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Ausgabe 01/2006 _ Seite 4/5 1 risiko manager Diversifikation in neue Assetklassen Risikomessung – Normal- verteilung oder Mean- Reversion-Modelle? Nach dem Platzen der Internetblase im Jahr 2000 wurden auch bei den professionellen Kapitalanlegern Probleme im Risikomanagement sicht- bar, die durch den Börsenboom der 90er noch verschleiert wurden – „man merkt eben erst bei Ebbe, wer ohne Badehose schwimmt“, heißt ein bekanntes Bonmot. Die Aufsichtsbehörden reagierten mit ver- schärften Vorschriften. Verordnungen wie Stress-Tests für Versicherer und Pensionskassen oder Investmentgesetz und Derivate-Verordnung für Investmentgesellschaften sollten für mehr Sicherheit bei der Kapital- anlage sorgen und gleichzeitig Transparenz und Vereinheitlichung bei der Beurteilung von Kapitalmarktrisiken schaffen. 05·2006 ˘ kreditrisiko ˘ marktrisiko ˘ oprisk ˘ erm Inhalt Marktrisiko 1, 4 Risikomessung – Normalverteilung oder Mean-Reversion-Modelle? Operationelle Risiken 12 Schritte zu einer effektiven und effizienten Wiederanlaufplanung Kreditrisiko 17 Weniger Unternehmensinsolvenzen in Westeuropa – Privatinsolvenzen steigen deutlich ERM 22 Allokation von Risikokapital im Versicherungsgeschäft (II) Rubriken 2 Kurz & Bündig 11 Impressum 15 Köpfe der Risk-Community 16 Frage & Antwort – Prof. Dr. Helmut Rödl 18 +++ Ticker +++ 23 Buchbesprechnung 28 Personalien V on der Risikomessung bis zur Optionspreistheorie – eine Vielzahl finanztheoretischer Konzepte greift auf das statistische Fundament der Gauß’schen Glockenkurve zurück. Die Annahme von normalverteilten Renditen hat sich im Asset Management auch des- halb durchgesetzt, weil sie ein einfach zu handhabendes Instrumentarium zur Datenauswertung verspricht. Dass die Realität der Kursbildung von Wertpapieren mit der Normalverteilung nur sehr un- zureichend abgebildet werden kann, wird dabei in Kauf genommen. Markowitz-Optimierung, Capital Asset Pricing Modell, Sharpe-Ratio, risikoadjus- tierte Rendite, Volatilität, Value at Risk, Op- tionsbewertung – die Liste der finanz- theoretischen Modelle und Risikokenn- Mittwoch, 8.3.2006 www.risiko-manager.com G 59071 Fortsetzung auf Seite 4 RISK 06 27. April 2006, Wiesbaden www.sas.de/risk06 Das SAS ® Gipfeltreffen der Risikomanager

risiko G 59071 05·2006 marktrisiko manager - RiskNET · von Risiko-Return-Kennziffern auch sind, gerade da, wo Genauigkeit am wichtigsten wäre, ist der Fehler am größten. Kursverläufe

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Ausgabe 01/2006 _ Seite 4/5

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risikomanager

Diversifikation in neue Assetklassen

Risikomessung – Normal-verteilung oder Mean-Reversion-Modelle?Nach dem Platzen der Internetblase im Jahr 2000 wurden auch bei denprofessionellen Kapitalanlegern Probleme im Risikomanagement sicht-bar, die durch den Börsenboom der 90er noch verschleiert wurden –„man merkt eben erst bei Ebbe, wer ohne Badehose schwimmt“, heißtein bekanntes Bonmot. Die Aufsichtsbehörden reagierten mit ver-schärften Vorschriften. Verordnungen wie Stress-Tests für Versichererund Pensionskassen oder Investmentgesetz und Derivate-Verordnung fürInvestmentgesellschaften sollten für mehr Sicherheit bei der Kapital-anlage sorgen und gleichzeitig Transparenz und Vereinheitlichung bei derBeurteilung von Kapitalmarktrisiken schaffen.

05·2006

˘ kreditrisiko˘ marktrisiko˘ oprisk˘ erm

InhaltMarktrisiko

1, 4 Risikomessung – Normalverteilungoder Mean-Reversion-Modelle?

Operationelle Risiken

12 Schritte zu einer effektiven undeffizienten Wiederanlaufplanung

Kreditrisiko

17 Weniger Unternehmensinsolvenzenin Westeuropa – Privatinsolvenzensteigen deutlich

ERM

22 Allokation von Risikokapital imVersicherungsgeschäft (II)

Rubriken

2 Kurz & Bündig

11 Impressum

15 Köpfe der Risk-Community

16 Frage & Antwort – Prof. Dr. Helmut Rödl

18 +++ Ticker +++

23 Buchbesprechnung

28 Personalien

V on der Risikomessung bis zurOptionspreistheorie – eine Vielzahl

finanztheoretischer Konzepte greift aufdas statistische Fundament derGauß’schen Glockenkurve zurück. DieAnnahme von normalverteilten Renditenhat sich im Asset Management auch des-halb durchgesetzt, weil sie ein einfach zuhandhabendes Instrumentarium zurDatenauswertung verspricht. Dass die

Realität der Kursbildung von Wertpapierenmit der Normalverteilung nur sehr un-zureichend abgebildet werden kann, wirddabei in Kauf genommen.

Markowitz-Optimierung, Capital AssetPricing Modell, Sharpe-Ratio, risikoadjus-tierte Rendite, Volatilität, Value at Risk, Op-tionsbewertung – die Liste der finanz-theoretischen Modelle und Risikokenn-

Mittwoch, 8.3.2006 www.risiko-manager.com

G 59071

Fortsetzung auf Seite 4

RISK 06

27. April 2006, Wiesbaden www.sas.de/risk06

Das SAS® Gipfeltreffender Risikomanager

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zahlen auf Grundlage der Statistik derNormalverteilung ist lang. In „normalen“Zeiten lässt sich ein Kursverlauf damitauch vergleichsweise gut beschreiben. Sohat etwa die Häufigkeitsverteilung dertäglichen Kursveränderungen des DAX-Index annähernd die Form der Gauß’-schen Glockenkurve (vgl. ˘ Abb. 01).

Kleine Schwankungen um den Mittel-wert kommen beim DAX-Index häufigervor als bei der Normalverteilung. Hierliegt in der Realität mehr Wahrschein-lichkeitsmasse. Renditen in der Größen-ordnung von +/– 1 Prozent bis +/– 2 Pro-zent sind hingegen seltener. Für Zweckeder Risikomessung sollte das unerheblichsein, da wir es nur mit verhältnismäßigkleinen Kursschwankungen zu tun ha-ben.

Risiken manifestieren sich aber geradenicht in den Zeiten, in denen sich dieKurse in kleinen Schritten bewegen. Ex-treme Preisausschläge werden durch dieStatistik der Normalverteilung nicht adä-quat beschrieben. Die Risiken solcherKursbewegungen werden daher in derRegel unterschätzt. Ein Blick auf dieäußeren Ränder der Verteilung (vgl.˘ Abb. 02) macht deutlich, dass dieWahrscheinlichkeit von Kursbewegungenjenseits von +/– 6 Prozent von einem Tagauf den anderen höher ist, als es die Nor-malverteilung impliziert.

Das ist aber genau der Bereich, der fürdas Risikomanagement von Bedeutungist. So angenehm die Eigenschaften derNormalverteilung für die Modellierungvon Kursverläufen und die Berechnungvon Risiko-Return-Kennziffern auch sind,gerade da, wo Genauigkeit am wichtigstenwäre, ist der Fehler am größten.

Kursverläufe sind nicht zufällig

Eine wirkungsvolle Risikobetrachtungmuss bereits mit der Frage beginnen, mitwelchen statistischen Prozessen sich Kurs-verläufe am besten beschreiben lassen.Gängige Bewertungsmaßstäbe für Markt-preisrisiken gehen davon aus, dass sichKursveränderungen kontinuierlich inkleinen Schritten vollziehen. Der Kursver-lauf folgt einem Zufallspfad (RandomWalk). Die logarithmierten Verände-rungsraten sind normalverteilt um einenMittelwert. Dieser wird üblicherweiseentweder mit Null angenommen, odermit einem positiven Wert, der der Renditedes Wertpapiers entspricht (z. B. Dividen-denrendite bei Aktien und Aktienindizes).Ist der Mittelwert positiv, symbolisiert erdie langfristige Wachstumsrate. Es wirdvon einem Random Walk mit Drift ge-sprochen. Entscheidend ist, dass aufgrundder normalverteilten Störung, die auf denKurs wirkt, jede Kursveränderung unab-hängig von der vorhergehenden ist. Mansagt auch, der Markt habe kein Gedächtnis.

Formal wird eine solche Kursverände-rung vom Zeitpunkt t auf den Zeitpunktt + 1 durch den folgenden Zufallsprozessbeschrieben:

∆S = µ × S∆t + σ × S × ε × √––∆t

Dabei ist ∆S die Veränderung des Kursesinnerhalb eines Zeitschrittes, µ × S∆t istdie (nicht zufällige) Driftkomponente fürdie Kursveränderung und σ × S × ε × √––∆tist der zufällige Anteil der Kursverän-derung.

Mit Hilfe von Zufallszahlen könnennun leicht Random-Walk-Darstellungenerzeugt werden. Die künstlichen Kurven-verläufe ähneln denen von realen Wert-

papieren auf frappierende Weise (vgl.˘ Abb. 03).

Bei der Betrachtung solcher Kurven fälltes schwer zu entscheiden, ob ein Kurs-verlauf zufällig generiert wurde, oder ob essich um den Verlauf eines tatsächlich exis-tierenden Wertpapiers handelt. Das dürf-te auch der Grund dafür sein, warum dieEntwicklung realer Wertpapiere häufigauf das Gesetz der Brown’schen Bewe-gung zurückgeführt wird. Diese Annahmehat zur Folge, dass die Kursverände-rungsraten logarithmisch normalverteiltsind. Die Logarithmen der Kursverände-rungen sind also normalverteilt und stel-len die kontinuierliche Wachstumsratedar. Auf diese Weise erzeugte Random-Walk-Darstellungen haben alle Eigenschaf-ten der Normalverteilung.

Aus der Analyse tausender solcher simu-lierten Kursverläufe werden im Risiko-management Risikomaße oder im Portfo-liomanagement faire Werte für Optionenabgeleitet. Diese Technik der Monte-Carlo-Simulation hat sich mittlerweile als Stan-dard-Verfahren im Asset Management eta-bliert. Inwieweit folgen aber reale Aktien-kurse oder Kursverläufe von Indizes wirk-lich einem solchen Zufallspfad?

In einem künstlich erzeugten Kursver-lauf von der Art einer geometrisch Brown’-schen Bewegung haben sehr große täg-liche Kursveränderungen eine extrem nie-drige Wahrscheinlichkeit. Zwar ist dieNormalverteilung auf dem Intervall vonminus Unendlich bis plus Unendlichdefiniert, je höher die Abweichung vomMittelwert (gemessen in Standardabwei-chungen) jedoch ist, desto geringer ist dieWahrscheinlichkeit ihrer Realisierung.Eine Abweichung (Kursveränderung in-nerhalb eines Tages) von 5 Standardabwei-chungen um den Mittelwert – bei einer an-

Fortsetzung von Seite 1

Häufigkeitsverteilung der Dax-Renditen um den Mittelwert im Vergleich zurNormalverteilung (rote Linie)

˘ Abb. 01

Häufigkeitsverteilung täglicher Kursveränderungen des DAX

0,00

0,01

0,02

0,03

0,04

0,05

0,06

–0,04 –0,02 0 0,02 0,04rel. Kursveränderung

rel.

Häu

figke

it

Häufigkeitsverteilung der Dax-Renditen an den Rändern

˘ Abb. 02

Häufigkeitsverteilung täglicher Kursveränderungen des DAX

0,0000

0,0001

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0,0003

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0,0005

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rel. Kursveränderung

rel.

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genommenen Volatilität von 21 Prozent p. a. entspricht das un-gefähr einer Kursveränderung von 6,6 Prozent von t auf t + 1 – hatlediglich eine Realisierungschance von 0,000000287. Sie sollte alsonur ungefähr alle 9500 Jahre einmal vorkommen. Ein Ereignis wieder 1987er Aktienmarkt-Crash mit einer Kursveränderung von20 Prozent innerhalb eines Tages ist ein so genanntes 15-Sigma-Event und hat eine derart geringe Wahrscheinlichkeit, dass er fürdie Risikobetrachtung eigentlich unerheblich ist.

Die Realität sieht aber anders aus. Übernahmegerüchte könnenAktienkurse innerhalb von Minuten um 10 Prozent und mehr stei-gen lassen. Auf der anderen Seite gibt es reichlich Raum für nega-tive Überraschungen, die die Kurse genauso schnell einbrechenlassen können.

Die Aktie des Fernsehsenders Premiere verlor beispielsweiseam 21.12.2005 in nur zwei Stunden ca. 40 Prozent ihres Wertes,weil es dem Management nicht gelungen war, die Rechte für dieAusstrahlung der Fußballbundesliga zu erwerben.

Vergleichbare Ereignisse kommen in der realen Welt derFinanzmärkte deutlich häufiger vor, als es die Theorie der nor-malverteilten Zufallskurse zulässt. Der Zufall spielt sich nur imKleinen ab. In einem Spiel zehnmal hintereinander eine sechs zuwürfeln ist nicht unmöglich, aber sehr unwahrscheinlich. Kommtes dennoch häufiger vor, nährt das die Vermutung, dass der Wür-fel gezinkt ist. Extreme Kursausschläge am Aktienmarkt kommenzu häufig vor, als dass sie mit dem Zufall der Normalverteilungerklärbar wären. Gelten aber nicht die Gesetze der Normalver-teilung, hat das Auswirkungen auf Optionspreise, die nachBlack/Scholes berechnet werden und auf Risikomodelle, die aufder geometrisch Brown’schen Bewegung der Kurse basieren.

Und noch etwas ist auffällig und gibt Anlass zur Vermutung,dass extreme Kursausschläge keine Zufallsprodukte sein können:Sie treten gehäuft auf. Nach einer außergewöhnlichen hohenKursveränderung sind weitere große Kursschwankungen wahr-scheinlicher als kleinere Kursbewegungen. Phasen niedrigerVolatilität werden durch Phasen höherer Volatilität abgelöst. Vo-latilität hat die Tendenz zur „Klumpenbildung“ (vgl. ̆ Abb. 04).Künstlich erzeugte Zufalls-Renditen zeigen nicht diese für Wert-papiere charakteristischen Volatilitäts-Cluster. Offenbar sindKursbewegungen an realen Wertpapiermärkten nicht mehr un-abhängig voneinander. Beides zusammen – zu häufiges und ge-häuftes Auftreten von Extremwerten – ist eine Herausforderungfür das Risikomanagement.

Um die Anwendbarkeit unterschiedlicher Risikomodelle auf ver-schiedene Indizes zu überprüfen, wurde zunächst geklärt, welcheWerte häufig von Asset Managern oder Banken als Benchmarkherangezogen werden. Die Ermittlungsaufgabe wurde dabei aufdie Länder und Länderverbände Deutschland, Europa, USA undJapan beschränkt. Als Assetklassen wurden neben Volatilitätsin-dizes auch Aktien, Renten, Währungen und Rohstoffe herange-zogen. Aus einer vorher definierten Grundgesamtheit wurde je-der einzelne Index auf die Anwendbarkeit der Normalverteilunguntersucht. Besonders erwähnenswerte Erkenntnisse werden imFolgenden dargestellt.

Volatilität alleine ist kein guter Risikomaßstab

Statistiker bezeichnen die hohe Wahrscheinlichkeit für Extrem-werte in einer Verteilung mit dem Ausdruck „Fat Tail“. Ein Hin-weis für solche Fat Tails liefern empirische Daten. Die Rendite-

verteilung von Aktienindizes hat im Vergleich zu zufälligen, nor-malverteilten Renditen mit gleichem Mittelwert und gleicherStandardabweichung eine auffällig höhere Kurtosis. Die Rendi-ten gruppieren sich stärker um den Mittelwert als für normal-verteilte Renditen anzunehmen wäre (siehe ˘ Abb. 01). An denRändern liegt folglich mehr Wahrscheinlichkeitsmasse. Extremstarke Kursausschläge haben dadurch eine höhere Realisie-rungschance (vgl. ˘ Abb 02).

Diese Tendenz zu Extrem-Ereignissen lässt sich sehr gut er-kennen, wenn man die Quantile der empirischen Renditevertei-lung gegen die Quantile einer normalverteilten Zufallsvariablenabträgt. Bei diesen Quantil-Plots werden die täglichen Kursver-änderungen der jeweiligen Zeitreihe der Größe nach sortiert (von

Künstliche Kursverläufe ˘ Abb. 03

Random Walk mit Drift(Drift 3 % p.a.; Volatilität: 25 % p. a.)

80,00

90,00

100,00

110,00

120,00

130,00

140,00

0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250

Volatilitäts-Clustering bei Kursverän-derungen von realen Wertpapieren (S&P-500-Index)im Vergleich zu Zufallsrenditen

˘ Abb. 04

Log-Renditen SPX04.01.1988–18.11.2005

–0,08

–0,06

–0,04

–0,02

0

0,02

0,04

0,06

0,08

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

200

0

200

1

200

2

200

3

200

4

200

5

Normalverteilte Zufallsvariable

–0,08

–0,06

–0,04

–0,02

0

0,02

0,04

0,06

0,08

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der kleinsten zur größten Veränderung). Anschließend lässt sichder Quantilsrang durch einfaches Abzählen bestimmten. Bei1.000 der Größe nach sortierten Renditen kann man das Fünf-Prozent-Quantil der empirischen Renditen an der 50. Stelle dersortierten Renditereihe ablesen. Diesen Wert kann man jetzt mitdem theoretisch ermittelten Wert einer Normalverteilung mit glei-chem Mittelwert und gleicher Standardabweichung vergleichen.Stimmen die empirischen Werte mit den theoretischen Wertenfür alle Quantilsränge (von einem bis 100 Prozent) überein, somüssen sie zwangsläufig in einem Streuungs-Diagramm aufeiner Geraden liegen.

Je mehr die Punkte von dieser Geraden abweichen, desto un-wahrscheinlicher ist es, dass die empirische Verteilung den Ge-setzen der Normalverteilung gehorcht (vgl. ˘ Abb. 05 und˘ Abb. 06). Auf diese Weise lässt sich ein erster Eindruck ge-winnen, inwieweit die Annahme von normalverteilten Renditenals kritisch anzusehen ist. Diese Methode lässt sich auch auf an-dere Verteilungen anwenden. Notwendig ist nur die Berechnungder Inversen der kumulativen Verteilungsfunktion.

Wären in den vorliegenden Fällen die Renditen normal verteilt,lägen alle Punkte auf der rot eingezeichneten Geraden. Für denWechselkurs Euro gegen US-Dollar trifft dies annähernd zu (vgl.˘ Abb. 05). Die meisten anderen Indizes zeigen jedoch mehr oderweniger starke Abweichungen von der Norm (vgl.˘ Abb. 06).

Die Exzess-Kurtosis ist ein Charakteristikum vieler Finanz-marktzeitreihen. Diese Eigenschaft einer Verteilung wird durchAusreißer und Extremwerte beeinflusst. Während der Aktien-markt-Crash im Oktober 1987 keine nennenswerten Auswirkun-gen auf die ersten beiden Momente (Mittelwert und Standar-dabweichung) der Renditeverteilung des S&P500 hat, unter-scheiden sich Schiefe und Kurtosis doch sehr deutlich – eben ab-hängig davon, ob die extremen Renditeveränderungen währenddes Crashs berücksichtigt werden oder nicht (vgl. ˘ Tab. 01).

Asymmetrische Renditeverteilung

Für die Zwecke der Risikomessung reicht es offenbar nicht aus,nur die Streuung der Renditen zu betrachten. Volatilität allein istkein gutes Risikomaß. Entscheidend sind auch Informationenüber die Form der Verteilung und diese Form wird durch Extrem-ereignisse stark beeinflusst. Hält man sich außerdem vor Augen,dass negative Kursveränderungen bei den Investoren nachhalti-gere Empfindungen auslösen als positive Ereignisse [Kahne-

risikomanager _ marktrisiko

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mann/Tversky 1979], sollte der Asymmetrie der Renditeverteilungauch aus diesem Grunde mehr Aufmerksamkeit geschenkt wer-den. Fatalerweise sind die Renditen der Assetklasse Aktien in den

Q-Q-Plot der Wechselkursverände-rungen EUR/US-Dollar

˘ Abb. 05

EURUSD

norm

al q

uant

ile

0,025

0,020

0,015

0,010

0,005

0

–0,005

–0,010

–0,015

–0,020

–0,025

In-returns

–0,03 –0,02 –0,01 0 0,01 0,02 0,03

Q-Q-Plots unterschiedlicher Aktienindizes

˘ Abb. 06

S&P500

norm

al q

uant

ile

0,06

0,05

0,04

0,03

0,02

0,01

0

–0,01

–0,02

–0,03

–0,04

In-returns

–0,25 –0,20 –0,15 –0,10 –0,05 0 0,05 0,10 0,15

Nikkei25

norm

al q

uant

ile

0,12

0,10

0,08

0,06

0,04

0,02

0

–0,02

–0,04

–0,06

In-returns

–0,20 –0,15 –0,10 –0,05 0 0,05 0,10 0,15

DAX 30

norm

al q

uant

ile

0,08

0,06

0,04

0,02

0

–0,02

–0,04

–0,06

In-returns

–0,15 –0,10 –0,05 0 0,05 0,10 0,15

NASDAQ Composite

norm

al q

uant

ile

0,05

0,04

0,03

0,02

0,01

0

–0,01

–0,02

–0,03

–0,04

–0,05

In-returns

–0,15 –0,10 –0,05 0 0,05 0,10 0,15

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überwiegenden Fällen linksschief verteilt.Das, was den Anleger am meisten ärgert,tritt auch noch am häufigsten auf: großeKursverluste sind wahrscheinlicher alsgroße Kursgewinne. Auch hier eignen sichQuantil-Plots, um diese Tendenz anschau-lich zu machen (vgl. ˘ Abb. 07).

Besäßen positive und negative Returnsdie gleiche Wahrscheinlichkeit, müsstenalle Punkte auf der Geraden liegen. DieTatsache, dass das in den überwiegendenFällen nicht der Fall ist, beweist, dass dieRenditeverteilung nicht symmetrisch ist.Liegen die Beobachtungen unterhalb derGeraden ist die Verteilung linksschief.Negative Kursveränderungen haben danneine höhere Wahrscheinlichkeit als gleichhohe positive Kursänderungen.

Dieses Verhalten ist für Aktienmärktetypisch. Es ist kaum ein Unterschied, ob essich um Aktienmärkte in Deutschland,

Europa, USA oder Japan handelt. Dabeispielt es auch keine Rolle, ob es sich umLarge Caps, Mid Caps oder Small Capshandelt. Und auch der Anlagestil – alsoValue oder Growth – ist letztlich nichtentscheidend. Innerhalb der AssetklasseAktien herrscht das gleiche Muster vor:Extrem negative Ausschläge sind deutlichwahrscheinlicher als positive. Eine Diver-sifikation über Länder oder Stile bringt ge-rade dann nichts, wenn sie am sinnvolls-ten wäre – in turbulenten Marktphasen.Wie am Beispiel des REXP zu sehen ist,zeigen aber auch Rentenmärkte diese Artder Returnverteilung.

Nicht genug damit also, dass Verlustevon den Anlegern stärker empfunden wer-den wie Gewinne, in den klassischen An-lagekategorien Aktien und Renten ist dieWahrscheinlichkeit für Verluste ab einergewissen Größenordnung auch noch hö-

her als die Wahrscheinlichkeit für Gewin-ne. Risikoaverse Investoren sollten alsoAnlagemöglichkeiten suchen, bei denendie Renditen eher rechtsschief verteiltsind. Asymmetrien dieser Art finden sichhäufig bei Rohstoffen, wie am Beispieldes Quantil-Plots des Goldpreises zu sehenist (vgl. Abb. 08).

Auch Volatilitätsindizes zeigen diesesMuster (vgl. Abb. 09). Sie könnten sich da-mit als eigenständige Assetklasse eignenund speziell risikoaversen Investoreneine angemessenere Möglichkeit der Di-versifikation bieten. Mit der Einführungbörsengehandelter Terminkontrakte aufVolatilitätsindizes durch die CBOE imJahr 2004 und jüngst durch die EUREXsind die Möglichkeiten für einen Einsatzvon Volatilität als eigenständige Anlage-kategorie im Portfoliomanagement ver-bessert worden. Broker und Banken haben

Q-Q-Plots positiver und negativer Renditen˘ Abb. 07

DJ EuroStoxx Small Cap Growth

neg.

ret

urns

0

–0,01

–0,02

–0,03

–0,04

–0,05

–0,06

–0,07

–0,08

pos. returns

0 0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,06

NASDAQ Composite

neg.

ret

urns

0

–0,02

–0,04

–0,06

–0,08

–0,10

–0,12

–0,14

pos. returns

0 0,02 0,04 0,140,06 0,08 0,10 0,12

DAX 30

neg.

ret

urns

0

–0,002

–0,004

–0,006

–0,008

–0,010

–0,012

–0,014

–0,016

pos. returns

0 0,02 0,04 0,120,08 0,100,06

DAX 30

neg.

ret

urns

0

–0,02

–0,04

–0,06

–0,08

–0,10

–0,12

–0,14

–0,16

pos. returns

0 0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,080,070,06

Momente der Renditeverteilung˘ Tab. 01

N(0,1) SPX-86 SPX-88 DAX30 MDAX SDAX ESTX50 VDAX VSTOXX VIX Öl (WTI)Mittelwert 0 0,00036 0,00035 0,00034 0,00041 0,00032 0,00036 0,00005 -0,00012 -0,00058 0,00019Standardabweichung 1 0,01090 0,01009 0,01459 0,00898 0,00678 0,01321 0,04445 0,05205 0,05647 0,02598Schiefe 0 -2,05577 -0,22924 -0,19290 -0,74221 -1,17199 -0,09173 0,71362 1,23892 0,19807 -1,04629Kurtosis 0 43,33248 4,34663 4,30726 4,13180 11,21273 4,13009 4,05266 8,55100 0,99281 17,66610

SPX-86: Zeitraum vom 02.01.1986 – 18.11.2005, SPX-88: Zeitraum vom 04.01.1988 – 18.11.2005

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risikomanager _ marktrisiko

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für den Retailmarkt bereits Zertifikateauf Aktienmarktvolatilität aufgelegt.

Volatilität zeigt diese Asymmetrie zupositiven Renditen im Übrigen auch,wenn man den extremen Anstieg der Vola-tilität während des Aktienmarkt-Crash1987 als Ausreißer betrachtet.

Beimischung von Volatilität alsCrash-Versicherung

Durch klassische Absicherungsstrategien,wie dem Kauf von Optionen oder dyna-mische Handelsstrategien wie Stop-Lossoder CPPI (Constant Proportion PortfolioInsurance) versuchen Portfoliomanager,das Risiko von negativen Ausrutschernzu vermeiden. Ziel solcher Strategien ist– statistisch gesehen – eine Modellierungder Returnverteilung. Angestrebt wird einerechtschiefe Verteilung. Ähnliche Ergeb-nisse kann man z. B. auch durch eine ex-plizite Berücksichtigung von Volatilität imPortfolio erreichen. Die Beimischung vonVolatilität mittels Varianz-Swaps oderVolatilitätsderivaten kann zu einer deut-lichen Verstetigung der Renditen führen.Zu diesem Diversifikationseffekt kommtein möglicher Absicherungseffekt gegenAktienmarkt-Crashs hinzu [Clausius/KLoy2005]. Eine Kombination von 10 ProzentVIX (Volatilitätsindex) und 90 ProzentSPX (S&P-500-Index) reduziert die Stan-dardabweichung der Returns um ca.37 Prozent bei einer Schiefe der Return-Verteilung von 0,02 gegenüber –2,06 fürdas reine Aktien-Investment. Die Kurtosisfällt von 43 auf 6,5.

Zum Vergleich: Ein gemischtes Port-folio aus 50 Prozent Aktien (SPX) und 50Prozent Renten (JPMTUS) kann zwar dieVolatilität der Returns um ca. 48 Prozent

reduzieren, allerdings bleiben die Links-Schiefe mit –1,8 und die Kurtosis mit 38fast unverändert hoch. Die Beimischungvon Renten trägt also kaum dazu bei, dieReturnverteilung hinsichtlich der höherenMomente spürbar zu verändern – und dasbei einer um 1,1-Prozent-Punkte niedri-geren Rendite pro Jahr als im Falle derSPX-VIX-Kombination.

Folgen für das Risikomanagement

Für unabhängig identisch verteilte Rendi-ten steigt das Risiko der Kapitalanlagelinear mit der Haltedauer dieser Anlage.Im Risikomanagement ist dies als √––

T-Regel bekannt. So erlaubt die Derivate-verordnung für die Risikomessung bei In-vestmentfonds die Skalierung des Value atRisk für eine Haltedauer von zehn Han-delstagen explizit mit dieser Regel. Der ausden täglichen Kursveränderungen ermit-telte VaR darf durch Multiplikation mit √––––

10auf den Zehn-Tages VaR hochgerechnetwerden. Es wird implizit unterstellt, dassdie Zehn-Tages-Renditen aus der gleichenVerteilung stammen wie die Ein-Tages-Renditen.

Ein Vergleich auf Basis der historischenRenditen in unterschiedlichen Märktenzeigt aber, dass dies nicht in allen Fällenohne weiteres angenommen werden darf.Small Cap Aktien (sowohl Small CapGrowth als auch Small Cap Value) zeigenz. B. eine deutliche Abweichung zwischenEin-Tages- und Zehn-Tages-Renditen (vgl.˘ Abb. 11).

Wären die Annahmen unabhängig undidentisch verteilter Renditen korrekt, somüssten die Punkte der Ein- und Zehn-Tages-Renditen auf der eingezeichnetenGeraden liegen, die sich aus der √––

T-Regel

ergibt. Die Tatsache, dass Renditepunktein den vorliegenden Beispielen im nega-tiven Ast über der Geraden liegen, bedeu-tet, dass das Risiko durch die √––

T-Skalie-rung unterschätzt wird. Der Value at Riskwird für die Haltedauer von zehn Tagenniedriger ausgewiesen, als er tatsächlichist. Wie groß dieser Fehler in unterschied-lichen Märkten und Assetklassen ist, lässtsich durch eine einfache Optimierungquantifizieren. Die Steigung der Geradenin ˘ Abb. 10 und ˘ Abb. 11 symboli-siert die Gültigkeit der √––

T-Regel. Für Punk-te auf dieser Geraden gilt:

Zehn-Tages-Rendite = Ein-Tages-Rendite × √––10

Dreht man diese Gerade nun so, dass ihreSteigung mit der Steigung der besten An-passungsgeraden durch die jeweilig reali-sierten Rendite-Punkte übereinstimmt,kann man abschätzen, wie weit man imkonkreten Fall von der √––

10-Regel ab-weicht. Für die verschiedenen Indizes undAssetklassen ergeben sich dabei die aus˘ Tab. 02 ersichtlichen Werte:

Q-Q-Plot der Wahrscheinlichkeit positiver und negativer Renditen bei Gold

˘ Abb. 08

GOLD

neg.

ret

urns

0

–0,02

–0,04

–0,06

–0,08

–0,10

–0,12

–0,14

–0,16

–0,18

–0,20

pos. returns

0 0,02 0,04 0,200,120,08 0,10 0,14 0,16 0,180,06

Q-Q-Plot der Wahrscheinlichkeit positiver und negativer Renditen bei Volatilität

˘ Abb. 09

VIX/VXO

neg.

ret

urns

0

–0,01

–0,02

–0,03

–0,04

–0,05

–0,06

–0,07

pos. returns

0 0,02 0,04 0,120,08 0,100,06

Aktienmarkt-Crash 1987

Gültigkeit der√––T-Regel

˘ Tab. 02

Index Wurzel-T Index Wurzel-T

DJIA 10,76 JPMGEMLC 10,63SPX 10,87 JPMTUS 10,53SXXP 10,17 JPMTJPN 12,77DAX 10,38 REXP 11,43NKY 10,09 USDJPY 11,41SSGT 17,01 EURUSD 9,98SSVT 19,28 DEMJPY 10,45SLVT 9,47 XEUJPY 10,08SLGT 8,51 DEMUSD 10,84TDXK 14,05 GOLD 12,05CCMP 12,84 NRGISWCL 9,29MJP0TR 12,12 CRB 9,95QW5A 12,09 VIX 5,38Ideal 10

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Werte über zehn bedeuten eine Unter-schätzung des Risikos bei Anwendungder √––

T-Regel. Werte unter zehn signali-sieren hingegen eine Überschätzung desRisikos. Für die angesprochenen Small-Cap Indizes (SSGT und SSVT) lässt sichdas Risiko also eher durch Skalierung mit√––17 oder √––

19 quantifizieren. An dieser Stelle muss allerdings fairer-

weise darauf hingewiesen werden, dass diehier ermittelten Werte auch vom jeweili-gen Beobachtungszeitraum abhängig seinkönnen. Sie reagieren in der Regel sensi-tiv auf große Kursveränderungen und„Ausreißer“. Dieser Effekt muss aber kei-neswegs nachteilig gesehen werden, dennes sind ja gerade die extremen Kursbewe-gungen, die für das Risikomanagement be-deutsam sind.

Kontinuierlicher Handel undInformationsfluss

Renditen (= Kursänderungen) sind eine di-rekte Folge von neuen Informationen, dieauf den Markt treffen. So lautet zumindestdas Postulat der Anhänger effizienterMärkte. Hilfsweise wird hierbei unter-stellt, dass ein kontinuierlicher Handelstattfindet, der diese neuen Informationenverarbeitet. Was aber ist mit Handels-unterbrechungen? Sie bedeuten nichtgleichzeitig auch Unterbrechungen im In-

formationsfluss. Es treffen Informationenauf den Markt, die nicht zeitgleich zuKursanpassungen führen können.

Mit den vorliegenden Tagesdaten ameinfachsten auszuwerten sind die natür-lichen Handelsunterbrechungen an Wo-chenenden und Feiertagen. Die Kursver-änderung von Freitag auf Montag bein-haltet kursrelevante Informationen vondrei Tagen, während für die Renditen vonMontag auf Dienstag nur Informationenvon einem Tag verarbeitet werden müssen.Inwieweit haben diese über das Wochen-ende oder über Feiertage kumuliertenInformationen Auswirkungen auf dieRenditen bzw. auf die Eigenschaften derRenditeverteilung?

Einen ersten Hinweis müssten die Ver-teilungsparameter der empirischen Ren-diten geben können (vgl. ˘ Tab. 03).Dazu wurden Wochenenden und Feierta-ge aus den Tageszeitreihen herausgefiltert.Betrachtet werden also nur Renditen vonaufeinander folgenden Tagen. Damit sindgenerell die Kursveränderungen von Frei-tag auf Montag nicht enthalten; ebenso-wenig Kursveränderungen über handels-freie Tage und Feiertage.

Mit Ausnahme des Index für die Volati-lität europäischer Aktien (VSTOXX) unddem Preis für Rohöl (Sorte West TexasIntermediate) liegt die Kurtosis in allenanderen Fällen unter der, die inklusive

der Preisveränderungen von Freitag aufMontag berechnet wurde – teilweise sogarsehr deutlich Auch die Schiefe fällt ten-denziell geringer aus. Die Standardab-weichung der Renditen ist in allen Fällenniedriger, wenn Wochenenden und Feier-tagsunterbrechungen in der Berechnungnicht berücksichtigt werden. Ein nicht un-beachtlicher Anteil des Risikos in Wert-papierportfolios ist also auf diesen Wo-chenend-Effekt zurückzuführen. DiesesRisiko lässt sich nur durch aufwendigeund teure Derivat-Strategien reduzieren.Eine Absicherung nur über die Wochen-enden wird in den meisten Fällen wohlkaum praktikabel sein. Umso mehr solltenInvestments mit Diversifikationspotentialaufgrund ihrer rechtsschiefen Rendite-Verteilung in Asset-Allokations-Überle-gungen einbezogen werden.

Mean-Reversion-Modelle

Andere Assetklassen wie Rohstoffe oderVolatilitätsindizes zeigen sogar ganzaugenfällig Kursverläufe, die nicht durcheine geometrische Brown’sche Bewegungder Kurse zustande gekommen sein kön-nen. Gerade bei Rohstoffen ist die Preisbil-dung in der Regel von Produktionskosten,bestehenden Kapazitäten und einer Nach-fragekomponente geprägt. Diese Faktorenbestimmen den langfristigen Gleichge-

Q-Q-Plot von 1-Tages- gegen Zehn-Tagesrenditen bei Small Cap Growth

˘ Abb. 10

DJ EuroStoxx Small Cap Growth

1 da

y re

turn

s

0,050,040,030,020,01

0–0,01–0,02–0,03–0,04–0,05–0,06

10 day returns

–0,25 –0,20 –0,15 0,200,05–0,05 0 0,10 0,15–0,10

Q-Q-Plot von Ein-Tages- gegen Zehn-Tagesrenditen bei Small Cap Value

˘ Abb. 11

DJ EuroStoxx Small Cap Value

1 da

y re

turn

s

0,04

0,03

0,02

0,01

0

–0,01

–0,02

–0,03

–0,04

10 day returns

–0,20 –0,15 0,100,05–0,05 0–0,10

Momente der Renditeverteilung ohne Wochenend- und Feiertagseffekte ˘ Tab. 03

N(0,1) SPX-86 SPX-88 DAX30 MDAX SDAX ESTX50 VDAX VSTOXX VIX Öl (WTI)Mittelwert 0 0,00034 0,00022 0,00013 0,00034 0,00016 0,00022 -0,00294 -0,00423 -0,00277 0,00035Standardabweichung 1 0,01014 0,00986 0,01356 0,00854 0,00626 0,01234 0,04239 0,05145 0,05517 0,02446Schiefe 0 0,01792 -0,10277 -0,08163 -0,69958 -0,76929 -0,07645 0,51587 1,54849 0,16914 -1,61235Kurtosis 0 4,83867 3,68559 3,11572 3,38323 5,77054 3,37616 2,46330 11,22294 0,70167 23,52345

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risikomanager _ marktrisiko

10

wichtspreis, um den die Kurse mehr oderweniger zufällig schwanken. Preis-Aus-reißer nach oben kommen dann zustande,wenn plötzlich Kapazitäten ausfallen.

Typisch sind die Preisspitzen beim Roh-öl aufgrund von politischen Spannungenin den erdölfördernden Regionen oderPreisausschläge bei Strompreisen auf-grund zeitweiligen Ausfalls von Kraft-werkskapazitäten. Der Bedarf kann kurz-fristig nicht gedeckt werden. Eine Substi-tution der Nachfrageseite ist kurzfristignicht möglich. Es kommt zu Preisspit-zen. Diese bilden sich allerdings auch wie-der mehr oder weniger schnell zurück, so-bald die ausgefallenen Kapazitäten wiederzur Verfügung stehen. Solche Kursver-läufe können mit dem Random Walk-Modell nicht adäquat abgebildet werden.

Weil die Kurse nach solchen Preisspit-zen immer wieder zu ihrem langfristigenMittelwert zurückkehren, spricht man von„Mean Reversion“. Die Geschwindigkeit,mit der dies geschieht, wird „Mean Re-version Speed“ genannt. Im Vergleichzum Random-Walk-Modell lässt sich eineinfaches Mean-Reversion-Modell formalwie folgt darstellen:

Dabei ist

die Kursveränderungsrate von t auf t + 1,α ist die Mean Reversion Rate oder MeanReversion Speed, Sm ist der langfristigeGleichgewichtspreis, σ ist die Volatilitätund ε1 ist die zufällige Kursänderungs-komponente.

Durch den Ausdruck

und den Mean Reversion α Speed-Faktorwird gewährleistet, dass sich die Kursenicht beliebig weit von ihrem Median ent-fernen können, was bei der geometrischBrown’schen Bewegung noch möglich ist.Je höher der Mean-Reversion-Speed-Faktor, desto schneller wird eine Gegen-bewegung der Kurse hin zum Gleichge-wichtspreis erzwungen.

Ein solches Mean-Reversion-Modell istz. B. für Volatilitätsindizes und die Ren-diteverteilung vieler Rohstoffe realistischerals das Random-Walk-Modell. Volatilitäts-indizes zeigen langfristig keine Trends.Phasen der Nervosität und Unsicherheitan den Aktienmärkten werden durch Pha-sen mit stabileren Erwartungen hinsicht-lich zukünftiger Konjunkturentwicklun-gen und Ergebnisentwicklungen von Fir-men abgelöst (vgl. ˘ Abb. 12). Volatilitätkann nicht unendlich steigen und sie kannnicht unendlich fallen. Das Mean-Rever-sion-Modell beschreibt das Auf und Ab derVolatilität daher besser als das Random-Walk-Modell. Mit entsprechenden Modifi-kationen kann man auch die charakteris-tischen Volatilitätsspitzen modellieren.

Durch Hinzufügen einer „jump“ oder„spike“-Komponente im Kursbildungs-prozess lässt sich die für Volatilität cha-rakteristische positive Schiefe in der Ren-diteverteilung nachbilden. Modelle wiedas Mean-Reversion-Modell oder dasJump-Diffusion-Modell haben allerdingsnicht mehr die eleganten mathematischenund statistischen Eigenschaften der Nor-malverteilung. Mit einer stärkeren An-näherung an die Realität der Kursbildung

muss auch auf gewohnte Risikomessme-thoden verzichtet werden.

Im Mean-Reversion-Modell sind dieKursveränderungen im Gegensatz zumRandom Walk Modell nicht mehr unab-hängig voneinander. Die Varianz einesMean-Reverting-Kurspfades wächst nichtlinear mit der Zeit, sondern ist stationärund strebt einem festen Grenzwert zu.

Das hat zur Folge, dass in der Risiko-messung nach Value at Risk, dieser eben-falls nicht mehr mit √––

T über die jeweiligenHalteperioden wächst. Der Value at Risküber eine Haltedauer von 10 Tagen ist dannnicht mehr gleich dem Value at Risk (1 Tag)× √––

T . Er ist umso niedriger, je höher derMean-Reversion-Speed-Faktor α ausfällt.˘ Abb. 13 veranschaulicht diese Abhän-gigkeit. Für α = 0 (das ist der Fall der geo-metrisch Brown’schen Bewegung) strebtdie Volatilität mit zunehmender Halte-dauer gegen unendlich. Der Value at Riskwird in diesem Fall umso höher ausge-wiesen, je länger die Haltedauer gewähltwird. Der Value at Risk eines Mean-Rever-ting-Kursverlaufes ist ab einem gewissenPunkt unabhängig von der Haltefrist.

Um Risikokennziffern wie den Value atRisk realistischer zu ermitteln, müssen sta-tistische Verteilungen gesucht oder model-liert werden, die sich besser an die empiri-sche Verteilungsfunktion von Wertpapier-renditen anpassen. Leider ist das nicht im-mer die Normalverteilung mit ihren schonbeschriebenen statistisch angenehmen Ei-genschaften. Für die Abbildung von „FatTails“ sind andere Verteilungsfunktionenmeist besser geeignet. Aber welches ist dierichtige Verteilung für die jeweiligen em-pirischen Daten? Viele Studien verwerfendie Hypothese von normalverteilten Re-

Mean-Reversion-Eigenschaft der Volatilität

˘ Abb. 12

VDAX

70

60

50

40

30

20

10

01992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 20052000 2001 2002 2003 2004

Entwicklung der Standardabweichung in einem Mean-Reversion-Modell in Abhängigkeit desMean-Reversion-Speed-Parameters α

˘ Abb. 13

Stam

dard

abw

eich

ung

der

In-r

etur

ns

0,20

0,18

0,16

0,14

0,12

0,10

0,08

0,06

0,04

0,02

0

Kursänderungsintervall in Tagen

10 25 40 55 70 85 100 115 205 220 235 250130 145 160 175 190

α = 0

α = 0,01

α = 0,03

α = 0,05

α = 0,20

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turns. Mandelbrot und Fama haben bereits1963 darauf hingewiesen, dass eine Pareto-Verteilung die Fat Tails von Finanzmarkt-Daten besser abbilden kann, als eine Nor-malverteilung [Mandelbrot 1963; Fama1963]. Die Wahl der Verteilungsannahmebeeinflusst die Ergebnisse der Risikomes-sung. Und diese Abweichungen sind oftnicht unerheblich, da sich eine Risikobe-trachtung an den Rändern der jeweiligenVerteilung abspielt. Abweichende Vertei-lungsannahmen wirken sich hier in der Re-gel am stärksten aus. Der Fehler von Miss-Spezifizierungen ist hier am größten.Unterschiedliche Assetklassen haben, wiezu sehen war, unterschiedliche Rendite-verteilungen. Und nicht genug damit –diese Charakteristika ändern sich auch imZeitablauf. Die Kursmuster von Aktien,Bonds und Rohstoffen sind nicht zu allenZeiten gleich. Die oben beschriebenenQuantil-Plots eignen sich, um einen er-sten Eindruck darüber zu erhalten, inwie-weit sich die Daten an eine bestimmte sta-tistische Verteilung anpassen lassen. Quan-til-Plots lassen sich auch für andere Ver-teilungen erstellen. Der Nachteil ist, dassdie Mathematik in vielen Fällen sehr schnellsehr komplex wird. Oft existieren keine ge-schlossenen Formeln zur analytischen Aus-wertung der Verteilungsfunktion, so dassauf Computer-Simulationen zurück-gegriffen werden muss. Risikokennzahlenallein auf der Basis der empirischen Ver-teilung der Renditen sind auf der anderenSeite sensitiv gegenüber Ausreißern in denDaten und nicht repräsentativ, also auchkeine Lösung. q

Fazit

Für die Beurteilung von Risiko und Ertrag vonInvestmentstrategien im Portfoliomanage-ment ist es entscheidend, welcher statistischeProzess die Kursbildung der einzelnen Assetstreibt und welcher Verteilung die Returns ge-horchen. Die empirischen Daten weisen eineHäufung von Renditesprüngen auf, die durchdie Statistik der Normalverteilung nicht adä-quat beschrieben werden kann.Hinzu kommt, dass positive und negativeKursveränderungen nicht gleichwahrscheinlichsind. Die Renditeverteilung ist nicht symme-trisch. Die Theorie der Normalverteilung mitihrer eleganten Möglichkeit zur Auswertungvon Risikoparametern verleitet dazu, sie auchim Investmentbereich einzusetzen. Risiko-maße wie Volatilität und Value at Risk fallenaber anders aus, wenn Returns nicht un-

abhängig normalverteilt sind. Die Anwendungder √––

T-Regel für die Risikoskalierung auf ver-schiedene Haltefristen kann das wahre Risikoüber- oder unterschätzen. Realistischere Ver-teilungsannahmen für Renditen sind meistkomplizierter auszuwerten, und es existierenoft keine geschlossenen Formeln für deren Ver-teilungsfunktion. Die Kursbildung von alternativen Assetklassen,wie Rohstoffe und Volatilitäten folgt oft ganzanderen Gesetzen als denen der geometrischBrown’schen Bewegung. Passive Investment-strategien wie Buy & Hold ergeben keinenSinn, wenn wir es mit Mean-Reverting-Kurs-verläufen zu tun haben. Klassische Mean-Variance-Optimierungen nach Markowitzsind in solchen Fällen nicht für eineAssetallokation im Portfoliomanagement ge-eignet. Risikoberechnungen auf der Basis vonStandardabweichungen der Returns zeichnenein falsches Bild, sobald die Annahme derNormalverteilung aufgehoben ist. Dabei kann die Kombination von Assets mitunterschiedlichen Renditeverteilungen eineinteressante Portfoliokombination darstellen.Die Berücksichtigung auch der höherenMomente einer Verteilung in der Portfolio-optimierung kann die traditionelle Links-Schiefe der Renditeverteilung klassischerAktienportfolios deutlich reduzieren. DasRisiko von „Fat Tails“ in den Portfolios kannverringert, die Annahme der Normalverteilungsomit eher gerechtfertigt werden. Durch dieEinführung von börsengehandelter Derivateauf Volatilität durch die CBOE in 2004 unddie EUREX in 2005 ist der Einsatz dieserneuen Assetsklasse auch für institutionelleAnleger erleichtert worden. Aufgrund derspeziellen Mean-Reverting-Charakteristik istder Handel mit diesen Instrumenten und dieoptimale Gewichtung im Portfolio jedochkeine triviale Aufgabe.

Quellenverzeichnis:Clausius, H.; Kloy, J. W. (2005): Volatilität – Eine neue

Assetklasse oder Crash-Versicherung?, in: Kreditwesen

3/2005

Fama, E (1963): Mandelbrot and the Stable Paretian

Hypothesis, in: Journal of Business 35/1963,

S. 420–429.

Kahneman, D.; Tversky, A. (1979): Prospect Theory –

An Analysis of Decision Making under Risk, in:

Econometrica 47, No. 2/1979.

Mandelbrot, B. (1963): The Variation of Certain

Speculative Prices, in: Journal of Business 35/1963,

S.394–419.

Autoren: Kai Gammelin, MünchenJörg W. Kloy, ist Consaltant und beschäftigtsich mit den Themen Derivate, Risikoma-nagement und Asset Allocation

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