GESUNDHEITSNACHRICHTEN

Natürlich gesund leben | Januar 2005 | CHF 4.90| EURO 3.15

www.g-n.ch

Fit statt dick

Watsu: Wellness im Wasser

Sorgenkinder:dicke Kinder

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Inselspital Bern, 19.00 Uhr. In Badekleidund Gummischlappen sitze ich im winzi-gen Vorraum des hauseigenen Thermal-bads und warte. Das zweite Unterge-schoss des Kinderspitals ist menschen-leer. Kein Ton ist zu hören, auch nicht ausder Badehalle hinter der Milchglastür, wogerade eine Watsu-Therapie stattfindet.Auf dem Wochenplan an der Wand sind28 Stunden eingetragen: Watsu am Mor-gen, Watsu am Nachmittag, Watsu amAbend. Die in breiten Bevölkerungskrei-sen noch wenig bekannte Therapie fin-det hier offensichtlich regen Zulauf. Die Milchglastür öffnet sich. Eine Frau mit

klatschnassem Haar, ebenfalls im Bade-anzug, betritt den Raum. «Und, wiewar’s?» frage ich neugierig. «Wunderbar.Traumhaft», antwortet die Frau undbeginnt, sich mit einem Frotteetuchabzurubbeln. «Wie wunderbar?» will ichwissen, aber die Badenixe lächelt nurgeheimnisvoll: «Sie werden sehen.»An solche Schwärmerei ist der Watsu-Therapeut Christian Rothenbühlergewöhnt. «Viele entspannen sich bei derTherapie so tief, dass sie gar nicht fassenkönnen, was mit ihnen geschieht»,berichtet er, als wir wenige Minuten spä-ter bis zur Brust ins 35 °C warme Wasser

Lebensfreude & Wellness

Im warmen Wasser treiben, gedehnt, massiert undbewegt werden: Watsu oder Wasser-Shiatsu heisstdiese Form der tiefen Entspannung für Körper undGeist.

Eintauchen und wegschweben

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steigen. Wer die tiefe Entspannung vonKörper und Geist sucht, darf sich abernicht angestrengt darum bemühen,erklärt Rothenbühler. «Lassen Sie einfachalles auf sich zukommen. Schliessen Siedie Augen und atmen Sie ruhig, ich holeSie gleich ab.»Bevor ich mir ein Bild davon machenkann, was Rothenbühler mit «abholen»meint, spüre ich einen Arm um meineSchultern, der mich sanft mit sich zieht.Einen Augenblick später lösen sich mei-ne Füsse vom Boden, ohne dass ich auchnur einen Muskel bewegt habe, undschon hänge ich im «Schlepptau» desWatsu-Therapeuten, der mich geschicktdurchs spiegelglatte Wasser navigiert.Alles geschieht mit sanften, ruhigenBewegungen, die an Tai Chi erinnern.Der Watsu-Trainer versetzt meinen Kör-per in fliessende Bewegungen, schaukeltund zieht ihn in ausholenden Kreisendurchs Wasser. Schwerelos schwebe ichdahin. Die zierlichen Kunststoffbänder,die Rothenbühler vor dem Gang ins Was-ser um meine Knie legte, erweisen sichals effiziente Schwimmhilfen. Anstren-gungslos behalten meine Beine Ober-wasser – als läge ich im Toten Meer.

Im Reich der SchwerelosigkeitWährend der Watsu-Therapie wird nichtgeredet, wurde ich zuvor informiert. Daswäre auch schwer möglich, denn dasRauschen des Wassers in den Ohren ver-hindert jede Unterhaltung. Ich bin nichtunglücklich über die aquatischen Gehör-schutzpfropfen – so kann ich mich ganzmeinen Empfindungen hingeben. Der Therapeut hat inzwischen begonnen,Kopf, Nacken und Wirbelsäule mit sanf-tem Fingerdruck zu massieren. Jeder Griffist behutsam und konzentriert. Da ist kei-ne Spur von Hast oder «Murks» – daspure Kontrastprogramm zu einer rasan-ten Sportmassage. Watsu hilft, auf verschiedenen Ebenen

loszulassen, habe ich in der Broschüredes Instituts für Aquatische Körperarbeitgelesen. «Es lindert chronische Schmer-zen, löst Blockaden und Verspannungen,stimuliert den Energiefluss in den fein-stofflichen Meridianen und fördert dieBeweglichkeit.» Letzteres ist bereitsnach wenigen Minuten im Wasser spür-bar: Den kundigen Händen des Thera-peuten folgend, beginnt meine Wirbel-säule in sanft pendelnden und wellen-förmigen Bewegungen zu tanzen. Auchdie Hände, Ellbogen, Knie und Füssebewegen sich nach dem behutsamenLockern und Schütteln so geschmeidigwie Flossen. Immer wieder wechselnsich Massagegriffe, Bewegungsphasenund Ruhepausen ab. Zufrieden schwebeich in meinem Kokon aus Wasser undgeniesse den Zustand, einmal nichts tunzu müssen. Einfach nur zu sein. Gesche-hen zu lassen. Der Kontrast zum moder-nen Lebensgefühl könnte nicht grössersein: Draussen Lärm, Leistung, Stress –hier Stille, Abschalten, Nichtstun. Mit dem Fortschreiten der Watsu-Lektionwerden die Atemzüge immer langsamer,die Gedanken zusehends träge. Bilderdes Meeres tauchen vor dem innerenAuge auf. Es ist ein friedliches Meer, eineArt paradiesisches Urmeer – ohne Qual-len, Seeigel, Haifische oder wie auchimmer geartete Raubtiere.

Die Zeit steht stillVerwundert stelle ich fest, dass sich meinZeitgefühl davongestohlen hat. Wie vieleMinuten sind inzwischen vergangen?Keine Ahnung. Die Zeit scheint still zustehen. Dafür durchströmt mich ein tie-fes Gefühl der Harmonie, der Ruhe unddes Friedens. Kein Wunder wird Watsu immer häufigerauch in der Geburtsvorbereitung einge-setzt. Wer gebiert, muss Kontrolle aufge-ben und dem Körper vertrauen. DieserProzess wird beim Watsu spielerisch ein-

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geübt. Gleichzeitig fördert die aquatischeTherapie die Beweglichkeit in den Hüft-gelenken, entspannt den Beckenbodenund ermöglicht der werdenden Mutterdie Erfahrung des «Russischen-Puppe-Prinzips»: Sie schwebt geborgen imThermalwasser, das Kind in ihrem Bauchruht sicher im Fruchtwasser.Nach 60 Minuten ist der Watsu-Traum zuEnde. Der Therapeut hat mich sanft amBeckenrand abgestellt, die Füsse findenwieder Halt. Ich fühle mich entspanntund energievoll wie nach zwei WochenUrlaub. Ist Wasser-Shiatsu eine Art Wun-der-Relaxans? «In gewisser Weiseschon», meint Rothenbühler. «Vorausge-setzt, der Patient fühlt sich wohl im Was-ser. Auch ist es nicht jedermanns Sache,sich in einem Pool «blindlings» in dieArme eines wildfremden Menschen zubegeben. Manche Menschen habenMühe mit diesem recht engen Körper-kontakt.»Das ist mit ein Grund, weshalb jederWatsu-Sitzung ein Gespräch vorausgeht,in dem Vertrauen aufgebaut werdenkann. Das Vorgespräch bietet die Chance,zu erspüren, ob Sympathie und dieBereitschaft zu körperlicher Nähe vor-handen ist. «Niemand sollte sich entge-gen dem eigenen Empfinden behandelnlassen», erklärt Rothenbühler. Ein seriö-ser Therapeut kläre zudem vorher ab, obProbleme im Skelettbereich oder psychi-sche Schwierigkeiten vorhanden sind.Letzteres ist wichtig, weil das Watsu-Erlebnis sehr intensive Gefühle auslösenkann, was Menschen mit Abgrenzungs-schwierigkeiten oder mangelnder Bo-denhaftung mitunter überfordert. Fest steht, dass Watsu so tiefgreifendeEntspannungs-Impulse vermittelt, dassauch der hartgesottenste Kopfmenschirgendwann «abschaltet». Dieser Effektmacht die Therapie zum bewährtenHilfsmittel bei Stressbeschwerden, Ner-vosität, Hyperaktivität, Erschöpfung,

Schlafstörungen und Verspannungen.Auch Menschen mit Behinderungen amBewegungsapparat und Patienten mitchronischen Schmerzen können vomWasser-Shiatsu profitieren. Petra Horat

Wo? Wer? Wie teuer?

Die Adressen von qua-

lifizierten Watsu-

Therapeutinnen und

-Therapeuten erhalten

Sie beim Institut für

Aquatische Körperar-

beit Schweiz in

Schüpfen.

Tel. 031 872 1818

E-Mail: info@iaka.ch

www.watsu.ch/prakti-

zierende

Eine Stunde Watsu

kostet zwischen 80

und 120 Fr. Die Thera-

pie findet in Bädern

von Spitälern und

Pflegeheimen statt.

Watsu und Wata

Watsu, ein Kürzel für«Water» und «Shiatsu»,wurde von Harold Dull entwic-kelt. Der amerikanische Zen-Shiatsu-Therapeut entdeckte1980, dass sich die Entspan-nungswirkung der japanischenDruckpunkt-Massage im Was-ser steigern lässt.In der Schweiz wird Watsu seit14 Jahren angeboten, mittler-weile von über 90 Therapeu-tinnen und Therapeuten. Hierentwickelte sich sogar eineneue Form, die noch einenSchritt weiter geht: das Wataoder Wasser-Tanzen, bei demder Patient (mit Nasenklemme)auch unter Wasser bewegtwird. Watsu und Wata sind ge-schützte Begriffe, die nur vonBehandelnden benutzt werdendürfen, die einen vom Institutfür Aquatische Körperarbeit

Lebensfreude & Wellness

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