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Ärzteblatt Sachsen 8/2001 351 Inhalt 8/2001 Arzteblatt Sachsen Berufspolitik Aus der Vorstandssitzung 352 Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte 353 Arbeitskreis Sächsischer Krankenhaushygieniker 355 Reformbedarf aktuell: Zukunft Medizinstudium 356 Gesundheitspolitik Prävention/Rehabilitation – ein gesamtgesellschaftliches Anliegen 357 Mitteilungen der Geschäftsstelle Internet-Kurse für Ärzte 361 Konzerte und Ausstellungen 361 Mitteilungen der KV Ausschreibung und Abgabe von Vertragsarztsitzen 362 Impressum 362 Originalien Ziemssen, T., Süß, M., Reichmann, H. Funktionsdiagnostik des autonomen Nervensystems – eine interdisziplinäre Herausforderung 363 Zschornack, M., Springer, B. Psychosomatisches Denken in der Inneren Medizin Compliance und Coping 380 Amtliche Bekanntmachungen Satzungsänderungen 371–378 Leserbriefe Leserbrief Dr. med. habil. Detlef Müller 383 Leserbrief Dipl.-Med. Angelika Zimmer 384 Ausschuss Junge Ärzte www.aerzteohnekittel.de – Die Jobbörse für Sachsens Ärzte 385 Verschiedenes Zytochromat zu verschenken 385 Onkologie-Preis des Tumorzentrums Dresden 386 Medizingeschichte Zur Geschichte der medizinhistorischen Sammlung 386 Personalia Unsere Jubilare im September 387 Buchbesprechung Hausärzte in der DDR 392 Verschiedenes Hilfstransport der »Diakonie Annaberg« nach Grodno/Weißrussland 393 Beilage Fortbildung in Sachsen – Oktober 2001 Die Sächsische Landesärztekammer und das „Ärzteblatt Sachsen” sind im Internet unter http://www.slaek.de, per e-mail: [email protected] und der „Sächsische Gesundheitslotse“ unter www.gesundheitslotse-sachsen.de zu erreichen/abrufbar.

Ärzteblatt Sachsen 8/2001 - slaek

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Ärzteblatt Sachsen 8/2001 351

Inhalt 8/2001

ArzteblattSachsen

Berufspolitik Aus der Vorstandssitzung 352

Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte 353

Arbeitskreis Sächsischer Krankenhaushygieniker 355

Reformbedarf aktuell: Zukunft Medizinstudium 356

Gesundheitspolitik Prävention/Rehabilitation – ein gesamtgesellschaftliches Anliegen 357

Mitteilungen der Geschäftsstelle Internet-Kurse für Ärzte 361

Konzerte und Ausstellungen 361

Mitteilungen der KV Ausschreibung und Abgabe von Vertragsarztsitzen 362

Impressum 362

Originalien Ziemssen, T., Süß, M., Reichmann, H.

Funktionsdiagnostik des autonomen Nervensystems – eine interdisziplinäre Herausforderung 363

Zschornack, M., Springer, B.

Psychosomatisches Denken in der Inneren MedizinCompliance und Coping 380

Amtliche Bekanntmachungen Satzungsänderungen 371–378

Leserbriefe Leserbrief Dr. med. habil. Detlef Müller 383

Leserbrief Dipl.-Med. Angelika Zimmer 384

Ausschuss Junge Ärzte www.aerzteohnekittel.de –Die Jobbörse für Sachsens Ärzte 385

Verschiedenes Zytochromat zu verschenken 385

Onkologie-Preis des Tumorzentrums Dresden 386

Medizingeschichte Zur Geschichte der medizinhistorischen Sammlung 386

Personalia Unsere Jubilare im September 387

Buchbesprechung Hausärzte in der DDR 392

Verschiedenes Hilfstransport der »Diakonie Annaberg«nach Grodno/Weißrussland 393

Beilage Fortbildung in Sachsen – Oktober 2001

Die Sächsische Landesärztekammer und das „Ärzteblatt Sachsen” sind im Internet unter

http://www.slaek.de, per e-mail: [email protected]

und der „Sächsische Gesundheitslotse“ unter www.gesundheitslotse-sachsen.de

zu erreichen/abrufbar.

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Berufspolitik

352 Ärzteblatt Sachsen 8/2001

Zu Beginn berichtete der Präsident voneiner Klausurtagung der Bundesärzte-kammer schwerpunktmäßig zu folgen-den Themen:

Bildung eines Koordinierungsausschussesunter Teilnahme von Krankenhausgesell-schaft, Kassenärzten und Zahnärzten;der „Runde Tisch“ beim Bundesgesund-heitsministerium wird auch von der Bun-desärztekammer mit besetzt; Vorlage desReferentenentwurfes zum DRG-Gesetz;Expertenanhörung zur Präimplantations-diagnostik; gemeinsame Rechtsabteilungvon Bundesärztekammer und Kassenärzt-licher Bundesvereinigung bleibt erhalten;neue Approbationsordnung.

Da Herr Dr. Mathias Cebulla aus wichti-gem Grund auf dem 11. SächsischenÄrztetag nicht anwesend sein konnte,wurde ihm in würdiger Form die„Hermann-Eberhard-Friedrich-Richter-Medaille“ 2001 verliehen.

Zum Tagesordnungspunkt Bündnis Ge-sundheit 2000 berichtete Frau Dr. Trübs-bach:Der Aktionsrat der niedergelassenen Ärz-te und Psychotherapeuten Ostdeutsch-lands hat in einer Pressemitteilung be-kannt gegeben:Am 1. Oktober beginnt im Osten der ge-sundheitspolitische Wahlkampf!Nach wie vor sei die Kernforderungnach einer unverzüglichen Anhebung derfür die ambulanten Medizin im Ostenzur Verfügung stehenden Finanzmittelauf Westniveau überfällig.

Auf dem 11. Sächsischen Ärztetag warein Antrag angenommen worden, dieNachweispflicht über die finanzielleVergütung von Arbeitszeiten, die auf dieWeiterbildung angerechnet werden sol-len, in das Sächsische Heilberufekammer-

gesetz aufzunehmen. Diese Forderungwird jetzt an die Aufsichtsbehörde wei-tergeleitet.

Die Vorbereitungen für das Deutsch-Polnische Symposium „Vergangenheitverstehen – Zukunft gestalten“ vom 14.bis 16. September 2001 in Kreisau ver-laufen planmäßig. Die Teilnehmerzahlist in den letzten Wochen rapide ange-stiegen.

Zur Vorbereitung der 17. Tagung derVorsitzenden der Kreisärztekammernund zur 25. Kammerversammlung wur-den die inhaltlichen Aspekte anhand vor-gelegter Tagesordnungsentwürfe bespro-chen und bestätigt.

Aus dem juristischen Geschäftsbereichlagen sieben Beschlussvorlagen zu be-

rufsrechtlichen Angelegenheiten vor, diewie immer vom Ausschuss Berufsrechtentscheidungsreif vorbereitet wordenwaren. Darüber hinaus wurde der Standzu den verwaltungsgerichtlichen Verfah-ren der Sächsischen Landesärztekammer,zu den berufsgerichtlichen Verfahren desVorstandes und zu den Rügeverfahrendes Vorstandes in tabellarischer Formvorgelegt und erläutert. Aus dem kauf-männischen Geschäftsbereich wurde dieHaushaltinanspruchnahme per 31. Mai2001 erläutert. Die Gesamtaufwendungenlagen zu diesem Zeitpunkt 2,3 % unterdem Zeitsoll, die Erträge dagegen erheb-lich über dem Zeitsoll. Letzteres istdurch die Beitragszahlung im Frühjahrbegründet.

Dr. med. Helmut SchmidtVorstandsmitglied

Aus der Vorstandssitzung 4. 7. 2001

Der Präsident, Herr Prof. Dr. Jan Schulze, überreicht Herrn Dr. Mathias Cebulla die „Hermann-Eberhard-Friedrich-Richter-Medaille”

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Berufspolitik

Ärzteblatt Sachsen 8/2001 353

„Der Deutsche Ärztetag fordert dieStaatsanwaltschaften auf, gemäß § 291des Strafgesetzbuches (sogenannter „Wu-cherparagraph“) bei offensichtlicher Aus-beutung junger Ärztinnen und Ärzte inden Kliniken gegen die Krankenhausträ-ger beziehungsweise Arbeitgeber vorzu-gehen.“Ein zentrales Thema auf dem diesjährigen104. Deutschen Ärztetag stellte die Aus-beutung ärztlicher Arbeitskraft, insbeson-dere junger Kolleginnen und Kollegendar. Neben vielen weiteren positiven Ent-schließungen wiederspiegelt der eingangsgenannte Beschluss die Situation amBesten.Bereits in seiner Eröffnungsrede pran-gerte der Präsident der Bundesärztekam-mer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, untergroßem Beifall und der Anwesenheitvon Frau BundesgesundheitsministerinUlla Schmidt die unerträglichen Zu-stände an deutschen Krankenhäusern an. Es wurde unter Bezugnahme auf staats-anwaltliche Ermittlungen gegen soge-nannten Abrechnungsbetrug auf den Be-trug an der Arbeitskraft junger Ärztinnenund Ärzte reflektiert. Prof. Dr. Hoppewies erneut darauf hin, dass das Arbeits-zeitgesetz in großem Stil weiterhin miss-achtet wird. 50 Millionen Überstundenmit einem Gegenwert von ca. 2 Milliar-den DM werden jährlich von Ärztinnenund Ärzten in deutschen Kliniken undKrankenhäusern ohne Ausgleich geleistet.Dauereinsätze bis zu 30 Stunden sind ander Tagesordnung. Dies gefährdet in ho-hem Maße die Gesundheit unserer Kol-leginnen und Kollegen ebenso, wie dieQualität der Betreuung der sich uns an-vertrauenden Patientinnen und Patienten.So hat eine Studie belegt, dass das Reak-tionsvermögen eines Arztes nach unun-terbrochener Arbeitszeit von 24 Stundendem eines Autofahrers mit einem Blut-alkoholspiegel von einem Promille ent-spricht. Wer aber möchte sich schon voneinem Angetrunkenen operieren lassen?Die mehrstündige Diskussion zu diesemThema auf dem 104. Deutschen Ärztetagwurde durch drei Referate eingeleitet.

Frau Dr. Claudia Röhl, wissenschaftlicheAssistentin an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, berichtete über erfahreneWiderstände bei dem Versuch, geleisteteÜberstunden als Ärztin im Praktikumabzurechnen. Das bereits ihr ärztlicherLeiter deutliche Ablehnung signalisierte,muss, so der Haupttenor der Diskussion,als symptomatisch für das System er-kannt werden. Sätze wie: „...dann stimmtIhre Arbeitsorganisation nicht,“ oder„...Sie arbeiten zu langsam“ werdenimmer wieder beklagt. Natürlich sei hierauch an die Zwänge durch Verwaltungund rigide Budgets erinnert.Welche Wege es gibt, zeigte im zweitenReferat Herr Dr. Wolfhart Priesack,Oberarzt der Chirurgischen Klinik desStädtischen Klinikums Kiel, auf. Diegesamte ärztliche Belegschaft hat sichorganisiert, um gegen die Missstände amHaus zu kämpfen. Da bisher keinerleiEinigung zu erzielen war, ja selbst unterAndrohung von Abmahnungen der Be-such der Ministerpräsidentin des LandesSchleswig-Holstein durch die Verwaltungverhindert wurde, wird eine gerichtlicheKlärung angestrebt. Herr Dr. WolfhartPriesack rief die verfasste Ärzteschaftzur Durchführung von Musterprozessenauf, sollten Verwaltungen oder auchärztliche Leiter bis hin zur Bundesregie-rung das Problem weiterhin bewusstignorieren und schönreden.Das Votum des Ärztetages unterstützediese Forderung entsprechend.Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsidentder Ärztekammer Hamburg, beleuchtetein seinem Grundsatzreferat das perfideSystem der Ausbeutung der Arbeitskraft,insbesondere junger Ärztinnen und Ärztedurch ärztliche Leiter und Verwaltungenunter Missachtung des Arbeitszeitgesetzesund unter euphemistischer Darstellungethischer Grundsätze des Arztberufes.Es wurde erinnert, dass 1990 jährlich inder Bundesrepublik Deutschland 13,7Millionen Fälle behandelt wurden, 1998aber 15,6 Millionen Fälle bei sinkenderKrankenhaus- und Bettenzahl. Zwischen1990 und 1998 sank die Krankenhaus-

zahl in der Bundesrepublik Deutschlandum 184 und die Bettenzahl im selbenZeitraum um 114.347! Allgemein bekanntist, dass sich auch an Bettenzahlen Stel-lenschlüssel in Krankenhäusern orientie-ren, nicht jedoch an Behandlungsfällen.Durch zunehmende Bürokratie (zumBeispiel Einführung des DRG-Systems),medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritt,verändertes Verhalten des Patientenklien-tels und vieles Mehr kommt es zu einermassiven Zunahme der Arbeitsintensität.Das führt zur 80-Stunden Woche, 24 bis32 Stunden Diensten, einer Arbeitslastim Bereitschaftsdienst von meist mehrals 49% und bei Personalknappheit zumehr Bereitschaftsdiensten, als zulässig.Dem stehen insbesondere in der Arzt imPraktikum-Phase eine Bezahlung oftunter der Sozialhilfegrenze und die Une-rfahrenheit der jungen Kolleginnen undKollegen gegenüber.Der Europäische Gerichtshof (EuGH)stellte in einem Urteil vom 03.Oktober2000 (Rechtssache C303/98) fest, dassBereitschaftszeit in Krankenhäusern alsArbeitszeit anzusehen ist. Unter Missachtung dieses Urteils desEuGH und der zynischen Behauptungvon Verwaltungen und Politik, dass dasArbeitszeitgesetz in Deutschland einge-halten sei, wird die dramatische Lageoffiziell negiert.Ausnutzung der Notlage junger Kollegen:„...Teilzeitstellen mit Vollzeitarbeit“,„...Bewährung auf Gastarztstellen“; Über-forderung : „...AiP als Stationsarzt“,„...fachübergreifende Bereitschaftsdienste“;Erzeugung von Wohlverhaltensdruckund Vermittlung eines Gefühls der Un-fähigkeit: „...wer Überstunden machtarbeitet zu langsam“, „... wenn Sie nichtfertig werden, dann müssen Sie IhreKollegen holen,“ oder „...dann müssenSie Ihre Patienten halt liegenlassen“ sindnur einige Beispiele des Systems.Immer wieder muss jedoch auch an dieFürsorgepflicht ärztlicher Leiter erinnertwerden. Die Verwaltungen treiben mitErfolg Keile zwischen leitende undnachgeordnete Ärzte und organisieren so

Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte

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Berufspolitik

354 Ärzteblatt Sachsen 8/2001

den Druck von oben nach unten. Hinge-wiesen sei in diesem Zusammenhang auchauf die Zwischenergebnisse der aktuellenUmfrage des Ausschusses Junger Ärzteunserer Landesärztekammer zur Weiter-bildung in Sachsen, welche ich in einemWortbeitrag auf dem 104. Deutschen Ärz-tetag ansprach. Bedenklich erscheint, dassnur 40 Prozent der befragten Weiterbilderdas Arbeitszeitgesetz und nur 15 Prozentder Weiterzubildenden als umgesetzt an-sehen. Nur 27 Prozent der Weiterbilderund 16 Prozent der Weiterzubildendenhalten es für möglich, dass alle Weiter-bildungsinhalte während der Arbeitszeiterworben werden können.An immer weniger Kliniken wird be-zahlte Freistellung für Fort- und Weiter-bildung gewährt.Dr. Montgomery wies darauf hin, das be-reits jetzt von ca. 12.000 Absolventenjährlich nur ca. 6.000 im traditionellenArztberuf arbeiten und eine zunehmendeZahl auch festbeschäftigter Ärzte sichnach weitaus attraktiveren Angeboten imAusland umsehen.In meinem Redebeitrag erklärte ich meineSorge um die Zukunft der Gesundheits-versorgung in unserem Land, wenn immerweniger junge Ärzte nachrücken, weilnicht nur Budgetzwang, sondern bereitsArbeits- und Ausbildungsbedingungenabschrecken. In der lebhaften, sehr ein-mütigen Diskussion zu diesem zentralenThema des diesjährigen Ärztetages ka-men viele weitere Beispiele zu Darstel-lung. Junge Kollegen berichteten, das Sieaus Angst um den Fortgang ihrer Weiter-bildung dem Druck nachgeben, vielfachsogar bewusst in Kauf nehmen. WelcheAuswirkungen muss dies wohl auf dieIdeale des Arztberufes haben?Mithin sind Bereitschaftsdienste geradein jungen Jahren von vielen Kollegen ge-wollte Quelle zusätzlicher geringer Ein-nahmen, zu welchem Preis werden dieseaber erkauft? Nicht nur das geringerLohn erhalten wird, ebenso begeben sichjunge Kollegen in existenzgefährdendejuristische Gefahren, wenn sich durchÜbermüdung Fehler einschleichen, dies

bei zunehmender Kriminalisierung un-seres Berufstandes. Es stellte sich dieFrage nach dem Nutznießer dieser Aus-beutung. Hier wurde unzweifelhaft dieseit Jahren gemachte und durch die jetzigeBundesregierung fortgesetzte Politikausgemacht. Beitragssatzstabilität aufdem Rücken von Ärzten und Patientenwaren erklärtes Ziel einer Kostendämp-fungsmaschinerie.Ignoranz der Problematik seitens der Bun-desregierung wird dadurch belegt, dassUrteile des Europäischen Gerichtshofesdifferenziert in ihrer Bedeutung für dieBundesrepublik Deutschland betrachtetwerden. Wird das Urteil des EuGH zurUmsatzsteuerpflicht ärztlicher Gutachtensofort umgesetzt, wird hingegen eineAuswirkung des Urteils des EuGH zurBereitschaftszeit als Arbeitszeit aufDeutschland bestritten, obwohl das Ar-beitsgericht Gotha am 03. April 2001(Aktenzeichen: 3 BV 1/01) die volleAnwendbarkeit auf die BundesrepublikDeutschland in einem Beschlussverfah-ren festgestellt hat.Insgesamt 34 Beschlüsse sind das Ergeb-nis der Diskussion dieser Problematik.Dabei wurden folgende exemplarische Forderungen an die Politik, Krankenhaus-träger und Verwaltungen, ärztliche Leitersowie die Landesärztekammern gestellt:■ Volle Umsetzung des Urteils des Eu-ropäische Gerichtshofes zu Bereitschafts-diensten und des Arbeitszeitgesetzesdurch Feststellung der Arbeitszeit mit-tels Einführung von Stechuhrsystemen.Veränderung der Tarif- und Stellenpläne(nach Schätzungen derzeit ca. 15.000zusätzliche Arbeitsplätze), Anpassungder geplanten DRG-Vergütung durchBerechnung des Soll- und nicht des Ist-Zustandes.■ Abschaffung der Arzt im Praktikum-Phase, bis dahin Aufwertung der Ver-gütung und der Notwendigkeit der Wei-terbildung in dieser Phase durch konse-quente Anwendung von Weiterbildungs-modalitäten und Rotationsprinzipen.■ Kontrolle der Einhaltung der Vorgabenam Beispiel der Kontrolle der Arbeits-

verträge durch die Landesärztekammernund Überprüfung der Weiterbildungsbe-fugten auf ihre persönliche Eignung, ge-gebenenfalls Entzug der Weiterbildungs-ermächtigung bei Nichtbeachtung der ge-setzlichen Vorschriften und entsprechendenPassagen der Berufsordnung.■ Untertarifliche Beschäftigung vonÄrztinnen und Ärzten insbesondere inWeiterbildung durch zur Weiterbildungbefugte ist unethisch und steht nicht imEinklang mit der persönlichen Eignungzur Befugnis.■ Benennung von Ombudsmännernoder -frauen an den Landesärztekammernfür betroffene Ärztinnen und Ärzte.■ Angemessene Beteiligung der Assis-tenten an der Privatliquidation der ärztli-chen Leiter, wenn die Arbeit durch dieseerbracht wird.■ Einschaltung von Gewerbeaufsichts-ämtern und Staatsanwaltschaft bei fort-gesetztem Betrug, unter der Forderung andie Politik mit entsprechendem Personalgesetzliche Vorschriften durchzusetzen(allzu oft wird bei offensichtlichen Ver-stößen derzeit durch die Gewerbeaufsichtden Klinikleitungen Wohlverhalten be-scheinigt)■ Das ärztliche Leiharbeitswesen wirdangeprangert und auf das Schärfste ver-urteilt.■ Anerkennung der Haftungs- und Be-handlungsrisiken von und durch Ärztin-nen und Ärzten, welche aus der provo-zierten und geduldeten Missachtung ge-setzlicher Grundlagen entstehen.Kolleginnen und Kollegen, lassen wir unsnicht mehr durch das fortgesetzte Spal-tungsbestreben mittels Budgetdruck undRepressalien durch Politik und Verwal-tung entzweien. Folgen wir dem Beispielder Kolleginnen und Kollegen des Städ-tischen Krankenhauses Kiel. „...Das Gesundheitswesen ist im Allgemei-nen, die Ärzteschaft im Besonderen denMenschen und der Humanität verpflichtet.“

Erik BodendieckFacharzt für Allgemeinmedizin

Sächsischer Delegierter zum 104. Deutschen Ärztetag

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Berufspolitik

Ärzteblatt Sachsen 8/2001 355

Am 13. 3. 2001 beschlossen 15 anwesen-de Krankenhaushygieniker und hygiene-beauftragte Ärzte aus sächsischen Kran-kenhäusern, sich im Rahmen einer eige-nen Arbeitsgruppe als ständige, nicht ein-getragene Vereinigung zu konstituieren.Ziel der Arbeitsgruppe ist die Intensivie-rung von Maßnahmen zur Verhütung undBekämpfung von nosokomialen Infektio-nen in den Krankenhäusern sowie in denambulanten GesundheitseinrichtungenSachsens.Aus der Sicht der Anwesenden gab es dreiüberwiegende Gründe für die Bildungdieser Arbeitsgruppe:

1. Zum einen gibt es derzeit mit demNationalen Referenzzentrum für Kranken-haushygiene, dem Robert-Koch-Institut,dem deutschsprachigem Arbeitskreis fürKrankenhaushygiene und der Arbeitsge-meinschaft medizinisch wissenschaftlicherFachgesellschaften mehrere Institutionenoder Gremien, die für sich Richtlinien-kompetenzen auf dem Gebiet der Kranken-haushygiene beanspruchen. Leider unter-scheiden sich die Empfehlungen mitunterso gravierend, dass Verunsicherung beiden Kollegen in der Praxis entsteht.

2. Zum zweiten gibt es mit der „Sächsi-schen Krankenhaushygienerahmenverord-nung“ sowie der „Seuchenmeldeverord-nung Sachsen“ gesetzliche Rahmenbe-dingungen für die Krankenhaushygiene,die von den anderen Bundesländern deut-lich abweichen und spezifische Vorgehens-weisen fordern.

3. Der dritte Grund ist in der Tatsache zusehen, dass fundierte Beratung in Hygiene-fragen oft auch vor Ort Tätigkeit erfor-dert. Und diese ist regional am schnell-sten und effektivsten zu leisten.

Die Arbeitsgruppe ist offen für alle haupt-amtlich tätigen Krankenhaushygienikerund nebenamtlich tätige hygienebeauftrag-te Ärzte aus Krankenhäusern Sachsens.Sie erhebt keine Mitgliedsbeiträge undtätigt keine sonstigen Einnahmen.

Aktivitäten der Arbeitsgruppe bestehenin der Beratung von ärztlichen Kollegen,Pflegepersonal, aber auch anderen in derMedizin tätigen Berufen in Maßnahmender Infektionsprävention und -bekämp-fung in stationären und ambulanten Ge-sundheitseinrichtungen über das eigeneKrankenhaus hinaus. Die Ausbildungvon ärztlichen und pflegerischen Perso-nal auf dem Gebiet der Hygiene soll imRahmen der Möglichkeiten unterstütztwerden, wobei auch an Zusammenarbeitmit regionalen medizinischen Fachgesell-schaften gedacht ist.Sprecherin der Arbeitsgruppe ist FrauDr. Gerit Görisch, Krankenhaushygienike-rin im Städtischen Klinikum „St. Georg“Leipzig. Als stellvertretende Sprecherfungiert Dr. Lutz Jatzwauk, Krankenhaus-

hygieniker im Universitätsklinikum CarlGustav Carus Dresden.Sollten Sie Interesse an der Mitarbeit inder Arbeitsgruppe haben, nehmen Siemit uns Kontakt auf.Falls Sie als Kliniker oder niedergelassenerArzt, Krankenschwester oder -pflegeroder auch Medizintechniker Fragen zuHygienemaßnahmen haben, schreibenSie uns. Wir wollen versuchen, Ihnen beider Lösung zu helfen.

Im Namen der Mitglieder des Arbeits-kreises

Dr. Gerit Görisch Dr. Lutz JatzwaukStädtisches Klinikum Universitätsklinikum „St. Georg“ DresdenDelitzscher Straße 141 Fetscherstraße 7404129 Leipzig 01307 Dresden

Arbeitskreis SächsischerKrankenhaushygieniker

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Berfspolitik

356 Ärzteblatt Sachsen 8/2001

Unter diesem Motto stand am 02. Juli 2001die erste Dialogveranstaltung zum ThemaReform der Approbationsordnung unterder Ägide von Frau Bundesgesundheits-ministerin Ulla Schmidt in Zusammenar-beit mit der Bundesärztekammer.Eingeladen waren Expertinnen und Ex-perten aus Ärzteverbänden, Bund undLändern, Gesundheitspolitik, Medizini-schen Fachgesellschaften, Wissenschafts-rat, Medizinischen Fakultäten und Fach-schaften (Vertretung der Studenten einermedizinischen Fakultät), Bildungs- undForschungseinrichtungen.Auf das Podium hatte Frau Bundesge-sundheitsministerin Ulla Schmidt HerrnProfessor Dr. Gebhard von Jagow, Spre-cher des Medizinischen Fakultätentages,Herrn Staatsrat Dr. Arnold Knigge fürdie Gesundheitsministerkonferenz, HerrnProfessor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Prä-sident der Bundesärztekammer, Frau TinaSchweickert als Sprecherin der Fachta-gung Medizin (gesamtdeutscheVertretungder Medizinstudierenden) und HerrnProfessor Dr. Erich Thies als Vertreterder Kultusministerkonferenz geladen.Bereits in der vorangehenden Pressekon-ferenz betonten Frau Bundesgesundheits-ministerin Ulla Schmidt und Herr Pro-fessor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe die zwin-gende Notwendigkeit einer tiefgreifen-den Reform der Approbationsordnung.Diskussionsgrundlage ist die Verordnungs-vorlage des Bundesgesundheitsministe-riums aus dem Jahre 1997, bekannt alsDrucksache des Bundesrates 1040/97vom 19. Dezember 1997 einschließlich derin weiteren Verhandlungen eingebrachtenVeränderungen.Kernpunkte dieser längst überfälligen No-vellierung der Approbationsordnung sind:■ den Unterricht verstärkt fächerüber-greifend und problemorientiert zu gestalten■ die allgemeinmedizinischen und ko-ordinierenden Kompetenzen der Studieren-den zu stärken,■ den praktischen Unterricht am Kran-kenbett zu verbessern■ das Prüfungssystem grundlegend zureformieren

■ die obligatorische Einführung vonBlockpraktika in der Allgemeinmedizin■ die Einführung von Pflichtveranstal-tungen in der medizinischen Psychologieund■ die Evaluation von Lehrveranstaltun-gen einzuführen.Schwerpunkt der Veränderungen undgleichzeitig auch bisheriger Streitpunktsind veränderte Größenzahlen von Stu-diengruppen in der Arbeit am Patientenund der Patientendemonstration. Unter-schiedliche Auffassung besteht hierbeimit den Kultusministern der Länder, dadiese daraus die Veränderung der Kapa-zitätsverordnung ableiten. Herr Profes-sor Dr. Erich Thies machte wiederumdeutlich, dass die Kultusminister, trotzKompromissvorschlag, von einer Senkungder Studentenzahlen ausgehen, welchesunter Hinweis auf § 12 des Grundgesetzes(Freie Wahl des Berufes, des Arbeitsplatzesund der Berufsstätte, Kein Arbeitszwang)juristisch nicht durchzuhalten sei. Hiermuss weiter ein Kompromiss angemahntwerden, um noch in dieser Legislaturpe-riode zu einer Verabschiedung der novel-lierten Approbationsordnung zu kommen.Im Gegensatz dazu beklagte Frau TinaSchweickert, dass bereits jetzt, nur inseltenen Fällen, trotz höherer Zahlen, dieVorgaben der Approbationsordnung nichteingehalten würden und sie keine Hoff-nung habe, dass sich dieses dann bessernwird. In diesem Sinne regte Frau Bundes-ministerin Bulmahn in Ihrer Eröffnungs-rede bereits die stärkere Einbeziehungund qualitative Verbesserung der Lehre-valuation mit daraus folgenden Konse-quenzen für die Lehre an den Universi-täten an. Herr Professor Dr. Gerhard vonJagow setzte dem entgegen, dass bereitseifrig evaluiert werde. Wie die Diskussionzeigte, jedoch qualitativ nicht ausgewogenund keinesfalls kompatibel zwischenden Lehreinrichtungen, ebenso scheinensich daraus keine Konsequenzen abzu-leiten.Konsens bestand bei allen an der Dis-kussion Beteiligten darüber, dass die Pra-xisnähe zentraler Gesichtspunkt eines

modernen Medizinstudiums sein sollte,welches einen vollverantwortlichen,selbständigen, in der Medizin breit ge-bildeten Arzt zum Ziel hat.Eine weitere Forderung bestand in derAbschaffung der Phase des Arztes imPraktikum (AiP). Unterschiedliche Mei-nungen vertraten hierbei Frau Bundesge-sundheitsministerin Ulla Schmidt undHerr Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe,sowie eine Großzahl der Diskussionsred-ner. Frau Bundesgesundheitsministerinmacht derzeit die Abschaffung des AiPdurch eine Änderung der Bundesärzte-ordnung von der Reform der Approba-tionsordnung abhängig. Mehrheitlichwurde jedoch die Auffassung vertreten,dass mit Einführung der Weiterbildungs-pflicht kein fachlich zwingender Grundmehr für die Aufrechterhaltung der AiP-Phase besteht. Allein der wirtschaftlicheGewinn an der Arbeitskraft „junger Arzt“scheint Beweggrund zu sein.Weiterhin wurde auch die Frage nach derBezahlbarkeit der Lehre an den Univer-sitäten und Lehrkrankenhäusern unterden Bedingungen der DRG`s gestelltund Budgets für die Lehre eingefordert. Weitere wichtige Punkte der geplantenReform, wie zum Beispiel die Stärkungder Allgemeinmedizin an den Universi-täten und Hochschulen sind am erstenDiskussionstag noch nicht angesprochenworden.Herr Professor Dr. Hoppe sprach voneinem Reförmchen, was es Wert sei nunendlich an den Anfang gestellt zu wer-den, um daraus zu lernen und dann wei-tere Schritte zu gehen.Wohingegen die Sprecherin der Fachta-gung Medizin Frau Tina Schweickert,eine „kleine Reform“ derzeit ablehnt undvorerst Ergebnisse von Reformstudien-gängen, wie zum Beispiel an der Charitéoder der POL (praxisorientiertes Lernen)-Studiengang an der TU Dresden abge-wartet werden sollten, um dann eine„große Reform“ durchzuführen.Aus meiner täglichen Arbeit heraus,muss ich allerdings feststellen, dass eineReform überfällig ist, denn wer soll sonst

Reformbedarf aktuell:Zukunft Medizinstudium

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BerufspolitikGesundheitspolitik

Ärzteblatt Sachsen 8/2001 357

in 10 bis 15 Jahren noch die Patienten inDeutschland betreuen, wenn jetzt bereitsnur die Hälfte aller Absolventen den Arzt-beruf ergreift, und das nicht zuletzt, weilin der Lehre viel zu wenig Praxisbezugfehlen und die Attraktivität des Arztbe-rufes verloren geht.

Als sächsische Vertreter waren bei dieserersten Dialogveranstaltung anwesend: HerrProfessor Dr. Jan Schulze, Präsident derSächsischen Landesärztekammer, HerrProfessor Dr. Wolfgang Rose, Herr Pro-fessor Dr. rer. nat. Peter Dieter, Studien-dekan der Universität Dresden, Herr Peter

Schwarz, Assistenzarzt am Carl-Gustav-Carus-Klinikum Dresden und Herr ErikBodendieck, niedergelassener Facharztfür Allgemeinmedizin

Erik BodendieckFacharzt für Allgemeinmedizin

Der Mensch muss sich wie ein Wind-flüchter an einer Steilküste behaupten,der Schwächere wird schneller fallen undoft glaubt man, dass das menschlicheLeben auch mit dem Hintergrund desArbeitsmarktes, der Globalisierung und dernoch verteidigten Inseln der Wohlstands-gesellschaft drastisch an Wert verliert.Freunde der Natur und Umweltschützerhaben es schon lange erkannt, arbeits-marktpolitische und betriebswirtschaftli-che Gesichtspunkte sind allein nicht inder Lage, unsere Umwelt und damit auchdas menschliche Dasein zu erhalten.Innerhalb der großen Variabilität der Gat-tung Homo sapiens finden sich auch inunserer Gesellschaft nur eine Minderzahlgenetisch optimal veranlagter bezie-hungsweise gesellschaftlich prägender

und abgesicherter Menschen. Selbst diesesind nicht gegen körperliche und seeli-sche Dysbalancen, Altern und Krankheitgefeit. Die Schwächeren, chronisch Kran-ken und Ermüdeten der Gesellschaft, fal-len jedoch der Marktwirtschaft zuerst zumOpfer und die Zahl derer wird sehr raschgrößer. Diese bedürfen besonderer Hil-fen und Unterstützung mit dem humanis-tischen/christlichen Hintergrund, diemenschliche Würde zu bewahren. Damitgewinnen Prävention und Rehabilitationals ein wichtiges gesellschaftliches An-liegen eine philosophische Dimension.Die sorgsame Verwaltung der öffentli-chen Gelder für unser Gesundheits- undSozialwesen darf keinesfalls allein ausbetriebswirtschaftlicher Sicht unter derPrämisse des Geschäfts und Gewinns ge-

sehen werden. Das gut etablierte Systemder Rehabilitation in Deutschland gilt esauszubauen, die Prävention zu verstärken.Die große soziale Bedeutung der sowohlmedizinischen als auch beruflichen Re-habilitation, die erstrangig vom Renten-versicherer getragen wird, ist oft letzterStrohhalm und Hoffnungsträger für un-sere chronisch Kranken, die hier aufge-fangen und getragen werden.

Der Ausschuss Prävention/Rehabilitationder Sächsischen Landesärztekammer mitseinem Vorsitzenden, Herrn Prof. Dr.Dieter Reinhold, ist sehr dankbar, dassdie Sächsische Akademie für ärztlicheFort- und Weiterbildung der SächsischenLandesärztekammer (Vorsitzender HerrProf. Dr. Otto Bach) das diesjährige

Prävention/Rehabilitation – ein gesamtgesellschaftliches Anliegen

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Gesundheitspolitik

358 Ärzteblatt Sachsen 8/2001

Herbstsemester unter das Hauptthema„Prävention und Rehabilitation“ gestellthat. Um diese bekannter, attraktiver undeffektiver zu gestalten, haben wir für die11 Fortbildungsabende von Septemberbis November in unserer Landesärzte-kammer versucht, alle Bereiche, die mitdiesem Anliegen beschäftigt sind, anzu-sprechen und hoffen nicht nur auf vieleinteressierte Teilnehmer, sondern aufAkzeptanz und eine breite Diskussion.Alle Aktivitäten auf diesem Gebiet soll-ten gebündelt werden und die verschie-densten Fachdisziplinen, Institutionenund Organisationen zum Wohle unsererGefährdeten und chronisch Kranken zu-sammenarbeiten. Das System der Prä-vention und Rehabilitation der Bundes-republik Deutschland könnte Schrittma-cherfunktion für ganz Europa haben.

Liebe, verehrte Kolleginnen und Kollegen!Die 11 Fachthemen, die in altbewährterWeise am Mittwochabend, 19.00 bis21.00 Uhr, in der Sächsischen Landes-ärztekammer vom 5. 9. bis 12. 12. 2001stattfinden, entnehmen Sie bitte der Zu-sammenstellung der Themenkomplexedem beigelegten Flyer.Wie Sie sicher bemerken, haben wir so-wohl praxisrelevante, allgemein interes-sierende als auch spezielle Themen derPrävention und Rehabilitation aufgenom-men.Wir konnten hierfür sehr kompetente Re-ferenten und Diskussionspartner gewinnen.Um diese Abende besonders interessantund ergiebig zu gestalten, versuchen wirerstmalig den beiden Hauptthemen desAbends ein kurzes Fachthema beizuord-nen. Dieses soll der Auffrischung einesspeziellen Fachgebietes dienen, die jedervon uns bei einer Halbwertszeit desmenschlichen Wissens von fünf bis sie-ben Jahren bei explosionsartigem An-steigen neuer Erkenntnisse dringendnötig hat.Das Herbstsemester beginnt am 5. Sep-tember mit dem Schlager beziehungswei-se Eröffnungsspiel, welches von einemder besten Kenner der Rehabilitation,

einem Fachmann auf dem Gebiet derGastroenterologie und des Stoffwechsels,Herrn Chefarzt Dr. med. Eberhard Zill-essen, aus Bad Neuenahr bestritten wird,den wir auch für das Fachthema gewin-nen konnten. Als langjähriger Chefarzteiner Rehabilitationsklinik, Autor zahl-reicher Artikel und Monographien überdie medizinische Rehabilitation wird erauf Probleme, Effizienz und Entwick-lungstrends hinweisen. Wer könnte ihmbesser als Mitreferent an diesem Abendzur Seite stehen als der Leiter der Re-habilitation der LVA Sachsen, Herr Red-witz, der uns über neueste Zahlen, Pers-pektiven, Trends, Erfordernisse undauch Effizienz der Reha-Landschaft inSachsen informieren wird.Im Thema 2 kommen die wichtigen Aus-wirkungen der neuen Sozialgesetzge-bung und Rentenreform auch nach Er-arbeitung des neuen SozialgesetzbuchesIX zu Sprache. Wir konnten den kompe-tenten Mitarbeiter der LVA Sachsen,Herrn Dr. Fischer, als Referenten gewin-nen. Wie effektiv die Rehabilitation seinkann, dass es auch hier Qualitätssiche-rung im Sinne EBM gibt, kann uns wohlkeine besser erläutern, als Frau Dr. Beck-mann von der BfA Berlin.Der großen Bedeutung von Kinder- undJugendschutz beziehungsweise der Sor-ge um das behinderte Kind widmet sichdas 3. Thema. Auf dieses braucht nichtbesonders hingewiesen zu werden. Auchhier bedarf die Natur der „Aufzucht,Hege und Schonung unserer jungenPflanzen“, die eines Tages unsere Arbeitweiterführen und die Älteren mittragenmüssen.Das Thema 4 soll nicht nur provozieren.Wer zahlt, wo kommt das Geld her? Essoll auch die Pflichten, Voraussetzungen,die Grenzen und die Verantwortlichkei-ten für Prävention und Rehabilitation inunserem Gesundheits- und Sozialwesenoffen legen. Herr Dr. Sturm, als Vorsit-zender des Bundes der Allgemeinmedi-ziner, ist Garant dafür, dass Feuer in dieDiskussion und Thematik kommen wird.Herr Nicolay vom Sächsischen Staats-

ministerium für Soziales, Gesundheit,Jugend und Familie wird ausführen, wel-che Möglichkeiten und auch Kontroll-funktionen die öffentliche Hand hierbeihat und wie die von uns allen eingezahl-ten und oft nicht ausreichenden Geldervon den Verantwortlichen für Präventionund Rehabilitation richtig eingesetztwerden. Kompetente Vertreter der Kran-kenkassen legen ihre Standpunkte dar undstehen uns zur Diskussion zur Verfügung.Die gesetzlichen Verfügungen bei derBetreuung von Behinderten und Pflege-bedürftigen sollten alle kennen. WelcheMöglichkeiten unser Sozialstaat hierbietet, wie wichtig es ist, dass jeder derplötzlich auf der Schattenseite des Le-bens stehen kann, behindert und pflege-bedürftig geworden ist, Hilfe bekommt,soll das Thema am 10. Oktober ausführen.

Immer mehr reden von Arbeit, von Ar-beitsdruck und Hochleistungsfähigkeitdynamischer, motivierter, endlos belast-barer Menschen. Neuerdings werdenzum Glück Stimmen laut, dass das wich-tigste Kapital eines Unternehmens dieMitarbeiter sind und das Investitionen indieses Kapital zur Steigerung der Pro-duktivität beitragen sowie ein gutes Be-triebsklima Voraussetzung ist, um einekonstante Leistung und Weiterentwick-lung zu erreichen. Wie wichtig aber hierGesundheitsschutz am Arbeitsplatz unddie leidensgerechte Vermittlung vonArbeitsplätzen und deren Austestung ist,kann wohl keiner besser erläutern alsProf. Scheuch, den wir für den 17. Okto-ber gewinnen konnten. Nicht nur Jugendund Arbeit, sondern auch Senium unddamit Geriatrie gehören zum Anliegender Prävention und Rehabilitation.Vom Anti-Aging bis zur Palliation gehtam 24. Oktober die Thematik der geria-trischen Rehabilitation. Es ist erstaunlich,wie auch der betagte Mensch bei guterPflege und einer differenzierten Behand-lung vorwiegend der Hauptleiden und -pro-bleme wieder aufblühen kann.Über Sport und Fitness, Hochleistungs-sport und Doping wird häufig gesprochen.

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GesundheitspolitikMitteilungen der Geschäftsstelle

Ärzteblatt Sachsen 8/2001 361

Wie wichtig Sport und Bewegungsthe-rapie für die Erhaltung der Gesundheit,für den Stoffwechsel, für den Stütz- undBewegungsapparat, für unser Wohlbefin-den, für unsere Leistungsfähigkeit, für un-sere Regeneration und auch als Mittelzur Suchtbekämpfung ist, wird am 7. 11.zur Sprache kommen. Besonders freuenwir uns, dass wir Herrn Prof. Berg alsLehrstuhlinhaber der Universität Frei-burg auf diesem Gebiet als Referent ge-winnen konnten. Schließlich ist auf die

fachspezifischen rehabilitativen Themen9, 10 und 11 hinzuweisen, wo die dieMorbiditätsstatistik am meisten belasten-den chronischen Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungendes Stütz- und Bewegungsapparates undStoffwechselerkrankungen) bezüglichihrer ambulanten und stationären Reha-bilitation zur Sprache kommen.Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir möchten Sie zu dieser Fortbildungs-serie schon jetzt sehr herzlich einladen

und versprechen Ihnen interessante Fort-bildungsabende. Kollegiale Gesprächesollen diese Abende abrunden.

Priv.-Doz. Dr. med. habil. Uwe HäntzschelStellvertretender Vorsitzender des Ausschusses

Prävention/Rehabilitation der SächsischenLandesärztekammer

Anmeldung/Auskunft:Sächsische LandesärztekammerReferat Fortbildung - Frau Rose

Telefon: (03 51) 82 67 - 3 17Telefax: (03 51) 82 67 - 3 12

Aufgrund des großen Interesses freuenwir uns, Ihnen mitteilen zu können, dassdie Internet-Kurse für Ärzte in Leipzigim Herbst 2001 fortgesetzt werden kön-nen. Der Einführungskurs setzt keinerleiVorkenntnisse voraus.Wir können hierzu ein sehr gut ausge-stattetes Computerkabinett nutzen, zentralgelegen (nähe Hauptbahnhof) und mitguten Parkmöglichkeiten. Zur effektivenGestaltung der Lehrgänge werden wirdie Teilnehmerzahl auf 12 Personen be-schränken. Für jeden Kursteilnehmersteht ein Personalcomputer mit Internet-Anschluss zur Verfügung. Die Kursewerden in den Monaten Oktober undNovember 2001, jeweils an einem Mitt-woch in der Zeit von 19.30 Uhr bis zirka21.30 Uhr durchgeführt.Schwerpunkte der einzelnen Kurse sind:

10. Oktober 2001EinführungskursInterneteinstieg einfacher als gedacht – Voraussetzungen –Bewegen im Internet

24. Oktober 2001EinführungskursInhalte siehe oben

28. November 2001Die elektronische PostVersenden und Empfangen von E-Mail-Nachrichten

05. Dezember 2001Effektive RechercheSuchen im Internet

Interessenten wenden sich bitte an FrauRast, Bezirksstelle Leipzig der SächsischenLandesärztekammer, Braunstraße 16,04347 Leipzig, Tel.: (03 41) 5 64 40 56,Fax: (03 41) 5 64 40 58, mit Angabe desgewünschten Schwerpunktes und Ter-mins. Die Berücksichtigung erfolgt inder Reihenfolge des Eingangs Ihrer An-meldung. Sie erhalten eine schriftlicheBestätigung, ob Ihre Anmeldung berück-sichtigt werden konnte. Der Unkosten-beitraq beträgt 25,- DM pro Kurs. JederKurs wird von der Sächsischen Landes-ärztekammer mit zwei Punkten für dasSächsische Fortbildungsdiplom anerkannt.

Dr. med. Lutz PlutaMitglied der Arbeitsgruppe Multimedia

in der Medizin der Sächsischen Landesärztekammer

Internet-Kurse für Ärzte Konzerte und Ausstellungen in der Sächsischen

Landesärztekammer

Konzert

Vorschau für Herbst 2001Sonntag, 7. Oktober 2001

11.00 UhrJunge Matinee

Klaviermusik mit Teilnehmern des 2. natio-nalen Bachwettbewerbes für Junge Pianisten

Ausstellungen

Foyer der Sächsischen Landesärztekammer

Eckard KempinAus früher (siebziger Jahre) und heutiger

Malereibis 17. September 2001

Netter Art CollectionKunst in der Heilkunst(Thieme Verlag Stuttgart)

18. September bis 12. November 2001

Vernissage:Donnerstag, 20. September 2001, 19.30 UhrEinführung:Klemens Raithel, Jürgen Seidel

Foyer der Sächsischen Ärzteversorgung

Diplom-Designerin Elke Heber„Zwischen den Welten Himmel und Meer –

Fisch oder Vogel sein“bis Ende August 2001

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Mitteilungen der KV

362 Ärzteblatt Sachsen 8/2001

Von der Kassenärztlichen Vereinigung Sach-sen werden gemäß § 103 Abs. 4 SGB V inGebieten für die Zulassungsbeschränkungenangeordnet sind, auf Antrag folgendeVertragsarztsitze zur Übernahme durch einenNachfolger ausgeschrieben:

Bitte beachten Sie folgende Hinweise:*) Bei Ausschreibungen von Fachärzten fürAllgemeinmedizin können sich auchFachärzte für Innere Medizin bewerben,wenn sie als Hausarzt tätig sein wollen.Bei Ausschreibungen von Fachärzten fürInnere Medizin (Hausärztlicher Versor-gungsbereich) können sich auch Fachärztefür Allgemeinmedizin bewerben.Wir weisen darauf hin, dass sich auch die inden Wartelisten eingetragenen Ärzte beiInteresse um den betreffenden Ver-tragsarztsitz bewerben müssen.

Bezirksstelle Chemnitz

Planungsbereich AnnabergFacharzt für Allgemeinmedizin*)

Schriftliche Bewerbungen sind bis zum 07.09. 2001 an die Kassenärztliche VereinigungSachsen, Bezirksstelle Chemnitz, Postfach11 64, 09070 Chemnitz, Tel. (03 71) 2 78 9406 oder 2 78 94 03 zu richten.

Bezirksstelle Dresden

Planungsbereich Dresden-StadtFacharzt für Frauenheilkunde und GeburtshilfeFacharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten(Vertragsarztsitz in einer Gemeinschaftspraxis)Planungsbereich Görlitz-Stadt/Niederschlesischer OberlausitzkreisFacharzt für ChirurgiePlanungsbereich Hoyerswerda/Landkreis KamenzFacharzt für Neurologie und PsychiatriePlanungsbereich Landkreis BautzenFacharzt für UrologiePlanungsbereich Landkreis Löbau-ZittauFacharzt für Frauenheilkunde und GeburtshilfePlanungsbereich Landkreis Riesa-GroßenhainFacharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde

Schriftliche Bewerbungen sind bis zum 07.09. 2001 an die Kassenärztliche VereinigungSachsen, Bezirksstelle Dresden,Schützenhöhe 12, 01099 Dresden, Telefon-Nr. (03 51) 88 28 - 3 30 zu richten.

Bezirksstelle Leipzig

Planungsbereich Leipzig-Stadt1 Facharzt für Radiologie(Vertragsarztsitz in einer Gemeinschaftspra-xis)Schriftliche Bewerbungen sind bis zum 24. 8.2001 an die Kassenärztliche VereinigungSachsen, Bezirksstelle Leipzig, Braunstraße16, 04347 Leipzig, Tel. (03 41) 2 43 21 53 zurichten.

Planungsbereich Leipzig-Stadt3 Fachärzte für Allgemeinmedizin*)1 Facharzt für RadiologiePlanungsbereich DelitzschFacharzt für Innere Medizin(Fachärztlicher Versorgungsbereich)Planungsbereich Torgau-OschatzFacharzt für Innere Medizin(Fachärzlicher Versorgungsbereich)

Schriftliche Bewerbungen sind bis zum 12.09. 2001 an die Kassenärztliche VereinigungSachsen, Bezirksstelle Leipzig, Braunstraße16, 04347 Leipzig, Tel. (03 41) 2 43 21 53 zurichten.

Abgabe von Vertragsarztsitzen

Von der Kassenärztlichen VereinigungSachsen werden für Gebiete, für die keineZulassungsbeschränkungen angeordnet sind,folgende Vertragsarztsitze zur Übernahmeveröffentlicht:

Bezirksstelle Chemnitz

Planungsbereich Chemnitz-StadtFacharzt für Neurologie und Psychiatriegeplante Abgabe 01. 06. 2002

Interessenten wenden sich an die Kas-senärztliche Vereinigung Sachsen, Bezirks-stelle Chemnitz, Postfach 1164, 09070Chemnitz, Telefon-Nr. (03 71) 27 89 40-6oder 27 89 40-3.

Ausschreibung von Vertragsarztsitzen

Ärzteblatt SachsenOffizielles Organ der Sächsischen Landesärztekammermit Publikationen ärztlicher Fach- und Standesorgani-sationen, erscheint monatlich, Redaktionsschluß ist je-weils der 10. des vorangegangenen Monats.

Herausgeber:Sächsische Landesärztekammer,Schützenhöhe 16, 01099 Dresden,Telefon (03 51) 82 67 - 0, Telefax (03 51) 82 67 - 4 12Internet: http://www.slaek.deDGN: http://slaek.dgn.dee-mail: [email protected]

Redaktionskollegium:Prof. Dr. Winfried Klug (V.i.S.P.)Dr. Günter BartschProf. Dr. Siegwart BiglProf. Dr. Heinz DiettrichDr. Hans-Joachim GräfeDr. Rudolf MarxProf. Dr. Peter MatzenProf. Dr. Jan SchulzeDr. jur. Verena Diefenbach

Redaktionsassistenz: Ingrid Hüfner

Anschrift der RedaktionSchützenhöhe 16, 01099 DresdenTelefon (03 51) 82 67 - 3 51, Telefax (03 51) 82 67 - 3 52

Verlag, Anzeigenleitung und VertriebLeipziger Messe Verlag und Vertriebsgesellschaft mbHMesse-Allee 1, 04356 LeipzigPostfach 90 11 23, 04358 LeipzigTelefon (03 41) 67 87 70, Telefax: (03 41) 6 78 77 12Internet: http://www.leipziger-messeverlag.dee-mail: [email protected]

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Impressum

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Ärzteblatt Sachsen 8/2001 363

EinleitungFunktionsstörungen im Bereich des auto-nomen Nervensystems spielen im Lei-densspektrum von Patienten und impraktischen ärztlichen Alltag eine außer-ordentlich wichtige Rolle. Es gibt schlecht-hin keine Krankheit oder auch nur Un-pässlichkeit, bei der nicht vegetative Re-gulations- oder Innervationsstörungenbeteiligt sind. Die Bedeutung des auto-nomen Nervensystems liegt unter ande-rem darin begründet, dass jedes Organdes menschlichen Körpers vom autono-men Nervensystem innerviert und somitreguliert wird. So versucht das autonomeNervensystem, nach einer Störung derHomöostase der Organismus mit Hilfeantizipatorischer Anpassungsreaktionenwieder „Sympathie“ (Galen) zwischenden einzelnen Funktionssystemen herzu-stellen. Das autonome Nervensystemverfügt im Gehirn, im Rückenmark undim peripheren Nervensystem über eineebenso komplexe neuronale Organisa-tion wie das motorische und sensorischeNervensystem, bleibt aber im Gegensatzdazu weitgehend nicht beeinflussbar undsomit „autonom“, wie es Langley 1898zum ersten Mal beschrieb.

Anatomische GrundlagenTraditionsgemäß werden im autonomenNervensystem vereinfachend zwei gegen-läufige efferente Komponenten unterschie-den (Shields, 1993): Im sympathischen

Nervensystem steuern überwiegend imHypothalamus und Hirnstamm lokali-sierte Neurone die präganglionären sym-pathischen Neurone des spinalen Seiten-horns im Bereich von C8 bis L3. NachUmschaltung in den paravertebralen(sympathischer Grenzstrang) und prä-vertebralen (autonome Plexus) Ganglientreten die postganglionären, überwiegendnoradrenergen Neurone in synaptischenKontakt mit ihren Effektororganen. Imparasympathischen Nervensystem fin-den sich die präganglionären Neuroneim Hirnstamm- und im sakralen Rücken-marksbereich. Die kranialen präganglio-nären Axone gelangen über die Hirnner-ven III, VII, IX und X zu den Kopfgang-lien und dann postganglionär über choli-nerg-muskarinerge Synapsen zu Augen,Tränen- und Speicheldrüsen, Herz, Lungesowie Gastrointestinaltrakt. Die sakralenNeurone (S2-S4) kontrollieren Urogeni-taltrakt und unteres gastrointestinalesSystem. Bereits Langley trennte als drit-ten eigenständigen Teil des autonomenNervensystems das enterische Nerven-system ab, das den Verdauungsschlauchvom Pharynx bis zum Anus versorgt. Eserscheint sinnvoll, über diese klassi-schen Definitionen hinaus ein afferentesSystem als wichtigen Bestandteil desautonomen Nervensystems zu betrach-ten. Die Afferenzen von den inneren Or-ganen, der Haut und den Gefäßen bildenvor allem segmentale Reflexverbindungen

nach Eintritt in das zentrale Nervensys-tem. Die zentralen Komponenten des auto-nomen Nervensystems bestehen sowohlaus Verbindungen afferenter und efferen-ter Systeme als auch aus suprasegmenta-len Zentren, die nicht essentiell für dieFunktionalität der autonomen Reflex-bö-gen sind, aber die segmentalen Reflexeintegrieren und modulieren können(Bennarroch, 1993).

Autonome FunktionsdiagnostikUm trotz vielfältiger äußerer und innererStörreize die innere Homöostase desmenschlichen Organismus gewährleis-ten zu können, benötigt das autonomeNervensystem eine große Anzahl anfunktionell intakten autonomen Reflex-bögen als Regelkreise (Oribe, 1999).Diese bestehen vereinfacht jeweils auseiner afferenten, einer zentral verarbei-tenden und einer efferenten Komponente.Eine Funktionsdiagnostik des autonomenNervensystems soll die funktionelle In-tegrität definierter autonomer Reflexbö-gen beurteilen helfen, um Störungenfeststellen und lokalisieren zu können.Zur Prüfung eines Reflexbogens musszunächst eine Aktivierung des afferentenSchenkels mit Hilfe eines geeignetenStimulus wie zum Beispiel einer Orthos-tasebelastung zur Untersuchung desBarorezeptorenreflexes erfolgen. ZurBeurteilung der autonomen Reflexant-wort kann die efferente autonome Ner-

Zusammenfassung:

Das autonome Nervensystem gewährleistet die innere Homoös-tase des menschlichen Organismus, indem es kardiovaskuläre,thermoregulatorische, gastrointestinale, urogenitale, pupillomo-torische und exokrin-endokrine Funktionen reguliert. Die Un-tersuchung des autonomen Nervensystems ist ein immer wich-tiger werdendes, aber schwieriges Gebiet, das nur mittels inter-disziplinärer allgemeinmedizinischer und fachärztlicher Koope-ration bewältigt werden kann. Für die Diagnose autonomer Dys-funktion spielen die spezielle Anamnese des autonomen Nerven-systems und die klinische Untersuchung eine entscheidende

Rolle. Eine Auswahl an speziellen Testmethoden für die wich-tigsten autonomen Funktionssysteme wird vorgestellt. Keinautonomer Funktionstest liefert für sich allein ausreichend valideErgebnisse. Deshalb wird die autonome Funktionsdiagnostiküblicherweise mittels einer Kombination verschiedener Einzel-tests, einer sogenannten Testbatterie, durchgeführt. Ein Schemazur Stufendiagnostik bei autonomen Funktionsstörungen solleine der jeweiligen Problematik angemessene Diagnostik sicher-stellen helfen.

Schlüsselwörter: Autonomes Nervensystem, AutonomeFunktionsdiagnostik

1 Autonomes und neuroendokrinologisches Funktionslabor (ANF),Neurologische Klinik, Universitätsklinik Carl Gustav Carus, Dresden

2 SUESS Medizin-Technik, Aue

Neurologische KlinikUniversitätsklinikum

TU Dresden

Ziemssen, T.1, Süß, M2, Reichmann, H.1

Funktionsdiagnostik des autonomen Nervensystems – eine interdisziplinäre Herausforderung

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364 Ärzteblatt Sachsen 8/2001

venaktivität im Prinzip direkt mittelsMikroneurographie gemessen werden(Wallin, 1999). Eine indirekte Evaluationüber eine Messung von Funktionspara-metern der Effektororgane wie zum Bei-spiel der Herzfrequenz ist aber wesent-lich einfacher durchführbar und deshalbauch üblich (Ravits, 1997). Abbildung 1zeigt eine vereinfacte schematische Dar-stellung der Anatomie des autonomen Ner-vensystems unter Berücksichtung der ana-tomischen Strukturen (Afferente Systeme,zentrale Komponenten, sympathische undparasympathische Efferenzen), die in derangegebenen Reihenfolge an ausgewählten,durch spezielle Funktionstests zu prüfen-den autonomen Reflexbögen beteiligt sind.Die Qualität einer autonomen Funk-tionstestung ist abhängig davon, ob nach

der Untersuchung eine Aussage bezüg-lich der Existenz, der Art, des Schwere-grades, der Lokalisation, der Prognoseeiner autonomen Funktionsstörung undder Therapieeffektivität beim einzelnenPatienten getroffen werden kann. Derideale autonome Funktionstest sollteeinfach und sicher durchführbar, eindeu-tig interpretierbar, nicht invasiv, repro-duzierbar, sensitiv, spezifisch sowie fürLangzeitstudien geeignet sein (Consen-sus Development Conference on Stan-dardized Measures in Diabetic Neuropa-thy 1992, Therapeutics and TechnologyAssessment Subcommittee of the Ameri-can Academy of Neurology 1996). Einersolchen speziellen autonomen Funk-tionsdiagnostik sollte in jedem Fall diesehr häufig bereits diagnostisch schon

wegweisende Erhebung der Anamneseund die klinische Untersuchung voraus-gehen (Landau und Nelson, 1996). EineAuswahl wichtiger Symptome, die manwährend der Anamnese und klinischenUntersuchung besonders beachten muss,findet sich in Tabelle 1.Obwohl die meisten autonomen Funk-tionsteste einfach durchzuführen sind,bereitet die Interpretation der Testresul-tate vielfach Schwierigkeiten, weil zumeinen die einzelnen untersuchten Reflex-bögen in der Regel hochkomplex sindund zum anderen viele äußere und innereStörfaktoren die Testresultate beeinflus-sen können (Eckberg, 1980). So stellenu.a. das Alter, die körperliche Fitness,die Patientenmedikation oder auch dieRaumtemperatur des Untersuchungs-zimmers wichtige beeinflussende Fak-toren autonomer Funktionsdiagnostikdar. Dies macht eine strenge Standardi-sierung der Patientenvorbereitung, derTestprozeduren und der Auswertungmittels für jedes Labor erstellten Norm-werten und Testalgorithmen notwendig(Piha, 1991, Low, 1997).Um der Vielfalt der autonomen Reflex-systeme im autonomen Funktionslaborgerecht werden zu können, ist eine Kom-bination der insgesamt wichtigsten undbesten Funktionstests in Form einer au-tonomen Standardtestbatterie sinnvoll. Jenach Beschwerdebild des Patienten oderärztlichem Verdacht sollten in besonde-ren Fällen aber auch speziellere autono-me Funktionstests durchgeführt werden.Im folgenden sollen einige wichtige auto-nome Funktionstests der wichtigsten auto-nomen Funktionssysteme ohne Anspruchauf Vollständigkeit vorgestellt werden.

Autonome Funktionsdiagnostik deskardiovaskulären SystemsDas kardiovaskuläre System wird in derautonomen Funktionsdiagnostik amhäufigsten untersucht (Smit et al., 1996).Denn zum einen können die Effektorant-worten wie zum Beispiel Herzfrequenzoder Blutdruck relativ leicht erfasst undzum anderen prognostische Aussagen für

Abbildung 1: Schematische vereinfachte Darstellung der Anatomie des autonomen Nervensystems

Verwendete Abkürzungen: A: Gehirn, Rückenmark, B: Sympathische Efferenz, C: Parasympathische Effe-renz (Hirnnerven) D: Somatische Afferenz, E: Viszerale Afferenz,F: Parasympathische Efferenz (Sakralnerven), G: Endorgane und ihre Effekte

AUSGEWÄHLTE FUNKTIONSTESTS DES AUTONOMEN NERVENSYSTEMSValsalva-Manöver E - A - B / C - G Karotissinusmassage E - A - C - G Kältepressor-Test D - A - B - G Mentaler arithmetischer Test A - B - G Hypoglykämie-Test A - C - G Atropin i.v. G / C - G Noradrenalin i.v. G / E - A - C - G Pilokarpin konjunktival G / C - G

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Ärzteblatt Sachsen 8/2001 365

Patienten zum Beispiel nach Myokardin-farkt oder mit diabetischer Neuropathiegetroffen werden (La Rovere et al., 1998,Ewing et al., 1980). Von zentraler Wich-tigkeit für die kardiovaskuläre Kurzzeit-regulation ist der arterielle Barorezepto-renreflex: Als negatives Feedbacksystembeantwortet er einen über die arteriellenBarorezeptoren wahrgenommenen Blut-druckabfall mit einer Zunahme der kar-dialen Kontraktilität und Schlagfrequenzsowie des Vasokonstriktorentonus (Shep-herd et Shepherd, 1999).Bei der einfachsten und am häufigstendurchgeführten Methode zur Beurteilungdieses Feedbacksystems erfolgt eineMessung kardiovaskulärer Parameter(Herzfrequenz, Blutdruck, Noradrena-lin-Konzentration) während eines Wech-sels aus horizontaler in die vertikale

Körperlage (Oribe, 1999). Dabei kanndie Orthostasebelastung zum einen aktiv(Schellong-Test) durch selbständigesAufstehen des Probanden, zum anderenpassiv (Kipptisch-Versuch) mittels Kipp-tisch erfolgen, wobei sich beide Metho-den besonders bezüglich ihrer initialenkardiovaskulären Reaktionen voneinan-der unterscheiden (Wieling et Karemaker,1999). Die im Elektrokardiogramm (EKG)messbaren Herzfrequenzveränderungeninnerhalb der ersten 30 Sekunden nachdem Aufstehen erlauben eine Beurtei-lung des kardialen parasympathischenSystems. Das Verhältnis des längstenRR-Intervalls beim zirka 30. Herzschlagzum kürzesten RR-Intervall beim zirka15. Herzschlag ist als „30:15-Ratio“ de-finiert und stellt einen reproduzierbarenIndex der kardiovagalen Funktion dar,

der physiologischerweise einen Wertvon größer 1.04 hat. Insgesamt geltenfür die Orthostase-Tests ein systolischeroder diastolischer Blutdruckabfall vonmindestens 20 oder 10 mmHg innerhalbvon drei Minuten sowie ein Herzfrequenz-anstieg um 30 Schläge/Minute beziehungs-weise eine persistierende Herzfrequenzvon über 120 Schlägen/Minute innerhalbvon fünf Minuten als pathologisch (Con-sensus Committee of the American Au-tonomic Society and the American Aca-demy of Neurology 1996). Zur Abklä-rung von Synkopen wird der sogenannteverlängerte Kipptisch-Versuch mit einerKippzeit zwischen 20 und 90 Minuteneventuell in Kombination mit einerIsoproterenol-Infusion durchgeführt. An-dere spezielle Formen der Kipptisch-Untersuchung sind die Orthostasebelas-tung nach Nahrungsaufnahme (splanch-nische Vasodilatation) und die Orthosta-sebelastung nach Belastung (muskuläreVasodilatation) sowie die Kipptischunter-suchung bei Unterdruckapplikation imBereich der unteren Körperhälfte (lowerbody negative pressure test) mittels einerspeziellen Druckkammer (Mathias etBannister, 1999)Beim Valsalva-Manöver werden die kar-diovaskulären Effekte einer kurzfristigenErhöhung des intrathorakalen und intra-abdominalen Drucks auf 40 mmHguntersucht, indem der Patient diesenDruck für 10-20 Sekunden mittels Pres-sen durch ein spezielles Mundstück er-zeugt (Nishimura et Tajik, 1986). Diesesführt zu einer charakteristischen Abfolgeeiner Zunahme der Herzfrequenz undeiner peripheren Vasokonstriktion wäh-rend der Pressphase, nach deren Endeein charakteristischer Blutdruckanstiegund eine daraus resultierende Reflexbra-dykardie auftritt. Spezielle Herzfrequenz-indizes wie zum Beispiel die Valsalva-Ratio erlauben in Kombination mit denBlutdruckveränderungen in den insge-samt vier abgrenzbaren Phasen des Va-lsalva-Manövers eine Beurteilung derkardiovagalen und sympathischen Inner-vation (Baldwa et Ewing, 1977). Die

Kardiovaskuläres System■ Blutdruck: Orthostatische Hypotonie bzw. Synkopen – Schweregrad, Häufigkeit, Dauer

– Auslöser: u.a. Orthostase, Nahrungsaufnahme, Hitze, körperliche An-strengung

– Begleitsymptome: u.a. Angst, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Müdig-keit, Herzrasen, gestörter Seh- bzw. Höreindruck, Kopf-/Nacken-/ Rückenschmerzen

– Subjektive Gegenmaßnahmen: u.a. Hinsetzen, Hinhocken, Hinlegen Erhöhter Blutdruck im Liegen

■ Herzfrequenz: Tachykardien in Ruhe, bei Belastung oder bei Orthostase, Herzstolpern,gestörte Sinusarrhythmie, nicht variable Herzfrequenz

■ Vasomotorik: Hitze-/Kälteintoleranz, Kälteempfindlichkeit ("kalte Akren"),Hauttrophik, -farbe

Sudomotorisches System■ Diverses: Lokalisierte/generalisierte Schweißsekretionsstörung in Ruhe, bei Belas-

tung oder bei Hitzeexposition, Nachtschweiß, gestörte Temperaturregulation

Gastrointestinales System■ Diverses: Gestörte Salivation, Erbrechen, Übelkeit, frühes Sättigungs- bzw. Völle-

gefühl, Gefühl des Geblähtseins, Blähungen, Bauchschmerzen, Anorexie,Gewichtsverlust

■ Stuhlgang: Häufigkeit, Konsistenz (Diarrhoe vs. Konstipation), Inkontinenz, Stuhldrang

Urogenitales System■ Harnwege: Verzögerter Start, stotternder Harnstrahl, Nachtropfen, Miktionshäufig-

keit, Nykturie, Harndrang, Inkontinenz, Restharngefühl, Harnwegsinfek-tionen, Katheter

■ Sexualfunktion: Libido, Impotenz, (spontane) Erektionen, (retrograde) Ejakulation

Okuläres System■ Diverses: Blendungsempfindlichkeit, gestörtes Nachtsehen, verschwommenes Sehen,

Ptosis, gestörte Tränensekretion, rote Augen, trockene Augen

Systemkomplex Schlaf■ Struktur: Schlafdauer, Zeit des Zubettgehens bzw. Aufstehens, Einschlafprobleme,

Durchschlafprobleme, Schnarchen, Apnoen im Schlaf, Albträume,Zähneknirschen

■ Diverses: Tagesschläfrigkeit, Fatigue-Symptome, subjektive Erholung durch Schlaf

Tabelle 1: Auswahl wichtiger Symptome bei Anamnese und Untersuchung des autonomen Nervensystems

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Valsalva-Ratio berechnet sich aus demQuotienten des längsten RR-Intervallsnach Ende des Pressmanövers und deskürzesten RR-Intervalls während desPressmanövers. Normal ist eine Ratiogrößer als 1.2, pathologisch ist ein Wertkleiner 1.0. Ähnliche Aussagen sind mitdem Hockversuch (squatting test) zutreffen, wobei hier einerseits die vagalvermittelte Bradykardie während deseinminütigen Hockens sowie anderer-seits die sympathisch vermittelte Tachy-kardie nach dem Aufrichten beurteiltwerden (Marfella et al., 1994).Die im folgenden dargestellten, soge-nannten pressorischen Tests erlauben imUnterschied zu den bisher beschriebenenTests eine Beurteilung der sympathischenEfferenz unabhängig von der barorezep-torischen Afferenz (Mathias et Bannister,1999): Beim isometrischen Handgriff-Test (isometric handgrip test) werden dieVeränderungen der Herzfrequenz unddes Blutdrucks nach einer dreiminütigenKompression eines Handdynamometersmit etwa einem Drittel der maximalenFaustschlußkraft beurteilt. Beim Kälte-pressor-Test (cold pressor test) bestehtder Reiz in einem zweiminütigen Ein-tauchen einer Hand in Eiswasser, beimmentalen arithmetischen Test (mentalarithmetic test) in einer zweiminütigensequentiell durchzuführenden, komplexenRechenaufgabe. Alle drei Stimuli führenphysiologischerweise zu einer Erhöhungdes Blutdrucks und der Herzfrequenz.Zur Beurteilung des parasympathischenNervensystems bieten sich Methoden an,die Veränderungen der Herzfrequenz aufbestimmte Stimuli untersuchen. Manöver,die die parasympathische Efferenz stimu-lieren bzw. inhibieren, sind zum Beispieldie frühe Phase nach Orthostase-Belas-tung bzw. eine tiefe metronomische At-mung (Oribe, 1999). Die physiologischenVeränderungen der Herzfrequenz von Herz-schlag zu Herzschlag werden nämlichentscheidend durch das autonome Ner-vensystem moduliert, wobei vor allemdie vagale Efferenz für die Zu- oder Ab-nahme der Herzfrequenz bei In- und Ex-

spiration verantwortlich ist (Smith etSmith, 1981). So kann die Messung dersogenannten Herzfrequenzvariabilität inRuhe oder während bestimmter Provo-kationsmanöver wertvolle Hinweise be-züglich der Integrität der kardiovagalenInnervation liefern. Während einer metro-nomischen Atmung mit 6 tiefen Atem-zügen pro Minute werden zum Beispielmaximale Werte der Herzfrequenzvaria-bilität erreicht, die mit vorliegenden Stan-dardwerten verglichen werden können(Ewing, 1992). Zur Analyse der Messda-ten gibt es verschiedene Methoden derZeit- und Frequenzbereichsanalyse, diein Abbildung 2 am Beispiel einer Nor-malperson und eines Diabetikers darge-stellt sind: Das RR-Histogramm (Abbil-dungen 2a und 2b) zeigt die Häufigkeitunterschiedlich langer RR-Intervalle (In-tervalle jeweils 40 ms) einer längerenEKG-Ableitung. Im Kardiotachogramm(Abbildungen 2c und 2d) wird die Längevon aufeinanderfolgenden RR-Intervallenim Verlauf dargestellt. Mit Hilfe derSpektralanalyse (Abbildungen 2e und2f) sind Aussagen über die Verteilungder Herzfrequenzvariabilität als Funktionder Frequenz und über Frequenz-spezifi-sche Oszillationen möglich. Serien sequen-tieller RR-Intervalle werden dabei in eineSumme sinusoidaler Funktionen unter-schiedlicher Amplituden und Frequenzenumgewandelt. Dabei sind drei Frequenz-bänder (HF (hochfrequent)), MF (mittel-frequent) und LF (niederfrequent)) ab-grenzbar. Aus allen drei Darstellungen istdie extrem eingeschränkte Herzfrequenz-variabilität beim Diabetiker mit schwererautonomer Polyneuropathie erkennbar.Ein anderer wichtiger Parameter, der ausdem EKG bestimmt werden kann unddessen Messung die Mitarbeit des Pati-enten nicht erfordert, ist das korrigierteQT-Intervall, das gut mit anderen kardio-vaskulären autonomen Funktionstestskorreliert und zum Beispiel beim Dia-betiker pathologisch verlängert ist (Con-sensus Development Conference on Stan-dardized Measures in Diabetic Neuropa-thy 1992).

Die Karotissinusmassage untersucht dieSensitivität der Barorezeptoren des Ka-rotissinus und die parasympathischeEfferenz (Mathias et Bannister, 1999).Sie führt physiologischerweise zu einermoderaten Herzfrequenz- und allenfallseiner geringen Blutdruckabnahme, kannbeim Karotissinussyndrom aber eine Asys-tolie länger als drei Sekunden und einendeutlichen Blutdruckabfall (systolischerBlutdruckabfall größer als 50 mmHg)auslösen (McIntosh et al., 1993). Des-wegen darf sie nur nach strenger Indika-tionsstellung und dopplersonographischerUntersuchung der Halsgefäße sowie un-ter EKG-Monitoring durchgeführt werden.Die exakte Beurteilung des Barorezepto-renreflexes, die sogenannte Barorezepto-ren-Sensitivität, gewinnt aufgrund derentscheidenden Rolle dieses Reflexesfür die Herz-Kreislaufregulation zuneh-mende Bedeutung für die Diagnose unddas Verständnis pathophysiologischerZusammenhänge bei zahlreichen neuro-logischen und kardiologischen Erkran-kungen (Hilz et al., 2000). Neben derpharmakologischen Untersuchung (so-genannte Oxford-Methode), bei der dieEffekte von medikamentös erzeugtenBlutdruckveränderungen auf die Herz-frequenz beurteilt werden, stehen dieUntersuchung mittels „neck suction“,dass heißt einer Unterdruckstimulationder Halsregion und somit der Barorezep-toren, sowie die computerisierte Analyseder Zusammenhänge zwischen sponta-ner Blutdruck- und Herzfrequenzmodu-lation zur Verfügung.

Pharmakologische Methoden helfen, dieSensitivität unterschiedlicher Rezeptorenund die funktionelle Integrität des auto-nomen Nervensystems zu überprüfen(Polinsky, 1999). Die pressorische Ant-wort nach Gabe von Noradrenalin ge-stattet eine Beurteilung der Sensitivitätder Alpha-Adrenozeptoren. Ein physio-logischer Anstieg der Herzfrequenz nachAtropingabe deutet auf eine intakte kar-diovagale Ansteuerung hin. Tyraminsetzt Noradrenalin aus den Granula und

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Abbildung 2: Herzfrequenzvariabilität bei einer Normalperson (a,c,e) und einem Diabetiker mit schwerer autonomer Polyneuropathie (b,d,f).

a) b)

c) d)

e) f)

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dem Zytosol postganglionärer sympathi-scher Neurone frei, so dass bei derenLäsion der charakteristische Anstieg desBlutdrucks und der Noradrenalinkonzen-tration nach Tyramin-Gabe fehlt.Pathologische Veränderungen im Meta-bolismus und der Funktion von Neuro-transmittern und Hormonen geben Hin-weise auf den Schweregrad und dieLokalisation von autonomen Funktions-störungen. Die Katecholamine – unterihnen vor allem Noradrenalin – werdenim Plasma und im Urin als Marker dersympathischen Aktivität angesehen, zu-mal eine signifikante Korrelation zwischender sympathischen Nervenaktivität undder Noradrenalin-Konzentration im Plas-ma besteht (Polinsky, 1990). In speziel-len Fällen kann auch die Bestimmungder Hormone des Renin-Angiotensin-

Aldosteron-Systems oder von Vasopres-sin weiteren Aufschluss geben. Mittelsmoderner Techniken kann die regionaleFreisetzung von Neurotransmittern wiezum Beispiel von Noradrenalin (soge-nannter „Noradrenalin-Spillover“) ineinzelnen Organen gemessen werden.Dabei gewinnt insbesondere die Beur-teilung der kardialen sympathischenInnervation und Funktion unter Verwen-dung des radioaktiven [123I] Metajodo-benzylguanidins an Bedeutung, das vonden intakten postganglionären sympathi-schen Nervenendigungen aufgenommenwird und mit der SPECT (single photonemission computed tomography)-Unter-suchung gemessen werden kann (Clauset al., 1994). Eine Bestimmung der Konzentration vonNeurotransmittern- und Hormonen, die

auf bestimmte Stimuli aus dem Gehirnins Blut freigesetzt werden, erlaubt eineAussage über die Integrität zentraler au-tonomer Funktionssysteme. So kann zumBeispiel das Fehlen einer Barorezeptorre-flex-vermittelten Vasopressin-Sekretionnach Orthostasebelastung oder einerWachstumshormon-Freisetzung nachGabe von Clonidin Hinweise auf dasVorliegen zentraler autonomer Läsionengeben (Mathias et Bannister, 1999).Auch die bildgebenden Verfahren kön-nen spezifische Veränderungen bei zen-tralen autonomen Läsionen darstellen.

Autonome Funktionsdiagnostik dessudomotorischen SystemsBeim thermoregulatorischen Schweißtestwird die Reaktion der ekkrinen, vomSympathikus innervierten Schweißdrüsen

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auf eine Erhöhung der Körpertemperaturmit einem, sich bei Schweißkontakt ver-färbenden Indikatorpuder wie zum Bei-spiel Alizarinrot sichtbar gemacht (Lowet Fealey, 1999). Dieser Test lässt nebeneiner Darstellung des Verteilungsmustersdes Schwitzens lediglich eine Aussageüber die Integrität der sudomotorischenInnervation vom Hypothalamus zurSchweißdrüse im ganzen zu. Um selek-tiv das postganglionäre sudomotorischeSystem untersuchen zu können, wird mitdem quantitativen sudomotorischen Axon-reflex-Test die Schweißmenge nacheiner iontophoretischen intradermalenApplikation von cholinergen Agonistenwie zum Beispiel Pilokarpin bestimmt(Low, 1997). Ein anderes Verfahren, dersogenannte „Sweat Imprint“, erlaubteine Beurteilung der dermalen Schweiß-drüsendichte, der Schweißtropfengrößesowie des Schweißvolumens pro Fläche:Die iontophoretisch stimulierte Schweiß-sekretion erfolgt in eine spezielle Plastik-oder Silikonform. Die sympathischeHautantwort (sympathetic skin respon-se) wiederum untersucht die sudomoto-risch mitverursachten Veränderungender elektrodermalen Aktivität auf phy-siologische (Geräusch, Berührung) oderelektrische Reize (Hoeldtke et al., 1992).Die entsprechenden Potentiale werdenmittels Oberflächenelektroden eines Stan-dardelektromyographens an Hand undFuß gemessen.

Autonome Funktionsdiagnostik desgastrointestinalen SystemsDie quantitative Bestimmung der Speichel-produktion erfolgt durch das Wiegen vonWattebäuschen jeweils vor und nacheiner einminütigen Testkauphase (Oribe,1999, Wingate, 1999). Mittels Videokino-fluoroskopie kann die Schluckfunktionund somit zum Beispiel das Vorliegeneiner oropharyngealen Dysphagie über-prüft werden. Mit Hilfe der Elektrogas-trographie ist eine Beurteilung der elek-trischen Magenaktivität mittels an derBauchwand befestigten Oberfächenelek-troden möglich (Sanmiguel et al., 1998).

In gastrointestinalen Transitstudien erlaubtder Einsatz von Kontrastmittel-Markernoder radioaktiven Tracern bei wiederhol-ter Röntgendiagnostik oder Szintigraphiewichtige Aussagen bezüglich gastroin-testinaler Motilität und Transitzeit (zumBeispiel Magenentleerungszeit mit Hilfedes 13C-Oktanoat-Atemtests) (Keshavar-zian et al., 1995). Zur spezielleren Mo-tilitätsdiagnostik werden neben sonogra-phischen und duplexsonographischenMethoden manometrische Untersuchun-gen in unterschiedlichen Bereichen desGastrointestinaltrakts (Speiseröhre, Magen,Dünn- und Dickdarm) durchgeführt, ummittels intraluminaler Druckmessungzum Beispiel neuropathische von myo-pathischen Läsionen differenzieren zukönnen. Die Bestimmung der Serumkon-zentration von gastrointestinalen Pepti-den wie zum Beispiel Gastrin oder Cho-lezystokinin liefert einen indirekten Hin-weis auf die gastrointestinale autonomeFunktion (Mathias et Bannister, 1999).In der vegetativen Diagnostik des anorek-talen Bereichs wird neben der einfachenBeobachtung der perinealen Muskulaturwährend der Defäkation der Ballonexpul-sionstest mittels Foley-Katheter durch-geführt, wobei der Proband den zunächstins Rektum vorgeschobenen und danndort aufgeblasenen Ballon innert 8 Mi-nuten aus dem Enddarm ausgetreiben soll(Fleshman et al., 1992). Elektrophysio-logische Untersuchungen wie zum Bei-spiel das Sphinkter-Elektromyogramm ge-ben weitere diagnostische Hinweise(Camilleri et al., 1997). Eine endorekta-le Ultraschall-Untersuchung liefert einehochauflösende anatomische Darstel-lung des Analkanals und der Sphinkteren(Tjandra et al., 1993).

Autonome Funktionsdiagnostik desurogenitalen SystemsDie Beurteilung des urogenitalen Funk-tionssystems ist komplex und kann des-halb hier nur kurz dargestellt werden.Ein wesentliches Problem liegt darin be-gründet, dass die meisten verfügbarenTests nicht zwischen autonomen und

nicht-autonomen Funktionen differen-zieren können (Fowler, 1999). ZumNachweis einer nächtlichen Polyuriewird eine jeweils getrennte Bestimmungdes Urinvolumens am Tag und in derNacht durchgeführt. Die Urinosmolaritätund -elektrolytkonzentration sind dabeihilfreiche Parameter (Mathias et Bannis-ter, 1999). Als weitere, einfach durchzu-führende Screeningtests gelten die Mes-sung des Restvolumens nach Miktion so-wie des maximalen Harnflusses. Bild-gebende Verfahren wie zum Beispiel dieUrosonographie oder der Einsatz vonKontrastmitteln spielen in der weiterge-henden Diagnostik des urogenitalenSystems eine wichtige Rolle. Urodyna-mische Untersuchungen geben insbe-sondere bei inkontinenten PatientenHinweise bezüglich der Speicher- und Ent-leerungsfunktion der unteren Harnwege(Mundy et al., 1994). Die Zystometrieerlaubt eine Bestimmung des Austrei-bungsdrucks während der Blasenfüllungund beim Wasserlassen. Die Darstellungder Druck-Fluß-Beziehung während derMiktion empfiehlt sich vor allem beiPatienten mit Schwierigkeiten beimWasserlassen oder ohne vollständigeBlasenentleerung (Blaivas et Chancellor,1996). Elektrophysiologische Untersuchun-gen des urogenitalen Systems, die auchin Kombination mit den urodynamischenMethoden durchgeführt werden können,beinhalten die Sphinkterelektromyogra-phie, die Ableitung des Bulbocavernosus-Reflexes, die evozierten Potentiale desNervus pudendus sowie die Bestimmungder Nervenleitgeschwindigkeit des Ner-vus dorsalis penis (Fowler, 1999). Diesympathische Hautantwort der Genital-region kann Aufschlüsse bezüglich derlokalen sympathischen Innervation geben.Bei Verdacht auf das Vorliegen einererektilen Dysfunktion können am Peniseine nächliche Tumeszenz- und Rigidi-tätsbestimmung, eine Messung der maxi-malen Vergrößerung, Blutdruckmessungensowie die vaskuläre Ultrasonographiedurchgeführt werden (Kirby et al., 1991,Fowler, 1993). Eine vaskulär bedingte Ur-

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sache einer erektilen Dysfunktion kannnach einer normalen Antwort auf einePapaverin-Injektion in den Bulbus caver-nosus so gut wie ausgeschlossen werden.

Autonome Funktionsdiagnostik desokulären SystemsDie Tränensekretion kann mit Hilfe desSchirmer Tests quantifiziert, der Horn-hautschaden aufgrund einer insuffizien-ten Tränensekretion kann nach Bengal-rosa-Applikation mit einer Spaltlampen-untersuchung dargestellt werden (Jost,1993). Die Pupillographie erlaubt eineBeurteilung der Integrität der autonomenInnervation des Auges: Der Pupillendurch-messer im Dunkeln wird zum Beispieldurch den Grad an zentraler Inhibitionder parasympathischen Efferenz und anperipherer sympathischer Aktivierungfestgelegt (Miller,1985). Pupillenlicht-und -dunkelreflex können ebenfallssinnvoll im Rahmen der Diagnostik despupillomotorischen Systems eingesetztwerden wie auch der Nahreflex oder derpupilläre Hippus, die spontan auftreten-den Oszillationen des Pupillendurch-messers (Smith et Smith, 1999). Diezyklische Pupillenzeit (pupil cycletime), bei der rhythmische Oszillationender Pupille mit Hilfe eines auf denIrisrand gerichteten Lichtstrahls erzeugtwerden, erlaubt die Beurteilung derparasympathischen Pupillenfunktion undeines afferenten Pupillendefekts (Martynet Ewing, 1986). Mit Hilfe der pupillo-motorischen Antworten nach konjunkti-valer Applikation von Medikamenten(pharmakologische Pupillentests) lassensich sowohl präganglionäre von post-ganglionären als auch sympathische von

parasympathischen Störungen differen-zieren: Bei postgänglionären Läsionenentwickelt sich eine sogenannte super-sensitive Pupille, so dass im Falle einerparasympathischen postganglionären Dys-funktion nach Instillation einer verdünn-ten Parasympathikomimetika-Lösung (zumBeispiel Pilokarpin 0,125%) eine deutli-che, physiologischerweise nicht nachweis-bare Pupillenkonstriktion auftritt (Oribe,1999).

SchlussbemerkungenNach der Darstellung einer Auswahl vonverschiedenen autonomen Funktionstestssoll abschließend ein Stufenschema zurDiagnostik autonomer Funktionsstörun-gen vorgestellt werden, das beim Haus-arzt beginnt und nur in schwierigen Fällenbeim fachärztlichen Spezialisten oder imautonomen Funktionslabor endet (Tabel-le 2). Es entspricht den aktuellen Richt-linien der Fachgesellschaften des auto-nomen Nervensystems (Therapeutics andTechnology Assessment Subcommitteeof the American Academy of Neurology1996).Anfang 2001 wurde in der Neurologi-schen Universitätsklinik ein autonomesund neuroendokrinologisches Funktions-labor eröffnet, das sich am Beispiel deretablierten internationalen autonomenLabors orientiert. Es ist jederzeit offenfür fachliche Fragen oder Vorstellungenschwierig einzuordnender Krankheits-fälle. Des Weiteren bietet das Labor Fort-bildungsveranstaltungen an. Am 25. Au-gust 2001 lädt das autonome und neuro-endokrinologische Funktionslabor zueiner Einführungsveranstaltung nachDresden ein. Über die Adresse des Funk-tionslabors kann auch eine über diesenArtikel hinausgehende Einführungsschriftüber die autonome Anamnese und Funk-tionsdiagnostik bezogen werden.

Literatur beim Verfasser

Korrespondenzadresse:Dr. med. Tjalf Ziemssen

Autonomes und NeuroendokrinologischesFunktionslabor (ANF) Dresden

www.neuro.med.tu-dresden.de/anfNeurologische Klinik, Universitätsklinik Carl

Gustav Carus DresdenFetscherstr. 74, 01307 Dresden

Stufe 1: Erster Patientenkontakt■ Allgemeine Anamnese■ Spezielle Anamnese des autonomenNervensystems■ Klinische Untersuchung

Stufe 2: Screening-Tests des autonomen Nervensystems

Parasympathisches kardiovagalesFunktionssystem■ Herzfrequenzanalyse während

Orthostase-Belastung (30:15 Ratio)■ Herzfrequenzanalyse während des

Valsalva Manövers (Valsalva Ratio)■ Herzfrequenzanalyse während tiefer

metronomischer Atmung (6/min)

Sympathisches vasomotorischesFunktionssystem■ Blutdruckanalyse während Orthostase-

belastung (aktiv/passiv)■ Blutdruckanalyse während pressorischer

Stimuli (isometrischer Handgriff-Test, Kälte-pressor-Test, mentaler arithmetischer Test)

Sympathisches sudomotorischesFunktionssystem■ Thermoregulatorischer Schweißtest

Stufe 3: Weitere Abklärung beim Spezialisten

■ Vorstellung in einem autonomen Funktionslabor

■ Vorstellung beim entsprechenden Facharzt (z.B. Urologe, Gastroenterologe)

Tabelle 2: Stufenschema zur Diagnostik autonomer Funktionsstörungen

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Compliance (Mitarbeit) und Coping(Krankheitsbewältigung) sind keine mo-dischen Anglizismen sondern psychoso-matische Begriffe, die auf Umwegen indie europäische und deutsche Innere Me-dizin zurückgefunden haben und hier dieAufmerksamkeit einfordern, die ihnenzweifelsohne für Therapie und Prognosezukommt, insbesondere bei chronischenLeiden und malignen Erkrankungen.

Psychosomatik als Bewegung innerhalbder Inneren Medizin sieht bekanntlichdie biologischen, psychologischen undsozialen Krankheitsfaktoren als grund-sätzlich gleichwertig, im Krankheitspro-zess allerdings unterschiedlich gewichtig.Im konkreten Einzelfall besteht die Auf-gabe des Internisten darin, innerhalb einerPalette von naturwissenschaftlichen, psy-chotherapeutischen und soziotherapeuti-schen Aspekten aktuell die richtigen Ak-zente zum richtigen Zeitpunkt zu setzen,also die Kunst des „Kairos“ anstelle des„Chronos“ zu üben.

Reine Organmedizin ist antiquiert. EinWandel zeichnet sich längst ab. Organ-mediziner, also Kardiologen, Gastroente-rologen, Nephrologen etc. werden zwarihre primär somatischen Tätigkeitsfelderausbauen, die ärztliche Perspektive wirdaber dem komplex denkenden Arztgehören, der die unterschiedlichen As-pekte „patientengerecht“ zu bündeln ver-steht, dem Arzt der Person (Paul Tour-

nier). Dammacco, Präsident der Italie-nischen Gesellschaft für Innere Medizin,hat sich kürzlich dazu vor der EuropeanFederation of Internal Medicine so ge-äußert:

„ Internists of the future, by cultivatingand developing an aptitude for the over-all management of their patients, willbecome experts in the handling of com-plexity and the formation of clinical stra-tegies. They will perceive the perils oftechnological medicine, will rediscoverthe ethic that places the patient in thecentre of the stage, and will regard thehumanisation of medicine and healthcare structures as a top priority.“

Im psychosomatischen Modell sind diesomatischen Befunde und das daraufzielende objektivierbare Procedere daseine und fundamentale Prinzip ärztlicherWahrnehmung. Das andere, oft ebensowichtige ist die Person des Kranken, istdas subjektive Krankheitsverhalten desPatienten, ist sein sozialer Kontext, istinsbesondere die Arzt-Patienten-Bezie-hung. Hier sind Compliance und Copingangesiedelt, hier entfalten sie sich oderverkümmern.

In der gegenwärtigen Diskussion wirdder Begriff der Psychosomatik leiderverwässert, insbesondere durch Gleich-setzung mit modischen Varianten soge-nannter „Ganzheitsmedizin“ oder durch

Etikettierung sog. Alternativmedizin“.Hier ist aus internistischer Sicht immervon neuem Klarstellung erforderlich.

Sollten sich versierte Internisten undPsychiater im 20. Jahrhundert umsonstfür psychosomatisches Denken eingesetzthaben?! Stellvertretend genannt seiennur v. Weiszäcker, v. Uexküll und Jores,aus unserer Region die Jenenser Inter-nisten Klumbies und Kleinsorge.Vor allem zu erinnern ist auch an KurtHöck, Ärztlicher Direktor des Hausesder Gesundheit Berlin, Mitbegründer derGesellschaft für Psychotherapie derDDR, der sich in Zeiten strenger ideolo-gischer Überwachung große Verdienstedurch Gründung tiefenpsychologischerSelbsterfahrungsgruppen erwarb. Klini-ker aller Fachrichtungen konnten sichhier durch eigenes Erleben vom engenZusammenhang zwischen emotionalenund somatischen Funktionen und denEinflüssen des Unbewussten viel nach-drücklicher überzeugen als durch Lehr-bücher oder Patientenbeobachtung. Ander Medizinischen Klinik der Univer-sität Jena wurde schon vor Jahrzehnteneine Spezialstation für die psychosoma-tische Behandlung von Colitis-Patienteneingerichtet. Sie besteht noch immer undhat die Vorteile einer systematischen in-ternistischen und psychotherapeutischenKooperation am Beispiel der Colitisallen Interessierten längst vor Augengeführt .

Zusammenfassung

Trotz regionaler Traditionen ist psychosomatisches Denken in dieostsächsische Kliniklandschaft nicht flächendeckend integriert.Zu wenig gesehen und berücksichtigt wird noch oft, dass so-wohl Mitarbeit (Compliance) als auch individuelle Art der Krank-heitsbewältigung des Patienten (Coping) durch die Qualität derärztlichen Kommunikation wesentlich beeinflusst werden.Kommunikative Fehler sind durch moderne Diagnostik und Phar-makotherapie nicht zu kompensieren. Das gilt besonders für chro-nische Leiden. Balint-Gruppen vermitteln kollegiale Impulse für

den bewussteren Umgang mit psychosomatischen Grundele-menten sowie mit ärztlichen Kommunikationsstärken und -fehlern. Nicht nur Patienten, auch Ärzte können sich inkompli-ant verhalten, ohne es zu bemerken. Das lässt sich ändern. Beichronischen und malignen Leiden ist außerdem besonderswichtig – und für das therapeutische Vorgehen wegweisend –,sich über die Coping-Ressourcen des Kranken immer wiederKlarheit zu verschaffen und nicht bei gutem Zureden und Flos-keln stehen zu bleiben.Schlüsselwörter: Konstruktive Arzt-Patienten-Kommuni-kation, Compliance, Coping, Psychosomatik

Dr. med. M. Zschornack,Chefarzt der Inneren Abteilung des Malteserkrankenhauses Räckelwitz,

Dr. med .B. Sprenger,Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Schwedenstein

Zschornack, M., Sprenger, B.

Psychosomatisches Denken in der Inneren Medizin Compliance und Coping

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Die Arzt-Patienten-Beziehung wird vorallem durch die weitere systematischeErforschung des Coping eine viel größereDimension erhalten und als therapeutischgestaltete Kommunikation zwischenTherapeuten und Kranken und als tra-gende Säule aller anderen Therapie dasärztlichen Bewusstsein erweitern.

Compliance und Coping-Kräfte des Pa-tienten müssen im Verlauf chronischerErkrankungen ständig neu überdachtwerden. Immer wieder stellt sich dieFrage, ob der Kranke noch zu einemkonstruktiven Umgang mit seiner Er-krankung fähig ist, wie seine psychischenund sozialen Coping-Ressourcen sind,und ob die Arzt-Patienten-Kommunika-tion, insbesondere die emotionale Be-ziehung zwischen Arzt und Patient nochkonstruktiv ist, also Copingstärkend,oder ob sie destruktive Züge trägt unddie Krankheitsbewältigung stört.

Dem Arzt kommt im Krankheitsprozessdie medizinische Kompetenz zu. Der Pa-tienten aber entscheidet letztlich über diesubjektive Relevanz der ärztlichen Maß-nahmen. Unter diesen Prämissen ist klar,dass der Arzt nicht nur anordnen undverordnen kann. Beide, Patient und Arzt,müssen im diagnostischen und im thera-peutischen Prozess voneinander und mit-einander kontinuierlich lernen.

Die konsequente Berücksichtigung dieserTatsache legt nahe, auch die Persönlich-keitsstruktur des Arztes und die darausresultierenden Stärken und Schwächenin das diagnostische und therapeutischeProcedere einzubeziehen. Das ist für vieleKollegen noch ziemlich ungewöhnlich.

Freilich wissen wir längst, dass der Arztauch als Subjekt mit seinen persönlichenKommunikationsgewohnheiten, Denkmus-tern und Erwartungen die Reaktionen desKranken nachhaltig beeinflusst, undzwar nicht immer nur konstruktiv! Wirwissen aber auch, dass viele Ärzte sichdieser ihrer subjektiven Wirkung nur

unzureichend bewusst sind. Denn Selbst-erfahrung und ärztliche Selbstreflexion,zum Beispiel Tonband- und Video-Aufzeichnungen während des Patienten-kontaktes, gehören leider nicht zur ärzt-lichen Standardausbildung, vielleichtauch deshalb, weil die Auswirkungenungeeigneten Arzt-Verhaltens noch weit-gehend tabuiert sind und ihre Reflexionauf verbreiteten subjektiven Widerstandstößt, ganz im Gegensatz zu den kolle-gialen Klagen über schlechte Patienten-Compliance.

Unter solchen psychischen Selbstschutz-strategien und Mangelbedingungen bleibtdie Qualität der emotionalen Arzt-Pa-tienten-Beziehung im Einzelfall für denArzt oft unbestimmt. Er empfindet siezwar als irgendwie positiv oder negativ,kann sie aber in der Regel nicht genauerbeschreiben, geschweige denn ihre Vor-und Nachteile korrekt diagnostizieren.Genau das müsste er aber beherrschen,um Compliance und Coping bewusst zubeeinflussen und therapeutisch effektivzu gestalten.

In der vor-psychologischen Medizin ge-nügte es, sich im Kontakt zum Patientenauf Freundlichkeit, vernünftiges Aufklärenund Erklären, gutes Zureden und Er-

mahnen zu beschränken. Dass allein diesbei bestem Bemühen auch zur Quellevon Missverständnissen und Frustrationenwerden kann, ist eine Binsenweisheit.Dessen ungeachtet steht „Non-Compli-ance“ heutzutage noch immer speziellunter pädagogischen Vorzeichen, so, alsob es bei der Compliance um das bloßeBefolgen ärztlicher Anweisungen gehe.

Compliance und Non-Compliance zeigenihre sehr viel komplexere Natur, sobaldman sie auch auf der Ebene der Arzt-Patienten-Beziehung analysiert. Dannerweist sich, dass ein psychologischkontraproduktives Verhalten des Arztesentscheidend dazu beiträgt, dass derPatient gegen vernünftigen Rat „ver-stößt“. Kontraproduktives Verhalten desArztes auf der Beziehungsebene muss alsärztliche Non-Compliance in das Be-wusstsein dringen. Hier liegt für nochviele Kollegen ein Verständnisproblem:Müsste der Patient nicht „kapieren“, wasfür ihn gut, und was für ihn nicht gutist!? Und ist nicht der beste Arzt zurOhnmacht verdammt, wenn dem Patien-ten Intelligenz, Krankheitseinsicht oderDisziplin fehlen?!

Zugrunde liegt dieser Argumentation dieThese des Arztes, dass seine Urteile und

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Entscheidungen per se richtig sind, weil„wissenschaftlich“. Er hat schließlichstudiert, der Patient ist Laie. DieserSachverhalt ist schon richtig, das darausabgeleitete Rollenverständnis aber grund-verkehrt, schon allein deshalb, weil ärzt-liche Entscheidungen auch falsch seinkönnen, und weil Non-Compliance durch-aus auch das Ergebnis eines rationalenund aktiven Entscheidungsprozesses desPatienten im Sinne von „intelligent non-compliance“ sein kann.

Non-Compliance ist oft nichts anderesals ein Problem der Arzt-Patienten-Be-ziehung, das Fragen aufwirft und vomArzt ebenso professionelle Antwortenfordert, wie irgendeine andere diffe-rentialdiagnostische Frage.

Wir wissen seit der Antike, dass dieemotionale Qualität der Kommunikationzwischen Arzt und Patient der modifizie-rende Bestandteil jedes therapeutischenAktes ist. Wissenschaftlich erneut aus-formuliert und differenziert wurde dieseEinsicht vor allem von tiefenpsycholo-gisch orientierten Ärzten in der erstenHälfte des 20. Jahrhunderts. Erinnert seihier nur an die Freudschen Begriffe derÜbertragung und Gegenübertragung.Paradoxerweise wird der subjektive Ein-fluss des Arztes, die „Droge Arzt“, abernur bei pharmakologischen Doppelblind-studien konkret beachtet.

Freilich, angesichts der Geschichte vonAufklärung und Gegenaufklärung ist eswiederum nicht allzu überraschend, dasssich psychologische Erkenntnisse in dersomatisch determinierten Medizin nurlangsam und gegen Widerstand ausbreiten.Das wird auch an der Statistik deutlich.

1998 wurden in Deutschland im Akut-bereich 185 342 stationäre internistischeBehandlungsplätze ermittelt, 2930 psy-chosomatische (zirka 1,6 %). Im Frei-staat Sachsen gab es 10 324 internisti-sche Betten und 130 psychosomatische(zirka 1,2 %). Der Anteil psychogenerresp. psychosomatischer Erkrankungenauf Inneren Abteilungen liegt aber beimindestens 20 Prozent.

Dennoch dominieren auch bei diesen Pa-tienten weithin organpathologische odersogar technokratische Konzepte, bei denendas Instrument an die Stelle der helfen-den Person tritt. Dieser Sachverhalt istbekannt, als Defizit aber nicht aner-kannt, zumal die Geschäftspraxis sichzunehmend an der über Medien merkan-til gesteuerten medizinischen Informa-tions- und Desinformationspolitik aus-richtet. Persönlichkeits- und Psychodiag-nostik gilt gegenüber instrumentellenMaßnahmen als zu ungenau und zu zeit-aufwendig.Aus der Sicht psychosomatischer Erfah-rung ist das aber nichts anderes als Ideo-logie und die Folge von Trainingsmangel,ähnlich wie bei anderen, nicht automati-sierbaren ärztlichen Techniken auch.Hier können ein psychosomatischer Grund-kurs, Konsiliarkontakte mit einem psy-chodiagnostisch Erfahrenen und die Teil-nahme an Balint-Gruppen weiterhelfen.

Die übliche internistische Anamnesereicht oft nicht. Denn auf dabei gestell-ten Fragen bekommt man nur (die zu denFragen passenden) Antworten, nichtssonst (Balint).

Auch der internistische Blick auf dasCoping ist noch eingeengt. Mit dem

Coping beschäftigt sich inzwischen eineigener umfangreicher Forschungszweig.Wir wissen, dass Coping erheblich mo-difiziert wird durch die Kultur, in wel-cher der Patient sozialisiert wurde und inder er lebt, durch seine Persönlichkeits-struktur, durch seinen Lebenswillen,durch seine Autonomie, durch positivespirituelle Erlebnisse und durch dieQualität der emotionalen Arzt-Patienten-Beziehung, wie bereits besonders hervor-gehoben.

Längst hat sich erwiesen, dass durchkomplementäre internistische und psy-chosomatische Analyse schnell erkanntwerden kann, welche Coping-Faktorenim Einzelfall klinisch relevant sind, wel-che also verstärkt und welche gezieltrelativiert werden sollten.

Nur der psychologisch unverstandenePatient begibt sich auf alternative Irr-wege oder lässt sich verführen durchmodische medizinische Trends undIdeologien.

Wenn es uns gelingt, emotional langfris-tig tragfähige Beziehungen zu unserenPatienten zu gestalten, stärken wir Com-pliance und Coping und verhindernsicher auch, dass die sogenannte „Schul-medizin“ diffamiert wird, und in denZeiten fallender Punktwerte beträchtlicheMittel in dunkle Kanäle fließen.

Literatur beim Verfasser

Korrespondenzadresse:Dr. med. Martin Zschonack

Malteser Krankenhaus RäckelwitzMichael-Hornik-Straße 1

01920 Räckelwitz

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Leserbriefe

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Prof. i. R. Dr. med. habil. Detlef MüllerHeideflügel 301324 Dresden

Sächsische LandesärztekammerHerrn Prof. Dr. Winfried KlugVorsitzender des Redaktionskollegiums„Ärzteblatt Sachsen“Schützenhöhe 16, 01099 Dresden

Dresden, den 19. 4. 2001

Sehr geehrter Herr Kollege Klug,der Problemkreis „Qualitätsmanagement– Qualitätssicherung in der Medizin“ ge-hört neben anderen – besonders im wei-terhin brisant-aktuellen Problemkreis„Sterbebegleitung – Sterbehilfe – neueEuthanasie-Diskussion“ – zu den Themen,welche mich in den letztvergangenenJahren daran hinderten, die seit Jahrenbis Jahrzehnten beiseitegelegten Vorhabenkonsequent-zügig aufzuarbeiten. Des-halb habe ich Ihren Editorial-Beitrag„Qualität in der Medizin durch Weiter-und Fortbildung“ (Ärzteblatt Sachsen 12(2001), 120/1) mit sehr großem Interesseund Aufmerksamkeit zur Kenntnis ge-nommen. Dabei haben mich zunächstauch die angeführten Zahlen beein-druckt: 1997 - 2000 2.342 medizinischeVeranstaltungen der Sächsischen Landes-ärztekammer, zusätzliche Organisationvon 3.445 zertifizierten Fortbildungsver-anstaltungen, 81.748 Teilnehmer – dasist gewiss eine stattliche Bilanz! Dabeihaben Sie ja – von den Aktivitäten derSächsischen Landesärztekammer ausge-hend – die wohl ebenso zahlreichen an-derweitigen – vor allem einerseits durchPharmafirmen nicht nur gesponserten,sondern direkt durchgeführten, anderer-seits einrichtungsinternen – Fortbildungs-veranstaltungen noch gar nicht erwähntund wohl auch nicht erfassen können.Zugleich denke ich aber – vor allemauch aus eigener Anschauung und Über-zeugung bei Fortbildungsaktivitäten –,dass wir diese Zahlen etwas differenzie-rend analysieren und hinterfragen sollten.Wenn „rein rechnerisch jedes Kammer-mitglied jährlich an mindestens einerFortbildungsveranstaltung (im Durch-schnitt an 1,25), die von der Sächsischen

Akademie für ärztliche Fortbildung or-ganisiert und durchgeführt wurde, aktiv(was heißt das?) teilnahm“, so wäre diesmeines Erachtens ziemlich wenig, wennnicht eben die vielen anderen Fortbil-dungsmöglichkeiten hinzukämen. Eineandere Frage ist, wie viele Kammermit-glieder nicht nur rein rechnerisch – theo-retisch, sonder wirklich – praktisch anden Veranstaltungen teilgenommen haben.Dies würde sich nur bei einer genauenspeziellen Erhebung ermitteln lassen.Ich denke, dass für die Teilnahme dasjeweilige Qualitätsbewusstsein und dasdaraus erwachsene Fortbildungsbedürfnisentscheidend ist. Es dürfte naturgemäßunbestritten selbstverständlich sein, dassdiese nicht bei allem Kolleginnen undKollegen gleich ausgeprägt ist, sondernmeiner Erfahrung nach reicht es von sehrhohen Graden perfektionistischer Gewis-senhaftigkeit bis zu sehr geringer Aus-prägung bei einer mehr gleichgültigenHaltung – wie wir Menschen eben sosind. Die von Ihnen angeführte Tatsache,dass bei durchschnittlich 16.158 Kam-mermitgliedern bisher innerhalb vonzwei Jahren 220 das Fortbildungsdiplomerworben haben und 1.000 die erforderli-chen Materialien anforderten, ist zwarerfreulich, aber doch auch bedenkens-wert; kommt wirklich „eine qualifizierte(was bedeutet das hier?) Mehrheit derdeutschen Ärzte ihren ständigen Fortbil-dungsverpflichtungen engagiert (!) nach“?Schließlich denke ich, dass in diesemProblemkreis neben dem quantitativenauch der qualitative Gesichtspunkt be-dacht werden muss, weil er meines Er-achtens für den Effekt der Fortbildungs-veranstaltungen ganz entscheidend ist.Herr Kollege Scriba hat dies in seinemEditorial „Gute ärztliche Fortbildung –in Deutschland zu selten!“ (Dtsch. med.Wschr. 126 (2001), 185) zu gleichen An-gelegenheit summarisch angesprochen.Meine persönlichen Erfahrungen bei undmit Fortbildungsveranstaltungen undRecherchen zum Qualitätsmanagement be-sagen, dass gegenüber den gewiss auchsinnvollen und nützlichen Vortragsveran-

staltungen mit meist („up-date“) Übersich-ten ganz gezielt praxis-, d. h. patienten-orientierten Problemfall-Besprechungenmit Seminar-Charakter entscheidende Vor-teile haben – eben diese finden aber mei-nes Erachtens viel zu wenig, auf’s Ganzegesehen fast nur ausnahmsweise statt! Dem-gegenüber halte ich von dem verbreitetenPunktesammeln bei Tagungen der Fachge-sellschaften hinsichtlich der Praxiswirk-samkeit ziemlich wenig. In der Hoffnung,dass Sie meine Ausführungen als das auf-nehmen, was sie sein sollen, nämlich eineanregende Ergänzung zu Ihren „Antwortender Sächsischen Landesärztekammer aufdas Sachverständigengutachten“ bin ich

mit besten kollegialen Grüßen

Ihr Delef Müller

HerrnProf. Dr. med. habil. Detlef MüllerHeideflügel 301324 Dresden

Dresden, den 23. 4. 2001

Sehr geehrter Herr Kollege Müller,vielen Dank für die Zusendung Ihres Brie-fes vom 19. April 2001, den wir als Leser-brief im „Ärzteblatt Sachsen“, wenn Sieeinverstanden sind, veröffentlichen werden.Ihre Ausführungen zum angesprochenenProblemkreis „Qualitätsmanagement –Qualitätssicherung in der Medizin“ sinddeutliche Ergänzungen zu den notwendi-gen qualitativen und aktuellen Inhaltender ärztlichen Fort- und Weiterbildung.Ihren Vorschlag zur Durchführung vonpatientenorientierten Problemfallbespre-chungen im Rahmen der Fortbildungs-veranstaltungen sollte durch den Ausschussfür Weiterbildung und der SächsischenAkademie für ärztliche Fortbildung disku-tiert und gegebenenfalls umgesetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. med. Winfried KlugVorsitzender des Redaktionskollegiums„Ärzteblatt Sachsen“

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384 Ärzteblatt Sachsen 8/2001

Leserbriefe

Dipl.-Med. Angelika ZimmerRiedelstraße 308523 Plauen Plauen, 09. 05. 2001

An das Ärzteblatt SachsenHrg.: Sächsische LandesärztekammerSchützenhöhe 1601099 Dresden

Betrifft: Leserpost zum Artikel„Qualität in der Medizin durchWeiter- und Fortbildung“ im „Ärzteblatt Sachsen“, 4/2001

Sehr geehrter Herr Professor Klug,zu Ihrem Artikel im „Ärzteblatt Sachsen“möchte ich folgende Anmerkungen ma-chen.Zunächst zur Problematik des „Punkte-sammelns“ für das Fortbildungsdiplom.Ich meine, die territorialen Möglichkeitendazu sind doch sehr unterschiedlich. Wäh-rend Sie betonen, dass in diesem Jahr al-lein im Kammergebäude in Dresden mehrals 500 Veranstaltungen mit Zertifizierungdurchgeführt werden, muss ich feststellen,dass es für Ärzte mit einem etwas peri-pheren Wohnort ungleich schwerer ist,eine vergleichbare Fortbildungsveranstal-tungsdichte nutzen zu können.Und das selbstverständlich bei glei-chem Kammerbeitrag.Bedenkt man zudem, wie viele Fortbil-dungsnachmittage und -abende an dengroßen Krankenhäusern und Universitäts-kliniken stattfinden, die ebenfalls „bepunk-tet“ werden, verstärkt das die Ungleich-heit der Möglichkeiten nochmals.Natürlich wäre es jetzt ungerecht, denSchwarzen Peter den Kreisärztekammernzuzuschieben. Diese haben ja oftmals garnicht die Möglichkeit von Universitäts-kliniken, hochdotierte Referenten zuverpflichten (es sei denn, ausschließlichmit Hilfe von Pharmafirmen). Mein Vor-schlag wäre deshalb, verschiedene Ver-anstaltungen als Wanderveranstaltungenbeziehungsweise generell dezentral durch-zuführen, je nach zu erwartender Resonanz.Vielleicht liegt die nicht gerade berau-schende Zahl an bisher vergebenen Fort-bildungsdiplomen auch an den unterschied-lichen Möglichkeiten? Sie geben mir doch

sicher Recht, dass die von Ihnen selbstgenannten Zahlen (etwas mehr als eineVeranstaltung über die Kammer pro Jahrund Arzt) auch nun nicht gerade erfolg-reich klingen.Kontinuierliche Fortbildung ist das Wich-tigste überhaupt, um in unserem dyna-mischen Beruf auf dem Laufenden zubleiben, darüber sind wir völlig einerMeinung. Aufgabe der Kammer ist esmeiner Meinung nach aber auch, dafürfür alle Kollegen vergleichbare Bedingun-gen zu schaffen, denn ... siehe dickge-druckten Satz ...!Noch einen zweiten Sachverhalt möchteich zur allgemeinen Diskussion stellen.Sie schreiben in Ihrem Artikel, dass abdem 01. 01. 2002 die zu erreichende Ge-samtpunktzahl für das Fortbildungsdip-lom auf „mindestens 150 Punkte“ erhöhtwird. Dieser nicht unerhebliche Faktwird ohne jede weitere Erläuterung undWertung genannt, einfach so.Meines Erachtens muss dies im Kontextgesehen werden. Sachsen war eines derersten Bundesländer, in welchem das Fort-bildungsdiplom eingeführt wurde, zwi-schenzeitlich bestätigt und modifiziertdurch die Bundesärztekammer. In dieserEinführungsphase haben die einzelnenLänder unterschiedliche Modelle er-probt. Bundesweit zeichnet sich jedocheine gewisse Vereinheitlichung für das„Punktediplom“ ab.Am Beispiel Bayern, wo 150 Punkte be-reits im Oktober 2000 beschlossen wur-den, möchte ich zeigen, wie die Bepunk-tung da festgeschrieben ist.Vergeben werden da:

■ wie in Sachsen pro Fortbildungsstunde1 Punkt, ABER pro Tagesveranstaltungmaximal 6 Punkte (Weshalb, sind dieTage im Süden länger?),■ Kongresse im In- und Ausland maxi-mal 6 Punkte pro Tag,■ Arbeitsgruppen, Qualitätszirkel, Hos-pitationen: 1 Punkt pro Stunde, maximal6 Punkte je Tag.Interessant (und durchaus nachahmens-würdig) ist, dass auch andere Formen

der individuellen Fortbildung gewürdigtwerden.■ Ohne Nachweis werden insgesamt 30Punkte in 3 Jahren für das Selbststudiumangerechnet.■ Strukturierte interaktive Fortbildungüber Internet-, CD-ROM und Fachzeit-schriften mit nachgewiesener Qualifizie-rung und Auswertung des Lernerfolges,jeweils 1 Punkt pro Lerneinheit, 30 Punk-te maximal in 3 Jahren.

Es wäre wichtig für alle Kammermit-glieder, seitens der Landesärztekammererläutert zu bekommen, was in Sachsengeplant ist und nicht nur die Sachverhalteso im laufenden Text als Damokles-schwert über die Ärzteschaft zu hängen.Dies ist eher demotivierend und wird dieZahl der Fortbildungsdiplome in Sachsenganz sicher nicht anheben.Ich möchte dieses Schreiben als Leser-brief verstanden wissen und eine Diskus-sion im „Ärzteblatt Sachsen“ anregen.

Mit kollegialer Hochachtung und freund-lichen Grüßen

Dipl.-Med. Angelika Zimmer

FrauDipl.-Med. Angelika ZimmerRiedelstraße 3 08523 Plauen

Dresden, den 28. 5. 2001

Sehr geehrte Frau Zimmer,

vielen Dank für Ihren konstruktivenBrief zum Artikel „Qualität in der Me-dizin durch Weiter- und Fortbildung“,„Ärzteblatt Sachsen“ , Heft 4/2001.Ihren Vorschlag, Fortbildungsveranstal-tungen, die im Kammergebäude stattfin-den, bei positiver Resonanz der sächsi-schen Ärzte in den anderen Kreisärzte-kammern zu wiederholen oder generelldezentral durchzuführen, wird der Präsi-dent der Sächsischen Landesärztekammerim Vorstand und mit Herrn ProfessorBach, Vorsitzender der Sächsischen Akade-mie für ärztliche Fortbildung, besprechen,

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LeserbriefeAusschuss Junge Ärzte

Mitteilung der Geschäftsstelle

Ärzteblatt Sachsen 8/2001 385

um allen Ärzten die Weiter- und Fortbil-dung je nach lokaler und spezifischer Si-tuation wohnortsnah zu ermöglichen.Die ausführliche Begründung der Erhö-hung der Gesamtpunktezahl ab 1. 1. 2002,um das Fortbildungsdiplom zu erreichen,wird Herr Professor Bach in einem der

nächsten Hefte unseres Kammerorgansdarstellen*) und auf dem 11. Säch-sischen Ärztetag am 16. Juni 2001 inDresden in der Zeit von 10.45 bis 12.00Uhr vortragen.Ihr Leserbrief wird im „Ärzteblatt Sach-sen“ veröffentlicht.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. med. Winfried KlugVorsitzender des Redaktionskollegiums„Ärzteblatt Sachsen“

*)Ich verweise auf den MittelhefterAmtliche Bekanntmachungen, S. 375 indiesem Heft.

Weiterbildungsstellen sind nach wie vorein Nadelöhr des ärztlichen Arbeits-marktes.Arbeitssuchende Ärztinnen und Ärzteentstammen in Sachsen und anderenBundesländern ganz überwiegend derGruppe mit geringer Berufserfahrung.Gleichzeitig sehen sich Kliniken immerwieder mit Anfragen nach Weiterbildungs-assistenten konfrontiert. Ein einheitlichesInformationsangebot, das rasch und ge-zielt Auskunft über freie Stellen gibt,wäre deshalb besonders wichtig.Schnelle Information wird vor allemdem Internet als immanent zugeschrie-ben. Zwar existiert im Internet mittler-weile eine ganze Reihe von Jobbörsen,auch zu medizinischen Berufen. Jedochsind nach unseren Erfahrungen die dabeierfassten Informationen meist wenigspezifisch. Insbesondere zu den mit der

Stelle verbundenen Inhalten ärztlicher Wei-terbildung wird zu ungenau informiert.Der Ausschuss „Junge Ärzte“ der Säch-sischen Landesärztekammer hat dahereinen Internetdienst ins Leben gerufen,mit dem unter der Adresse „www.aerz-teohnekittel.de“ Stellenanbieter und Stel-lensuchende ab 01. 07. 2001 kostenfreiund in graphisch übersichtlicher Formihr Angebot oder Gesuch publik machenkönnen. „www.aerzteohnekittel.de“bietet detaillierte Eingabemöglichkeitenzu notwendigen und erwünschtenVoraussetzungen für die Stelle sowie zuden Weiterbildungsbefugnissen und -bedingungen an der Einrichtung. DerInformationsdienst ist insbesondere fürÄrzte in Sachsen gedacht, die einenschnellen Überblick über regional ver-fügbare Weiterbildungsstellen gewinnenmöchten. Andere Stellenangebote und -

gesuche sind natürlich ebenso willkom-men.„www.aerzteohnekittel.de“ soll zu einemeinheitlichen Portal für ärztliche Stellender Aus- und Weiterbildung mit Schwer-punkt in Sachsen werden. Interessentenwerden hiermit ermutigt, den kostenfreienDienst zu nutzen, um bestehende Lückenim Informationsfluss schließen und ihrAngebot oder Gesuch schnell einembreiten Publikum bekannt zu machen.

Ausschuss „Junge Ärzte“Sächsische Landesärztekammer

Anmerkung der Arbeitsgruppe „Multi-media in der Medizin“: Im Internet-auftritt der Sächsischen Landesärzte-kammer finden Sie einen Verweis auf dieJobbörse in der Rubrik „Links“.

www.aerzteohnekittel.de – Die Jobbörse für Sachsens Ärzte

Herr Dr. Günter Link, Facharzt für Psy-chotherapeutische Medizin und Gynäko-logie, verschenkt wegen Praxisaufgabeeinen Zytochromaten, Type PFG 3, undeinen Siemens-Cardiotokografen. Der sich

interessierende sächsische Arzt möchtesich bitte mit Herrn Dr. Link, Auf derHeide 13, 87439 Kempten, Telefon/Fax:(08 31) 9 52 52, in Verbindung setzen.

Ergänzung: Im „Ärzteblatt Sachsen”,Heft 7/2001, Seite 300 bis 304, ist derVortrag von Herrn Dr. Otmar Kloiberabgedruckt. Nachfolgend geben wirIhnen die Korrespondenzadresse zurKenntnis:

Dr. med. Otmar KloiberBundesärztekammerArbeitsgemeinschaft der Deutschen ÄrztekammernHerbert-Lewin-Str. 150031 Köln

Zytochromat zu verschenken

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VerschiedenesMedizingeschichte

386 Ärzteblatt Sachsen 8/2001

Im Dezember 2000 hat die Mitgliederver-sammlung des Tumorzentrums Dresdenbeschlossen, einen Onkologie-Preis zuvergeben für herausragende Leistungenauf den Gebieten Forschung, Prophy-laxe, Früherkennung, Diagnostik, Thera-pie von Tumorerkrankungen, Nachsorge,Rehabilitation oder psychosoziale Be-treuung von Tumorpatienten in seinemregionalen Einzugsbereich.

Aller zwei Jahre können Einzelpersonenoder Arbeitsgruppen ausgezeichnet wer-den. Der Preis ist mit 5.000 DM dotiertund wird ausschließlich aus den Mittelndes Vereinskontos finanziert. Die erstePreisverleihung findet im Dezember 2001statt. Vorschläge sind an den Vorsitzen-den des Tumorzentrums einzureichen,der die Weitergabe an eine Jury des Ge-

samtvorstandes veranlasst. Zu Einzelheitengibt die Geschäftsstelle (Löscherstr. 18,01309 Dresden, Tel. 03 51 / 3 17 73 02)gern Auskunft.

Otto Rostoski, geb. 1872, wirkte ab 1907als Direktor der Medizinischen Klinikam Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt,übernahm 1910 die Leitung der Medizi-nischen Klinik im Krankenhaus Dresden-Johannstadt. Ab 1946 leitete er wiederdie Medizinische Klinik im Kranken-haus Dresden-Friedrichstadt, wurde 1954Ordinarius für Innere Medizin an derMedizinischen Akademie Dresden. Bisin sein 85. Lebensjahr betreute er Patien-ten. Sein ärztliches Ethos war vorbild-lich. Auch für eine umfassende Ausbil-dung der Pflegekräfte engagierte er sich.Prof. Rostoskis besondere wissenschaft-

liche Leistung liegt in der interdiszi-plinären Erforschung und Aufklärungder Ätiologie des Schneeberger Lungen-krebses (gemeinsam mit SCHMORLund SAUPE). Zu seinen Verdienstenzählt auch die Einrichtung der weltweitersten Diabetikerambulanz in Dresden-Johannstadt im Jahre 1924.

Das Tumorzentrum Dresden e.V. sieht esals Verpflichtung im Sinne des Namens-gebers an, wertvolle Beiträge und Initia-tiven zur Weiterentwicklung der Onkolo-gie zu fördern.

Dr. Frank DörreTumorzentrum Dresden am

Universitätsklinikum der TU DresdenFetscherstraße 74, 01307 Dresden

Telefon: (03 51) 3 17 73 01

Die Geschichte des Karl-Sudhoff-Insti-tuts und damit auch der medizinhistori-schen Sammlung ist eng verknüpft mitder Annahme der „Vorschriften für diePuschmann-Stiftung bei der UniversitätLeipzig“ durch den akademischen Senatam 21. 12. 1904. Mit den Mitteln derStiftung erwarb Karl Sudhoff (1853 bis1938), der mit Wirkung vom 01. 7. 1905zum etatmäßigen außerordentlichen Pro-fessor für Geschichte der Medizin beru-fen worden war, die ersten Exponate derSammlung, die vor allem als Hilfsmittelfür die Lehrtätigkeit angesehen wurden.Seine Nachfolger Henry Ernest Sigerist(1891 bis 1957) und Walter von Brunn(1876 bis 1952) setzten – oft mit eigenenfinanziellen Mitteln – die Sammlungstä-tigkeit fort. Vorrangig Schenkungen er-möglichen bis heute einen weiteren Aus-bau des Sammlungsbestandes.Die eigentliche Sammlung besteht über-

wiegend aus ärztlichen Instrumentenund Geräten, die größtenteils als Einzel-stücke, aber auch als Instrumentensätzevorhanden sind. Sie stammen vor allemaus den letzten Jahrzehnten des 19. undder ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts;teilweise sind sie aber bis in das 16. Jahr-hundert zurückzudatieren. Was sie anbe-langt, so sind es hauptsächlich Gegen-stände aus dem Bereich der Chirurgie:chirurgische Bestecke, Amputationsbe-stecke, Trepanationsbestecke oder Ge-rätschaften zum Schröpfen und Aderlas-sen. Des Weiteren befinden sich in derSammlung Instrumente aus der Gynäko-logie und Geburtshilfe, der Zahnmedizin,der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und derAugenheilkunde, wobei hier vor allemdie Augenspiegel aus der zweiten Hälftedes 19. Jahrhunderts zu nennen wären.Elektrische Geräte zur Selbstbehandlungund Gegenstände aus der Geschichte der

Onkologie-Preis des Tumorzentrums Dresden »Otto-Rostoski-Preis«

Zur Geschichte der medizinhistorischen Sammlung

Karl SudhoffQuelle: Bildersammlung KSJ

Universität Leipzig Karl-Sudhoff-Institut

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MedizingeschichtePersonalia

Ärzteblatt Sachsen 8/2001 387

Labordiagnostik sind ebenso Bestandteilder Sammlung wie etwa Endoskope undZytoskope. Sudhoff bemühte sich auchum antike ärztliche Instrumente aus derrömischen Kaiserzeit (1. Jh. u. Z.), die erin Form von Nachbildungen aus Museenin Neapel und Mainz erwerben konnte.Objekte aus der Volksheilkunde, der Ho-möopathie sowie eine Wachsvotivsamm-lung aus dem 19. Jahrhundert gehörenebenfalls zur Sammlung. Weiterhin zäh-len zur Sammlung Medaillen, Siegel undWappen – vor allem Medizinischer Fa-kultäten - und Gipsnachbildungen, ins-besondere antiker Vorlagen mit medizin-historischem Inhalt.Um diesen Bestand einem breiten Le-serkreis bekannt zu machen, sollen im„Ärzteblatt Sachsen“ in loser Folgebemerkenswerte Objekte vorgestellt underklärt werden.

Triploide

Zu den interessantesten Instrumenten ge-hören Triploide. Sie wurden mindestensseit dem 16. Jahrhundert teils mit ande-ren Instrumenten, teils allein zur Be-handlung von Schädelbrüchen genutzt.Johannes Scultetus (1595 bis 1645) hattein seinem „Armamentarium chirurgiae“(1653) dieses Instrument beschrieben.Amadeus Megerlin, Stadtphysicus inHaydenheim (Heidenheim), übersetztedas Werk. 1666 wurde es als Wund-Artz-neyisches Zeug-Hauß“ in Frankfurt beiDaniel (Johann) Gerlins verlegt.

Oft wurde mit Hilfe eines Bohrers zu-nächst in die verletzte Schädeldecke einLoch gebohrt, in das der Bohrer (Schrau-be) des Triploiden vermittels seiner obe-ren Schraube (i) geführt wird, um dannunter Benutzung der unteren Schraube(k) das eingedrückte Knochenstück vor-sichtig anzuheben, bis die Schädeldeckewieder geglättet war. Anschließend wur-den die auf dem Schädel fixierten dreiFüße (d, e, f) und der Bohrer (h) selbst –dieser mit Hilfe des Nagels (1) – durchGegendrehung entfernt. So ging man bei

Schädelbrüchen ohne Riss vor (Biegungs-oder Impressionsfrakturen). Bei Brüchen,die einen Riss aufweisen, wurde der Tri-ploid nicht mit einer Bohrspitze, sondernmit einem kleinen Hebeisen (g) verse-hen, mit dessen Hilfe man das einge-drückte Knochenfragment anhob (Ber-stungsbrüche).

Dr. Sabine FahrenbachUniversität LeipzigKarl-Sudhoff-InstitutMedizinhistorische SammlungAugustusplatz 10 - 11, 04109 Leipzig

60 Jahre01. 09. Dr.med. Eberth, Ulrich

01768 Bärenstein01. 09. Dr.med. Hahn, Bernd

08321 Zschorlau01. 09. Dr.med. Schmitzer, Karin

08209 Auerbach01. 09. Dipl.-Med. Schönemann, Uwe

04209 Leipzig02. 09. Haack, Inge

01920 Elstra02. 09. Hofmann, Sieglinde

04769 Mügeln

02. 09. Dr.med. Kilian, Rainer08315 Bernsbach

02. 09. Dr. med. Landschreiber, Klaus04886 Beilrode

02. 09. Prof.Dr.med.habil. Schott, Günter08056 Zwickau

03. 09. Dr.med. Findeisen, Bernd09619 Sayda

03. 09. Dr.med. Schmidt, Bernd01326 Dresden

04. 09. Martin, Hannelore09468 Geyer

04. 09. Matting-Köhler, Jutta01159 Dresden

05. 09. Dr.med. Herrmann, Anneliese01109 Dresden

06. 09. Dr.med. Goertchen, Elke02827 Görlitz-Kunnerwitz

06. 09. Dr.med. Günzel, Rolf01129 Dresden

06. 09. Köhler, Runheid04157 Leipzig

06. 09. Dr.med. Kresse, Helmut01069 Dresden

Unsere Jubilare im September Wir gratulieren

Triploid und Hilfsinstrumente Quelle: Scultetus. I.: Wund-Arztneyisches Zeug-Hauß/übers.v. A. Megerlin. Frankfurt/M.:Gerlin

Triploid, dreifüßig Med.-hist. Sammlung des KSJ

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Personalia

388 Ärzteblatt Sachsen 8/2001

07. 09. Dr.med. Langer, Heinz08066 Zwickau

07. 09. Lüdicke, Dorothea09399 Niederwürschnitz

07. 09. Dr.med. Oelschlegel, Klaus08060 Zwickau

07. 09. Schau, Friedrich02979 Zeißig

07. 09. Dr.med. Willsch, Marlies02827 Görlitz

08. 09. Dr.med. Schneider, Gerd02977 Hoyerswerda

08. 09. Dr.med. Tappert, Frank02681 Schirgiswalde

09. 09. Elsner, Dorothea01689 Weinböhla

09. 09. Dr.med. Pleß, Doris01587 Riesa

09. 09. Schab, Wolfram01665 Triebischtal

11. 09. Dr.med Kästler, Ursula01662 Meißen

11. 09. Dr.med. Liesem, Jürgen01609 Wülknitz

12. 09. Hengst, Holger08209 Auerbach

12. 09. Dr.med. Kießling, Ingrid09114 Chemnitz

13. 09. Dr.med. Friedrich, Klaus09221 Adorf

13. 09. Dr.med. Magomedow, Ingeborg04103 Leipzig

13. 09. Dr.med. Schittkowski, Dorit09618 Brand-Erbisdorf

13. 09. Dr.med. Wollen, Gerrit09127 Chemnitz

14. 09. Dr.med. Boxberger, Eva-Maria04288 Leipzig

16. 09. Mahncke, Emma01219 Dresden

16. 09. Prof.Dr.med.habil. Viehweg, Brigitte04107 Leipzig

17. 09. Dr.med. Chladt, Joachim08060 Zwickau

17. 09. Dr.med. Kretschmar, Hella02625 Bautzen

17. 09. Prof.Dr.med.habil. Sebastian, Günther01328 Dresden

18. 09. Dipl.-Med. Klauß, Peter04463 Großpösna

18. 09. Dr.med. Pohl, Manfred09306 Rochlitz

18. 09. Dr.med. Spitzhofer, Katharina01259 Dresden

18. 09. Dipl.-Med. Teweleit, Dieter08349 Johanngeorgenstadt

18. 09. Dr.med. Wunderlich, Frank09573 Augustusburg

19. 09. Dr.med. Artym, Christa01307 Dresden

19. 09. Dr.med. Fischer, Gunter01809 Meusegast

19. 09. Dr.med. Flammiger, Bernd04430 Böhlitz-Ehrenberg

19. 09. Dr.med. Kohlstock, Isolde09599 Freiberg

19. 09. Dr.med. Krumpe, Horst02999 Lohsa

19. 09. Dr. med. Lange, Monika04277 Leipzig

19. 09. PD Dr.med.habil. Lindner, Joachim09114 Chemnitz

19. 09. Dr.med. Ullmann, Dieter08468 Reichenbach/OT Rotschau

19. 09. Dr.med. Unger, Bernd01257 Dresden

20. 09. Scheppan, Lucie04736 Waldheim

21. 09. Erler, Jutta01187 Dresden

21. 09. Dr.med. Kleinod, Siegrun04435 Schkeuditz

21. 09. Dr.med. Schirmer, Bärbel09405 Zschopau

21. 09. Dr.med. Schmidt, Horst09235 Burkhardtsdorf

21. 09. Struck, Ulrike01662 Meißen

21. 09. Wunderlich, Gottfried08258 Siebenbrunn

22. 09. Prof.Dr.med.habil. Dürrschmidt, Volker01809 Dohna

22. 09. Dr.med. Hempel, Friedbert08121 Wiesenburg

22. 09. Dipl.-Med. Matz, Christa04720 Ebersbach

22. 09. Dr.med. Olsen, Gisela01768 Cunnersdorf

23. 09. Dr.med. Herzig, Siegfried04741 Roßwein

23. 09. Dr.med. Kirschner, Ingeborg01454 Radeberg

23. 09. Dr.med. Schmidt, Dieter01279 Dresden

23. 09. Dr.med. Zacharias, Monika04463 Großpösna

24. 09. Dr.med. Georgi, Brigitte08294 Lößnitz

24. 09. Goldberg, Katrin01474 Weißig

24. 09. Dr.med. Jahn, Christof09243 Niederfrohna

24. 09. Prof. Dr.med.habil. Terhaag, Bernd01796 Pirna/Pratzschwitz

25. 09. Dr.med. Gierth, Herrmann01662 Meißen

25. 09. Dr.med. Mittelstädt, Gisela09599 Freiberg

26. 09. Dr.med. Korth, Gerhard02827 Görlitz

26. 09. Dr.med. Löffler, Helga09405 Zschopau

26. 09. Schürer, Annemarie09661 Hainichen

27. 09. Dr.med. Heidemüller, Bernd09130 Chemnitz

27. 09. Dr.med. Krötzsch, Bettina01474 Weißig

27. 09. Dr.med. Lommatzsch, Barbara09120 Chemnitz

27. 09. Dr.med. Schneider, Wolfgang04683 Naunhof

27. 09. Dr.med. Scholz, Ellen04758 Oschatz

27. 09. Dr.med. Zacharias, Klaus08645 Bad Elster

28. 09. Dr.med. Otremba, Helga08412 Königswalde

28. 09. Dipl.-Med. Scheffel, Peter08349 Erlabrunn

28. 09. Dr.med. Simon, Rita09127 Chemnitz

29. 09. Dr.med. Driesnack, Rainer01936 Schwepnitz

29. 09. Dr.med. Freund, Helga08064 Zwickau

29. 09 Herrmann, Heidemarie08112 Wilkau-Haßlau

29. 09. Möbius, Antje09127 Chemnitz

30. 09. Dr.med. Beuthner, Dietmar08060 Zwickau

30. 09. Dr.med. Grimm, Sigrid08312 Lauter

30. 09. Dr.med. Schubert, Monika08648 Bad Brambach

65 Jahre01. 09. Dr.med. Kotte, Sigrid

01277 Dresden03. 09. Hander, Eberhard

08539 Leubnitz03. 09. Dr.med. Hanisch, Inge

02733 Cunewalde04. 09. Prof. Dr.med.habil. Keßler, Lutz

01309 Dresden07. 09. Dr.med. Fuhrmann, Marita

04205 Leipzig09. 09. Dr.med. Langer, Hans

01587 Riesa10. 09. Dr.med. Götz, Annerose

02828 Görlitz11. 09. Dr. med. Knitter, Hannelore

08056 Zwickau11. 09. Weis, Anita

08527 Plauen13. 09. Dr.med. Grethe, Ursula

09465 Sehma14. 09. Dr.med. Hofmann, Regina

09123 Chemnitz14. 09. Dr.med. Pirlich, Ingrid

04357 Leipzig14. 09. Dr.med. Ziehank, Eberhard

08468 Reichenbach16. 09. Dr.med. Roch, Christiane

01326 Dresden

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Personalia

Ärzteblatt Sachsen 8/2001 391

17. 09. Dr.med. Vogel, Helga01277 Dresden

23. 09. Dr.med. Harms, Jürgen04824 Beucha

24. 09. Scherbak, Anatol01307 Dresden

26. 09. Dr.med. Matthes, Maria01277 Dresden

28. 09. Dr.med. Just, Gabriele04155 Leipzig

70 Jahre01. 09. Dr.med. Baumann, Irene

04105 Leipzig03. 09. Dr.med.habil. Kluge, Werner

01259 Dresden06. 09. Dr.med. Gebauer, Horst

01877 Bischofswerda08. 09. Dr.med. Geißler, Manfred

08349 Johanngeorgenstadt08. 09. Dr.med. Steudtner, Ursula

01217 Dresden12. 09. Dr.med. Dieter, Joachim

04808 Wurzen14. 09. Dr.med. Nicolai, Rainer

01616 Strehla20. 09. Dr.med. Lange, Waltraut

04416 Markkleeberg22. 09. Dr.med. Lippoldt, Roland

08144 Ebersbrunn23. 09. Dr.med. Hackel, Maria

01187 Dresden26. 09. Dr.med. Leicht, Johannes

09385 Lugau27. 09. Dr.med. Otto, Joachim

02763 Zittau

75 Jahre03. 09. Dr.med. Grimm, Hans

04157 Leipzig04. 09. Dr.med. Femmer, Klaus

01324 Dresden

80 Jahre05. 09. Dr.med. Olbrich, Hildegund

02625 Bautzen06. 09. Dr.med. Spielmann, Volker

04457 Mölkau20. 09. Prof. Dr.med.habil. Lange, Ehrig

01067 Dresden

81 Jahre12. 09. Dr.med. Zacharias, Horst

01187 Dresden21. 09. Prof.em.Dr.med.habil. Barke, Reinhard

01326 Dresden

82 Jahre03. 09. Dr.med. Münchow, Hildegard

01445 Radebeul06. 09. Dr.med. Fronius, Ingrid

01187 Dresden12. 09. Dr.med. Hisek, Ludwig

01239 Dresden19. 09. Dr.med. Nicolai, Margarete

09599 Freiberg23. 09. Dr.med. Woratz, Ursula

09456 Annaberg-Buchholz30. 09. Prof.Dr.med.habil. Feudell, Peter

95445 Bayreuth

83 Jahre14. 09. Dr.med. Bockelmann, Elfriede

04109 Leipzig

84 Jahre02. 09. Dr.med. Hanzl, Werner

02763 Zittau15. 09. Dr.med. Heintze, Hans-Georg

08606 Oelsnitz

86 Jahre16. 09. Dr.med. Meixner, Alfred

01816 Bad Gottleuba

90 Jahre20. 09. Dr.med. Storm, Herta

01109 Dresden

92 Jahre14. 09. Mitko, Regina

04435 Schkeuditz19. 09. Dr.med. Triembacher, Ella

09126 Chemnitz30. 09. Dr.med. Pastor, Herbert

01737 Tharandt

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Buchbesprechung

392 Ärzteblatt Sachsen 8/2001

Verlag Eppe GmbH, Bergareute2000, 408 Seiten, zahlr. Abb.,Graph., Tab., 29.80 DM

Der Autor des vorliegenden Buches, derbaden-württembergische Verwaltungs-jurist Dr. Gerhard Naser, hat eine beson-dere Beziehung zu Dresden. Er war von1991 bis 1994 zum Regierungspräsi-dium Dresden abgeordnet, um die Abtei-lung Gesundheit und Soziales aufzubau-en. Das Studium der zu „entsorgenden"Akten des ehemaligen Bezirksarztes fürden Bezirk Dresden führte ihn in dieStruktur des Gesundheitswesens derDDR ein. Die in diesen Jahren laufendenDiskussionen über die Weiterführungvon Polikliniken „in neuer Form“ oderdie Neugründung niedergelassener Pra-xen sensibilisierten ihn für die Suchenach dem historischen Hintergrund desProzesses der Umwandlung des Privat-arztes zum Kassenarzt.Er bearbeitete in großer Konsequenz dieEntwicklung der ambulanten medizini-schen Betreuung in dem Zeitabschnittvon 1945 bis 1961 in der SowjetischenBesatzungszone und in der DDR.Die Ergebnisse konnte er als Disserta-tion am Institut für Geschichte der Medi-zin, „Forschungsstelle Zeitgeschichte“der Freien Universität Berlin verteidi-gen, wurden zum Dr. rerum medicin-alium promoviert und legt sein Materialin dem vorliegenden Buch der Öffent-lichkeit vor.Der Weg zur staatlich verordneten Ein-richtung von Polikliniken wird in deneinzelnen Phasen beschrieben. Das Pround Contra belegt Herr Naser mitDokumenten und Zitaten und weist alsSchlussfolgerung darauf hin, dass Ende1947 eine mehr ablehnende als zustim-mende Meinung gegenüber denPolikliniken unter den ambulant tätigenÄrzten vorherrschte. Die von SED-Vertretern gemeinsam mit der SMADrealisierte Konsequenz in der Schaffungdes staatlichen Gesundheitswesens, spe-ziell der Polikliniken und des Be-triebsgesundheitswesens, demonstriert

er überzeugend. Die biographischenDetails sind gut zusammengestellt. DieUnklarheiten des Lebensweges, spezielldas Ende des aus Dresden stammendenPaul Konitzer, des ersten Präsidenten derDeutschen Zentralverwaltung für dasGesundheitswesen, werden nicht aufge-löst. Das Bild des geschickten Oppor-tunisten Karl Linser wird nicht kritischbeschrieben. Die Durchsetzung der Niederlassungs-ordnung vom 23. 2. 1949 zeigt den vonder SMAD in Übereinstimmung mit denneuen deutschen Behörden realisiertenStil, der keine in der Vorbereitung desErlasses vorgebrachten Bedenken ak-zeptierte. Mit juristisch geschulter Klar-heit werden die wichtigsten Einzelheitender Niederlassungsordnung und derHonorarordnung vorgestellt.Die Schilderung der Auseinanderset-zungen zwischen den Ärzten und denVertretern der politischen Macht im Ge-folge des Ärztevertrages von 1952 unddie „Schuldzuweisungen“ bei der Er-höhung des Krankenstandes beweisendie unsachliche Politisierung und dieUnnachgiebigkeit der Politik in denfrühen 50er Jahren.Der Autor versteht es mit seiner gewis-senhaften und aufmerksamen Art nach-zuweisen, dass in allen Prognose-papieren zum Gesundheitswesen derEinsatz der Ärzte in eigener Praxis uner-wähnt blieb, jedoch der Ausbau derstaatlichen Betreuungsformen immerhervorgehoben wurde. Das erste Ärzte-kommunique vom 16. 9. 1958 wird alstaktisches Manöver der SED einge-schätzt. Die Weimarer Gesundheitskon-ferenz und das zweite Ärztekommuni-que werden als partiell reaktiveZugeständnisse auf die Ärzteflucht unterBeibehaltung der Grundtendenz derVerstaatlichung dargestellt. Mit denzitierten Lageanalysen der AbteilungGesundheitspolitik beim ZK der SEDbelegt der Autor die Kenntnis der Parteivon der Situation und den Gründen fürdie Ärzteflucht.Bei der Diskussion des Niederlassungs-

rechtes belegt Herr Naser die in derDDR vorhandene Divergenz von SED-Führungskräften mit realistischer Ein-schätzung und dogmatisch orientiertenPhantasten ohne Akzeptanz der Wirk-lichkeit. Die Dokumentation des „Neu-städter Gesprächs“ vom 20. 9. 1961 istein Zeichen für die Haltung und Zivil-courage von Ärzten aus der DDR, fünfWochen nach der Errichtung der Ber-liner Mauer. Das aus der politischenHaltung abgeleitete Ziel der DDR wardie Verdrängung der Ärzte aus eigenerPraxis. Der Autor beweist den Erfolg mitden von ihm zitierten Zahlen von 6.291niedergelassenen Ärzten im Jahr 1949gegenüber 396 im Jahr 1989.Die Dokumente im Text und im umfang-reichen Anhang illustrieren die geschil-derten Entwicklungslinien. Im laufendenText und ausgeprägt im zusammenfas-senden Schlusswort wird die MotivationNasers für die ausführliche und sachge-rechte Aufarbeitung der Geschichte desambulanten Gesundheitswesens deut-lich. War die radikale Umstrukturierungauf der Grundlage des Einigungs-vertrages der richtige Weg? Der Ruf inder Gegenwart nach einer Gesundheits-reform symbolisiert die Unzufrie-denheit. Der Autor entlässt uns mit derihn bewegenden, seit Rudolf Virchow1848 aktuellen Feststellung: „Einesoziale Medizin zu gestalten, die dasmerkantile Denken ablöst, bleibt eineoffene Fragen“.

Albrecht Scholz, Dresden

Gerhard Naser

Hausärzte in der DDR: Relikte des Kapitalismus oderKonkurrenz für die Polikliniken?

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Verschiedenes

Ärzteblatt Sachsen 8/2001 393

Am 30. 10. 2000 versammelten sich dieTeilnehmer des Hilfstransportes der „Dia-konie Annaberg“ vor der St. Annen Kir-che. Herr Pfarrer Renzig verabschiedetedie freiwilligen Teilnehmer mit einerkurzen Andacht. Man betete gemeinsamdas Vater Unser und Pfarrer Renzigsprach den Segen.Organisiert wurde dieser Transport durchHerrn Marc Schwan, welcher schon gutzwei Dutzend Transporte nach Weiß-russland, Ukraine, Kossovo und Bosnienorganisiert und durchgeführt hat. Kurznach 9 Uhr brachen wir in RichtungGörlitz auf, welches nach Zwischenstoppauf dem Zollhof in Chemnitz gegen Mit-tag erreicht wurde. Hier herrschte wegender bevorstehenden Feiertage in Deutsch-land und Polen (Reformationstag am31. 10. und Allerseelen am 1. 11.) eineungewohnte Ruhe, da an den FeiertagenLKW’s Fahrverbot haben, so dass diesonst üblichen, durch langes Warten undAnstehen verzögerten, Zollformalitätenin zwei Stunden erledigt waren.Ohne größeren Halt ging es dann wäh-rend der Nacht in Richtung Warschauund Bialistok zur weißrussischen Gren-ze, die am frühen Nachmittag des 31. 10.2000 erreicht wurde. Die Formalitätenwaren wieder einmal sehr langwierigund es dauerte viele Stunden und erfor-derte mein energisches Eingreifen, umdas Tempo zu beschleunigen.Der Transport wurde von Dr. AlexanderAlexandrowitsch, dem Chef der geburts-hilflichen Klinik in Grodno, in Empfanggenommen und nach Grodno geführt. Esdämmerte schon, als wir gegen 18.00 Uhrdas orthodoxe Kloster „Zur hohen GeburtChristi“, unser Quartier in Grodno, erreich-ten. Die Ladung unseres LKW’s wurde amnächsten Tag pünktlich durch den örtlichenZoll abgenommen. Eine kleine TruppeSoldaten entluden dann die Fracht.Unser Wunsch nach einem Banjabesuch(Russische Sauna) wurde in einem typi-schen Bauernhaus außerhalb der StadtGrodno erfüllt.Banja das ist: Birkenreiser zum Schla-gen, Hitze zum Schwitzen und gutes

Hilfstransport der »Diakonie Annaberg«nach Grodno/Weißrussland

Essen mit viel Wodka.Am 2. 11. 2000 wurdedas Kinderheim mit 87Kindern, der zweite An-laufpunkt unseres Hilfs-transportes, aufgesucht.Von diesen Kindern istder größte Teil keineWaisen, sondern verlas-sene und ausgesetzteKinder von 0 bis 5Jahren.In Weißrussland kannjede Frau nach derEntbindung von einemKind die Annahme undVersorgung des neuenErdenbürgers verwei-gern. Das Krankenhaus ist verpflichtet,die weitere Versorgung und Unter-bringung in einem Heim zu garantieren.Das Heim wird vorzüglich von einerÄrztin geleitet, es ist sehr sauber undräumlich großzügig ausgestattet. Sonstfehlt es an allem. Die mitgebrachtenGüter (Kinderwagen, Wäsche, Lebens-mittel, vor allem auch Nahrung fürAllergiker, Spielsachen und Plüschtiere)wurde mit großer Freude aufgenommen.Die großzügigen finanziellen Spendender Gemeinden Annabergs und Umge-bung ermöglichten uns, dringend benö-tigte Möbel direkt zu finanzierenDadurch können weißrussische Arbeits-plätze gefördert und die Mittel effektivereingesetzt werden.Am Nachmittag erfolgte ein Besuch ineiner der größten Glasbläsereien Weiß-russlands, in Beresowka, zirka 135 kmnordöstlich von Grodno.Es war außerordentlich beeindruckend,dass hier noch reine Handarbeit mit jahr-hundertealter Tradition unter recht aben-teuerlichen Bedingungen ausgeübt wird.Man hatte, um den Menschen Arbeit zugeben und zu erhalten, alle automati-schen Fertigungsstrecken außer Betriebgesetzt. Und so fanden wir eine fast sur-realistisch wirkende Betriebsamkeit vonHand mit erschreckender Vernachlässi-gung jeglichen Arbeitsschutzes vor.

Vormittags am 3. November 2000 zeigtesich die Stadt in üppigem Fahnenrot ge-schmückt.Zu unserer Überraschung erfuhren wir,dass Weißrussland als einzige ehemaligeSowjetrepublik die „Große SozialistischeOktoberrevolution“ offiziell im herge-brachten Stil feiert. Dr. AleksanderAleksandrowitsch begleitete uns dannliebenswürdigerweise an den Grenzüber-gang nach Polen, wo er uns sehr behilf-lich war, um die nötigen Formalitätenabzukürzen.Und es ging non stopp in RichtungWarschau und Görlitz. Vor der Deut-schen Grenze trennte sich der Konvoi,der begleitende Mini-Bus brachte michnach Leipzig zurück.

Es war mein vierter Hilfstransport mitMarc Schwan in die Urkraine oder Weiß-russland. Überraschungen und Schwie-rigkeiten gab es genug, aber wir hattenimmer einen Schutzengel dabei, dessenbin ich sicher!

Dr. Clemens WeissVorstandsmitglied der Sächsischen

Landesärztekammer