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898 Stahlbau 81 (2012), Heft 11 Persönliches Persönliches Rolf Kindmann 65 Jahre Rolf Kindmann, seit dem 1. Januar 1990 Ordinarius für Stahl- und Verbundbau an der Ruhr-Universität Bochum, voll- endete am 5. November sein 65. Lebens- jahr. Demzufolge wird er zum Ende des Wintersemesters 2012/13 emeritiert und bis zu diesem Zeitpunkt alle bisherigen Aufgaben in Lehre, Forschung und aka- demischer Selbstverwaltung ausüben. Nichts anderes hätte man auch von ihm erwartet, der sich seit seinem Studium mit Leib und Seele dem Stahl- und Ver- bundbau verschrieben hat und – nach der Umfirmierung seines Lehrstuhls in Stahl-, Holz- und Leichtbau im Jahre 2009 – zusätzlich auch den Holzbau und den Leichtbau in Lehre und For- schung vertritt. Rolf Kindmann kann auf eine lange, außerordentlich erfolgreiche Zeit als Hochschullehrer und als Ingenieur so- wie Prüfingenieur zurückblicken: Durch seine unverwechselbare Art, aktuelle Forschungsergebnisse mit den Anforde- rungen der Ingenieurpraxis in Einklang zu bringen und selbst komplizierte Sach- verhalte anschaulich vermitteln zu kön- nen, hat er zahlreiche Generationen von Studierenden der heutigen Fakultät für Bauingenieur- und Umweltingenieurwis- senschaften an der Ruhr-Universität Bo- chum für den Stahlbau begeistern kön- nen. Dies ist im Hinblick auf andere, in der Beliebtheit mit dem Stahlbau kon- kurrierende Fachgebiete keine Selbstver- ständlichkeit! Seiner Lehre wurde von den Studierenden durchgängig das aller- höchste Lob gezollt, was als eine beson- dere Auszeichnung seiner Person anzu- sehen ist. Seine hervorragenden, auf die modernen Anforderungen des Stahlbaus zugeschnittenen Lehrbücher, auf die nachfolgend noch mehrmals eingegan- gen wird, haben dabei sicherlich mit zu dem großen Lehrerfolg von Rolf Kind- mann beigetragen. Ein Blick auf den Lebenslauf und Be- rufsweg von Rolf Kindmann macht deut- lich, dass er seine Karriere als Bauinge- nieur immer vorbildlich geplant hat und seine Planung zielbewusst umzusetzen vermochte: Seine Schulzeit schließt er mit dem Abitur an einem Gymnasium in Castrop-Rauxel ab, wobei er schon als Schüler in einer Baufirma, ebenfalls in Castrop-Rauxel, arbeitet. Zunächst, um zusätzlich Geld für sich und seine aus der ehemaligen sowjetischen Besatzungs- zone (SBZ) geflüchtete Mutter zu ver- dienen, dann jedoch, weil ihm das „Le- ben und Schaffen auf dem Bau“ gefällt. Noch als Gymnasiast entdeckt er so sein Faible für den Beruf des Bauingenieurs. Nachdem er im Anschluss an sein Abitur seinen Wehrdienst beim Bundesgrenz- schutz absolviert hat, steht für ihn des- halb der Wunschberuf fest: Bauingenieur mit Ausrichtung auf den Konstruktiven Ingenieurbau! Es war eine glückliche Fügung, dass nahezu zeitgleich mit dem Ende seiner Dienstzeit beim Bundesgrenzschutz, nicht weit von seinem Heimatort Castrop-Rau- xel entfernt, ab 1967 an der neugegrün- deten Ruhr-Universität Bochum die da- malige Fakultät „Maschinenbau und Konstruktiver Ingenieurbau“ eingerich- tet wurde. Der Idee eines der namhaftes- ten Gründungsprofessoren dieser Fakul- tät, Wolfgang Zerna, folgend, wurden – für Deutschland neuartig, aber zugleich international richtungsweisend – theore- tische, numerische und experimentelle Lösungskonzepte im Ingenieurwesen sy- nergetisch zusammengeführt. Die wich- tige Basis für das, was man heute auf „neudeutsch“ mit „Computational Me- chanics and Structural Engineering“ be- zeichnen würde, war geschaffen. Rolf Kindmann, der sich 1969 als einer der ersten Studenten für den neuartigen Stu- diengang „Konstruktiver Ingenieurbau“ der damaligen Bochumer Fakultät ein- schrieb, wurde durch diese Neuausrich- tung in Lehre und Forschung maßgeb- lich geprägt. Seine bereits erwähnten zahlreichen Lehrbücher, in denen Theo- rie, Berechnung, Experimente und Pra- xisbelange miteinander verzahnt wer- den, sind mit Beleg hierfür. Maßgeblichen Einfluss auf seinen spä- teren Berufsweg hatte dann aber vor al- lem die Berufung des hochrenommierten Stahlbauprofessors Karlheinz Roik, nach Bochum, eines in Deutschland führen- den Stahlbauwissenschaftlers, der wäh- rend des Hauptstudiums von Rolf Kind- mann 1972 von der TU Berlin zur Ruhr- Universität Bochum wechselte. Dessen charakteristischer industrieller Führungs- stil und dessen hohe Fachkompetenz tru- gen dazu bei, dass sich Rolf Kindmann endgültig dazu entschied, „Stahlbauer“ zu werden. Nach bestandener Diplomprüfung im Februar 1974 geht Rolf Kindmann, wie es sich für einen jungen begabten Stahl- bauer geziemt, zunächst in die „harte Praxis“. Er nimmt bei der Firma Rhein- stahl-Klönne in Dortmund, in der Abtei- lung Stahlbrückenbau, eine Stelle als Statiker an, die er mit Elan und Begeis- terung ausfüllt. Zu seinen Tätigkeiten gehören Entwurfs- und Bemessungsauf- gaben sowie die Bearbeitung von Ange- boten zu Bauprojekten, die nur zu oft unter dem in der Praxis vorherrschen- den Zeitdruck stehen. Auch seine im Bochumer Studium erworbenen Spezial- kenntnisse im Umgang mit EDV und Computern kann er erstmals unter Be- weis stellen: So entwickelt er eigene Be- rechnungs- und Bemessungsprogramme, die bald von anderen Kollegen in der Stahlbaufirma genutzt werden. Zudem wird sehr schnell sein Talent bei der Lö- sung schwieriger Aufgaben erkannt, so dass Rolf Kindmann schon nach kurzer Zeit mit wichtigen Forschungs- und Ent- wicklungsaufgaben betraut wird. Beson- ders anspruchsvoll ist seine Mitarbeit im Forschungsprojekt „Stahlfahrweg Ma- gnetschwebebahn“, mit dem die Firma Rheinstahl-Klönne seinerzeit beauftragt wurde. Seine schon im Studium gereifte Vor- stellung, in vorderster Linie wissenschaft- lich im Stahlbau zu arbeiten, kann Rolf Kindmann dann 1974 verwirklichen: Ihm wird am Bochumer Lehrstuhl für Stahlbau von Karlheinz Roik die Stelle eines wissenschaftlichen Assistenten an- geboten. Mit den in Bochum neu ge- wonnenen experimentellen Möglichkei- ten, gestützt auf moderne Rechen- bzw. Computermethoden, ist es ihm so mög- lich, die Forschung im Stahlbau sowie im aufkommenden Stahlverbundbau mit voranzubringen. Zusammen mit anderen befähigten Mitarbeitern des Lehrstuhls von Karlheinz Roik, von denen viele in- zwischen auf Stahlbauprofessuren beru- fen worden sind, wurde Rolf Kindmann für umfangreiche Aufgaben in der For- schung, in der Lehre, bei experimentel- len Untersuchungen, für Gutachten, aber auch bei der Aufstellung und Prüfung statischer Berechnungen eingesetzt. Auch besonders komplexe Problemstellungen, wie beispielsweise die Bemessung der Schrägseilbrücke über den Rhein in Düs- seldorf-Flehe oder die Stahlverbundbrü- cke für die Bahnstrecke über die Weser bei Vennebeck, werden in Teamarbeit mit seinen Kollegen am Lehrstuhl gemeistert. Soweit es die hohe Belastung mit Lehr- stuhlaufgaben erlaubt, wird gleichzeitig jeder sich ihm bietende Freiraum dazu genutzt, um die eigene Dissertation an- zufertigen. Das Thema seiner Doktorar- beit lautet: „Traglastermittlung ebener Stabwerke mit räumlicher Beanspru- chung“. Im Januar 1981 promoviert Rolf Kindmann mit dieser Arbeit, die in der

Rolf Kindmann 65 Jahre

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898 Stahlbau 81 (2012), Heft 11

Persönliches

Persönliches

Rolf Kindmann 65 Jahre

Rolf Kindmann, seit dem 1. Januar 1990 Ordinarius für Stahl- und Verbundbau an der Ruhr-Universität Bochum, voll-endete am 5. November sein 65. Lebens-jahr. Demzufolge wird er zum Ende des Wintersemesters 2012/13 emeritiert und bis zu diesem Zeitpunkt alle bisherigen Aufgaben in Lehre, Forschung und aka-demischer Selbstverwaltung ausüben. Nichts anderes hätte man auch von ihm erwartet, der sich seit seinem Studium mit Leib und Seele dem Stahl- und Ver-bundbau verschrieben hat und – nach der Umfirmierung seines Lehrstuhls in Stahl-, Holz- und Leichtbau im Jahre 2009 – zusätzlich auch den Holzbau und den Leichtbau in Lehre und For-schung vertritt.

Rolf Kindmann kann auf eine lange, außerordentlich erfolgreiche Zeit als Hochschullehrer und als Ingenieur so-wie Prüfingenieur zurückblicken: Durch seine unverwechselbare Art, aktuelle Forschungsergebnisse mit den Anforde-rungen der Ingenieurpraxis in Einklang zu bringen und selbst komplizierte Sach-verhalte anschaulich vermitteln zu kön-nen, hat er zahlreiche Generationen von Studierenden der heutigen Fakultät für Bauingenieur- und Umweltingenieurwis-senschaften an der Ruhr-Universität Bo-chum für den Stahlbau begeistern kön-nen. Dies ist im Hinblick auf andere, in der Beliebtheit mit dem Stahlbau kon-kurrierende Fachgebiete keine Selbstver-ständlichkeit! Seiner Lehre wurde von den Studierenden durchgängig das aller-höchste Lob gezollt, was als eine beson-dere Auszeichnung seiner Person anzu-sehen ist. Seine hervorragenden, auf die modernen Anforderungen des Stahlbaus zugeschnittenen Lehrbücher, auf die nachfolgend noch mehrmals eingegan-gen wird, haben dabei sicherlich mit zu dem großen Lehrerfolg von Rolf Kind-mann beigetragen.

Ein Blick auf den Lebenslauf und Be-rufsweg von Rolf Kindmann macht deut-

lich, dass er seine Karriere als Bauinge-nieur immer vorbildlich geplant hat und seine Planung zielbewusst umzusetzen vermochte: Seine Schulzeit schließt er mit dem Abitur an einem Gymnasium in Castrop-Rauxel ab, wobei er schon als Schüler in einer Baufirma, ebenfalls in Castrop-Rauxel, arbeitet. Zunächst, um zusätzlich Geld für sich und seine aus der ehemaligen sowjetischen Besatzungs-zone (SBZ) geflüchtete Mutter zu ver-dienen, dann jedoch, weil ihm das „Le-ben und Schaffen auf dem Bau“ gefällt. Noch als Gymnasiast entdeckt er so sein Faible für den Beruf des Bauingenieurs. Nachdem er im Anschluss an sein Abitur seinen Wehrdienst beim Bundesgrenz-schutz absolviert hat, steht für ihn des-halb der Wunschberuf fest: Bauingenieur mit Ausrichtung auf den Konstruktiven Ingenieurbau!

Es war eine glückliche Fügung, dass nahezu zeitgleich mit dem Ende seiner Dienstzeit beim Bundesgrenzschutz, nicht weit von seinem Heimatort Castrop-Rau-xel entfernt, ab 1967 an der neugegrün-deten Ruhr-Universität Bochum die da-malige Fakultät „Maschinenbau und Konstruktiver Ingenieurbau“ eingerich-tet wurde. Der Idee eines der namhaftes-ten Gründungsprofessoren dieser Fakul-tät, Wolfgang Zerna, folgend, wurden – für Deutschland neuartig, aber zugleich international richtungsweisend – theore-tische, numerische und experimentelle Lösungskonzepte im Ingenieurwesen sy-nergetisch zusammengeführt. Die wich-tige Basis für das, was man heute auf „neudeutsch“ mit „Computational Me-chanics and Structural Engineering“ be-zeichnen würde, war geschaffen. Rolf Kindmann, der sich 1969 als einer der ersten Studenten für den neuartigen Stu-diengang „Konstruktiver Ingenieurbau“ der damaligen Bochumer Fakultät ein-schrieb, wurde durch diese Neuausrich-tung in Lehre und Forschung maßgeb-lich geprägt. Seine bereits erwähnten zahlreichen Lehrbücher, in denen Theo-rie, Berechnung, Experimente und Pra-xisbelange miteinander verzahnt wer-den, sind mit Beleg hierfür.

Maßgeblichen Einfluss auf seinen spä-teren Berufsweg hatte dann aber vor al-lem die Berufung des hochrenommierten Stahlbauprofessors Karlheinz Roik, nach Bochum, eines in Deutschland führen-den Stahlbauwissenschaftlers, der wäh-rend des Hauptstudiums von Rolf Kind-mann 1972 von der TU Berlin zur Ruhr-Universität Bochum wechselte. Dessen charakteristischer industrieller Führungs-stil und dessen hohe Fachkompetenz tru-gen dazu bei, dass sich Rolf Kindmann endgültig dazu entschied, „Stahlbauer“ zu werden.

Nach bestandener Diplomprüfung im Februar 1974 geht Rolf Kindmann, wie

es sich für einen jungen begabten Stahl-bauer geziemt, zunächst in die „harte Praxis“. Er nimmt bei der Firma Rhein-stahl-Klönne in Dortmund, in der Abtei-lung Stahlbrückenbau, eine Stelle als Statiker an, die er mit Elan und Begeis-terung ausfüllt. Zu seinen Tätigkeiten gehören Entwurfs- und Bemessungsauf-gaben sowie die Bearbeitung von Ange-boten zu Bauprojekten, die nur zu oft unter dem in der Praxis vorherrschen-den Zeitdruck stehen. Auch seine im Bochumer Studium erworbenen Spezial-kenntnisse im Umgang mit EDV und Computern kann er erstmals unter Be-weis stellen: So entwickelt er eigene Be-rechnungs- und Bemessungsprogramme, die bald von anderen Kollegen in der Stahlbaufirma genutzt werden. Zudem wird sehr schnell sein Talent bei der Lö-sung schwieriger Aufgaben erkannt, so dass Rolf Kindmann schon nach kurzer Zeit mit wichtigen Forschungs- und Ent-wicklungsaufgaben betraut wird. Beson-ders anspruchsvoll ist seine Mitarbeit im Forschungsprojekt „Stahlfahrweg Ma-gnetschwebebahn“, mit dem die Firma Rheinstahl-Klönne seinerzeit beauftragt wurde.

Seine schon im Studium gereifte Vor-stellung, in vorderster Linie wissenschaft-lich im Stahlbau zu arbeiten, kann Rolf Kindmann dann 1974 verwirklichen: Ihm wird am Bochumer Lehrstuhl für Stahlbau von Karlheinz Roik die Stelle eines wissenschaftlichen Assistenten an-geboten. Mit den in Bochum neu ge-wonnenen experimentellen Möglichkei-ten, gestützt auf moderne Rechen- bzw. Computermethoden, ist es ihm so mög-lich, die Forschung im Stahlbau sowie im aufkommenden Stahlverbundbau mit voranzubringen. Zusammen mit anderen befähigten Mitarbeitern des Lehrstuhls von Karlheinz Roik, von denen viele in-zwischen auf Stahlbauprofessuren beru-fen worden sind, wurde Rolf Kindmann für umfangreiche Aufgaben in der For-schung, in der Lehre, bei experimentel-len Untersuchungen, für Gutachten, aber auch bei der Aufstellung und Prüfung statischer Berechnungen eingesetzt. Auch besonders komplexe Problemstellungen, wie beispielsweise die Bemessung der Schrägseilbrücke über den Rhein in Düs-seldorf-Flehe oder die Stahlverbundbrü-cke für die Bahnstrecke über die Weser bei Vennebeck, werden in Teamarbeit mit seinen Kollegen am Lehrstuhl gemeistert. Soweit es die hohe Belastung mit Lehr-stuhlaufgaben erlaubt, wird gleichzeitig jeder sich ihm bietende Freiraum dazu genutzt, um die eigene Dissertation an-zufertigen. Das Thema seiner Doktorar-beit lautet: „Traglastermittlung ebener Stabwerke mit räumlicher Beanspru-chung“. Im Januar 1981 promoviert Rolf Kindmann mit dieser Arbeit, die in der

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Persönliches

Fachwelt große Beachtung findet und deshalb auch die Normung (DIN 18 800, Teil 2 sowie Eurocode 3) entscheidend beeinflusst. Die Doktorarbeit zeigt zudem deutlich auf, worin das Talent von Rolf Kindmann besteht: Angeleitet durch sei-nen Lehrer und sein Vorbild Karlheinz Roik versteht er es – wie dieser – experi-mentell bzw. rechnerisch ermittelte komplexe Zusammenhänge auf das We-sentliche zurückzuführen und dadurch mit einfachen mechanischen Modellen erfassbar zu machen. Mehr noch: Es wer-den ingenieurmäßige Entscheidungen ermöglicht, die nur relativ geringen Auf-wand erfordern – ganz nach einem Motto von Albert Einstein „Einfach, aber nicht einfacher!“.

Nach seiner Promotion bleibt Rolf Kindmann noch ein weiteres Jahr am Stahlbaulehrstuhl in Bochum als Assis-tent, bevor er im Januar 1982 ein zwei-tes Mal, jetzt als junger „Dr.-Ing.“, in die Industrie zu Thyssen Engineering geht. Dort leitet er den wichtigen Bereich „For-schung und Entwicklung“, wodurch er Gelegenheit hat, Ingenieurwissenschaf-ten und Ingenieurpraxis miteinander zu verknüpfen. Die Größe der Stahlbau-firma Thyssen, bei der damals immerhin 1500 Mitarbeiter tätig waren, eröffnet Rolf Kindmann ein breites und span-nendes Tätigkeitsfeld. Bei Thyssen En-gineering wird ein enormes Spektrum des Ingenieurbaus abgedeckt, mit zu-gleich vielen spektakulären Projekten in den Bereichen Hochbau, Behälterbau, Brückenbau, Stahlwasserbau bis hin zu Sonderkonstruktionen. Die Herausfor-derungen sind groß, aber auch äußerst reizvoll – und somit eine wichtige Grund-lage für den großen Erfolg auf dem Be-rufsweg von Rolf Kindmann. Da er – ge-schärft durch seine Assistentenzeit am Lehrstuhl von Karlheinz Roik – alle ihm übertragenen Aufgaben mit Bravour er-ledigt, ist ein rascher Aufstieg bei Thyssen vorgezeichnet: Nach nur kurzer Zeit als Projektleiter wird er Leiter des Techni-schen Büros für Brückenbau mit Hand-lungsvollmacht und schließlich Haupt-abteilungsleiter aller technischen Büros mit Prokura; dies umfasst neben dem Brückenbau auch den Hochbau, Indus-triebau und Behälterbau. Seine Ideen zur Weiterentwicklung der Stahlbau-technik und seine Begabung bei der praktischen Umsetzung dieser Ideen finden dabei allerhöchste Anerkennung in der Fachwelt.

Aus seiner herausragenden Position in der Industrie hält Rolf Kindmann – der dortigen hohen Belastung zum Trotz – intensiven Kontakt zum Bochumer Stahl-baulehrstuhl. Seinem Lehrer Karlheinz Roik bleibt er während seiner Industrie-tätigkeit stets eng verbunden. Es ist des-halb nicht überraschend, dass sich Rolf

Kindmann auf die wiederzubesetzende Professur für Stahlbau und Verbundbau der in den 70er Jahren umbenannten Fa-kultät für Bauingenieurwesen an der Ruhr-Universität Bochum bewirbt, als diese Stelle durch die Emeritierung von Karlheinz Roik frei wird. Im Januar 1990 erfolgt dann auch die Rufannahme, und Rolf Kindmann tritt in die Fußstapfen seines berühmten Vorgängers Karlheinz Roik.

In dessen Tradition führt er – zusam-men mit fähigen Mitarbeitern – den Stahlbaulehrstuhl in Bochum weiter, er-gänzt durch eigene Vorstellungen in der Lehre und Forschung. Wie sein Vorgän-ger ist er bemüht, Berechnung und Be-messung gebrauchsfähig und praxisge-recht aufzubereiten, wobei Fragen der Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Dauer-haftigkeit im Vordergrund des Interesses stehen. Die Schwerpunkte seiner For-schungstätigkeit sind vor allem moderne Nachweisverfahren für stabilitätsgefähr-dete Träger und Tragwerke, das nichtline-are Verhalten von Verbindungsmitteln und Aussteifungskonstruktionen, die Rissbildung in Verbundträgern sowie die Grenztragfähigkeit von im Stahlbau häu-fig verwendeten Stabquerschnitten. Ge-rade in der jüngeren Vergangenheit sind besonders die Nachweisverfahren mit Abminderungsfaktoren und für Berech-nungen nach Theorie II. Ordnung unter Ansatz von geometrischen Ersatzimper-fektionen mit zugehörigen Eigenwert- und Eigenformuntersuchungen sowie die plastischen Grenztragfähigkeiten von Stabquerschnitten von ihm eingehend analysiert und erweitert worden. Hier-aus sind in der Fachwelt vielbeachtete Veröffentlichungen entstanden. Mit sei-nen Arbeiten und den über die Jahre ent-standenen ca. 150 Veröffentlichungen zu seinen Forschungsergebnissen, 29 Publi-kationen davon sind in der hoch renom-mierten Zeitschrift „Stahlbau“ erschienen, hat Rolf Kindmann wesentliche Beiträge zur wissenschaftlichen Weiterentwick-lung im Stahlbau und Stahlverbundbau geleistet.

Mit wohlproportionierter Autorität, nie aber autoritär, entwickelt Rolf Kind-mann dabei ein gutes Gespür für die Leistungsfähigkeit seiner Lehrstuhlmit-arbeiter. Er fordert und fördert diese ih-ren Fähigkeiten entsprechend. Hierbei ist er selbst stets leuchtendes Leitbild, an dem sich seine Mitarbeiter orientieren können. Auch wenn er hohe fachliche Ansprüche stellt, sorgt Rolf Kindmann stets dafür, dass sich seine Mitarbeiter bei ihm wohl fühlen und ihre Leistungen gern erbringen. Bei persönlichen Sorgen oder fachlichen Schwierigkeiten seiner Mitarbeiter steht er ihnen als „Chef“ je-derzeit mit Rat und Tat zur Seite. Zur richtigen Zeit findet er immer die richti-

gen Worte, die er zumeist mit anspornen-den Worten würzt. Bei derartigen Situa-tionen spürt man übrigens deutlich, dass Rolf Kindmann im Ruhrgebiet aufge-wachsen ist: Probleme werden von ihm auf bodenständige Weise aus dem Weg geräumt, aber genau erst dann, nachdem alle Unklarheiten und Begleitumstände sachlich diskutiert worden sind. Sollte die Lösung eines Problems tatsächlich einmal „nicht möglich sein“, versucht er, das „Problem“ in eleganter Weise zu „eliminieren“.

Nicht nur von seinen Mitarbeitern am Lehrstuhl, auch von den Studieren-den des Bauingenieurwesens fordert er viel; die Grenzen zur Überforderung werden aber niemals überschritten. Rolf Kindmann setzt sich dabei sowohl für seine Mitarbeiter als auch seine Studie-renden mit großer Überzeugungskraft ein. Diejenigen von ihnen, die es sich redlich verdient haben oder die beson-ders begabt sind, fördert er wie kein zweiter. Speziell für seine Doktoranden, die mit ihm ihre Forschungsideen disku-tieren wollen und denen er viele Anre-gungen für ihre Arbeit gibt, ist er jeder-zeit ein verlässlicher Ansprechpartner. Unter seiner Leitung entsteht so die be-achtliche Anzahl von 24 in der Fachwelt hoch anerkannten Dissertationen, bei denen Rolf Kindmann der Erstreferent ist; bei einer Reihe von weiteren Disser-tationen, die nicht nur an der Ruhr-Uni-versität sondern auch an Nachbaruni-versitäten entstanden sind, wirkt er als Koreferent mit.

Neben seinem vorbildlichen Einsatz in der Lehre und Forschung hat sich Rolf Kindmann auch mit Verve in der akademischen Selbstverwaltung der Ruhr-Universität Bochum eingesetzt. Hierzu zählen seine mehrjährige Zeit als Dekan und Prodekan, in der zahl-reiche Umbrüche sowie schwierige Ka-pazitäts- und Finanzprobleme in der Fakultät zu bewältigen waren. Ebenso hat er als Geschäftsführender Direktor mehrere Jahre die Geschicke des Insti-tuts für Konstruktiven Ingenieurbau der Ruhr-Universität Bochum gelenkt, wo-bei es auch hier galt, verschiedene Eng-pässe zu überbrücken und diffizile Ver-waltungsprobleme zu lösen. Er ist au-ßerdem Mitglied in einer ganzen Reihe von für die Fakultät wichtigen Kommis-sionen und Ausschüssen. In den letzten Jahren besonders hervorgetan hat sich Rolf Kindmann als Vorsitzender der Kommission für Studium und Lehre, die bis zuletzt mit der – durch die Bologna-Reform erzwungenen – Umstellung der Diplomstudiengänge in Bachelor- bzw. Masterstudiengänge befasst war. Rolf Kindmann ist es bei dieser schwierigen Gemengelage gelungen, mit Sachver-stand und Diplomatie die teilweise diver-

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gierenden Interessen der Fachgebiete untereinander, aber auch zwischen der Professorenschaft und der Studenten-fachschaft auszugleichen: Dank seines Einsatzes konnte ein eigenständiges, dem Profil der Bochumer Fakultät an-gemessenes Curriculum umgesetzt wer-den, das inzwischen mit Bestnoten evaluiert wurde. Des Weiteren hat er maßgeblichen Anteil am Erfolg des in Bo chum etablierten, englischsprachigen Masterstudienganges „Computational Engineering“, einerseits durch sein Engagement in entsprechenden Vorle-sungen, aber auch durch administrative Mithilfe über sein Lehrstuhlsekretariat. Die Bochumer Fakultät für Bauingeni-eur- und Umweltingenieurwissenschaf-ten (ehemals Fakultät für Bauingenieur-wesen) hat Rolf Kindmann viel zu ver-danken! In den letzten Jahren hat er außerdem mit großem Geschick und Weitblick die Fakultät im Senat der Ruhr-Universität als Senator vertreten, wodurch er die wissenschaftliche Aus-richtung der Ruhr-Universität mitgestal-ten konnte.

Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Hochschullehrer sieht Rolf Kindmann darin, attraktive, hochaktuelle, gern ge-lesene und allseits genutzte Lehrbücher zu verfassen. Zweifelsohne sind seine bereits schon zuvor erwähnten Lehrbü-cher ein Markenzeichen von Rolf Kind-mann! Ohne auf die einzelnen Buchver-öffentlichungen im Detail einzugehen, sei darauf hingewiesen, dass unter seinem Namen als Hauptautor insgesamt sechs Bücher mit unterschiedlichen Titeln zu nachgefragten Themengebieten des Stahl-baus erschienen sind, zwei davon bereits in der 2. bzw. 3. Auflage sowie ein Buch in englischer Sprache. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch das von der Ingenieurpraxis hoch geschätzte Stahlbau-Profilheft, das demnächst in der 3. Auflage erscheint und beachtliche 30000-mal verkauft wurde! Mit allen sei-nen Büchern versteht es Rolf Kindmann, neueste Forschungsergebnisse aus dem Stahlbau und experimentelle Untersu-chungen in Berechnungs- und Bemes-sungsmethoden, vorrangig Finite-Ele-mente-Methoden, so einzuarbeiten, dass das Verständnis für die Regelungen in Stahlbaunormen und Vorschriften geför-dert wird. Das ist nur deshalb möglich, weil sich bei Rolf Kindmann – gestützt auf jahrelange Erfahrung als Hochschul-lehrer und praktisch tätiger Ingenieur – ein subtiles Gefühl für das Tragverhalten von Konstruktionen im Stahl- und Ver-bundbau entwickelt hat.

Ganz entscheidenden Anteil daran, dass sich Rolf Kindmann nicht nur

einen Namen als Hochschullehrer und Buchautor, sondern auch als Ingenieur-praktiker machen konnte, ist auf die Gründung der Ingenieursozietät „Schür-mann – Kindmann und Partner (SKP)“ im April 1991 zurückzuführen. In seiner Eigenschaft als Gesellschafter – vor al-lem aber durch seine Ernennungen zum Prüfingenieur in mehreren Fachgebieten des Konstruktiven Ingenieurbaus – hat größtenteils er dafür gesorgt, dass die Ingenieursozietät SKP kontinuierlich an Bedeutung gewinnen konnte. In-zwischen ist die Sozietät SKP eines der überregional namhaften Ingenieurbüros mit Ausrichtung auf Metallbau, Massiv-bau, Brandschutz, Bauphysik sowie Schadensbegutachtung. Dies zeigt sich eindrucksvoll an der langen Liste von Projekten, die von der Ingenieursozietät bearbeitet bzw. begleitet wurden und denen in der Öffentlichkeit große Auf-merksamkeit zuteil wurde. Nur auszugs-weise genannt sei hier die Prüfingeni-eurtätigkeit bei der Erweiterung des Westfalenstadions von Borussia Dort-mund, beim Bau des Flughafenterminals Köln-Bonn oder bei der Errichtung der zahlreichen modernen Kanalbrücken im Ruhrgebiet. Die Mitarbeiter in der Inge-nieursozietät SKP schätzen dabei die für Rolf Kindmann unverwechselbare Eigenschaft: Bei auftretenden schwieri-gen Problemen in kürzester Zeit – selbst unter hohem Zeitdruck – das Wesent-liche zu erkennen und sofort passende Lösungen parat zu haben.

Seine profunden Fachkenntnisse und seine hohe fachliche Kompetenz im Stahlbau und Stahlverbundbau sind auch in den Berufsverbänden gefragt. So engagiert er sich in vorderster Reihe in der Landesingenieurkammer Nord-rhein-Westfalen, er ist aktives Mitglied im Bundesverband der Prüfingenieure für Baustatik sowie im Bauüberwa-chungsverein: Ebenso ist er im Landes-verband öffentlich bestellter und verei-digter sowie qualifizierter Sachverstän-diger Nordrhein-Westfalen tätig. Des Weiteren ist sein Engagement in zahl-reichen Ausschüssen hervorzuheben; erwähnt seien jedoch nur seine momen-tanen Mitgliedschaften im Normenaus-schuss NABau, im Arbeitsausschuss Brückenbau, im Arbeitsausschuss Stahl-bauten-Herstellung sowie seine Tätig-keit im Fachbereichsbeirat Brückenbau (Koordinierungsausschuss). Von seinen Aktivitäten und Kontakten in wichtigen Verbandsgremien sowie Ausschüssen profitieren dabei vor allem auch die Studierenden der Bochumer Fakultät für Bauingenieur- und Umweltingenieur-wissenschaften, einerseits bei der Ver-

mittlung von Praktikumsstellen im Bau-wesen, andererseits bei der Bewerbung um Mitarbeiterstellen in Ingenieurbüros oder Bauunternehmen.

Rolf Kindmann ist ein hart arbeiten-der Stahlbauprofessor, ein in der Lehre hochmotivierter Hochschullehrer sowie ein tatkräftiger Prüfingenieur, zugleich ist er aber auch ein Mensch, der für seine Familie lebt und für diese alles tut. Es bereitet ihm allergrößte Freude im Kreis seiner Familie zu sein, mit ihnen die freie Zeit zu genießen, sie mit Gitar-renspiel und Liedern zu erfreuen oder einfach nur Urlaub zu machen. Seine Frau, die ihm die nötige Kraft verleiht, um die täglichen Beanspruchungen im Beruf zu meistern, und sein Sohn, der ihm ein wertvoller Partner im Manage-ment der Ingenieursozietät SKP ist, sor-gen dafür, dass Rolf Kindmann als „Chef“ seiner Mitarbeiter und im Kolle-genkreis stets ausgeglichen und voller Energie ist. Insbesondere haben es ihm seine beiden Enkelkinder angetan, von denen er regelmäßig in den höchsten Tönen schwärmt und oft Erheiterndes zu erzählen weiß. Auch seine nach wie vor bemerkenswerten sportlichen Leis-tungen (hierzu gehören das Tennisspiel, das Radfahren, das Paddeln und auch das Fahren schneller hochklassiger Au-tos) helfen, aufkommenden Berufsstress abzubauen. Notfalls geht er mit großem Vergnügen in seine Sauna und genießt den im Garten seines Hauses stehenden Whirlpool.

Alles in allem macht Rolf Kindmann stets den Eindruck eines durch und durch zufriedenen Kollegen, der sich seiner durchschlagenden Erfolge als Stahlbau-professor und Ingenieur in der Praxis bewusst ist, aber sich ebenso des Lebens allgemein erfreut. Dies wird sich auch si-cherlich nach seiner Emeritierung nicht ändern.

Das Professorium und die Mitglieder seiner Bochumer Fakultät sowie alle seine Mitarbeiter gratulieren Rolf Kind-mann zu seinem 65. Geburtstag, wün-schen ihm alles Gute, vor allem eine „imperfektionsfreie“ Gesundheit und weiterhin den ihm eigenen Tatendrang. Alle Genannten sind sich dabei sicher: Das nächste interessante Lehrbuch lässt sicherlich nicht lange auf sich warten!

Dietrich HartmannProf. em. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h.Institut Computational Engineering und Institut für Konstruktiven Ingenieurbau