er ist zweifacher oberösterreichischer Landesmeister (Yardstick), RPC-Sieger, zweifacher Kornati-Cup-Sieger und hat an Rolex Middle Sea Race und Fastnet teilgenommen. Er hält Seminare zum Thema Segelwetter und Wetterprog nosen für Regatten.Anfragen sind an [email protected] möglich.

    Michael Burgstaller

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    Obere italienische AdriaInfo. Was Sie wissen sollten, wenn Sie einen Törn im beliebten Urlaubsrevier der Österreicher in Betracht ziehen

    Die obere Adria ist in den Sommermonaten meist ein so stilles Segelgebiet, dass es trotz Bora und versanden-den Fahrrinnen als familien-freundlich gelten kann. Es ist bestens betonnt und befeuert, in den Lagunen muss man lernen, sich an dem zu orien-tieren, was einem die Dalben sagen; nachts zu segeln sollte man hier tunlichst ver-meiden. Im gesamten Revier muss man mit einem Tiden-hub von bis zu einem Meter rechnen, in Triest warnt der Hafenführer gar vor bis zu 2,5 Metern. In den Kanälen der Lagunen läuft immer Strom, in manchen bis zu 7 Knoten. Bei starkem, auflandigem Wind, besonders bei Scirocco, kann das Einlaufen in Marinas, Flüsse und Lagunen für Yachten – vor allem für solche mit größerem Tiefgang – gefährlich bis unmöglich sein. Daher unbedingt vorab Infor-mation einholen, welche Ansteuerungen an dieser gefährlichen Leeküste auch bei widrigen Bedingungen machbar sind.

    Die Navigation ist aus-schließlich terrestrisch. Ein Plotter ist eine wertvolle Hilfe, wenn man bei schlechter

    Sicht Einfahrten in Lagunen und Flüsse ansteuern muss. Ein Tonbandwetterbericht wird in Italienisch und Eng-lisch rund um die Uhr auf Kanal 68 gesendet. Da man immer mit einem Bein an Land segelt, macht es auch Sinn die Wetterberichte in Tageszeitungen und TV zu nutzen.

    Beste Reisezeit ist Juni und Juli, wenn man ruppigere Bedingungen nicht scheut auch Mai und September. Den italienischen Ferien-monat Ferragosto (August) sollte man meiden.

    Segeln in den LagunenTonnen und Marker sucht man in den Lagunen vergeb-lich, da die für Yachten befahr-baren Kanäle ausschließlich mit Dalben gekennzeichnet sind. Was diese zu bedeuten haben, sollte man wissen, bevor man in die Lagune ein-läuft; gute Segelführer erklä-ren die zahlreichen Details. In den Dalbenwegen kann nur auf Sicht navigiert werden, die Wassertiefen in den Karten beziehen sich meist auf mitt-lere Werte. Es kann bei Ebbe also durchaus weniger Wasser unter dem Kiel ver-

    bleiben – wenn überhaupt … Durch den in den Fahrrinnen ständig und oft stark laufen-den Strom versanden diese zudem schnell. Kenner des Reviers schwören daher auf Schiffe mit weniger als 1,5 Meter Tiefgang. Ideal sind Hub- und Kimmkieler, auch Katamarane sollen sich schon in die Lagunen verirrt haben.

    Der Tidenhub liegt im Schnitt bei einem Meter. Scirocco kann für extremes Hochwasser sorgen, anhal-tender stürmischer Nordwind das Wasser so aus den Lagunen blasen, dass nicht einmal die oft bemühte Hand-breit Wasser unter dem Kiel übrig bleibt. Gezeitentafeln sollten immer an Bord sein; der praktische „Callendario delle Marea“ ist in allen Marinas erhältlich.

    Wer auf die zahlreichen Full-Service- Marinas verzich-ten will und nach Stille sucht, wird nicht oft fündig. In den Kanälen sollte man nicht ankern, im Rest der Lagune ist das Wasser selten tief genug. Doch wer suchet, der findet – auch in den Lagunen.

    Der Canal Grande in Venedig darf von Yachten nicht befahren werden.

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    Chioggia. Der Beiname Klein-Venedig ist kein Zufall: Der Canale Vena teilt die Stadt und

    wird von etlichen Brücken überspannt

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    Grado

    Monfalcone

    Aquileia

    Triest

    BORA

    ChioggiaVenedigs kleine Schwester hat sich viel von dem bewahrt, was Venedig einst ausge-macht hat. Am besten einen Cappuccino auf dem Corso del Popolo trinken, abends in einem der Lokale am Canale Vena essen und danach bei einer Flasche Valpolicella oder Pinot Grigio versacken.

    VenedigAuch wenn der Markusplatz unter den Touristenmassen zu versinken droht, kann man abseits des Trubels immer noch das Flair dieser einzig-artigen Stadt erspüren.

    GradoDer Liegeplatz im Stadthafen inmitten des Kurortes ist ein (wenn auch manchmal lautes) Erlebnis für sich. Von hier ist es nicht weit zum histori-schen Altstadtkern; er beginnt quasi gleich hinter dem Heck.

    AquileiaDie romanische Basilika samt römischen Ausgrabungen ist

    ein ideales Ziel für Segler. Man muss nur den Canale San Pietro, dann den Canale delle Teiada und schließlich den Fluss Natissa hoch tuckern und schon liegt man in der Marina di Aquileia beinahe mitten in den zum Weltkulturerbe zählenden Ruinen.

    MiramareDas hoch über dem Meer thronende, weiße Schloss von Erzherzog Maximilian, Bruder von Kaiser Franz Josef und unglücklicher Kaiser von Mexiko, ist das Wahrzeichen der Riviera Triestina, ein Besuch daher Pflicht. Der kleine Bootshafen des Schlosses darf allerdings von Yachten nicht angelaufen werden.

    TriestMir persönlich blieb der Charme dieser Stadt bisher verborgen, aber vielleicht offenbart er sich ja anderen umso mehr …

    PflichtprogrammTipps. Folgende Ziele sollten Sie in diesem Revier nicht versäumen

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    Rettung naht

    Bauprojekt Mose. 78 Fluttore sollen die Lagunenstadt Venedig in Zukunft vor dem immer häufiger werdenden Hochwasser schützen

    Wie lange wird es das Venedig, wie wir es kennen, noch geben? Horden von Touristen drängen sich das ganze Jahr über auf dem Markusplatz oder schieben sich durch die engen Gassen. Aggressive Industrieabwässer nagen an den in den schlammi-gen Grund der Lagune geramm-ten Pfählen, die den Dogen-palast, die Markuskirche, viele der Campanile und noch mehr Palazzi tragen. Und immer öfter warnt das Geheul der Sirenen vor Acqua alta.

    Acqua alta ist mehr als das tidenbedingte Hochwasser, das auf bis zu 90 cm über Normalnull steigen kann. Acqua alta bedeu-tet Sturmflut. Wenn bei tiefem Luftdruck stürmischer Scirocco das Wasser in die nördliche Adria drückt, kann der Pegel-stand in der Lagune auf jene magischen 110 cm steigen, bei denen Hochwasser alarm ausge-löst wird. Bei 125 cm ist halb Venedig überflutet, ab 140 cm geht gar nichts mehr. Dann muss

    auch der Schiffsverkehr einge-stellt werden, weil die Vaporetti nicht mehr unter den Brücken durchkommen.

    Seit der Jahrtausendwende steht der Markusplatz immer häufiger unter Wasser, mittler-weile bis zu fünfzig Mal in den Spätherbst- und Wintermonaten. Schuld daran ist einerseits der um 12 cm gestiegene Meeres-spiegel, andererseits sank Venedig gleichzeitig um 23 cm tiefer in den Lagunenboden. Die immer höheren Pegelstände bedrohen die Bauten in der Lagunenstadt massiv, daher machte man sich bereits 1984

    erste Gedanken, wie das Welt-kulturerbe zu retten sei. 1996 verabschiedete das Parlament in Rom das Hochwasserschutz- Projekt „Mose“, 2003 erfolgte der Spatenstich durch Silvio Berlusconi.

    Mose steht für „modulo speri-mentale elettromeccanico“ sowie eine Bibelstelle (2. Buch Mose, Vers 15: Da sprach der Herr zu Mose: „Strecke deine Hand aus und erhebe deinen Stock über das Meer und spalte es“) und soll Venedig künftig davor bewahren, bei Acqua alta überflutet zu werden. Zu diesem Zweck wurden 78 Fluttore in die

    drei Einfahrten zur Lagune von Venedig eingebaut: 18 in der Bocca di Chioggia, 19 in der Bocca di Malamocco und 41 in der Bocca di Lido. Wegen der großen Breite musste dort zusätzlich eine künstliche Insel geschaffen werden; sie teilt die Bocca in eine nördliche und süd-liche Einfahrt. Die Tore liegen bei normalen Wetterbedingungen geflutet in ihren mächtigen Betonfundamenten am Grund. Bei Hochwasserwarnung wird das Wasser mit Pressluft heraus gedrückt. Die Fluttore beginnen sich zu heben und bilden, voll ausgefahren, ein Wehr zur

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    Lido

    Bocca di Lido

    Bocca di Chioggia

    Bocca di Malamocco

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    Venedig Murano

    Chioggia

    Fahrverbot.Die Schleuse in der Bocca di Malamocco wird der Großschifffahrt (rechts) vorbehalten sein. Segler sollen die Schleuse bei Chioggia (oben) nutzen

    Abwehrmechanismus. Drei Schleusen sollen Venedig künftig vor Hochwasser schützen.

    Die Bauarbeiten sollen Ende 2018 beendet sein

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    Adria, das Hochwasser bis zu zwei Metern abhalten kann. Vier bis fünf Stunden nach dem Hochwasser werden die Tore wieder abgesenkt. Während der Sperre werden Schiffe über Schutzhäfen und Schleusen in die oder aus der Lagune von Venedig geleitet.

    Auch Segler müssen sich dann auf neue Verhältnisse einstellen. Die Schleuse in der Bocca di Malamocco (zwischen Lido und Pellestrina) wird – Not-fälle ausgenommen – für die Großschifffahrt reserviert sein. Fischer und Yachten können sich in die Schutzhäfen der Bocca di Chioggia und Bocca di Lido flüchten und sich über deren Schleusen in die Lagune verho-len. Die Befeuerung der Molen und Schleusen ist bereits fertig gestellt, sämtliche Regelungen für die Freizeitschifffahrt werden rechtzeitig vor Eröffnung bekannt gegeben.

    5,4 Milliarden Euro hat man für den Bau veranschlagt. Eine gewaltige Summe – und eine noch größere Versuchung. 2014 wurde Venedigs Bürgermeister

    verhaftet; er soll zusammen mit 34 weiteren Politikern, Beamten und Bauunternehmern bis zu einer Milliarde Euro, darunter auch Fördergelder der EU, ver-untreut haben. Der Skandal erschütterte das Projekt in seinen finanziellen Grundfesten, sogar ein Bau stopp drohte; der ursprünglich angepeilte Termin 2016 war nicht mehr zu halten. Derzeit heißt es, dass das Acqua alta Ende 2018 der Geschichte angehören soll. Dann braucht es nur noch einen Damm, der sich gegen die Touristenflut stemmt, unter der Venedig zu versinken droht …

    Kunstwerk. In der Bocca di Lido musste für den

    Bau der Schleusen eigens eine künstliche Insel auf-

    geschüttet werden

    Luftdruck. Die Schleusentore werden bei Hochwasser mittels Pressluft angehoben

    LAGUNE

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    Fundament SchleusenWartungstunnel

    Schleusentor geflutet

    Schleusentore geschlossen

    Pressluft wird eingelassen

    Tore heben

    sich

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