Rezept für Mord

Don Ridgemond: Mord nach Rezept-1-

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Rezept für Mord

von

John Miller

An: Leda-Verlag, Frau Heike Gerdes, Leer

Sehr geehrte Frau Gerdes,

ich sende Ihnen das Manuskript meines Kriminalromans "Das

lautlose Gift" zu, den ich in den vergangenen zwei Monaten

verfasst habe, um nach dem plötzlichen Tod meiner Frau nicht in

der Untätigkeit der Trauer zu verharren.

Ich bin sicher, mein Friesland-Krimi um die Geschichte eines

"perfekten Mordes" wird Ihre Aufmerksamkeit finden.

Mit freundlichem Gruß

Fokko Gerritzen

An: Herrn Fokko Gerritzen, Emden.

Sehr geehrte Herr Gerritzen,

vielen Dank für Ihr Manuskript "Das lautlose Gift", das ich

inzwischen gelesen und auch mit unserer Lektorin Frau Carels

habe.

Sie verstehen es außerordentlich gut, die zahllosen kleinen

Demütigungen des Ehelebens, dieses affaktierte Gehabe von Luise

Rijken, ihre Vorliebe für Naschzeug und ihren beständigen Diät-

Kampf gegen ihr Übergewicht derart lebensnah zu schildern, dass

man Jens-Uwe Rijkens Entscheidung, seine Frau zu vergiften

letzendlich sogar gutheißen kann.

Vielen Ehemännern in diesem Land geht es ähnlich - ich kann dies

aus eigener Erfahrung bestätigen.


----------------------------------------------------------Zwei Probleme sehe ich allerdings doch: zunächst einmal dieses

Gift "Alaphin", das Jens-Uwe Rijken zum Mord an seiner Frau

verwendet. Ihr Held stelllt es mit Hilfe eines Chemie-

Experimentierkastens für Kinder aus einigen vollkommen frei

verkäuflichen Stoffen her und dann soll das Gift auch in der Leiche

nicht mehr nachweisbar sein - hier haben Sie Ihrer

schriftstellerischen Fantasie die Zügel doch ein bisschen zu sehr

schießen lassen.

Oder sollte es solch ein Gift tatsächlich geben? Bitte verstehen Sie,

dass ich Ihren Roman erst veröffentlichen kann, wenn diese Frage

geklärt ist.

Außerdem erscheint es mir unmoralisch, dass Ihr Held nicht wegen

des Mordes an seiner Frau bestraft wird. Denken Sie einmal

darüber nach, ob er nicht doch am Ende eine gerechte Strafe

finden kann.

Mit freundlichen Grüßen.

Heike Gerdes

P.S.: Zum Tod Ihrer Gattin darf ich Ihnen mein Beileid

aussprechen.

An: Leda Verlag, Leer

Liebe Frau Gerdes,

so sehr ich mich freue, dass Ihnen "Das lautlose Gift" gefällt, so

wenig kann ich Ihre Kritik teilen.

Zugegeben, den Namen des Giftes - "Alaphin" - habe ich frei

erfunden, und auch bei der Beschreibung der Methode, wie das Gift

mit einem Chemie-Experimentierkasten "Junior-Chemiker" aus

"Blitzblank Haushaltsreiniger" gewonnen werden habe ich einige

Punkte weggelassen, um zu verhindern, dass kriminelle Elemente


----------------------------------------------------------meinen Roman als Rezept für einen Mord benutzen. Die

Information über das Gift verdanke ich Doktor Ernst-Ubbo Daniels

vom hiesigen Rechtsmedizinsichen Institut. Doktor Daniels lebt im

Nachbarhaus und ist einer von diesen karrierehungrigen Angebern,

die ich noch nie habe leiden können. Leider Gottes teilte er die

Leidenschaft meiner seeligen Frau für das Backgammon-Spiel,

sodass ich während der zahlreichen Abende, an denen er "auf ein

kleines Spielchen" herüberkam gezwungen war, näheren Umgang

mit ihm zu pflegen. Bei einer dieser Gelegenheiten kam Daniels

dann auch auf jenes Gift und seine Herstellung sprechen, das ich

meinem Roman verwendet habe.

Zu Ihrer Information lege ich Ihnen einmal eine genaue Anleitung

zur Herstellung des Giftes bei. Bitte behandeln Sie die Unterlagen

streng vertraulich, da sie in den Händen von Unbefugten größtes

Schaden anrichten können.

Mit freundlichen Grüßen

Fokko Gerritzen.

Der Herr nahm ihn plötzlich und unerwartet zu sich... Peter

Gerdes 1955 - 2009

In tiefer Trauer: Heike Gerdes

An: Fokko Gerritzen, Emden

Lieber Herr Gerritzen,

es tut mir Leid, aber ich kann Ihren Roman "Das lautlose Gift" leider

nicht veröffentlichen, da Sie darauf beharren, Ihren Helden Jens-

Uwe Rijken nach dem Mord an seiner Ehefrau ungestraft

davonkommen zu lassen.


----------------------------------------------------------Ihre kleine Entdeckung jenes seltsamen, Recht einfach

herzustellenden und nicht nachzuweisenden Giftes mag recht

originell sein, doch fürchte ich, dass sie nicht in der Lage ist, bei

unseren Lesern genug Interesse und zu finden.

Mit freundlichen Grüßen

Heike Gerdes

P.S. Bitte entschuldigen Sie, dass Sie wegen einiger familiärer

Probleme, die ich hatte, so lange auf meine Antwort warten

mussten.


Liebe Frau Gerdes,

zunächst einmal möchte ich Ihnen zum Tod Ihres Gatten, von dem

ich zufällig durch eine Leerer Zeitung, die mir in die Hände fiel,

erfahren musste, mein herzliches Beileid aussprechen.

Ich habe inzwischen das Manuskript von "Der lautlose Tod"

umgearbeitet: in der neuen Fassung, die ich Ihnen anliegend

zusende, wird Jens-Uwe Rijken wegen des Mordes an seiner Frau

verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt.

Ich bin sicher, in der vorliegenen Form werden Sie den Roman gern

veröffentlichen. Die Methode, nach der Kriminalpolizei und die

Rechtsmediziner das Gift Alaphin (um bei dem Namen zu bleiben)

nachweisen, ist absolut authentisch und vom hiesigen

Rechtsmediziner (Doktor Daniels, um ihn beim Namen zu nennen)

vor einigen Wochen zum ersten Mal angewandt worden. Wenn Sie

wünschen, sende ich gern eine Beschreibung der Analysemethode

zur Überprüfung ans Rechtsmedizinische Institut in Leer.

Mit freundlichem Gruß

Fokko Gerritzen.


----------------------------------------------------------P.S. Meine Anschrift hat sich geändert.

An Fokko Gerritzen

(zurzeit Justizvollzugsanstalt Wilhelmshaven, Abteilung Emden,

Emden)

Lieber Herr Gerritzen,

sie haben Recht, in der neuen Fassung ist Ihr Kriminalroman "Das

lautlose Gift" in der Tat veröffentlichungswürdig.

Anliegend einen Vertrag und einen Honorarscheck über 5.000

Euro. Die Beschreibung, wie man Alaphin nachweist, brauchen Sie

nicht an die Leeraner Rechtsmedizin zu schicken. Ich glaube Ihnen,

dass alles seine Richtigkeit hat.

Heike Gerdes


Frau Gerdes!

Das mit den 5.000 Euro ist wohl ein Witz? Ich nehme zu Ihren

Gunsten an, dass Sie beim Ausschreiben des Schecks eine Null

vergessen haben.

Und warum so nachlässig mit der Detailtreue? Sie wollten doch

auch genau wissen, wie man Alaphin herstellt - warum nicht also

auch, wie man es nachweist?

Fokko Gerritzen

Vierteljahreschrift für Rechtsmedizin, Heft 4

"Gift aus dem Chemiekasten."

Doktor Ernst-Ubbo Daniels, Rechtsmediziner aus Emden machte

eine sensationelle Entdeckung: Aus einem Haushaltsreiniger lässt


----------------------------------------------------------sich ein Gift herstellen, das bisher nicht nachweisbar war. In

zahllosen Experimenten gelang Doktor Daniels, das gefährliche Gift

zu analysieren.

Der folgende Artikel von Doktor Ernst-Ubbo Daniels beschreibt im

einzelnen die genaue Nachweismethode.

An: Fokko Gerritzen

(zurzeit Justizvollzugsanstalt Wilhelmshaven, Abteilung Emden,

Emden)

Lieber Fokko,

tut mir Leid, dass Sie so lange nichts von mir gehört haben.

Inzwischen bin ich nicht mehr im Verlag tätig und kann deshalb

auch nichts mehr für Ihr Buch tun. Alles Gute

Heike Gerdes (zurzeit Untersuchungshaft JVA Justizvollzugsanstalt

Oldenburg, Oldenburg)

Westdeutsche Zeitung, Ausgabe vom 5. April:

"Zum neuen Leiter des Rechtsmedizinischen Institutes Leer wurde

Doktor Ernst-Ubbo Daniels aus Emden berufen. Daniels erregte vor

kurzem in der Fachwelt Aufsehen durch die Entdeckung und den

Nachweis eines seltenen Giftes. Doktor Daniels ist ledig spielt gern

Backgammon.

ENDE

John Miller ist das Pseudonym eines erfolgreichen Krimi-Autors, dessen Shortstories jede Woche in vielen Zeitungen und Zeitschriften erscheinen. Er lebt ganz in der Nähe des Leda-Verlags, was aber nichts weiter bedeutet.

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