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G
Risikobewertung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Kindesalters
Klaus AbrahamAbteilung für Lebensmittelsicherheit
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 2
Problem bei der Risikobewertung einzelner Substanzen:
- möglicher stärkerer adverser Effekt bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen
- möglicherweise eigenständige Effekte, die nur bei Kindern auftreten
Wie kann es dazu kommen?
Beispiele
Sicherheits-Faktoren zum adäquaten Schutz von Kindern
Risikobewertung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Kindesalters
Einführung
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 3
Seveso 1976
10. Juli: Unfall in der chemischen Fabrik ICMESA, Freisetzung von TCDD über mehrere Stunden.
nach zwei Wochen: Zone A evakuiert, nachdem Tiere verendet waren und Kinder erste Zeichen einer Hautentzündung zeigten
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 4
Seveso 1976
187 Fälle von Chlorakne 88% Kinderam schwersten betroffen (Schweregrad III und IV): 19 Kinder aus der Zone A
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 5
ExpositionKinder könnten eine höhere Dioxin-Dosis aufgenommen haben
(Spielen im Freien, Bodenkontakt, Gemüse-Verzehr)
Kinetik (Pharmakokinetik, Toxikokinetik)Kinder könnten Dioxin schlechter abbauen und deshalb eine
höhere Konzentration im Körper erreichen
Dynamik (Pharmakodynamik, Toxikodynamik)die Haut von Kindern könnte auf Dioxin empfindlicher reagieren
als die von Erwachsenen
Warum waren Kinder stärker betroffen als Erwachsene?
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 6
externe Dosis
interne Dosis
zelluläre Dosis
Pathologie Gewebe-reaktion
molekulare Reaktion
Dyn
amik
Kin
etik
Exposition
Toxikologie
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 7
Verhalten Hand-Mund-Aktivitäten, Spielen am Boden
Physiologie Atemrate ↑, körperliche Aktivität ↑Ernährung (quantitativ und qualitativ)
eventuell höhere Aufnahme-Dosis
Resorption eventuell erhöht
Verteilung rel. Organgrößen, Blutfluss↑, Blut-Hirn-Schranke ↓
Metabolisierung rel. große Leber, Stoffwechselaktivität ↓ ↑
Ausscheidung Nierenfunktion ↓ kurz nach Geburteventuell höhere Konzentration am Zielorgan
Quant. Unterschiede meistens wenig drüber bekannt
Qualitativ anders Störung der Entwicklung: Gehirn, Immunsystem,
Hormonsystem, Wachstum, Sexualentwicklungeventuell stärkerer oder anderer Effekt am Zielorgan
Dyn
amik
Kin
etik
Exp
osi
tio
n Toxikologie
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 8
Verhalten
Physiologie
eventuell höhere Aufnahme-Dosis
ResorptionVerteilung
MetabolisierungAusscheidungeventuell höhere Konzentration am Zielorgan
Quant. Unterschiede
Qualitativ anders
eventuell stärkerer oder anderer Effekt am Zielorgan
Dyn
amik
Kin
etik
Exp
osi
tio
n Toxikologie
Problem:
viele Faktoren gleichzeitig
oft: fehlende Daten
abhängig vom Alter
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 9
Beispiel: akute luftgetragene Exposition nach Freisetzung
von flüchtigen organischen Substanzen bei einem Unfall
Exposition Atemluft
Kinetik Inhalation
Verteilung über Blutbahn OrganeMetabolisierung/Exhalation
Physiologisch basierte
Modellierung der
(Pharmako-)Kinetik(PBPK):
erlaubt gleichzeitige Berücksichtigung
zahlreicher Faktoren
altersabhängige Daten:
AtemratenOrgangrößen, BlutflussratenVerteilungskoeffizientenMetabolisierungkonstanten
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 10
alveolar space
adipose tissue
muscle/skin
vessel rich organs
skeleton
brain
kidney
liver
metabolism
arterial blood
venous blood
Annahmen für den Metabolismus von CYP2E1 in der Leber:
Neugeborenes: 14% 1-jähriges Kind: 50%im Vergleich zu älteren Kindern und Erwachsenen (100%)
Vieira et al., 1996
Beispiel: akute luftgetragene Exposition nach Freisetzung
von Styrol bei einem Unfall: PBPK-Modellierung
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 11
Beispiel: akute luftgetragene Exposition nach Freisetzung
von Styrol bei einem Unfall: Modellierung
1614121086420
0.025
0.02
0.015
0.01
0.005
0arte
riel
le K
on
zen
trat
ion
en (
mg
/L) Neugeborenes
1 Jahr
5 Jahre
10 Jahre
15 Jahre
Erwachsener
Zeit (Std.)
Konzentration in der Luft: 1 ppm
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 12
Zeit (Std)
Styrol-Konzentration in der Luft
Beispiel: akute luftgetragene Exposition nach Freisetzung
von Styrol bei einem Unfall: Modellierung
Verhältnis der arteriellen KonzentrationenNeugeborenes:Erwachsener
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 13
Beispiel: anorganisches Blei
Exposition ev. erhöht
Kinetik erhöhte Resorptionsratenbei Kleinkindern gegenüber Erwachsenen
Dynamik
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 14
Beispiel: anorganisches Blei
Exposition ev. erhöht
Kinetik erhöhte Resorptionsratenbei Kleinkindern gegenüber Erwachsenen
Dynamik höhere Empfindlichkeit: Störung der Hämoglobin-Synthese
entwicklungsneurologische Effekte
Canfield et al. 2003
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 15
0,0
1,0
2,0
3,0
4,0
5,0
6,0
7,0
8,0
0 10 20 30 40 50
Vollstilldauer (Wochen)
Kind/Mutter
Problem: lange HalbwertszeitJedoch: bisher kein Anhalt für adverse Effekte bei lang gestillten Kindern
zahlreiche Vorteile des Stillens belegt
Beispiel: Exposition gegenüber
unerwünschten Substanzen
in der Muttermilch:
Dioxine u.a. langlebige
Organohalogenverbindungen
Dioxin-Konz. (pg/g Blutfett)
0
20
40
60
80
100
120
0 10 20 30 40 50
Vollstilldauer (Wochen)
Alter: 11 Monate
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 16
Beispiel: Exposition gegenüber
unerwünschten Substanzen
in der Säuglingsmilchnahrung:
3-MCPD*-FettsäureesterGlycidol-Fettsäureester
* 3-Monochlorpropandiol
enthalten 3-MCDP- und Glycidol-Fettsäureester (je ca. 1 mg/kg)durch die Hitze-Behandlung bei der Raffination der Fette
Glycidol: als wahrscheinliches Humankanzerogen eingestuftderzeit ungeklärt: Bioverfügbarkeit Glycidol-Fettsäureester
Problem: pflanzliche Fette
Exposition:Erwachsene ca. 0,3 g/kg KG täglich (75. Perzentile)
nicht-gestillte Säuglinge bis zu 6 g/kg KG täglich
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 17
Frage: Höhere Krebs-Empfindlichkeit bei Kindern ?
Hohe Zellteilungsrate während des Wachstums kann zum vermehrten Auftreten von Mutationen und zu klonaler Expansion von Zellen mit
Mutationen führen.
zudem: Teile des Immunsystems sind noch nicht voll entwickelt
Empfehlung in einem US-EPA-Draft Dokument (2003) nach Auswertung
tierexperimenteller Studien:
bei gentoxischem Mechanismus zusätzlicher Sicherheits-Faktor von
10 für Kinder im Alter von 0 - 2 Jahren3 für Kinder im Alter von 2 -15 Jahren
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 18
Risikobewertung
Toxisches Potential ?kritischer Effekt ?
wie giftig ist die Substanz ?
Exposition ? z.B. Gehalte in Lebensmitteln ?
Verzehrsmengen ?
ADI/TDI-Wert tägliche Aufnahme
Risiko ?
Sicherheits-
faktoren
Berücksichtigung der Besonderheiten des Kindesalters
ExpositionKinetikDynamik
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 19
Grundsätzlich sollte bei jeder Einzelsubstanz geprüft werden, in wie weit die Faktoren Exposition, Kinetik und Dynamik zu stärkeren Wirkungen bei
Kindern führen können.
Schlussfolgerungen
Oft scheitert dies jedoch an fehlenden Daten; das gilt jedoch nicht nur für
Kinder, sondern auch für andere im Einzelfall möglicherweise empfindliche Gruppen in der Bevölkerung.
Dies wird in der Risikobewertung oft durch die Anwendung eines Sicherheitsfaktors von 10 berücksichtigt. Dieser Faktor ist geeignet, in den
allermeisten Fällen die Sicherheit von Kindern ausreichend zu gewährleisten.
Je jünger das Kind ist, desto stärker kann die Empfindlichkeit gegenüber
Erwachsenen erhöht sein. Kinder können aber auch unempfindlicher als Erwachsene sein.
Dies gilt für jedoch nicht für Effekte, die nur bei Kindern auftreten:hier muss eine eigenständige Bewertung erstellt werden
PD Dr. K. Abraham, 29.06.2009, 7. BfR-Forum: Das Kind als Verbraucher Seite 20
SevesoWarum waren Kinder stärker betroffen als Erwachsene?
Expositionviele Kinder haben damals tatsächlich eine deutlich höhere Dioxin-Dosis
aufgenommen (Blutanalysen 1990er Jahre).
KinetikKinder haben das Dioxin (TCDD) über Jahre deutlich schneller als Erwachsene abgebaut.
Dynamikmöglicherweise ist die Haut von Kindern empfindlicher für Chlorakne
BU
ND
ES
INS
TIT
UT
F
ÜR
RIS
IKO
BE
WE
RT
UN
G
DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT
Klaus Abraham
Bundesinstitut für Risikobewertung
Thielallee 88-92 � D-14195 Berlin
Tel. 0 30 - 84 12 - 0 � Fax 0 30 - 84 12 – 37 63
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