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RUBRIK Die Regelwerker: Who is Who? Die Arbeit von Psychotherapeuten bewegt sich in einem Spannungsfeld von Regelwerken, Gesetzen und Interessen.Wer sind die wichtigsten Entscheidungsträger? Fragwürdiger Standard Was kann man von wissenschaftlichen Untersuchungsdesigns wie RCT erwarten? Die Vereinbarkeit des Unvereinbaren In der Psychotherapie begegnen sich Psychologie und Medizin. Der bvvp ist angetreten, die bestehenden Gegensätze zu überwinden. Pro jekt Psychotherapie 01/2008 Meinung · Wissen · Nachrichten Das Magazin des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten e.V. Euro 6,00 · www.bvvp.de Blick nach vorn mit Unbehagen Noch hat Deutschland international eine Spitzenposition in der psychotherapeutischen Versorgung. Ist das Recht auf seelische Gesundheit bald wieder Verhandlungsmasse?

RUBRIK Projekt Psychotherapie - vvpn.de · Projekt Psychotherapie 03 VORWORT Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist wirklich das bvvp-magazin, das Sie gerade lesen, auch wenn es an-ders

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R U B R I K

Die Regelwerker: Who is Who?Die Arbeit von Psychotherapeuten bewegt sich in einem Spannungsfeld von Regelwerken, Gesetzen und Interessen.Wer sind die wichtigsten Entscheidungsträger?

Fragwürdiger StandardWas kann man von wissenschaftlichen Untersuchungsdesigns wie RCT erwarten?

Die Vereinbarkeit des UnvereinbarenIn der Psychotherapie begegnen sich Psychologie und Medizin.Der bvvp ist angetreten, die bestehenden Gegensätze zu überwinden.

ProjektPsychotherapie01/2008Meinung · Wissen · Nachrichten

Das Magazin des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten e.V.

Euro 6,00 · www.bvvp.de

Blick nach vorn mit UnbehagenNoch hat Deutschland international eine Spitzenposition in der psychotherapeutischen Versorgung. Ist das Rechtauf seelische Gesundheit bald wieder Verhandlungsmasse?

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ProjektPsychotherapie

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V O R W O R T

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist wirklich das bvvp-magazin, das Sie gerade lesen, auch wenn es an-ders aussieht und sich anders anfühlt. Natürlich hoffen wir, dass Ihnendie Veränderungen gefallen – oder zumindest den meisten von Ihnen.Wir, das sind die Mitglieder des bvvp-Vorstands, der Magazinredaktionund der neue Verlag mit Namen Medienanker. Dieser Verlag hat für unsvier Gesichter, die unserem Magazin in Abstimmung mit dem Vorstandneuen Schwung geben wollen: Jörg Schäffer, Nicole Suchier, Daniel Gerlach, Reiner Lesprenger. Ortwin Löwa konnte diesen Schritt nicht mit-gehen. Er ist deshalb aus der Magazinproduktion ausgeschieden. Wir dan-ken ihm für seine Arbeit und sein Engagement.

Natürlich war es kein leichter Schritt, uns von unserem alten Verlags-partner zu trennen und etwas Neues zu wagen. Schließlich überwog aberder Wille, uns – wie wir hoffen – fortzuentwickeln. Spöttische Stimmeninnerhalb des bvvp-Vorstands sprechen seitdem vom kontinuierlichenVerbesserungsprozess, den wir damit eingeleitet haben und nun auch er-leiden müssen. Allem Anfang wohnt ein Zauber inne, aber aller Anfangist auch schwer. Es gibt unterschiedliche Vorstellungen zu Sprache und Ge-staltung, einschließlich Titelfindung, und ich bin ganz sicher, der Char-akter des neuen bvvp-Magazins wird sich erst mit den nächsten Ausga-ben herausbilden.

Begleiten Sie uns dabei doch aktiv! Wir würden uns darüber freuen undsind für Anregungen und Kritik dankbar. Schreiben Sie uns! Sie könnensicher sein, dass Ihre Rückmeldungen auf großes Interesse stoßen werden.

Wichtig bei der Neukonzeption war für uns ein leserfreundliches Lay-out und eine verbesserte Lesbarkeit der Artikel. Natürlich waren alle Ar-tikel schon immer ganz fantastisch, aber wir hoffen, das Lesevergnügendoch noch ein bisschen steigern zu können. Das ist für die Autoren rechtanstrengend, denn wir müssen uns doch in verschiedener Hinsicht um-stellen. Wir hoffen, durch eine stärkere inhaltliche Verzahnung von Schwer-punkt-Thema und Bundesvorstandsseiten das Heft mehr abrunden zukönnen und trotzdem an Abwechslung nichts einzubüßen.

Wie gesagt – helfen Sie uns bitte dabei! Sagen Sie uns, was Ihnen ge-fällt oder was Sie stört Noch ist alles im Fluss, und unseren Verlagspart-nern können wir jedenfalls keine mangelnde Beweglichkeit oder Unge-duld nachsagen! Wenn Sie gern bestimmte Themen in einem der näch-sten Hefte behandelt sehen wollen, dann scheuen Sie sich nicht, unsVorschläge zu machen!

Lassen Sie sich von dem Heft überraschen. Wir hoffen, Ihnen lesenswerte,interessante und auch programmatische Artikel zu präsentieren. Ich wün-sche Ihnen jedenfalls viel Spaß beim Lesen und einen guten Start ins neue Jahr!

Ihre Birgit Clever

Wettbewerb, neue Abrechnungssysteme und Methoden zur Effizienzbewertung –

das Gesundheitswesen wird mit vielen Neuerungen konfrontiert. Das gilt in

besonderer Weise für die Psychotherapie.

Um so wichtiger ist es, dass ein Themanicht aus dem Blickfeld rückt: die

gesellschaftliche Bedeutung seelischer Gesundheit. Quo vadis, Psychotherapie?

Diese Frage haben sich die Redakteure und Autoren des neuen bvvp-Magazins

Projekt Psychotherapie gestellt.

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ProjektPsychotherapie01/2008Das Magazin des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) e.V.

ProjektPsychotherapie

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I N H A LT

Wissen

06 Die Regelwerker: Who is Who?Politiker, Beamte, Richter und Verbandsvertreter.Wer entscheidet über das Schicksal der Psychotherapie in Deutschland?

10 Punkte-SchaumWieder müssen sich Psychotherapeuten mit einem neuen EBM beschäftigen.Was wird sich dadurch tatsächlich ändern?

12 Fragwürdiger StandardRCT gilt als Wundermittel in der Effizienzbewertung.Ist es auf die Psychotherapie ohne Bedenken anzuwenden?

Meinung

14 Blick nach vorn mit UnbehagenDas Recht auf seelische Gesundheit sollte unantastbar sein.Dennoch könnte es bald auf dem Verhandlungstisch landen.

18 „Wir stehen wechselseitig in der Verantwortung“Die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer,Cornelia Goesmann, im Interview über Arbeitsteilung in der psychotherapeutischen Versorgung.

20 Die Euphorie des MarktesWettwerb soll helfen, die Versorgung zu verbessern und Kosten zu senken. Doch sind die Voraussetzungen dafür vorhanden?

22 Die Vereinbarkeit des UnvereinbarenMedizin und Psychologie stehen sich seit langem skeptisch gegenüber. In der Psychotherapie können sie sich gegenseitig befruchten. Ein Essay.

Gesellschaft

26 Der weiße FleckFür viele Psychotherapeuten ist der Osten Neuland.Dabei kann die Zunft auch dort eine Tradition vorweisen.

Nachrichten

28 Klartext auf SächsischAuf der Dresdner Tagung des bvvp wurden Politiker und Kassenvertreter mit einer desolaten Versorgungslage konfrontiert.

29 Start mit GegenwindVor 15 Jahren wurde die „Seehofer-Budgetierung“ zur Gefahr für die Existenzgrundlage der Psychotherapeuten.Das war die Geburtsstunde des bvvp.

30 Abschied von Michael GrunertZum Tod eines Freundes und Kollegen.

Vertraulich

32 Es lebe die ... äh ... Freiheit!Die Kassenärztliche Guerillavereinigung hat zugeschlagen – und sich gleich nach ihrer Gründung wieder gespalten.

Veranstaltungen

33 Der bvvp im SchneeAuch in diesem Jahr machen Mitglieder, Freunde und Familien wieder die Pisten am Golm unsicher.

Literatur

34 Bruch der VerschwiegenheitManfred Pohlens Buch zu Ernst Blums Analyse bei Freud offenbart Erstaunliches.

03 Vorwort

31 Impressum, Letzte Meldungen

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___Etwa 18000 Psychotherapeuten sind inDeutschland in eigener Praxis tätig. Sie sind da-mit nach den Hausärzten und den Internistendie drittgrößte “Arzt-Gruppe“ im System der ge-setzlichen Krankenversicherung. Vielen von ih-nen ist jedoch kaum bewusst, unter welchen Rah-menbedingungen sie ihre Patienten behandeln,welche Chancen sie haben oder welche Risikensie eingehen, wenn sie die Regeln nicht beachten.Diese Regeln, Richtlinien, Gesetze, Verordnun-gen und Vorschriften fallen nicht vom Himmel.Wer produziert sie eigentlich und wer entschei-det letztendlich, was in der psychotherapeuti-schen Praxis geschehen darf und was nicht?

Natürlich bestimmen darüber Institutionenund demokratisch legitimierte Gremien. Im Gesundheitsministerium, in der KBV, in denBundeskammern und den Institutionen der ge-meinsamen Selbstverwaltung und bei den Kran-kenkassen sitzen letztendlich Menschen an denSchalthebeln. Das bedeutet nicht, dass diese Men-schen allein und willkürlich entscheiden. Aberdurch ihre Einschätzungen und Präferenzen neh-men sie nur bestimmte Informationen auf undbeschäftigen sich damit. Angesichts der kaum zubewältigen Informationsfülle sind viele dieserEntscheidungsträger auf persönliche Beziehun-gen angewiesen – und darauf, dass sie über die-se zu vertrauenswürdigen Kenntnissen gelangen.

Politik für eine Berufsgruppe oder für einenVerband bedeutet daher immer, in Kontakt mitden Menschen zu stehen, die bestimmen, ob inden Gremien ein Sachverhalt überhaupt verhan-delt wird. Es sind diese entscheidenden Perso-nen, zu denen die Vertreter der Psychotherapeu-ten Kontakte pflegen müssen, wenn sie die An-liegen der Berufsgruppe einbringen wollen.

Auf der Seite der Psychotherapeuten sind esinsgesamt rund 50 Personen (siehe Infokästen),die auf Bundesebene versuchen, die berufspoli-

tischen Anliegen der Psychotherapeuten voran-zubringen oder Regelungen zu verhindern, derenUmsetzung für die ganze Berufsgruppe katas-trophale Folgen haben würde. Dazu kommen dieAktiven auf Landesebene. Wer aber sitzt auf deranderen Seite?

Das Ministerium Von zentraler Bedeutung für die tägliche Arbeitin der Praxis sind die vom Parlament verab-schiedeten Gesetze. Diese Gesetze werden imBundesministerium für Gesundheit vorbereitet,im Gesundheitsausschuss beraten und vomBundestag und gegebenenfalls auch vom Bundes-rat verabschiedet. Die verantwortliche Person istdie Ministerin Ulla Schmidt.

Ihre politischen Vorstellungen – und die derSPD – darüber, was eine gute ärztliche Versorgungist und wie diese finanziert werden soll, wurdenin diesen Gesetzen umgesetzt und bestimmenauch den Alltag von Psychotherapeuten. Da sieallerdings immer das große Ganze im Blick hatund die ambulante Versorgung auch nur einenTeil ihrer Zuständigkeit umfasst, ist der Kontaktzu den Referenten im Ministerium und zu derenMitarbeitern entscheidend, um die speziellen Be-lange der Psychotherapeuten in diese Gesetze ein-zubringen. Voraussetzung ist, dass die Berufs-gruppe völlig geschlossen bestimmte Sachver-halte vorträgt. Dies war zum Beispiel der Fall, alserreicht werden konnte, dass eine Regelung zurangemessenen Vergütung in das Gesetz aufge-nommen wird.

Besonders zu nennen ist hier MinisterialrätinErika Behnsen, die allen als die entscheidendeZuständige für das Psychotherapeutengesetz(PTG) in Erinnerung ist. Frau Behnsen hatgrundsätzlich ein offenes Ohr für die Angele-genheiten der Psychotherapeuten und kennt sichsehr gut aus. Als Mitherausgeberin des Mana-

gementhandbuchs für Therapeuten ist sie in vie-len Praxen präsent.

Das PTG ist die rechtliche Basis der Tätigkeitvon Psychologischen Psychotherapeuten und Kin-der und Jugendlichenpsychotherapeuten, betrifftaber auch durch seine Normgebungen die ärzt-lichen Psychotherapeuten. Die genauen Kennt-nisse von Frau Behnsen werden ganz sicher ge-braucht, wenn dieses Gesetz novelliert wird, dennbestimmte Unklarheiten müssen ausgeräumt undFehlentwicklungen verhindert werden.

Die Regelungen der beiden Gesetze des letz-ten Jahres, des Wettbewerbsstärkungsgesetzes unddes Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes, habendas Sozialgesetzbuch V entscheidend verändert.Hierbei erwies sich Sabine Radtke als sehr in-formierte Kennerin auch der speziellen recht-lichen Situation der Psychotherapeuten. Sie istReferentin im Bereich Recht und Vergütung derambulanten ärztlichen Versorgung und für Ver-tragsrecht. Ihre Einschätzungen werden großesGewicht haben, wenn im nächsten Jahr die Selbst-verwaltung die „angemessene Vergütung“ für diezeitgebundenen Leistungen der Psychotherapiedefinieren muss.

Die ParlamentarierEigentlich müsste hier der gesamte Gesund-heitsausschuss vorgestellt werden, was jedoch denRahmen sprengen würde. Dem Ausschuss für Ge-sundheit des Deutschen Bundestages, wie er of-fiziell heißt, gehören 31 Mitglieder aller Fraktio-nen an. Vor jeder Verabschiedung oder Novellie-rung eines Gesetzes finden dort Anhörungenstatt. Der Kontakt zu allen Mitgliedern diesesAusschusses ist sinnvoll und notwendig, denn siekönnen durch entsprechende Fragen bei den An-hörungen psychotherapeutische Anliegen klärenund einbringen.

Die Regelwerker: Who is Who?Die Arbeit von Psychotherapeuten bewegt sich in einem Spannungsfeld von Regelwerken, Gesetzen und Interessen.Doch wer entscheidet über das, was in den Praxen geschieht und was es kosten darf? Und welchen Spielraum haben sie? Wer sind die wichtigsten Entscheidungsträger?Von Jürgen Doebert, kooptiertes Vorstandsmitglied bvvp

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Eine herausragende Rolle spielt dabei die Vor-sitzende, die Sozialwissenschaftlerin MartinaBunge von der Fraktion „Die Linke“, auch Links-partei genannt.

Die LänderministerAuch der Bundesrat hat einen eigenen Gesund-heitsausschuss. Im Falle eines zustimmungs-pflichtigen Gesetztes muss vorher dieser Ge-sundheitsausschuss seine Meinung sagen. Ihmgehören die Sozialminister der Länder an. Beiwichtigen, die Psychotherapeuten betreffendenFragen war es hier schon sinnvoll, wenn in denBundesländern die Psychotherapeuten den Kon-takt zu diesen Ministern hergestellt haben. Aller-dings kann es gerade im Bundesratsausschuss zuDeals kommen, mit denen die Länder ihre unter-schiedlichen Interessen ausgleichen. Und dannfallen spezielle, „kleine“ Themen schon mal un-ter den Tisch.

Die Normgeber im Gemeinsamen BundesausschussNahezu alle für Therapeuten relevanten Sach-verhalte für die Tätigkeit in der gesetzlichen Kran-kenversicherung sind im Sozialgesetzbuch V (SGBV) geregelt. Da dort jedoch nicht alle Details fest-gelegt werden können, wird dies an die so ge-nannten untergesetzlichen Normgeber delegiert.Ein zentraler Normgeber ist der gemeinsameBundesausschuss(G-BA). Auf seiner Webseitesind seine Aufgaben wie folgt zusammengefasst:Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) istdas oberste Beschlussgremium der gemeinsamenSelbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psycho-therapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassenin Deutschland. Er bestimmt in Form von Richt-linien den Leistungskatalog der GesetzlichenKrankenversicherung (GKV) für mehr als 70Millionen Versicherte und legt damit fest, welche

Leistungen der medizinischen Versorgung vonder GKV erstattet werden. Darüber hinaus be-schließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssi-cherung für den ambulanten und stationären Be-reich des Gesundheitswesens.

Bedarfsplanung, Qualitätssicherung undPsychotherapie-Richtlinien werden hier festge-legt. In letzter Zeit hat auch seine Funktion, neueVerfahren für die gesetzliche Krankenversiche-rung zuzulassen, große Beachtung gefunden. Ent-scheidende Arbeit leistet der UnterausschussPsychotherapie. Sechs Psychotherapeuten ar-beiten darin mit Vertretern der Kassen und einemPatientenvertreter zusammen.

Paradigmatisch an der Gesprächspsychothe-rapie können hier alle anderen psychotherapeu-tischen Verfahren erleben, nach welchen Kriterienim gemeinsamen Bundesausschuss entschiedenwird. Auf der Tagesordnung des G-BA steht, diebestehenden Psychotherapieverfahren zu prüfen(Norbert Bowe berichtete darüber unter dem Ti-tel „Paradigmenwechsel in der Psychotherapie“im bvvp-Magazin 3/2007). Damit entscheidet derunparteiische Vorsitzende des G-BA über dasSchicksal der Psychotherapie in Deutschlandmaßgeblich mit.

Der StrukturiererG-BA-Vorsitzender ist der Jurist Rainer Hess, derlange Hauptgeschäftsführer der KBV war undsich damals sehr stark für die Integration von PPund KJP in das System der Kassenärztlichen Ver-einigungen einsetzte. Zwar entscheidet er nichtdirekt über die psychotherapeutischen Einzel-heiten, aber er hat die Verantwortung für die fürdas Jahr 2008 im Gesetz vorgeschriebene Um-strukturierung des G-BA. Von deren Ausgestal-tung wird abhängen, welchen Einfluss die Be-rufsgruppe der Psychotherapeuten selbst auf dieGestaltung der sie betreffenden Regelungen neh-

men kann. Wird Hess einen Weg finden, denUnterausschuss Psychotherapie mit seinen gegen-wärtigen Befugnissen weiterleben zu lassen?

Die KassenexpertinZurzeit gibt es noch den eigenen UnterausschussPsychotherapie, in dem Therapeuten, Kassen undein Patientenvertreter beraten. Dessen Vorsit-zende Regine Kleinert ist Expertin für die am-bulante Versorgung im AOK-Bundesverband. DieKassen haben ein besonderes Interesse daran,dass hier Regelungen getroffen werden, die imInteresse der Patienten sind und trotzdem ihrenfinanziellen Grenzen gerecht werden. Dies er-klärt, warum manche Wünsche der Psychothe-rapeuten nicht wahr werden. In Regine Kleinerthat dieser Ausschuss jedoch eine Vorsitzende, diemit dem Leistungsspektrum der Psychotherapieund den damit verbundenen Regelungen ausge-zeichnet vertraut ist.

Die Normgeber im Bewertungsausschuss Das andere zentrale untergesetzliche Gremium istder Bewertungsausschuss. Im Bewertungsaus-schuss sitzen Krankenkassen und Vertreter derÄrzte in gleicher Zahl. Psychotherapeuten sindhier nur als Stellvertreter vorgesehen. Die Ent-scheidungen werden im Arbeitsausschuss des Be-wertungsausschusses vorbereitet. Hier arbeitenzehn Kassenvertreter, zehn Vertreter der Ärzteund Psychotherapeuten, Sachverständige des Me-dizinischen Dienstes der Krankenkassen und dasGemeinsame Institut des Bewertungsausschus-ses an der Entwicklung des Vergütungssystems.

Die bereits erwähnte Referentin Sabine Radtkenimmt oft mit ihrem Kollegen, Herrn Leber, alsVertreterin des BMG an den Sitzungen teil. AufSeite der Krankenkassen sitzen bisher Vertreter derverschiedenen Kasssen-Arten: Orts-, Innungs-,

Von links:

Ulla Schmidt Foto: BMG

Martina Bunge Foto: Studio Kohlmeier

Dr. Rainer Hess Foto: KBV

Regine Kleinert Foto: AOK

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Ersatz-, und Betriebskassen. Dies wird sich än-dern, wenn nach der neuen Gesetzeslage ab Mit-te des Jahres 2008 ein neuer Spitzenverband derKrankenkassen entsteht.

Der VerhandlungsführerBis dahin jedoch und vermutlich auch darüberhinaus spielt auf der Krankenkassenseite ManfredPartsch eine entscheidende Rolle. Er ist der Ver-handlungsführer der Krankenkassen. Durch sei-ne jahrelange Tätigkeit im Arbeitsausschuss sindihm auch die kompliziertesten Details der Rege-lungen für irgendeine Arztgruppe bekannt. Diesgilt auch für die gesamte Problematik der Be-schlüsse des Bewertungsausschusses zur Vergü-tung der Psychotherapie. Dass Kassen und Fach-ärzte die Kosten für Psychotherapie niedrig hal-ten wollten, hat dazu geführt, dass bisherigeBeschlüsse von allen angerufenen Gerichten mitdem Urteil „BSG-Rechtsprechung nicht richtigumgesetzt“ versehen wurden. Dennoch giltPartsch bei den Psychotherapeuten als korrekterSachwalter der Kassenseite, der Argumente prüftund beurteilt und dem am Erhalt der Selbstver-waltung viel liegt. Er steht für Sacharbeit. Zu vielpolitisches Taktieren – von beiden Seiten – scheintihm schlechte Laune zu bereiten.

Der DiplomatDie Geschäftsführung für den Bewertungsaus-schuss hat seit vielen Jahren die KBV. Die Ge-schäftsführung bestimmt die Tagesordnung undsomit, in welchem Tempo Beschlüsse gefasst undwie sie vorbereitet werden. Bernhard Rochell,der einerseits Mitarbeiter der KBV als Leiter desDezernats Gebührenordnung und Vergütung undandererseits Leiter der Geschäftsführung für denBewertungsausschuss ist, muss immer wieder sei-ne Unabhängigkeit unter Beweis stellen. Nachlängerer Tätigkeit als Chirurg arbeitete er schon

vor seiner Zeit bei der KBV in Gremien der Selbst-verwaltung und hat das notwendige Training,um die unvermeidlichen Spannungen auszuhal-ten. Die Mitglieder des Beratenden Fachaus-schusses Psychotherapie kennen ihn aus vielenSitzungen. Bewunderung erregte bei allen seineFähigkeit, immer so zu formulieren, dass erpsychotherapeutische Anliegen aufgriff und sichtrotzdem in keiner Weise darauf festlegte, dass dieKBV irgendetwas von den Beschlüssen des Fach-ausschusses übernehmen würde.

Der WuchtigeUnübertroffener Spezialist für die Angelegen-heiten der Psychotherapeuten ist Andreas Köhler.Schon als zuständiger Referatsleiter und schließ-lich als Hauptgeschäftsführer der KBV nahmKöhler an nahezu jeder Sitzung des BeratendenFachausschusses Psychotherapie teil und brach-te sich mit der gesamten Wucht seiner Persön-lichkeit ein. Diese Tradition hat er auch als Vor-sitzender der KBV beibehalten. Trotz vieler Dis-kussionen klafft allerdings immer noch eine großeLücke zwischen seinem Verständnis für die Kal-kulation psychotherapeutischer Leistungen imEBM und den Auswirkungen der BSG-Recht-sprechung einerseits und einem auch von ihmselbst eingestandenen tiefen Unverständnis dafür,wie man monate- oder gar jahrelang mit ein unddemselben Patienten an dessen seelischen Ver-wicklungen arbeiten könne.

Da scheint ihm seine frühere Tätigkeit alsChirurg besser gefallen zu haben: Kurze Eingrif-fe, klare Ergebnisse. Köhler hat auch ein Studiumals Betriebswirt absolviert – eine Ausrichtung,die sich ohne Zweifel in seinen Kalkulation zuEBM-Leistungen niederschlägt. Köhler trägtschwer an der Verantwortung für die Ärzteschaftund wird zunehmend unduldsamer, wenn Arzt-gruppen Einzelinteressen vertreten und sich

gegenseitig konterkarieren. Immer wieder istspürbar, wie schwer er akzeptieren kann, dass diePsychotherapeuten mithilfe des BSG ihr Überle-ben gesichert haben. Gleichzeitig hat er selbstschon früh begonnen, in Stellungnahmen von„Ärzten und Psychotherapeuten“ zu sprechen.

Dass diese Nomenklatur implizit die ärztlichenPsychotherapeuten benachteiligt, gehört zu denverflixten Verhältnissen in der Psychotherapie,die jeden, der eine klare Systematik braucht, zurVerzweiflung bringen.

Als Vorstand der KBV benennt Köhler die ärzt-lichen Mitglieder des Bewertungsausschusses unddes Arbeitsausschusses.

Die EntwicklungshelferinAuch die Kammern definieren durch ihren eige-nen gesetzlichen Auftrag als Körperschaft dieRahmenbedingungen der einzelnen Praxis.Gleichzeitig vertreten sie aber auch die Interes-sen der jeweiligen Berufsgruppe. Lange Zeit warAstrid Bühren diejenige im Vorstand der Bundes-ärztekammer, bei der sich entschied, ob einpsychotherapeutischer Sachverhalt überhauptseinen Weg durch die Kammer-Gremien nahm.Nachdem es zunächst so aussah, als würde es inder Bundesärztekammer gar keine zuständigePerson für die ärztliche Psychotherapie geben,ist nun doch Cornelia Goesmann dabei, sich ein-zuarbeiten

Die WissenschaftlerBeide Kammern, die Bundesärzte- und diePsychotherapeutenkammer, besetzen den wis-senschaftlichen Beirat, in dem Forscher sowohlfür die ärztliche Psychotherapie als auch für PPund KJP Empfehlungen erarbeiten, um die Wis-senschaftlichkeit von Verfahren zu bewerten. Aufdiese Expertisen berufen sich später die Länder-ministerien.

Von links:

Manfred Partsch Foto: Privat

Bernhard Rochell Foto: KBV

Andreas Köhler Foto: KBV

Klaus Engelmann Foto: Privat

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Der wissenschaftliche Beirat wird umso ein-flussreicher, je mehr Eigenleben er entfaltet undsich selbst als Zulassungsgremium für bestehen-de oder neue Verfahren sieht.

Auf allen Mitgliedern dieses Beirats lastet ei-ne hohe Verantwortung, da sie im Grunde auchdie wissenschaftstheoretische Frage beantwortenmüssen, welche Mittel zu Erforschung derPsychotherapie geeignet sind, ohne den For-schungsgegenstand massiv zu verändern.

Auch an den Universitäten werden Weichenfür die Psychotherapie gestellt. Anna Aucken-thaler, Professorin an der Freien Universität Ber-lin, wies bei einem Symposion in Hamburg An-fang 2007 darauf hin, dass die Klinische Psycho-logie – unter anderem wegen ihres Wunschesnach Anerkennung durch die Grundlagenfächer– an der Medikalisierung von Psychotherapie ak-tiv beteiligt sei.

Auch wenn nach außen die Nähe der Klini-schen Psychologie zur Psychotherapie betont wird– etwa durch die Umbenennung der Fachgrup-pe Klinische Psychologie in die Fachgruppe Kli-nische Psychologie und Psychotherapie –, gibt eslaut Auckenthaler fachintern Tendenzen, liebervon „klinisch-psychologischer Intervention“ oder„klinisch-psychologischer Behandlung“ als vonPsychotherapie zu sprechen und PsychologischePsychotherapie (PP) mit Verhaltenstherapie (VT)gleichzusetzen.

Engel im TalarWenn es danach geht, wer faktisch die Arbeit derPsychotherapeuten in Deutschland am nachhal-tigsten geprägt hat, dann gehört der erste Platzzweifelsohne Klaus Engelmann, dem Vorsitzen-den Richter am Bundessozialgericht (BSG), undseinen Beisitzern. Ihre Urteile haben es ermög-licht, dass Psychotherapie im GKV-System unterBedingungen erbracht werden kann, die den The-rapeuten ein angemessenes Einkommen sichernund eine Altersvorsorge ermöglichen.

Über Jahre hat Engelmann mit seinem Refe-rat eine Rechtsprechung entwickelt, die die Be-sonderheiten psychotherapeutischer Leistungenberücksichtigt. Besonders hervorzuheben ist inBezug auf die Entscheidung des BSG, dass es al-lein die rechtliche Argumentation der Psycho-therapeuten war, die die Kammer überzeugte.Lobbyismus bei Gericht verbietet sich. Leider istzu hören, dass Engelmann demnächst in den Ru-hestand treten wird. Seinem Nachfolger wird die

In der KBV

Vollversammlung der KBV:6 PP und KJP, 6 ÄP

1 PP ist zweiter stellvertretender Vorsitzender der VV

Satzungsausschuss 2Finanzausschuss 1 PP

Beratender Fachausschuss:

6 PP/KJP, 1 ÄPAK 4: 2 PP

In der gemeinsamen Selbstverwaltung

Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)Unterausschuss Psychotherapie: 3 PP/KJPund 3 ÄP

Arbeitsausschuss des Bewertungsauschusses (ABBA): 2 PPBewertungsausschuss: 2 zweite Stellvertreter PP

In den Kammern

BPtK: Im Vorstand sitzen 5 PP/KJP BÄK: 6 ÄP im Plenum des DeutschenÄrztetages

Psychotherapeuten in den GremienWer entscheidet mit?

Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie der 2. Amtsperiode (Stand 31.12.2005)

von der Bundesärztekammer entsandte Mitglieder:

Gerhard Buchkremer, Geschäftsführender Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrieund Psychotherapie, Universität Tübingen

Fritz Hohagen, Ärztlicher Direktor der Kli-nik für Psychiatrie und Psychotherapie desUniversitätsklinikums Lübeck

Horst Kächele, Leiter der Abteilung für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin der Universität Ulm

Ulrike Lehmkuhl, Charité-Universitätsme-dizin Berlin, Klinik für Psychiatrie, Psycho-somatik und Psychotherapie des Kindes-und Jugendalters

Gerd Rudolf, ehemals Direktor der Psychoso-matischen Klinik der Universität Heidelberg

Michael Schulte-Markwort, Ärztlicher Lei-ter der Klinik und Poliklinik Kinder- undJugendpsychosomatik des Universitätskli-nikums Hamburg-Eppendorf

von der Bundespsychotherapeuten-kammer entsandte Mitglieder:

Thomas Fydrich, Humboldt-Universität zuBerlin Psychologisches Institut LehrstuhlPsychotherapie und Somatopsychologie

Jürgen Kriz, Universität Osnabrück, Fach-bereich Humanwissenschaften, Fach:Psychotherapie und Klinische Psychologie

Falk Leichsenring, Georg-August-Univer-sität Göttingen, Zentrum PsychologischeMedizin, Klinik für Psychosomatik undPsychotherapie

Dietmar Schulte, Ruhr-Universität Bo-chum, Fakultät für Psychologie, KlinischePsychologie und Psychotherapie

Günter Esser, Universität Potsdam, Hu-manwissenschaftliche Fakultät, Institut fürPsychologie, Professur Klinische Psycholo-gie/Psychotherapie

Aufgabe zuwachsen, aufs Neue zu definieren, wasim Wettbewerbsstärkungsgesetz mit „angemes-sener Vergütung zeitgebundener Leistungen“ ge-meint ist.

Natürlich ist diese Liste nicht vollständig. Eineinziger Psychotherapeut, der irgendwie in dieLage kommt, mit einer Kasse über Verträge nach§ 73c oder §140 zu verhandeln und dabei nichtausreichend den Schutz der Richtlinien-Psycho-therapie im Auge hat, kann mehr Schaden an-richten, als alle die hier aufgeführten Personenuns Gutes tun können. ___

Literatur zum Thema

Erika Behnsen, Karin Bell, Dieter Best (Hrsg.):Management Handbuch für die psychothera-peutische Praxis, Psychotherapeutenverlag2007, 288,- EuroSGB V

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Wer ist schuld?Hier muss man die KBV in Schutz nehmen. Eswar der Gesetzgeber, der der Selbstverwaltungvorgegeben hat, ein neues Vergütungssystem inzwei Schritten herzustellen. Für 2008 solltenmöglichst viele Leistungen in Pauschalen zu-sammengefasst werden. Die Regierung versprachsich davon eine bessere Versorgung. Dies be-trifft insbesondere die hausärztliche Versorgung.Der zweite Schritt besteht darin, dass die Fi-nanzierung des Gesundheitswesens ab 2009grundsätzlich auf eine andere Basis gestellt wer-den soll.

Pauschalen bei der PsychotherapieAuch in den Facharztkapiteln wurde pauscha-liert. Die Leistungen der Richtlinienpsychothe-rapie sind von der Pauschalierung verschont!In den Kapiteln 22 und 23 sind auch die Psycho-therapeuten betroffen. Es handelt sich aber nurum eine kleine Änderung, da lediglich die Or-dinationsgebühr, die Konsultationsgebühr unddie beiden Ziffern für das Schreiben eines Be-richts zusammengefasst wurden. Die Ge-sprächsleistungen in den vier so genannten„Psych-Kapiteln“, also die Gesprächsleistungen

xx220 in den Kapiteln 14, 21,22 und 23 bleibenals Einzelleistungen erhalten, ebenso das psycho-somatische Gespräch mit der Nummer 22221.

Viele werden sich freuen. Man muss nicht beijeder Leistung die Konsultationsgebühr ange-ben. Leider wurde bei den Pauschalen in allenArztgruppen in gleicher Weise vorgegangen. Al-le Leistungen, die in der Pauschale versenkt wer-den, gehen mit dem Gewicht ein, das sich ausder Häufigkeit ihrer Erbringung pro Patient er-gibt. Und es ergab sich, dass die Psychothera-peuten die Konsultationsgebühr im Bundes-schnitt nur viermal pro Patient abgerechnet ha-ben. Die Konsultationsgebühr ging also mitviermal 50 Punkten in die Kalkulation der neu-en Grundpauschale ein. Alle Psychotherapeu-ten, die mit fast allen ihren Patienten einmalpro Woche oder mehr arbeiten, haben hier zu-sätzliche Einbußen.

Gerechtigkeit im KleinenErstmals sind auch Besuchsleistungen fürPsychologische Psychotherapeuten und Kinder-und Jugendtherapeuten abrechenbar. Eine sogenannte Verwaltungspauschale und eine Tele-fonziffer für solche Patienten, die im gegebenen

Punkte-SchaumAlle sind genervt. Warum wieder ein neuer EBM? Berlin will Bürokratie abbauen und schafft dennoch immer neue Regelungen. Jürgen Doebert führt durch den Bewertungsdschungel.

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Quartal überhaupt nicht in die Praxis kamen, istvorgesehen. Das ist eher bedeutungslos, solan-ge alle diese Leistungen dem Regelleistungsvo-lumen unterliegen.

Die biografische Anamnese hat eine neue Le-gende bekommen, in der sich auch Verhaltens-therapeuten wieder finden können. Außerdembesteht nun die Möglichkeit, wie bisher in einerSitzung mit dem Patienten die Anamnese zu er-heben oder diese Leistung auch in Form einerZusammenfassung der im Verlauf der probato-rischen Sitzungen erhobenen biografischen Ein-zelheiten zu erbringen.

Höhere PunktzahlenDie KBV hat die Gelegenheit der partiellen Neu-Konstruktion des EBM durch die Pauschalen zumAnlass genommen, auch die Punktbewertung imEBM zu ändern. Sie konnte durchsetzen, dass sichdie Erhöhung der Mehrwertsteuer und die neuenGehälter in den Krankenhäusern sowohl in denKosten für die ärztlichen Praxen niederschlagen wieauch im kalkulierten Arztlohn. Außerdem ist es ge-lungen, die Ergebnisse der Kostenerhebung ausdem Sommer zum Teil in die Kostenstrukturender beteiligten Arztgruppen einzubringen. Her-ausgekommen sind – über alle Arztgruppen ver-teilt – höhere Punktzahlen.

Gibt es nun mehr Geld?Für das Jahr 2008 ist die klare Antwort: Nein! Fürdas Jahr 2008 hatten die Krankenkassen und dasBundesministerium für Gesundheit die klareAnsage gegeben, dass die vereinbarten Punkt-zahlerhöhungen im EBM weder zu einer Lei-stungseinschränkung noch zu einer Erhöhungder Honorare führen dürfen. Das heißt im Klar-text: die höheren Punktzahlen werden durchniedrigere Punktwerte kompensiert. In Euro er-gibt dies das gleiche Ergebnis. Ob es der einenoder anderen KV gelingt, für die eine oder an-dere Arztgruppe doch ein paar Euro herauszu-schlagen, wird sich in den Honorarverhand-lungen für das Jahr 2008 zeigen.

Ein schwacher TrostAlle Psychotherapeuten werden verwundert fest-stellen, dass ihnen doch etwas fehlt. Aber nur,wenn sie ganz genau nachrechnen. Zwischen 2,-und 2,50 Euro weniger werden sich pro Sitzungeiner genehmigungspflichtigen Psychotherapiein der KV-Abrechnung finden. Dies liegt – kurzgesagt – daran, dass seit der Erhöhung derPunktzahl von 1450 auf 1495 für die Therapie-sitzung gemessen an der Systematik des Bewer-tungsausschusses diese paar Euro zuviel gezahltwurden. Aus verschiedenen Gründen wurdendamals nämlich im Rechenweg des Bewer-tungsausschusses die neuen Punktzahlen nichtangepasst.

Es ist ein schwacher Trost, dass dieses Geldbisher angeblich zu viel ausgezahlt wurde, wennman bedenkt, dass es dennoch bei vielen Kas-senärztlichen Vereinigungen viel zu wenig war.Zusammen mit den oben schon dargestelltenVerlusten bei bestimmten Praxisstrukturen sum-mieren sich die negativen Effekte.

Was geschieht 2009?Tatsächlich besteht die Strategie der KBV dar-in, durch die jetzt angehobenen Punktzahlen imJahr 2009 die lange versprochene bessere Ver-gütung für alle Leistungserbringer zu erreichen.Dies wird allerdings nur gelingen, wenn entwe-der den Krankenkassen durch höhere Beitrags-sätze das Geld dafür zur Verfügung steht oderaber die Regierung einen anderen Weg findet,die Kassen zu subventionieren. Da im Wettbe-werbsstärkungsgesetz festgelegt ist, dass ab 2009das Parlament den Beitragssatz für die gesetz-lichen Krankenkassen für alle Kassen festgelegt,darf man sehr gespannt sein, welchen Weg diePolitiker kurz vor der nächsten Wahl einschlagen.

Kennen wir allesWie man es dreht und wendet – im Prinzip bleibtalles, wie es ist: der EBM weist für jede Leistungeine Punktzahl aus. Diese muss mit einemPunktwert multipliziert werden, damit Euros

daraus werden. Dies geschieht aber ab 2009 nichtmehr in jeder KV. Es gibt einen bundesweitenPunktwert, den so genannten Orientierungs-punktwert, mit dessen Hilfe für das ganze fol-gende Jahr jede Leistung in Euro errechnet wer-den kann. Das heißt, dass nun im Jahr 2009 alle Ärzte dort ankommen, wo die Psychothe-rapeuten mit ihrem so genannten Mindest-punktwert für die genehmigungspflichtigePsychotherapie und dem daraus errechnetenfesten Wert in Euro pro Sitzung schon seit 2000sind. Regionale Besonderheiten und eine unter-schiedlich gute Versorgung können sich übri-gens in regional etwas unterschiedlichen Euro-beträgen niederschlagen.

Mind the Gap! Schätzungen, wie hoch der bundesweite Orien-tierungspunktwert sein wird, schwanken zwi-schen 3 und 4 Cent. Dies ergäbe mit den neuenPunktzahlen von 1755 für die 50-minütigePsychotherapiesitzung einen Euro-Betrag zwi-schen 52,65 und 70,20 Euro. Man braucht keinHellseher zu sein, um zu erkennen, dass dies an-gesichts der Erhöhung der Honorare für fast al-le Arztgruppen als Folge der jetzigen Punkt-zahlerhöhungen im Jahre 2009 nicht die im Ge-setz vorgeschriebene „angemessene Vergütungfür die zeitgebundenen Leistungen in derPsychotherapie“ ist. Alle berufspolitische Akti-vität der Psychotherapeuten muss sich daher imLaufe des Jahres 2008 darauf zentrieren, Rege-lungen zu finden, um die Lücke zu schließen.

FazitDie schönste und am besten nachvollziehbareErklärung für die Verluste mindert den Ärgerdarüber kaum. Sie motiviert bestenfalls dazu,die schon absehbaren Komplikationen im Jahr2009 umso entschiedener abzuwenden. FangenSie doch schon einmal an, darüber nachzuden-ken, bei welchem Honorar in Euro sie bereit wä-ren, in Berlin zu demonstrieren. ___

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W I S S E N

___ Warum kümmert sich der bvvp eigentlichum Forschungsmethodologie und Wissenschaft?Sollte er sich nicht eigentlich um die Interessender Niedergelassenen, zum Beispiel um die Ho-norare, kümmern und die Wissenschaft denWissenschaftlern oder vielleicht auch den Fach-verbänden überlassen?

Wenn er es könnte, wäre das schön. Aber demist nicht so. Zudem sind die Ergebnisse der For-schung aufgrund wissenschaftlich anerkannterStudien-Designs enorm bedeutsam für die Pra-xis der niedergelassenen Psychotherapeuten undfür das, was sie zukünftig tun und lassen dür-fen oder müssen.

In der Medizin gilt RCT als unantastbar

Ein Reizwort in diesem Zusammenhang ist„RCT“. RCT heißt auf deutsch „randomisiertekontrollierte Studie“. RCT ist der so genannteGold-Standard der wissenschaftlichen Bewer-tung. RCT-Studien sind in der Medizin gewis-sermaßen unantastbar. Natürlich kommt dieser

Standard vor allem aus der Pharmaforschung,und hat dort sicherlich seinen Nutzen und Wert.Aber auch in der Psychotherapie-Forschung?

Relevant werden diese Fragen bei der wis-senschaftlichen Anerkennung von Psychothe-rapieverfahren, bei ihrer Zulassung zur GKV-Versorgung und bei der Definition von Be-handlungsleitlinien für bestimmte Krankheitenund Störungen. Der Wissenschaftliche Beirat,der für die Anerkennung von Verfahren für dieAusbildung Psychologischer Psychotherapeu-ten und Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapeuten zuständig ist, prüft nach einer Be-wertungshierarchie, in der die RCT-Studienganz oben stehen.

Auch der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der für die Nutzenbewertung und damit fürdie Zulassung eines Verfahrens in der GKV zu-ständig ist, hat im Zuge einer gesetzlich not-wendig gewordenen Neufassung der Richtliniendie Gesprächspsychotherapie nach solchen Kri-terien überprüft und sich vorgenommen, dem-nächst die alten, bereits zugelassenen Verfahrennoch einmal auf den Prüfstand zu holen. Auf

diese Maßnahmen schauen viele Psychothera-peuten mit großem Unbehagen.

Lassen wir die Problematik mal beiseite, diesich daraus ergibt, dass die Gesprächspsycho-therapie zwar die Hürden des Wissenschaft-lichen Beirats genommen hat, aber nicht die desGBA, der sie schon nach den neuen – und nicht,wie eigentlich notwendig, nach den alten, immernoch gültigen – Psychotherapie-Richtlinien ge-prüft hat. Wenden wir uns der Frage zu, ob derRCT-Standard für die Psychotherapie überhauptdas höchstrangige Kriterium sein kann.

Darum ging es jüngst auf einer Tagung, dieder Gesprächskreis II (GK II) als größtes Fo-rum psychotherapeutischer Verbände, am 4. No-vember in Berlin veranstaltet hat. Die Referen-ten stellten sich Fragen wie: Welche Methodo-logie der Psychotherapieforschung eignet sichals Grundlage für die berufs- und sozialrecht-lichen Entscheidungsprozesse? Wie sieht pra-xis- und versorgungsbezogene Forschung ausund wie sollte sie weiterentwickelt werden? Leit-linien und psychotherapeutische Versorgungs-realitäten - wie verträgt sich das?

Fragwürdiger StandardWas kann man von wissenschaftlichen Untersuchungsdesigns wie RCT erwarten? Können sie allein den Standard in der Psychotherapie darstellen? Eine Berliner Tagung des Gesprächskreis II versuchte,diesen Fragen auf den Grund zu gehen – der bvvp war mit einem Referat dabei.Von Frank Roland Deister, 1. stellvertretender Vorsitzender bvvp

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W I S S E N

01 Was in den Leitlinien die besten Eviden-zen aufweist, ist keine Psychotherapie imengeren Sinn. Und andererseits: Eine Psycho-therapie im engeren Sinn kann keine höch-sten Evidenzen aufweisen.

02 Die RCT-Forschungsmethodik ermög-licht lediglich, einzelne Wirkelemente beiumgrenzten Krankheitssymptomen oder -zuständen zu identifizieren mit der Per-spektive, diese als störungsspezifische Ele-mente in umfassender konzipierte Behand-lungen integrieren zu können. Darin liegt dieVersorgungsrelevanz von Leitlinien.

03 Mit symptom-orientierten psychothera-peutischen Interventionen lassen sich indi-viduelle bio-psycho-soziale Zusammen-hänge generell weder erfassen noch gezieltbearbeiten.

04 Da Leitlinien aus Gründen der Reliabi-lität auf RCT-gestützten Behandlungsemp-fehlungen für allgemeingültige Krankheits-aspekte abheben müssen, können Leitlinienkeine Empfehlungen für spezifische Psycho-therapieformen aussprechen, keine Aussagenzu Differentialindikationen, geeigneterenoder weniger geeigneten Psychotherapienmachen. Aussagen müssen sich auf allge-meine Psychotherapie-Empfehlungen undEmpfehlungen von RCT- geprüften Wirk-elementen beschränken.

05 Therapieempfehlungen können nicht an-hand von Effektivitätsnachweisen ausge-sprochen werden, wenn die nachgewiese-nen Effekte keine sicheren Aussagen überden Nutzen unter Versorgungsbedingungen(Effectiveness), Nutzen-Schaden-Relatio-nen, über Langzeiteffekte und relevante Pa-tientenendpunkte (wie Lebensqualität, Mor-bidität und Mortalität) erlauben.

Leitlinien und psychotherapeutische Versorgungsrealitäten – wie verträgt sich das?

Kernthesen aus dem Referat von bvvp-Vorstandsreferent Norbert Bowe auf der Tagung des Gesprächskreises II am 4. November 2007 in Berlin

06 Beim abgrenzbaren Krankheitsbild derendogenen Depression repräsentieren RCT-geprüfte Interventionen, wie z.B. IPT, we-sentliche Elemente der indizierten Psycho-therapie. Bei anderen Depressionsformensind kurze Interventionsformen unterkom-plex, unterdosiert, zu sehr auf vorgegebeneTherapieziele eingeschränkt; sie bleiben hin-ter den Behandlungsnotwendigkeiten zurück.

07 Leitlinien gehen aufgrund ihrer Grund-ausrichtung an den Erfahrungen und denBehandlungsformen, die seit 40 Jahren inDeutschland erfolgreich angewandt werden,vorbei und sind ungeeignet, die für depres-sive Störungen oft sehr wichtigen Langzeit-therapien hinreichend zu berücksichtigen.

08 Diagnostische und therapeutische Ent-scheidungsbäume in Leitlinien sind wenigpraktikabel, weil sie zu Verallgemeinerungengreifen müssen an Stellen, an denen geradedie klinisch erarbeitete Differentialdiagno-se und Differentialindikation höchste Prio-rität haben.

09 Einseitige Nomenklatur (Akut-, Erhal-tungstherapie, Rezidivprophylaxe) verleitetzu Fehlschlüssen und erhöht die Gefahr ei-ner Medikalisierung der Psychotherapie.

10 Über besondere Versorgungsverträge be-kommt die in Leitlinien entwickelte inadä-quate Gewichtung von Behandlungsformenpolitische Bedeutung und führt im Kon-kurrenzkampf der Leistungsanbietergrup-pen tendenziell zu einem Rückbau der um-fassenden psychotherapeutischen Versor-gung.

Das vollständige Referat von Norbert Bowefinden Sie unter: www.bvvp.de

Die Referenten Michael Buchholz, ThomasFydrich, Tilman Grande, Martin Härter, KarinTritt und Norbert Bowe kann man als hochkompetente Vertreter jeweils äußerst gegensätz-licher Positionen ansehen.

Zum Thema Leitlinien äußerte sich bvvp-Vorstandsreferent Norbert Bowe. Seine Thesenbezogen sich zwar explizit auf erstellte und inEntwicklung befindliche Leitlinien (auch auf dieweitgehend konsentierte „Nationale Versor-gungsleitlinie Depression“). Dennoch gelten diemeisten seiner Thesen für die Bewertung vonPsychotherapiestudien auch in anderen Zu-sammenhängen. Immer geht es darum, ob dieäußerst „reliablen“ RCT-Nachweise überhauptRückschlüsse auf die Versorgungsrealität liefernund damit hinreichend „extern valide“ Aussagenermöglichen.

Verlässlich aber untauglich?

Bei den neu entwickelten Nationalen Versor-gungsleitlinien zur Depressionsbehandlungkonnte der bvvp nicht verhindern, dass immernoch RCT-Nachweisen die höchste Priorität ein-geräumt werden, um bestimmte Behandlungs-verfahren oder -formen zu empfehlen. Nach-weise der Tauglichkeit im Versorgungsalltag sinddort nach wie vor nachrangig. Daher wird zumBeispiel an keiner Stelle in diesen Leitlinien ei-ne Langzeittherapie empfohlen, eben weil es da-für keine Unterstützung durch RCT-Studiengibt, da dieses Design bei Langzeittherapienkaum anzuwenden und umzusetzen ist.

Der bvvp wird sich weiter bemühen, dass end-lich ein Umdenken stattfindet. Denn wenn mandiese Entwicklung nicht stoppen kann, wird diePsychotherapie, wie wir Sie kennen, insbeson-dere die Langzeittherapie, über kurz oder langunter die Räder kommen. ___

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M E I N U N G

Blick nach vorn mit UnbehagenNoch hat Deutschland international eine Spitzenposition in der psychotherapeutischen Versorgung. Doch durch wenige Fehler könnte die Politik verspielen, was jahrelang aufgebaut wurde. Ist das Recht auf seelische Gesundheit bald wieder Verhandlungsmasse? Von Birgit Clever, 1. Vorsitzende bvvp

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Jeder dritte Erwachsene in Deutschland erfährt laut Schätzungen einmal im Leben eine seelische Erkrankung. Etwa 700.000 Menschen werden derzeit in psycho-therapeutischer Ambulanz versorgt. Doch die Bedürftigen geben sich in der Gesellschaftnicht lautstark zu erkennen. Eine starke Patientenlobby gibt es nicht – auch die Arzneimittelindustrie hat wenig davon,das Thema in die Diskussion zu bringen.Deshalb müssen die Psychotherapeuten nicht nur ihre eigenen Interessen, sondern auch die ihrer Patienten schultern.

___ Das derzeitige Niveau psychotherapeuti-scher Versorgung in Deutschland kann sich welt-weit sehen lassen und entspricht dem hohenStandard des bundesdeutschen Gesundheitssy-stems. Psychotherapie kommt häufig denschwächsten Gliedern unserer Gesellschaft zu-gute: Den Frauen, den Alleinerziehenden, denKindern und Alten vor allem aus sozial schwa-chen Schichten, Migranten – Menschen, die esschwerer haben als ihre Mitbürger, für sich selbstund ggfs. gegen einen Abbau für sie notwendi-ger Leistungen laut genug einzutreten. DieserAbbau aber genau zeichnet sich als Folge des li-beralisierten Wettbewerbs im Gesundheitssy-stem nach dem Wettbewerbstärkungsgesetz ab.Soll die psychotherapeutische Versorgung trotzder steigenden Zahl der Erkrankungen nichteinem ruinösen Wettbewerb überlassen werden,müssen bei der nächsten Gesundheitsreformanalog zur Absicherung der hausärztlichen Ver-sorgung klare Strukturvorgaben ins Gesetzbuchgeschrieben werden.

Seelische Störungen nehmen zahlenmäßigimmens zu. Sie treten damit beim Verbrauchder Mittel in Konkurrenz zu den somatischen Er-krankungen. Auch die Behandlergruppen – nichtdie Patienten – konkurrieren um die endlicheMenge finanzieller Ressourcen. Die bisher dasErscheinungsbild der Medizin prägenden Be-rufsgruppen für körperliche Erkrankungen wol-len die Ressourcen natürlich weiterhin in ihremVerfügungsbereich halten, am besten sogar ver-mehren. Deshalb beanspruchen sie die Defini-

tionsmacht darüber, welche Krankheiten zu be-handeln überhaupt Sinn macht und mit wel-chem finanziellen Aufwand. Kaum verwunder-lich, dass sie in den entsprechenden Gremienan die Behandlungsmethoden seelischer Er-krankungen weit höhere Anforderungen stellenals an die somatischen.

Zweierlei Maß – seelisch Kranke sollen blitzgenesen

Unbestrittenes Ziel der kurativen Medizin istdie Heilung oder Linderung von Krankheit. Inder Rehabilitation soll eine möglichst umfang-reiche Teilhabe am sozialen Leben und die Ver-kürzung oder Linderung der mit Behinderungverbrachten Lebensjahre erreicht werden. Ins-besondere bei der Linderung von Krankheitspielt das subjektive Empfinden für die Ziel-erreichung die entscheidende Rolle. Um dieseZiele zu erreichen werden – gesellschaftlichkaum hinterfragt – große Anstrengungen unter-nommen und umfangreiche Mittel zur Verfü-gung gestellt. Niemand würde eine Sekunde langzögern, einem Diabetiker seine lebenslang not-wendige Medikation zuzugestehen, auch wenner nie wirklich geheilt werden kann und ab undzu auch ein Stück Sahnetorte isst.

Ganz anders bei seelischen Erkrankungen.Hier reicht es plötzlich nicht, dass jemand schwerpsychisch krank ist, um eine vielleicht jahrelangnotwendige psychotherapeutische Behandlung

zu legitimieren. Therapien müssen ihre Wirk-samkeit dahingehend nachweisen, dass sie Bes-serungen des Krankheitszustands über den Aus-gangswert hinaus herbeiführen können (sieheGEK-Report Dezember 2007), ansonsten werdensie für entbehrlich erklärt. Der Erkrankte sollnach einer Kurzzeitpsychotherapie gesünder alsvor seiner akuten psychischen Erkrankung undsomit mindestens so gesund sein wie der Be-völkerungsdurchschnitt. Vom Diabetiker wirddas selbstverständlich nicht verlangt.

Da ist es klar, dass er auch bei guter Einstel-lung und Compliance immer krank bleibenwird, seine Therapie aber fortwährend braucht,um nicht noch kränker zu werden und Kom-plikationen zu entwickeln.

Hingegen soll ein Mensch mit einer depres-siven Symptomatik oder einer schweren Per-sönlichkeitsstörung nach einer Kurzzeitpsycho-therapie nicht nur von seiner akuten Depres-sion, sondern bitte auch gleich von seinermitgebrachten Persönlichkeitsstörung befreitsein. Sonst hat die Psychotherapie nicht wirklichetwas gebracht.

Die Konkurrenz und diese unterschiedlichenAnsprüche sind nicht neu. Schon immer be-gegnete man den „Psychos“ argwöhnisch, weilihr Tun noch weniger verstanden wird als das derPsychiater, die wenigstens noch Pillen ver-schreiben. Die Tätigkeit der Psychologen, Kin-dertherapeuten oder ärztlichen Psychothera-peuten wird tendenziell als nicht ärztlich-me-dizinisch eingestuft.

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Die Behandlungsmethoden werden als nichtgenügend qualitätsgesichert abgetan mit der Be-gründung, sie seien nicht hinreichend evidenz-basiert. Eine Besserung im Befinden der Pa-tienten reiche nicht aus. Niemanden scheint eszu stören, dass bei der somatischen – und ganzbesonders der hausärztlichen – Medizin nur fürein kleines Segment der Behandlungstätigkeitevidenzbasierte Wirksamkeitsstudien vorliegen.

Konkurrenz belebt das Geschäft – aber nur wenn gleiche Startchancen bestehen

Psychotherapeuten werden als Kollegen weni-ger geschätzt oder wahrgenommen, weil sie nichteinfach mal über den gemeinsamen Patientensprechen oder per Arztbrief schreiben können– aufgrund der Verschwiegenheitsverpflichtungzu sehr intimen Patientenangaben – und weil sieangeblich schwerer zu erreichen sind. Orthopä-den wird ebenfalls schwierige Erreichbarkeitvorgeworfen, trotzdem ist dieser Vorwurf abernicht in den Versuch eingebettet, diesen Zweigder Medizin mit diesem Argument inhaltlich zudiskreditieren.

Alle diese Facetten beeinflussen die Hack-ordnung des Verteilungskampfs um das Honorar.Allerdings wird der Streit über die Honorar-verteilung bisher durch das Sozialgesetzbuch(SGB V) und das BSG-Urteil limitiert. Gesetz-liche Bestimmungen schützen derzeit Psycho-therapiepraxen vor einem existenzbedrohenden

Honorarverfall und gewährleisten damit diesesVersorgungssegment – allerdings nur solangeman sich im körperschaftlichen Rahmen derKassenärztlichen Vereinigungen bewegt. Außer-halb, im frei vertraglichen Bereich der so ge-nannten IV und § 73c-Verträge, kommen die-se Regularien nicht zum Tragen.

Inzwischen ist eine neue Zeit angebrochen.Mehr Wettbewerb ist Mode und Allheilmittelallüberall. Der Gesetzgeber hat den Wettbewerbin alle Bereiche der Gesundheitsversorgung hin-eingetragen, in der Vorstellung, dadurch die Ef-fizienz zu steigern. Wettbewerb setzt zu aller-erst auf individuelles Gewinnstreben und stehtinsofern mit gesellschaftlichen, kollektiven Inter-essen nicht zwingend in Einklang. Insofern sindflächendeckende Gesundheitsversorgung, diedem Solidaritätsgedanken verpflichtet ist, undein auf Gewinnmaximierung zielender Wettbe-werb nicht leicht zur Deckung zu bringen.

Wettbewerb zieht eine verstärkte Konkurrenzder Leistungsanbieter um Ressourcen nach sich.Verstärkt die Ausrichtung an „guten Risiken“ undVermeidung von „schlechten Risiken“, verleitet denArzt oder Psychotherapeuten dazu, den Patientenunter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu taxie-ren. Da dürften die sozial – und womöglich auchmedizinisch – schwierigen, weil zeitaufwändigenPatienten als erste auf der Strecke bleiben.

Gesundheitsversorgung hat mit Fürsorge zutun. Wettbewerb mit Versorgung zu verknüpfen,macht deshalb nur insoweit Sinn, als es plausi-ble Anhaltspunkte für die Annahme gibt, dass

es dadurch zu Leistungsverbesserung oder Di-versifizierung von Angeboten kommt. Wettbe-werb ist aber ein Sprengsatz für ein auf be-darfsgerechte Versorgung ausgerichtetes Ge-sundheitssystem, wenn er statt zur beabsichtigtenVerbesserung dazu führt, dass notwendige Ge-sundheitsleistungen verknappt oder ganz aus-gedünnt werden; und zwar weil Krankenkassenim Kostendruck aufgrund enger Beitragsbe-grenzungen oder ungünstiger Risikoverteilungendurch Wettbewerb mit Gewinnerzielungsabsichtkein Interesse haben, mehr Geld auszugeben alsunbedingt nötig.

Die Gesetze des Verdrängungswettbewerbssind Wegbegleiter des im WSG intendierten,vorgeblichen Wettbewerbs um Qualität. Die An-gebotsseite wird sich wohl in qualitativ höchstunterschiedliche Versorgungssegmente aufglie-dern: die Luxusausgabe mit allem, was die Me-dizin an Sinnigem und Unsinnigem zu bietenhat; die Mittelklasse mit stimmigem Preis-Lei-stungsverhältnis im Mittelfeld des medizinischEtablierten und Akzeptierten; schließlich dasBilligsegment mit Masse statt Klasse.

Jedes Segment ist verknüpft mit unter-schiedlichen Anbieter-, Leistungserbringer- undKonsumentenstrukturen und den daran orien-tierten Marketingstrategien. Fachärzte leiten ausihrer fachärztlichen Qualifikation einen geho-benen Honoraranspruch ab. Sie beanspruchensozusagen einen Qualitätszuschlag. Die Durch-setzung ihrer Honoraransprüche führt über ei-ne zahlungswillige und -fähige, gebildete Klien-

Gesundheit kostet Geld – aber darfsie allein in Zahlen bemessen werden? Die Kosten für psychotheraupeutische Behandlung werden sorgfältig beäugt.

Der wirtschaftlichen Schaden, der entsteht, wenn seelische Erkrankungen nicht behandelt werden, ist groß, wenn

auch nirgendwo erfasst: Hohe Krankenstände in Betrieben und

spätere Belastungen der Rentenkassen lassen sich durch eine gute

psychotherapeutische Versorgung reduzieren.

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tel, die von sich aus den Kassen die Bereitstel-lung hochqualifizierter Fachleistungen im Hoch-preis- und Mittelfeld abverlangt.

Hausärzte verstehen sich als unentbehrlicheVersorger für alle und sehen sich als harte Ar-beiter im Gesundheitswesen, die auch ungeliebteAufgaben wie den nächtlichen Notdienst über-nehmen. Ihre Zielgruppe ist deshalb die großeMehrheit der Patienten.

Hausärzte streben aufgrund der Unersetz-lichkeit ihrer teils als unattraktiv angesehenenArbeit eine marktbeherrschende Position an undhoffen, ihren Honoraranspruch dann diktierenzu können. Sie verlangen nicht wie die Fach-ärzte einen Qualifikationszuschlag, sondern so-zusagen eine Härtezulage und konkurrieren alsMarktführer um den Löwenanteil der Kran-kenkassengelder für die ambulante Versorgung.

Psychotherapeuten leiten die Bedeutung ih-res Versorgungsauftrags aus dem häufigen Vor-kommen seelischer Erkrankungen ab. Leidens-druck ihrer Patienten, Wechselwirkungen seeli-

scher und somatischer Erkrankungen und diezunehmenden sozialmedizinischen Kosten ein-schließlich des Krankengelds und der Frühbe-rentungen spielen ebenfalls eine große Rolle.Seelische Erkrankungen treten häufiger unterschlechteren sozialen Lebensbedingungen auf.Da seelisch Kranke im Allgemeinen schlecherin der Lage sind als somatisch Kranke, sichselbstbewusst für ihre Belange einzusetzen, ha-ben die Psychotherapeuten in der Konkurrenzmit Haus- und Fachärzten nicht nur mit derenVormachtstreben, sondern auch mit der feh-lenden, vernehmbaren Unterstützung durch ih-re Patienten zu kämpfen.

Fortschritt oder Rückschritt –Psychotherapeuten müssen doppelt kämpfen

Psychisch Kranke machen sich nicht öffentlich-keitswirksam bemerkbar und rücken den Poli-tikern nicht auf den Leib. Das ist ein Nachteil,denn in Politik und öffentlicher Meinung zäh-len nicht nur Sachargumente, sondern auchLautstärke. Psychotherapeuten müssen zu dereigenen auch noch die Interessensvertretung ih-rer Patienten schultern und dabei immer an dasMitgefühl, die Solidarität der anderen mit denschwächsten Gliedern unserer Gesellschaft ap-pellieren – kein sehr Erfolg versprechendesUnterfangen im Zeitalter des freien Wettbewerbs.

Je mehr Wettbewerb und Gewinnstreben alsOrganisationsprinzip verankert werden, desto

weniger Platz bleibt für den humanen Umgangmit den Schwächeren. Die Entwicklung bei denPrivaten Kassen lässt nichts Gutes ahnen. Dortsteht zwar Psychotherapie im Leistungsver-zeichnis, aber im Einzelfall so eingeschränkt,dass dies nur als Alibi zu sehen ist.

Hier müssen sich die Politiker entscheiden.Sie tragen Verantwortung für gesetzliche Grund-strukturen. Soll allen Menschen in unserer In-dustrienation eine gute Versorgung bei seeli-schen Erkrankungen zur Verfügung stehen, diesich nicht auf die Verabreichung von Psycho-pharmaka beschränkt, darf Psychotherapie nichteinem ruinösen Wettbewerb ausgesetzt werden.Es wäre ein sozialpolitisch unverzeihlicher Rück-schritt, wenn Psychotherapie marginalisiert wür-de und nur bei manchen Krankenkassen mar-ketingstrategisch günstige Therapieinsellösun-gen übrig blieben.

Psychotherapie gehört daher nicht nur insKollektivvertragssystem und muss bei der Um-setzung des SGB V durch untergesetzlicheNormgeber wie Bewertungsausschuss und Ge-meinsamen Bundesausschuss abgesichert undgestärkt werden. Sie ist in Zeiten des freiver-traglichen Wettbewerbs zusätzlich auf eine struk-turelle Verankerung als Pflichtversorgungsan-teil in der Sozialgesetzgebung angewiesen. Daskönnte mit einer Verpflichtung geschehen, beifreien Verträgen (nach 73 b oder c) eine Schnitt-stelle zur bedarfsadäquaten Psychotherapie im Umfang der derzeitigen Regelversorgung vorzusehen. ___

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Frau Dr. Goesmann, mit welchen Aktivitäten unterstützt die Bundesärztekammerdie Psychotherapie in Deutschland?

Durch den Themenschwerpunkt auf dem Deut-schen Ärztetag 2006 hat die Problematik derStigmatisierung psychisch Kranker eine ver-mehrte Aufmerksamkeit in der Ärzteschaft so-wie in der Öffentlichkeit erfahren. Jedoch bestehtweiterhin dringender Handlungsbedarf zur För-derung der Psychotherapie. Die Bundesärzte-kammer unterstützt sie auf vielfältige Weise.Psychotherapeutische Themen finden regelmä-ßig ihren Niederschlag in den Fortbildungsak-tivitäten auf Bundesebene, etwa der zertifizier-ten Fortbildungsreihe des Deutschen Ärzteblat-tes, sowie bei Fortbildungsaktivitäten derLandesärztekammern. Die verschiedenen For-men ärztlicher Psychotherapie sind in der Mus-ter-Weiterbildungsordnung differenziert abge-bildet. Ein sehr intensiver fachlicher Austauschzu Fragen der Psychotherapie findet im Wis-senschaftlichen Beirat Psychotherapie statt, dergemeinsam von der Bundeskammer der Psycho-logischen Psychotherapeuten (BPtK) und der

Bundesärztekammer getragen wird. Aktuell hatdie Bundesärztekammer zudem die Verbesse-rung der Versorgung psychisch Kranker als ei-nen Schwerpunkt ihrer Förderinitiative zur Ver-sorgungsforschung ausgeschrieben.

Wenn Sie persönlich eine Priorisierung von Erkrankungen vornehmen würden: Für wie wichtig halten Sie die Behandlungseelischer Störungen?

Psychosoziale Kompetenzen waren schon im-mer integraler Bestandteil des ärztlichen Han-delns. Gerade als Fachärztin für Allgemeinme-dizin ist mir die Bedeutung einer guten Arzt-Pa-tienten-Beziehung und der Stellenwert destherapeutischen Gesprächs bewusst.

Wahrnehmen, Thematisieren und Behandelnvon psychisch bedingten Erkrankungen halteich für außerordentlich wichtig. Bei psychoso-matischen Krankheitsbildern, wo seelische Stö-rungen und körperliche Symptome sehr eng ge-koppelt sind, benötigen Ärztinnen und Ärztedie in der Aus- und Weiterbildung vermitteltenpsychotherapeutische Kompetenzen.

Aus ärztlicher Sicht darf es jedoch keine Prio-risierung verschiedener Patientengruppen ge-ben, egal, ob diese psychisch oder somatisch er-krankt sind. Eine solche priorisierende Katego-risierung ist ärztlichem Denken fremd. JedePatientin und jeder Patient muss nach Mög-lichkeit umfassend versorgt werden.

Welche Behandlergruppen sollten seelische Störungen behandeln? Bei wem sollten welche Erkrankungen diagnostiziert und behandelt werden?

Ein Aufspalten unserer Patienten und ein Split-ten ihrer Behandlung einerseits durch „Techni-ker“ für den Körper und andererseits durch Spe-zialisten für die Seele ist unangemessen, ko-stentreibend und würde vermutlich zu vielerleiFehldiagnosen führen. Ärztliche Psychothera-pie muss vielmehr in unterschiedlicher Formzur Anwendung kommen.

Die so genannte Psychosomatische Grund-versorgung qualifiziert Ärztinnen und Ärzte imprimären Versorgungssystem zu einer frühenErfassung psychosomatischer Faktoren im all-

Cornelia Goesmann ist Vizepräsidentin der Bundesärztekammer und Beauftragte des Vorstands für Fragen der ärztlichen Psychotherapie.Im Interview fordert sie Arbeitsteilung und Zusammenarbeit der psychotherapeutischen Fachgebiete für die Verbesserung seelischer Versorgung.Die Fragen stellte der bvvp-Vorstand

„Wir stehen wechselseitig in der Verantwortung“

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gemeinen und im fachärztlichen Bereich, die fürdie weitere medizinische Behandlung bedeu-tungsvoll ist. Die Ärztinnen und Ärzte mit dieser Qualifikation haben eine Screening-Funk-tion und können etwa psychosoziale Interven-tionen und Entspannungsverfahren therapeu-tisch anwenden.

Durch Zusatzweiterbildung und die fachge-bundene Psychotherapie wird die ärztlicheWeiterbildung in den „somatischen Fächern“um die psychiatrischen, psychosozialen undpsychosomatischen Kompetenzen erweitert. Die-se dienen einer besseren Versorgung von Pa-tientinnen und Patienten mit psychischen undpsychosomatischen Störungen im hausärztlichenund somatisch-fachärztlichen Bereich und ei-ner bedarfsgerechten Indikationsstellung für ei-ne fachärztliche Psychotherapie und derenDurchführung. Patienten und Patientinnen las-sen sich eher auf ein Gespräch über möglichepsychische und psychosomatische Aspekte ihrerBeschwerden ein, wenn schon eine vertrauens-volle Arzt-Patient-Beziehung besteht.

Ärztinnen und Ärzte für Psychiatrie undPsychotherapie, für Psychosomatische Medizinund für Psychotherapie sowie Kinder- und Ju-gendpsychiatrie und -psychotherapie sind qua-lifiziert, Prävention, Diagnostik, Therapie undRehabilitation primär psychischer sowie psycho-somatischer Erkrankungen entweder bei Kindern,Jugendlichen oder bei Erwachsenen durchzu-

führen. Zur Anwendung kommen im vertrags-ärztlichen Bereich auch die Verfahren der Richt-linien-Psychotherapie.

Halten Sie die derzeit in Deutschland gültige Art und den Umfang für die psycho-therapeutische Versorgung für zielführendoder sehen Sie Korrekturbedarf?

Aus meiner persönlichen Erfahrung als Haus-ärztin ist es für mich immer wieder erschrek-kend, dass Patientinnen und Patienten mitschweren psychischen Störungen wie Borderli-

ne-Störungen oder Essstörungen schwerer ei-nen Therapieplatz finden als leichter erkranktePersonen. Hier sehe ich noch erheblichen Kor-rekturbedarf, der über Anreize zur Behandlungsolch schwer erkrankter Patienten geregelt wer-den könnte. Darüber hinaus müssen wir verstärkt– auch unter unseren Kollegen und Kolleginnen– für sozialpsychiatrische Tätigkeiten werben.

Wie viel Wettbewerb verträgt die Richtlinientherapie Ihrer Meinung nach und wo könnte es Probleme geben?

Die Vorstellung, die Patientenversorgung unterWettbewerbsbedingungen auszurichten, ist ausärztlicher Sicht ein verfehlter Ansatz. Die Ver-sorgung kranker Menschen darf sich grund-sätzlich nicht primär an einer Konkurrenz-Si-tuation verschiedener Leistungserbringer aus-richten.

Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit zwischen Medizin und Psychotherapie zukünftig vor? Welche Möglichkeiten und welche Hemmnisse gibt es?

In der allgemeinen Diskussion wird der Begriff„Psychotherapeut“ irrtümlich oft einseitig aufPsychologische Psychotherapeuten und Kinderund Jugendlichenpsychotherapeuten bezogen.Psychotherapie wird jedoch auch von weiterge-bildeten Ärztinnen und Ärzten erbracht. Psycho-therapie ist integraler Bestandteil ärztlicher Be-handlung.

Die enge und gute Kooperation zwischen Ärz-ten aller Fachrichtungen und ärztlichen Psycho-therapeuten ist auszubauen. Auch ist es wichtig,die hohe Kompetenz der PsychologischenPsychotherapeuten und Kinder- und Jugendli-chenpsychotherapeuten zum Nutzen unsererPatienten einzubeziehen. Gleichwohl gibt es spe-zifisch ärztliche psychotherapeutische Aufgabenund Schwerpunkte wie die Kombinationsthera-pie unter Anwendung medikamentöser undpsychotherapeutischer Interventionen, diepsychotherapeutische Versorgung schwer kör-perlich Kranker sowie die Psychotherapie beiPsychosen.

Eine konstruktive Zusammenarbeit zwischenden beiden Berufsgruppen und ihren Kammernzur Förderung der seelischen Gesundheit unse-rer Patientinnen und Patienten ist notwendig.Dafür stehen wir wechselseitig in der Verant-wortung.

Im nächsten Heft: Quo vadis, seelische Gesundheit? Rainer Richter, Präsident derBundespsychotherapeutenkammer und Professor am Hamburger Klinikum UKE, imGespräch mit Projekt Psychotherapie.

„Versorgung kranker Menschen darf sich nicht an Konkurrenz ausrichten.“

„Eine Priorisierung der Patientengruppen darf es nicht geben.“

Zuständig für seelische und psychosomatische Erkrankungen in der Ärztekammer:Cornelia Goesmann.Foto: BÄK

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___ Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Wett-bewerb der Versorgung gut tun wird: Die bislangkollektivvertraglichen Regelungen bei ambu-lanter Versorgung und Krankenhäusern sollendadurch verbessert werden, dass sektorenüber-greifende Versorgungsstrukturen und Leistun-gen entstehen. Das Gesetz zur Stärkung desWettbewerbs (WSG) und das Vertragsarzt-rechtsänderungsgesetz beinhalten Spielräume,Verträge für besondere Versorgungsformen zuschließen. Es gibt die Verpflichtung der Kran-kenkassen zu Hausarztverträgen im Paragra-phen 73 b des Sozialgesetzbuches V, und dieMöglichkeit für Verträge für besondere fach-ärztliche Versorgungsformen im Paragraphen73 c. Der freivertragliche Bereich wird insge-samt gestärkt. Krankenhäuser können Medizi-nische Versorgungszentren (MVZ) eröffnen undunter ihrem Dach den stationären und ambu-lanten Bereich verzahnen. Auch niedergelasse-ne Ärzte und Psychotherapeuten haben dieseMöglichkeit. Sie können Nebenbetriebsstätteneröffnen und Kollegen flexibler beschäftigen.Werden diese Maßnahmen auch in der Psycho-therapie zu einer Verbesserung der Versorgung

führen? Vermutlich nicht, denn die psychothe-rapeutische Versorgung folgt anderen Gesetz-mäßigkeiten als die somatische Medizin.

Alle Maßnahmen, mit denen medizinischeLeistungen zentralisiert werden, sind für die Be-handlung psychischer Störungen kein Vorteil.Die Entfernung zwischen Wohnort des Patien-ten und psychotherapeutischem Behandlungs-platz ist nämlich eine entscheidende Zugangs-hürde für die Inanspruchnahme von psycho-therapeutischen Leistungen und damit auchentscheidende Stellschraube für den direktenFinanzierungsbedarf. Soll die Inanspruchnah-me angesichts der zunehmenden Bedeutung psy-chischer Erkrankungen und ihrer Folgekostennicht erschwert werden, müssen ordnungspoli-tische Maßnahmen dafür Sorge tragen, dassPsychotherapie weiterhin dezentral, also ambu-lant und wohnortnah erfolgen kann.

Spareffekte bleiben aus

Psychotherapeutische Behandlung erfolgt typi-scherweise ambulant, da eine Veränderung derseelischen Störungen nur dann zu einer stabi-

len Heilung führen kann, wenn sie dem realenLebensumfeld des Patienten standhält. Psycho-therapeutische Behandlung im stationären Set-ting erfordert hingegen immer eine mit zusätz-lichen Risiken behaftete Transferleistung in diereale Lebenssituation. Deshalb ist eine statio-näre Behandlung – wie überall in der Medizin– nur bei schweren und komplexen Krank-heitsbildern indiziert. Da der Gesamtbedarf anpsychotherapeutischen Behandlungen, der dieganze Bandbreite seelischer Erkrankungen ab-deckt, in Zukunft weiter wachsen wird, mussaus inhaltlichen und Kostengründen die Lei-stungserbringung vorrangig über ambulanteVersorgungsstrukturen abgesichert sein.

Ambulante psychotherapeutische Versorgungerfolgt typischerweise in der klassischen Einzel-praxis, da die Regelversorgung von Patienten mitpsychischen und psychosomatischen Störungendie am deutlichsten auf das individuelle Krank-heitsbild zugeschnittene, zuwendungsintensivsteBehandlung in der Medizin darstellt. Verglichenmit Haus- und fachärztlichen Praxen anderer Fach-richtungen können in einer psychotherapeutischen Praxis deshalb nur wenige Patienten behandelt

Die Euphorie des MarktesVertragsfreiheit und Wettbewerb begeistern derzeit die Gesundheitspolitiker. Sie wollen eine kostengünstige Versorgung fördern. Auf die Psychotherapie sind die neuen Regeln jedoch nicht zugeschnitten. Seelisch Kranke und ihre Psychotherapeuten werden den frischen Wind womöglich nicht nutzen und schätzen können und fragen: War es am Ende heiße Luft? Von Birgit Clever, 1. Vorsitzende bvvp

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werden. Eventuell in sehr begrenztem Umfang erzielbare, kurzfristige Einsparungen vor allemdurch mehr Gruppenbehandlungen oder in Ein-zelfällen auch durch kürzere individuelle Behand-lungen, werden durch die rasante Zunahme derBehandlungsfälle weit überholt.

Sparpotenziale, wie sie in anderen Zweigender Medizin vorhanden sind, existieren in derPsychotherapie nicht. Die Arzt-Patienten-Zeitkann weder durch den Einsatz von Technik ver-kürzt werden noch lassen sich Kosten durch diegemeinsame Nutzung teurer technischer Gerä-te oder großer Praxisflächen reduzieren. DieEingliederung therapeutischer Praxen in Ärzte-häuser oder MVZ bringt deshalb in Bezug aufdie Gesamtversorgung psychischer Erkrankun-gen kaum Kostenvorteile. Die fachliche Versor-gung der Patienten einer Klinik oder eines MVZwürde sich durch die Einbindung psychothera-peutischen Sachverstands bei bestimmten kör-perlichen Erkrankungen hingegen schon ver-bessern lassen, beispielsweise bei onkologischenPatienten, Diabetikern oder Betroffenen ande-rer körperlicher Erkrankungen, die mit psychi-schen Störungen assoziiert sind.

Doch gemessen am Gesamtspektrum psy-chischer Erkrankungen, das vor allem aus de-pressiven Störungen, Angst- und Abhängig-keitserkrankungen sowie Anpassungsstörungenbesteht, könnte nur ein verschwindend kleinerTeil der psychotherapeutischen Leistungen inMVZ erbracht werden , was nur marginal zu ei-ner Verbesserung der Versorgung beitrüge.

Der für die psychotherapeutische Versorgungzentral notwendige Erhalt der klassischen Ein-zelpraxis steht im Gegensatz zu den gesetzge-berischen Vorstellungen, dass die Medizin durchschrittweise Zurücknahme staatlicher Fürsorgeund Hinführung zu marktwirtschaftlichen Me-chanismen zukunftsfähig gemacht werden kön-ne. Folglich stehen auf der politischen Agendaunter Kosten- und Qualitätsgesichtspunkten im-mer mehr Anreize, besondere Vertragsformenfür sektorenübergreifende Zusammenschlüsse

von Ärzten oder Krankenhäusern zu entwickeln.In der Psychotherapie macht Zentralisierungennur bei bestimmten schweren und komplexenKrankheitsbildern Sinn, die eine stationäre odervon einer Schwerpunktpraxis ausgeführte Be-handlung erfordern. Es bedarf aber gesetzlicherRahmenbedingungen, die sich von denen fürden somatischen Medizinbetrieb ins Auge ge-fassten unterscheiden, um Psychotherapie zu-kunftsfähig zu machen.

Einzelpraxis muss überlebensfähig sein

Anbieter, seien es Krankenhäuser, MVZ, Ein-zelpraxen, oder auch Krankenkassen, müssenihr Handeln in einem marktwirtschaftlich orien-tierten Wettbewerb an der Gewinnmaximierungausrichten, um zu überleben. Dies zieht zwangs-läufig eine Industrialisierung des Gesundheits-sektors nach sich, die sich in einem Verdrän-gungswettbewerb niederschlagen muss. Der öko-nomischen Vernunft folgend, werden sichgrößere und wirtschaftlich potentere Strukturenzu Lasten kleinerer durchsetzen. Das individuellökonomisch sinnvolle Leistungsspektrum einesKrankenhauses oder eines ambulanten Anbietersmuss jedoch keineswegs deckungsgleich mit denkollektiven Erfordernissen einer für die gesam-te Bevölkerung adäquaten Versorgung sein. Esgilt also genau zu unterscheiden, an welchenStellen dem Gesundheitswesen mehr Wettbe-werb gut tut und wo er schadet.

Wettbewerb im Gesundheitswesen schadetdort, wo trotz medizinisch-psychotherapeuti-scher Notwendigkeit keine geldwerten Opti-mierungspotentiale vorhanden sind und dieseBereiche ökonomisch marginalisiert werden.

Bedauerlicherweise tragen psychische Er-krankungen noch immer ein Stigma. Anbieter-strukturen, auch Krankenkassen, können nichtmit positiven Marketingeffekten rechnen, in-dem sie mit einer bessern Versorgung psychischKranker werben. Die erheblichen Belastungen

der Sozialversicherungssysteme lassen sich zwardurch eine frühzeitige und sachgerechte psycho-therapeutische Behandlung reduzieren, abereben nicht im laufenden Geschäftsjahr einerKrankenkasse. In der Regel schlägt sich eine sol-che Verbesserung des Gesundheitszustands erstmit zeitlicher Latenz nieder, und zwar in derEntlastung der Rentenversicherungsträger oderwomöglich einer anderen Kasse, zu der der Ver-sicherte im stetigen Wettbewerb wechseln könn-te. Deshalb konzentrieren sich die Bemühun-gen der Kassen naturgemäß auf Behandlungs-gebiete, bei denen sich sichere und unmittelbareEinsparungen ausrechnen lassen.

Werkzeuge wie die Integrierte Versorgung,die so genannten 73er Verträge und die Zentra-lisierung in einem MVZ sind für die Verbesse-rung der psychotherapeutischen Versorgung kei-ne sinnvollen Anreizsysteme – im Gegenteil. Dasich Krankheitsbilder und Arbeitsfelder andererFachgebiete für diese neuen Versorgungsformenjedoch ungleich besser eignen, droht die struk-turelle und ökonomische Marginalisierung derPsychotherapie.

Die Gesundheitspolitiker aller Fraktionensind daher aufgerufen, diesem Trend, den das jet-zige Regelwerk begünstigt, Einhalt zu gebietenund die Versorgung der seelisch kranken Men-schen in besonderer Weise zu garantieren undzu schützen.

Niederschwelliger, wohnortnaher Zugang undErhalt der weltweit vorbildlichen, qualitativhochwertigen psychotherapeutischen Versor-gung setzt die ökonomische Absicherung derambulanten Praxisstrukturen voraus.

Eine erfolgreiche Anpassung der Versor-gungsstrukturen an die Erfordernisse zukünfti-ger Generationen hängt von einem wohnort-nahen und damit dezentralen, flächendeckendenZugang zur psychotherapeutischen Versorgungab. Wettbewerb kann gestärkt werden, doch nurin einer Weise, die psychotherapeutische Ein-zelpraxen strukturell und wirtschaftlich über-lebensfähig hält. ___

Die psychotherapeutische Versorgung ist in Deutschland vergleichsweise gut, doch mit erheblichen regionalen Unterschieden.In sozial schwachen Gebieten ist das Angebot oft niedriger, der Bedarf ist hingegen überall hoch. Ob ein seelisch Kranker Hilfe in Anspruch nimmt, hängt vor allem davon ab, wie erreichbar diesefür ihn ist. Deshalb kann die ambulante Praxis in der Nähe des Patientenwohnorts durch kein Versorgungsmodell ersetzt werden.

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___ Psychologie und Medizin haben viel miteinander zu tun. Laien machen sich indes nurvage Vorstellungen von den wechselseitigen Beziehungen beider Wissenschaften und ihremMit-, Gegen- und Nebeneinander. Patienten ver-wechseln uns, Studenten diskutieren im Inter-net über beide Fächer wie über austauschbare Alternativen, und Kollegen des jeweils anderenFaches haben ihre liebe Not oder mangelndesInteresse, die „Gegenseite“ gut zu kennen. Dassder bvvp Psychologen, Ärzte und – im Fall der

Kinder- und Jugendtherapie (KJP) auch Päda-gogen – aller Vertragspsychotherapieverfahrenunter einem gemeinsamen Dach vertritt, wirdAußenstehenden gar nicht so bemerkenswerterscheinen. Tatsächlich ist dies eine beständigzu bewältigende Integrationsaufgabe.

Denkweisen und KompetenzenInhalt der Medizin sind drei Aspekte mensch-lichen Lebens: die organische oder leibseelischeFunktionstüchtigkeit, deren mögliche „Störun-

Die Vereinbarkeit des UnvereinbarenIn der Psychotherapie begegnen sich Psychologieund Medizin. Trotz oder gerade wegen ihrer unterschiedlichen Wissenschaftsansätze befruchtensich beide Fächer. In der Gesundheits- und Wissenschaftspolitik trennt sie jedoch vieles,das Resultat ist oftmals Konkurrenzdenken.Der bvvp ist angetreten, um diese Gegensätze zu überwinden. Von Rüdiger Hagelberg, Mitglied der bvvp-Magazin-Redaktion

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gen“ und ihre Heilung oder Linderung. Er-kenntnis, Erforschung, Behandlung und Ver-hinderung von Krankheiten stehen im Mittel-punkt. Es ist ein landläufiger Irrtum, Medizin fürdie somatischen und Psychologie für die psy-chischen Erkrankungen zuständig zu halten.Psychologie „denkt“ nicht medizinisch.

Medizin forscht und handelt aus Sicht be-stimmter Krankheitsvorstellungen. Aus ver-schiedenen Gründen entstand dabei eine Trenn-linie zwischen somatischen und psychischen Erkrankungen: hier die eher naturwissen-schaftliche, dort die eher „noch nicht“ natur-wissenschaftliche Sichtweise.

Im archaischen wie auch im späteren mittel-alterlich-christlichen Krankheitsverständnis gabes diese Trennung nicht. Behandelt wurde derganze mit seinem Schicksal, seiner „Schuld“, sei-nem Glauben und Aberglauben verbundeneMensch. Seit dem 18. Jahrhundert fokussierte dieMedizin mit wachsender naturwissenschaftlicherErkenntnisgewinnung immer mehr auf die kör-perlichen Geschehnisse: ein Segen einerseits, einVerlust „menschlicher Ganzheit“ auf der ande-ren Seite. Heutige alternativ-medizinische Strö-mungen werden oft als „Reste“ früheren Aber-glaubens dargestellt. Dabei könnten sie auchWarnsignale dafür sein, dass der Medizin dieEinbettung in ein ordnendes oder harmonisie-rendes Bezugssystem verloren gegangen ist.

Psychologie bedeutete ursprünglich „Seelen-kunde“, nicht „Seelenheilkunde“. Sie entstand –anders als die Medizin – aus neuzeitlicher Ra-tionalität, aus einem Interesse an universellenGesetzmäßigkeiten und später an Wesen undWirkung von Bewusstsein oder alltäglichen Vor-gängen und Zuständen des „Individuums“, wieUlich, Bösel in ihrer Einführung in die Psycho-logie definieren. Ziele und Methodik der Psycho-logie sind Beschreibung, Erklärung, Prognosti-zierung und Veränderung der ganzen Vielfalt(menschlichen) Erlebens und Verhaltens. Ver-änderung als Erkenntnisgewinnung im Experi-ment oder als Beeinflussung psychischer Pro-blemstellungen, was die Legitimation und Kom-

petenz zum „Wirken am Menschen“ und letzt-lich zur Psychologischen Psychotherapie be-gründet.

Psychologische Psychotherapie hat damit sehrviel weiter verzweigte Wurzeln als MedizinischePsychotherapie, auch wenn sie ohne gesetzge-berischen Segen nicht „Therapie“ genannt wer-den durfte. Das ärztliche Heilkunde-Monopoldefinierte zum Schutz vor Missbrauch und zurSicherung des Vorrangs ärztlicher Parameter desHeilens, was „Therapie“ sei und was nicht.

So entstand der Eindruck, PsychologischePsychotherapeuten müssten sich nicht nur or-ganisatorisch, sondern auch inhaltlich der Me-dizin anpassen, um behandeln zu können. InWahrheit wirken sie seit langem in einem Be-handlungsfeld mit oft schwersten, chronifizier-ten Störungen oder seelischen Gebrechen allerArt, bei Krisen, Traumata und vielen anderenZuständen, in die die ärztliche Heilkunst nurselten vordringt.

So wie Trennlinien zwischen Psychologie undMedizin existieren, gibt es sie auch innerhalbjeden Faches selbst. Der Behaviorismus und dieaus ihm entstandene Verhaltenstherapie (VT)zum Beispiel grenzen sich traditionell als so ge-nanntes nomothetisches Verfahren von denmehr idiographischen Verfahren ab (und um-gekehrt). Die VT hat damit als „Verhaltensme-dizin“ eine größere Nähe zum Selbstverständ-nis der Medizin.

AnnäherungsversucheDie einfachste Annäherung zwischen Psycholo-gie und Medizin findet statt, wenn Psychologenzum Arzt gehen, weil sie krank sind. Und um-gekehrt? Ärzte haben sehr viel mehr und globalermit Psychologie zu tun, als ihnen bisweilen liebist; denn ärztliches Verhalten und Erleben unddas ihrer Patienten ist mit dem Blick auf ein„meta-medizinisches“, gewissermaßen mehrdi-mensionales System von Krankheit und Ge-sundheit einer der möglichen Forschungs-gegenstände von Psychologie. Sie könnte derMedizin damit deren einseitig naturwissen-

schaftlich ausgerichtete Denk-und Handlungs-weise vor Augen zu führen. Doch lässt die Me-dizin das zu?

Der Anschein von Annäherung beider Wis-senschaften entsteht auch, wenn man ihre zahl-reichen, begrifflich oft so „nahen“ Teilbereicheals Verklammerung versteht: Neurophysiologieoder Neuropsychologie, Medizinische Psycho-logie oder Klinische Psychologie, Psychosoma-tik, schließlich Psychotherapeutische Medizin.Die Begriffsvielfalt indes verwirrt und beweistwenig.

Medizinische Psychologie zum Beispiel soll-te, wie Hirnsperger, Sonneck in der „Histori-schen Skizze“ Psychologie und Medizin rekapi-tulieren, zwar das „psychologische Prinzip“ inder Medizin sichern, und engagierte Wissen-schaftler aus beiden Fächern haben sie wech-selseitig mit Leben erfüllt. Dennoch ist sie nochimmer im Medizinstudium mit isolierten The-menbereichen in die vorklinischen Semester„verbannt“ und mit dem Odium des Alibi-Fachsversehen. Sie ist Opfer jener Unvereinbarkeit,die schon die Bezeichnung ausdrückt: Denn das„psychologische“ kann nicht auch das „medizi-nische“ sein, so wie Birnen nicht auch Äpfel seinkönnen. Ein dringend erforderliches, unabhän-giges „psychologisches Prinzip“ konnte die Me-dizin offenbar aus sich selbst nicht generieren.

Die Klinische Psychologie dagegen ist fraglosTeil der Psychologie und kein verbindendes Fach.Aufgrund ihrer sozialwissenschaftlichen Bestre-bung zu Beobachtung, Erklärung und Beein-flussung von Erleben und Verhalten bringt sieeine Veränderungs- und Wirk-Kompetenz aussich selbst und mit eigenen Mitteln hervor. Kli-nische Psychologie liegt dem verbreiteten Me-dizinverständnis fern, auch wenn das Wort „kli-nisch“ etwas anderes suggerieren mag.

Die Psychosomatik, gedacht als allgemeineärztliche Qualifikation, inzwischen zu einemschlecht dotierten medizinischen (Spezial-) Ge-biet beschnitten, weist noch mit Spuren auf dasverbindende aber nur schwer strukturierbareElement von medizinischen und psychologi-

In der Uns-geht’s-gut-Gesellschaft tragen seelische Erkrankungen noch immer ein Stigma. Ihre Symptome lassen sich oft schwerer beschreiben und artikulieren als bei somatischen Leiden. Doch psychische und somatische Erkrankungen bedingen sich oft gegenseitig.Zur ganzheitlichen Versorgung gehört eine gute Zusammenarbeit von Ärzten und Psychotherapeuten.Beide Fachrichtungen können von der anderen viel lernen.

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schen Teilgebieten hin: Laut Bräutigam et al.in Psychosomatische Medizin, ursprünglich von der Psychoanalyse (psychodynamische Deutungen von körperlichen Symptomen) be-einflusst, mit dieser dann aber aus der akade-mischen und klinischen Psychologie ausge-klammert, bedient sie sich heute auch sozial-psychologischer Behandlungsverfahren und derVT. Sie nähert sich damit quasi durch die Hinter-tür der Psychologie an.

„Psychische Teilgebiete“ werden von der so-matischen Medizin an den Rand gedrängt, wäh-rend, wie es der Gießener Professor Jörn Scheer2006 in seiner Abschiedsvorlesung ausdrückte,„die Hoffnung vieler Menschen sich auf die ex-plosionsartige Vermehrung biologisch-medizi-nischen Wissens richtet.“ Statt vieler Über-schneidungen psychologischer wie medizini-scher Teilgebiete müsse, so forderte Scheer,„Integration“ mit einer gebotenen „Differen-zierung“ das Ziel sein.

In der Psychotherapeutischen Medizin scheintsich dagegen eine gelungene Verbindung zwi-schen Psychologie und Medizin – von einigenPhysio-psycho-neuro-immuno-Fächern abge-sehen – am ehesten abzuzeichnen. Das ärztli-che Ziel des Heilens psychischer Erkrankungenergänzt das psychologische des Beeinflussenspsychischer Störungsphänomene oder umge-kehrt. Deutlich wird, dass es sich um zwei Sei-ten derselben Medaille handelt. Trotzdem gibtes auch hier Rückschritte: Die Facharzt-Be-zeichnung „Psychotherapeutische Medizin“ wur-de in „Psychosomatische Medizin und Psycho-therapie“ umbenannt, was über das Symboli-sche hinaus eine Beschränkung auf die Medizinund eine erneuerte Abgrenzung zur Psycholo-gie verrät.

Medizin und Psychologie stoßen sich ab – warum?Was treibt Medizin und Psychologie dazu, sichvoneinander abzustoßen, statt sich in einem för-derlichen wissenschaftlichen Kontext zusammenzu finden? Die Medizin besitzt, so schreibt Ste-phan Ahrens im Lehrbuch der psychotherapeuti-schen Medizin, einen wissenschaftspolitisch privilegierten Zugang zu den ökonomischen

Ressourcen. Im Fach selbst herrscht laut Ahrens„derzeit die bio-medizinisch-kausalwissen-schaftliche, die biopsychosoziale Betrachtungs-weise vor“. Seelische Phänomene würden ebendoch als physisch-kausalgesetzlich verstanden.

Damit wird eine zweifache Zurückweisungder Psychologie festgestellt: Alles, auch krankesVerhalten und Erleben, ist letztlich biologisch-medizinisch und nicht psychologisch begründ-bar. Eine zweite, psychologische, Vorstellung vonpsychischer Krankheit – die die medizinischenicht widerlegen sondern erweitern und ergän-zen würde – betrachten demnach viele Medizi-ner als Konkurrenz. In der medizinischen Rea-lität sind psychische Erkrankungen damit nochimmer die ultima ratio nach langen somatischenExplorationen.

Es scheint, als strebe Medizin ihrem „Urknall“zu, der letztendlich doch biologischen, physika-lischen Ursache allen Erlebens und Verhaltens,und fokussiere sich dabei immer mehr auf sichselbst. Da kann die Psychologie nur stören. De-ren wissenschaftlicher Impetus bedeutet ja dasGegenteil: Ausgehend von ihren philosophischenWurzeln hat sie sich den philosophischen Skep-tizismus der beginnenden Neuzeit mit demGrundsatz, alles sei anzuzweifeln nur nicht derZweifel selbst, zu Eigen gemacht, schreibenUlich, Bösel a.a.O. Das ist ein Selbstverständ-nis, das die Medizin als Handlungs- und Ent-scheidungsfach im Kern abstoßen muss.

Psychologie bleibt immer kritisches Auge undMedizin immer Gegenstand. Der Gegenstandkann indes nicht das Auge beforschen, es gibtkeine „Medizin der Psychologie“. Alles istpsychologisch, aber nicht alles ist medizinisch.In der Gewichtung der Wissenschaften entstehtso eine gewisse Unterlegenheit der Medizin. Ihrsucht sie zu entgehen, und im medizinischenAlltag scheint sie sich auch nicht abzubilden. Esgibt keine begleitende, unabhängige und gülti-ge „Psychologie der Medizin“.

Psychologie stößt Medizin ihrerseits in einersekundären Reaktion auf das schon erwähnteUngleichgewicht der Machtverhältnisse ab. Be-reits bei den Psychotherapeuten in der Ausbil-dung (PiA) beginnt die Unterwerfung unter me-dizinische Paradigmen und die hartnäckig ver-

teidigte Deutungshoheit dessen, was Krankseinheißt. Auch das Psychotherapeutengesetz warinsofern nur ein für die Psychologie einengen-der Kompromiss.

Dass viele Psychologen nun darauf bestehen,die „wahren“ Psychotherapeuten zu sein, mussnicht verwundern. Protagonisten der so ge-nannten Ärztlichen Psychotherapie scheinendarauf mit besorgter Selbstabgrenzung zu rea-gieren – ein Teufelskreis, bei dem das auslösen-de Agens aus dem Auge verloren wird.

Medizinwandel wie Klimawandel: schleichende aber erkennbare ProzesseDie Gebundenheit der Medizin in einem über-geordneten Werte- und Bezugssystem ist be-droht – durch Zwänge der Wirtschaftlichkeit,Bürokratie und staatliche Reglementierungen. Esgibt zahlreiche Anzeichen dafür, dass sich Me-dizin in eine Richtung entwickelt, unter der al-le leiden werden. Ihr menschliches Gesicht seiin Gefahr, warnen viele. „Heilkunst oder Leitli-nienmedizin?“, fragte ein besorgter Arzt jüngstin einem Beitrag für das Deutsche Ärzteblatt.Schönheitschirurgie und Reproduktionsmedi-zin – eigentlich keine medizinischen Fächer son-dern Biologie unter dem Aspekt medizinischerMachbarkeit und Ökonomie – sind Auswüch-se, die erschrecken. Ärztliche Standesvertreteraber legen den Schwerpunkt ihrer Kritik häufigauf die Gefahr, den Zugang zu den ökonomi-schen Ressourcen zu verlieren.

Der Umgang mit dem „Medizinwandel“ äh-nelt dem jahrelangen Umgang mit dem Klima-wandel: Negative Trends werden vielfach zu Einzelereignissen – quasi „normalen Schwan-kungen“ entsprechend – verkleinert, viele un-bestritten große Fortschritte werden globalisiert.Selbstverursachte, problematische Entwicklun-gen bleiben auf diese Weise maskiert.

Die Psychologie verfügt nicht nur über diewissenschaftlichen Voraussetzungen zum Wir-ken an Menschen, die psychische Störungen er-leiden, sondern sie darf auch auf der Basis ih-res Wissenschaftsverständnisses bezweifeln undhinterfragen, was Ärzte denken und tun. Selbstdas medizinische Krankheits- und Heilungs-

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verständnis ist nicht unantastbar: Weiß wirk-lich einzig die Medizin, was krank macht undwas heilt? Zweifel daran wachsen zum Beispiel,wenn man sich das relativ neue aber immer ge-wichtigere Fachgebiet der Psychologie, die „Ge-sundheitspsychologie“, ansieht.

Dennoch ergeben sich – kein positives Fazit– nur wenige Anzeichen für ein gedeihlichesMiteinander von Medizin und Psychologie inder Gesundheits- und Wissenschaftspolitik. DieBesonderheiten der Statik der Psychotherapie,die auf den „Säulen“ beider Fächer ruht, liegt da-mit auf der Hand.

Die Praxis belegt ein fruchtbares VerhältnisIn der Psychotherapie wächst zusammen, waszusammen gehört: Die Praxis erlaubt einen et-was optimistischeren Ausklang und belegt, dassdas Zusammenwirken von Kollegen aus schein-bar so unvereinbaren wissenschaftlichen Prä-gungen reibungslos und komplementär funk-tionieren kann.

Einrichtungen wie das Hamburger Balint-In-stitut und viele andere Institute bieten psycho-therapeutische Aus- und Weiterbildung in gutzusammenarbeitenden Gruppen von Psycholo-gen und Ärzten.

Es existieren Praxispartnerschaften von Ärzt-lichen und Psychologischen Psychotherapeuten,für die gemeinsame Intervisionen selbstver-ständlich sind. Die gängige Praxis von Super-oder Intervision mit Psychologischen Psycho-therapeuten bereichert das ärztliche Denken.Arbeitskreise und Fortbildungen belegen einefraglos für alle förderliche Zusammenarbeit vonPsychologischen und Ärztlichen Psychothera-peuten in vielen Praxisbelangen.

Gottlob sind auch die Unterschiede spürbar:Ärzte folgen eher der Gradheit und Sicherheitihrer Krankheitskonzepte. Indes sind ihre Dis-tanzierungsmöglichkeiten geringer und die Ho-rizonte weniger weit. Ärzte, heißt es, sind „ge-triebener“, übernehmen rascher die Führungund halten die Mühsal, endlich zum Erfolg zukommen, schwerer aus. Psychologen nähern sichden Problemen eher von einem weiten Feld aus,einer möglichen Gesamtschau vielfältiger Be-

zogenheiten. Dort möchten sie beeinflussen, ver-ändern, aber nicht bekämpfen. Umgekehrt hel-fen Ärzte Psychologen, wo rasches Handeln inder Krise, eine Krankenhauseinweisung oder ei-ne Medikation angezeigt sind.

Typische Unterschiede zeigten sich bei derEinführung des Systems ICD 10: Ärzte hattenkeine Mühe, zahlreiche Diagnosen zu manife-stieren, auch weil es opportun war. Psycholo-gen scheuten eine derartige Festlegung auf „dasKranke“. Im Survival Guide PiA beschreiben dieAutorinnen treffend und abgewogen das Zu-sammenwirken von unterschiedlichem ärztli-chem und psychologischem Krankheitsver-ständnis und Handeln in der Krankenhauspra-xis. Aus ihrer Sicht wirkt sich das Zusammenspielvon Psychologie und Medizin erweiternd undvorteilhaft bei der Behandlung psychisch kran-ker Menschen aus.

Gemeinsam unter einem DachIst diese gegenseitige Befruchtung der Fächerauch auf die Verbandsebene zu übertragen? Derbvvp beantwortet diese Frage unbedingt mit: Ja.Mit seinen so unvergleichbar heterogenen Mit-gliederprofilen entstand er aus dem großenDruck heraus, den die immer bedrohlicherewirtschaftlich-berufliche Situation erzeugte. Die-ser Druck ist gelindert, aber nicht aus der Welt.Bisherige Erfolge sowie alte und neue „Druck-faktoren“ - Veränderungen der medizinischenVersorgungslandschaft, Vertretungsmöglichkei-ten in den Gremien, Ansprüche der EBM –rechtfertigen den weiteren Zusammenhalt desbvvp. Aber er ist auch ein Verband in einer viel-fältigen oder, sollte man besser sagen, zersplit-terten Verbandslandschaft.

Zentrifugalkräfte scheinen unserem Fach im-manent zu sein. Dabei ist Druck von außen nichtdie beste und beständigste Ursache für Zu-sammenhalt. Zusammenhalt muss als Wille zurIntegration und in der Sicherheit, dass Psycholo-gie und Medizin trotz ihrer Trennlinien in derPsychotherapie fruchtbar zusammen kommen,von innen entstehen und wachsen. Diese Vision hatsich der bvvp mehr und mehr zu eigen gemacht.Und dafür steht er nach außen auch ein. ___

Literatur zum Thema

Stephan Ahrens Lehrbuch der Psychotherapeutischen MedizinS. 73, Schattauer 2006

Walter Bräutigam, Paul Christian,Michael von Rad:Psychosomatische MedizinS. 9 f., Thieme, Stuttgart 1997

Hans Hirnsperger, Gernot Sonneck Psychologie und MedizinS. 298 f., Eine historische Skizze veröffentlicht in:Gerda Mehta Praxis der PsychologieSpringer, Wien 2007

Dieter Ulich, Rainer M. BöselEinführung in die PsychologieS. 72 und S. 80 f., Kohlhammer 2005

Birgit Lindel, Ina Sellin Survivalguide PiAS. 139 f., Springer Berlin, 2007

Jörn Scheer Abschiedsvorlesung an der Giessener Universität am06.02.2002 „Unter Ärzten“ Über das Verhältnis von Psychologen undMedizinern S. 9 f.Deutsches Ärzteblatt 48/07 A 3312

Rüdiger Hagelberg (66)war ursprünglich Facharzt fürAllgemeinmedizin mit späterer ca.vierjähriger psychotherapeutischer Zusatzqualifikation für Ärzte undPsychologen am Hamburger Michael Balint Institut zum „Facharztfür Psychotherapeutische Medizin“ und nunmehr für „PsychosomatischeMedizin und Psychotherapie“. Seitmehreren Jahren arbeitet er in Praxisgemeinschaft mit Ärztlichen und Psychologischen Psychothera-peuten und hat viele Erfahrungen aus „gemischten“ Super- oder Inter-visions- und auch Weiterbildungs-gruppen. Gründungsmitglied des vvph (heute bvvp-HH), Delegierter2004 bis 2006, Mitglied der bvvp-Magazin-Redaktion seit 2004.

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___ 1989 ging die innerdeutsche Grenze auf. 2006beschloss die Delegierten-Versammlung des bvvp,in Zukunft einmal im Jahr bei einem seiner Lan-desverbände zu tagen. Ein Jahr später wanderteder Tross zum ersten Mal nach Dresden. Der Ver-band hatte für die geplante öffentliche Veran-staltung schöne Power-Point-Folien vorbereitet,um die Geschichte der Psychotherapie und dieRolle des bvvp darin zu illustrieren. Ein Kollegeaus Brandenburg, der sie zuvor durchsah, merk-

te an: „Da ist kein einziges Datum zur DDR.“ Inaller Eile wurden die wichtigsten Daten einge-fügt. Kein Wunder: Viele Psychotherapeuten imWesten wissen wenig oder nichts über Psycho-therapie im Osten. Und dann kann man auchschlecht dran denken. Geschweige denn auf dieIdee kommen, dort seine Praxis aufzumachen.Immerhin gibt es noch ein paar freie Bezirke!Was spräche dafür? Die Honorare sind es gewißnicht – oder vielleicht ab 2009? Eher die Idee,

etwas Neues zu entdecken. Man bewegt sich ge-gen den Strom. Gewinnt man dort nur Oldiesoder Opfer von Rechtsradikalen als Patienten?Mehrere , in unsystematischen Gesprächen be-fragte, Ostdeutsche meinten, dass es genug Pa-tienten gebe und dass sie sich genauso zu-sammensetzten wie im Westen. Junge und Alte.

Allerdings gibt es ohne Zweifel „drüben“ein spezielles Thema, das sich als die Verar-beitung von Systemnähe oder -ferne bezeich-

Der weiße FleckIm Wettlauf der politischen Systeme hat die Bundesrepublik die DDR alt aussehen lassen.Gilt das auch für die Psychotherapie? Für viele Kollegen ist der Osten Neuland, dabei hat die Zunft dort durchaus eine Tradition.Von Jürgen Doebert, kooptiertes Vorstandsmitglied bvvp

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nen lässt. Dabei – so meinte eine Kollegin – gebe es unglaublich spannende Biografien. Daskönnte auch West-Kollegen reizen, ebenso wiedie Möglichkeit, wesentlich mehr als im Wes-ten am Aufbau neuer Strukturen beteiligt zusein. Vielleicht seien insgesamt Patienten, dievom Westen in den Osten gezogen sind, etwasüberrepräsentiert.

Neugier aufGeschichte

So ganz einfach scheint es nicht zu sein, sichdort einzuleben. Allerdings ist – wie im Westenauch im Osten – nicht alles über einen Kammzu scheren. In Potsdam lebt es sich anders als inSömmerda oder Bad Freienwalde. Falls Sie nichtsicher sind, ob beide Orte in Deutschland liegen,hat sich dieser Beitrag schon gelohnt. Mit demEinleben haben wohl auch diejenigen Psycho-therapeuten ihre Probleme, die sich wegen einesfreien Praxissitzes plötzlich in der Ost-Provinzwiederfinden.

Jedenfalls nerven sie schon mal die Eingeses-senen beim Psycho-Stammtisch mit ihrer Sehn-sucht nach der Heimat im Westen oder auchdamit, dass sie pendeln und ihren Versorgungs-auftrag nur recht sporadisch wahrnehmen. Ei-ne andere Gruppe derer, die sich nach Ostenaufgemacht hat, geht anders damit um: sie wer-den politisch aktiv. Hierbei geschieht es dann,dass sie ihre West-Art voll ausleben, Verbands-differenzen hochspielen und eben aktiver sind.Was mit der bekannten Mischung von Neid undBewunderung verbucht wird, die man als Nord-deutscher in Schwaben genauso kennt.

Stolz wie die Westler auf die Richtlinien-Psychotherapie sind, können sie sich kaum vor-

stellen, dass es auch in der DDR schon Psycho-therapie gab. Aber es gab sie! Sogar einige ver-sprengte Psychoanalytiker. Gesprächstherapiewar eine sehr übliche Methode. Auch Verhal-tenstherapie wurde angewandt. Katathymes Bil-derleben erfreute sich großer Beliebtheit. Vielelernten Hypnose. Insbesondere die IntendierteDynamische Psychotherapie, die als Gruppen-therapie große Verbreitung fand, aber späterauch als Einzeltherapie konzeptualisiert wurde,gehörte zu den Errungenschaften in der ost-deutschen Psycho-Landschaft.

Bis auf wenige Ausnahmen wurde die Psycho-therapie in darauf spezialisierten Poliklinikenambulant oder in psychosomatischen Klinikenstationär erbracht. Es gab Ärzte, die sich mitPsychosomatik und Psychotherapie beschäftig-ten. Aber auch viele Psychiater verstanden sichals Psychotherapeuten. Die Psychologen wur-den, wenn sie als klinische Psychologen arbei-teten, zu „Fachpsychologen der Medizin“.

Befragt, worin sie einen Unterschied zwischenOst- und Westpsychotherapeuten sehen, fiel denOst-Kollegen zuerst ein, dass die Zusammenar-beit zwischen Ärzten und Psychologen wesent-lich kollegialer gewesen sei als es beim Blick vonOst nach West im Westen erscheint.

Dies lag auch daran, dass Fortbildungen et-wa im katathymen Bilderleben oder in Hypno-se immer von beiden Berufsgruppen besuchtwurden. Das gemeinsame – auch in der DDR da-mals nicht so übliche – Interesse an der Be-handlung seelischer Krankheiten verband. DieBetonung der selbstverständlichen Zusammen-arbeit wird mit einem Eindruck von West-deutschland kontrastiert, der von einem gera-dezu feindlichen Gegeneinander von Ärzten undPsychologen ausgeht.

Dies lässt sich nur so erklären, dass die erstenWest-Verbände der Psychotherapeuten, die ihreSegnungen nach Osten bringen wollten, offenbarreine Psychologenverbände waren. Auch im Wes-ten blicken nämlich viele Ärzte und Psychologenauf eine lange persönliche Erfahrung in einer gu-ten und selbstverständlichen Zusammenarbeitzurück, deren Basis vor allem in den analytischenAusbildungsinstituten gelegt wurde, wodurch fürsie das Delegationsverfahren von beiden Seitenunproblematischer war.

Ein integrativer Verband wie der bvvp greiftdiese Erfahrungen auf, erweitert sie und hätteganz sicher auch im Osten besser gepasst alsVerbände, die ihre Kränkungen als Psychologenim Erstattungs- und Delegationsverfahren undihre Kämpfe zwischen den Therapieformen un-gebrochen nach Osten trugen und dabei manch-mal geradezu als Kolonisatoren oder Ruhestö-rer empfunden wurden.

TalkingCure

PP und KJP im Osten freuen sich, dass sie jetztfür alle fünf Bundesländer eine eigene Kammerhaben – wenn auch ohne Berlin. Auch sie wirddazu beitragen, dass der Osten eine Stimme be-kommt. In einem Interview mit der Ostthürin-ger Zeitung wies die Psychoanalytikerin IreneMisselwitz kürzlich darauf hin, wie wichtig essei, sich gegenseitig Lebensgeschichten zu er-zählen,wenn man nicht in Vorurteilen zwischenOst und West verharren will.Bei näherem Hin-sehen wurden dafür schon viele Initiativen er-griffen: von jährlichen Ost-West-Tagungen biszu gemeinsamen Qualitätszirkeln und Supervi-sionsgruppen. ___

G E S E L L S C H A F T

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N A C H R I C H T E N

ProjektPsychotherapie

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___ Am 19.Oktober 2007 fand in Dresden eineöffentliche Veranstaltung zum Thema „Für einePsychotherapie mit Zukunft“ statt. Anwesendwaren im Rahmen der halbjährlichen Delegier-tenversammlung des bvvp die Vertreter der 17Mitgliedsverbände aus den Bundesländern so-wie ärztliche und psychologische Psychothera-peuten und Kinder- und Jugendlichentherapeu-ten (KJP) aus Sachsen.

Mit der Frage, ob das Gesundheitswesen auchzukünftig die Rahmenbedingungen für eine pa-tientengerechte und angemessen honoriertePsychotherapie gewährleisten kann, sind auchdie berufspolitischen Kernziele des bvvp schonumrissen. Ob Deutschland und das Land Sach-sen dies wollen und können, war Gegenstand ei-ner lebhaften Diskussion zwischen Vertretern desbvvp und den folgenden Podiumsgästen: MariaMichalk, CDU-Bundestagsabgeordnete, KlausHeckemann, Vorstandsvorsitzender der KV Sach-sen, Claudia Paul von der AOK Sachsen undRechtsanwalt Jan Immen.

Drei Eingangsreferate steckten den Rahmender Debatte ab. Die Vorsitzende des bvvp-Bundesvorstands, Birgit Clever, gab einen Abrisszur Geschichte der Psychotherpaie in Deutsch-land und führte aus, wie der Verband hier ge-staltend mitwirkte. Furios legte dann MeinhardKorte, Facharzt für psychotherapeutische Me-dizin, ein Plädoyer für eine zeitgeistkritische undnicht auf reine Anpassung ausgerichtete Psycho-therapie und Gesundheitspolitik vor. NorbertBowe kam unter dem Motto „Klagen statt Jam-

mern“ zu Wort und gab einen Überblick zu denvom bvvp gestützten Honorarklagen. Es kamzum Ausdruck, dass dafür eine ganz eigene Lo-gistik nötig ist, von der auch die Psychothera-peuten in Sachsen profitieren.

Diagnostik besser vergüten

Die Versorgung mit Psychotherapie ist in Sach-sen wie in den meisten neuen Bundesländern umeiniges prekärer als in den alten Bundesländern.Die Bestandsaufnahme offenbarte die dringendeNotwendigkeit zum Ausbau der psychothera-peutischen Versorgung in Sachsen, in den Städ-ten und auf dem Land, durch Förderung derNiederlassung von Psychotherapeuten, durch Fest-stellung von Sonderbedarf. Darüber hinaus musseine deutlich höhere Honorierung der Leistungengewährleistet sein. Mit Nachdruck wurden KV-Vorstand und AOK-Vertreterin darauf hingewie-sen, dass es sehr wohl in ihrer Hand liege, für ei-ne angemessene Vergütung der Diagnostik vorBeginn einer Psychotherapie zu sorgen.

Die Delegierten betonten den integrativen An-spruch des Verbands. Konzepte zum Zusammen-halt und der Blick über den Tellerrand von Psycho-therapie und Gesundheitswesen – darum ging esauch in Dresden. Psychotherapeuten in Ausbil-dung und deren teils unhaltbare Lage standenauch im Mittelpunkt – ebenso wie die Sorge umdie ärztliche Psychotherapie, die zwischen soma-tischen Ärzten und Psychologischer Psychothera-pie kaum noch wahrgenommen wird. ___

Kein Austausch von Höflichkeiten, sondern harte Debatten: das Dresdner Podium.Foto: M. Brandt

Klartext auf SächsischDie psychotherapeutische Versorgung in den Ländern ist prekär. Auf der Dresdner Herbsttagungder bvvp-Delegierten stellten sich Gäste aus Politikund Kassen dieser Realität.

Von Michael Brandt, Vorstandsmitglied bvvp Sachsen

1924 Psychoanalyse kann privat-ärztlich abgerechnet werden.

1956 Einführung der Zusatzbe-zeichnung Psychotherapie in dieÄrztliche Weiterbildungsordnungauf dem Deutschen Ärztetag.

1964 BSG-Urteil, in dem neuroti-sche Erkrankungen als Krankheitim Sinne der RVO definiert wur-den aufgrund der Untersuchungvon Frau Prof. A. Dührssen zurWirksamkeit analytischer Psycho-therapie am Zentralinstitut fürpsychogene Erkrankungen in Ber-lin, 1962. Ergebnis: Verringerungvon AU-Tagen und Kliniktagen.

1967 KBV und Krankenkassen be-schließen die Psychotherapiericht-linien für die Primärkassen.

1971 Psychotherapierichtlinienund Psychotherapievereinbarungauch für Ersatzkassen. Einführungdes Delegationsverfahrens. Die Ba-sis für ein weltweit einzigartigesSystem für die Behandlung psy-chisch Kranker mit Psychotherapieim Rahmen gesetzlicher Kranken-versicherung war geschaffen!

1978 Einführung des Facharztesfür Psychotherapie in der DDR.

1980 zusätzlich zu tiefenpsycholo-gisch fundierter Psychotherapieund analytischer Psychotherapiewird auch die Verhaltenstherapievon den Ersatzkassen als Verfahrenanerkannt, 1987 auch von den Pri-märkassen. Einführung des Fach-psychologen der Medizin in derDDR.

1985 Einführung der fachspezifi-schen Psychotherapie in der DDR.

Geschichte der Psychotherapie in Deutschland – vor der Gründung des bvvp

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N A C H R I C H T E N

___ Seit Mitte der 1980er Jahre stieg die Zahl derPsychotherapeuten in der Bundesrepublik ste-tig. Bei einem Punktwert von über 10 Pfennigkonnte man damals angemessen Geld verdie-nen, wenn auch nicht reich werden. 1993 er-folgte die erste Budgetierung des Gesamthono-rars unter Gesundheitsminister Horst Seehofer(CSU), die sofort zu einem Honorarverfall beiden Fachgruppen führte, die den Punktwert-verfall nicht durch Leistungsausweitungen kom-pensieren konnten. Für Psychotherapeuten mitfest vorgeschriebenen 50 Minuten pro Sitzunggab es keine „Leistungsverdichtung”.

Eine Folge dessen war die Gründung des bvvp.Die anderen Arztgruppen hatten schon längst ge-lernt, in den Kassenärztlichen Vereinigungenund Ärztekammern ihre Existenzgrundlagen zuverteidigen. Wir begriffen, dass sich die Gre-mienferne der Psychotherapeuten bitter rächenkönnte. Über die Berufsgruppen- und Metho-dengrenzen hinaus bestand das existenzielle ge-meinsame Interesse, mit Psychotherapie einenLebensunterhalt zu verdienen. Bei anderen Fach-gruppen hatten wir als Mitesser am karg ge-deckten Tisch einen schweren Stand: Die Zahlder Psychotherapeuten nahm zu. ÄrztlichePsychotherapeuten und Delegationspsycholo-gen unterlagen im Gegensatz zu fast allen an-deren Fachgruppen keiner Bedarfsplanung.

Mitesser am karg gedeckten Tisch

Trotzdem fanden viele Patienten keinen Psycho-therapieplatz bei einem „Richtlinien-Psycho-therapeuten”. Es entstand die so genannte Erstattungspsychotherapie, der „graue Psycho-Markt“ und damit ordnungspolitischer Regu-lierungsbedarf. Das Psychotherapeutengesetz(PTG) war die Antwort der Politik. Hier mach-te sich der bvvp erstmals um die Psychothera-

pie verdient und setzte sich dezidiert für die In-tegration der PP/KJP in die KVen und damit fürdie Stärkung des Faches ein.

Das PTG trat am 1.Januar1999 in Kraft. Umeventuelle Finanzierungslücken gering zu halten,wollte der Gesetzgeber den Patienten damals 25Prozent Eigenbeteiligung bei jeder Therapie-stunde abverlangen. Mit einer bundesweiten Be-fragung von über 1000 Patienten konnte derbvvp nachweisen, dass diese das Ende einer be-darfsgerechten Psychotherapie und ein sozial-politischer Rückschritt wäre. Wir erreichten,dass dieser Vorstoß von der Politik wieder ein-gesammelt wurde.

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre hat-ten sich die Stundensätze durch sinkendePunktwerte fast halbiert. Die KVen waren nichtbereit, den Psychotherapeuten zur Hilfe zukommen. Sie sahen vor allem die wachsendeZahl an Psychotherapeuten, während der ein-zelne Psychotherapeut sein halbiertes Einkom-men sah. Nachdem der bvvp erkannt hatte,dass die Selbstregulation der KVen dem Nieder-gang der Versorgung nichts entgegenzusetzenhatte, motivierte der bvvp die Psychothera-peuten, Widersprüche gegen ihre Honorarbe-scheide einzulegen. Im Jahr 1999 ereichten wirdas bahnbrechende „10 Pfennig-Urteil“ desBundessozialgerichts (BSG), das den Psycho-therapeuten in den West-KVen einen Punkt-wert von 10 Pfennig garantierte. Damit konn-ten die Psychotherapie-Honorare bis heutenicht ins Bodenlose fallen.

Die Integration der PP und KJP in die KVenund die Umsetzung der BSG-Urteile im Jahr2000 ließen eine explosive Stimmung entstehen.Die Ärzte fürchteten die „Überflutung“ durch10.000 Psychotherapeuten. Die KVen definier-ten Finanzierungsengpässe ausschließlich alsFolge der Integration der PP/KJP. Sie ignorier-

ten die Berechnungen des bvvp, die die Honor-armisere auch als Folge der jahrelangen, punkt-wertverfallsbedingten Unterfinanzierung derschon immer über die KV abrechnenden 4000ärztlichen Psychotherapeuten und 7000 Dele-gationspsychotherapeuten auswiesen. Die KVenversäumten, den BSG-bedingten Mehrbedarf anHonorar zu definieren oder von den Kassen ein-zufordern. Daher müssen die Psychotherapeu-ten bis heute mit Gerichtsurteilen ihren An-spruch auf ein angemessenes Honorar gegen dieeigene Standesvertretung durchsetzen.

Das BSG greift ein

Obwohl der Gesetzgeber inzwischen – die BSG-Rechtsprechung aufgreifend – im SGB V die Ab-sicherung der psychotherapeutischen Honora-re verankert hat, können wir uns nicht zurück-lehnen. Der Ausbau wettbewerblicher Strukturenin der Versorgung bereitet uns großes Unbeha-gen. Je mehr Leistungen im freivertraglichen Be-reich oder über MVZ vergütet werden, destoweniger kann die Rechtsprechung eine Ver-gleichbarkeit der Einkommen der verschiede-nen Fachgruppen gewährleisten, da völlig unklarist, wie der Vergleich geleistet werden kann.

Psychotherapeutische Leistungen sind wederfür Wettbewerb noch für Kassenmarketing ge-eignet. Kern jeder psychotherapeutischen Be-handlung ist Entwicklung und diese lässt sichkaum beschleunigen. Direkte Zuwendung wirdnirgends gut bezahlt, auch nicht in der Medizin.Gewinnerzielung und Ökonomisierung der Me-dizin stehen einer zuwendungsintensiven, hu-manen Medizin diametral gegenüber. Schonheute hat eine Psychotherapie, die diesen Namenverdient, in den USA, dem Reich der Effizienz,nur noch sehr wenig Platz. ___

Start mit GegenwindVor 15 Jahren drohte die „Seehofer-Budgetierung“den Psychotherapeuten die Existenzgrundlage zu entziehen. Das war die Geburtsstunde des bvvp.Eine Bilanz. Von Birgit Clever, 1. Vorsitzende bvvp

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N A C H R I C H T E N

___ Michael Grunert war der erste unserer ost-deutschen Kollegen, der zum bvvp stieß. Er kamlange Zeit als außerordentliches Mitglied zu un-seren Delegiertenversammlungen, bis er sich mitder Gründung des Berliner Landesverbandesseinen eigenen Heimatverband schuf: Als dessenVorsitzender blieb er bis zuletzt ein engagierterImpulsgeber. Seine Spontaneität, und Kreati-vität und sein Witz belebten die manchmal eherbeschwerliche Berufspolitik. Ein Beispiel für sei-nen Einfallsreichtum war die Idee, im Rahmender Ärztestreiks die Notlage der Psychotherapiedurch das Anlegen von Zwangsjacken sinnbild-lich darzustellen.

Michael war nicht nur kreativ, sondern auchausdauernd: Mit langem Atem verfolgte er dieBündelung der Kräfte von Kollegen aus dem Ostenmit integrativem Verständnis der Psychothera-pie-Politik. Er ließ sich durch Rückschläge nieentmutigen und war maßgeblich an den Grün-dung von Zellen und Verbänden in Brandenburg,Thüringen und Sachsen-Anhalt beteiligt.

Auch aus DDR-Zeiten gibt es Begebenheitenzu berichten, die Michael als einen Menschenmit Mut und unkorrumpierbarer Freiheitsliebezeigen. Er vertraute seiner Überzeugung, die sichnicht an Gruppenmeinungen anlehnte. Aus dereigenen Einsicht, der inneren Haltung und demeigenen kritischen Urteil speiste sich sein Han-deln. Freiheitsliebe und Mut brauchte es auch, umtrotz massiver Restriktionen der Bewegungsfrei-heit im damaligen Ostblock per Anhalter bis weitin Russlands Osten vorzudringen. Es war typischfür ihn, wie wenig irgendeine Furcht ihn von sei-nem Ziel abhalten konnte.

Michael hatte eine wohltuend ruhige, abwar-tende, aber bei Erfordernis sehr deutliche Artsich einzubringen. Es war diese schnörkellosePräsenz, die wir alle an ihm schätzten. Michaelhat Weichen gestellt, er setzte sich mit Kraft undEngagement für die Interessen aller Psychothe-rapeuten ein, sei es im bvvp, in der Psycho-therapeutenkammer, in der KV Berlin, in der politischen Öffentlichkeit oder vor den Sozial-gerichten. Über Jahre betreute er die verbands-übergreifende Klageliste „Klagen statt Jammern“und war deren Musterkläger. Er fand die richti-gen Ansatzpunkte zum politischen Handeln undden der Sache dienlichen Ton. Daneben hatte ernoch die erforderliche Energie, sich zum Psycho-analytiker fachlich weiter zu qualifizieren.

Kreativität und Witz belebten die beschwerliche Berufspolitik

Es hat uns tief beeindruckt, wie Michael mit sei-nem Krebsleiden kämpfte und sich auch in die-sen letzten Jahren weiter für die ihm wichtigenZiele einsetzte. Seine intensive Auseinanderset-zung mit der Krankheit und mit den eigenenHeilungskräften machten es möglich, dass ihm,uns und vor allem seinen nächsten Angehörigeneine unerwartet lange Spanne gemeinsamen Le-bens blieb. Es ist schön, dass er sein Enkelkindnoch kennen lernen konnte. Wir fühlen uns be-sonders verbunden mit seiner Frau, die ihn mitgroßer Tapferkeit und Liebe auch über dieseschwierige Zeit begleitet hat. In Dankbarkeit undHochachtung werden wir ihn in Erinnerung be-halten. ___

Am 23. November 2007 starb der langjährige Vorsitzende des bvvp-Landesverbandes in Berlin.Er war ein freier Geist und eröffnete neue Perspektiven. Er wird uns sehr fehlen

Abschied von Michael Grunert

Von Birigt Clever, 1. Vorsitzende bvvp und Norbert Bowe, Vorstandsreferent bvvp

Foto: Privat

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ProjektPsychotherapie

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L E T Z E M E L D U N G E N

Begutachtung von Gruppentherapien

Die Krankenkassen haben die nochMitte 2007 gegebene Zusage, dassalle Anträge für die Mitglieder ei-ner Gruppe von demselben Gut-achter bearbeitet werden, wenn derPsychotherapeut dies wünscht,wieder zurückgezogen. Die Kran-kenkassen sahen hier logistischeProbleme. Die KBV teilt mit, dasssie sich weiterhin um eine Verbes-serung des Vorgehens in diesemBereich bemühen wird.

Diagnosen für Risiko-Struktur-Ausgleich

Für die ab 2009 vorgesehene Ver-teilung der Krankenkassenbeiträgeaus dem Gesundheitsfonds auf dieKrankenkassen nach dem Grad derMorbidität muss ein Modus derErfassung der Morbidität derKrankenkassenmitglieder gefun-

den werden. Dafür hat ein Gut-achtergremium des Bundesversi-cherungsamtes eine Liste von 80Diagnosen vorgelegt. Einige weni-ge psychiatrisch und psychothera-peutisch relevante Diagnosen sinddabei.

Anhörung im BMG zur 40-Prozent-Regelung

Am 15. Januar 2008 fand im Bun-desgesundheitsministerium eineAnhörung zum so genannten 40-Prozent-Kriterium statt. Der bvvpnahm teil. Ende 2008 läuft die bis-herige Regelung aus, nach der inüberversorgten Gebieten bis zu 40Prozent der Arztsitze mit ärztlichenPsychotherapeuten besetzt werdenmüssen. Das Ende der Regelungkönnte angesichts zur Zeit nochkleiner Zahlen ärztlichen Psycho-therapeutennachwuchses zur Mar-ginalisierung ärztlicher Psycho-therapie führen.

K U LT U R T I P P

Psychoanalyse und Film

Die Akademie für Psychoanalyseund Psychosomatik Düsseldorf prä-sentiert im Black-Box-Filmtheater(Schulstr. 4, Düsseldorf) eine Film-reihe zum Thema „Psychoanalyseund Film“. Die Vorführungen fin-den freitags um 19 Uhr statt undwerden von der Regisseurin Friede-rike Felbeck moderiert und durchFachvorträge von Psychoanalytikernbegleitet.

25.01.08 Das Leben der Anderen vonF. H. von Donnersmarckkommentiert von Bernd Klose22.02.08 Requiem von H.C. Schmidkommentiert von Mathias Hirsch04.04.08 Vier Minuten von C. Krauskommentiert von Claudia Sies16.05.08 Tagebuch eines Skandalsvon R. Eyrekommentiert von Wolfgang Tress

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Projekt Psychotherapie 02/08

Das nächste Heft schaut nachOsten, in die neuen Bundesländer.Wie ging es zu in der DDR? Abhör-Kontrolle, Schweigerecht,Stasi und Psychotherapie – nebendem Rückblick in die Geschichteder Psychotherapie im Spannungs-feld der Diktatur fragen wir danach, wie Psychotherapeuten individuell die Wende gemeisterthaben. Thema ist auch die Lageheute: Ausbildung, Fortbildung,die Organisation in Fach- und Berufsverbänden. Gibt es Unter-schiede in der Arbeit von heuteund gestern? Was können Westund Ost von einander lernen?Wachsen wir zusammen?

N A C H R I C H T E N

I M P R E S S U M

Projekt PsychotherapieDas bvvp-Magazin

Herausgeber: Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) e.V.Schwimmbadstr. 22 · 79100 Freiburg Tel: 0761/7910245 · Fax: 0761/7910243 ·[email protected] · www.bvvp.de

Redaktionsleitung: Martin Klett (ViSdP)

Redaktion: Birgit Clever, Rüdiger Hagelberg,Yvo Kühn

Autoren: Norbert Bowe, Michael Brandt,Frank Roland Deister, Jürgen Doebert

Verlag: MedienankerHelmholtzstr. 2-9 · 10587 BerlinTel: 030/780 811 88 · Fax: 030/780 811 86

Textchef: Daniel GerlachProjektleitung: Nicole SuchierArt Direktion: Le Sprenger, Berlin

Anzeigen: [email protected] gilt die Anzeigenpreisliste vom 01.01.2008

ISSN: 1683-5328Einzelverkaufspreis/Schutzgebühr 6.- Euro

Periodizität: QuartalCopyright: Alle Reche vorbehalten. Zitate nurmit Quellenangabe. Nachdruck nur mit Geneh-migung der Redaktion. Namentlich gekenn-zeichnete Artikel geben nicht unbedingt dieMeinung des Herausgebers oder der Redaktionwieder. Bei Einsendungen von Manuskriptenwird, sofern nicht anders vermerkt, das Einver-ständnis zur Veröffentlichung vorausgesetzt.

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___ Von Befreiungsbewegungen steht viel in denGeschichtsbüchern. Im allgemeinen geht mandavon aus, dass sie das Schicksal der Menschheitfortschrittlich beeinflusst haben.

Befreiungsbewegungen haben ihre eigenenGesetze und ihr eigenes, oft maskiertes Gesicht,und sie sind unterschiedlich beliebt. Währenddie Bande Robin Hoods versteckt im Wald vonSherwood ihrer Befreiertätigkeit nachging, hock-te am Waldrand mancher brave Köhler, um alsKundschafter Signal zu geben, wenn sich reicheBeute auf dem Weg befand.

Freiheitsbewegungen neigen zu Übertrei-bungen, zur Spaltung und zum Sektierertum.Jeder will dann immer noch ein bisschen bes-ser wissen, wo es zur Freiheit lang geht. In derTat musste sich manche Freiheitsbewegung fra-gen lassen, wovon sie befreien wollte und wozu.Eine Antwort darauf fand sich nicht immer – jedenfalls nicht immer mit den Mitteln, die esdem Fragenden erlaubte, darüber nachzudenken.

Als Höhepunkt der menschlichen Freiheits-bewegungen gilt zweifellos die „FranzösischeRevolution“. Sie kam so getarnt daher, dass diefranzösische Königin vor sich ein Volk von Ku-chenessern sah („Sollen sie doch Kuchen essen,wenn sie kein Brot haben!“), das sich in Wahr-heit als Volk von wutentbrannten, guillotinie-renden Massen entpuppte. Da war die Überra-schung groß und von Kuchen keine Rede mehr.Auch erwies die „Französische Revolution“, wierasch man sich uneins werden kann. Die Revo-lution fraß ihre Kinder, hieß es. Bis Napoleonkam, dem ganzen Spuk ein Ende machte und dieguten Ideen der Revolution in Gesetze goss undarchivierte.

Wir Deutschen sind in unserer Befreiungs-bewegungstradition eher schlechter Durch-schnitt. Da sind uns die Süd- und Mittelameri-kaner, die Afrikaner und manche Europäer weitvoraus. Noch heute hören wir dem Freiheitsruf„Wir sind das Volk!“ vom November 1989 eher

Es lebe die ... äh ... Freiheit!Kaum haben wir uns von der Erschütterung erholt,da ist die Befreierfront auch schon gespalten.Bravo! Denn so gehört es sich für echte Revoluzzer.Von Rüdiger Hagelberg, Mitglied der bvvp-Magazin-Redaktion

V E R T R A U L I C H

Köhler: „Wir sind eine organisierte Befreiungsbewegung“

Berlin, 14. Mai 2007 – „Wir wollenbevorzugter Dienstleister für die Ver-tragsärzte und -psychotherapeutensein – mit allen daraus resultierendenKonsequenzen. Wir sind auch dieeinzigen, die der geballten Macht derKrankenkassen entgegentreten kön-nen, besonders jetzt, wo sie sich in ei-nem neuen Bundesverband zusam-menschließen. Die Berufsverbändekönnen – trotz ihrer guten Arbeit –diese Aufgabe nicht übernehmen. Ih-nen fehlt der Körperschaftsstatus.“Das hat heute in Münster Dr. An-dreas Köhler erklärt. Der Vorstands-vorsitzende der KassenärztlichenBundesvereinigung (KBV) äußertesich bei der Vertreterversammlungder Organisation im Vorfeld desDeutschen Ärztetages.

Das System der KassenärztlichenVereinigungen (KVen) und der KBVstünde an einer Weggabelung undkönne sich für den Marsch in Rich-tung Regulierungsbehörde oder fürdas Ziel Dienstleister entscheiden.Im ersten Falle würde die KBV zu ei-ner Unterabteilung des Bundesge-sundheitsministeriums, im zweitenFalle zu einer starken Interessenver-tretung, die versorgungsebenen-übergreifend agieren und auch denregionalen Ausgleich im Systemschaffen könne. Die KVen seien ei-ne „organisierte Befreiungsbewe-gung, die am Verhandlungstisch sitztund eine tragfähige Lösung ohneblutige Revolution sucht.“ Auch dieMitglieder der KVen wollten einekörperschaftlich organisierte Inter-essenvertretung. Das habe das ver-tragsärztliche Referendum mit seiner Befragung von 20000 nieder-gelassenen Ärzten und Psychothe-rapeuten gezeigt. „Wir werden alsKV-System das Wettbewerbsfeld derVerträge nach den §§ 73 b und c be-setzen und Angebote machen, dieattraktiv für Vertragsärzte und Kran-kenkassen sind“, versprach Köhler.

aus einer Pressemitteilung der KBV.

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V E R A N S TA LT U N G E N

staunend hinterher und fragen uns,ob wir da nicht den Mund ein bisschenvoll genommen haben. Zur Zeit haltenwir uns lieber an die Befreiungsbewe-gung „Ökonomie“: Befreiung vonSkrupeln, von Sparsamkeit und Schul-denfreiheit. Befreiung von Freiheitenist eine besondere Kunst.

Mai-Kundgebung überhört?

Es verwundert jedenfalls hier zulandenicht, dass die Selbstentlarvung einerbis dato völlig unerkannten Befrei-ungsbewegung, der KassenärztlichenBundesvereinigung, im Mai dieses Jah-res ganz ohne Echo blieb. Wurde dieMai-Kundgebung überhört? Möglichauch, dass sich die Aufmerksamen, diedamals zugehört hatten, erst allmäh-lich von ihrem Schock erholen mus-sten. Befreiungsbewegungen bedeutenja immer Wandel, Paradigmenwech-sel, Umstellung und vieles mehr – bishin zu Tod und Verderben.

Den Agenten des bvvp ist es gelun-gen, die beiden Anführer der Bewe-gung enttarnt ins Bild zu bannen. Wo-bei gesagt werden muss, dass sie sichleider bereits rebellionsgemäß zer-stritten haben. Es wird nun mögli-cherweise zwei „Befreiungsbewegun-gen“ geben, die „organisierte ... ohneblutige Revolution“, Gott sei Dank,und die andere, von der noch niemandweiß, wie sie sich auswirken wird. WirPsychotherapeuten, die wir Befrei-ungsbewegungen von Haus aus eheraufgeschlossen gegenüber stehen, soll-ten in jedem Fall noch etwas warten,bis wir die Korken knallen lassen.___

___ Die winterlichen Skitage erfreuen sich Jahrfür Jahr zunehmender Beliebtheit. Man trifft al-te Bekannte und neue Gesichter aus allen Akti-vitätsgraden der Berufspolitik, aber auch Kinder,Jugendliche und Lebenspartner. Alle sind will-kommen, sich unkompliziert ein paar schöneTage miteinander zu gönnen. Für das Woche-nende vom 7.-9. März 2008 stehen noch Plätzezur Verfügung.

Das Berghaus am Golm – Mittermaiers Trainingscamp

Raumsituation: 6 Doppelzimmer,3 Dreibettzimmer, Personenzahl: 21 PersonenPreise für Halbpension: Doppel- und Dreibettzimmer: 34,- Euro

Das Haus liegt etwa 500 m oberhalb von Tschag-guns am Fuße des Schwarzhorns, im Monta-fontal. Es ist nur mit einem kleinen Sessellift er-reichbar. Parkplätze sind an der Talstation un-kompliziert vorhanden, letzte Bergfahrt desSesselliftes ist um 16 Uhr.

Der Berggasthof Grabs ist ein altes, gemütli-ches Berghaus mit knarrenden Böden. Es dien-te der deutschen und österreichischen Ski-Na-tionalmannschaft in den Fünfziger- und Sech-zigerjahren als Trainingslager, weil es eineneigenen Skihang mit Schlepplift hat. Namen,wie Rosi Mittermaier und Toni Sailer stehen imGästebuch. Wer will, kann sich 2 Tage lang andiesem Fast-Privathang – einst Trainingshangder Nationalmannschaften – mit billigem Ski-pass tummeln.

Man kann aber auch die Waldabfahrt zumGolm nehmen und mit dem teureren Kombipassam Golm fahren. Erholsamer wäre vielleicht derGenuss dieser Bergidylle und das Gemein-schaftserlebnis auf der Privatpiste, zumal es dies-mal vielleicht genügend Schnee hat. Auch mitTourenski kann man zur Lindauer Hütte wan-dern – ein wunderbarer Weg durch ein Tal, das

von traumhaften Ausblicken und Bergspitzenumgrenzt wird.

Alle, die in den letzten Jahren dabei waren,können dieses Berggasthaus, das Skigebiet direktam Haus, das Skigebiet Golm und das Gemein-schaftserlebnis wärmstens empfehlen, auchNordlichter sind herzlich willkommen.

Bitte melden Sie sich direkt an bei:

Regine Trostel, Herrenbergerstr.11 72070 Tübingen· Tel.: 07071/49170Fax: 07071 [email protected] oder Josef Hohmann, Tunnelhalde 3072513 Hettingen · Tel.: 07574/4727Fax. 07574/829 · [email protected]

Die Anmeldungen werden in der Reihenfolgedes Eingangs berücksichtigt und gelten, sobalddie Anzahlung von 50,- Euro pro Person aufdem Konto Dr. Hohman VVPSW, Nr 87615002,BLZ 653 901 20, VOBA Ebingen Albstadt, ein-gegangen ist.

Für das Wochenende vom 7. bis 9.3.08 An-meldung bis 3. Februar 2008, Anzahlung von50,- Euro bis spätestens 10.2.08 auf Konto Dr.Hohmann, Stichwort: Grabs/Februar08. ___

Der bvvp im SchneeAuch dieses Jahr organisiert die Südschiene des bvvp mit Regine Trostl und Josef Hohmann für Schneemänner und Schneehasen aus der ganzen bvvp-Community weiße Wundertage im österreichischen Montafon.

No pasaran! Die Commandantes Andreas Köhler (rechts) und UliWeigelt damals noch 2. Vorsitzenderder KBV. Inzwischen hat Weigelt zueiner anderen Befreiungsbewegung,dem Deutschen Hausärzteverband,gewechselt. Collage: Martin Klett.

Skigebiet am Golm – auch Nordlichter sind willkommen.

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ProjektPsychotherapie

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L I T E R AT U R

___ Was im Sprechzimmer eines Psychoanalytikers gesagt wird, geht kei-nen Dritten etwas an. Umso fantasievoller malen sich deshalb Dreh-buchautoren und Romanciers analytische Begegnungen aus – nicht nurin Woody-Allen-Filmen, sondern auch in Fernsehkomödien und Mafia-Serien spielen Analytiker heute schillernde Rollen. Doch wie gelangt manan ein Analyse-Protokoll, ohne es selbst zu erfinden? Manfred Pohlen, ehe-mals Direktor der Klinik für Psychotherapie und Verhaltensmedizin in Mar-burg, hat eine solche Rarität vorgelegt. Das Protokoll stammt nicht ausirgendeiner Praxis, sondern aus der des Vaters der Psychoanalyse, Sig-mund Freud.

Ob Freud sich an diesem Bruch der Verschwiegenheitspflicht betei-ligt hätte, ist schwer zu sagen. In jedem Fall erfolgt dieser mit Zustimmungdes Patienten, des Freud-Schülers und Psychiaters Ernst Blum. Es handeltsich dabei um eine Lehranalyse, der sich Blum 1922 bei seinem berühm-ten Wiener Meister unterzog.

Pohlen hat das Dokument nicht auf irgendeiner Kuriositäten-Auktionersteigert, sondern von Blum, den er 1961 auf einem Analytiker-Kongresskennen lernte, erhalten. Nach Pohlens Angaben verband die beiden inden Folgejahren – und trotz ihres Altersunterschiedsvon rund 40 Jahren – eine enge Beziehung. Beidestanden der Entwicklung der Psychoanalyse sehr kri-tisch gegenüber, und dies ist auch der Grund dafür,dass Blum seinen Nachlass nicht Kurt Eissler, demGralshüter des Sigmund-Freud-Archivs, überließ.Dessen Politik der Unterdrückung von Dokumentenund „Manipulation“ der Geschichtsschreibung habeer nicht dienen wollen.

Pohlen geht es in seiner dem Text beigefügten,persönlichen und kulturgeschichtlichen Würdigungder Dokumente um die seiner Meinung nach nötigeBefreiung der Psychoanalyse aus den Fängen ihres autoritativen Selbst-beglaubigungssystems. Die Protokolle der Blum-Analyse stellen ohneZweifel ein einzigartiges Dokument über Freuds grundlegende Konzep-tualisierung der Organistaion des analytischen Prozesses dar.

Als roter Faden durchzieht das Buch der Dialog zweier Juden und derjüdischen Quellen der Psychoanalyse. Im Mittelpunkt steht Freud als Ana-lytiker, dessen jüdische Wurzeln in der Analyse Blums nicht nur zu einerbesonderen Verbundenheit führen, die Freud mit der Anekdote des „Aal-schwindels“ zu fassen sucht – nein qua Übertragung und Wiederho-

lungszwang, stellt sich Blums Umgang mit seiner eigenen jüdischen Iden-tität dar. Blum verließ Deutschland als Kind und zog in die Schweiz um.Er assimilierte sich in späteren Jahren scheinbar völlig an das SchweizerBürgertum, betrieb in Bern ein kleines Privatsanatorium und zog sich,nach dem 1934 in Luzern beschlossenen Ausschluss Wilhelm Reichs ausder Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPA), aus der Verbandsarbeit zurück.

Freuds Humor und Scharfsinn in Bestform

Pohlens Werk wurde bislang von zahlreichen Rezensenten sehr kritisch be-handelt: Es sei undurchsichtig aufgebaut, seine herausgeberischen Kom-mentare erweckten den Verdacht, dass Pohlen das Protokoll als argu-mentative Munition für seine eigene Kritik an der herrschenden Lehr-meinung der Psychoanalyse nutze. Pohlen selbst würde diesen Urteilenwomöglich teilweise zustimmen. In einem WDR-Radio-Interview an-lässlich des Erscheinens seines Werkes kritisierte er die Kanonisierung

der Freudschen Schriften nach dem Tod des Mei-sters. Es seien dadurch Regeln aufgestellt worden,von denen, so Pohlen, „jeder wusste, dass sich Freudnie jemals daran gehalten hat.“ Freud sei vom Esta-blishment der Analyse benutzt worden, um die Ana-lytiker zu disziplinieren. Und so kommt Pohlen zudem Schluss, dass Freud von sich nicht behauptethätte, er sei Freudianer.

Spannend geschrieben, anregend im Diskurs,teilweise mahnend und fordernd im Dialog mit demLeser, gelingt es Pohlen, den Verlust der subversivenKraft psychoanalytischer Aufklärung in den letzten

Jahrzehnten spürbar zu machen.Und wie auch immer man die Anmerkungen des Herausgebers be-

urteilen möchte – fest steht, dass das Blum-Protokoll Freud mit seinemHumor und Scharfsinn in Bestform präsentiert. Die Gespräche lesen sichmitunter wie ein Bühnenstück oder ein Dialog-Roman und garantierenauch Laien nicht nur Lesevergnügen, sondern tiefe Einblicke in die Gei-steswelt eines Sprechzimmers, über das damals wie heute die abenteuer-lichsten Geschichten kursieren. Das „Geheimnis Freud“ wird dadurchnicht gelüftet, sondern noch um einiges bereichert. ___

Freuds Analyse.Die Sitzungs-protokolle ErnstBlums. Kommen-tierte Neuauflage.Rowohlt VerlagReinbek 2006,398 Seiten,Euro 22,90

Bruch der VerschwiegenheitManfred Pohlens Buch über „Freuds tatsächliche Praxis“ belebt die Diskussion zum Spannungs-verhältnis von Regeln und Lebhaftigkeit in der Behandlung.Von Yvo Kühn und Daniel Gerlach

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