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Rundbrief Raphael Schwenzer:
Februar 2019
Neujahrsgrüße aus Uganda!
Ein frohes neues Jahr, wenn auch mit etwas Verspätung, wünsche ich allen meinen Unterstützern,
Familie und Freunden! Nun bin ich schon über ein halbes Jahr in Uganda und mein letzter Rundbrief
ist auch schon über drei Monate alt. In den vergangenen gut drei Monaten ist durchaus viel passiert
und es war eine erlebnisreiche Zeit.
Ich hoffe, die kommenden Seiten werden interessant zu lesen sein und, auch wenn es sich natürlich
nur um meine subjektive Wahrnehmung handelt, verschiedenen Gesichter und Seiten Ugandas als
Eindruck nach Hause vermitteln.
Und bevor man sich fragt, wer das eigentlich so ist auf den Bildern… Die offensichtlichste
Veränderung der letzten Zeit war, dass ich meine Haare auf sehr kurze 2mm abgeschnitten habe. Sie
sind aber wieder am Nachwachsen. Das kalte Wasser beim Haarewaschen war dann irgendwie doch
nicht so angenehm……
Da in meinem letzten Rundbrief einer der wichtigsten Punkte meines Freiwilligendienstes, nämlich
meine Einsatzstelle, nur wenig thematisiert wurde, möchte ich gleich zu Beginn meine Arbeit
beschreiben. Wie im letzten Rundbrief erwähnt, arbeite ich bei CIDI, einer Gartenbau- und
Landschaftsarchitektenschule in der Hauptstadt Kampala. Warum ich nicht so viel dazu erzählen
konnte oder wollte, hatte den Grund, dass ich im letzten halben Jahr große Schwierigkeiten hatte, bei
CIDI meine Rolle samt Aufgaben zu finden. Zum einen ist natürlich ein Grund, dass ich frisch aus der
Schule kommend, noch nie „richtig“ gearbeitet habe und auch im Bereich Gartenbau nicht
ausgebildet bin, sondern nur von der heimischen Gartenarbeit ein wenig Erfahrung mitbringe.
Ein weiteres Problem war für mich, dass ich in meiner Einsatzstelle niemanden hatte, der sich so
wirklich um mich „gekümmert“, mich angeregt und an die Hand genommen hat. Und das ist auch
vollkommen verständlich. CIDI hat aktuell ohne mich nämlich nur 5 Mitarbeiter und hat mit einem
Mangel an Schülern sowie Kunden zu kämpfen. Dass ich dann nicht oberste Priorität habe, ist klar,
dennoch war diese Orientierungslosigkeit eine extrem große Herausforderung für mich in der
vergangenen Zeit und hat mich teilweise doch sehr runtergezogen.
Das Problem der Orientierungslosigkeit, sich nutzlos und von seiner Einsatzstelle und Kollegen nicht
so recht verstanden zu fühlen, ist meiner Erfahrung nach ein
recht häufiges Problem von uns Freiwilligen.
Wichtig zu betonen ist aber, dass der „Weltwärtsdienst“ ein
Lerndienst ist, ich primär nicht zum Arbeiten hier bin, sondern
zum Austausch zwischen den Kulturen und als
Erfahrungssammlung.
Dennoch ist man eben von Montag bis Freitag jeden Tag viele
Stunden in seiner Einsatzstelle und möchte doch etwas tun und
sein Projekt finden.
Allerdings kann man in Uganda als Freiwilliger teilweise
tatsächlich recht lange auf Anweisungen oder Anregungen von
außen warten. Und das ist etwas, das ich auch erstmal
verstehen und beherzigen muss…
Um meine Situation im neuen Jahr nach der Weihnachtspause
zu verbessern, habe ich schon einige Veränderungen
vorgenommen und will weiter aufmerksam sein, was ich noch
anders gestalten könnte.
So habe ich mich kurz vor Weihnachten mit dem ehemaligen Technical Advisor von CIDI getroffen,
einem Deutschen, der seit 15 Jahren als Gärtner in Subsahara-Afrika unterwegs ist. Er war von 2014
bis April 2018 bei CIDI. Und seit seinem Weggehen, etwa 4 Monate vor meiner Ankunft in Uganda,
hat sich durch das Wegfallen seiner Arbeit bei CIDI
offenschtlich einiges verändert.
Es ist nämlich so, dass CIDI zum einen eine
Gartenbauschule ist, die junge Erwachsenen ausbildet
und trainiert. Zu der Ausbildung gehört der Theorieteil
im Klassenzimmer genau so wie das praktische Training
auf anderen Grundstücken. Diese Grundstücke sind
von Kunden, die unseren Gartenbauservice in
Anspruch nehmen wollen. Die Schüler können also
sehr realistische Arbeitserfahrung sammeln und CIDI
bekommt durch die Aufträge natürlich auch Geld, um
die Schule am Laufen zu halten. Dieser Bereich ist der
so genannte „Landscape“ Sektor.
Die andere Einnahmequelle von CIDI, neben den
Gebühren der Schüler (etwa 85 Euro pro Semester pro
Schüler), ist die Gärtnerei, die im Grunde um das
Klassenzimmer und die Büros auf dem Gelände herum
ist. Hier werden Kräuter, Gewürze und andere
Nutzpflanzen genauso wie Zierpflanzen produziert und
natürlich auch verkauft.
Das Problem ist hier allerdings, dass es CIDI an Kunden mangelt, und das besonders seit dem
Weggang des deutschen Technical Advisors. Denn seit er weg ist, wird nicht mehr regelmäßig und
nicht effizient auf der extrem wichtigen Facebook Seite gepostet. In Uganda ist Facebook Zeitung,
Radio, Fernsehen und Marktplatz zugleich.
Dieses Problem von CIDI war ich mir bis kurz vor
Weihnachten nicht bewusst, so dass ich jetzt angefangen
habe, mit Hilfe des Deutschen, der mir einige Tipps
gegeben hat, die Facebook Seite wieder aktiv zu halten.
Das bedeutet pro Woche etwa zwei bis drei Posts mit
ansprechenden Bildern und einem kurzen packenden und
werbenden Text zu verfassen, sowie das extrem wichtige
Teilen in ca. 25 Gruppen nach dem Posten zu erledigen,
sodass die Werbung mehrere tausend Leute erreicht.
Neben den Posts (ein Post benötigt nicht mehr als eine
halbe Stunde) versuche ich jetzt viel mehr aus
Eigeninitiative und vor allem mit Freude in der Gärtnerei
zu arbeiten. Denn hier kann ich nützlich sein. Die Pflanzen
sind nämlich teilweise nicht da oder in schlechtem
Zustand und das liegt einfach an zu wenig Arbeitskraft.
Ich habe mich jetzt also dazu entschieden, mit meinen
beiden Kollegen Lawrence und Charles, die für die
Gärtnerei zuständig sind, an der Produktion, Pflege und
dem Verkauf unserer Pflanzen zu arbeiten, was wirklich
eine echte Kursänderung für mich bei CIDI bedeutet.
Da die Lebenswirklichkeiten in Deutschland und Uganda
sich teilweise doch sehr unterscheiden, reflektiert man
über vieles, was man hier erlebt. Zum Beispiel fragt man
sich, warum „Entwicklungshilfe“ so oft scheitert, wie z.B.
bei CIDI. Der Muzungu (Weißer) ist da und bringt die
„Hilfe“, doch sobald er weg ist, wird z.B. die Facebook
Seite nicht mehr richtig gepflegt. Und solche Beispiele
gibt es leider öfters.
Ebenso so sieht man eine mehr oder weniger
allgegenwärtige Armut. Es sind nicht alle Ugander arm
und haben nichts zu essen. Doch der Kampf ums Geld,
über die Runden zu kommen, Miete und Schulgebühren zu zahlen, macht doch einem Großteil der
Bevölkerung zumindest zu schaffen und mündet teilweise leider in die auch zu beobachtende
Alltagskriminalität.
Wichtig ist mir zu diesem Abschnitt nochmal zu betonen, dass nicht jeder Ugander in einer
Lehmhütte wohnt, nichts besitzt und AIDS hat, um mal das platteste Klischee zu bemühen. Es gibt in
Uganda einfach eine extrem große Schere zwischen Arm und Reich und eine verhältnismäßig kleine
Mittelschicht.
Doch neben dieser Liste an Problemen und Schwierigkeiten, die man mit
Korruption etc. weiterführen könnte, gibt es in Uganda auch Dinge, die ganz
toll funktionieren und sehr beeindruckend sind. Zum Beispiel finde ich es
immer wieder schön zu
sehen, welche Verbundenheit
und Solidarität es unter
Nachbarn gibt. Oder wie
friedlich Christen und
Muslime hier in Uganda
zusammenleben und welche
Lebensfreude viele Ugander
an den Tag legen.
Die Verbundenheit von
Christen und Muslimen hier
habe ich recht eindrücklich mitbekommen, als ich
die Gaddafi-Moschee, eine der Hauptsehenswürdigkeiten Kampalas, besucht habe. Die Moschee liegt
auf dem zentralen Hügel des „Alten Kampalas“, auf dessen 7 Hügeln Kampala gegründet wurde.
Der Name Kampala kommt übrigens von „Camp of Impalas“ (Impalas gehören zur Gattung der
Antilopen), wie es die Briten aufgrund der vielen Impalas dort nach ihrer Ankunft bezeichneten.
Unser Guide erzählte uns, dass jeder Hügel um die Moschee herum eine Bedeutung hat. So zum
Beispiel Kololo im Osten ist der Sitz von nahezu allen
Botschaften in Uganda. Auf dem Namirembe-Hügel im
Westen steht die St. Pauls Kathedrale. Uns wurde gesagt,
dass, wenn immer es ein Problem oder einen Konflikt gibt,
sich Christen und Muslime treffen, um gemeinsam nach einer
Lösung zu suchen.
Neben dem Besuch der Moschee habe ich mein
„Touristenprogramm“ in letzter Zeit noch etwas
vorangetrieben. So habe ich den Bahai Tempel im Norden
Kampalas besucht. Das Bahaitum ist eine Universalreligion,
die gegenüber allen Weltreligionen offen ist und diese
aufnimmt. Pro Kontinent gibt es nur ein oder zwei solcher
Bahai Tempel.
Kampala hat auch ein UNESCO Weltkulturerbe zu
bieten. Und zwar die
Kasubi Gräber, die
traditionellen Gräber der
Könige der Baganda, dem
Stamm in der
Zentralregion Ugandas. Im
Jahr 2010 wurde die
Anlage fast vollständig
durch einen Brand
zerstört und befindet sich
nun im Aufbau und ist für
Besucher wieder geöffnet.
Nicht ganz so religiös und besinnlich war mein
nächstes Freizeithighlight von dem ich
berichten möchte. Und zwar war ich im
November in der zweitgrößten Stadt Ugandas,
ca. 90km östlich von Kampala, Jinja. Jinja ist
berühmt für die Quelle des Weißen Nils, die
dort aus dem Viktoriasee gespeist wird. Von
dort geht die Reise des Wassers los bis es mit
dem Blauen Nil zusammenfließt und über
Südsudan, Sudan und Ägypten schließlich im
Nildelta ins Mittelmeer fließt. Neben dem schönen Gebiet um Jinja und der
Nilquelle kommen viele Touristen nach Jinja, um auf dem Weißen Nil ein
Wildwasserrafting zu machen. So auch ich und zwar mit dem anderen
EIRENE Freiwilligen aus Kampala.
Weitere Trips, die ich
unternommen
habe, gingen
Richtung Westen,
nach Masaka und
Nkozi, wo andere
Freiwillige wohnen
und man eine
kostenlose Unterkunft bekommt. Auf der Fahrt
überquert man den Äquator und kann sogar auf beiden
Hemisphären am Fotopoint stehen.
Ein weiterer Wochenendausflug ging ganz in den Osten Ugandas, nämlich nach Mbale, wo es
ebenfalls EIRENE und Rot-Kreuz-Freiwillige gibt.
Dieses Wochenende war vor allem vom Wandern
geprägt, zum einen zu den höchsten Wasserfällen
Ostafrikas, den Sipifalls und der Wanderung auf
den Mount Wanale mit anschließender
Naturdusche auf dem Gipfel.
In
meinem letzten Rundbrief war ein großes Thema
das Muzungu-Sein in Uganda. Insgesamt lässt
sich sagen, dass es teilweise immer noch sehr
nervige und auch unangenheme Situationen gibt,
vor allem im Bezug auf den Sachverhalt, dass Weiße einfach im Schnitt deutlich mehr Geld als
Ugander haben und sich dadurch Begehrlichkeiten ergeben. Mit der Zeit lernt man jedoch damit
besser umzugehen, vielleicht auch anders aufzutreten und Fingerspitzengefühl für bestimmte
Situationen zu entwickeln.
Ein ganz traditionelles Erlebnis
war dann noch die
„Introduction“ eines
Arbeitskollegen von mir. Das ist
am Tag vor der Hochzeit die Zeremonie, wenn der Mann zum ersten Mal der Familie der Frau
vorgestellt wird und auch Geschenke für die Elternn der Frau bringt. Traditionell zieht der Mann ein
weißes Gewand, den Kanzu an und darüber einen Sacko. Es folgen eine stundenlange Debatte auf
Luganda und Tänze, gefolgt von einem Festessen mit den lokalen Spezialitäten.
In meiner Freizeit mache ich weiterhin gerne Sport und schaue auch
mal gerne einen Film ganz entspannt im Bett oder Fußball in der Bar
um die Ecke. Außerdem versuche ich meine Kochkünste weiter zu
verfeinern auf meinem kleine Gaskocher mit einer „Herdplatte“.
Besonders gut beherrsche ich die Instantnudeln sowie Penne mit
Pesto oder Tomatensoße.
In
meinem
Häuschen fühle ich mich super wohl und
auch mit meinen Nachbarn verstehe ich
mich sehr gut und ich bekomme Hilfe,
wenn ich sie benötige.
Jeden Donnerstag treffe ich mich mit
einem anderen Freiwilligen zum Sandwich-Essen und danach kostenlosem Billardspielen in einer Bar,
die das jeden Donnerstag anbietet. Auch mit meiner Trompete bin ich weiter aktiv und spiele
montags und dienstags bei „Brass for Africa“ in der Senior Band mit zwei anderen Freiwilligen, die
nah bei mir im Viertel wohnen. Witzigerweise sind wir von drei unterschiedlichen Organisationen
und wussten auch gar nichts voneinander bevor wir nach Uganda kamen.
Mit meiner Trompete hatte ich an echtes Highlight am 11. November letzten Jahres. Zum 100.
Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs luden der britische, französische und deutsche Botschafter
zu einer Gedenkveranstaltung ein. Da mich die Deutsche Botschaft am 3. Oktober zum Tag der
Deutschen Einheit, als ich dort mit der Band spielte, gesehen und gehört hat, wurde ich gefragt, ob
ich denn nicht die drei Totensignale für jede Nation während der Zeremonie spielen wolle (für
Deutschland „Ich hatt‘ einen Kameraden“). Ich war extrem aufgeregt, vor drei Botschaftern und
Militärs zu spielen, aber es lief wirklich sehr gut, sodass ich das kostenlose Buffet danach in vollen
Zügen genießen konnte.
Außerdem hatte ich mit der Brass Band von
der Kirche am 19. Dezember einen Auftritt
beim Weihnachtskonzert im Nationaltheater
in Kampala und wir haben an Weihnachten im
Gottesdienst in der Kirche gespielt.
Und natürlich war für mich ganz besonders, dass meine
Eltern und meine Schwester mich über Weihnachten
besuchen gekommen sind und sich nach einem Uganda-
Anfangsschock in einer erlebnisreichen Zeit mit positiven
wie negativen Erfahrungen ein Bild davon machen
konnten, wie ich in Uganda lebe und wie mein Alltag so
aussieht.
Meine Familie
war in einem
tollen
Gästehaus katholischer Nonnen nur ca. 200
Meter von meinem Zuhause entfernt
untergebracht.
An Heiligabend waren wir tagsüber am
größten Pool Ostafrikas in einem Hotel,
welches vor einigen Jahren für einen internationalen Gipfel in Uganda gebaut wurde und haben uns
abends ebenso das Buffet als Festessen gegönnt.
Neben allen üblichen Touristengängen waren wir
über Silvester in einer Lodge nahe Entebbe. Mein
Vater und ich haben uns leider eine heftige
Lebensmittelvergiftung oder einen Magen-Darm-
Infekt eingefangen, den meine Schwester ein paar
Tage später leider auch bekam. So konnten wir
leider nicht nach Jinja, sondern mussten zu Beginn
des neuen Jahres erst einmal Bett und Toilette
hüten.
Das war natürlich sehr unangenehm, allerdings
muss ich sagen, dass ich genau 5 Monate, nämlich
vom 1. August bis 31. Dezember 2018 frei von heftigen Erkrankungen hier in Uganda war und bisher
wirklich sehr glücklich und dankbar über meinen körperlich-gesundheitlichen Verlauf bin.
Ich bedanke mich herzlich fürs Lesen und hoffe, es hat weiter Interesse geweckt, informiert und auch
Spaß gemacht. Als kleine Aussicht möchte ich sagen, dass mein Bruder am Abend des 17. Februar in
Entebbe landen wird und mich für gute zwei Wochen besuchen kommt. Als besonderes Highlight
haben wir eine Safari für 6 Tage geplant, die uns in den Lake Mburo Nationalpark, den
weltberühmten Queen Elizabeth Nationalpark, sowie als Höhepunkt in den Bwindi Nationalpark
führen wird, wo wir ein Gorillatracking machen werden und die letzten Berggorillas der Welt für eine
Stunde in die Augen schauen können. Aber dazu dann mehr mit Bild- und Erfahrungsmaterial im
nächsten Rundbrief!
Bei Fragen, Anregungen, Kritik oder weiterm Interesse an Details stehe ich sehr gerne zur Verfügung.
Einfach eine Mail an: [email protected].
Vielen Dank an meine Unterstützer, Familie und Freunde!
Liebe Grüße,
Raphael