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S-O-S-Methode © für Großprojekte Kompetenzzentrum (Groß-)Projektmanagement (CC GroßPM) Version 3.1 März 2021

S-O-S-Methode für Großprojekte

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Page 1: S-O-S-Methode für Großprojekte

S-O-S-Methode© für Großprojekte Kompetenzzentrum (Groß-)Projektmanagement (CC GroßPM) Version 3.1 März 2021

Page 2: S-O-S-Methode für Großprojekte

Herausgebende Instanz Bundesverwaltungsamt (BVA) Abteilung VM Barbarastraße 1 50728 Köln

Kontakt Kompetenzzentrum (Groß-)Projektmanagement (CC GroßPM) www.grosspm.bund.de [email protected]

Stand März 2021

Erarbeitung Die Ursprungsversion dieses Dokuments wurde durch die Bundesstelle für Informationstechnik im Bundesver-waltungsamt, IT-Beratung in Zusammenarbeit mit den Firmen McKinsey & Company (2009), Inc., Capgemini Deutschland GmbH und 4Soft GmbH (2015) erstellt. Die vorliegende überarbeitete Version wurde durch das Kompetenzzentrum (Groß-)Projektmanagement (CC GroßPM) im Bundesverwaltungsamt erstellt.

Lizenz/Copyright Copyright © Bundesverwaltungsamt 2021 Die S-O-S-Methode© und alle zur Verfügung gestellten Vorlagen sind unter einer Creative Commons Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland (CC BY-SA 3.0 DE) publiziert. Sie können Text, Grafiken, Tabellen und Bildmaterialen unter folgenden Bedingungen nutzen und verbreiten:

Namensnennung — Sie müssen die herausgebende Instanz (Bundesverwaltungsamt) nennen.

Nennung der Lizenz

Weitergabe unter gleichen Bedingungen — wenn Sie das Material remixen, verändern oder anderweitig direkt darauf aufbauen, dürfen Sie Ihre Beiträge nur unter derselben Lizenz wie das Original verbreiten.

Details der Lizenz sind unter https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/ nachzulesen.

Haftungsausschluss/Nutzungsbestimmungen Eine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der S-O-S-Methode© und alle zur Verfügung gestellten Vorlagen kann trotz sorgfältiger Prüfung nicht uneingeschränkt übernommen werden. Das Bundes-verwaltungsamt übernimmt insbesondere keinerlei Haftung für eventuelle Schäden oder Konsequenzen, die durch die direkte oder indirekte Nutzung der angebotenen Inhalte entstehen. Das Bundesverwaltungsamt ist für die zur Nutzung bereit gehaltenen eigenen Inhalte nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Von diesen eigenen Inhalten sind Querverweise ("externe Links") auf die von anderen Anbieterinnen und Anbietern bereitgehaltenen Inhalte zu unterscheiden, die allein in der Verantwortung der anderen Anbieterinnen und Anbieter liegen. Soweit die hier zur Verfügung gestellten Inhalte Rechtsvorschriften, amtliche Hinweise, Empfehlungen oder Auskünfte enthalten, sind sie nach bestem Wissen und unter Beachtung größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Bei Unstimmigkeiten gilt jedoch ausschließlich die aktuelle amtliche Fassung, wie sie im dafür vorgesehenen amtli-chen Verkündungsorgan veröffentlicht ist. Etwaige rechtliche Hinweise, Empfehlungen und Auskünfte sind unverbindlich; eine Rechtsberatung findet nicht statt. Für das bereitgestellte Informationsangebot gilt folgende Haftungsbeschränkung: Das Bundesverwaltungsamt haftet nicht für Schäden, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung angebotener Informationen entstehen. Für etwaige Schäden, die beim Aufrufen oder Herunterladen von Daten durch Computerviren oder der Installation oder Nutzung von Software verursacht werden, wird nicht gehaftet.

Page 3: S-O-S-Methode für Großprojekte

Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Projektmanagerinnen und Projektmanager,

Die Projektarbeit in der öffentlichen Verwaltung nimmt einen immer höheren Stellenwert ein. Die Zahl der Projekte und deren Kosten steigen ebenso wie deren Größe und Komplexität.

Wir benötigen auch zukünftig Projektmanagerinnen und -manager aus eigenen Reihen, die sich in anspruchsvollen Projektumfeldern auskennen, zu Hause fühlen und große Projekte erfolgreich steu-ern können. Individuelle Projektmanagementkompetenz und der effektive Einsatz von Standards sind die fundamentalen Elemente, mit deren Hilfe Projekte, insbesondere Großprojekte der öffentlichen Verwaltung, zum Erfolg geführt werden können.

Ich freue mich, dass das Bundesverwaltungsamt seit 2009 hierzu einen wesentlichen Beitrag leistet. Unser Kompetenzzentrum (Groß-)Projektmanagement (CC GroßPM) unterstützt Sie in der Projektar-beit und stellt Ihnen umfangreiches Wissen, auf die Projektpraxis zugeschnittene Methoden und Werkzeuge sowie projektbegleitende Beratung zur Verfügung.

Die bei uns im BVA entwickelte S-O-S-Methode© für Großprojekte und das zugehörige S-O-S-Handbuch werden vom CC GroßPM kontinuierlich weiter entwickelt und liegen jetzt in der Version 3.1 vor.

Wir haben viele Praxisanregungen aufgegriffen und eine umfassende Überarbeitung vorgenommen:

Die Module, Vorlagen und Checklisten des Projektmanagements wurden vollständig neu strukturiert und übersichtlicher gestaltet.

Der Grundaufbau ist modular gestaltet und wird stetig weiterentwickelt.

Mit dem neu entwickelten Projektkompass steht Ihnen ein zusätzliches Werkzeug zur Verfü-gung, mit dem Sie jederzeit ein Projektaudit durchführen können.

Geben Sie uns Feedback! Ihre Erfahrungen als Nutzerinnen und Nutzer der Methode dienen uns als wertvoller Input.

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen und erfolgreiche Projekte!

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Verenkotte

Präsident des Bundesverwaltungsamtes

Page 4: S-O-S-Methode für Großprojekte

Inhaltsverzeichnis Teil I: Einführung in die S-O-S-Methode© .............................................................................................................................. 10

A Einleitung .................................................................................................................................................................... 11

A.1 Hintergrund und Abgrenzung der S-O-S Methode ......................................................................................................... 11

A.2 Zielgruppen der S-O-S-Methode ................................................................................................................................... 12

A.3 Größenklassifizierung von Projekten in der S-O-S-Methode .......................................................................................... 12

A.4 Weiterentwicklung der Methode im BVA ..................................................................................................................... 13

B Grundlagen der S-O-S-Methode .................................................................................................................................. 14

B.1 Zentrale Bausteine der S-O-S-Methode ........................................................................................................................ 14

B.2 Projektstatusermittlung als Kernaufgabe ...................................................................................................................... 15

B.3 Phasen und Rollen in der S-O-S-Methode ..................................................................................................................... 17

Teil II: Projektmanagement-Module ..................................................................................................................................... 20

1 Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen ..................................................................................... 21

1.1 Ziele des Moduls ......................................................................................................................................................... 21

1.2 Umsetzungsprozesse ................................................................................................................................................... 22

1.3 Ergebnisdokumente ..................................................................................................................................................... 26

1.4 Rollen .......................................................................................................................................................................... 28

1.5 Erfolgsmessgrößen ...................................................................................................................................................... 29

1.6 S-O-S-Vorlagen ............................................................................................................................................................ 29

2 Vergabe- und Vertragsmanagement ............................................................................................................................ 30

2.1 Ziele des Moduls .................................................................................................................................................................. 30

2.2 Umsetzungsprozesse............................................................................................................................................................ 31

2.3 Ergebnisdokumente ............................................................................................................................................................. 36

2.4 Rollen ................................................................................................................................................................................... 37

2.5 Erfolgsmessgrößen ............................................................................................................................................................... 37

2.6 S-O-S-Vorlagen ..................................................................................................................................................................... 38

3 Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation ................................................................................................. 39

3.1 Ziele des Moduls .................................................................................................................................................................. 39

3.2 Umsetzungsprozesse............................................................................................................................................................ 40

3.3 Ergebnisdokumente ............................................................................................................................................................. 43

3.4 Rollen ................................................................................................................................................................................... 44

3.5 Erfolgsmessgrößen ............................................................................................................................................................... 44

3.6 S-O-S-Vorlagen ..................................................................................................................................................................... 45

4 Personalmanagement ................................................................................................................................................. 46

4.1 Ziele des Moduls .................................................................................................................................................................. 46

4.2 Umsetzungsprozesse............................................................................................................................................................ 46

4.3 Ergebnisdokumente ............................................................................................................................................................. 50

4.4 Rollen ................................................................................................................................................................................... 51

4.5 Erfolgsmessgrößen ............................................................................................................................................................... 51

4.6 S-O-S-Vorlagen ..................................................................................................................................................................... 51

Page 5: S-O-S-Methode für Großprojekte

5 Kommunikationsmanagement .................................................................................................................................... 52

5.1 Ziele des Moduls .................................................................................................................................................................. 52

5.2 Umsetzungsprozesse............................................................................................................................................................ 53

5.3 Ergebnisdokumente ............................................................................................................................................................. 61

5.4 Rollen ................................................................................................................................................................................... 61

5.5 Erfolgsmessgrößen ............................................................................................................................................................... 62

5.6 S-O-S-Vorlagen ..................................................................................................................................................................... 62

6 Projektplanung und -controlling .................................................................................................................................. 63

6.1 Ziele des Moduls .................................................................................................................................................................. 63

6.2 Umsetzungsprozesse............................................................................................................................................................ 64

6.3 Ergebnisdokumente ............................................................................................................................................................. 74

6.4 Rollen ................................................................................................................................................................................... 75

6.5 Erfolgsmessgrößen ............................................................................................................................................................... 76

6.6 S-O-S-Vorlagen ..................................................................................................................................................................... 76

7 Anforderungs- und Änderungsmanagement ............................................................................................................... 77

7.1 Ziele des Moduls .................................................................................................................................................................. 77

7.2 Umsetzungsprozesse............................................................................................................................................................ 77

7.3 Ergebnisdokumente ............................................................................................................................................................. 83

7.4 Rollen ................................................................................................................................................................................... 84

7.5 Erfolgsmessgrößen ............................................................................................................................................................... 85

7.6 S-O-S-Vorlagen ..................................................................................................................................................................... 85

8 Risikomanagement ..................................................................................................................................................... 86

8.1 Ziele des Moduls .................................................................................................................................................................. 87

8.2 Umsetzungsprozesse............................................................................................................................................................ 87

8.3 Ergebnisdokumente ............................................................................................................................................................. 90

8.4 Rollen ................................................................................................................................................................................... 91

8.5 Erfolgsmessgrößen ............................................................................................................................................................... 92

8.6 S-O-S-Vorlagen ..................................................................................................................................................................... 92

9 Qualitätsmanagement ................................................................................................................................................ 93

9.1 Ziele des Moduls .................................................................................................................................................................. 93

9.2 Umsetzungsprozesse............................................................................................................................................................ 93

9.3 Ergebnisdokumente ............................................................................................................................................................. 96

9.4 Rollen ................................................................................................................................................................................... 96

9.5 Erfolgsmessgrößen ............................................................................................................................................................... 97

9.6 S-O-S-Vorlagen ..................................................................................................................................................................... 97

Teil III: Anlagen .................................................................................................................................................................... 98

10 Projektmanagement-Standards .................................................................................................................................. 99

10.1 Projektmanagement-Standards des Bundes ........................................................................................................................ 99

10.2 Projektmanagement-Standards ........................................................................................................................................... 99

11 Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................................................................. 100

12 Glossar ...................................................................................................................................................................... 101

13 Praxistippverzeichnis ................................................................................................................................................ 108

Page 6: S-O-S-Methode für Großprojekte

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abgrenzung zwischen PM und GroßPM .......................................................................... 11

Abbildung 2: Projektgröße und ihre typischen Merkmale .................................................................... 12

Abbildung 3: Projektmanagement-Module beeinflussen die S-O-S-Dimensionen ............................... 14

Abbildung 4: 13 Faktoren bestimmen den Projekterfolg ...................................................................... 15

Abbildung 5: S-O-S-Dimensionen und die Projektmanagement-Module in den Projektphasen .......... 18

Abbildung 6: Prozesse zum Managen der Projektrahmenbedingungen ............................................... 22

Abbildung 7: Der Zusammenhang zwischen Motivation, Zielen und Nutzen ....................................... 22

Abbildung 8: Beispiel für vereinbarte Grundlagen der Zusammenarbeit ............................................. 23

Abbildung 9: Prozesse im Vergabe- und Vertragsmanagement ........................................................... 31

Abbildung 10: Varianten organisatorischer Projektkonstellationen ..................................................... 39

Abbildung 11: Prozesse zur Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation ............................. 40

Abbildung 12: Prozesse des Personalmanagements ............................................................................. 46

Abbildung 13: Anforderungen an Gesamtprojektleitung von Großprojekten in der öffentlichen Verwaltung ............................................................................................................................................ 48

Abbildung 14: Prozesse im Kommunikationsmanagement .................................................................. 53

Abbildung 15: Identifikation und Priorisierung von Stakeholderinnen und Stakeholdern ................... 55

Abbildung 16: Ansatz zur Priorisierung der Stakeholderinnen und Stakeholder/Zielgruppen ............. 56

Abbildung 17: Vorgehensweise zur Planung und Durchführung von Kommunikationsmaßnahmen ... 57

Abbildung 18: Aspekte der Kommunikationsplanung ........................................................................... 57

Abbildung 19: Checkliste für einen erfolgreichen Kommunikationsplan .............................................. 59

Abbildung 20: Prozesse der Projektplanung und des Projektcontrollings ............................................ 64

Abbildung 21: Konkretisierung der Anforderungen im Verlauf eines Projekts ..................................... 68

Abbildung 22: Beispiel eines groben Projektplans ................................................................................ 70

Abbildung 23: Beispiel zur Erhebung des aktuellen Status in der Dimension Inhalt ............................ 71

Abbildung 24: Prozesse im Anforderungs- und Änderungsmanagement ............................................. 77

Abbildung 25: Kreislauf des Risikomanagements ................................................................................. 86

Abbildung 26: Prozesse des Risikomanagements ................................................................................. 87

Abbildung 27: Risikomatrix .................................................................................................................... 91

Abbildung 28: Prozesse des Qualitätsmanagements ............................................................................ 93

Page 7: S-O-S-Methode für Großprojekte

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Lebenszyklus eines Großprojekts ......................................................................................... 17

Tabelle 2: Rollen und Funktionen bei Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen 28

Tabelle 3: Chancen und Risiken von Festpreis- und Aufwandsprojekt ................................................. 33

Tabelle 4: Rollen und Funktionen im Vergabe- und Vertragsmanagement .......................................... 37

Tabelle 5: Rollen und Funktionen in der Festlegung der Projektorganisation ...................................... 44

Tabelle 6: Rollen und Funktionen im Personalmanagement ................................................................ 51

Tabelle 7: Typische Stakeholderinnen und Stakeholder in der öffentlichen Verwaltung im Überblick 54

Tabelle 8: Rollen und Funktionen im Kommunikationsmanagement ................................................... 62

Tabelle 9: Rollen und Funktionen in der Projektplanung ...................................................................... 76

Tabelle 10: Rollen und Funktionen im Anforderungs- und Änderungsmanagement ........................... 85

Tabelle 11: Rollen und Funktionen im Risikomanagement ................................................................... 92

Tabelle 12: Rollen und Funktionen im Qualitätsmanagement ............................................................. 97

Tabelle 13: Projektmanagement-Standards des Bundes ...................................................................... 99

Tabelle 14: Allgemeine Projektmanagement-Standards....................................................................... 99

Page 8: S-O-S-Methode für Großprojekte

Zusammenfassung 8

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Zusammenfassung Das vorliegende Dokument beschreibt das Standardvorgehen beim Management von Großprojek-ten in der öffentlichen Verwaltung. Grundlage ist die für die Bundesverwaltung entwickelte S-O-S-Methode (S = Strategische Ausrichtung, O = Organisatorisches Umfeld und S = Systematisches Vorgehen) für das Großprojektmanagement. Die S-O-S-Methode setzt grundsätzlich gute Kennt-nisse im Projektmanagement sowie die Anwendung eines gängigen Projektmanagement-Modells (z. B. Wasserfall-Methode, Meilensteintrendanalyse, Agiles Projektmanagement etc.) voraus. Schwerpunkte sind dementsprechend die Themen, die über das normale Projektmanagement hinausgehen und für das Großprojektmanagement von Bedeutung sind.

In der hier beschriebenen Methode wird ein Projekt als Großprojekt bezeichnet, wenn es hoch komplex ist, das heißt Ebenen übergreifende Projektstrukturen (z. B. Bund-Länder-Kommunen), und der Gesamtaufwand mehr als 50 Personenjahre oder über 10 Mio. EUR Budget beträgt. Großprojekte in der öffentlichen Verwaltung werden durch etliche Besonderheiten geprägt: So können sie z. B. auf einem gesetzlichen Auftrag basieren. Bei der Projektplanung und -durch-führung sind spezielle Rechtsgrundlagen wie Vergabe- und Haushaltsrechte zu berücksichtigen. Besonders ausgeprägte politische Dimensionen erfordern besonderes Augenmerk auf Kommuni-kation und Kooperation.

Die Methode fokussiert sich auf bestimmte Projektmanagement-Module, die gezielt von der Pro-jektleitung und dem Projektteam bearbeitet werden können. Sie nutzt zur Analyse und Bewertung der Projekte 13 Faktoren, die für den Erfolg von Großprojekte in der öffentlichen Verwaltung von hoher Bedeutung sind.

In Teil 1 „Einführung in die S-O-S-Methode“ werden die Methode und ihr zentraler Bestandteil, die Statusprüfung der Projekterfolgsfaktoren, vorgestellt. Teil 2 „Projektmanagement-Module“ befasst sich ausführlich mit den einzelnen Aufgabenbereichen („Modulen“), die für das Manage-ment von Großprojekten essentiell sind, und ihren Schnittstellen untereinander. Ergänzend sind in jedem Kapitel zahlreiche Praxistipps integriert. Teil 3 umfasst verschiedene Anlagen, wie Kurz-übersichten zu Projektstandards und ein Glossar.

Neben diesem Methodenhandbuch umfasst die S-O-S-Methode einen Katalog von anpassbaren Vorlagen für die erfolgreiche Projektpraxis sowie das Excel-Werkzeug „Projektkompass“, welches sich u.a. an Fragen zu den 13 Erfolgsfaktoren orientiert und einen schnellen Projektüberblick er-möglicht.

Die S-O-S Methode wird sukzessive weiterentwickelt. Angedacht sind u. a. das Thema agiles Vor-gehen sowie eine Sammlung von Praxisbeispielen.

Page 9: S-O-S-Methode für Großprojekte

Hinweise zum vorliegenden Dokument 9

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Hinweise zum vorliegenden Dokument Das Dokument umfasst drei Teile.

Teil I „Einführung in die S-O-S-Methode“: Die Grundlagen der Methode und die Statusprü-fung der Projekterfolgsfaktoren, werden detailliert vorgestellt.

Teil II „Projektmanagement-Module“: Mit den für Großprojekte wichtigen Aufgabenberei-chen (hier als „Projektmanagement-Module“ bezeichnet) befasst sich Teil II. Das Dokument liefert keine grundlegende und umfassende Beschreibung dieser Module, sondern fokus-siert sich auf die Aspekte, die bei Großprojekten besonders und ggf. zusätzlich zu beachten sind. Es verweist auf gängige Projektmanagement-Standards. Darüber hinaus wird in den Kapiteln auf die passenden Vorlagen hingewiesen.

Alle Kapitel in Teil II sind gleich aufgebaut und gliedern sich nach: 1. Ziele 2. Umsetzungsprozesse (unterteilt in initiale und laufende Prozesse mit ihren jeweiligen

Unterprozessen, eingeleitet mittels einer Abbildung) 3. Ergebnisdokumente 4. Rollen 5. Erfolgsmessgrößen 6. S-O-S-Vorlagen

Teil III „Anhang“: Hier finden sich weiterführende Informationen sowie ein Glossar, das Ab-kürzungsverzeichnis und das Verzeichnis von Praxistipps.

Eine Sammlung von Vorlagen, gegliedert nach Projektmanagement-Modul und Lebenszykluspha-se, ergänzt das vorliegende Dokument. Neben typischen Vorlagen (z. B. grober Projektplan, Sta-tusbericht, Offene-Punkte-Liste) enthält die Sammlung auch Dokumente und Checklisten, die sich insbesondere an der hier beschriebenen S-O-S-Methode orientieren.

Zur Ermittlung des Projektstatus gibt es das Excel-Werkzeug „Projektkompass“, welches das Projekt an den Anforderungen der Erfolgsfaktoren der S-O-S-Methode spiegelt. Es hilft dabei, die konkrete Ausgestaltung des Projektmanagements gegen die hier vorgeschlagenen Hinweise zu prüfen. Es kann z. B. dazu dienen, die Angemessenheit einer vorhandenen Projektplanung für ein komplexes Großprojekt zu prüfen.

Das Bundesverwaltungsamt legt Wert auf Gleichstellung und Anti-Diskriminierung, dazu gehört auch der geschlechtssensiblen Umgang mit Sprache. Alle Formulierungen im S-O-S-Handbuch und den Vorlagen beziehen sich ausdrücklich gleichermaßen auf Frauen, Männer sowie Diverse. Weib-liche und männliche Formen werden, soweit es keine geschlechtsneutrale Form gibt, abwechselnd in nicht wertender Reihenfolge genannt.

In diesem Dokument wird in der Regel von Organisationen, Entitäten und Behörden gesprochen. In allen Fällen sind damit alle Arten von Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung gemeint.

Besonderheiten beim Management von Großprojekten der öffentlichen Verwaltung und wichti-ge Merker sind schnell erkennbar: sie sind in Praxistipps-Kästen formatiert und seitlich mittels Symbol gekennzeichnet (s. unten).

Praxistipp 1-1: XYZ

→ Dies ist ein Beispieltext für einen Praxistipp. Kernaussagen sind zur besseren Lesbarkeit fett markiert.

Page 10: S-O-S-Methode für Großprojekte

Teil I: Einführung in die S-O-S-Methode© 10

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Teil I: Einführung in die S-O-S-Methode©

Page 11: S-O-S-Methode für Großprojekte

Einleitung 11

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

A Einleitung Auf Grund ihrer Komplexität und spezieller Rahmenbedingungen stellen Großprojekte in der öf-fentlichen Verwaltung besondere Anforderungen an das Projektmanagement. Enormer Umfang, hohe Komplexität, besondere Gesetze, große Auswirkungen auf Organisation und Öffentlichkeit sind nur einige davon, mit denen die Projektleitung umgehen muss. Die S-O-S-Methode wurde entwickelt, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, und hat sich als eine Standardmethodik in der öffentlichen Verwaltung bewährt.

Die S-O-S-Methode besteht aus dem vorliegendem Methodenhandbuch und einer Vielzahl indivi-duell anpassbarer Vorlagen für die Projektpraxis. Sie wird ergänzt durch ein neu entwickeltes Excel-Werkzeug, mit dem ein schneller und präziser Projektstatus angezeigt werden kann.

Bei einer stringenten Anwendung trägt die Methode maßgeblich dazu bei, dass Projektziele inner-halb des geplanten Zeit- und Budgetrahmens erreicht und Großprojekte erfolgreich durchgeführt werden.

A.1 Hintergrund und Abgrenzung der S-O-S Methode

Die S-O-S-Methode ersetzt keine der gängigen Projektmanagementmethoden oder -standards, sondern stellt eine sinnvolle Ergänzung dar. Ihr Fokus liegt ausdrücklich auf den für das Großpro-jektmanagement spezifischen Themen.

Für den Einsatz der S-O-S-Methode werden Kenntnisse allgemeiner Projektmanagementmetho-den und -standards vorausgesetzt. Daher liefert das Handbuch keine grundlegende Beschreibung, sondern gibt nur eine kurze Übersicht über gängige Projektmanagement-Standards in Teil III „An-lagen“.

Abbildung 1: Abgrenzung zwischen PM und GroßPM

Ab wann ein Projekt als Großprojekt gilt, wird meist anhand bestimmter Indikatoren bestimmt. In der hier beschriebenen Methode wird ein Projekt als Großprojekt bezeichnet, wenn es hoch kom-plex ist und der Gesamtaufwand mehr als 50 Personenjahre beträgt oder das Budget über 10 Mio. EUR liegt. Auch die Auswirkungen, die ein Projekt und daraus resultierende Änderungen auf die Gesamtorganisation haben, können als Indikator dienen.

Für mehr Informationen zur Größenklassifizierung von Projekten wird auf Teil III „Anlagen“ ver-wiesen.

Page 12: S-O-S-Methode für Großprojekte

Einleitung 12

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Um die S-O-S-Methode anwenden zu können, müssen keine besonderen technischen Vorausset-zungen geschaffen werden. Für die Nutzung der Vorlagen und des Werkzeugs „Projektkompass“ ist MS-Office erforderlich.

A.2 Zielgruppen der S-O-S-Methode

Die Methode richtet sich an drei Zielgruppen:

Projektauftraggeberinnen und Projektauftraggeber, denen die Methode eine Hilfestel-lung für die Projektanbahnung bietet und dabei hilft, ein geplantes Vorhaben sowie des-sen Auswirkungen besser einschätzen zu können.

Projektleitung und Projektteam, die durch die Methode gezielt unterstützt werden und denen sie standardisierte Vorlagen zu den verschiedenen Bausteinen des Großprojektma-nagements zur Verfügung stellt.

Beraterinnen und Berater im Bereich Großprojektmanagement, denen die Methode Hil-festellung für ihre Beratungseinsätze an die Hand gibt.

A.3 Größenklassifizierung von Projekten in der S-O-S-Methode

Einen Überblick über die unterschiedlichen Projektgrößen gibt nachfolgende Abbildung. Ein Groß-projekt unterscheidet sich von kleinen oder mittelgroßen Projekten durch seinen überdurch-schnittlich großen Umfang und die damit verbundene Komplexität. Diese stellt besondere Anfor-derungen an das Projektmanagement.

Abbildung 2: Projektgröße und ihre typischen Merkmale

Page 13: S-O-S-Methode für Großprojekte

Einleitung 13

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Die S-O-S-Methode definiert ein Projekt als groß, wenn es eines oder mehrere der folgenden Merkmale erfüllt:

Personalaufwand > 50 Personenjahre: Wenn die für ein Projekt insgesamt erforderlichen personellen Ressourcen (= die Summe der Einsatzzeiten aller internen und externen Pro-jektbeteiligten) 50 Personenjahre übersteigen, handelt es sich in der Regel um ein Großpro-jekt. Dies entspricht z. B. 100 Personen, die ein Projekt mit einer Länge von 6 Monaten durchführen.

Gesamtbudget > 10 Mio. Euro: Wenn das Projektbudget insgesamt ein Volumen von 10 Millionen Euro übersteigt, handelt es sich in der Regel um ein Großprojekt.

Überdurchschnittlich komplexe Projektstruktur: Wenn die Organisationsstruktur eines Pro-jekts überdurchschnittlich komplex und der damit verbundenen Managementaufwand er-heblich ist. Beispiele hierfür sind Projekte mit sehr vielen Beteiligten oder Projekte, die mehrere, voneinander weitgehend unabhängige Verwaltungsebenen umfassen (z. B. Bund-Länder-Projekte oder Projekte mit mehreren EU-Mitgliedsstaaten).

Hohe Wichtigkeit: Wenn das Scheitern eines Projekts erhebliche politische Kosten mit sich bringt oder wenn ein Projekt von existenzieller Bedeutung für die durchführende Organisa-tion ist. Das ist ein Kriterium, welches in der öffentlichen Verwaltung im Gegensatz zur Pri-vatwirtschaft häufig Anwendung findet.

Ab dem oben dargestellten Projektumfang Mega/Programm sind die Methoden des Großpro-jektmanagements allein nicht mehr ausreichend. Um ein Vorhaben weiterhin zielorientiert zu steuern, sind dann zusätzliche Aktivitäten aus dem Bereich des Programmmanagements erforder-lich. Das Thema Programmmanagement soll zukünftig in einem gesonderten Dokument des Kom-petenzzentrums (Groß-)Projektmanagement behandelt werden.

A.4 Weiterentwicklung der Methode im BVA

Das Bundesverwaltungsamt (BVA) stellt mit dem Kompetenzzentrum (Groß-)Projektmanagement (CC GroßPM) eine Plattform für die Erarbeitung und Verbreitung von Best Practice Wissen zum Management von Projekten und Großprojekten in der öffentlichen Verwaltung zur Verfügung. In dieser Funktion betreut das CC GroßPM unter anderem die Veröffentlichung und Weiterentwick-lung der S-O-S-Methode. Neue Erfahrungen und Erkenntnisse werden kontinuierlich in die Me-thode eingearbeitet.

Das CC GroßPM verfolgt das Ziel, ein umfassendes Netzwerk zum Thema (Groß-)Projekt-management in der öffentlichen Verwaltung aufzubauen.

Alle, die das Handbuch lesen und die Methode anwenden, seien an dieser Stelle ermutigt, ihre Erfahrungen mit (Groß-)Projekten und ihre Anregungen und Tipps an das CC GroßPM zu kommu-nizieren und damit wichtigen Input zu liefern.

Page 14: S-O-S-Methode für Großprojekte

Grundlagen der S-O-S-Methode 14

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

B Grundlagen der S-O-S-Methode Ziel der S-O-S-Methode ist es, ihre Anwenderinnen und Anwender konkret zu unterstützen, ein Großprojekt erfolgreich aufzusetzen und durchzuführen. Die Methode legt ihren Fokus auf alle wichtigen Schritte und Bausteine, an die bei einem Großprojekt in der öffentlichen Verwaltung gedacht werden muss. Sie baut auf zwei zentralen Bausteinen auf (Projektmanagement-Module, Projekterfolgsfaktoren), die nachfolgend erläutert werden.

In Großprojekten ist immer von unvorhergesehenen Ereignissen, neuen Anforderungen, Pla-nungsänderungen und anderen Änderungen auszugehen. Die Projektleitung muss frühzeitig mög-liche Engpässe und Risiken identifizieren und benötigt rechtzeitig die richtigen Informationen. Es gilt, diese sowie den Status des Großprojekts schnell und immer dann, wann erforderlich, ermit-teln zu können. Als Kernaufgabe sieht die S-O-S-Methode daher die Statusermittlung an, die wei-ter unten beschrieben wird.

B.1 Zentrale Bausteine der S-O-S-Methode

B.1.1 Projektmanagement-Module Projektmanagement von Großprojekten gliedert sich klassischerweise in verschiedene Aufgaben-bereiche. Die S-O-S-Methode unterscheidet folgende wichtige Aufgaben- und Handlungsbereiche, die sie als „Projektmanagement-Module“ bezeichnet:

1. Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen 2. Vergabe- und Vertragsmanagement 3. Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation 4. Personalmanagement 5. Kommunikationsmanagement 6. Projektplanung und -controlling 7. Anforderungs- und Änderungsmanagement 8. Risikomanagement 9. Qualitätsmanagement

Die S-O-S-Methode betrachtet ein Projekt und das dazugehörige Projektmanagement ganzheit-lich. Sie geht davon aus, dass die Projektleitung und das Projektteam durch gezielte Maßnahmen innerhalb dieser Module auf die drei S-O-S-Dimensionen einwirken (siehe Abbildung 3) und damit auch die Erfolgsfaktoren positiv beeinflussen (siehe Abbildung 4).

Abbildung 3: Projektmanagement-Module beeinflussen die S-O-S-Dimensionen

Page 15: S-O-S-Methode für Großprojekte

Grundlagen der S-O-S-Methode 15

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Die Module und ihre Schnittstellen untereinander werden im Teil II ausführlich vorgestellt.

B.1.2 Projekterfolgsfaktoren Enormer Umfang, hohe Komplexität, zunehmende Vernetzung, vielfältige Abhängigkeiten und besondere (rechtliche) Rahmenbedingungen – das zeichnet Großprojekte in der öffentlichen Verwaltung aus. Die Projektpraxis hat gezeigt, dass es 13 Faktoren gibt, die in diesem Kontext von besonderer Bedeutung für den Projekterfolg sind.

In der Erstauflage des Handbuchs von 2009 wurden diese Faktoren den drei Dimensionen (S) Stra-tegische Ausrichtung, (O) Organisatorisches Umfeld und (S) Systemunterstützung (seit V 3.0: Sys-tematisches Vorgehen) zugeordnet. Damit hatte der Name „S-O-S-Methode“ seine Geburtsstun-de. Der Name bleibt, die bisherige Zuordnung im Handbuch fällt weg - zu Gunsten eines leichter anwendbaren Handbuches. Auf die strikte Zuordnung der Erfolgsfaktoren wurde in der aktuellen Ausgabe verzichtet, da sie nicht nur auf eine der drei Dimensionen, sondern in unterschiedlichem Maße auf mehrere Dimensionen einwirken können.

In der nachfolgenden Abbildung werden die 13 Erfolgsfaktoren aufgelistet.

Abbildung 4: 13 Faktoren bestimmen den Projekterfolg

Diese Faktoren bilden die Basis für die weiter unten erläuterte Projektstatusermittlung und die Fragen des Projektkompasses.

B.2 Projektstatusermittlung als Kernaufgabe

Von großer Bedeutung für die S-O-S-Methode ist die regelmäßige Überprüfung des Status der 13 Erfolgsfaktoren. Ein transparenter Projektüberblick, der zu jedem beliebigen Zeitpunkt möglich ist, stellt eine wichtige Voraussetzung für Risikominimierung und Budgeteinhaltung dar.

Die Statusüberprüfung erfolgt durch die Beantwortung einer Reihe von Prüffragen. Anhand dieser Fragen wird systematisch der Status jedes Projekterfolgsfaktors abgeklärt und dokumentiert. Dadurch werden die konkreten Felder identifiziert, in denen Handlungsbedarf besteht.

An dieser Stelle sei auf das neu entwickelte Werkzeug „Projektkompass“ hingewiesen, das einen solchen schnellen Projektüberblick ermöglicht. Es spiegelt das Projekt an den Anforderungen der Erfolgsfaktoren der S-O-S-Methode und hilft dabei, die konkrete Ausgestaltung eines Projektma-nagement-Moduls gegen die vorgeschlagenen Hinweise zu prüfen. Es kann z. B. dazu dienen, die

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Grundlagen der S-O-S-Methode 16

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Angemessenheit einer vorhandenen Projektplanung für ein komplexes Großprojekt zu prüfen. Die Resultate werden zusätzlich verdichtet mittels Ampelfarben dargestellt. Diese aggregierte Form dient einem schnellen Überblick, für Details dienen die dahinterliegenden Informationen.

Um einen ersten Überblick und Eindruck zu den Fragen zu geben, sind hier nachfolgend die 13 Erfolgsfaktoren anhand exemplarischer Fragen erläutert.

1. Klar definierte Projektziele: Sind die Projektziele eindeutig umrissen und formuliert? Sind sie realisierbar? Ermöglichen sie der Projektleitung eine Fokussierung und Priorisierung?

2. Wohldefinierter Nutzen und Wirtschaftlichkeit: Wurde der Wert bzw. der Nutzen der Lösung identifiziert – quantitativ und/oder qualitativ? Wurden Kosten und quantitative Nutzentreiber finanziell bewertet? Wurden für die qualitativen Nutzentreiber messbare An-spruchsniveaus definiert?

3. Einbindung der maßgeblichen Stakeholder und Stakeholderinnen: Tragen die maßgebli-chen Stakeholderinnen und Stakeholder die Projektziele sowie Nutzen und Wirtschaftlich-keit mit? Verfolgen alle die gleichen Prioritäten? Wenn nicht, sind mögliche Konflikte be-kannt und entsprechende Mechanismen zur Konfliktlösung abgestimmt? Gibt es Personen in der obersten Hierarchie, die ein besonderes Interesse am Projekt haben und sich für die Schirmherrschaft verantwortlich fühlen, einen Beitrag zu leisten?

4. Minimaler, stabiler Projektumfang: Ist der Umfang des Projekts so klein wie möglich, zu-gleich aber auch so groß wie nötig, um die gesetzten Ziele zu erreichen? Gibt es Prozesse, die dazu beitragen, den Umfang des Projekts in dessen Verlauf stabil zu halten und eine schleichende Ausweitung (sog. „scope creep“) zu vermeiden?

5. Robuste Vertragsgrundlage: Wurden externe Dienstleister einwandfrei und entsprechend der Vergaberichtlinien beauftragt? Sind Rechte und Pflichten der Vertragspartner umfas-send und eindeutig definiert? Sind für den Fall von Konflikten Eskalationsprozesse vorgese-hen und eingerichtet?

6. Unterstützung durch Behördenleitung: Ist die oberste Leitungsebene der beteiligten Entität(en) regelmäßig in das Projekt involviert? Trägt sie wichtige Entscheidungen mit? Stellt sie sich vor die Projektleitung, wenn es zu Krisen im Projekt kommt? Steht die obers-te Organisationsleitung als Diskussionspartner für die Entscheidungsfindung zur Verfügung?

7. Kompetente Projektleitung: Verfügt die für die Projektleitung verantwortliche Person über die nötige Kombination aus fachlicher Kompetenz, Erfahrung als Führungskraft, Energie, Hartnäckigkeit und politischem Fingerspitzengefühl? Hat sie im Rahmen der Projektorgani-sation den nötigen Spielraum und die Entscheidungskompetenz, um ihre Rolle erfolgreich ausfüllen zu können?

8. Qualifiziertes und motiviertes Projektteam: Sind alle Rollen im Projektteam mit fachlich kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt? Sind sie dem höheren Druck ei-ner Projektsituation gewachsen? Sind sie in der Lage, als überzeugender und gewinnen-der Botschafter des Projekts aufzutreten?

9. Ausgewogener Mix aus internen und externen Mitarbeitenden: Sind Schlüsselrollen von nachhaltiger Bedeutung mit internen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt? Wenn nicht, ist ein Transfer dieser Rollen zu Internen geplant? Stimmt das „Klima“ im Projekt, wachsen interne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und externe Dienstleister zu einem Team zusammen?

10. Einbeziehung der Nutzerinnen und Nutzer: Fließen die profunden Erfahrungen und die in der Regel umfangreichen Anforderungen der Nutzenden in die Konzeption der Lösungen, Prozesse, Schulungen etc. mit ein? Werden sie rechtzeitig und angemessen auf anstehende Veränderungen vorbereitet?

11. Verlässliche Schätzungen und Pläne, Mindesttransparenz über Projektstatus: Wurde das Budget lückenlos und zuverlässig geschätzt? Sind geplante Meilensteine erreichbar? Gibt es einen verlässlichen Überblick über die verbrauchten Ressourcen? Sind Restaufwände akku-rat geschätzt?

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Grundlagen der S-O-S-Methode 17

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

12. Angemessene Methoden, Verfahren und Werkzeuge: Ist das Vorgehen bei der Entwick-lung oder Einführung einer Lösung auf die Ziele und Rahmenbedingungen des Projekts sowie auf die verwendbare oder vorgesehene Technologie abgestimmt? Wurden passen-de Verfahren für die Qualitätssteuerung definiert und angewendet? Sind die Werkzeuge, etwa zur Projektplanung, angemessen für den Projektumfang und das Qualifikationsniveau der Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter?

13. Standardisierte, bewährte Technologien (nur relevant für IT-Projekte): Ist die vorgeschla-gene Lösung in der Lage, Volumen- und Skalierungsanforderungen des Projekts zu erfül-len? Ist die Lösung flexibel genug, um mit neuen Anforderungen mitzuwachsen? Gibt es Referenzprojekte, die hinsichtlich Größe und Komplexität vergleichbar sind und in denen die vorgesehenen Technologien bereits erfolgreich angewendet wurden?

B.3 Phasen und Rollen in der S-O-S-Methode

B.3.1 Projektphasen Projekte durchlaufen verschiedene Projektphasen. Die S-O-S-Methode unterteilt Großprojekte in sechs Phasen:

Lebenszyklus-phase

Beschreibung Kern-phase

Vorphase Entstehung und Formung des Vorhabens, aus dem letztlich der Bedarf für ein oder mehrere Großprojekte erwächst

Projektanbahnung Festlegung der Rahmenbedingungen, Projektantrag, Mittelbe-reitstellung, Projektstart, Genehmigung und Kickoff

Konzept Spezifikation des Projektergebnisses (oft in weitere Phasen für Grob- und Feinkonzept untergliedert)

Entwurf Festlegung der Lösung zur Umsetzung der Spezifikation

Umsetzung Realisierung, Test bzw. Prüfung, Inbetriebnahme

Betrieb und War-tung

Laufender Betrieb, Weiterentwicklung, Fehlerbehebung

Tabelle 1: Lebenszyklus eines Großprojekts

Die vier markierten Phasen (Projektanbahnung, Konzept, Entwurf und Umsetzung) sind die Kern-phasen eines jeden (Groß-)Projekts. Die Vorphase und die Betriebsphase sind keine Projektpha-sen im engeren Sinne, da wesentliche Projekteigenschaften fehlen, weil z. B. (noch) kein inhaltlich festgelegtes Ergebnis und keine festgelegten Endtermine vorliegen. In der Vorphase ist zudem noch nicht klar, wie sich ein in der Diskussion befindliches Thema in ein Projekt fassen lässt. Auf-grund des schwach ausgeprägten Projektcharakters der Vorphase und der Betriebsphase sind die Werkzeuge der S-O-S-Methode für diese beiden Phasen weniger relevant. Ihr Hauptanwendungs-gebiet sind die vier Kernphasen eines Großprojekts.

Besonders wichtig ist die Berücksichtigung der S-O-S-Methode bei der Projektanbahnung. Oft werden gerade hier – bei der Festlegung der Rahmenbedingungen und Ausrichtung der Projekt-ziele an den übergeordneten Zielen der Organisationseinheit bzw. an der politischen Agenda – Fehler begangen, die zum Scheitern eines Projekts führen können.

Der Zusammenhang zwischen den S-O-S-Dimensionen, Projektphasen und Projektmanagement-Modulen ist nachfolgend dargestellt.

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Grundlagen der S-O-S-Methode 18

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Abbildung 5: S-O-S-Dimensionen und die Projektmanagement-Module in den Projektphasen

B.3.2 Rollen im Projekt An Großprojekten sind in der Regel viele Personen in unterschiedlichen Rollen beteiligt. In der S-O-S-Methode sind die Rollen folgendermaßen definiert:

(Haupt-)Projektsponsoring/Projektauftraggeber, Projektauftraggeberin: Die Person oder Stelle, die Mittel bereitstellt und den Projektauftrag erteilt.

Projekteigner, Projekteignerin: Diese Person verantwortet das Projekt als Ganzes während der Projektlaufzeit. Sie verantwortet das Projektbudget während und nach der Projektge-nehmigung. Als erste Ansprechperson der Projektleitung bildet sie die Schnittstelle des Pro-jekts zur Organisation.

Projektauftragnehmer, Projektauftragnehmerin: Die Stellen/Organisationen, die für die Umsetzung des Projekts verantwortlich sind. Während die Begriffe „Auftragneh-mer/Auftragnehmerin“ im Vergabekontext in der Regel ein externes Dienstleistungsunter-nehmen bezeichnen, können die Begriffe „Projektauftragnehmer/Projektauftragnehmerin“ sowohl interne als auch externe Stellen bezeichnen.

Lenkungsausschuss: Entscheidungs- und Kontrollgremium eines Großprojekts, in dem Ver-treterinnen und Vertreter von Projektauftraggeber- und Projektauftragnehmerseite sowie wesentliche Stakeholderinnen und Stakeholder sitzen. Ggf. sind weitere Unterausschüsse eingerichtet.

Gesamtprojektleiter, Gesamtprojektleiterin: Diese Person trägt die Gesamtverantwortung für Projektergebnisse und Einhaltung der Projektziele (Termine, Qualität, Budget) sowie für die dafür notwendigen Projektmanagementprozesse. Sie berichtet direkt an den Lenkungs-ausschuss und den oder die Projekteigner, Projekteignerin.

Projektmanager, Projektmanagerin: Diese Person verantwortet die Ergebnisse und Einhal-tung der Ziele (Termine, Qualität, Budget) innerhalb eines Teilbereichs des Projekts (= meh-rere Teilprojekte) und die dafür notwendigen Projektmanagementprozesse. Sie berichtet di-rekt an die Gesamtprojektleitung.

Teilprojektleiterin, Teilprojektleiter: Diese Person verantwortet die Ergebnisse und Einhal-tung der Ziele (Termine, Qualität, Budget) innerhalb eines Teilprojekts und die dafür not-wendigen Projektmanagementprozesse. Sie berichtet an das Projektmanagement.

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Grundlagen der S-O-S-Methode 19

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Fachverantwortliche: Fachverantwortliche sind für ein bestimmtes Themengebiet verant-wortlich (z. B. für Risikomanagement, Qualitätsmanagement, Personalmanagement). Fach-verantwortlichen-Rollen können parallel auf Gesamtprojektebene und auf Teilprojektebene vorkommen (z. B. Gesamtprojekt-Risikomanagement und Teilprojekt-Risikomanagement). Die S-O-S-Methode benennt nur typische Fachverantwortlichen-Rollen für das Großpro-jektmanagement. Je nach Projektthemen sind weitere Fachverantwortlichen-Rollen (z. B. IT, Bau) zu definieren.

Projektunterstützung: Rolle mit Unterstützungsfunktionen, die für die jeweiligen Fachver-antwortlichen die Durchführung standardisierter Regelaufgaben übernimmt. Diese Rollen sind oft im Projektmanagement Office (PMO) angesiedelt.

Rollenbezeichnungen, vor allem für die Führungspositionen Gesamtprojektleitung, Projektma-nagement und Teilprojektleitung, variieren häufig. Die Rollenbezeichnungen in diesem Doku-ment sind daher nur ein Vorschlag und müssen nicht so wie hier beschrieben übernommen wer-den. Wichtig ist, dass die Rollen im Projekt einheitlich definiert sind und jeder Beteiligte die damit verbundenen Aufgaben und Verantwortungen kennt. Es ist durchaus möglich, dass mehrere Rollen und die damit verbundenen Aufgaben von einer Person ausgefüllt werden. Je größer und kom-plexer ein Projekt wird, umso schwieriger wird es jedoch, mehrere Rollen in einer Person zu ver-einen.

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Teil II: Projektmanagement-Module 20

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Teil II: Projektmanagement-Module

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Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen 21

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1 Festlegung und Überprüfung der Projektrahmen-bedingungen

Dieses Managementmodul muss kontinuierlich in allen Kernphasen eines Projekts angewendet werden – von der Projektanbahnung bis zum Abschluss der Umsetzung. Insbesondere zu Beginn eines Projekts ist dieses Modul von herausragender Bedeutung, da es den Gesamtrahmen für das Projekt definiert und so die Basis für alle Module schafft.

Bei Großprojekten empfiehlt es sich, vor Beginn des eigentlichen Projekts, in der Vorphase, eine Projektvorstudie durchzuführen. Im Rahmen einer solchen Vorstudie wird evaluiert, ob es über-haupt sinnvoll ist, das geplante Vorhaben (in Form eines Großprojekts) anzugehen. Der Prozess zur Erstellung einer Projektvorstudie gehört nicht zu den Kernphasen eines Großprojekts und wird daher hier nicht näher erläutert. Jedoch findet sich im Abschnitt „Ergebnisdokumente“ eine kurze Beschreibung der wesentlichen Punkte, die im Rahmen einer Projektvorstudie untersucht werden sollten. Die Projektvorstudie mündet im Regelfall in einer Entscheidungsvorlage, auf deren Basis entschieden wird, ob ein Großprojekt aufgesetzt wird oder nicht.

Aufgrund des voraussichtlich zu erwartenden langen Lebenszyklus eines Großprojekts muss sich ein Projektteam auf Wandlungen und Änderungen der Rahmenbedingungen einstellen und da-mit umgehen. Es ist daher wichtig, dass die Projektleitung die Rahmenbedingungen laufend überprüft, um einen solchen Änderungsbedarf zu erkennen und die nötigen Entscheidungspro-zesse zur Aktualisierung anzustoßen.

Wenn sich die Projektrahmenbedingungen ändern, und damit die Ziele nur noch durch andersar-tige Lösungen erreicht werden können, müssen auch die Anforderungen, Spezifikationen und Lösungen sowie die Projektorganisation entsprechend angepasst und dokumentiert werden.

1.1 Ziele des Moduls

Durch die Festlegung und Überprüfung der Rahmenbedingungen sollen folgende Ziele erreicht werden:

Klärung der Sinnhaftigkeit des Projekts: Bietet das Projekt (weiterhin) einen Mehrwert o-der sollte es gar nicht erst aufgesetzt bzw. gestoppt oder neu ausgerichtet werden?

Definition der Gesamtausrichtung des Projekts: Was sind die Ziele des Projekts (Zieldefini-tion z. B. nach SMART)? Welches Ziel ist wie wichtig (Zielhierarchie z. B. nach MoSCoW)? Welche (wünschenswerten) Ziele liegen außerhalb des Projektumfangs?

Klärung der Gesamtorganisation des Projekts: Wer sind die wesentlichen Beteiligten? Was sind die wesentlichen Aufgabenblöcke? Wer ist für welchen Aufgabenblock verantwortlich? Welcher Aufgabenblock soll in welchem Zeitraum abgearbeitet werden? Woher kommen die dafür erforderlichen Ressourcen? An welchen Grundregeln soll sich die Zusammenarbeit und Kommunikation der Projektbeteiligten orientieren? Wie geht man mit Konflikten um?

Definition des Beitrags der einzelnen Aufgabenblöcke: Welcher Bestandteil des Projekts trägt wie zu welchen Zielen des Projekts bei?

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Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen 22

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

1.2 Umsetzungsprozesse

Laufende Prozesse

Initiale Prozesse Grobplanung des Projekts

Erreichen einer gemeinschaftlichen Zielvision

Periodische Überprüfung der Projektrahmenbedingungen

Motivation &

Lösungsvision umreißen

Treiber

identifizieren

Zielvision und

Grundsätze

Ziel- und

Prioritäts-konflikte

Stufen- und

Meilensteinplan definieren

Grobes

Vorgehens-modell definieren

Kosten-

Nutzen-Analyse, Verant-wortliche

Projektcharta

erstellen

Projekt- und

Mittel-genehmigung

Projektziele auf

Relevanz und Erreichbarkeit prüfen

Einbindung

Stakeholder-innen, Stakeholder sichern

Ziele,

Terminpläne & Budgets aktualisieren

Abbildung 6: Prozesse zum Managen der Projektrahmenbedingungen

1.2.1 Initialer Prozess „Erreichen einer gemeinschaftlichen Zielvision“

1. Motivation und Lösungsvision für das Projekt umreißen

Zu Beginn des Projekts steht eine Idee, die dann in eine prägnante Motivation und Lösungsvision umzuwandeln ist. Eine gute Vision braucht nicht viele Worte, sie vermittelt ein großes Ziel auf klare und verständliche Weise (Beispiel: „Staufreies Ruhrgebiet“).

Abbildung 7: Der Zusammenhang zwischen Motivation, Zielen und Nutzen

Motivation und Vision ermöglichen dem Projektsponsoring und Projektbefürwortenden, die oberste Leitungsebene zu gewinnen und zu mobilisieren. Deren Unterstützung ist die Vorausset-zung dafür, in der Organisation überhaupt ein Projekt starten zu können.

Ebene Motivation Ziele Nutzen

Definition

Verknüp-fung

Übergreifende Treiber und Ziele des Großprojekts

Spezifische Ziele und Verbesserungen, die

durch Maßnahmen im Projekt erreicht werden

sollen

Konkrete Beschreibung der durch eine

Maßnahme erreichten Verbesserung (idealer-

weise quantitativ)

Ziel 1 Nutzen 1Motivation 1

Motivation 2

Ziel 2Nutzen 2

Ziel 3

Nutzen 3

Nutzen 4

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Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen 23

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

2. Treiber der Projektanbahnung identifizieren

Die Rolle Sponsor, Sponsorin als Mitglied der obersten Leitungsebene benötigt zumeist selbst Unterstützung, um die erhebliche Arbeit erledigen zu können, die mit der Initiierung eines Pro-jekts verbunden ist. Hierzu sucht sie einen Treiber – idealerweise die künftige Projektleitung. Je nach Anforderungsprofil sind aber auch andere Treiber denkbar (z. B. eine in Budgetierungs- oder Vergabeprozessen versierte Person, wenn zur Projektanbahnung entsprechendes Wissen vonnö-ten ist).

3. Gemeinsame Zielvision und Projektgrundsätze erstellen und abstimmen

In bilateralen Gesprächen gilt es, Erwartungshaltung und Zielkonflikte mit anderen Stakeholde-rinnen und Stakeholdern offen anzusprechen und den gemeinsamen Umgang damit festzule-gen. Anschließend wird eine Dokumentation der Zielvision erstellt, die die Interessen aller Sta-keholder und Stakeholderinnen repräsentiert.

Für die Zusammenarbeit im Projekt sollten Verhaltensgrundsätze festgelegt werden, diese können z. B. lauten:

Abbildung 8: Beispiel für vereinbarte Grundlagen der Zusammenarbeit

4. Entscheidungsregeln bei Ziel- und Prioritätskonflikten festlegen

Aus dem Kreis der Stakeholderinnen und Stakeholder formiert sich anschließend meist auch der Lenkungsausschuss des designierten Projekts, der fortan das oberste Entscheidungsgremium dar-stellt. Zu den Aufgaben des Lenkungsausschusses gehört u. a. die Billigung des Dokuments mit Projektmotivation, Zielen und Prioritäten. In diesem Dokument sollten auch die bei Analysen und

Praxistipp 1-1: Ansprüche der Stakeholderinnen und Stakeholder aktiv managen

→ Viele Stakeholderinnen und Stakeholder neigen dazu, ihr Sachgebiet gegenüber anderen Themen und dem Projektziel höher zu priorisieren als objektiv notwendig. In diesen Fällen emp-fiehlt sich die Definition eines begründbaren, akzeptablen Anspruchsniveaus für die Projektziele (z. B. statt „maximale Datensicherheit“ eher „Umsetzung von Sicherheitsstandards, die sich in anderen Projekten von vergleichbarer Komplexität, Sensibilität und Größe bereits bewährt ha-ben“).

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Interviews mit Stakeholdern und Stakeholderinnen aufgetretenen Konflikte offen dokumentiert werden, ebenso sollte die designierte Projektleitung einen Vorschlag zum Umgang mit diesen Konflikten machen. Vielfach sind solche Zielkonflikte nicht mit einer einmaligen Entscheidung gelöst. Der Lenkungsausschuss sollte aus diesem Grunde ein Eskalationsmodell verabschieden: wer ist zu involvieren, wenn eine Ebene im Projekt keine Einigung erzielen kann?

1.2.2 Initialer Prozess „Grobplanung des Projekts“

1. Groben Stufen- und Meilensteinplan definieren

In diesem Schritt werden die Fragen beantwortet, wann die verschiedenen Stufen der Lösung umgesetzt werden sollen und wieviel Zeit für die einzelnen Stufen vorzusehen ist.

Im Idealfall ist die Terminvorgabe entweder durch Inhalt und verfügbare Ressourcen bestimmt oder Inhalt und Ressourcen richten sich nach der Terminvorgabe. Abgeschätzt werden kann dies oft erst im Rahmen der Grobplanung. Diese dient deshalb auch der Überprüfung, ob die durch Stakeholderinnen und Stakeholdern bzw. Auftraggeberinnen und Auftraggebern vorgegebenen Termine und Budgets miteinander in Einklang zu bringen sind.

2. Grobes Vorgehensmodell definieren

Gerade in Großprojekten sollte das Vorgehensmodell mit Bedacht ausgewählt werden. Neben dem Vorgehensmodell ist auch ganz allgemein festzulegen, welche Teile des Projekts in welchem Umfang durch externe und/oder interne Mitarbeitende erledigt werden sollen.

3. Kosten-Nutzen-Analyse erstellen, Verantwortliche definieren

Im Rahmen der Erstellung der Kosten-Nutzen-Analyse müssen der voraussichtliche Aufwand und der dem Aufwand gegenüberstehende Nutzen erfasst und quantifiziert werden. Zudem sind die Verantwortlichen für die Ausschöpfung der Nutzenpotenziale und die Kosten zu definieren.

Die in der Kosten-Nutzen-Analyse festgeschriebenen Nutzenvorgaben des Projekts werden ideal-erweise von den maßgeblichen Stakeholderinnen und Stakeholdern gegengezeichnet. Änderun-gen sind ohne Entschluss des Lenkungsausschusses nicht zulässig.

4. Projektcharta erstellen

Die Projektcharta als Dokument fasst inhaltliche, finanzielle und technische Aspekte der Lösungs- und Projektdefinition zusammen und stellt damit eine Detaillierung/Konkretisierung der Projekt-ziele dar. Es wird empfohlen, dass der Projektauftraggeber, die Projektauftraggeberin sowie Pro-jektauftragnehmer, Projektauftragnehmerin und die Gesamtprojektleitung die Charta unter-schreiben, um so ihre Verpflichtung gegenüber dem Projekt zu zeigen.

5. Projekt- und Mittelgenehmigung erreichen

Am Ende der Anbahnung steht der förmliche Start für das Projekt. Grundlage dafür sind die in den vorausgegangenen Schritten erstellten Dokumente.

Damit das Projekt auch während einer langen Laufzeit über ausreichend Mittel und Personal verfügt, ist schon zu Beginn eine vollständige Budgetfreigabe bzw. Personalbereitstellung anzustreben. Für das Budget muss diese Freigabe sowohl auf der Ebene des Gesamtbetrags als auch auf der Ebene von Jahresbudgets erfolgen, häufig noch aufgeteilt in haushaltswirksame und

Praxistipp 1-2: Projektcharta entscheidet häufig über Erfolg und Misserfolg eines Projekts

→ Um von Beginn an ein gemeinsames Verständnis über Inhalte, Ziele, und Projektumfang zwi-schen den wichtigsten Beteiligten zu erhalten, ist eine Projektcharta unerlässlich. Es sollte genü-gend Zeit für die Erstellung der Projektcharta investiert werden. Erfahrungsgemäß bietet sich dafür die Durchführung eines ein- bis zweitägigen Workshops an.

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nicht haushaltswirksame Anteile. Ein Teil des Budgets (ca. 20 bis 30 %) sollte unbedingt als Risikopuffer für ungeplante Änderungen vorgehalten und nicht von vornherein verplant werden.

1.2.3 Laufender Prozess „Periodische Überprüfung der Projektrahmenbe-dingungen“

1. Projektziele auf Relevanz und Erreichbarkeit prüfen

Ändern sich die Rahmenbedingungen des Projekts, z. B. durch gesetzliche Änderungen, muss die Projektleitung die Auswirkungen auf die bisherigen Projektziele analysieren und überprüfen. Ebenso ist regelmäßig zu prüfen, ob der geplante Nutzen noch in der ursprünglichen Form ge-geben sein wird. Auch die Notwendigkeit des Projekts kann immer wieder in Frage gestellt wer-den, wenn alternative Lösungsmöglichkeiten gefunden werden oder sich andere Bedingungen geändert haben.

Die Überprüfung der Projektziele erfolgt durch das Projektmanagement-Modul „Projektplanung und -controlling“, und zwar im Rahmen der dort laufenden Planungs- und Controlling-Aktivitäten. Methodisch können hier die entsprechenden Prüffragen hinsichtlich Projektzielen, Kosten-Nutzen-Analyse und Projektumfang zum Einsatz kommen, die im Werkzeug „Projekt-kompass“ aufgeführt sind.

2. Einbindung der maßgeblichen Stakeholderinnen und Stakeholder sichern

Die Stakeholderinnen und Stakeholder auf das gemeinsame Ziel einzuschwören, ist keine einma-lige, sondern eine kontinuierliche Aufgabe. Es muss festgelegt werden wie und wann maßgebli-che Stakeholder und Stakeholderinnen eingebunden werden sollen. Das Stakeholdermanagement wird im Modul „Kommunikationsmanagement“ ausführlich erläutert.

Neben anlassbezogenen Gesprächen ist ein regelmäßiger bilateraler Austausch zwischen Pro jekt-leitung und den maßgeblichen Stakeholderinnen und Stakeholdern unerlässlich. Die Bespre-chungsform eines Jour fixe ist hierfür bewährt. In diesen Jour fixe sollte nicht der aktuelle Pro-jektstatus im Mittelpunkt stehen, sondern die gemeinsame Reflexion und Diskussion von Ent-scheidungen, Risikofaktoren und Prioritäten. Für den Projektleiter bzw. die Projektleiterin ist das Zuhören das wichtigste Mittel, um beginnende Zielkonflikte oder Zweifel an der Sinnhaf-tigkeit des Projekts früh erspüren und ergründen zu können.

Zur Überprüfung der Einbindung eignen sich wiederum die entsprechenden Prüffragen, die im „Projektkompass“ aufgeführt sind.

3. Ziele und Projektumfänge, Terminpläne und Budgets aktualisieren

Müssen Ziele oder sonstige Planungsparameter im Projekt geändert werden, gibt es verschiedene Handlungsmöglichkeiten, wie z. B.:

eine Reduzierung der vom Projekt zu liefernden Lösung (Descoping),

das Hinterfragen und Anpassen der (Qualitäts-)Ziele,

die Berücksichtigung von Lösungen außerhalb des ursprünglich vorgegebenen Lösungskor-ridors (und damit eine Änderung der Kosten-Nutzen-Analyse),

eine Reduzierung der Kosten,

die nochmalige Prüfung der Lösungsdetaillierung oder

die Delegation nach oben an den Lenkungsausschuss mit dem Auftrag, geänderte Rahmen-bedingungen (z. B. einen gestreckten Terminplan) zu schaffen.

Praxistipp 1-3: Projektziele regelmäßig prüfen

→ Dieser Prozess wird hier so explizit erwähnt, weil es in der öffentlichen Verwaltung häufig vorkommt, dass Ziele, Anforderungen und Spezifikationen nach Abschluss der Projektanbah-nungsphase nicht mehr in Frage gestellt werden.

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Die Notwendigkeit einer Änderung wird im Rahmen des Projektmanagement-Moduls „Projektpla-nung und -controlling“ erkannt. Im Projektcontrolling wird regelmäßig geprüft, ob es zu Abwei-chungen von den vorgegebenen Rahmenbedingungen gekommen ist.

1.3 Ergebnisdokumente

Es folgt ein Überblick über die empfohlenen Ergebnisdokumente des Moduls Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen. Der Zweck und die wesentlichen Inhalte jedes die-ser Dokumente werden im Folgenden kurz erläutert.

Projektvorstudie: Die Projektvorstudie enthält alle Inhalte, die für die Beurteilung der Sinn-haftigkeit eines geplanten Großprojekts relevant sind. Hierzu gehören typischerweise:

o Definition von Zielen und zu erwartenden Ergebnissen sowie deren Nutzen o Voraussichtlich zu betreibender Aufwand zur Erstellung der Ergebnisse o Zeitrahmen o Benötigte Ressourcen o Benennung der Rahmenbedingungen (z. B. Gesetze, Ressourcen- oder Zeitbe-

schränkungen, Vorgaben zu Mindestqualität) o Wesentliche Stakeholderinnen und Stakeholder o Risiken

Genehmigungsdokumente (Projektauftrag): Der Projektauftrag ist die offizielle Genehmi-gung des Projekts. Die spezifischen Inhalte dieses Dokuments hängen von den internen Vor-gaben der jeweiligen Organisation ab. In der Regel gibt es hierfür organisationsinterne Stan-dardformulare.

Projektmotivation, Ziele und Prioritäten: Dieses Dokument enthält in der Regel folgende Inhalte:

o Beschreibung der zentralen Motivation für die Durchführung des Projekts o Darstellung der wesentlichen Ziele, die mit dem Projekt erreicht werden sollen o Regelungen zur Priorisierung der einzelnen Ziele (zum Beispiel durch die Unter-

scheidung zwischen Muss-, Soll- und Kann-Zielen). Eine solche Zielhierarchie ist un-erlässlich, da sich Zielkonflikte in Großprojekten nicht vermeiden lassen.

Umsetzungsanalyse: Eine Umsetzungsanalyse untersucht, wie das Projekt umgesetzt wer-den kann. Typische Inhalte sind:

o Lösungsvarianten: Welche Ansätze zur Umsetzung des Projekts gibt es? Welche Sensitivität besteht bei den einzelnen Varianten in Bezug auf eine mögliche Än-derung der Grundannahmen (z. B. Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer, gesetzliche Änderungen, veränderte Sicherheits-/Datenschutzvorgaben)?

o Zuschnitt des Projekts: Wie sollte der optimale Schnitt für die Bestandteile des Projekts aussehen?

o Make-or-Buy-Analyse: Welche Projektbestandteile sollen an externe Dienstleister vergeben werden und welche sollen durch die Organisation selbst bearbeitet wer-den?

Praxistipp 1-4: Erfassung von Nutzen auch im politischen Umfeld notwendig

→ In vielen Projekten des öffentlichen Sektors ist die Frage nach dem Nutzen schwierig zu be-antworten. Insbesondere übergreifende Erwägungen wie Technologieführerschaft oder Befrie-dung von Anspruchsgruppen sträuben sich gegen quantitative Bewertungen und führen häufig zu einer Negierung von Risiken.

Hier empfiehlt es sich, die angestrebten Nutzentreiber genau zu verstehen (z. B. „Wir wollen einer Schlüsseltechnologie durch praktischen Einsatz zum Durchbruch verhelfen“) und dann Al-ternativlösungen zum Großprojekt vorzuschlagen (z. B. Vorschaltung einer Pilotierung).

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o Marktanalyse: Für Projektbestandteile, die extern vergeben werden sollen, muss der Markt sondiert werden: welche Unternehmen bieten was an? Gibt es Standard-lösungen und wie sind diese zu bewerten gegenüber Individuallösungen? Welche Mindestanforderungen sind zu stellen? Wie muss das Vergabeverfahren aussehen?

Kosten-Nutzen-Analyse: Die Kosten-Nutzen-Analyse bewertet die Kosten- und Nutzentrei-ber und stellt diese einander gegenüber. Typische Inhalte sind:

o Kosten-/Budgetschätzung: Was ist der grobe Aufwand für Konzeption und Umset-zung der umrissenen Lösung? Welche weiteren Kosten können entstehen?

o Folgekostenabschätzung: Was sind zukünftige Aufwände für z. B. Lizenzkosten, Weiterentwicklung, Schulungskosten oder Betrieb?

o Nutzenspezifikation: Was sind die Treiber des Nutzens des Projekts? Wie lassen sich diese quantifizieren und messen?

o Verantwortliche für die identifizierten Nutzentreiber: Welches Mitglied der obers-ten Leitungsebene ist für welche Nutzentreiber verantwortlich?

o Verantwortliche für Kostentreiber: Wer behält den Überblick über die anfallenden und sich ggf. verändernden Kosten und identifiziert Kostentreiber?

Projektcharta: Die Projektcharta schildert kurz und knapp die zentralen Punkte des Projekts. Sie hat den Charakter eines Vertrags zwischen Auftraggeber, Auftraggeberin, Gesamtpro-jektleitung und weiteren Beteiligten (z. B. Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer für die Umsetzung). Eine solche knappe Charta ermöglicht einen besseren Überblick und schafft damit mehr Verbindlichkeit als detaillierte Teilbeschreibungen. Typische Inhalte sind:

o Motivation o Ziele o wichtigste fachliche Anforderungen o Kosten und Nutzen der verschiedenen Lösungsoptionen o Projektvoraussetzungen o Abhängigkeiten o Grundlagen der Zusammenarbeit

Projektorganigramm/Übersicht Stakeholderinnen und Stakeholder: Dieses Dokument er-möglicht einen schnellen Überblick über die wesentlichen Beteiligten des Projekts. Es bein-haltet eine Übersicht über:

o die wichtigsten Stakeholderinnen und Stakeholder o die bereits bekannten Mitglieder des Kernteams

Ein detailliertes Projektorganigramm wird im Rahmen des Moduls „Festlegung und Über-prüfung der Projektorganisation“ erstellt.

Projektgrobplanung: Die Grobplanung enthält erste Festlegungen zu folgenden Themen: o Vorgehensmodell: Nach welchem Vorgehensmodell/welchen Vorgehensmodellen

soll im Projekt gearbeitet werden (in IT-Projekten z. B. nach dem V-Modell)? o Budget/Aufwand: In welcher Projektphase werden welche Ressourcen benötigt? o Termine/Meilensteine: Wie ist der grobe Ablauf des Projekts, was sind die we-

sentlichen Meilensteine? o Verantwortlichkeits- und Eskalationsmodell: Wer sind die Verantwortlichen im

Projekt (auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite)? Wofür sind sie genau ver-antwortlich? Wer ist die Eskalationsinstanz, falls sich der Erfolg nicht einstellt?

Praxistipp 1-5: Umsetzungsanalyse zur Einbindung der Stakeholderinnen und Stakeholder nut-zen

→ Bei Großprojekten in der öffentlichen Verwaltung empfiehlt es sich, die Umsetzungsanalyse auch für die Kommunikation nach innen und außen zu nutzen. So wird die Entscheidung für ein bestimmtes Projektdesign für alle Stakeholderinnen und Stakeholder besser nachvollziehbar.

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Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen 28

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

1.4 Rollen

Rollenbezeichnungen und die damit verbundenen Funktionen und Aufgaben variieren häufig von Organisation zu Organisation. Die Rollenbezeichnungen in diesem Dokument sind daher nur ein Vorschlag. Wichtig ist im Projekt nicht die Rollenbezeichnung als solche, sondern dass jeder Be-teiligte die damit verbundenen Aufgaben und Verantwortungen kennt.

Im Rahmen der Festlegung und Überprüfung der Rahmenbedingungen sind folgende Rollen vorzusehen:

Rolle Funktion

Haupt-Projektsponsoring/ Projektauftraggeber, Pro-jektauftraggeberin

Person, die eine ungefähre Idee in eine konkrete Motivation verwan-delt, das Projekt während der Laufzeit wahrnehmbar fördert, ggf. den Prozess der Projektanbahnung initiiert und lenkt – wird später oft Pro-jekteigner bzw. Projekteignerin.

Stellt meist das Budget.

Zumeist ein Mitglied der obersten Führungsebene, das andere Mitglieder der obersten Führungsebene für das Projekt be-geistert, die Begeisterung am Leben hält und in Mitwirkung und Verantwortungsübernahme umwandelt.

Maßgebliche Stakeholderinnen, Stake-holder und weiteres Pro-jektsponsoring

Sind am Erfolg des Projekts und an der Anpassung des Projekts an ihre Anforderungen und Bedürfnisse interessiert.

Steuern Budget und Ressourcen bei (Projektmitarbeitende, Expertise, etc.).

Treiber der Projekt-anbahnung

Person, die in Projektleitungsfunktion das Projekt vorbereitet und später oft Gesamtprojektleitung übernimmt.

Managt die Prozesse bei der Festlegung der Projektrahmen-bedingungen.

Führt die Grobplanung durch und überprüft sie.

Erstellt Genehmigungsunterlagen.

Projekteigner, Projekteig-nerin

Verantwortet das Projekt als Ganzes während der Projektlaufzeit. Ist häufig identisch mit dem Projektauftraggeber bzw. der Projektauftrag-geberin.

Verantwortet das Projektbudget während und nach der Pro-jektgenehmigung.

Bildet die Schnittstelle des Projekts zur Organisation.

Ist erste Ansprechperson der Projektleitung.

Gesamtprojektleitung Person, die häufig im Laufe der Projektanbahnung (offiziell) benannt wird und von da an die Verantwortung für das Projekt übernimmt.

Verantwortet die Verwendung des Projektbudgets.

Finalisiert Lösungsdefinition und Grobplanung.

Stellt Kernmannschaft nach Projektgenehmigung zusammen.

Überprüft kontinuierlich die Rahmenbedingungen, initiiert ge-gebenenfalls einen Aktualisierungsprozess.

Interne und externe Ex-pertinnen und Experten

Werden vom Treiber der Projektanbahnung herangezogen, um Lö-sungsoptionen vorzuschlagen und bei Spezialthemen zu unterstützen.

Tabelle 2: Rollen und Funktionen bei Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen

Page 29: S-O-S-Methode für Großprojekte

Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen 29

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

1.5 Erfolgsmessgrößen

Die Überprüfung, ob die Rahmenbedingungen des Projekts hinreichend gut definiert wurden bzw. definiert sind, erfolgt am einfachsten über die Prüffragen zur Statusbestimmung des Projekts zu den Erfolgsfaktoren eins bis vier im Werkzeug „Projektkompass“.

1.6 S-O-S-Vorlagen

Festlegung_Überprüfung_Projektrahmenbedingungen

Projektkompass

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Vergabe- und Vertragsmanagement 30

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

2 Vergabe- und Vertragsmanagement Dieses Managementmodul kommt in allen Kernphasen eines Projekts zum Einsatz – von der Pro-jektanbahnung bis zum Abschluss der Umsetzung. In der Anbahnungs- und in der Konzeptphase liegt der Tätigkeitsschwerpunkt in der Regel auf dem Vergabemanagement. In den nachfolgenden Phasen dominiert typischerweise das Vertragsmanagement. Das Vertragsmanagement ist ver-antwortlich für die Sicherstellung der formalen Einhaltung der Verträge.

Vergaberecht und Vertragsgestaltung unterliegen strengen Regularien. Aufgrund der umfassenden und strikten Vorgaben ist es in jedem Fall empfehlenswert, in allen Phasen einer Vergabe die Vergabe- und Rechtsabteilung einzubinden.

2.1 Ziele des Moduls

Die Hauptziele des Vergabe- und Vertragsmanagements sind:

Auswahl geeigneter Dienstleisterinnen und Dienstleister: Es muss sichergestellt werden, dass alle Dienstleister und Dienstleisterinnen, die an dem Projekt mitwirken, fachlich, orga-nisatorisch, ressourcentechnisch und sprachlich (Beispiel EU-Ausschreibung) in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben erfolgreich umzusetzen.

Abschluss klarer und vollständiger Verträge: Mit allen wichtigen Partnern und Partnerin-nen im Projekt sind Verträge zu schließen, in denen alle wesentlichen Aspekte der Zusam-menarbeit schriftlich fixiert sind. Dies gilt nicht nur für externe Dienstleisterinnen und Dienstleister, sondern auch für andere Projektpartner und Projektpartnerinnen z. B. andere Bundesbehörden.

Bedarfsorientierte Bereitstellung von Vertragsinhalten: Alle relevanten Projektbeteiligten müssen zu jedem Zeitpunkt im Projekt auf alle für sie relevanten Vertragsinformationen in aktueller Form zugreifen können.

Sicherstellung der Vertragserfüllung: Es muss sichergestellt werden, dass die vertraglich vereinbarten Leistungen tatsächlich erbracht werden – von allen Vertragsparteien!

Sicherstellung der Vertragskontinuität: Es ist sicherzustellen, dass alle für das Projekt benö-tigten externen Leistungen über den gesamten Zeitraum hinweg verfügbar sind, in dem ein Bedarf an der jeweiligen Leistung besteht.

Praxistipp 2-1: Wirtschaftliche Vergabe sicherstellen

→ In der öffentlichen Verwaltung wird häufig der finanzielle Rahmen für eine Vergabe zu früh offengelegt. Das führt dazu, dass die Projekte nicht den notwendigen inhaltlichen Umfang bzw. keine bedarfsgerechte Lösung erhalten. Projektumfänge werden größer als notwendig. Folgende Fragen sind nacheinander zu beantworten: Wer kann das Problem wie lösen? Wieviel Mittel müssen dann eingeplant werden?

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Vergabe- und Vertragsmanagement 31

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

2.2 Umsetzungsprozesse

Laufende

Prozesse

Initiale

Prozesse Vergabe durchführen

Aufbau Vertragsmanagement

Verträge erfüllen

Verantwortlich-keiten und Rollen festlegen

Vertragliche/ Rechtliche Rahmenbe-

dingungenfestlegen

Ausschreibung durchführen

Externe Auftragnehmer/Auftragnehmer-

innen & Verträge

Vertrags-erfüllung laufend sicherstellen

Verträge aktualisieren

Vertrags-erfüllung prüfen und

Abnahme durchführen

Abbildung 9: Prozesse im Vergabe- und Vertragsmanagement

2.2.1 Initialer Prozess „Aufbau Vertragsmanagement“

1. Verantwortlichkeiten und Rollen festlegen

Das Vergabe- und Vertragsmanagement ist frühzeitig in der Projektanbahnungsphase aufzubauen, um etwaige Vergaben vorzubereiten und durchzuführen. Der Auftraggeber bzw. die Auftraggebe-rin muss rechtzeitig eine für die Ausschreibung verantwortliche Person aus seiner Organisation benennen.

Um die laufenden Prozesse des Vertrags- und Vergabemanagements durchzuführen, sind die ent-sprechenden Rollen und Verantwortlichkeiten festzulegen.

2.2.2 Initialer Prozess „Vergabe durchführen“

1. Vertragliche/Rechtliche Rahmenbedingungen festlegen

Vor Beginn der Vergabe ist zunächst festzulegen, welche Teile des Gesamtprojekts externe Auf-tragnehmer und Auftragnehmerinnen übernehmen sollen. Die Abgrenzung, welche Ressourcen extern zugekauft werden müssen, ergibt sich aus der Projekt- und Personalplanung in Kombinati-on mit den zu erreichenden Zielen.

Im einfachsten Fall handelt es sich um die einmalige Lieferung von Standardprodukten (z. B. Soft-warelizenzen, Hardware), die ohne weitere Unterstützung durch das liefernde Unternehmen so-fort im Projekt eingesetzt werden können. In komplexeren Fällen werden Konzeptions- und Im-

Praxistipp 2-2: Vergaberechtsfristen beachten

→ In der öffentlichen Verwaltung sind die sich aus dem Vergaberecht ergebenden Fristen zu beachten.

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Vergabe- und Vertragsmanagement 32

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

plementierungsarbeiten oder Prozessunterstützung ausgelagert, eventuell kombiniert mit einer nach Projektende fortlaufenden Betreuung (z. B. Wartung einer Software).

Für jede durch externe Auftragnehmerinnen bzw. Auftragnehmer zu erbringende Leistung ist ein Modell für die Zusammenarbeit festzulegen. Dieses wird später im Vertrag berücksichtigt. Im Rahmen des Modells muss die Rolle des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin entscheiden, in welcher Form und mit welcher Kapazität sie einen oder mehrere externe Auftragnehmerin-nen/Auftragnehmer steuern kann (z. B. klarer Fokus auf fest vereinbarte Liefergegenstände oder flexible Zusammenarbeit in gemischten Teams).

Bei Großprojekten muss aus Auftraggebersicht explizit entschieden werden, wer die Gesamtver-antwortung für die Erarbeitung eines komplexen, da aus mehreren Teilen bestehenden, Projekt-ergebnisses trägt. Die folgenden Konstellationen sind möglich:

Ein externer Auftragnehmer bzw. eine externe Auftragnehmerin fungiert als Generalunter-nehmer, Generalunternehmerin und zeichnet für die Lieferung aller Projektergebnisse ver-antwortlich. Da in der Regel eine externe Fachkraft nicht über alle Kompetenzen verfügt, um eine umfassende Lösung zu liefern, hat diese Rolle die Aufgabe, Unterauftragnehmerin-nen/Unterauftragnehmer einzubinden, die Teile der Ergebnisse liefern. Die Gesamtverant-wortung bleibt aber für alle Ergebnisse beim Generalunternehmer bzw. bei der Generalun-ternehmerin.

Der Auftraggeber, die Auftraggeberin behält die Gesamtverantwortung für das Projekter-gebnis. Er bzw. sie übernimmt damit das Management des Gesamtprojekts und bindet bei Bedarf externe Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer für einzelne Ergebnisse oder Un-terstützungsleistungen ein.

Mischformen, in denen der Auftraggeber bzw. die Auftraggeberin die Gesamtverantwor-tung behält, jedoch größere Pakete aus mehreren Einzelergebnissen an externe Auftrag-nehmerinnen und Auftragnehmer vergibt.

Welche Konstellation geeignet ist, hängt sehr stark vom Projekt sowie den Erfahrungen, Fähigkei-ten und der Personalausstattung des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin ab. Die Kosten für eine Generalunternehmer-Konstellation sind abzuwägen gegen den Aufwand und das Risiko einer Steuerung durch den Auftraggeber bzw. die Auftraggeberin.

Grundsätzlich sind in jeder Konstellation mit externen Partnerinnen und Partnern die passende Vertragsart und das entsprechende Abrechnungsmodell zu wählen. Dafür stehen zwei Modelle der Abrechnung zur Verfügung: Festpreis- bzw. Aufwandsprojekte. Sie werden hier kurz gegen-übergestellt.

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Vergabe- und Vertragsmanagement 33

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Festpreis Aufwand

Chancen

Kosten sind von Beginn an kalku-lierbar.

Dienstleister/Dienstleisterin kann die besten Ressourcen gut einpla-nen.

Höhere Flexibilität der Dienstleiste-rin/des Dienstleisters bei der Pro-jektdurchführung.

Nur angefallene Leistungen wer-den abgerechnet.

Große Flexibilität bei unklaren Anforderungen und Rahmenbe-dingungen.

Anfangsaufwand ist relativ gering.

Risiken

Änderungsanforderungen können das Projekt verteuern.

Selten sind alle Anforderungen bekannt, sodass die Dienstleiste-rin/der Dienstleister einen hohen Sicherheitsaufschlag einkalkuliert (Projekte werden teurer angebo-ten).

Anfangsaufwand für Planung und Spezifikation der Anforderungen ist relativ hoch.

Anforderungen an Auftraggebe-rin/Auftraggeber sind höher, da größerer planerischer Aufwand und Controlling-Tätigkeiten erfor-derlich sind.

Unsicherheit welche finanziellen Ressourcen letztendlich notwendig werden.

Tabelle 3: Chancen und Risiken von Festpreis- und Aufwandsprojekten

2. Ausschreibung durchführen

Sind die durch externe Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen definiert, erfolgt die Ausschreibung dieser Leistungen. Passend dazu werden Bewertungs- und Ausschlusskriterien festgelegt, die sicherstellen, dass der externe Auftragnehmer bzw. die exter-ne Auftragnehmerin die geforderte Leistung tatsächlich erbringen kann. Dabei geht es zum einen um technische und fachliche Anforderungen, die sicherstellen sollen, dass ein externer Auftrag-nehmer bzw. eine externe Auftragnehmerin genügend Expertise in der fachlichen Domäne oder die vorgesehenen technischen Infrastruktur besitzt. Zum anderen sollten auch Anforderungen an die Zusammenarbeit definiert werden. So kann beispielsweise ein Kriterium sein, dass der Auf-tragnehmer bzw. die Auftragnehmerin regelmäßig Planungs- und Controlling-Informationen lie-fert. Bei Großprojekten muss zudem durch die Auswahl geeigneter Kriterien sichergestellt wer-den, dass nur externe Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer in die engere Wahl kommen, die auch tatsächlich in der Lage sind, die komplexen Anforderungen zu erfüllen, die die Beteiligung an einem Großprojekt mit sich bringt.

Anhand der festgelegten Kriterien erfolgt nach Erhalt der Angebote die spätere Auswahl der exter-nen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer (siehe unten).

Praxistipp 2-3: Festpreisprojekte eignen sich nicht in jeder Situation

→ Wird im Vertrag ein Festpreis vereinbart, setzt dies voraus, dass alle Informationen für die Vergabe der Leistungen vorhanden sind. Ist dies nicht der Fall, sind also die Rahmenbedingungen und/oder Anforderungen unklar, ist es sinnvoll, zunächst eine Konzept- oder Spezifikationsphase zu planen und diese nach Aufwand abzurechnen.

Wird trotz unklarer Rahmenbedingungen und Anforderungen ein Festpreis vereinbart, sollten die Annahmen, die den Vergabeunterlagen (Ausschreibung) und den zugehörigen Angeboten und Verträgen zugrunde liegen, genau dokumentiert und im Projektverlauf regelmäßig verifiziert werden. Außerdem ist bei unklaren Rahmenbedingungen und Anforderungen möglicherweise eine Vielzahl kostenpflichtiger Änderungsanforderungen zu erwarten.

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Vergabe- und Vertragsmanagement 34

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

3. Externe Auftragnehmer und Auftragnehmerinnen auswählen und Verträge schließen

Die eingegangenen Angebote der potenziellen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer werden anhand der zuvor festgelegten Kriterien ausgewertet und der oder die Auftragnehmer bzw. Auf-tragnehmerinnen ausgewählt.

Mit jedem einzelnen externen Auftragnehmer bzw. jeder einzelnen externen Auftragnehmerin werden schließlich für die zu erbringenden Leistungen Verträge abgeschlossen. Neben der klaren und deutlichen Formulierung der Vertragsinhalte sollen die Verträge so gestaltet sein, dass sie eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien fördern.

Die für die Ausschreibung verantwortliche Person sorgt für die Unterschrift der jeweils verant-wortlichen Mitarbeitenden beider Seiten und damit für das Inkrafttreten der Verträge.

Neben den Verträgen mit externen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern sind im Rahmen dieses Prozessschritts auch die Verträge mit anderen Partnerinnen und Partnern (z. B. anderen Behörden) abzustimmen und zu unterzeichnen. Auch diese Verträge müssen alle wesentlichen Regelungen zur Zusammenarbeit enthalten, so wird die gemeinsame Zusammenarbeit auf ein stabiles Fundament gestellt.

2.2.3 Laufender Prozess „Verträge erfüllen“

1. Vertragserfüllung laufend sicherstellen

Das Vertragsmanagement muss sicherstellen, dass die in den Verträgen vereinbarten Leistungen von allen Vertragspartnern erbracht werden. Um dies zu ermöglichen, sind alle abgeschlossenen Verträge sowie ihre kaufmännisch relevanten Inhalte in einer Vertragsübersicht zu dokumentie-ren. Im Projektverlauf müssen alle Änderungen zu den kaufmännisch relevanten Vertragsinhalten in der Vertragsübersicht dokumentiert werden (wie Status, Vertragserweiterung, etc.). So wird sichergestellt, dass jederzeit eine aktuelle Übersicht über den Stand der Vertragserfüllung vor-liegt. Aufgrund der Komplexität wurde dafür im Bundesverwaltungsamt eine eigene Softwarelö-sung (Bo@t) entwickelt.

Die inhaltliche und funktionale Prüfung und Sicherstellung der Einhaltung der Verträge erfolgt im Rahmen des Qualitätsmanagements, denn dieses muss das Vertragswerk ohnehin zur Erarbeitung der Qualitätsziele, -kriterien und -maßnahmen kennen und prüfen.

Praxistipp 2-4: Vergaberecht entscheidet über Ausschreibungsart

→ In der öffentlichen Verwaltung wird anhand des Vergaberechts entschieden, in welcher Art und Weise eine Ausschreibung zu erfolgen hat (z. B. freihändige Vergabe, offenes Vergabever-fahren oder Verhandlungsverfahren). Um alle vergaberechtlichen Vorgaben einzuhalten, ist die Einbindung der zuständigen Vergabe- und Rechtsabteilung erforderlich.

Praxistipp 2-5: Abnahmekriterien zur Inbetriebnahme sind im Vertrag detailliert festzuhalten

→ In IT-Projekten sollte bei Bedarf eine Regelung zur Inbetriebnahme in den Vertrag aufgenom-men werden. Wird ein IT-System in Betrieb genommen, ohne dass formal die Abnahme erteilt wurde, gilt die Abnahme normalerweise als erteilt (konkludentes Handeln). Gibt es jedoch ge-setzlich vorgeschriebene Termine, die eine Inbetriebnahme zwingend erfordern, kann im Vertrag festgelegt werden, dass damit keine Abnahme verbunden ist. In diesem Fall sollte jedoch festge-legt werden, was als „abnahmeverhindernder“ Fehler gewertet wird (normalerweise ist das At-tribut „abnahmeverhindernd“ ein Synonym zu „produktionsverhindernd“). Der Einhaltung wich-tiger Termine kann darüber hinaus durch die Vereinbarung von Vertragsstrafen besondere Be-deutung verliehen werden. Diese sollten bereits in der Ausschreibung benannt werden, da eine nachträgliche Aufnahme in die Verträge nur schwer möglich ist.

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Vergabe- und Vertragsmanagement 35

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Sind Vertragsstrafen vereinbart, wird während der Projektlaufzeit regelmäßig geprüft, ob eine Vertragsstrafe geltend gemacht werden muss.

Die Einhaltung formaler Vertragskriterien sollte durch die Vertragsadministration, eine Person, die in der Regel im PMO arbeitet, unterstützt werden. Zu den Aufgaben gehört es, regelmäßig das Ende von Verträgen zu prüfen und bei Bedarf die Verlängerung oder eine neue Vergabe zu initiie-ren. Der Zeitraum, in dem eine Leistung benötigt wird, kann auch kürzer oder länger als die Pro-jektlaufzeit sein.

2. Verträge aktualisieren

Nicht selten ergeben sich im Projektverlauf unvermeidbare Änderungen, die sich auf beste-hende Verträge auswirken bzw. den Abschluss neuer Verträge erfordern. Darüber hinaus gibt es oft auch Themen, die zu Beginn vertraglich nicht exakt festgelegt und erst im Projektverlauf ge-klärt und detailliert werden. In solchen Fällen verhandeln die externe Auftragnehmer- und Auf-traggeberseite nach und legen fest, wie sie sich geeinigt haben. Die Ergebnisse werden jeweils dokumentiert und haben dadurch Vertragscharakter. Sie werden ebenfalls in der Vertragsüber-sicht erfasst. Die Einigung soll durch Unterschrift beider Seiten festgehalten werden.

3. Vertragserfüllung prüfen und Abnahme durchführen

Im Laufe des Projekts erfolgen Zwischenabnahmen und zum Projektende die Gesamtabnahme der Ergebnisse. Wird im Rahmen der jeweiligen Abnahme festgestellt, dass die (im Rahmen des An-forderungs- und Änderungsmanagement sowie des Qualitätsmanagements definierten) funktio-nalen und/oder inhaltlichen Anforderungen erfüllt wurden, kann die formale Abnahme ausge-sprochen werden. Die Abnahme wird im Abnahmeprotokoll dokumentiert und in der zugehörigen Abnahmeerklärung formal bestätigt.

Oft erfolgt eine Abnahme unter Auflagen, das heißt mit einer Vereinbarung zur Behebung von Fehlern bzw. zur Lösung eventuell noch vorhandener Probleme. Erst mit der formalen Abnahme ist der Vertrag erfüllt und erst dann werden Zahlungen geleistet.

Praxistipp 2-6: Budgeteinhaltung gewährleisten durch Sicherstellen vereinbarter Leistungen

→ In Großprojekten kommt der Einhaltung der im Vertrag vereinbarten Leistungen auf Grund der Höhe des möglichen Schadens besondere Bedeutung zu. Beispielsweise summieren sich die Personalkosten (interne Personalkosten und Tagessätze externer Mitarbeitender) in einem Pro-jekt mit 100 Mitarbeitenden schon innerhalb weniger Wochen zu einer Größenordnung im Milli-onenbereich. Daher ist die Einhaltung der vereinbarten Leistung nicht nur zu kontrollieren, son-dern schon im Vorfeld proaktiv sicherzustellen.

Praxistipp 2-7: (Teil-)Neuvergaben bei Änderungen prüfen

→ In der öffentlichen Verwaltung ist anhand des Vergaberechts festzulegen, ob für Änderungen eine neue Vergabe erforderlich ist. Bei Änderungen mit erheblicher Auswirkung auf das Projekt kann im Zweifelsfall auch eine neue Vergabe der gesamten Leistung nötig werden

Praxistipp 2-8: Bei vorzeitiger Abnahme aus Budgetierungsgründen Auflagen klar regeln

→ In der öffentlichen Verwaltung unterliegen die Zahlungen normalerweise dem Prinzip der Jährlichkeit der öffentlichen Haushalte – das heißt, unter Umständen kommt die Auftraggeber-seite in die Situation, die Abnahme aussprechen zu wollen, da im nächsten Haushaltsjahr kein Budget für die an die Abnahme geknüpfte Zahlung vorgesehen ist.

In diesem Fall ist zwischen Auftraggeberseite und externer Auftragnehmerseite detailliert festzu-legen, welche Leistungen die Auftragnehmerseite trotz formal erteilter Abnahme ("unter Vorbe-halt“ oder „mit Mängeln“) noch zu erbringen hat.

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Vergabe- und Vertragsmanagement 36

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Die Abnahme darf aus Sicht der Auftraggeberseite erst erteilt werden, wenn das Projektergebnis ausreichend getestet, geprüft und für gut befunden wurde. Denn die Abnahme markiert den Be-ginn der Gewährleistungsfrist. Ab diesem Zeitpunkt gilt die Beweislastumkehr für Fehler, das heißt, die Auftraggeberseite muss darlegen, dass es sich bei einem aufgetretenen Mangel tatsäch-lich um einen Fehler handelt.

2.3 Ergebnisdokumente

Wesentliche Ergebnisdokumente des Vergabe- und Vertragsmanagements sind:

Vergabeunterlagen: Die Vergabeunterlagen (Ausschreibungsunterlagen) enthalten alle In-formationen, die ein möglicher externer Auftragnehmer bzw. externe Auftragnehmerin zur Einschätzung der zu liefernden Ergebnisse und für die Abgabe eines Angebots benötigt. Die Unterlagen enthalten daher nicht nur die inhaltliche Spezifikation der zu liefernden Ergeb-nisse, sondern alle weiteren relevanten Informationen wie Termine, einzuhaltende Prozesse und Rahmenbedingungen, etc. Zu den Vergabeunterlagen gehören – je nach Vergabeart – etwa Leistungsbeschreibung, Bewertungsmatrix, Kriterienkatalog und EVB-IT-Vertrag.

Verträge: Ein Vertrag muss alle wesentlichen Vereinbarungen enthalten, die für die Zu-sammenarbeit der beiden Vertragsparteien wichtig sind. Bei Verträgen mit externen Auf-tragnehmerinnen und Auftragnehmern zählen hierzu vor allem die für den Vertrag relevan-ten Teile der Vergabeunterlagen und das Angebot der ausgewählten Auftragnehmerin oder des Auftragnehmers. Ein IT-Vertrag muss zudem die EVB-IT berücksichtigen. Für Verträge mit anderen Projektpartnerinnen und -partnern (z. B. andere Behörden) gibt es keine festen Vorgaben. Die Verträge müssen aber so konkret sein, dass beiden Seiten klar ist, wie die gemeinsame Zusammenarbeit aussehen soll.

Vertragsübersicht: Die Vertragsübersicht enthält alle für das Projekt relevanten Verträge und deren Status (in Arbeit, abgeschlossen), wichtige zu beachtende kaufmännische Inhalte sowie Meilensteine (z. B. vereinbarte Lieferungen, Zahlungsmeilensteine) und deren Status (offen, verzögert, erledigt). Im Fall von nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist angege-ben, welche Konsequenzen daraus resultieren (z. B. bei verzögerter Lieferung der neue zu-gesagte Liefertermin, eventuell Zahlung von vereinbarten Vertragsstrafen). Ein weiterer Be-standteil der Vertragsübersicht ist das Lizenzmanagement. Es gibt einen vollständigen Überblick über die beschafften bzw. zu beschaffenden Lizenzen und beantwortet dafür fol-gende Fragen:

o Welche Lizenzen sind in welchem Zeitraum vorhanden? o Wie sind Lizenzen definiert (z. B. übertragbar, nutzergebunden)? o Von welchem Mitarbeitenden oder welchem Teilprojekt wird eine Lizenz in wel-

chem Zeitraum eingesetzt bzw. benötigt? Mit Hilfe des Lizenzmanagements lässt sich frühzeitig der Bedarf an weiteren Lizenzen er-mitteln.

Abnahmeunterlagen: Die Abnahme besteht aus mehreren Schritten und Dokumenten (Do-kumentation der erbrachten Leistungen, Prüfkriterien, Prüfprotokoll für die erbrachten Leis-tungen, Abnahmeerklärung einschließlich der Beurteilung der erbrachten Leistungen). Diese Dokumente belegen die formale Abnahme all jener Ergebnisse, für die eine Abnahme nötig und vorgesehen ist. Die Dokumenten beinhalten Listen der bei der Abnahme erkannten Fehler und offenen Punkte sowie Vereinbarungen über die Behebung der Fehler bzw. Lö-sung der offenen Punkte, z. B. mit Terminen/Versionen für die Fehlerbehebung, Vereinba-rungen von Umgehungslösungen, etc..

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Vergabe- und Vertragsmanagement 37

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

2.4 Rollen

Die folgenden Rollen sind für das Vergabe- und Vertragsmanagement relevant:

Rolle Funktion

Projektleiterin, Projektlei-ter (Auftraggeberseite)

Verantwortlich für die Vertragseinhaltung auf Auftraggeberseite, formale Abnahme.

Stellt die funktionale/inhaltlichen Abnahme der vom exter-nen Auftragnehmer gelieferten Ergebnisse (siehe auch Mo-dul „Anforderungs- und Änderungsmanagement“) sicher.

Zuständig für die formale Abnahme.

Delegiert die Aufgaben des Vergabe- und Vertragsmanage-ments an weitere Projektmitarbeitende.

Projektleiter, Projektleite-rin (externe Auftragneh-merseite)

Trägt die Gesamtverantwortung für die Vertragseinhaltung auf Sei-ten der externen Auftragnehmerseite.

Delegiert die Aufgaben des Vergabe- und Vertragsmanage-ments an weitere Projektmitarbeitende.

Ausschreibungs- und Ver-tragsverantwortliche Per-son (Auftraggeberseite)

Legt die ausschreibungsrelevanten Teile des Projekts fest.

Bereitet die Ausschreibung vor, legt Auswahlkriterien für die externen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer fest.

Wählt die externen Auftragnehmerinnen und Auftragneh-mer aus.

Zuständig für Vertragsgestaltung, -abschluss und -pflege un-ter Einbeziehung der verantwortlichen Mitarbeitenden der Vertragsparteien.

Vertragsadministrator, Vertragsadministratorin (Auftraggeberseite)

Schafft Transparenz über Verträge und Vertragsinhalte.

Unterstützt bei der formalen Vertragsabwicklung, z. B. Rechnungsstellung, Anweisung von Zahlungen, Prüfung von Fristen (z. B. für Lizenzerneuerungen).

Ist in großen Projekten häufig Mitglied des PMO.

Expertin, Experte für Vergaberecht

Berät dahin, dass das Vergabeverfahren allen vergaberechtlichen Anforderungen genügt.

Unterstützt in der Formulierung und Ausgestaltung der Pro-zesse und Unterlagen.

arbeitet häufig im Beschaffungswesen.

Tabelle 4: Rollen und Funktionen im Vergabe- und Vertragsmanagement

2.5 Erfolgsmessgrößen

Die folgenden Punkte sind exemplarische qualitative Erfolgsmessgrößen des Vergabe- und Ver-tragsmanagements:

Die Verträge enthalten eine Klarstellung der jeweiligen Zuständigkeiten von Auftraggeber- und Auftragnehmerseite und haben rechtliche Verbindlichkeit für beide.

Die Vertragsübersicht ist vollständig, das heißt sie enthält alle Verträge und relevanten Mei-lensteine.

Die Vertragsübersicht ist aktuell, das heißt sie beschreibt den aktuellen Status der Vertrags-einhaltung zu jedem für das Projekt relevanten Vertrag.

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Vergabe- und Vertragsmanagement 38

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Zu den quantitativen Erfolgsmessgrößen gehören unter anderem:

Anzahl der externen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer, die erst nach dem eigentlich geplanten Einsatzbeginn ausgewählt wurden.

Anzahl von Vertragsänderungen (außer Änderungsanforderungen).

Anzahl der Tage, die auf den Abschluss von Verträgen oder die Bereitstellung von benötig-ten Lizenzen bzw. Produkten gewartet werden muss.

2.6 S-O-S-Vorlagen

Abnahmeprotokoll

Vertragsübersicht_Zahlungsplan

Projektkompass

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Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation 39

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

3 Festlegung und Überprüfung der Projektorganisa-tion

Zu Beginn des Projekts wird mit Hilfe dieses Managementmoduls der organisatorische Gesamt-rahmen für das Projekt definiert. Die gesamte Projektorganisation ist regelmäßig zu überprüfen. Haben sich die anfänglichen Projektrahmenbedingungen geändert oder hat es relevante Ände-rungen in anderen Modulen gegeben, ist auch die Projektorganisation entsprechend anzupassen und die Anpassung zu dokumentieren.

Die Projektstruktur und der Einflussbereich des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin hängen stark davon ab, ob und in welchem Maß externe Dienstleister in das Projekt eingebunden sind. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die drei häufigsten Projektkonstellationen.

Abbildung 10: Varianten organisatorischer Projektkonstellationen

3.1 Ziele des Moduls

Die Projektorganisation ist so auszugestalten, dass die vielfältigen Aufgaben im Projekt dem Zeit-plan entsprechend abgearbeitet werden können. Hierfür muss das Modul folgende konkrete Ziele erfüllen:

Berücksichtigung aller Beteiligten: Alle relevanten Beteiligten müssen in der Projektorgani-sation berücksichtigt werden.

Sicherstellung klarer Zuständigkeiten: Die Zuständigkeiten der verschiedenen Beteiligten müssen so definiert werden, dass allen Beteiligten klar ist, wer für welche Aktivitäten und Ergebnisse zuständig ist.

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Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation 40

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Um diese Ziele zu erreichen, muss sowohl auf Auftraggeberseite als auch auf Auftragnehmerseite (interne und/oder externe Auftragnehmer/Auftragnehmerin) eine der Projektgröße angemessene Projektorganisation etabliert werden. Eine erste Übersicht über die Projektbeteiligten wurde im Modul „Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen“ erstellt, sie dient hier als Grundlage.

3.2 Umsetzungsprozesse

Laufende Prozesse

Initiale

Prozesse Festlegung der Rollen und Verantwortlichkeiten

Festlegung der Projektstruktur

Teilprojekt-schnitt festlegen

Führungs-struktur festlegen

Einbindung Nutzerinnen & Nutzer/ Fachbereicheorganisieren

Projektbeteiligte abgrenzen

Projektrollen definieren

Teilprojekt-schnitt prüfen und anpassen

Führungs-struktur prüfen und anpassen

Projektrollen prüfen und anpassen

Abbildung 11: Prozesse zur Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation

3.2.1 Initialer Prozess „Festlegung der Projektstruktur“

1. Teilprojektschnitt festlegen

Ziele, Ergebnisse und Inhalt des Gesamtprojekts müssen so aufgeteilt werden, dass handhabba-re Teile bzw. Teilprojekte entstehen. Dabei werden auch die Vorgaben, die sich aus den festge-legten Projektrahmenbedingungen ableiten, auf die einzelnen Teile oder Teilprojekte übertragen bzw. verteilt.

Teilprojekte und ihre Inhalte sind so aufzuteilen und abzugrenzen, dass Abhängigkeiten und Schnittstellen minimiert werden. Ziel ist, eine möglichst autarke Durchführung der einzelnen Teil-projekte zu erreichen, um zusätzlichen Managementaufwand, der z. B. aufgrund von Abstimmun-gen bei Kommunikation, Koordination, Planung entsteht, so gering wie möglich zu halten.

In Großprojekten werden die Projektmanagementaufgaben (wie Kommunikationsmanagement, Projektcontrolling, Vergabe- und Vertragsmanagement, Qualitätsmanagement) aufgrund der Größe und Komplexität oft als Teilprojekte gegliedert. So kann beispielsweise in einem Bund-Länder-übergreifenden Projekt ein Teilprojekt „Kommunikationsaufgaben“ sinnvoll sein.

Projektorganisation prüfen und anpassen

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Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation 41

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Praxistipp 3-1: Teilprojekte je nach Projektart zuschneiden

→ Es hat sich bewährt, in IT-Projekten die Teilprojekte nach fachlichen statt nach technischen Merkmalen zu definieren. Dies erlaubt die ganzheitliche Bearbeitung eines fachlichen Themas in einem Teilprojekt und führt so zu einer Reduzierung von Abhängigkeiten. Strategieprojekte las-sen sich gut nach Organisationseinheiten oder auch, je nach Anforderung, nach Strategieinhalten zuschneiden. Infrastrukturprojekte benötigen in der Regel einen technischen Zuschnitt.

2. Führungsstruktur festlegen

Kleinere Projekte haben normalerweise nur eine Führungsebene. In Großprojekten ist eine mehrstufige Führungsstruktur erforderlich, da die Führungsspanne einzelner Personen nicht be-liebig erweiterbar ist. Typische Führungsebenen sind hier der Gesamtprojektleiter bzw. die Ge-samtprojektleiterin, die Projektmanager und Projektmanagerinnen und die Teilprojektleiter sowie Teilprojektleiterinnen.

Projektmanager und Projektmanagerinnen können nicht beliebig viele Teilprojekte verantworten. Insbesondere dürfen es nicht so viele Teilprojekte sein, sodass der Rolle des Projektmanagements keine Zeit mehr für die Bearbeitung ungeplanter Themen bleibt (z. B. Lösung plötzlich auftreten-der Probleme, Durchführung von Maßnahmen zur Risikoreduzierung). Gibt es zu viele Teilprojekte (ca. > 6), müssen weitere Führungsebenen eingeführt oder zusätzliche Projektmanagerstellen geschaffen werden.

3. Einbindung der Nutzerinnen und Nutzer sowie der Fachbereiche organisieren

Die Wissensträger und Wissensträgerinnen betroffener Fachbereiche bzw. künftiger Nutzer und Nutzerinnen der Projektergebnisse sind in das Projekt einzubinden. Die Projektorganisation legt fest, welche Rollen oder Teilprojekte organisatorisch für diese Einbindung zuständig sind. Es ist notwendig, die Art der Einbindung abzustimmen.

Entsprechend werden also auch in anderen Projektmanagement-Modulen Entscheidungen über die Einbindung der Fachbereiche getroffen, insbesondere im Personalmanagement (Genehmigun-gen über Freistellungen von Mitarbeitenden aus der Linie für Projektarbeit), im Kommunikati-onsmanagement (Informationsfluss von und zu den Fachbereichen) und in der Planung (Festle-gung und Koordination von Zulieferungen durch einen Fachbereich). Wichtig ist, dass sich die Fachbereiche/Nutzer und Nutzerinnen ihrer Aufgaben und Verantwortung im Projekt bewusst sind.

Praxistipp 3-2: Maximal 15 direkt geführte Mitarbeitende pro Führungskraft

→ Die Erfahrung zeigt, dass für die Leitung eines siebenköpfigen Teams bei individuell zu pla-nenden Aufgaben bereits ein Vollzeit-Projektleiter bzw. eine Vollzeit-Projektleiterin benötigt wird. Die Grenze der Führungskapazität ist bei ca. 15 direkt geführten Mitarbeitenden erreicht.

Praxistipp 3-3: Fachvertretung möglichst Vollzeit einbinden

→ Vertreter und Vertreterinnen beteiligter Fachbereiche bzw. künftiger Nutzer und Nutzerinnen stellen in Großprojekten oft einen Engpass dar, da sie parallel zur Projektarbeit ihren Linienauf-gaben nachgehen müssen. Ziel sollte sein, entsprechende Wissensträger und Wissensträgerin-nen Vollzeit für den Zeitraum, in dem sie gebraucht werden, in die Projektarbeit einzubinden. Die dafür notwendigen Freistellungen der gewünschten Personen müssen mit den jeweiligen Vorgesetzten aus der Linie vereinbart und abgestimmt werden.

Page 42: S-O-S-Methode für Großprojekte

Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation 42

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

3.2.2 Initialer Prozess „Festlegung der Rollen und Verantwortlichkeiten“

1. Projektbeteiligte abgrenzen

Typischerweise erfolgt bei der Festlegung der Projektrahmenbedingungen eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen den Projektbeteiligten, insbesondere zwischen Auftraggeber bzw. Auftraggeberin und (internen/externen) Auftragnehmer(n) (hinterlegt im Ergebnisdokument „Projektorganigramm/Übersicht Stakeholderinnen und Stakeholder“). Die Projektorganisation muss nun sicherstellen, dass beide Seiten ihre Verantwortung wahrnehmen und entsprechende Entscheidungsbefugnisse, -wege und -abläufe abstimmen. Für jede im Projektauftrag enthaltene Anforderung muss eindeutig geklärt sein, wer für ihre Erfüllung zuständig ist: oft benötigt die Auf-tragnehmerseite Zulieferungen der Auftraggeberseite, die ebenfalls definiert sein müssen.

Die getroffenen Regelungen sind zu dokumentieren, z. B. in einem detaillierten Projektorgani-gramm und im Projekthandbuch. Zusätzlich ist festzulegen, wie und auf welchen Ebenen die Or-ganisationen der Auftraggeber- und Auftragnehmerseite miteinander kommunizieren, dies erfolgt in der Regel im Rahmen des Moduls „Kommunikationsmanagement“.

2. Projektrollen definieren

In Großprojekten wird die Projektorganisation differenziert nach Projektebenen festgelegt. Die Rolle der Gesamtprojektleitung bestimmt die Projektstruktur auf oberster Ebene sowie die Ge-samtprojektrollen. Die Ausgestaltung der Projektorganisation auf den unteren Ebenen des Pro-jekts delegiert sie an die jeweils verantwortlichen Mitarbeitenden (Projektmanager, Projektmana-gerin und Teilprojektleiter, Teilprojektleiterin). Diese legen Projektstruktur und Rollen in ihrem Verantwortungsbereich in Abstimmung mit der jeweils nächsthöheren Projektebene fest.

Neben der Definition der Rollen auf allen Projektebenen müssen auch die Kommunikationsbezie-hungen zwischen diesen Rollen definiert werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass nicht nur die Kommunikationsstrukturen innerhalb einer Ebene festgelegt werden, sondern auch die Kommu-nikationsbeziehungen zwischen den verschiedenen Projektebenen.

Alle Projektrollen müssen so definiert werden, dass die umfangreichen und komplexen Aufgaben mit den entsprechenden Verantwortungen detailliert zugeordnet werden können. Für alle Rollen sind Projektmitarbeitende zu benennen.

Folgende Punkte sind bei der Festlegung der Projektrollen in Großprojekten zu beachten:

Vertretungen regeln: für alle Schlüsselrollen ist eine Vertretung zu benennen. Diese muss so in die Arbeit des jeweiligen Aufgabenbereichs einbezogen werden, dass sie im Fall der Fälle auch wirklich in der Lage ist, die Rolle als Vertretung wahrzunehmen.

Reaktionsfähigkeit gewährleisten: vor allem Gesamtprojektleiter und Gesamtprojektleite-rin sowie Projektmanager und Projektmanagerinnen, aber auch andere Rollen (z. B. für das Qualitätsmanagement verantwortliche Personen) sollten niemals zu 100% verplant werden. Im Gegenteil: in einem Großprojekt tauchen typischerweise immer wieder neue Fragen und Themen auf, für deren Bearbeitung diese Mitarbeitende häufig den größten Teil ihrer Kapa-zität einsetzen müssen. Insbesondere Projektmanager und Projektmanagerinnen sollten freie Kapazitäten haben, um ungeplante Themen angehen zu können.

Unterstützung sicherstellen: im Großprojekt können die einer Rolle zugewiesenen Aufga-ben derart umfangreich sein, dass ein kleines Team unterstützend tätig werden muss.

Zuständigkeiten kommunizieren: Aufgabenverteilung und Verantwortungsabgrenzung sind an das gesamte Team zu kommunizieren. Sie sollten schriftlich dokumentiert werden, z. B. in der Projektcharta oder im Projekthandbuch.

Verantwortung leben: die Verantwortung muss im Projekt gelebt werden. Eine rein formale Verantwortungsübertragung (z. B. auch an den/die Auftraggeber/Auftraggeberin), die nicht mit Leben gefüllt wird, ist sinnlos und kontraproduktiv. Darüber hinaus geben Rollenbe-schreibungen (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung) meist nur einen Überblick,

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Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation 43

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

nicht jedes Detail lässt sich im Voraus planen. Sie entheben den Rolleninhaber- und Rolle-ninhaberinnen daher nicht von einer verantwortungsbewussten Übernahme der Aufga-ben. Insbesondere entheben sie sie nicht der Verantwortung, die mit der Rolle in Verbin-dung stehenden Themen umfassend zu betrachten und alle entsprechenden Aufgaben an-zunehmen und zu bearbeiten (oder für deren Bearbeitung im Sinne der Gesamtprojekt-verantwortung zu sorgen)!

In der S-O-S-Vorlage „Projekthandbuch“ finden sich Kurzbeschreibungen zu vielen für Großprojek-te typischen Rollen.

3.2.3 Laufender Prozess „Projektorganisation prüfen und anpassen“

1. Teilprojektschnitt prüfen und anpassen

Während der Lösungsdetaillierung können sich die in den Teilprojekten zu bearbeitenden Inhalte verändern. Im Laufe des Projekts sind daher regelmäßig die Rahmenbedingungen zu überprüfen. Bei Bedarf sind die Teilprojekte neu zu formulieren, um für den zukünftigen Projektverlauf wieder minimierte Abhängigkeiten zwischen den Teilprojekten sicherzustellen.

2. Führungsstruktur prüfen und anpassen

Ändern sich die Projektrahmenbedingungen, sind insbesondere Projektorganisation und Füh-rungsstruktur rechtzeitig anzupassen. Häufig startet ein Projekt beispielsweise mit einem kleinen Projektteam, das dann im Laufe des Projekts deutlich größer wird (z. B. durch die Einbindung externer Mitarbeitender nach einer Vergabe). Die Teilprojekt- und Führungsstruktur muss ent-sprechend weiterentwickelt werden, bevor die für ein kleineres Team ausgelegten Organisations-strukturen an ihre Grenzen stoßen.

3. Projektrollen prüfen und anpassen

Alle wesentlichen, vorab bekannten Aufgaben sind eindeutig bestimmten Rollen zugeordnet. Soll-ten unerwartete Aufgaben/Themen im Projektverlauf auftreten, ist die Verantwortung dafür ebenfalls unverzüglich einer Rolle zuzuordnen.

Es kann im Projektverlauf gute Gründe geben, eine Projektrolle von einem Mitarbeitenden auf eine andere Person zu übertragen, weil der/die ursprüngliche Rolleninhabende z. B. im Zuge einer vereinbarten Weiterentwicklung neue Aufgaben übernimmt. In diesen Fällen ist darauf zu achten, dass bereits begonnene Aktivitäten zum Zeitpunkt des Wechsels abgeschlossen und ausreichend dokumentiert sind sowie vollständig übergeben werden. In jedem Fall sollte eine Übergangsphase eingeplant werden, in welcher die nachfolgende Person eingearbeitet wird.

3.3 Ergebnisdokumente

Wesentliche Ergebnisdokumente bei der Festlegung der Projektorganisation sind:

Projektorganigramm (detailliert): Dieses dokumentiert die aufbauorganisatorische Projekt-struktur und die Abgrenzung zwischen Auftraggeber bzw. Auftraggeberin und Auftrag-nehmer bzw. Auftragnehmerin sowie weiteren Projektbeteiligten. Es enthält die Auftei-lung des Gesamtprojekts in Verantwortungsbereiche und Teilprojekte (einschließlich Aufgabenabgrenzung zwischen den Teilprojekten), dokumentiert, wer für welche Teile ver-antwortlich ist, und gibt im Regelfall an, mit welchen Mitarbeitenden die wesentlichen Pro-jektrollen besetzt sind. Die dokumentierte Struktur ist unabhängig von den Aufbauorgani-sationen der beteiligten Entitäten oder Unternehmen. Die Aufteilung auf Verantwor-tungsbereiche und Teilprojekte orientiert sich an den Projektinhalten, die in der Definition des Projektumfangs und letztendlich im Projektstrukturplan (siehe Kapitel „Projektplanung und -controlling“) beschrieben sind. Das Projektorganigramm wird im Laufe des Projekts an aktuelle Entwicklungen angepasst.

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Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation 44

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Rollenbeschreibungen: Diese machen deutlich, welche Projektrolle welche Aufgaben wahrnimmt, welche Kompetenzen ihr zugeordnet sind und welche Verantwortung sie im Projektkontext hat. Die Rollenbeschreibungen stellen sicher, dass alle benötigten Aufga-ben wahrgenommen werden und keine Aufgaben doppelt oder mit unklarer Verantwortung vergeben werden.

Projekthandbuch: Es fasst am Ende der Planungsphase alle erforderlichen Standards und Einzelpläne für ein Projekt zusammen. Es handelt sich um eine Zusammenstellung von allen relevanten Informationen und Regelungen, die für die Planung und Durchführung eines Pro-jekts gelten sollen.

3.4 Rollen

Eine zentrale Rolle bei der Festlegung der Projektorganisation spielen die Projektleiter und Pro-jektleiterinnen auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite:

Rolle Funktion

Projektleiterin, Projektlei-ter (Auftraggeberseite)

Trägt Gesamtverantwortung für die Festlegung der Projektorganisa-tion auf Auftraggeberseite.

Definiert die benötigten Rollen und besetzt sie mit geeigne-ten Mitarbeitenden.

Prüft die Projektorganisation und passt sie bei Bedarf im Projektverlauf an.

Projektleiter, Projektleite-rin (Auftragnehmerseite)

Trägt Gesamtverantwortung für die Festlegung der Projektorganisa-tion auf Auftragnehmerseite.

Definiert die benötigten Rollen und besetzt sie mit geeigne-ten Mitarbeitenden.

Prüft die Projektorganisation und passt sie bei Bedarf im Projektverlauf an.

Tabelle 5: Rollen und Funktionen in der Festlegung der Projektorganisation

Bei internen Projekten entwickelt der Projektleiter bzw. die Projektleiterin die Projektorganisation in der Regel in Abstimmung mit dem Lenkungsausschuss und – sofern vorhanden – im Rahmen von Vorgaben, wie z. B. des Multiprojekt- oder Programmmanagements.

3.5 Erfolgsmessgrößen

Ein Auftraggeber, eine Auftraggeberin kann anhand von qualitativen und quantitativen Kriterien messen, ob und wie die Anforderungen an die Festlegung und Überprüfung der Projektorganisati-on erfüllt sind.

Als qualitative Messgrößen sind beispielsweise folgende Prüffragen möglich:

Sind die Rollen und Verantwortlichkeiten zwischen Auftragnehmer(n)/Auftragnehmerin(nen) und Auftraggeber/Auftraggeberin genau definiert (und kommuniziert)?

Sind die Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb der Projektstruktur genau definiert (und kommuniziert)?

Ist die Einbindung der Nutzer und Nutzerinnen/Fachbereiche sichergestellt?

Ist die Abhängigkeit zwischen den Teilprojekten aus fachlicher Sicht minimiert?

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Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation 45

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Als quantitative Messgrößen sind folgende Kennzahlen denkbar:

Führungsspanne der am Projekt beteiligten Führungskräfte (sollte nicht größer als 15 direkt geführte Mitarbeitende sein).

Anzahl der Änderungen, die sich auf mehrere Teilprojekte auswirken im Verhältnis zu Ge-samtanzahl der Änderungen.

3.6 S-O-S-Vorlagen

Festlegung_Überprüfung_Projektorganisation

Projekthandbuch

Projektkompass

Page 46: S-O-S-Methode für Großprojekte

Personalmanagement 46

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

4 Personalmanagement Das Personalmanagement ist von Beginn an von großer Bedeutung für den Projekterfolg. Auch im fortschreitenden Projektverlauf verfolgt das Personalmanagement die zu Beginn beschriebenen Ziele. Dazu prüfen die Verantwortlichen, ob und wie sich die zu Projektbeginn herrschenden Rahmenbedingungen geändert haben. Darauf aufbauend entwickeln und implementieren sie Maßnahmen, mit denen sich die Ziele auch unter veränderten Bedingungen erreichen lassen, und prüfen deren Wirksamkeit.

4.1 Ziele des Moduls

Personalmanagement verfolgt primär folgende Ziele:

Passgenaue Besetzung der Projektrollen: Es ist sicherzustellen, dass alle Projektrollen rechtzeitig und über die gesamte Projektlaufzeit hinweg mit qualifiziertem Personal besetzt sind. Dies gilt sowohl für interne als auch für externe Mitarbeitende.

Sicherstellung der Motivation der Projektmitarbeitenden: Die Motivation der Projektmit-arbeitenden ist durch geeignete Maßnahmen zu erfassen und zu fördern.

Entwicklung passgenauer Perspektiven für Projektmitarbeitende: Es müssen für die Pro-jektmitarbeitenden fachliche und berufliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten geschaffen werden, die sowohl an den Bedarfen des Projekts als auch an den Bedarfen der Mitarbei-tenden ausgerichtet sind. Hierzu gehört auch die Zukunftsplanung für die Zeit nach dem Projekt.

4.2 Umsetzungsprozesse

Laufende

Prozesse

Initiale

Prozesse Projektteam aufbauen

Personalmanagement aufbauen

Laufendes Personalmanagement

Rollen und Verantwort-lichkeitenfestlegen

Mitarbeiter-disposition im Projekt festlegen

Projektleitung und Projektteam auswählen

Verfügbarkeit und Rahmen-bedingungen abstimmen

Personal-entwicklungs-plan abstimmen

Grundlagen für Motivation der Mit-arbeitenden legen

Verfügbarkeit eines qualifizierten Teams sichern

Motivation des Teams sicherstellen

Mitarbeitende entwickeln

Abbildung 12: Prozesse des Personalmanagements

Page 47: S-O-S-Methode für Großprojekte

Personalmanagement 47

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

4.2.1 Initialer Prozess „Personalmanagement aufbauen“

1. Rollen und Verantwortlichkeiten festlegen

Im Laufe der Projektanbahnungsphase werden Prozesse und Zuständigkeiten für Personalma-nagement-Themen im Projekt festgelegt. Dies geschieht in enger Abstimmung mit der Linienorga-nisation. Das ist in Großprojekten besonders wichtig, um eine klare Trennung der Verantwortlich-keiten für das jeweilige Personalmanagement in Projekt und Linie sicherzustellen.

2. Mitarbeiterdisposition im Projekt festlegen

In der Mitarbeiterdisposition ist zu klären, über welchen Prozess Mitarbeitende für das Gesamt-projekt angefordert oder „zurückgegeben“ werden. Hierfür hat sich folgendes Vorgehen bewährt: zunächst melden die Teilprojekte ihren Personalbedarf über die Projektmanagerin bzw. den Pro-jektmanager an das Gesamtprojekt, dort werden dann frei werdende Mitarbeitende neu zuge-ordnet oder zusätzliche angefordert.

4.2.2 Initialer Prozess „Projektteam aufbauen“

1. Projektleitung und Projektteam auswählen

In der Anbahnungsphase des Projekts kommt es vor allem darauf an, ein erfahrenes und fach-lich kompetentes Projektteam auszuwählen. Ein arbeitsfähiges Team darf nicht zu groß sein. Be-währt ist eine Kernteamgröße von sechs bis sieben Mitgliedern, die fallweise je nach aktuellem Aufgabenschwerpunkt durch weitere Mitglieder/Personen mit Expertise erweitert wird. Die Ge-samtteamgröße sollte 15 Mitglieder nicht überschreiten.

Um geeignete Mitarbeitende zu finden, werden Anforderungsprofile für die wichtigsten Projekt-rollen erstellt. Das Know-how des Teams sollte alle Aspekte des Projekts abdecken: Fachwissen, Technikkenntnisse, Methodenwissen, Teamfähigkeit, Projekt- und Managementerfahrung. Damit das fachliche Know-how ausreichend berücksichtigt wird, ist es sinnvoll, bereits zu diesem Zeit-punkt relevante Zielgruppen (z. B. Betroffene/zukünftige Nutzerinnen und Nutzer) einzubeziehen.

Praxistipp 4-1: Führung paralleler Personalakten in der öffentlichen Verwaltung nicht legitim

→ Es empfiehlt sich eine enge Abstimmung mit den personalbearbeitenden Stellen sowie allen weiteren relevanten Beteiligten (z. B. Personalrat, Datenschutz).

Praxistipp 4-2: Anforderungsprofile im Kreis von Expertinnen und Experten erstellen

→ Projektleiterinnen, Projektleiter oder Personalmanagerinnen, Personalmanager sind nicht allwissend. Für eine gute Planung der benötigten Fachkompetenzen bietet es sich an, dies in einem Kreis von Expertinnen und Experten zu diskutieren. Dieser Personenkreis sollte die Teilbe-reiche des Großprojekts kennen und kann so fundierte Schätzungen zu benötigten Expertisen und Personalbedarfen abgeben.

Page 48: S-O-S-Methode für Großprojekte

Personalmanagement 48

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Die Gesamtprojektleitung sollte bereits über Erfahrung im Großprojektmanagement verfügen und darüber hinaus die in der folgenden Abbildung dargestellten Anforderungen erfüllen.

Abbildung 13: Anforderungen an Gesamtprojektleitung von Großprojekten in der öffentlichen Verwaltung

Bei Großprojekten ist zudem darauf zu achten, dass in ausreichendem Maß interne Mitarbeitende in das Projekt involviert sind. Es gilt zu verhindern, dass die Auftraggeberseite langfristig von ex-ternen Fachkräften abhängig wird – besonders in Schlüsselpositionen. Deshalb sollte die Auftrag-geberseite vor allem bei gestaltenden Themen langfristig benötigte Kompetenzen zum einen früh-zeitig identifizieren und zum anderen sicherstellen, dass diese durch interne Mitarbeitende erfüllt werden können (in IT-Projekten z. B. Fachkräfte aus den Bereichen IT- Architektur, Feinkonzepti-on, Servicemanagement).

Beim Einsatz externer Mitarbeitender sind auf ausreichende interne Managementkapazitäten zur Steuerung der externen Fachkräfte zu achten. Nur so lassen sich sowohl die formalen Prozesse bei der Beschäftigung externer Fachkräfte durchführen als auch deren Ergebnisse prüfen und sicher übernehmen.

2. Verfügbarkeit und Rahmenbedingungen für den Projekteinsatz abstimmen

Die Verfügbarkeit interner Mitarbeitende über die Projektlaufzeit hinweg ist mit deren Linienor-ganisationen abzustimmen. In der öffentlichen Verwaltung wird die Verfügbarkeit per Umsetzung, Aufgabenübertragung oder Abordnung formal geregelt. Bei der Abordnung ist die längere Vor-laufzeit bis zu dem tatsächlichen Beginn der Abordnung zu berücksichtigen, bei der Umsetzung oder Aufgabenübertragung das Herauslösen aus der aktuellen Aufgabe und die entsprechende Nachbesetzung.

Die Rahmenbedingungen für den Einsatz interner Mitarbeitende sind mit den Personalvorgesetz-ten und dem Personalrat sowie ggf. mit weiteren relevanten Stellen abzustimmen. Es muss festge-legt werden, wer während des Projekts für die fachliche und disziplinarische Führung des Mitar-beitenden zuständig ist und wie die Zeiterfassung organisiert werden soll.

Praxistipp 4-3: Personalrat frühzeitig einbinden

→ Da in der öffentlichen Verwaltung jede detaillierte Ist-Zeit-Erfassung der Zustimmung des Personalrats bedarf, ist dieser frühzeitig einzubinden.

Page 49: S-O-S-Methode für Großprojekte

Personalmanagement 49

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Idealerweise sollten Mitarbeitende in Großprojekten für die gesamte Laufzeit zu 100 % für das Projekt zur Verfügung stehen, auf keinen Fall jedoch für weniger als 70 %. Bei weniger als 70 % treten bereits Probleme auf, weil die Prioritäten nicht klar sind, Mitarbeitende zu wichtigen Pro-jektterminen und -phasen doch nicht verfügbar sind und sich nicht voll auf die Projektaufgaben konzentrieren. Personen, die in Großprojekten wichtige Rollen einnehmen, müssen in jedem Fall zu 100 % verfügbar sein. Es ist ratsam die getroffenen Regelungen schriftlich zu fixieren.

Die Verfügbarkeit externer Mitarbeitender sowie die Rahmenbedingungen für ihren Einsatz wer-den vertraglich vereinbart (siehe auch Kapitel „Vergabe- und Vertragsmanagement“). Der Vertrag regelt beispielsweise die Verpflichtung zur Arbeit „vor Ort“ und den geforderten Einsatz in Stun-den pro Woche. Er enthält aber auch inhaltliche Festlegungen wie die Verpflichtung zum Know-how-Transfer.

3. Personalentwicklungsplan mit Linienorganisation abstimmen

Bei externen Mitarbeitenden wird die Personalentwicklung in der Regel durch deren Unterneh-men geplant. Für interne Mitarbeitende ist die Weiterentwicklung während der Projektlaufzeit mit der Linienorganisation abzustimmen. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Entwicklung des Mitarbeitenden der geplanten Projektarbeit zugutekommt, also mit den Projektzielen in Einklang steht.

Auch der weitere Einsatz der Mitarbeitenden nach Abschluss des Projekts sollte bedacht werden, da eine ungewisse Zukunft zu Blockadehaltungen führen kann. Deshalb ist es wichtig, mit jedem Projektmitarbeitenden eine realistische und attraktive Zukunftsperspektive zu entwickeln. Dafür ist es nötig, Entwicklungsgespräche mit den einzelnen Mitarbeitenden zu führen und gegebenen-falls mit ihnen zusammen aktiv nach Möglichkeiten für eine passende berufliche Option nach Pro-jektabschluss zu suchen. Fehlt eine überzeugende Perspektive, kann dies dazu führen, dass die Mitarbeitenden das Projekt bewusst in die Länge ziehen, um möglichst lange in ihrer Aufgabe zu verbleiben. Oder es führt dazu, dass sie das Projekt vorzeitig verlassen, weil sie sich selbst eine neue Stelle gesucht haben.

4. Grundlagen für Motivation der Mitarbeitenden legen

Die Projektmitarbeitenden werden umso engagierter ans Werk gehen, je besser ihre konkrete Aufgabe im Projekt auf sie zugeschnitten ist und je besser sie ihre Erfahrungen und Kenntnisse einbringen können. Aufgaben und Rollen sollten so verteilt werden, dass niemand unter- oder überfordert ist, denn beides kann demotivieren. Idealerweise sind die Aufgaben vorher mit den Mitarbeitenden abgestimmt.

Darüber hinaus ist es wichtig, sicherzustellen, dass für die Mitarbeitende erkennbar bleibt, wie ihre Arbeit zum Erfolg des Projekts beiträgt. Gerade in Großprojekten besteht aufgrund der hohen Arbeitsteilung die Gefahr, dass Mitarbeitende den eigenen Beitrag zum Erfolg nicht mehr sehen und dadurch demotiviert werden. Es ist deshalb Aufgabe der gesamten Führungsmannschaft, jeder kleinen Einheit und jedem einzelnen Mitarbeitenden immer wieder zu verdeutlichen, in welcher Art und Weise sie zum Gesamterfolg beitragen.

Praxistipp 4-4: Mitspracherecht bei der Auswahl externer Mitarbeitender sicherstellen

→ In Großprojekten ist es sinnvoll, als Auftraggeberin bzw. Auftraggeber ein Mitspracherecht bei der Auswahl der externen Mitarbeitenden vertraglich zu vereinbaren. So kann sichergestellt werden, dass ein Mitarbeitender auf Wunsch der Auftraggeberseite ausgetauscht werden kann bzw. dass die Auftraggeberseite bei Austausch eines externen Mitarbeitenden Seitens des Dienstleisters, der Dienstleisterin ein Vetorecht hat.

Page 50: S-O-S-Methode für Großprojekte

Personalmanagement 50

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

4.2.3 Laufender Prozess „Laufendes Personalmanagement“

1. Verfügbarkeit eines qualifizierten Teams sichern

Werden im Projektverlauf zusätzliche Mitarbeitende oder Mitarbeitende mit anderen Erfahrun-gen und Kompetenzen benötigt, so erfolgt erneut ein Auswahlprozess wie zu Projektbeginn. Al-ternativ können benötigte Kompetenzen im Projekt durch frühzeitige Schulungen und Qualifizie-rungsmaßnahmen aufgebaut werden.

In Großprojekten ist es sinnvoll, jeweils mehrere Mitarbeitende gleichzeitig in das Projektteam zu integrieren. Es sollten feste Zeitpunkte angestrebt werden, in denen neue Mitarbeitende in ein Projekt dazu kommen. So reduziert sich der Aufwand für die Einarbeitung erheblich.

Insbesondere für Wissensträgerinnen und Wissensträger und die Besetzung wichtiger Rollen (ein-schließlich der Vertretung) sollte es in Großprojekten eine Mittel- und Langfristplanung geben, um sicherzustellen, dass die erforderlichen Kapazitäten und Kompetenzen durchgehend verfügbar sind.

2. Motivation des Teams sicherstellen

Das Personalmanagement sorgt in Zusammenarbeit mit der Projektleitung und dem Projektma-nagement dafür, dass das Engagement des Teams und der einzelnen Mitarbeitenden hoch bleibt. In lang laufenden Großprojekten empfinden oft einige Mitarbeitende ihre Aufgaben zu-nehmend als Routine. Sie sind unterfordert und deshalb weniger motiviert. Im Personalmanage-ment kommt es also darauf an, die Aufgaben der Mitarbeitenden regelmäßig auf Unterforderun-gen, aber auch auf Überforderungen, zu prüfen und sie bei Bedarf anzupassen.

3. Mitarbeitende entwickeln

Die Aufgaben der einzelnen Mitarbeitenden sind regelmäßig mit den für sie vereinbarten Entwick-lungszielen abzugleichen. Zeigen sich dabei Abweichungen oder bestehen neue Wünsche, sind entweder neue Ziele zu vereinbaren oder die Aufgaben anzupassen.

Sofern Wissenstransfer zu den Mitarbeitenden im Großprojekt notwendig ist, sollte der Erfolg dieses vereinbarten Transfers geprüft werden – beispielsweise im Rahmen regelmäßiger Perso-nalgespräche.

4.3 Ergebnisdokumente

Drei zentrale Ergebnisdokumente des Personalmanagements sind:

Personalverfügbarkeitsplan: Für jeden Mitarbeitenden ist dokumentiert und abgestimmt, zu welchem Anteil und in welchem Zeitraum die Person für das Projekt zur Verfügung steht.

Personaleinsatzplan: Für jede Projektrolle ist festgelegt, welcher Mitarbeitende die Rolle einnimmt. Für Mitarbeitende ohne dedizierte Rolle ist dokumentiert, welche Aufgaben sie übernehmen. Zudem werden in dieses Dokument Informationen aufgenommen, die mit dem Einsatz des Mitarbeitenden in Verbindung stehen (z. B. Einarbeitungsplanung, Urlaub oder Übergabeplanung beim Ausstieg des Mitarbeitenden aus dem Projekt).

Ausbildungsplan: Für jeden Mitarbeitenden ist festgelegt, wie sich die Person im Projekt weiterentwickeln soll, also z. B. welche Qualifizierungsmaßnahmen in welchem Zeitraum durchzuführen sind.

Statt separate Dokumente für das Personalmanagement zu erstellen, können die oben beschrie-benen Informationen auch in andere Projektdokumente integriert werden (z. B. Projekthandbuch, Projekt-Charta, Aufgabenplan). Weitere für das Personalmanagement relevante Ergebnisdoku-mente – insbesondere das Projektorganigramm und die Definition der Projektrollen – werden im Kapitel zur Projektorganisation beschrieben (siehe Kapitel „Festlegung und Überprüfung der Pro-jektorganisation“).

Page 51: S-O-S-Methode für Großprojekte

Personalmanagement 51

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

4.4 Rollen

Folgende Rollen sind für das Personalmanagement relevant:

Rolle Funktion

Projektleiter, Projektleite-rin (Gesamt-/Teilprojekt-Ebene)

Trägt Gesamtverantwortung für das Personalmanagement im Ge-samt- oder Teilprojekt.

Stellt sicher, dass relevante Beteiligte (z. B. Personalrat, Gleichstellungsbeauftragte/Gleichstellungsbeauftragter, Fortbildung) eingebunden werden.

Sorgt für die Motivation der Mitarbeitenden und des Teams.

Sorgt für die Weiterentwicklung der Kernmitarbeitenden.

Personalmanagerin, Per-sonalmanager

Verantwortlich dafür, dass die Personalmanagementaufgaben und -prozesse definiert, abgestimmt und umgesetzt werden.

Stellt sicher, dass die Mitarbeitenden die notwendige Erfah-rung und Kompetenz besitzen und dass alle Mitarbeitenden zur richtigen Zeit verfügbar sind.

Stimmt die Mitarbeiterentwicklung mit den Mitarbeitenden, der Projektleitung und den Personalvorgesetzten ab.

Personaladministrator, Personaladministratorin

Gewährleistet die administrative Unterstützung.

Fordert notwendige Unterlagen (z. B. abgestimmte Personal-Dispositionspläne und Entwicklungsvereinbarungen) ein und prüft sie.

Erstellt Auswertungen (z. B. „Mitarbeitergebirge“ – grafische Darstellung des Bedarfs an Mitarbeitenden über Zeit) zur Kommunikation von Bedarfen.

Ist häufig Mitglied im PMO.

Tabelle 6: Rollen und Funktionen im Personalmanagement

4.5 Erfolgsmessgrößen

Ein erfolgreiches Personalmanagement kann die Auftraggeberseite an folgenden Kriterien bzw. Prüffragen erkennen:

Stehen die erforderlichen Mitarbeitenden rechtzeitig für den Projekteinsatz zur Verfügung?

Sind die wichtigen Projektrollen mit Mitarbeitenden besetzt, die ausschließlich dem Projekt zur Verfügung stehen und für ihre Aufgabe ausreichend qualifiziert sind?

Werden die Mitarbeitenden regelmäßig über das Projekt, die Ziele, den Status und ih-ren eigenen Beitrag dazu informiert?

Sind die Projektziele in den persönlichen Zielen der Mitarbeitenden verankert?

Sind die Mitarbeitenden motiviert, arbeiten gerne im Projekt und tragen diese positive Stimmung auch nach außen?

Müssen Aufgaben und Rollen wegen Über- oder Unterforderung öfter gewechselt werden?

Ist für jeden Projektmitarbeitenden die Personalentwicklung geplant und abgestimmt?

Haben alle Mitarbeitenden eine klare Vorstellung, wie es nach dem Projekt weitergeht?

4.6 S-O-S-Vorlagen

Personalverfügbarkeits_Einsatzplanung

Projektkompass

Page 52: S-O-S-Methode für Großprojekte

Kommunikationsmanagement 52

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

5 Kommunikationsmanagement Über den gesamten Projektverlauf ist großes Augenmerk auf die Kommunikation zu legen. Wahr-nehmbarkeit, Verständlichkeit und Verhältnismäßigkeit sind Grundvoraussetzungen für die Effek-tivität von Kommunikation. Sowohl die Kommunikation nach innen (in die Organisation hinein und innerhalb des Projekts), als auch die Kommunikation nach außen (oft starke Außenwirkung eines Großprojekts in der Öffentlichkeit) sind zu gestalten und zu steuern. Das Kommunikationsmanage-ment hat Auswirkungen auf die meisten Erfolgsfaktoren der S-O-S-Methode. Auch die Motivation des Projektteams wird stark durch (projektinterne) Kommunikationsmaßnahmen beeinflusst.

Die S-O-S-Methode legt die Schwerpunkte im Rahmen des Kommunikationsmanagement auf ein kontinuierliches Stakeholdermanagement, das Projektmarketing und die Projektkommunikation. Weitergehend wird das Berichtswesen beleuchtet, deshalb wird empfohlen, ergänzend das Modul „Projektcontrolling“ zu beachten. In der S-O-S-Methode werden Maßnahmen beschrieben, die aufgrund der Größe und Komplexität von Großprojekten zusätzlich zu den regulären Kommunika-tionsprozessen in Projektteams (in anderen Projektmanagementmethoden beschrieben) erforder-lich sind. Der Fokus liegt somit auf den zusätzlichen internen und externen Kommunikationsan-forderungen eines Großprojekts.

5.1 Ziele des Moduls

Um die vielfältigen Wertbeiträge leisten zu können, muss das Kommunikationsmanagement folgende Ziele erfüllen:

Zielgerichtete Bereitstellung von Informationen: Alle relevanten Zielgruppen müssen über den gesamten Projektverlauf hinweg rechtzeitig und auf dem richtigen Weg alle für sie rele-vanten Informationen erhalten.

Einbindung und Ausrichtung aller Beteiligten: Es muss sichergestellt werden, dass sich alle relevanten Beteiligten innerhalb und außerhalb des Projekts eingebunden fühlen und die Erreichung der Projektziele unterstützen bzw. sie zumindest nicht gefährden.

Transparentes Berichtswesen: Der aktuelle Stand des Gesamtprojekts muss laufend ermit-telbar sein. Handlungsbedarfe und Risiken im Projekt müssen transparent erkennbar sein.

Praxistipp 5-1: Veränderungsmanagement und Transformationsprozesse zusätzlich zum Kom-munikationsmanagement entwickeln und einführen

→ Das Ziel ist es, von der aktuellen Arbeitsweise auf eine neue Arbeitsweise überzuleiten und daraus einen Nutzen für die Organisation zu ziehen. Das Veränderungsmanagement und die Begleitung von Transformationsprozessen stellen dabei eine Expertisetätigkeit dar. Notwendige Maßnahmen müssen von Beginn des Projekts berücksichtigt werden.

Da es sich hierbei nicht um spezielles Aufgabenfeld für Großprojekte handelt und die Werkzeuge und Techniken durchaus komplex sind, wurde auf eine vertiefte Betrachtung in der S-O-S-Methode verzichtet.

Page 53: S-O-S-Methode für Großprojekte

Kommunikationsmanagement 53

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

5.2 Umsetzungsprozesse

Laufende Prozesse

Initiale Prozesse

Kontinuierliches Stakeholdermanagement

Aufbau Kommunikationsmanagement

Projektmarketing und -kommunikation

Festlegung der

Rollen und Verantwortlich-keiten

Festlegung der

Prozesse

(Neue)

Stakeholder-innen & Stakeholder identifizieren

Interessen /

Ziele / Prioritäten analysieren, priorisieren

Kommuni-

kation planen, durchführen, nachhalten

Zielgruppen

identifizieren/ bestehende überprüfen

Kommuni-

kattionsplan je Zielgruppe aufstellen

Kommuni-

kations-maßnahmenplanen und durchführen

Erfolgs-

kontrolle der Maßnahmen vornehmen

Kontinuierliches Berichtswesen

Berichts-

anforderungen analysieren/ prüfen

Berichte

definieren/ implemen-tieren

Berichte

erstellen und übermitteln

Abbildung 14: Prozesse im Kommunikationsmanagement

5.2.1 Initialer Prozess „Aufbau Kommunikationsmanagement“

1. Festlegung der Rollen und Verantwortlichkeiten

Zunächst sind die Rollen und deren Verantwortlichkeiten zu definieren und abzustimmen. In Ab-stimmung mit dem Personalmanagement werden sie dann mit geeigneten Mitarbeitende besetzt.

2. Festlegung der Prozesse

Danach werden die Teilprozesse des Kommunikationsmanagements definiert – hierzu gehört ins-besondere die Anpassung der nachfolgend dargestellten laufenden Prozesse an die spezifische Projektorganisation.

Bei der Festlegung der Prozesse sind drei generelle Regeln zur Kommunikation zu beachten:

Genau verstehen, was die andere Person/Personengruppe wirklich antreibt und bewegt.

Wichtige Punkte prominent und/oder gesondert kommunizieren und nicht an untergeord-neter Stelle in einem Dokument verstecken.

Frühzeitige Einbindung und ggf. eine gemeinsame Erarbeitung von Themen sollte ange-strebt werden.

Page 54: S-O-S-Methode für Großprojekte

Kommunikationsmanagement 54

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

5.2.2 Laufender Prozess „Kontinuierliches Stakeholdermanagement“

1. (Neue) Stakeholderinnen und Stakeholder identifizieren

Eine erste Liste maßgeblicher Stakeholder und Stakeholderinnen kann als Grundlage des Kom-munikationsmanagements genutzt werden. Im weiteren Vorgehen wird diese Liste weiter ver-feinert. Neben den Hauptbeteiligten müssen auch alle anderen Betroffenen erfasst werden.

Bei der Identifikation der maßgeblichen Stakeholderinnen und Stakeholder stehen zwei Fragen im Mittelpunkt:

Wer wird als Unterstützung gebraucht, damit das Projekt ein Erfolg wird? Wer kann die notwendigen Änderungen durchsetzen?

Wer kann bei Nichteinbindung oder bei offener bzw. verdeckter Opposition den Projekter-folg gefährden?

Die für das Projekt maßgeblichen Stakeholderinnen und Stakeholder können etwa mit Hilfe der folgenden Listen identifiziert werden.

Typische allgemeine Stakeholderinnen und

Stakeholder

Weitere Stakeholderinnen und Stakeholder (nicht abschließend)

Mitglieder der obersten Leitungsebe-ne/Geschäfts- und Behördenleitung

Nutzer und Nutzerinnen

Direkte und andere Vorgesetzte der Nutze-rinnen und Nutzer

Betroffene (z. B. Mitarbeitende, deren Auf-gaben durch die neue Lösung wegfallen)

Beteiligte (alle anderen Mitarbeitende)

Liefernde/dienstleistende Unternehmen

Vertretung der politischen Ebene des Pro-jektsponsorings

Vertretung der politischen Ebene oberhalb des Projektsponsorings

Vertretung der Ressorts, der Länder, etc.

Bundesrechnungshof

Interne Revision

Personalvertretungen/-räte

Beauftragte für den Daten-schutz/Datensicherheit

Gleichstellungsbeauftragte

Repräsentanz für Menschen mit Behinde-rung

IT-Sicherheitsbeauftragte

Geheimschutzbeauftragte

Einzelne Mitarbeitende, die viel Gehör fin-den

Tabelle 7: Typische Stakeholderinnen und Stakeholder in der öffentlichen Verwaltung im Überblick

2. Interessen/Ziele/Prioritäten der Stakeholderinnen und Stakeholder analysieren und priorisieren

Auf dem Weg zu gemeinschaftlich verabschiedeten Projektzielen ist es unabdingbar, die Einbin-dung der maßgeblichen Stakeholder und Stakeholderinnen sicherzustellen. Transparenz über ihre jeweiligen Interessenlage zu schaffen, ist dabei die Basis: Gewinnen oder verlieren sie bei dem Projekt? Was erhoffen sie sich? Die Einbindung lässt sich z. B. durch die Nutzung eines „Align-ment Framework“ erzielen. Auch die individuellen Prioritäten und Erwartungen der Stakeholde-

Praxistipp 5-2: Priorisierung der Stakeholderinnen und Stakeholder regelmäßig kontrollieren

→ Das kontinuierliche Nachhalten der Eigenschaften der Stakeholder und Stakeholderinnen ist unerlässlich. Ihr Einfluss und ihre Einstellung können sich im Verlauf eines Projekts verändern. So können beispielsweise in späteren Phasen des Projekts, wenn die Umsetzung naht, Linienmana-gerinnen und Linienmanager in tieferen Ebenen der Organisation als wichtige Einflussgruppe hinzukommen.

Page 55: S-O-S-Methode für Großprojekte

Kommunikationsmanagement 55

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

rinnen und Stakeholder an das Projekt (z. B. Grad der Einbindung) und an die Lösung (z. B. spe-zielle Funktionalitäten) sind zu erheben.

Für jeden identifizierten Stakeholder und jede identifizierte Stakeholderin (oder jede Gruppe) werden dann die jeweiligen Interessen, Ziele und Erwartungshaltungen analysiert und grob do-kumentiert (Vorsicht bei der Niederschrift sensibler Sachverhalte!).

Eine Möglichkeit, Stakeholderinnen und Stakeholder zu priorisieren und strukturiert verschiedene Personen/-gruppen aufzunehmen, zeigt die nachfolgende Abbildung. Dafür müssen für jeden Stakeholder und jede Stakeholderin zwei Fragen beantwortet werden: „Wie hoch ist die Bedeu-tung der Stakeholderin bzw. des Stakeholders für den Projekterfolg?“ und „Wie ist die wahr-scheinliche oder mögliche Einstellung der Stakeholderin bzw. des Stakeholders gegenüber dem Projekt?“. Auf Basis dieser Einschätzung können gezielt Maßnahmen zur Einbeziehung der Stake-holderinnen und Stakeholder festgelegt und eingeleitet werden. Die Leitfragen dienen als Unter-stützung.

Abbildung 15: Identifikation und Priorisierung von Stakeholderinnen und Stakeholdern

Aus der Gegenüberstellung der Interessen der Stakeholder und Stakeholderinnen sollten mögl i-che Zielkonflikte deutlich werden: wo steht eine betroffene Person bzw. die betroffene Gruppe? Wo sollte sie stehen, damit das Projektziel erreicht werden kann?

Eine wichtige Aufgabe des Kommunikationsmanagements besteht darin, alle Betroffenen und Gruppen von Betroffenen zu priorisieren und diese Einstufung regelmäßig zu überprüfen. Als Steuerungsinstrument genutzt, können so gezielte Kommunikationsmaßnahmen geplant wer-den.

Praxistipp 5-3: Nutzenkommunikation zielgruppenspezifisch gestalten

→ In großen Projekten ist eine neue Lösung nicht für jede Gruppe von Stakeholderinnen und Stakeholdern nur mit Vorteilen verbunden. Um möglichen Widerstand (möglichst früh) zu redu-zieren, ist im Projekt eine Nutzenkommunikation je Betroffenen-Gruppe aufzubauen. Im Mini-mum muss das Projekt eine betroffene Personen-Gruppe, die selbst keine Vorteile aus dem Pro-jekt zieht, mit Verweis auf die übergeordnete Sicht überzeugen.

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

3. Kommunikationsmaßnahmen planen, durchführen und nachhalten

Abhängig von den bisherigen Analysen sind für jede maßgebliche Gruppe geeignete Kommunika-tionsmaßnahmen zu planen und aufzusetzen. Diese können von regelmäßigen bilateralen Gesprä-chen bis zur Zusendung allgemeiner Projekt-Updates reichen. Bei den Maßnahmen für große Gruppen von Stakeholderinnen und Stakeholdern (z. B. Anwenderinnen und Anwender) ist die Grenze zum Projektmarketing (siehe unten) fließend. Diese Planung ist regelmäßig zu über-prüfen und bei Bedarf anzupassen.

Die Priorisierung wird typischerweise vorgenommen anhand zweier Fragen: „Wie hoch ist die Bedeutung einer Stakeholderin bzw. eines Stakeholders/einer Zielgruppe?“ sowie „Wann wird die Stakeholderin bzw. der Stakeholder/die Zielgruppe gebraucht?“ Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie die vordringlichen Stakeholderinnen und Stakeholder damit identifiziert werden kön-nen.

Abbildung 16: Ansatz zur Priorisierung der Stakeholderinnen und Stakeholder/Zielgruppen

In Großprojekten, die anfangs auf der politischen Ebene beschlossen wurden, dann aber eher im Hintergrund ablaufen, ist eine kontinuierliche Wiederholung der Kommunikationsplanung beson-ders wichtig. Viele Stakeholderinnen und Stakeholder haben eventuell am Anfang eher eine passi-ve Grundeinstellung zum Projekt (sie wollen „nur mal teilnehmen“) – und zeigen dann umso mehr Widerstand, je konkreter das Projekt wird. Durch frühzeitige und regelmäßige Kommunikation kann solchen Widerständen entgegen gewirkt werden.

Erfolgreiche Kommunikationsmaßnahmen zeichnen sich durch folgende Merkmale aus:

Keine Zielgruppe wird vergessen.

Jede Zielgruppe wird da abgeholt, wo sie steht.

Kommunikation findet adressatengerecht statt (Fokus auf empfangende Per-son/Gruppe).

Die Kommunikation umfasst auch „Zuhören und Verstehen“, nicht nur „Senden“.

Ungeplante/ungewollte Kommunikation wird bewusst eingedämmt.

Praxistipp 5-4: Je nach Projektphase Fokus auf bestimmte Stakeholderinnen und Stakeholder setzen

→ Aufgrund der großen Anzahl von Stakeholdern und Stakeholderinnen in Großprojekten, ist es manchmal notwendig sich nur auf relevante Personen oder Gruppen in der jeweiligen Phase zu fokussieren. Die kontinuierliche Pflege eines Übersichtdokuments ist unerlässlich.

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Die folgende Abbildung beschreibt ein koordiniertes Vorgehen zur Planung und Durchführung von Kommunikationsmaßnahmen.

Abbildung 17: Vorgehensweise zur Planung und Durchführung von Kommunikationsmaßnahmen

Die nächste Abbildung zeigt die Punkte, die während der Planung von Kommunikationsmaßnah-men geklärt werden müssen.

Abbildung 18: Aspekte der Kommunikationsplanung

Insbesondere in komplexen Großprojekten sollte mit den Stakeholderinnen und Stakeholdern eine sehr offene Kommunikationskultur gepflegt werden. Vor allem kritische Themen wie Pro-jektrisiken sollten offen kommuniziert werden. Dies hat sich im „Krisenfall“ besser bewährt als eine zu positive Kommunikation im Sinne von „Wir haben alles im Griff“.

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

5.2.3 Laufender Prozess „Projektmarketing und -kommunikation“

1. Zielgruppen identifizieren, bestehende überprüfen

Im ersten Schritt des Projektmarketing-Prozesses sind die Zielgruppen zu identifizieren, für die Kommunikationsmaßnahmen sinnvoll erscheinen. Für jede Zielgruppe sollte grob die Interes-senslage und der Kenntnisstand in Bezug auf das Projekt analysiert werden. Für maßgebliche Stakeholderinnen und Stakeholder lohnt sich eine detaillierte Betrachtung (siehe Stakeholderma-nagement). Später sind bestehende Zielgruppen zu überprüfen.

2. Kommunikationsplan je Zielgruppe aufstellen

Je Zielgruppe wird ein Mix von Kommunikationsmaßnahmen zusammengestellt. Dieser sollte verschiedene Mittel umfassen (z. B. Präsentationen des Projekts in größeren Workshops und Regelmeetings, Newsletter, Artikel in internen Zeitschriften oder im Intranet).

Die Kommunikationsmaßnahmen, insbesondere in Bezug auf maßgebliche Stakeholderinnen und Stakeholder, sollten keine Einbahnstraße sein. Das Kommunikationsmanagement muss hier zum „Ohr“ des Projekts werden und fragen: Haben die zukünftigen Nutzenden den Sinn und Nut-zen des Projekts verstanden? Was sind ihre konkreten Anforderungen, die vielleicht noch nicht im Projekt verstanden wurden?

Praxistipp 5-5: Proaktive Kommunikation mit Sonderbeauftragten der Organisation

→ Eine spezielle Gruppe von Stakeholderinnen und Stakeholdern sind die Gremien der Organisa-tion, z. B. Gleichstellungsbeauftragte, Datenschutzbeauftragte oder Schwerbehindertenvertre-tung. Viele Großprojekte betreffen Kernbelange dieser Gremien, die entsprechend ein hohes Interesse am Projekt entwickeln. Die drei Regeln der Kommunikation finden hier ebenfalls An-wendung:

Genau verstehen, was die Sonderbeauftragten wirklich antreibt und bewegt.

Wichtige Punkte prominent und/oder gesondert kommunizieren und nicht an unterge-ordneter Stelle in einem Dokument verstecken.

Frühzeitige Einbindung und ggf. eine gemeinsame Erarbeitung von Themen sollte ange-strebt werden.

Praxistipp 5-6: Medieninteresse an Großprojekten berücksichtigen

→ Da das Interesse der Medien an Großprojekten im öffentlichen Sektor besonders hoch ist, ist die systematische Verfolgung und Auswertung der öffentlichen Berichterstattung häufig sinnvoll. Eine regelmäßige Berichterstattung zur Wahrnehmung des Projekts in der Öffentlichkeit kann dabei helfen, Chancen und Risiken zu identifizieren und proaktiv zu managen.

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Die nächste Abbildung zeigt die Punkte, die vor der Erstellung des Kommunikationsplans geklärt werden müssen.

Abbildung 19: Checkliste für einen erfolgreichen Kommunikationsplan

3. Kommunikationsmaßnahmen planen und durchführen

Die einzelnen Maßnahmen aus dem Plan sind dann zu detaillieren und durchzuführen. Auch wäh-rend langer projektinterner Arbeitsphasen sollten wahrnehmbare Zwischeninformationen erfol-gen.

In sensiblen Großprojekten der öffentlichen Verwaltung, die ein hohes politisches Risiko aufwei-sen (z. B. große Projektsumme, hohe mögliche Stellenverluste), gibt es häufig Gruppen, die ein Interesse daran haben, (vermeintliche) Probleme an die Öffentlichkeit zu bringen – wie z. B. die politische Gegenseite einer beteiligten Person. Aus diesem Grund ist es bei interner und externer Kommunikation besonders wichtig, jedes Dokument aus Sicht der potenziellen Empfängerseite kritisch zu bewerten, um Missverständnisse zu vermeiden.

Negativmeldungen erzeugen ein kontraproduktives Momentum, das schon per se die Erfolgs-wahrscheinlichkeit des Projekts reduziert. Gleichzeitig muss die Kommunikation aber ungeschönt sein, um glaubwürdig und damit effektiv zu sein. Ein Weg, mit diesem Dilemma umzugehen, be-steht darin, Probleme zwar klar zu benennen, den Fokus aber auf die unternommenen und ge-planten Maßnahmen zur Problembehebung zu legen. Drohen beispielsweise Verschiebungen von Meilensteinen, sollte die Analysearbeit betont werden, auf deren Basis nunmehr eine realistische Neuplanung möglich wurde.

Praxistipp 5-7: Massenkommunikation vorsichtig einsetzen

→ Ein übertriebener Auftritt des Projekts (und häufig schon das Wort Projektmarketing) ist ins-besondere im Innenverhältnis zu vermeiden – zu schnell stehen Ressourcenaufwände im Zu-sammenhang mit Kommunikation und Marketing im Verdacht, unnötig zu sein, zu schnell bringt die Aufmerksamkeit Neid bei anderen Mitarbeitenden hervor und erzeugt so Widerstände. Pau-schale „Push“-Maßnahmen (wie E-Mails an alle Mitarbeitende, Artikel in internen Zeitschriften) sollten deshalb sehr selektiv eingesetzt und zielgruppengenau gestaltet werden.

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

4. Erfolgskontrolle der Maßnahmen vornehmen

Es ist nachzuprüfen, ob die gewünschten Inhalte tatsächlich bei den geplanten Zielgruppen ange-kommen und verstanden worden sind. Hierfür empfiehlt es sich, abseits etablierter Berichts-wege informelle Gespräche mit Mitarbeitenden an den Endpunkten der Kommunikationslinien zu führen:

Was ist bei ihnen an Kommunikation angekommen?

Welche Nachrichten wurden verstanden? Decken sie sich mit den Kommunikationszielen?

Welche Misstöne und Missverständnisse sind eventuell entstanden?

Die weiter geplanten Kommunikationsmaßnahmen müssen je nach Ergebnis der Kontrollen ange-passt werden.

5.2.4 Laufender Prozess „Kontinuierliches Berichtswesen“ Das Berichtswesen ist eine spezielle Art der Kommunikation mit standardisierten, periodisch erstellten Berichten, die insbesondere zu den Kerndimensionen des Projektstatus Auskunft geben (Kosten/Budget, Zeit, Qualität/inhaltlicher Fortschritt, Risiken). Es verfolgt drei Ziele:

Laufende Vermittlung eines aktuellen Status zum Gesamtprojekt

Förderung der Motivation der Beteiligten durch die Kommunikation von Erfolgen

Schaffung von Transparenz zu Handlungsbedarfen und Risiken im Projekt

1. Berichtsanforderungen analysieren/prüfen

Zunächst ist zu klären, welche Berichtsanforderungen im Projekt bestehen:

Welche Personen/-gruppen empfangen das Berichtswesen („Kundschaft“)?

Welche Anforderungen (Inhalt, Format, Zyklus, etc.) haben diese Gruppen an das Berichts-wesen?

Beim Aufsetzen des Berichtswesens sind auch die internen Regelungen der jeweiligen Organisati-on zu beachten. Viele Organisationen haben beispielsweise Prozesse zum Portfoliomanagement von Projekten, in deren Rahmen Standardberichte definiert sind.

Praxistipp 5-8: Das Projekt im Intranet der Organisation präsentieren

→ Für Großprojekte empfiehlt es sich, einen Intranet-Auftritt einzurichten, der sich an die Mit-arbeitende der gesamten Organisation wendet und den Nutzen des Projekts für die einzelnen Mitarbeitenden herausstellt. Auch Fragestellungen, die die gesamte Organisation betreffen, sollten nicht ausgespart werden. Klassische Inhalte sind dabei:

Inhalt des Projekts: Worum geht es im Projekt? Welche Geschäftsprozesse sind betroffen, welche nicht? Wird es Änderungen in der Organisationsstruktur geben?

Hintergrund und Perspektive: Wieso soll dieses Projekt durchgeführt werden? Was erwar-tet man sich davon?

Zeitplan: Wie lange dauert das Projekt? Welche großen Meilensteine hat es? Welche, für alle interessanten Termine gibt es in der näheren Zukunft (z. B. Lenkungsausschuss- oder Pressetermine)?

Aktuelles aus dem Projekt: Was sind die neuesten Entwicklungen? Hier kann beispielswei-se auf einen Newsletter verlinkt werden.

Ansprechperson: Wen kann ein Mitarbeitender kontaktieren, um Informationen zu erhal-ten? Wer ist zuständig für welche Aufgaben im Projekt?

Sehr hilfreich für die Akzeptanz des Projekts ist, wenn seine Präsentation im Intranet auch durch die jeweilige Leitung der Organisation unterstützt wird, etwa durch eine Videobotschaft.

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2. Berichte definieren und implementieren

Nach Klärung der Anforderungen müssen die Berichte nutzer- bzw. bedarfsorientiert gestaltet und möglichst effektive Bereitstellungswege definiert werden. Zur Arbeitserleichterung und Einheitlich-keit empfiehlt sich die Erstellung von einheitlichen Vorlagen für das Projekt.

Zur Definition des Berichtswesens zählt auch die genaue Definition von Zulieferungen – wer muss welche Inhalte bis wann in der Berichtsperiode liefern.

3. Berichte erstellen und übermitteln

Schließlich sind die Berichte in der vereinbarten Periodizität zu erstellen und an die empfangs-berechtigten Personen zu leiten. Hierbei sollte regelmäßig geprüft werden, ob die Berichte wirk-lich gelesen und verstanden werden und den Erwartungen der „Kundschaft“ entsprechen.

5.3 Ergebnisdokumente

Die wichtigsten Ergebnisdokumente des Kommunikationsmanagements sind:

Übersicht über Stakeholderinnen und Stakeholder sowie Zielgruppen: Hilft den Überblick zu behalten über Interessen, Einstellungen, Eigenschaften und Prioritäten.

Kommunikationsplan je Zielgruppe/je Stakeholderin und Stakeholder: Stellt sicher, dass die Ziele der Kommunikation erreicht werden.

Kommunikationsunterlagen: Sind z. B. Gesprächsprotokolle, Aushänge, Newsletter, Präsen-tationen, Artikel in internen Zeitschriften.

5.4 Rollen

In der Projektkommunikation sind die folgenden Rollen zu besetzen:

Rolle Funktion

Projektleiterin, Projektlei-ter

Trägt die Gesamtverantwortung für das Kommunikationsmanage-ment.

Stellt sicher, dass alle relevanten Stakeholderinnen und Sta-keholder sowie Zielgruppen in die Kommunikation einbezo-gen werden.

Definiert die benötigten Rollen und besetzt sie mit geeigne-ten Mitarbeitenden.

Kommunikationsmanager, Kommunikationsmanagerin

Übernimmt die operative Koordination der Kommunikation.

Erstellt Kommunikationspläne.

Überwacht die Erstellung von Kommunikationsunterlagen, sorgt für die Durchführung von Kommunikationsmaßnah-men.

Überwacht Erfolg/Effektivität der Kommunikation und passt sie bei Bedarf an.

Kommunikations-administratorinnen und - administratoren

Übernehmen die operative Betreuung oder auch Durchführung von Kommunikationsmaßnahmen.

Organisieren z. B. Informationsveranstaltungen oder verwal-ten Mailinglisten.

Sind zumeist Mitarbeitende des PMO.

Teilprojektleiterin, Teilpro-jektleiter und Projektmit-

Sind allesamt als „Botschafterinnen und Botschafter“ des Projekts wissentlich oder unwissentlich in die Projektkommunikation ein-

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Kommunikationsmanagement 62

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arbeitende gebunden.

Tabelle 8: Rollen und Funktionen im Kommunikationsmanagement

5.5 Erfolgsmessgrößen

Der Erfolg des Kommunikationsmanagements entsteht hauptsächlich in den Köpfen der Empfän-gerinnen und Empfänger. Es empfiehlt sich daher, die Kundschaft direkt zu befragen. Mögliche Fragen sind:

Fühlen sich die maßgeblichen Stakeholderinnen und Stakeholder hinreichend informiert? Sind ihnen Projektstatus und aktuelle Probleme geläufig? Ist ihnen bewusst, wie sie selber aktuell zum Projekterfolg beitragen können/müssen? Fühlen sie sich dem Projekt nach wie vor verpflichtet?

Wissen Anwenderinnen und Anwender/Betroffene über das Projekt Bescheid? Wissen sie, wann die entstehende Lösung zu ihnen kommen wird? Sind ihnen die Konsequenzen und Auswirkungen bewusst?

Empfinden die Empfängerinnen und Empfänger der Berichte diese als aussagekräftig und relevant? Orientieren sich die Diskussionen in Projekt und Lenkungsausschuss an den Be-richten?

5.6 S-O-S-Vorlagen

Kommunikationsmanagement

Stakeholdermanagement

Statusprotokoll

Besprechungsprotokoll

Newsletter

Projektkompass

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Projektplanung und -controlling 63

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

6 Projektplanung und -controlling Im Rahmen eines Großprojekts ist die Projektplanung eine der Kernaufgaben. In der S-O-S-Methode umfasst die Projektplanung die Themen Aufwandschätzung, Aufgaben-, Ressourcen-, Termin- und Budgetplanung. Diese Themen werden begleitet durch das Projektcontrolling. Dieses stellt die laufenden Anpassungen der Schätzungen bzw. Planungen sicher und ermöglicht somit die Transparenz über die gesamte Projektlaufzeit. Diese Transparenz sollte bei Großprojekten sowohl methodisch als auch durch eine Systemunterstützung erfolgen, entsprechend technische Werkzeuge helfen bei der Umsetzung von Planungs- und Controllingprozessen.

6.1 Ziele des Moduls

Ein Erfolgsfaktor von Projekten besteht darin, dass die Projektleitung ihre Entscheidungen auf verlässliche Schätzungen und Planungen aufbauen kann und über ein Mindestmaß an Transpa-renz hinsichtlich Projektfortschritt, Ressourcenverzehr und notwendiger Restaufwände und -zeiten verfügt. Aufgabe der Planung und des laufenden Controllings ist es, die Projektleitung mit diesen Informationen zu versorgen. Um diese Aufgabe zu erfüllen, verfolgt das Modul die folgen-den operativen Ziele:

Koordination aller Projektaufgaben und Ressourcen, die unmittelbar die Kerndimensionen der Planung berühren (Aufwand, Budget, Ressourcen, Termine, Qualität/Inhalt, Nutzen).

Sicherstellung der Verlässlichkeit der Informationen, insbesondere zum Ist-Status, durch reproduzierbare Prozesse mit definierten Qualitätsniveaus.

Sicherstellung der Vorhersagbarkeit in allen Planungsdimensionen, insbesondere hin-sichtlich des Umfangs des benötigten Restaufwands und des noch verbleibenden Zeitrah-mens.

Aufsetzen von Maßnahmen zur Steuerung des Projekts und zur Einhaltung sämtlicher Pla-nungsvorgaben.

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Projektplanung und -controlling 64

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

6.2 Umsetzungsprozesse

Laufende Prozesse

Initiale Prozesse Erstellung initiale Ergebnisse

Rahmenbedingungen für die Planung schaffen

Laufende Planungs- und Controllingaktivitäten

Festlegung Prozesse und Rahmen-bedingungen

Festlegung der Schätz-methodik

Aufwands-schätzung erstellen

Budgetplanung erstellen

Aktuellen Status erheben

Abweichungen ermitteln und Maßnahmen ableiten

Planung aktualisieren und Maßnahmen durchführen

Terminplanung erstellen

Abbildung 20: Prozesse der Projektplanung und des Projektcontrollings

6.2.1 Initialer Prozess „Rahmenbedingungen für die Planung schaffen“

1. Festlegung der Prozesse und Rahmenbedingungen für Planung und Controlling

Bei Projektbeginn sind die Rollen und Verantwortlichkeiten für den Planungs- bzw. Controlling-prozess festzulegen. Zusätzlich werden der Planungs- und Controllingprozess sowie weitere Rah-menbedingungen für die Planung definiert. Es wird insbesondere festgelegt, wer zu welchem Zeitpunkt welche Aufgaben erledigen muss bzw. wer nach welchen Kriterien und Rahmenbedin-gungen Informationen liefern soll, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Die eigentli-che Planungserstellung und das Durchführen des Controllings erfolgen im Anschluss.

Neben den Verantwortlichkeiten sollte auf die Motivation der Mitarbeitenden und Transparenz für Planungs- und Controllingtätigkeiten in Großprojekten geachtet werden. Für viele Mitarbei-tende besitzen Planungs- und Controllingaufgaben oft eine niedrigere Priorität als solche, die aus ihrer Sicht direkt zum Projektergebnis beitragen. Das Projektmanagement muss daher insbeson-dere bei Großprojekten Verständnis dafür schaffen, dass Planung und Kostenkontrolle zu den zentralen Aufgaben aller Beteiligten zählen und der damit verbundene Aufwand zwingend not-wendig ist.

Um Planung und Controlling von der Gesamtprojektebene an tiefere Ebenen delegieren zu kön-nen, müssen zunächst die Vorgaben für das Gesamtprojekt auf die Teilbereiche bzw. -projekte

Praxistipp 6-1: Durchgängigkeit der Planung durch strikte Prozessvorgaben sicherstellen

→ In Großprojekten sind viele Mitarbeitende auf verschiedenen Ebenen regelmäßig mit Planung und Controlling beschäftigt. Daher bedarf es von Beginn an stringenter Durchgängigkeit ohne Brüche in Werkzeugen oder Medien. Es ist zu empfehlen, eingangs die Anforderungen für alle Beteiligten und eine sinnvolle Kaskadierung bzw. Aggregation der Informationen festzulegen. Insbesondere sollten Vorlagen so erstellt werden, dass diese automatisiert und standardisiert schnell eine einheitliche Auswertung sicherstellen. Dies erspart Zeit in der späteren Erstellung.

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Projektplanung und -controlling 65

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

aufgeschlüsselt werden. So erhalten Mitarbeitende auf Teilprojektebene z. B. Aufwandsvorgaben für einzelne Arbeitspakete.

Auf den unteren Ebenen des Großprojekts ist es sinnvoll, dass die Projektleitung explizit die Verantwortungsverpflichtung zu vorgegebenen Aufwandsschätzungen von den für das Er-gebnis verantwortlichen Personen einfordert. Gleichzeitig zeigt die Projektleitung ihnen auf, welche Einflussmöglichkeiten sie auf den Aufwand haben. Dies erhöht wesentlich die Wahr-scheinlichkeit, dass die Vorgaben eingehalten werden. Für die Teilprojekte wird durch die Vorgaben Budgetverbindlichkeit hergestellt, ohne dass auf der Ebene des Projektmanagers oder der Projektmanagerin Mikromanagement betrieben werden muss.

Auf den höheren Ebenen (Auftraggeberin, Auftraggeber > Großprojekt-/Gesamtprojektleitung > Projektmanagement /Teilprojekte) besteht in der Regel keine der-art enge Zusammenarbeit. Es empfiehlt sich hier, den verantwortlichen Personen Vorgaben zu machen, Leitplanken zu setzen und ein klares Erwartungsmanagement zu betreiben.

2. Festlegung der Schätzmethodik

Vor Beginn der Aufwandsschätzung ist zunächst festzulegen, mit welcher Methodik der personelle Aufwand geschätzt bzw. die Restaufwandsschätzungen durchgeführt werden sollen und wie die Schätzungen zu prüfen sind. Erst danach erfolgt die eigentliche Erstellung und Anpassung der Aufwandsschätzung.

Bei Festlegung der Schätzmethodik in Großprojekten sind die folgenden Punkte zu beachten:

Festlegung von Standard-Vorgaben und -Methoden: Nützlich ist die Verwendung von Standard-Vorlagen und -Methoden, die durch Nennung der relevanten Aufwands- und Kos-tenfaktoren Vollständigkeit gewährleisten und darüber hinaus Schätzanleitungen geben.

Die Vorlagen berücksichtigen z. B. alle für das Projekt relevanten Phasen von der Projek-tanbahnung bis zur Inbetriebnahme sowie alle Aufwands- und Kostenkategorien, die auch im WiBe-Standard vorgesehen sind (Software, Hardware, Implementierung, Projektma-nagement, aber auch weniger offensichtliche Faktoren wie Reisekosten, Trainingskosten, Bezüge, Wartung, Betriebsaufwände für die ersten Jahre etc.). Hierbei wird insbesondere auf die vom Bundesministerium für Finanzen ständig aktualisierten Personalkostensätze hingewiesen.

Berücksichtigung des Kommunikations- und Steuerungsaufwands: Der Aufwand für Kom-munikationsmanagement und Projektsteuerung sollte nicht unterschätzt werden. Mit zu-nehmender Projektgröße steigt der entsprechende Aufwand für beide Aufgaben überpro-portional an. Daher kann der Kommunikations- und Steuerungsanteil kleiner Projekte nicht einfach auf Großprojekte hochgerechnet werden.

Zunächst müssen die Ideen und Konzepte zu Kommunikation und Steuerung im Großpro-jekt festgelegt werden. Auf dieser Basis lässt sich der Aufwand bestimmen. Beispielsweise fließt in einem Großprojekt viel Arbeit in die Erstellung eines Statusberichts, da auf allen Ebenen Informationen eingeholt, zusammengeführt und konsolidiert werden müssen. Für die Schätzung macht es daher einen erheblichen Unterschied, ob der Statusbericht mo-natlich oder zweiwöchentlich erstellt wird. Generell ist die Erwartung an die Projektmitar-beitende bezüglich der Kommunikations- und Steuerungsmechanismen im Projekt klar zu

Praxistipp 6-2: Kostenbewusstsein aller Mitarbeitenden aktivieren und schärfen

→ Mit passenden Informationen über Kostentreiber können Projektmitarbeitende Verschwen-dung und Vermeidung unnötiger Kosten aktiv angehen. So kann z. B. bei IT-Projekten der un-achtsame Umgang mit Lizenzen zu einem erheblichen Kostenfaktor werden, ebenso sollte man ein „viel hilft viel“ vermeiden, z. B. in der Planung von Schulungen oder etwaiger Hardwareland-schaften.

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

kommunizieren. Auf diese Weise kann der dadurch induzierte Aufwand in Aufwands-schätzungen korrekt berücksichtigt werden.

Berücksichtigung von Aufwandsposten am Rande des Projekts: Manchmal sind Großpro-jekte nur Teile/Teilprojekte eines Gesamtvorhabens, das aus mehreren Großprojekten be-steht. Bei der Festlegung der Projektrahmenbedingungen wurde eine Grenze zwischen dem eigenen Großprojekt und dem Gesamtvorhaben definiert. Die Aufwandsposten an den Schnittstellen zum Gesamtvorhaben müssen in der Aufwandsschätzung berücksichtigt wer-den.

Berücksichtigung von Risikopuffern: Jede Aufwandsschätzung muss einen Risikopuffer für unvorhergesehene Ereignisse beinhalten. In Großprojekten behält die Gesamtprojektleitung die Kontrolle über den Risikopuffer. Im Projekt ist festzulegen, wie der Puffer in den Schät-zungen auf unterschiedlichen Projektebenen zu berücksichtigen ist. Der Puffer wird norma-lerweise nur einmalig auf Ebene des Gesamtprojekts geschätzt.

Zusätzlich muss auch die Auftraggeberin, der Auftraggeber einen Puffer einplanen, der dem Projekt nicht zur Verfügung gestellt wird. Dies hält Handlungsoptionen offen, wenn Probleme im Projekt auftreten. Darüber hinaus entstehen auch auf Auftraggeberseite Aufwand und Kosten für Änderungen oder ursprünglich nicht berücksichtigte Themen („vergessene Aktivitäten“).

Festlegung und Verifizierung der Produktivitätsannahme von Teams und Mitarbeitenden: Bei der Schätzung zur Produktivität können schon geringe Abweichungen zwischen der Pro-duktivitätsannahme und der tatsächlich erreichten Produktivität große Auswirkungen ha-ben. Die Produktivitätsannahme ist im Projektverlauf anhand von Soll-Ist-Vergleichen unter Einbeziehung der Restaufwandsschätzungen und unter Berücksichtigung der Erfahrung und Qualifikation der Mitarbeitenden zu verifizieren und zu verfeinern.

Schätzungen haben niemals den Anspruch an vollständige Genauigkeit. Um dennoch die abge-benden Schätzungen zu verifizieren, haben sich folgende Maßnahmen bewährt:

Schätzung über eine andere Schätzmethodik (z. B. Prüfung über Erfahrungsdatenbank mit Aufwandsdaten zu vergleichbaren Projekten, Use-Case-Point-Methode, Function-Point-Methode, Planning Poker etc.).

Prüfung durch Personen mit Expertise in der technischen und/oder fachlichen Domäne.

Prüfung durch Gesamtprojektleitung und Projektmanagement mit entsprechendem Erfah-rungshintergrund in Projekten mit ähnlicher Größenordnung, insbesondere im gleichen Um-feld.

6.2.2 Initialer Prozess „Erstellung der initialen Ergebnisse“

1. Aufwandsschätzung erstellen

Der für das Projekt benötigte Aufwand wird erstmalig in der Projektanbahnungsphase geschätzt. Die Schätzung beruht auf den Informationen, die zu diesem Zeitpunkt über den Projektumfang bzw. die Aktivitäten vorliegen, die im Hinblick auf das Projektziel erforderlich sind sowie Auskunft über die Projektrahmenbedingungen geben. Diese erste Schätzung ermöglicht eine Angabe zum Gesamtaufwand, die im weiteren Verlauf als Vorgabe für das Gesamtprojekt dient.

Praxistipp 6-3: Vertraulichkeitsstufen in der Kommunikation definieren

→ Um einer möglichen Verunsicherung bei den Mitarbeitenden entgegenzuwirken ist festzule-gen, welche Informationen tatsächlich zur Kommunikation geeignet sind. Beispielsweise ist es nicht sinnvoll, vorhandene Puffer oder Rückstellungen uneingeschränkt in das Team zu kommu-nizieren. Es sollten daher entsprechende Vertraulichkeitsstufen definiert werden, welche die Weitergabe von Informationen verbindlich regeln.

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Eine Aufwandschätzung wird in mehreren Schritten erstellt:

Vorgaben und Rahmenbedingungen festlegen: Als Ausgangspunkt für die Detaillierung dienen die Vorgaben und Rahmenbedingungen, die während der Projektanbahnung festge-legt wurden. Hierbei handelt es sich insbesondere um den messbaren Nutzen, greifbare Zie-le, den vorgegebenen Lösungskorridor, Termine und Budget. Diese Rahmenbedingungen müssen so gestaltet sein, dass sie den Entwurf eines detaillierten Lösungskonzepts ermögli-chen.

Erstes Lösungskonzept erarbeiten: Auf Basis der Vorgaben und anhand der Informationen, die im Hinblick auf eine mögliche Lösung vorliegen, wird eine Lösungsidee skizziert und ein Lösungskonzept erarbeitet. Berücksichtigt werden dabei beispielsweise die Informationen aus einer Machbarkeitsstudie. Das Lösungskonzept ermöglicht eine Schätzung des Auf-wands für das Gesamtprojekt („Top-down-Schätzung“). Aus dieser Schätzung ergeben sich Vorgaben für Teilbereiche des Projekts oder für Teilprojekte.

Lösung detaillieren: Auf den unteren Ebenen des Projekts wird die Lösung weiter detailliert und für die einzelnen Teile des Projekts eine genauere Schätzung erstellt („Bottom-up-Schätzung“). Detaillösungen und Schätzungen werden auf der Ebene des Gesamtprojekts konsolidiert. Aus dieser detaillierten Gesamtlösung können sich geänderte Vorgaben für Teile des Projekts ergeben, in diesem Fall sind eine erneute Schätzung und Lösungsdetaillie-rung erforderlich.

Die nächste Abbildung zeigt den Zeitverlauf in Bezug auf die Konkretisierung der Anforderungen in einem Großprojekte. Gestartet wird mit hoher Planungsunsicherheit auf Grund ungenauer Anfor-derungen, erst im Laufe der Zeit erfolgt die Detaillierung der Planung und Lösung.

Praxistipp 6-4: Angemessene Berücksichtigung unklarer Anforderungen sicherstellen

→ Zu Beginn von Großprojekten sind die Anforderungen selten vollständig, konsistent und de-tailliert spezifiziert. Dennoch muss das Großprojekt in Gang gesetzt werden, das heißt, der Pro-zess zur Aufwandsschätzung (und damit einhergehend die Planung) beruht auf unklaren Anfor-derungen. Erst mit der Detaillierung der Lösung ergeben sich zunehmend stabile und detaillierte Anforderungen, auf deren Basis sich der Aufwand stabiler und genauer schätzen lässt. Ziel ist ein Grad der Detaillierung und Stabilität, der eine verlässliche Steuerung des Projekts erlaubt.

Praxistipp 6-5: Personalaufwandsschätzung in Personentagen

→ In der öffentlichen Verwaltung werden Kapazitäten häufig in Stellen oder prozentualen Anga-ben betrachtet. In Projekten bietet es sich an, Kapazitäten mit festen Personentagen zu hinterle-gen.

Beispiel: Die konkrete Vereinbarung von einem Tag pro Woche ist für Mitarbeitenden und Füh-rungskräfte wesentlich besser vorstell- und nachhaltbar. Die Angabe von 20% Arbeitszeitanteil geht meist in der regulären Arbeit unter und wird selten vollständig erfüllt.

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Abbildung 21: Konkretisierung der Anforderungen im Verlauf eines Projekts

Die sukzessive Detaillierung wirkt der Gefahr des Übersteuerns in frühen Phasen entgegen: Oft wird zu früh eine kleinteilige Schätzung (und eine darauf aufbauende Planung) für Teile des Pro-jekts vorgenommen, die dann in die Schätzung des Gesamtprojekts einfließt. Dadurch kann ein minimaler Fehler, der sich aus noch ungenauen Anforderungen ergibt, eine erhebliche Ungenau-igkeit der Gesamtschätzung bewirken.

Die Aufwands- und Budgetvorgaben, denen das Projekt und seine Teilprojekte unterliegen, beein-flussen die Qualität bzw. den Umfang der Lösungsdetaillierung. Erforderlich ist eine Rück-kopplung mit der Auftraggeberseite, wenn die im Rahmen der Vorgaben erreichbare Lösungs-qualität oder der erreichbare Lösungsumfang nicht den Erwartungen entsprechen.

Für die gesamte Lösungsdetaillierung und die damit einhergehende Detaillierung der Schätzung und Planung gilt: die Ungenauigkeit eines Ergebnisses ist stets klar zu kommunizieren. Das gilt sowohl innerhalb des Projekts (für Detailschätzungen in Teilprojekten und für die Kommunikation mit dem Gesamtprojekt) als auch auf Gesamtprojektebene (für die Kommunikation mit der Auf-traggeberseite). Beide Seiten müssen die Planungsungenauigkeit auf Grund der unklaren Anfor-derungen akzeptieren und sich des damit einhergehenden Änderungsbedarfs im Laufe der Detail-lierung bewusst sein. Wo möglich, sollten die Ursachen für unklare Anforderungen beseitigt wer-den.

Praxistipp 6-6: Möglicher Umgang mit geänderten Vorgaben durch die Auftraggeberseite

→ In diesem Fall gibt es verschiedenste Handlungsmöglichkeiten, z. B.

Reduzierung der vom Projekt zu liefernden Lösung (Priorisierung),

Hinterfragen und Anpassen der (Qualitäts-)Ziele,

Berücksichtigung von Lösungen außerhalb des vorgegebenen Lösungskorridors (und somit Änderung der Kosten-Nutzen-Analyse),

Reduzierung der Kosten,

nochmalige Prüfung der Lösungsdetaillierung („jeden Stein im Projekt umdrehen“),

Delegation nach oben mit dem Auftrag, geänderte Rahmenbedingungen zu schaffen.

Letztendlich sollte das Projekt nur bei einer realistischen Erfolgschance weitergeführt werden. Die von der Auftraggeberseite zugesagten Rahmenbedingungen sollten im Projektverlauf auch eingefordert werden.

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2. Budgetplanung erstellen

Der geschätzte Aufwand wird in Geldwerte umgerechnet. Dazu sind Angaben zur geplanten Zu-sammensetzung des Teams und zu den Kosten für die Mitarbeitenden erforderlich. Darüber hin-aus werden alle in der Anbahnungsphase bekannten sonstigen Kosten ermittelt (z. B. Lizenz-, Hardware- und Reisekosten). Beide Größen ergeben in Summe das erforderliche Gesamtbudget. Zugleich wird geplant, zu welchen Zeitpunkten das Budget für welche Zwecke abfließt. Beispiels-weise werden Meilensteine zu Rechnungsstellungen und zur Beschaffung von Hardware be-stimmt.

Zusätzlich zu den bewerteten Kostenfaktoren enthält der Budgetplan entsprechende Puffer, die sich zum einen aus dem Puffer in der Aufwandsschätzung berechnen, zum anderen aus dem Puf-fer für ungeplante sonstige Kosten.

Bei der Budgetplanung sind die Vorgaben des Haushaltsrechts zu beachten. Zu Beginn des Pro-jekts festgelegte und auf Jahresgrenzen aufgeteilte Budgets schränken die Flexibilität in der Budgetplanung ein. Das Haushaltsrecht sieht jedoch Mechanismen vor, die auch eine Planung über mehrere Jahre erlauben, z. B. durch Übertragbarkeit von Budgets oder Verpflichtungser-mächtigungen. Die Vorgaben des Haushaltsrechts müssen also als Rahmenbedingungen in die Planung eingehen. So ist beispielsweise darauf zu achten, dass der Risikopuffer nicht nur einmalig zu Projektende in die Budgetplanung einfließt, sondern realistisch auf die Jahre verteilt wird – andernfalls steht er in frühen Phasen des Projekts nicht für ungeplante Ausgaben zur Verfügung. Generell sollte an der Budgetplanung eine Person mit Haushaltsrechtsexpertise beteiligt werden.

3. Terminplanung erstellen

Auf Basis der vorgegebenen Rahmenbedingungen aus der anfänglichen Aufwandsschätzung sowie der Verfügbarkeit von Ressourcen und der vorgegebenen Termine wird ein erster grober Projekt-plan erstellt. Er dient als Ausgangspunkt für spätere Detaillierungen und Aktualisierungen und zur Prüfung von Abweichungen in späteren Projektphasen.

Die folgende Abbildung zeigt einen beispielhaften groben Projektplan.

Praxistipp 6-7: Indirekte Kosten und Folgekosten berücksichtigen

→ Bei Projekten mit Software- und Implementierungsleistungen externer Unternehmen enthält die Kostensumme, die im Angebot erscheint, oft nur Lizenzkosten und direkte Implementie-rungskosten, viele weitere Kostenfaktoren sind nicht enthalten: in einem Beispielfall bildete der Vertragswert für einen Vertrag für ein Softwareprodukt inklusive Implementierung weniger als 25 % der Gesamtkosten des Projekts ab. Im Vertrag war die Mehrwertsteuer nicht ausgewiesen, auch Kosten für die Softwarewartung (ca. 20 % der Lizenzkosten pro Jahr, fällig ab Vertragsab-schluss) etc. waren nicht bewertet; hinzu kamen interne Kosten.

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Abbildung 22: Beispiel eines groben Projektplans

Grundlagen für die Planung sind sauber zwischen den Teilprojekten abgegrenzte Aufgaben-gebiete sowie die zentral vorgegebenen Planungsparameter (Detailgrad der Planung auf unter-schiedlichen Ebenen, Berücksichtigung von Urlaub, Überstunden, Feiertagen etc.).

Die erste Terminplanung wird auf Basis der ersten Schätzung des Aufwands erstellt. Daher gilt bei unklaren Anforderungen auch hier der Detaillierungsprozess für die anfängliche Aufwandsschät-zung. Zu Beginn wird ein grober Gesamtplan als Vorgabe/Rahmenbedingung für die Erstellung der Teilprojektpläne erstellt. Die Erkenntnisse aus den detaillierten Teilprojektplänen müssen umge-kehrt wieder in den Gesamtplan einfließen. Bei Abweichungen zwischen den Vorgaben aus dem Gesamtplan und den Erkenntnissen aus den Detailplänen werden durch regelmäßige Planungszyk-len Konsistenz und Stabilität der Gesamtplanung herbeigeführt.

6.2.3 Laufender Prozess „Laufende Planungs- und Controllingaktivitäten“

1. Aktuellen Status erheben

Im Projektverlauf ist regelmäßig der aktuelle Status in allen Planungsdimensionen (Ist-Daten) zu erheben. Ihm werden Informationen gegenübergestellt, die Aussagen über zukünftige Entwick-lungen erlauben. Neben Aufwand und Budget sind darüber hinaus Informationen zu Inhalt und Qualität/Nutzen sinnvoll.

Praxistipp 6-8: Typische Maßnahmen zur Minderung des Planungsrisikos

→ Die erste Planung muss risikominimierende Maßnahmen berücksichtigen. In Großprojekten haben sich folgende Maßnahmen bewährt:

Stufen bzw. Iterationen einplanen. Eine schrittweise Umsetzung ist mit weniger Risiko behaftet als die umfassende Einführung zu einem bestimmten Termin („Big Bang“).

Erfolge in frühen Phasen planen. Dies erhöht die Motivation des Projektteams, steigert das Vertrauen der Stakeholderinnen und Stakeholder und unterstützt das Projektmarke-ting.

„Proof of Concept“ vorsehen. Einen Meilenstein einzuplanen, der die prinzipielle Durch-führbarkeit eines Vorhabens belegt, reduziert das Risiko, dass sich Lösungskonzepte zu spät als nicht tragfähig erweisen, z. B. weil sie Nutzeranforderungen oder Volumenvor-gaben nicht erfüllen.

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Folgende Status sollten regelmäßig erhoben werden:

Aktuellen Status zu Aufwand und Budget erheben: Für das Controlling werden Ist-Aufwand und Ist-Kosten ermittelt sowie Restaufwand und zukünftige Kosten errechnet bzw. ggf. ge-schätzt.

Aktuellen Nutzenstatus erheben: Um den Status des bereits erzielten Nutzens zu bestim-men, werden regelmäßig die Ergebnisse bzw. Zwischenergebnisse überprüft. Dabei gilt es zu klären, ob die anfangs angenommenen Rahmenbedingungen und Parameter noch gültig sind oder sich verändert haben. Haben sie sich verändert, ist der Nutzen anhand der in der Projektanbahnungsphase festgelegten Kriterien (Werttreiber) neu zu bemessen.

Aktuellen Status von Inhalt und Qualität erheben: Der Status von Inhalt und Qualität lässt sich anhand unterschiedlicher Informationen bestimmen. Beispiele dafür sind:

o Informationen über den Fertigstellungsgrad der Artefakte, die im Projektverlauf ge-liefert werden müssen („Earned-Value-Analyse“). Dazu ist es notwendig, die unter-schiedlichen Stufen der Fertigstellung eines Teilergebnisses anhand eines Status-modells genau zu definieren (was bedeutet „fertig“; was muss bei 80 % Fertigstel-lung erreicht sein etc.), damit alle Beteiligten den Fertigstellungsgrad einheitlich einschätzen.

o Aktuelle Werte aus dem Qualitätsmanagementsystem, z. B. Informationen aus re-gelmäßigen oder zu definierten Meilensteinen geplanten Qualitätsreviews (z. B. An-zahl entdeckter Defekte bei Reviews), Informationen über die Anzahl von Fehlern und den Verlauf der Fehlerbehebung.

o Ergänzende Informationen aus Tools, die zusätzliche Informationen zur Bewertung einzelner Qualitätskriterien liefern, z. B. Ermittlung von Aufrufbeziehungen oder Kommentarzeilen durch ein Softwareanalysewerkzeug.

Ein Beispiel für die Statuserhebung von Inhalten zeigt die folgende Abbildung. Hier wird die Anzahl im Projekt freizugebender Dokumente anhand ihres Fertigstellungsgrads ermit-telt.

Abbildung 23: Beispiel zur Erhebung des aktuellen Status in der Dimension Inhalt

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

2. Abweichungen ermitteln und Maßnahmen ableiten

Der aktuelle Status wird anhand von Soll-Ist-Vergleichen mit den ursprünglichen Vorgaben vergli-chen und auf Abweichungen hin analysiert. Abweichungen bergen die Gefahr, dass das Projekt die ursprünglich vorgegebenen Rahmenbedingungen und damit den Gesamtplan nicht einhält.

Mit zusätzlichen Trendanalysen lässt sich die Entwicklung in den verschiedenen Planungsdimensi-onen im Zeitverlauf betrachten. Die Analysen können Hinweise auf künftige Abweichungen von den vorgegebenen Rahmenbedingungen geben.

Bei erkannten aktuellen oder zukünftigen Abweichungen werden Gegenmaßnahmen ermittelt, mit denen sich das Gesamtprojekt wieder in den ursprünglich vorgegebenen Korridor zu-rücksteuern lässt. Bei erwarteten zukünftigen Abweichungen sollte die Wahrscheinlichkeit er-mittelt werden, mit der eine Abweichung eintritt. Es sollte zudem eruiert werden, welche Fakto-ren diese Wahrscheinlichkeit erhöhen oder verringern. Diese Faktoren lassen sich dann durch explizit geplante Maßnahmen beeinflussen.

Die folgend beschriebenen Prüfungen sind regelmäßig durchzuführen:

Prüfung von Aufwand und Budget: Um Aufwand und Budget zu prüfen, werden die ent-sprechenden ursprünglichen Soll-Vorgaben der Summe aus Ist-Aufwand bzw. Ist-Kosten und Restaufwand bzw. Restkosten gegenübergestellt.

Trendanalysen liefern Hinweise auf mögliche zukünftige Abweichungen, z. B. durch: o Betrachtung der Aufwands- und Budgetpuffer: Wie schnell verringert sich der Puf-

fer, wann ist der Puffer bei dieser Geschwindigkeit verbraucht? o Betrachtung der Teamkosten: Erhöhen sich die Durchschnittskosten des Teams

durch den unvorhergesehenen Einsatz von Mitarbeitenden mit höheren Entgeltstu-fen bzw. Tagessätzen? Wann ist das Budget verbraucht, wenn sich dieser Trend fortsetzt?

o Betrachtung der Ressourcenanfragen, die sich aus den Restaufwandsschätzungen (Mitarbeitende) und den Restbudgetschätzungen (sonstige Ressourcen) ergeben: Fragen die Teilprojekte zunehmend Ressourcen an?

o Betrachtung von Terminerreichung und kritischem Pfad: Beides ergibt sich aus der regelmäßig zu aktualisierenden Schätzung des Restaufwands.

Prüfung von Inhalt und Qualität: Der ermittelte Fertigstellungsgrad berechnet sich aus dem Verhältnis von Ist-Aufwand zu Restaufwand. Eine „Earned-Value-Analyse“ kann dabei unter-stützen, den realistischen Fertigstellungsgrad zu bestimmen.

Die hinsichtlich der Qualität erhobenen Daten werden anhand von Prognosen mit den Vorgaben abgeglichen. Beispielsweise liefern die erwartete Fehler- und Fehlerbehebungs-rate einen Hinweis, ob alle Fehler bis zum geplanten Projektende behoben sind.

Trendanalysen liefern weitere Hinweise auf zukünftig zu erwartende Abweichungen, z. B. durch:

o Betrachtung der Produktivität: Wie hoch war die im letzten Controllingzyklus er-wartete Produktivität (z. B. Fehlerbehebungsrate, Anzahl fertig gestellter Artefak-te)? Wie hoch ist die tatsächliche Produktivität?

Praxistipp 6-9: Konsistenz von Budgetplanung, Haushaltsmeldungen und WiBe wahren

→ Die Gesamtprojektleitung muss sicherstellen, dass die Budgetplanung mit den jährlichen Haushaltsmeldungen und den in der WiBe enthaltenen Angaben konsistent bleibt. Dafür müssen eventuell die Aufgaben- oder Zeitplanung geändert oder anderweitige Maßnahmen ergriffen werden (z. B. bereits zu Beginn Puffer einplanen, Puffer auf Jahre verteilen).

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

o Betrachtung der Qualitätsprognosen: Wie sah die im letzten Controllingzyklus er-stellte Qualitätsprognose aus (z. B. erwartete Anzahl der auftretenden Fehler)? Wie fiel die tatsächliche Qualität aus (z. B. wie viele Fehler traten tatsächlich auf)?

Prüfung des erzielten Nutzen: Abweichungen vom erwarteten Nutzen können sich entwe-der durch im Laufe der Zeit ändernde Rahmenbedingungen ergeben (z. B. wenn Nutzentrei-ber wegfallen, weil Verbesserungen bereits auf anderen Wegen umgesetzt wurden) oder durch Veränderungen bei der geplanten Lösung, die nicht mehr auf die gleiche Weise auf die bisher festgelegten Nutzenparameter wirkt.

Die Nutzenvorgaben des Projekts wurden zu Beginn in der Kosten-Nutzen-Analyse festge-schrieben, die von den Stakeholderinnen und Stakeholdern gegengezeichnet wurde – Än-derungen sind ohne Entschluss des Lenkungsausschusses nicht zulässig. Liegt die Ursache für Abweichungen hinsichtlich des erwarteten Nutzens in einer geänderten Lösung, so ist zunächst projektintern zu klären, ob die ursprüngliche Lösung nicht doch realisierbar ist oder ob es alternative Lösungen mit gleichem Nutzen gibt.

Ist dies nicht möglich oder liegen die Ursachen für die Abweichung im Projektumfeld, so ist der Fall an den Lenkungsausschuss bzw. der Auftraggeberseite zu eskalieren. In enger Abstimmung wird notfalls die Kosten-Nutzen-Analyse geändert. Wenn der zu erwartende Nutzen zu gering ist, muss das Projekt im Extremfall eingestellt werden,

3. Planung aktualisieren und Maßnahmen durchführen

Ein wichtiger Aspekt bei der Erstellung von Plänen in Großprojekten ist die Konsistenz der Ge-samtplanung. Sowohl die Pläne der unterschiedlichen Projektebenen als auch die Pläne der un-terschiedlichen Teilprojekte müssen zueinander passen (das gilt nicht nur für die erste Planung, sondern auch für Planungsaktualisierungen während der Projektlaufzeit). Von tieferer zu höherer Ebene werden die Informationen jeweils verdichtet, jedoch nicht verändert. Es muss dabei jeder-zeit möglich sein, detailliertere Informationen aus den Planungen tieferer Ebenen zu erhalten, die konsistent zu den Planungsinformationen der höheren Ebenen sind. Der Status der Planung auf höherer Ebene kann also nur so gut sein wie der schlechteste Status auf der darunter liegenden Ebene. Das heißt: falls ein auf dem kritischen Pfad liegendes Teilprojekt nicht im Plan liegt (Ampel auf „rot“), muss auch für das Gesamtprojekt eine wahrnehmbare Abwertung erfolgen. Einer „Schönfärberei“ von Projektampeln kann durch die gleichzeitige Vorlage von zahlenbasierten Con-trollingberichten begegnet werden.

Für die Konsistenz zwischen den Plänen gleicher Ebenen ist dafür zu sorgen, dass die Abhängigkei-ten und wichtigen Meilensteine in der Planung der höheren Ebene sichtbar und erhalten bleiben.

Darüber hinaus dürfen Mitarbeitende und Ressourcen nicht mehrfach verplant werden. Dies kann durch eine feste Aufteilung auf die Teilprojekte und eine entsprechende Überwachung in einem Gesamtprojekt-Ressourcenpool gewährleistet werden.

Maßnahmen, die sich aus den Abweichungen der aktuellen Daten von den vorgegebenen Werten ergeben, werden in die Planung aufgenommen. Eine Aktualisierung der Planung kann auch auf-grund anderer Sachverhalte notwendig werden, zum Beispiel aufgrund

aktueller Schätz- und Controllinginformationen, die neue Erkenntnisse enthalten und die von den bisher in der Planung enthaltenen Werten abweichen,

von Änderungen des Projektumfangs z. B. durch genehmigte Änderungsanforderungen,

neu initiierter Maßnahmen aus den unterschiedlichen Projektmanagement-Modulen.

Bei der Aktualisierung ist darauf zu achten, dass alle relevanten Dokumente konsistent gehalten werden. Aufwandsschätzung, Budgetplanung, Projektplan, Planungssichten und Controllinginfor-mationen müssen mit jeder Änderung auf allen Ebenen des Projekts angepasst werden.

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In Großprojekten ist auf Gesamtprojektebene der kritische Pfad von Projektebene zu Projektebe-ne, basierend auf Detailplanungen zu ermitteln: der kritische Pfad wird in den Teilprojekten auf der Ebene der Arbeitspakete eruiert und dann auf den nächsthöheren Ebenen anhand von Ab-hängigkeiten und Meilensteinen nachvollzogen, bis er schließlich in der Gesamtplanung sichtbar ist. Der kritische Pfad ist auf der Ebene des Gesamtprojekts immer wieder zu betrachten, denn er liefert wesentliche Hinweise dazu, ob weitere Maßnahmen zur Sicherung des Projekterfolgs not-wendig sind. Regelmäßig muss hinterfragt werden, wo auf dem kritischen Pfad Risiken zu finden sind und wie die Termineinhaltung der Themen auf dem kritischen Pfad sichergestellt werden kann.

Schließlich werden die initiierten Maßnahmen umgesetzt. Ihre Wirksamkeit wird regelmäßig in den nachfolgenden Planungszyklen geprüft.

6.3 Ergebnisdokumente

Wesentliche Ergebnisse der Projektplanung gliedern sich in drei Gruppen von Dokumenten:

Projektplan und Planungssichten: Im Allgemeinen setzt sich ein Projektplan zusammen aus:

o Projektstrukturplan („Work Breakdown Structure“): Hierarchische und überlap-pungsfreie Gliederung des Projekts in Planungssegmente und Arbeitspakete, die zur Erreichung des Projektziels notwendig sind.

o Budget- und Kostenplan: Der Budget- und Kostenplan weist das im Projekt vorhan-dene Budget sowie die geplanten Kosten aus. Dazu gehören der in Geldwert umge-rechnete Aufwand sowie weitere im Projekt anfallende externe/haushaltswirksame Kosten (beispielsweise für Lizenzen, Hardware oder Reisen, aber auch interne Kos-ten wie z. B. Kosten für Fortbildungen). Die initiale Budgetplanung dient als Basis für Soll-Ist-Vergleiche in Bezug auf die Kosten. Notwendige Änderungen in der Budget-planung werden im Projektverlauf dokumentiert.

o Aufwandsplan: Hinsichtlich des Aufwands bewerteter Projektstrukturplan. o Ressourcen- und Organisationsplan: Enthält alle für das Projekt relevanten Res-

sourcen mit ihrer terminlichen Verfügbarkeit und ihrer verfügbaren Kapazität. o Termin- und Ablaufplan: Enthält die zeitliche Abfolge von Arbeitspaketen mit der

Zuordnung von Ressourcen (insbesondere Mitarbeitende) und berücksichtigt dabei fachliche, technische und organisatorische Abhängigkeiten. Dauer und Termine der Aktivitäten ergeben sich aus dem geschätzten Aufwand und der Kapazität der Res-sourcen. Auf oberster Abstraktionsebene zeigt der Terminplan den Projektablauf mit den wichtigen Meilensteinen.

o ggf. Produktstrukturplan: Enthält in Entwicklungsprojekten die Struktur von Pro-dukten mit Bauteilen, Modulen, Komponenten etc.

Darüber hinaus existieren verschiedene Sichten auf die Planung, die einzelne Planungsas-pekte für spezielle Zielgruppen hervorheben. In einer solchen Planungssicht können bei-spielsweise alle Aktivitäten im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung von Schulungen enthalten sein. Die Planungssichten dienen vornehmlich der Übersicht-lichkeit und damit der besseren Handhabbarkeit und Kommunikation im Projekt. Bei der S-O-S-Methode werden viele dieser Sichten über die Ergebnisdokumente der einzelnen Projektmanagement-Module abgedeckt (z. B. Kommunikationsplan als Ergebnis des Kommunikationsmanagements, Ausbildungsplan als Ergebnis des Personalmanagements, etc.).

Praxistipp 6-10: Konsistenz der Gesamtplanung durch Reviews sicherstellen

→ Bei der Planung wird regelmäßig hinterfragt, ob die Gesamtplanung konsistent und vollstän-dig ist und ob einzelne Elemente bei der Aufteilung auf Teilprojekte oder in den Teilprojekten vergessen wurden. Hierzu werden regelmäßige Planungsreviews angesetzt.

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Aufwandsschätzung (inklusive Restaufwandsschätzungen): Auf Basis des Projektstruktur-plans wird der Aufwand für jede Aktivität geschätzt und entsprechend dokumentiert. Die Aufwandsschätzung dient als Grundlage für die Erarbeitung der Planung sowie für Soll-Ist-Vergleiche während des Projektverlaufs.

Parallel werden über den gesamten Projektzeitraum regelmäßig Restaufwandsschätzun-gen durchgeführt, die aktuelle Erkenntnisse einbeziehen und damit eine genauere Prog-nose des Gesamtaufwands erlauben.

Controllinginformationen/Controllingberichte: Als Grundlage für das Controlling werden zahlreiche Daten benötigt, die exakt und übersichtlich zu dokumentieren sind. Dazu gehö-ren relevante Informationen zum aktuellen Status (Ist-Werte) für die unterschiedlichen Pla-nungsdimensionen sowie Informationen, die Aussagen über zukünftige Entwicklungen er-lauben. Diese werden periodisch (meist monatlich) in einem Controllingbericht zusammen-gefasst.

6.4 Rollen

Die Projektplanung verteilt sich auf die folgenden Rollen und Zuständigkeiten:

Rolle Funktion

Projektleiterin, Projektlei-ter

Ist gesamtverantwortlich für die Projektplanung.

Delegiert Aufgaben und Verantwortlichkeiten an Rollen in der Projektplanung.

Stellt mit Hilfe der Informationen aus Planung und Control-ling sicher, dass steuernde Maßnahmen konzipiert, durchge-führt und nachgehalten werden.

Projektplaner, Projektpla-nerin

Macht Vorgaben zu Planungsprozess und -detaillierung auf unter-schiedlichen Projektebenen.

Erstellt und aktualisiert die Projektplanung sowie weitere Sichten auf Basis der aktuellen Schätz- und Controllinginfor-mationen sowie bei Änderungen des Projektumfangs und bei neu aufgesetzten Maßnahmen.

Stellt sicher, dass die Planung ausgewertet und geprüft wird in Bezug auf die Projektrahmenbedingungen, insbesondere zur Ermittlung des kritischen Pfads und für Vorschläge zu steuernden Maßnahmen.

Projektcontrollerin, Pro-jektcontroller

Macht Vorgaben zum Controllingprozess und zu den von den Betei-ligten erwarteten Zulieferungen.

Erarbeitet Schätz- und Controllingdaten aus dem Gesamtpro-jekt, führt sie zusammen und konsolidiert sie.

Führt Soll-Ist-Vergleiche durch, ermittelt Abweichungen und macht Vorschläge zu steuernden Maßnahmen.

Praxistipp 6-11: Detaillierte Planung erfolgt auf Teilprojektebene

→ Im Großprojekt ist die Anzahl der in der Planung enthaltenen Elemente so groß, dass die Er-stellung eines detaillierten Gesamtprojektplans nicht sinnvoll ist. Detaillierte Pläne werden viel-mehr auf Teilprojektebene erstellt. Die Pläne auf höherer Ebene bündeln dagegen die Informati-onen aus den Plänen der unteren Ebenen. Sie enthalten im Wesentlichen übergreifende Zu-sammenhänge und Abhängigkeiten sowie die wesentlichen Meilensteine.

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Projektplanung und -controlling 76

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Personen mit technischer und/oder fachlicher Exper-tise und Teammitglieder

Liefern Controllinginformationen, die für die Ermittlung des Status einzelner Planungsdimensionen notwendig sind (z. B. Informationen zum Fertigstellungsgrad einzelner Teilergeb-nisse).

Erstellen Aufwands- und Restaufwandsschätzungen zu Auf-gaben des Projekts, über die sie fundiertes Wissen besitzen bzw. die sie selbst durchführen.

Tabelle 9: Rollen und Funktionen in der Projektplanung

Praxistipp 6-12: In Großprojekten Planungsaufgaben mehrstufig verteilen

→ Die einzelnen Planungsaufgaben müssen auf Grund der größeren Komplexität delegiert wer-den. Es empfiehlt sich, die Rollen der Projektplanung und des Projektcontrollings auf Gesamtpro-jektebene einzuplanen. Gemeinsam sorgen beide für die konsistente Zusammenführung und Aufbereitung der Planungs- und Controllinginformationen aus den verschiedenen Teilprojekten. Administrative Unterstützung kann im PMO angesiedelt werden.

6.5 Erfolgsmessgrößen

Die Auftraggeberseite kann eine erfolgreiche Projektplanung an qualitativen und quantitativen Kriterien messen. Als qualitative Messgrößen sind beispielsweise folgende Prüffragen möglich:

Sind alle Planungsdimensionen balanciert? (Passt z. B. der im Projektplan summierte Auf-wand zur Aufwandsschätzung?) Sind die in der Projektplanung enthaltenen Ressourcen tat-sächlich verfügbar?

Wie exakt sind die in der Planung ermittelten Ist-Daten? (Wie genau kann z. B. das aktuell verbrauchte Budget angegeben werden?)

Wie genau sind die in der Planung ermittelten Voraussagen? (Wie genau werden z. B. anvi-sierte Termine erreicht?)

Enthält die Planung Puffer? Ist der kritische Pfad bekannt?

Sind die Planungen auf unterschiedlichen Ebenen des Projekts und die verschiedenen Pla-nungssichten konsistent zueinander?

Sind alle Stakeholderinnen und Stakeholder hinsichtlich der für sie wichtigen Planungsas-pekte auf dem aktuellen Stand?

Als quantitative Messgrößen sind folgende Kennzahlen denkbar:

Anzahl der aus dem Projekt heraus induzierten Änderungen an den vorgegebenen Pla-nungsparametern

Umfang/Höhe der aus dem Projekt induzierten Änderungen im Vergleich zur Voraussage („goldene Regeln“: die geforderte Terminverschiebung darf niemals größer sein als die be-nötigte Restlaufzeit, der gemeldete Mehraufwand darf niemals größer sein als der geschätz-te Restaufwand)

Reaktionszeit auf projektextern induzierte Änderungen (wie lange benötigt die Projektlei-tung, um den Planungsstand zu aktualisieren und mögliche Auswirkungen darlegen zu kön-nen?)

6.6 S-O-S-Vorlagen

Offene Punkte Liste

Beistellungsliste

Aufwandsschätzung

Aufwandscontrolling

Projektkompass

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Anforderungs- und Änderungsmanagement 77

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7 Anforderungs- und Änderungsmanagement Das Anforderungs- und Änderungsmanagement sorgt dafür, dass die im Projektumfang festgeleg-ten Ziele umgesetzt werden und die durch das Projekt ausgelösten Änderungen sich in allen Pro-jektprozessen und -ergebnissen, wie z. B. Zeit- und Budgetplänen, niederschlagen. In Großprojek-ten müssen Änderungsanforderungen in die vorgesehenen Umsetzungs- oder Inbetriebnahme-Stufen bzw. Releases des Projekts eingeplant werden. Dieses Managementmodul ist für alle Pro-jekttypen relevant, insbesondere für Softwareprojekte.

7.1 Ziele des Moduls

Einen minimalen und stabilen Projektumfang sichert das Anforderungs- und Änderungsmanage-ment, indem es folgende operative Ziele erreicht:

Genaue sowie mess- und nachhaltbare Definition des geplanten Projektumfangs.

Vermeidung einer schleichenden Erweiterung des Projektumfangs (Vermeidung von soge-nanntem „Scope Creep“).

Kontrollierte Auswahl sowie kosten- und risikominimierende Aufnahme von notwendigen Änderungen am Projektumfang (insbesondere ist sicherzustellen, dass Änderungen die Ge-samtkonsistenz des Systems nicht gefährden).

Etablieren eines strukturierten Abnahmeverfahren: es stellt am Ende der Umsetzungspha-se sicher, dass der definierte Projektumfang auch vollumfänglich umgesetzt wurde.

7.2 Umsetzungsprozesse

Laufende

Prozesse

Initiale Prozesse

Grundlagen für das Anforderungs- und

Änderungsmanagement schaffen

Laufendes Anforderungs- und Änderungsmanagement

Organisation, Prozesse und Rahmenbe-dingungen festlegen

Projektumfang aktualisieren

Projektumfang vollständig auf Teilprojekte aufteilen

Änderungs-anforderungen steuern

Änderungen im Projekt durch-führen

Abnahme von Projekt-ergebnissen durchführen

Abbildung 24: Prozesse im Anforderungs- und Änderungsmanagement

7.2.1 Initialer Prozess „Grundlagen für das Anforderungs- und Änderungs-management schaffen“

1. Organisation, Prozesse und Rahmenbedingungen für das Anforderungs- und Änderungsma-nagement festlegen

Um die Grundlagen für das Modul zu schaffen, werden zunächst Organisationsform, Prozesse und Rahmenbedingungen für das Anforderungs- und Änderungsmanagement festgelegt bzw. doku-mentiert. Sie werden nachfolgend im Einzelnen dargestellt.

Page 78: S-O-S-Methode für Großprojekte

Anforderungs- und Änderungsmanagement 78

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Zudem wird festgelegt und ebenfalls dokumentiert, welche Rollen mit welchen Verantwortlichkei-ten am Anforderungs- und Änderungsmanagement beteiligt sind. In Abstimmung mit der Projekt-organisation und dem Personalmanagement werden passende Mitarbeitende akquiriert.

Prozesse des Anforderungs- und Änderungsmanagements festlegen: Bei der Definition und Abstimmung der Abläufe im Rahmen des Anforderungs- und Änderungsmanagements sind vor allem zwei wichtige Prozesse zu gestalten: das Änderungsverfahren (1) sowie das Ab-nahmemanagement (2) für die Abnahme der entwickelten (Teil)-Lösungen, -ergebnisse und -systeme durch die Auftraggeberseite. Es muss klar festgelegt werden, wer wann wie wel-che Änderungen initiieren darf, wer beteiligt ist und wie was dokumentiert wird.

(1) Änderungsverfahren: Das Änderungsverfahren besteht aus den zwei Teilprozessen „Change Request“ (1a) und „Änderungsmanagement“ (1b):

(1a) Change Request-Verfahren: Das Change Request-Verfahren (CR-Verfahren) stellt si-cher, dass nur ausschließlich kontrollierte und abgestimmte Änderungen des Projektum-fangs in das Projekt übernommen werden. Der Prozess legt detailliert die Schritte, begin-nend vom Stellen einer Änderungsanforderung bis zu ihrer Genehmigung/Beauftragung oder ihrer Ablehnung fest. Das CR-Verfahren gewährleistet die detaillierte Analyse der Änderungsanforderungen unter Einbeziehung der erforderlichen Wissensträgerinnen und -träger, insbesondere der Fachabteilungen bzw. Nutzerinnen und Nutzer. Alle für eine Entscheidung notwendigen Informationen werden im CR-Verfahren zusammengetragen.

In Großprojekten ist ein formales, zentrales CR-Verfahren zu definieren. Es bildet zwar eine hohe Hürde für die Berücksichtigung von Änderungsanforderungen, ermöglicht aber gleichzeitig notwendige Änderungen im Rahmen des geplanten Projektumfangs. Die Ver-antwortung für die formale Abwicklung liegt im PMO, die Verantwortung für die Analyse der Änderungsanforderungen bei der Anforderungsanalytikerin, dem Anforderungsanaly-tiker.

(1b) Änderungsmanagement: Das Änderungsmanagement sorgt dafür, dass im Projekt zu berücksichtigende Änderungen konsistent umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass eine Änderung in allen relevanten Projektprozessen und Ergebnissen bis hin zur Abnahme und Inbetriebnahme durchgängig und vollständig berücksichtigt wird.

Praxistipp 7-1: Änderungsmanagement ist Aufgabe der Leitung

→ Die Verantwortung für das Änderungsmanagement im Großprojekt muss auf der obersten Ebene des Gesamtprojekts angesiedelt sein. Sonst besteht die Gefahr, dass Änderungen in ei-nem Teilprojekt berücksichtigt werden, dort aber aus Mangel an übergreifendem Wissen Aus-wirkungen auf andere Teilprojekte nicht gesehen werden.

Praxistipp 7-2: Priorisierung schafft Überblick

→ Auf Grund der oft hohen Anzahl an Änderungsanforderungen in Großprojekten ist eine Priori-sierung erforderlich, die es erlaubt, notwendige Anforderungen (z. B. gesetzliche Änderungen) herauszufiltern und vordringlich anzugehen.

Praxistipp 7-3: Nutzung von Checklisten und Tracking-Tools vereinfachen die Administration

→ In Großprojekten ist es auf Grund der komplexen Projektstrukturen oft nicht einfach, alle Er-gebnisse und Prozesse zu identifizieren, in denen eine Änderung zu berücksichtigen ist. Hilfreich sind Checklisten, die potenziell zu berücksichtigende Ergebnisse und Prozesse enthalten.

Darüber hinaus sind die zu berücksichtigenden Änderungen häufig so zahlreich und die Auswir-kungen in unterschiedlichen Teilen des Projekts so komplex, dass ein administratives Werkzeug notwendig wird (Änderungsverfolgungswerkzeug). Dieses Werkzeug muss ausgewählt, gegebe-nenfalls beschafft und konfiguriert werden.

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Anforderungs- und Änderungsmanagement 79

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

(2) Abnahmemanagement: Die Vorbereitung und die Durchführung der Abnahmen liegen in der Verantwortung der Auftraggeberseite. Die Begleitung der Abnahmen durch Analyse und Behebung von Fehlern sowie die Bereitstellung fehlerbereinigter Versionen der Pro-jektergebnisse liegen in der Verantwortung der Auftragnehmerseite.

Die Abnahme der Projektergebnisse erfolgt gegen die in den Projektumfang eingeflosse-nen, zwischen Auftraggeber- und Auftragnehmerseite abgestimmten Anforderungen. Das Abnahmemanagement stellt somit sicher, dass der definierte Projektumfang vollumfäng-lich und in der geforderten Qualität erbracht wurde.

Dafür werden Abnahmekriterien, deren Erfüllung als Maßstab für eine erfolgreiche Ab-nahme betrachtet wird, festgelegt. Zu bestimmen ist konkret, welche für das Projekt ver-einbarten Ergebnisse abgenommen werden und welche nur zur Information/Abstimmung, aber ohne formale Abnahme geliefert werden.

Zu den Abnahmekriterien gehört auch die genaue Definition von Fehlerklassen, die wäh-rend der Abnahme vergeben werden (die höchste Fehlerklasse wirkt abnahmeverhin-dernd). Darüber hinaus sollte festgelegt werden, wie viele Fehler pro Fehlerklasse bei der Abnahme erlaubt sind (in der Klasse der schwerwiegendsten Fehler zumeist null). Zu jeder Fehlerklasse werden Fristen zur Behebung festgelegt.

Rahmenbedingungen für das Anforderungs- und Änderungsmanagement festlegen: Die effektive Umsetzung des Anforderungs- und Änderungsmanagements erfordert entspre-chende Rahmenbedingungen im Projekt, z. B. die vorherige Festlegung von Entscheidungs-kriterien zur Abwägung von Änderungsalternativen.

Die Basis für das Anforderungs- und Änderungsmanagement sind zwischen Auftraggeber- und Auftragnehmerseite abgestimmte klare Projektziele, ein definierter Projektumfang sowie abgestimmte Projektgrundsätze, die es der Projektleitung erlauben, Änderungsan-forderungen abzuwehren und im Zweifel den Lenkungsausschuss einzuschalten. Dazu ge-hört insbesondere die Fokussierung des Projekts auf dokumentierte Kernanforderungen sowie die Einrichtung entsprechender Eskalationsmechanismen. Diese Grundlagen müs-sen allen Projektbeteiligten bekannt sein. Zusätzlich müssen sie sich darüber im Klaren sein, welcher Beitrag im Rahmen des Anforderungs- und Änderungsmanagement von ihnen erwartet wird. Nur dann können Änderungsanforderungen korrekt danach bewer-tet werden, ob sie dem Projektziel untergeordnet werden können. Trägt eine Änderung nicht zur Erreichung des Projektziels bei, muss die jeweilige Anforderung separat gerecht-fertigt oder abgelehnt werden.

Darüber hinaus sind in den Rahmenbedingungen Regeln festzulegen, nach denen die Kos-ten und Risiken einer Änderungsanforderung realistisch gegen den Nutzen abgewogen werden können. Hilfreich ist, wenn die Personen mit Entscheidungsbefugnis sowohl für das Budget als auch für den Nutzen verantwortlich sind: eine Änderungsanforderung wird nur dann genehmigt, wenn der Nachteil, der durch den entgangenen Nutzen entsteht, größer ist als die zusätzlichen Kosten und Implementierungsrisiken.

Zu den Rahmenbedingungen zählen außerdem der Vorhalt eines Teils des Budgets für Än-derungsanforderungen und die Einplanung eines Puffers für die Umsetzung genehmigter Änderungen (siehe Kapitel „Projektplanung und -controlling“).

Praxistipp 7-4: Einheitliche Abnahme nach Kriterienkatalog

→ In Großprojekten, in denen die Abnahme durch viele Mitarbeitende – teilweise aus unter-schiedlichen Organisationseinheiten und Ministerien/Firmen – erfolgt, ist die Festlegung von einheitlichen und von allen Beteiligten verstandenen Abnahmekriterien erforderlich. Diese stel-len eine einheitliche Abwicklung der Abnahme im Gesamtprojekt sicher.

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Anforderungs- und Änderungsmanagement 80

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

2. Projektumfang aktualisieren

Auf Basis der in der Projektanbahnungsphase verfügbaren Informationen wird der Umfang des Projekts festgelegt. Dieser berücksichtigt alle Vorgaben und Rahmenbedingungen für das Projekt, referenziert verfügbare Dokumente (z. B. Lasten- und Pflichtenhefte) und definiert die zu erstel-lenden Ergebnisse. Insbesondere wird auch festgelegt und dokumentiert, welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten nicht Bestandteile des Projekts sind. Dies dient einer klaren Abgrenzung zwischen Auftragnehmer- und Auftraggeberseite.

Der zwischen Auftraggeberseite und externer Auftragnehmerseite abgestimmte und dokumen-tierte Projektumfang stellt einen Kernvertragsbestandteil dar und bildet die Basis für die Abnah-me der Projektergebnisse durch die Auftraggeberseite.

Eine Aktualisierung des Projektumfangs erfolgt, wenn Änderungsanforderungen genehmigt und Konzepte von der Auftraggeberseite abgenommen werden, die eine neue, detailliertere Basis für die Abnahme schaffen.

Der abgestimmte Projektumfang dient auch der Unterscheidung zwischen Fehler und Ände-rungsanforderung (Change Request). Ein Change Request ist durch den ursprünglichen Projekt-umfang nicht abgedeckt. Ein Fehler hingegen beschreibt eine nicht gelieferte vorher festgelegte Projektleistung.

3. Projektumfang vollständig auf Teilprojekte aufteilen

Nachdem der Projektumfang aktualisiert wurde, muss dieser vollständig auf Teilprojekte aufge-teilt werden. Der Teilprojektschnitt legt durch die Minimierung der fachlichen und technischen Abhängigkeiten ein wichtiges Fundament für ein effizientes Änderungsmanagement. Es werden hierdurch einfache Änderungsprozesse sichergestellt. Bei einem ungünstigen Schnitt erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich Änderungen auf alle Teilprojekte auswirken.

Im Großprojekt erfolgt diese Strukturierung in mehreren Schritten. Zunächst werden die Inhalte vollständig auf Teilprojekte aufgeteilt, an die jeweils die weitere Strukturierung und Aufteilung in ihrem Verantwortungsbereich delegiert wird.

Praxistipp 7-5: Festlegung eines Budgets für Änderungsanforderungen

→ Häufig liegt die Budgethoheit nicht bei der Person, die über Änderungsanforderungen ent-scheidet (z. B. Budgethoheit bei IT, Entscheidung über Änderungen beim Fachbereich). Bewährt hat sich die Festlegung eines festen Budgets für Änderungsanforderungen, über das die Fachbe-reiche während der Projektlaufzeit verfügen können.

Praxistipp 7-6: Die Strukturierung der Anforderungen erleichtert die spätere Abnahme

→ Im Großprojekt wird der Projektumfang meist in mehreren umfangreichen Dokumenten de-tailliert beschrieben. Hilfreich ist es daher, die Anforderungen strukturiert aufzubereiten; das kann z. B. in einer Liste oder Datenbank erfolgen, die zwischen Auftraggeber- und Auftragneh-merseite abgestimmt wird. So können Anforderungen eindeutig identifiziert und priorisiert (muss, soll, kann) werden. Darüber hinaus wird auf die Stelle im Dokument verwiesen, wo die Anforderung ursprünglich beschrieben wurde. Nicht zuletzt erleichtert die strukturierte Aufbe-reitung erheblich die Vorbereitung der Abnahme.

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Anforderungs- und Änderungsmanagement 81

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

7.2.2 Laufender Prozess „Laufendes Anforderungs- und Änderungsma-nagement“

1. Änderungsanforderungen steuern

Änderungsanforderungen, die sich im Projektverlauf ergeben, werden über das festgelegte CR-Verfahren bearbeitet. Jede Änderungsanforderung wird priorisiert. Bei Bedarf wird eine detaillier-te Analyse durchgeführt. Die Analyse liefert alle Informationen für eine vollständige Kosten-Risiken-Nutzen-Analyse der Änderungsanforderung. Lässt sich eine Anforderung nicht mit den Projektrahmenbedingungen vereinbaren, so wird sie abgelehnt oder an die Auftraggeberin, den Auftraggeber eskaliert. Genehmigte Änderungsanforderungen werden zur Umsetzung im Projekt beauftragt. In die Bewertung der Vorteilhaftigkeit sollte das Risiko einer Änderung aufgenommen werden, denn durch zunehmende Berücksichtigung von Änderungsanforderungen kann die Ge-samtkomplexität des Projekts schleichend steigen.

Änderungsanforderungen können nicht beliebig spät im Projekt berücksichtigt werden. Erforder-lich ist die Festlegung eines Termins, ab dem keine Änderung mehr ohne Auswirkungen auf die Planung aufgenommen werden kann (sog. „Feature Freeze“-Termin oder „Frozen Zone“). Für die Kommunikation an potenzielle Initiatoren von Änderungsanforderungen ist es wichtig, dass mög-lichen Auswirkungen auf die Planung konkret benannt werden.

2. Änderungen im Projekt durchführen

Änderungen, die im Projekt umgesetzt werden müssen, können verschiedene Ursachen haben:

Änderungen des Projektumfangs durch abgestimmte und genehmigte Änderungsanforde-rungen.

Änderungen im Rahmen des Projektumfangs, die sich aus der normalen Projektarbeit er-geben, z. B.

o Änderungen auf Grund von Maßnahmen aus den verschiedenen Projektmanage-ment-Modulen (Berücksichtigung risikominimierender Maßnahmen, Änderung von Ergebnissen und Prozessen auf Grund von Erkenntnissen aus dem Qualitätsma-nagement, Änderungen auf Grund von steuernden Maßnahmen aus Planung und Controlling etc.).

o Fachliche oder technische Änderungen auf Grund von Lösungsdetaillierung oder der Ergebnisse eines „Proof of Concept“.

Die vollständigen Auswirkungen einer Änderung sind genau zu prüfen und deren Umsetzung auf dieser Basis zu planen. Die Änderung muss dabei nicht nur in der Lösung selbst berücksichtigt werden, sondern auch in alle Projektprozesse einfließen, beispielsweise in das Qualitäts-, Risiko- oder Kommunikationsmanagement.

Aus dem CR-Verfahren resultierende genehmigte Änderungen werden insbesondere im abge-stimmten Projektumfang dokumentiert, der unter anderem die in der Abnahme zu berücksichti-genden Ergebnisse beschreibt.

Praxistipp 7-7: Feature Freezes auf Gesamtprojektebene festlegen

→ In Großprojekten kann der „Feature Freeze“-Termin je Teilprojekt festgelegt werden. Besser ist jedoch eine Festlegung für das Gesamtprojekt. Dies erleichtert die Kommunikation des Ter-mins und ermöglicht eine stabile Gesamtplanung.

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Anforderungs- und Änderungsmanagement 82

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Praxistipp 7-8: Änderungen schriftlich dokumentieren und kommunizieren

→ In Großprojekten ist die vollständige Integration von Änderungen in alle relevanten Planungs-dokumente ebenso entscheidend wie die Dokumentation sowie die Kommunikation an sämtli-che Projektbeteiligte und Mitarbeitende. Geschieht dies nicht, besteht auf Grund der Komplexi-tät und der Anzahl der Änderungen die Gefahr, dass Änderungen ganz oder teilweise nicht be-rücksichtigt werden (z. B. in den Schulungsunterlagen).

Die Prüfung der Auswirkungen von Änderungen erfolgt anhand einer vorab zu erstellenden Checkliste.

3. Abnahme von Projektergebnissen durchführen

Die Abnahme erfolgt in der Regel in zwei Schritten:

Schritt 1: Vorbereitung der Abnahme: In Großprojekten ist die Abnahme von Ergebnissen wegen ihres Umfangs langfristig vorzubereiten. Dabei sind sowohl technische (insbesonde-re bei IT-Projekten) als auch organisatorische bzw. formale Voraussetzungen zu schaffen. Für die Abnahme sollte ausreichend viel Zeit eingeplant werden, damit dadurch für die Auf-traggeberseite keine Mehrkosten entstehen oder kein gesetzlich vorgeschriebener Einfüh-rungstermin überschritten wird. Die Zeitpunkte und -räume für die Abnahme der Teil- und Endergebnisse sollten zu Beginn zwischen Auftraggeber- und Auftragnehmerseite abge-stimmt werden. Bei Projekten mit externer Auftragnehmerseite sollte dies vertraglich ver-einbart werden.

Schritt 2: Durchführen der Abnahmetests: Mittels der Abnahmetests soll geprüft werden, ob die vereinbarten Abnahmekriterien erfüllt wurden. Die während der Abnahme gefunde-nen Abweichungen sind an die Auftragnehmerseite zu melden. In Großprojekten wird normalerweise eine erhebliche Anzahl an Defekten gemeldet, die nicht mehr einfach an die Projektmitarbeitende zur Behebung weitergeleitet werden kön-nen. Es ist für die Abnahmetests ein Fehlermanagementprozess aufzusetzen, der die Feh-lereinordnung und -behebung in einen geordneten Prozess bringt:

Praxistipp 7-9: Stufenweise Inbetriebnahme vereinfacht Abnahmeprozess

→ Großprojekte erzeugen komplexe Ergebnisse mit vielen Teilergebnissen und sehen eine Liefe-rung/Inbetriebnahme in Stufen vor. Die Planung der Abnahme kann dies widerspiegeln, indem (zeitversetzte) Teilabnahmen für Teilergebnisse oder Stufen vorgesehen werden. Mit der Ab-nahme des letzten Teilergebnisses/der letzten Stufe erfolgt schließlich die Gesamtabnahme, bei der alle Abnahmekriterien für das Gesamtsystem erfüllt sein müssen.

Die Abstimmung bzw. durch vertragliche Vereinbarung gestaffelte Bereitstellung zur Abnahme (BzA) und Abnahmetermine zwischen Auftraggeber- und (externer) Auftragnehmerseite verein-fachen den Abnahmeprozess und sichern langfristig den Projekterfolg.

Praxistipp 7-10: Gewährleistungspflicht sichert den Erfolg des Gesamtprojekts

→ Um eine externe Auftragnehmerin, einen externen Auftragnehmer auf den Erfolg des Ge-samtsystems zu verpflichten, ist die vertragliche Vereinbarung einer Gewährleistungspflicht sinnvoll, die unabhängig von vorherigen Teilabnahmen erst mit der erfolgten Gesamtabnahme beginnt. An diese kann im Vertrag auch eine größere Schlusszahlung gekoppelt werden.

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Anforderungs- und Änderungsmanagement 83

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

o Die Änderungssteuerungsgruppe stuft die gefundenen Defekte in die Kategorien Fehler und Änderungsanforderung ein und legt bei Fehlern die Fehlerklasse fest.

o Die Einordnung der Fehler erfolgt in einem iterativen Prozess, der unter Umständen zusätzliche Analysen und Abstimmungen mit weiteren Betroffenen durchläuft, bis eine endgültige Einschätzung möglich ist.

o Für das Fehlermanagement ist ein Statusmodell sinnvoll, das neben dem Endzu-stand „behoben“ auch eine Zurückweisung eines gemeldeten Fehlers oder die Um-wandlung in eine Änderungsanforderung zulässt.

o Die Verwaltung der Fehler erfordert die Nutzung eines Werkzeugs. Normalerweise wird hier das gleiche Werkzeug verwendet wie bereits zur Verwaltung von Ände-rungsanforderungen während der Projektlaufzeit.

o Um einschätzen zu können, ob die Abnahme innerhalb des festgelegten Zeitraums erfolgreich verlaufen wird, werden Trendanalysen durchgeführt. Mittels derer wer-den die Fehlerauftritts- und die Fehlerbehebungsrate sowie die offenen Fehler ei-nander gegenübergestellt. Lassen die Werte nach einem deutlichen Anstieg der of-fenen Fehler zu Beginn der Abnahme keine Prognose einer deutlichen Verbesse-rung zu, ist das ein Anzeichen für schwerwiegende Probleme.

7.3 Ergebnisdokumente

Wesentliche Ergebnisdokumente des Anforderungs- und Änderungsmanagements sind:

Aktualisierung des Projektumfangs: Detaillierte Festlegung der durch das Projekt zu erstel-lenden Ergebnisse und aller Aktivitäten, die für die Erstellung dieser Ergebnisse notwendig sind. Es wird dabei Bezug genommen auf die in der Projektanbahnungsphase festgelegten Rahmenbedingungen und Abgrenzungen des Projektumfangs von eventuell übergreifenden Vorhaben. Eine strukturierte Dokumentation des Projektumfangs erfolgt im Projektstruk-turplan. Die Definition des Projektumfangs dient als Grundlage für die initiale Aufwands-schätzung und Planung sowie für die Entscheidung zu Änderungsanforderungen. Im Pro-jektverlauf werden alle abgestimmten und genehmigten Änderungen am Projektumfang dokumentiert.

Anforderungsanalyse (auch: Problem-/Änderungsbewertung): Enthält alle Informationen zu einer Änderungsanforderung. Dazu gehören sowohl fachliche und technische Informationen als auch Informationen zu Auswirkungen auf die Projektmanagement-Module (z. B. Auswir-kung auf die Planung).

Änderungsverfahren: Detaillierte Beschreibung des Prozesses zur Bearbeitung einer Ände-rungsanforderung von der Entstehung über eine eventuell notwendige Genehmigung (CR-Verfahren) bis hin zur Integration einer zu berücksichtigenden Änderung in das Projekt (Än-derungsmanagement). Dieses Änderungsverfahren kann im Projekthandbuch unter Organi-sation und Vorgaben zum Problem- und Änderungsmanagement dokumentiert werden.

Praxistipp 7-11: Etabliertes Fehlermanagementsystem im Betrieb nutzen

→ Besonders bei IT-Projekten kann das bereits etablierte Fehlermanagementsystem für die Strukturen und Prozesse in der Nutzerbetreuung im Betrieb genutzt werden.

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Anforderungs- und Änderungsmanagement 84

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7.4 Rollen

In Großprojekten erfolgt die Einrichtung und Durchführung des Anforderungs- und Änderungsma-nagements unter Beteiligung weiterer Projekt- und Teilprojektmitarbeitender. Für Details werden entsprechende Rollen auf den unteren Ebenen des Projekts hinzugezogen.

Rolle Funktion

Projektleiterin, Projektleiter (Auftraggeberseite)

Trägt die Gesamtverantwortung für den Abnahmeprozess auf Auftraggeberseite, insbesondere für die Abnahme der Projekter-gebnisse.

Bestimmt den Abnahmeverantwortlichen, delegiert die Konzeption und Durchführung der Abnahme an diesen.

Projektleiter, Projektleiterin (Auftragnehmerseite)

Ist verantwortlich für das Anforderungs- und Änderungsmanage-ment.

Bestimmt die planerischen Auswirkungen von Änderungs-anforderungen.

Legt Prozesse und Organisation des Anforderungs- und Än-derungsmanagements in Abstimmung mit der Projektlei-tung (Auftraggeberseite) fest.

Delegiert die Analyse von Änderungsanforderungen an ei-ne für die Änderungen verantwortliche Person.

Änderungssteuerungsgruppe (Change Control Board)

Entscheidet über Änderungsanforderungen, d. h. Genehmigung und Ablehnung von Änderungsanforderungen auf Grund der im Projekt erstellten Analysen.

Erteilt Budgetfreigabe für die Umsetzung einer genehmig-ten Änderungsanforderung.

Schaltet den LA ein, falls eine Änderungsanforderung die Erreichung der festgelegten Projektziele gefährdet, z. B. wenn diese nicht im Rahmen des für solche Änderungen vorgesehenen Budgetpuffers bearbeitet werden kann.

Entscheidet in der Abnahmephase über die Einordnung ge-fundener Fehler und über die Terminsetzung zur Fehler-behebung.

Ist auf Grund ihrer Verantwortung mit Mitarbeitenden von Auftraggeber- und Auftragnehmerseite zu besetzen, die über die nötigen fachlichen und organisatorischen Kompe-tenzen verfügen, über Änderungsanforderungen zu ent-scheiden und gefundene Fehler in der Abnahmephase ein-zuordnen (z. B. Entscheidungsgewalt über das für eine Än-derungsanforderung notwendige Budget).

Besteht aus projektinternen Beschäftigten auf operationa-ler Ebene. Bei Großprojekten kann zusätzlich eine projekt-übergreifende Änderungssteuerungsgruppe mit Vertrete-rinnen und Vertretern von Auftraggeber- und Auftragneh-merseite gebildet werden.

Änderungsverantwortliche Person

Ist verantwortlich für die eigentliche Durchführung der Analyse der Änderungsanforderungen.

Analysiert die fachlichen und technischen Auswirkungen einer einzelnen Änderungsanforderung auf die vom Pro-

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Anforderungs- und Änderungsmanagement 85

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

jekt zu erstellenden Ergebnisse.

Holt alle für die Bewertung der Änderungsanforderung notwendigen Informationen ein, insbesondere Aufwands- und Kostenschätzungen sowie Abhängigkeiten von ande-ren Projektergebnissen.

Abnahmeverantwortliche Person

Ist verantwortlich für die Konzeption des Abnahmeprozesses.

Stellt die Voraussetzungen für die Abnahmen sicher (z. B. Vorbereitung von Testumgebungen und Testdaten).

Plant und koordiniert die Abnahme.

Anforderungsanalytikerin, Anforderungsanalytiker

Trägt die inhaltliche Verantwortung für die Analyse und Priorisie-rung von Änderungsanforderungen.

Delegiert die eigentliche Durchführung der Analyse an den Änderungsverantwortlichen.

Planungsverantwortliche Person

Unterstützt die Analyse der planerischen Auswirkungen einer Änderungsanforderung.

PMO (Project Management Office)

Trägt die Verantwortung für die formale Abwicklung des CR-Verfahrens:

Prüft Fristen

Fordert Entscheidungen ein

Hält Übersichten zu Änderungsanforderungen bereit.

QS-Verantwortliche Person Unterstützt die Integration einer genehmigten Änderungsanfor-derung in alle relevanten Projektprozesse und -ergebnisse.

Personen mit fachlicher und/oder technischer Exper-tise und Teammitglieder

Liefern Aufwandsschätzungen zu Änderungsanforderungen aus Sicht ihres Bereichs.

Tabelle 10: Rollen und Funktionen im Anforderungs- und Änderungsmanagement

7.5 Erfolgsmessgrößen

Ein gutes Anforderungs- und Änderungsmanagement lässt sich mit Hilfe qualitativer und quantita-tiver Messgrößen erkennen.

Als qualitative Messgrößen sind beispielsweise folgende Prüffragen möglich:

Ist der Projektumfang auch für Fachunkundige stringent und nachvollziehbar dargestellt, z. B. in Form einer Excel-Tabelle?

Sind die Anforderungen so genau dokumentiert, dass ihre Erfüllung ohne Weiteres geprüft werden kann?

Ist der CR-Prozess klar umrissen (mit verbindlichen Formularen und Entscheidungsregeln)?

Als quantitative Messgrößen sind folgende Kennzahlen denkbar:

Anzahl unveränderter Anforderungen über Zeit gegenüber Gesamtzahl der Anforderungen.

Anzahl der Change Requests, Budget für Change Requests

Anteil des Budgets für Change Requests im Verhältnis zum Gesamtbudget.

7.6 S-O-S-Vorlagen

Prozessveränderung

Projektkompass

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Risikomanagement 86

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

8 Risikomanagement Bei projektrelevanten Risiken handelt es sich um unsichere Ereignisse, die den Projekterfolg ge-fährden können. Das Erkennen und die Analyse von Risiken sowie die Maßnahmenplanung und Umsetzung sind die Grundpfeiler eines effektiven Risikomanagements.

Typische Kategorien von Risiken in der öffentlichen Verwaltung:

Politik/Strategie

Fachlichkeit

Organisation (bezüglich Projekt-/Programmorganisation)

Technik

Vertragsmanagement (z. B. externe Auftragnehmer/Generalunternehmer)

Das Risikomanagement ist eine zentrale strategische Aufgabe im Projektmanage-ment, welche vorausschauendes Planen und Handeln erfordert. Für den Erfolg des Risikomanagements sind häufig Unterstüt-zungsleistungen des Lenkungsausschusses und anderer Stakeholderinnen und Stake-holder nötig, welche im Regelfall nur die Projektleitung effektiv einfordern kann. Die Rolle der Projektleitung muss eine of-fene Kommunikationskultur für Risiken schaffen. Dies fängt bei ihr selbst an: Geht sie z. B. offen mit einer Lücke in ihren Kompetenzen um, die ein Risiko darstellt? Durch die offene Kommunikation wird si-chergestellt, dass alle Projektbeteiligten bei der Vermeidung und Minderung von Risiken mithelfen sowie ernst genommen werden, wenn sie auf Risiken hinweisen.

Zudem sollte eine Priorisierung von Risiken vorgenommen werden (z. B. Eintrittswahrscheinlich-keit, zeitliche Nähe etc.), um die Balance zwischen großem Projektoptimismus und niedriger Risi-kotoleranz zu bewahren.

Praxistipp 8-1: Risiken als Chance verstehen

→ Risiken werden häufig nur negativ betrachtet. Dabei können Risiken als Chancen genutzt wer-den, wenn geeignete Gegenmaßnahmen getroffen werden. Bei der Suche nach einer Risikoge-genmaßnahme können z. B. schnellere, günstigere oder bessere Lösungen gefunden werden. Beispiel: Die Umsetzung eines politisch brisanten oder kostenträchtigen Projektvorhabens birgt das Risiko, in der Bevölkerung auf Widerstand zu stoßen und durch die fehlende Akzeptanz in der öffentlichen Wahrnehmung zu scheitern. Wird gegen dieses Risiko jedoch mit z. B. frühzeiti-gen Kommunikationsmaßnahmen und einer transparenten Umsetzung gegengesteuert, kann sich daraus eine vorher nicht existierende Chance für die Akzeptanz und damit den Erfolg des Projekts ergeben.

Abbildung 25: Kreislauf des Risikomanagements

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Risikomanagement 87

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

8.1 Ziele des Moduls

Für ein effektives Risikomanagement gelten die folgenden operativen Ziele:

Risiken umfassend erkennen: Es dürfen keine wesentlichen Risiken übersehen werden.

Risiken angemessen bewerten: Risiken sind mit Blick auf ihre Eintrittswahrscheinlichkeit, Auswirkungen und zeitliche Nähe einzuschätzen und entsprechend zu beurteilen.

Balance zwischen Analyse und Handeln finden: Zum einen gilt es, Risiken zu analysieren und Projektleitung und Auftraggeberin, Auftraggeber auf sie hinzuweisen, zum anderen muss sichergestellt sein, dass Gegenmaßnahmen ergriffen werden („Lösungs- statt Prob-lemorientierung“).

Risiken vorausschauend minimieren: Risiken sind nicht unveränderbar. Vielmehr muss es darum gehen, durch aktives und frühzeitiges Gegensteuern Auswirkungen und Eintritts-wahrscheinlichkeiten zu reduzieren.

Übersichtliche Kommunikation: Es wird sichergestellt, dass Risiken an die Auftraggebersei-te rechtzeitig und umfassend kommuniziert werden („keine Überraschungen“).

Risiken überwachen: Die oben genannten Punkte sind während des gesamten Projektzyklus für bekannte und neue Risiken regelmäßig durchzuführen.

8.2 Umsetzungsprozesse

Laufende Prozesse

Initiale Prozesse

Aufbau Risikomanagement

Laufendes Risikomanagement

Verantwort-lichkeiten und Rollen festlegen, Risikobudget reservieren

Prozesse und Regelmäßigkeit festlegen

Risiken erkennen

Verankerung in der Projekt-organisation sichern

Risikoanalyse und -bewertung durchführen

Gegen-maßnahmendefinieren und durchführen

Regelmäßig berichten

Abbildung 26: Prozesse des Risikomanagements

8.2.1 Initialer Prozess „Aufbau Risikomanagement“

1. Verantwortlichkeiten und Rollen festlegen, Risikobudget reservieren

Um das Risikomanagement als Projektfunktion zu etablieren, sind zunächst die in diesem Modul beschriebenen Rollen zu besetzen und die Verantwortlichkeiten zu definieren. Ebenso ist ein hin-reichendes Risikobudget vorzusehen.

Praxistipp 8-2: Risikomanagement eng mit Stakeholdermanagement verknüpfen

→ Bei hohen und zahlreichen Risiken steigt der Managementaufwand exponentiell. Risiken, die mit nicht ausgesprochenen Vorhaben der Stakeholderinnen und Stakeholdern einhergehen (z. B. Bewahrung von Einflussbereichen), müssen identifiziert und angegangen werden. Die Abstim-mungen dazu nehmen entsprechend Zeit in Anspruch und müssen explizit eingeplant werden. Eine entsprechende Abstimmung erhöht die Akzeptanz der Projektergebnisse.

Page 88: S-O-S-Methode für Großprojekte

Risikomanagement 88

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

2. Prozesse und Regelmäßigkeit festlegen

Es ist zu definieren, dokumentieren und kommunizieren, in welcher Regelmäßigkeit welche Pro-jektmitarbeitende sowie Stakeholder und Stakeholderinnen zu ihren Risikoeinschätzungen wie befragt werden sollen. Wie häufig sind welche Berichte an wen zu versenden?

3. Risiken erkennen

Die Etablierung des Risikomanagements endet mit der Sammlung der zu erwartenden Risiken und der Dokumentation in einer Risikoliste. Diese erste Erhebung dient als Grundlage für das Risiko-management. Die Risikoliste muss im Laufe des Projekts regelmäßig aktualisiert werden, um neue Risiken frühzeitig zu identifizieren.

Als Instrument zur schnellen Sammlung von Risiken eignet sich ein Fragebogen zur Statusbestim-mung.

8.2.2 Laufender Prozess „Laufendes Risikomanagement“

1. Verankerung in der Projektorganisation sichern

Um den Erfolg des Projekts sicherzustellen, muss das Risikomanagement im gesamten Projekt-team und auf allen Projektebenen verankert sein. Gefordert ist hier vor allem die Projektleitung. Sie muss die Bedeutung des Risikomanagements gegenüber allen Teilprojektleiterinnen und -leitern sowie Projektmitarbeitenden kontinuierlich demonstrieren und kommunizieren. Sie muss projektintern für die Etablierung einer offenen Fehlerkultur sorgen und die Teammitglieder anhal-ten, einmal vereinbarte Gegenmaßnahmen sorgfältig umzusetzen. Empfehlenswert ist, bei eige-nen Maßnahmen mit gutem Beispiel voranzugehen.

Methodisch lässt sich die Verankerung in der Projektorganisation gut erreichen, indem das Risi-komanagement in regelmäßigen Besprechungen einen Standard-Agendapunkt ist, insbesondere im Projektmanagement-Meeting der Führungsebene. Dort wird die Risikoliste durchgegangen und über Risiken berichtet. Verpflichtet die Projektleitung die Berichterstattenden (zumeist Leitung Teilprojekte), zu jedem Meeting über ein jeweils neues Risiko zu referieren, kann kein Routine-Leerlauf entstehen. Zudem werden die Teilprojektleitenden angehalten, sich detailliert mit den Risiken auseinanderzusetzen.

2. Risikoanalyse und Risikobewertung durchführen

In diesem Schritt werden die Risiken getrennt nach ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und ihres Schadensausmaß eingeschätzt und beurteilt. Geschieht dies nicht strikt losgelöst voneinander, besteht die Gefahr, beide Themen zu vermischen, und es findet keine realistische Einschätzung beider Dimensionen statt. Weitere Bewertungskriterien können z. B. die zeitliche Nähe eines Risi-kos oder entgangener Nutzen für die Auftraggeberseite bzw. das Sponsoring sein.

Praxistipp 8-3: Risiken managen ist preiswerter als Schäden beheben

→ Um die Stakeholderinnen und Stakeholder von der Notwendigkeit eines Budgets bzw. von Ressourcen für die Durchführung des Risikomanagements zu überzeugen, lohnt sich eine Gegen-überstellung: der Aufwand für das Risikomanagement gegenüber dem möglichem Schaden bei Risikoeintritt.

Praxistipp 8-4: Fokussierung auf relevante Risiken

→ Bei der Erhebung der Risiken, z. B. im Rahmen von Risikoworkshops oder Fragebögen, ist da-rauf zu achten, dass nur projektrelevante Risiken gesammelt werden. Häufig werden Risikolisten zu groß und unübersichtlich, da für das Projekt nicht relevante Risiken mit aufgeführt sind.

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Risikomanagement 89

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Die Risikoanalyse und -bewertung sollte in periodisch stattfindenden Gesprächen zwischen den verantwortlichen Personen für das Risikomanagement, der Leitung der einzelnen Teilprojekte sowie der Projektleitung durchgeführt werden. Diese festen Termine haben aus Sicht des Risiko-managements zum einen die Funktion, neue Risiken zu erkennen, zu sammeln und zu bewerten. Zum anderen dienen sie dazu, bereits vorher erkannte Risiken gemeinsam zu überprüfen. Ergän-zend dazu sollte die für das Risikomanagement zuständige Person – über alle Projektebenen und -bereiche hinweg – auch direkte Gespräche mit Projektmitarbeitenden führen – und ggf. auch mit Stakeholderinnen und Stakeholdern, die nicht unmittelbar zum Projektteam gehören (z. B. Be-troffene, Anwenderinnen und Anwender etc.).

Gerade bei komplexen Projektstrukturen können nur direkte Gespräche verborgene Risiken auf-decken. So sollte die für das Risikomanagement zuständige Person z. B. fragen, welche Teile des Projekts aus welchen Gründen besonders schwierig sind. Sie sollte dabei systematisch typische inhaltliche Risikokategorien durchgehen. Bei Anzeichen von Problemen sollte sie mit den Perso-nen ins Detail gehen, die über technische und beziehungsweise oder fachliche Expertise verfügen, um auch verborgene Risiken zu identifizieren.

3. Gegenmaßnahmen definieren und durchführen

Für die einzelnen Risiken sind Gegenmaßnahmen zu planen, um die Eintrittswahrscheinlichkeit oder Schadenshöhe zu mindern. Gleichzeitig sind Verantwortliche für die einzelnen Risiken festzu-legen sowie entsprechende Berichte zu erstellen. Diese Dokumentation wird gepflegt und regel-mäßig aktualisiert.

Wirkungsvolles Risikomanagement erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass vereinbarte Maßnahmen realisiert werden, indem es durch Schaffung von Transparenz Handlungsdruck aufbaut:

Wie erreicht die Projektleitung, dass auf Lenkungsausschuss-Ebene gehandelt wird? Gute Ansatzpunkte sind:

o Maßnahmen in die Planung aufnehmen, o dem Lenkungsausschuss Auswirkungen darstellen (auch Auswirkung der Maßnah-

men auf die Planung auf allen Ebenen), o Puffer auflösen, o Nutzen der Risikomaßnahmen verdeutlichen.

Wie werden Handlungen in den unteren Projektebenen ausgelöst? Bewährte Ansatzpunk-te sind:

o per Änderungsauftrag ans Projekt, o durch Überführung der Maßnahmen aus dem Risikomanagement in die normalen

Planungswerkzeuge des Projekts (übergreifendes Aufgabenmanagement/Planung etc.),

o durch regelmäßige Kontrolle der Wirksamkeit der Maßnahmen.

Ein sogenanntes „Trouble Management“ für besonders große Probleme nutzen: Dafür wird eine Task Force eingerichtet, um ein vorhandenes Risiko oder Problem zu lösen. Die für das Trouble Management zuständige Person leitet diese Aktivitäten. Der Vorteil liegt darin, dass sich Stakeholder und Stakeholderinnen sowie Mitarbeitende, die vorher Teil des Prob-lems waren, häufig besser in eine Task Force mit frischem Ansatz und unverbrauchten Per-sonen einbinden lassen.

Praxistipp 8-5: Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlich können hohen Schaden verursachen

→ Angesichts der erheblichen Größenordnung und Bedeutung von Großprojekten in der öffent-lichen Verwaltung (viele betroffene Personen, beinhalten oft sensible Aspekte wie Sicherheit etc.) müssen auch Risiken mit kleiner Eintrittswahrscheinlichkeit, die aber einen hohen Schaden verursachen können, näher betrachtet werden.

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Risikomanagement 90

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

4. Regelmäßig berichten

Die Berichte zu den geplanten oder durchgeführten Gegenmaßnahmen werden wie die Risikoliste kontinuierlich aktualisiert und den vorher definierten empfangsberechtigten Personen zugelei-tet/vorgestellt.

8.3 Ergebnisdokumente

Wie effektiv das Risikomanagement ist, entscheidet sich weniger in der Erstellung von Ergebnis-dokumenten, als vielmehr in der Definition und Durchsetzung wirksamer Gegenmaßnahmen.

Es haben sich dennoch zwei Ergebnisdokumente für die Berichterstattung über Risiken bewährt, da sie den Fokus auf die Kernrisiken im Projekt lenken:

Risikoliste: Tabellarische Liste aller Risiken und notwendiger Gegenmaßnahmen mit den folgenden Informationen:

o Kategorisierung der Risiken o Beschreibung der Risiken o Beschreibung hinsichtlich Schadensausmaß im Falle des Eintretens o Bewertung hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit o Bewertung der Auswirkungen o Schätzung des zu erwartenden finanziellen Schadens o Beschreibung der Gegenmaßnahmen mit Verantwortlichkeiten o Bewertung der Umsetzung der Gegenmaßnahmen o Termine.

Risikomatrix: Diese Matrix mit zwei Dimensionen ermöglicht eine grafische Darstellung aller Risiken der Risikoliste (siehe Abbildung 27). Kernrisiken, d. h. Risiken mit hoher Eintritts-wahrscheinlichkeit und resultierendem großem Schaden im Falle des Eintretens, werden dabei besonders hervorgehoben (roter Bereich). Es empfiehlt sich, das Risiko vor Umset-zung und nach Umsetzung der Gegenmaßnahme zu betrachten, um die daraus resultieren-den Änderungen bei der Risikoanalyse sichtbar zu machen.

Praxistipp 8-6: Unterstützung der Organisationsleitung wahrt die Effektivität des Risikomana-gements

→ Wenn Risiken kleingeredet oder gar nicht erst kommuniziert werden, liegt der Grund oft in der „Gefahr eines offenen Risikomanagements“: Insbesondere von der politischen Opposition können Risiken ausgenutzt oder dramatisiert werden. Um hier im Vorfeld gegenzusteuern, ist die Unterstützung durch die oberste Leitungsebene und die im Lenkungsausschuss vertretenen Sta-keholderinnen und Stakeholdern wesentlich: sie müssen die Vertraulichkeit über die Risikobe-richterstattung wahren und gleichzeitig die Projektrisiken gemeinsam tragen.

Page 91: S-O-S-Methode für Großprojekte

Risikomanagement 91

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Abbildung 27: Risikomatrix

8.4 Rollen

Rolle Funktion

Projektleiter, Projektleite-rin

Übernimmt immer auch das oberste Risikomanagement des Pro-jekts.

Kommuniziert Risiken aktiv an den LA und andere Stakehol-derinnen und Stakeholder, um Überraschungen zu vermei-den.

Fordert Unterstützung bei Stakeholdern und Stakeholderin-nen ein, um Risikoeintritt zu vermeiden oder Auswirkungen zu mindern.

Sorgt für die projektinterne Durchführung von Gegenmaß-nahmen.

Schafft durch Transparenz und offene Kommunikation eine positive Atmosphäre für das Risikomanagement („Fehlerkul-tur“).

Ist bereit, eigene Leistung im Projekt offen und soweit mög-lich objektiv einzuschätzen: „Stelle ich selbst ein Risiko dar?“

Risikomanagerin, Risiko-manager

Ist zuständig für die Analyse und Bewertung der Risiken sowie für die Definition und Verankerung von Gegenmaßnahmen.

Definiert Verantwortliche für Gegenmaßnahmen und veran-kert die Maßnahmen in deren Aufgabenportfolio.

Erstellt Berichte (Risikostatus) und steht auf Wunsch dem LA als unabhängiger Berichterstatter zur Verfügung.

Teilprojektleiter, Teilpro-jektleiterin und Leiterin, Leiter der Arbeitspakete

Sollten dem Risikomanager für eine periodische Risikosichtung und -bewertung zur Verfügung stehen

Sind für die Durchführung eines Großteils der projektinter-nen Maßnahmen verantwortlich.

Leisten einen Beitrag in der Risikoanalyse: Welche Risiken sehen sie aus ihrer Perspektive?

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Risikomanagement 92

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Trouble Management Leitet die im Bedarfsfall eingerichtete Trouble Management Task Force und kümmert sich um die Aktivitäten, die zur Lösung des besonders großem Risikos oder Problems geplant werden.

Stimmt sich eng mit Projektleitung und zuständigen Perso-nen des Risikomanagements ab.

Definiert notwendige Maßnahmen, leitet deren Umsetzung an und prüft den Erfolg der ergriffenen Maßnahmen.

Tabelle 11: Rollen und Funktionen im Risikomanagement

8.5 Erfolgsmessgrößen

Wie effektiv das bestehende Risikomanagement ist, kann die Auftraggeberseite des Projekts z. B. mit Hilfe von folgenden Kriterien und Überprüfungen feststellen:

Wirksamkeit von initiierten Gegenmaßnahmen

Positive Veränderung von Schadensausmaß, Eintrittswahrscheinlichkeit und voraussichtli-chem Eintrittszeitpunkt seit Identifizierung des Risikos

Regelmäßige Nachhaltung, Analyse und transparente Dokumentation der Risiken.

8.6 S-O-S-Vorlagen

Risikomanagement-Tool

Projektkompass

Praxistipp 8-7: Risiken müssen durch die Gesamtprojektleitung offen adressiert und aktiv an-gegangen werden

→ Bei Großprojekten in der öffentlichen Verwaltung kommen politische Risiken als besondere Risikodimension hinzu, deren Management der speziellen Kompetenz und Erfahrung der für die Gesamtprojektleitung zuständigen Person bedarf: sie muss Sachverhalte auf politischer Ebene so darstellen, dass richtiges Handeln ausgelöst wird. Gleichzeitig muss sie die richtige Ansprache ins Projekt hinein beherrschen. Sie sollte Risiken offen ansprechen, um Überraschungen zu vermei-den, sollte aber nicht als notorisch vor Risiken warnende Person erscheinen, sondern als lö-sungsorienthandelnde Person auftreten.

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Qualitätsmanagement 93

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

9 Qualitätsmanagement Qualitätsmanagement umfasst alle Maßnahmen, die dazu dienen, eine festgelegte Qualität bei den geplanten Projektergebnissen bzw. Lösungen sicherzustellen. Ein gutes Qualitätsmanagement hilft dabei, dass Kundschaft und Stakeholderinnen und Stakeholder zufrieden sind. Darüber hin-aus sichert ein gutes Qualitätsmanagement die Einhaltung von Zeit- und Budgetplänen. Mit der Vermeidung bzw. der frühzeitigen Reaktion auf Defekte und Fehler können teure Nacharbeiten eingespart werden.

9.1 Ziele des Moduls

Das Qualitätsmanagement verfolgt zwei Hauptziele:

Die Qualität der Projektergebnisse und -prozesse sicherzustellen.

Einheitliche Qualitätsstandards in der Gesamtprojektorganisation zu etablieren.

9.2 Umsetzungsprozesse

Laufende

Prozesse

Initiale Prozesse

Grundlagen für das Qualitätsmanagement schaffen

Laufendes Qualitätsmanagement

Organisation, Prozesse und Rahmen-bedingungen festlegen

Qualitätsziele und Kriterien festlegen

Betrachtungs-gegenständeund QS-Maßnahmen identifizieren

QS-Planung aufstellen und aktualisieren

QS-Maßnahmen durchführen

Erfolg prüfen und Maßnahmen aufsetzen

Checklisten und Vorgaben erarbeiten

Abbildung 28: Prozesse des Qualitätsmanagements

9.2.1 Initialer Prozess „Grundlagen für das Qualitätsmanagement schaf-fen“

1. Organisation, Prozesse und Rahmenbedingungen für das Qualitätsmanagement festlegen

Rollen und Verantwortlichkeiten des Qualitätsmanagements festlegen: In Großprojekten ist eine auf allen Ebenen und in allen Teilprojekten verankerte durchgängige Organisation für das Qualitätsmanagement aufzubauen. Die beteiligten Rollen und Verantwortlichkeiten werden gemäß Kapitel „Rollen“ festgelegt. Umgesetzt wird das Qualitätsmanagements durch die in der S-O-S-Methode definierte Qualitätssicherung.

Zu Beginn des Projekts ist eine genaue Abstimmung darüber erforderlich, welche Vorga-ben sich aus dem Qualitätsmanagement der Organisationseinheit für das Projekt ergeben. Daraus sollten sich Zuständigkeiten und Verantwortung zwischen Qualitätsmanagement des Projekts und Qualitätsmanagement der Organisationseinheit ableiten lassen. Es sind verbindliche Rahmenbedingungen und ein definierter Handlungsspielraum zur Erreichung der Qualitätsziele im Projekt zu vereinbaren. Typischerweise finden im Laufe des Projekts Audits durch das Qualitätsmanagement der Organisationseinheit statt, die die Einhaltung der abgestimmten Vorgaben prüfen.

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Qualitätsmanagement 94

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Prozesse des Qualitätsmanagements festlegen: Die für das Qualitätsmanagement notwen-digen Prozesse werden bestimmt und dokumentiert. Das Zusammenspiel der Planung der Qualitätssicherungsmaßnahmen mit der Projektplanung wird definiert. Die Integration der Qualitätsberichterstattung in die Statusberichte des Gesamtprojekts wird festgelegt.

Zusätzlich wird festgelegt, wie die Berichterstattung innerhalb der Qualitätsmanagement-Organisation von Ebene zu Ebene des Projekts organisiert ist, sodass auf oberster Ebene eine konsolidierte, verdichtete Einschätzung der Gesamtqualität möglich ist.

Rahmenbedingungen für das Qualitätsmanagement festlegen: Für ein erfolgreiches Quali-tätsmanagement sollte die Unabhängigkeit sichergestellt sein. „Unangenehme“ Auffälligkei-ten bzw. Fehler werden so ungeachtet von persönlichen Interessen aufgedeckt. Aufgrund der Komplexität und Anzahl werden im Großprojekt die Eskalationen jeweils auf die nächst-höhere Ebene des Projekts kommuniziert. Dabei kann an die verantwortlichen Mitarbeiten-den der Projektleitung (Projektmanagement und Gesamtprojektleitung) und/oder an die verantwortlichen Mitarbeitenden der Qualitätsmanagement-Organisation (QS-verantwortliche Personen) eskaliert werden.

Ein effektives und wirksames Qualitätsmanagement erfolgt nicht nur auf Führungsebene, sondern zeichnet sich ebenso durch eine Aktivierung des Qualitätsbewusstseins aller Pro-jektmitarbeitenden aus. Deshalb sollten bereits in den Rahmenbedingungen die Grund-steine gelegt werden, dass sich alle Mitarbeitenden ihrer persönlichen Verantwortung und ihres Beitrags zur Erreichung der Qualität bewusst werden. Dazu wird im Projekt re-gelmäßig über Aktivitäten und Bedeutung des Qualitätsmanagements und über konkrete, messbare Qualitätsziele gesprochen. Hilfreich ist die Verankerung von Qualitätszielen in Zielvereinbarungen der verantwortlichen Mitarbeitenden, neben (Teilprojekt-)QS-verantwortlichen Personen sind das insbesondere die Verantwortlichen der Gesamtpro-jektleitung, des Projektmanagements und der Teilprojektleitung.

2. Qualitätsziele und -kriterien festlegen

Aus den Vorgaben für das Projekt (Projektcharta, Projektmanagementplan u.a.) sind die im Pro-jekt zu erreichenden Qualitätsziele abzuleiten. Nur selten sind den Vorgaben konkrete, messbare Qualitätsziele direkt zu entnehmen, vielmehr sind diese Ziele implizit auf sehr abstraktem Niveau in den Vorgaben enthalten.

Die Qualitätsziele sind für alle Dimensionen der Vorgaben zu formulieren (Aufwand, Budget, Ter-mine, Inhalt, Nutzen) und werden im Qualitätsmanagement-Handbuch dokumentiert. Zu jedem Qualitätsziel werden messbare Qualitätskriterien angegeben, die es erlauben, die jeweilige Zieler-reichung zu ermitteln. Wichtig ist die genaue Definition messbarer Kriterien, die für die Einord-nung der Qualität in den unterschiedlichen Teilprojekten gilt (Definition von „Ampelfarben“).

Sind die Qualitätsziele und -kriterien nicht bereits in den Vorgaben für das Projekt verankert, müs-sen sie zwischen Auftraggeber- und Auftragnehmerseite abgestimmt und vereinbart werden. Eine Aufnahme in die Projektcharta ist sinnvoll, sodass im Verlauf des Projekts immer wieder darauf Bezug genommen werden kann.

3. Betrachtungsgegenstände und Qualitätssicherungsmaßnahmen identifizieren

Aus dem definierten Projektumfang ergeben sich die Betrachtungsgegenstände des Qualitätsma-nagements. Es handelt sich sowohl um die vom Projekt zu erstellenden Ergebnisse (Konzepte, Software, Hardware etc.) als auch um die Projektprozesse (z. B. Stakeholder-Analyse, Risikoma-nagement), die zur Erstellung der Ergebnisse aufgesetzt werden. Dazu zählen auch die in diesem Dokument beschriebenen Prozesse der einzelnen Projektmanagement-Module. Vorgaben und Checklisten, wie weiter unten erläutert, geben hierzu Hilfestellung.

Grundsätzlich kann zwischen konstruktiven und analytischen Qualitätssicherungsmaßnahmen-maßnahmen unterschieden werden:

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Qualitätsmanagement 95

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Konstruktive Qualitätssicherungsmaßnahmen sorgen dafür, dass die Qualitätsziele von Be-ginn an bei der Erstellung der Ergebnisse oder dem Aufsetzen der Prozesse berücksichtigt werden. Die Qualität wird sozusagen „hineinkonstruiert“. Zu diesen Maßnahmen zählt auch die Beachtung angemessener Verfahren, Methoden und Werkzeuge. Was hier versäumt wird, lässt sich später (bei den analytischen Maßnahmen oder gar erst im Betrieb) oft nicht mehr oder nur mit sehr hohem Aufwand nachholen. Zu den konstruktiven Maßnahmen für erfolgreiche Projektprozesse gehört die Einhaltung der Hinweise und Vorlagen aus der S-O-S-Methode.

Analytische Qualitätssicherungsmaßnahmen dienen dazu, die tatsächlich erreichte Qualität zu prüfen. Diese Maßnahmen decken nicht nur mögliche Qualitätsmängel auf, sondern do-kumentieren auch die Erreichung der definierten Qualitätsziele. Analytische Maßnahmen werden nicht nur am Ende einer Phase zur Überprüfung des Ergebnisses eingesetzt, son-dern auch zur Prüfung von Zwischenergebnissen. Dies verhindert, dass sich anfängliche Feh-ler im System ausbreiten.

4. Checklisten und Vorgaben erarbeiten

Vorgaben und Checklisten konkretisieren die Qualitätsziele, -kriterien und -maßnahmen.

Vorgaben dienen im Wesentlichen dazu, die konstruktiven Qualitätssicherungsmaßnahmen zu unterstützen. Beispielsweise werden Vorlagen für Dokumenttypen erstellt, die eine voll-ständige inhaltliche Abdeckung gewährleisten und zudem eine geeignete Strukturierung vorgeben.

Checklisten unterstützen sowohl konstruktive als auch analytische Qualitätssicherungs-maßnahmen. Beispielsweise sorgt eine Checkliste im Anforderungs- und Änderungsma-nagement bereits vor der Umsetzung einer Änderung dafür, dass sie in allen relevanten Prozessen und Ergebnissen berücksichtigt wird. Analytischen Zwecken dienen z. B. Checklis-ten, die beim Review von Dokumenten die Prüfung aller für das Dokument vereinbarten Qualitätsziele und -kriterien sicherstellen.

9.2.2 Laufender Prozess „Laufendes Qualitätsmanagement“

1. Qualitätssicherungsplanung aufstellen und aktualisieren

Die im Qualitätsmanagementhandbuch enthaltenen Maßnahmen werden schließlich konkret für jeden einzelnen Betrachtungsgegenstand geplant. Die Planung enthält alle Aktivitäten, die ver-antwortlichen Mitarbeitenden und die Termine. Die Planung der Qualitätssicherung erfolgt detail-liert in den Teilprojekten und obliegt den verantwortlichen Rollen. Wie bei der Projektplanung ergibt sich der Gesamtplan für die Qualitätssicherung durch Verdichtung und Konsolidierung aus den Detailplänen.

Im Laufe des Projekts muss die Planung für die Qualitätssicherung bei Änderungen aktualisiert werden. Solche Änderungen können sich durch neue Anforderungen (und damit neue Betrach-tungsgegenstände) ergeben. Darüber hinaus ergibt sich Änderungsbedarf beim Verfehlen von Qualitätszielen oder aus dem Risikomanagement, sodass neue Maßnahmen zur Qualitätssiche-rung erforderlich werden.

Generell wird die Planung – wie festgelegt – mit der Projektplanung abgestimmt oder in die Pro-jektplanung integriert.

Praxistipp 9-1: Festlegen gesamtprojektübergreifender Qualitätsniveaus

→ Im Großprojekt sorgen Vorgaben und Checklisten auch für die Sicherstellung eines einheitli-chen Qualitätslevels im Gesamtprojekt, indem deren Anwendung für alle Teilprojekte über Or-ganisationseinheits- und Ministerien-/Firmengrenzen hinweg verbindlich vereinbart wird.

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

2. Qualitätssicherungsmaßnahmen durchführen

Die geplanten Maßnahmen werden von den in der Planung vorgesehenen Mitarbeitenden durch-geführt.

Die Durchführung und das daraus resultierende Ergebnis werden in einer Nachweisakte für Quali-tätssicherung dokumentiert. Die Nachweisführung enthält zum einen die konkreten Ergebnisse einzelner Maßnahmen (z. B. die Review-Anmerkungen, die ein Prüfer erstellt hat). Zum anderen gibt sie Auskunft über den Status (offen, in Arbeit oder abgeschlossen).

3. Erfolg des Qualitätsmanagements prüfen und Maßnahmen aufsetzen

Die erreichte Qualität wird regelmäßig geprüft. Entspricht sie nicht den Qualitätszielen, müssen weitere Maßnahmen aufgesetzt werden, um die Erreichung der vorgegebenen Qualitätsziele si-cherzustellen. Diese Maßnahmen werden mit den verantwortlichen Mitarbeitenden abgestimmt. Sie führen normalerweise zur Anpassung der Planung für Qualitätssicherung und des Projektplans.

9.3 Ergebnisdokumente

Wesentliche Ergebnisdokumente des Qualitätsmanagements sind:

Qualitätsmanagement-Handbuch: Beschreibt Organisation, Prozesse und Werkzeuge des Qualitätsmanagements im Projekt, identifiziert die vom Qualitätsmanagement zu betrach-tenden Projektergebnisse und -prozesse (Betrachtungsgegenstände), definiert Qualitätszie-le und -kriterien sowie die je Betrachtungsgegenstand durchzuführenden QS-Maßnahmen.

Qualitätssicherungs-Plan: Enthält die aus dem Qualitätsmanagement-Handbuch abgeleite-ten konkreten Aufgaben, Termine und verantwortlichen Mitarbeitenden für die Maßnah-men zur Qualitätssicherung.

Qualitätssicherung-Nachweisakte: Enthält die Dokumentation zu Status und Ergebnissen aller durchgeführten Maßnahmen zur Qualitätssicherung (insbesondere QS-Berichte, Prüfspezifikationen und Prüfprotokolle).

9.4 Rollen

Rolle Funktion

Gesamtprojektleiterin, Gesamtprojektleiter

Trägt Gesamtverantwortung für die Projektergebnisse und Projekt-prozesse, somit auch für die Qualität.

Organisiert das Qualitätsmanagement im Projekt (legt Ver-antwortlichkeiten und Rollen fest).

Delegiert Qualitätsaufgaben an untere Ebenen des Projekts.

Sorgt für die Einplanung des Qualitätsmanagements bzw. der Qualitätssicherungsmaßnahmen.

Berücksichtigt die aus dem Qualitätsmanagement definier-ten Maßnahmen in der Planung.

Praxistipp 9-2: Nachweisführung als Unterstützung zur Gesamtprojektprognose

→ Im Großprojekt liefert die Nachweisführung für die Qualitätssicherung wichtige Hinweise für die Prognose der Erreichung der Projektziele insgesamt. Dazu werden die Details aus der Nach-weisakte auf Gesamtprojektebene verdichtet. Beispielsweise liefern Anzahl und Schwere der im Test gefundenen Fehler einen Hinweis auf den noch benötigten Restaufwand.

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S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Verantwortliche Person für Qualitätssicherung (Ge-samt-/Teilprojekt-Ebene)

Trägt die Verantwortung für Durchführung des Qualitätsmanage-ments im Projekt bzw. Teilprojekt.

Stellt sicher, dass das Qualitätsmanagement-Handbuch im Projekt bzw. Teilprojekt berücksichtigt wird und die geplan-ten Maßnahmen durchgeführt werden.

Testmanagement und Test-team (in IT-Projekten rele-vant)

Sorgen in Abstimmung mit der für Qualitätssicherung verantwortli-chen Person für Konzeption, Planung, Vorbereitung und Durchfüh-rung der Tests, die Bestandteil des Qualitätsmanagement-Handbuchs und der Planung für die Qualitätssicherung sind.

Tabelle 12: Rollen und Funktionen im Qualitätsmanagement

9.5 Erfolgsmessgrößen

Die Auftraggeberseite kann ein erfolgreiches Qualitätsmanagement an qualitativen und quantita-tiven Kriterien messen.

Als qualitative Messgrößen sind beispielsweise folgende Prüffragen möglich:

Sind alle vertraglich vereinbarten Ergebnisse und alle Projektprozesse durch das Qualitäts-management erfasst?

Existieren zu wichtigen Prozessen und Ergebnissen qualitätsbezogene Checklisten und Vor-lagen?

Sind sowohl konstruktive als auch analytische Maßnahmen geplant?

Ist das Qualitätsmanagement auf allen Ebenen des Projekts und auf Auftragnehmer und Auftraggeberseite durch Verantwortliche verankert?

Als quantitative Messgrößen sind folgende Kennzahlen denkbar:

Wie hoch ist die Anzahl der im Projekt geplanten Audits im Vergleich zur Anzahl der Teil-projekte (je Teilprojekt mindestens beim Aufsetzen und während der Laufzeit sinnvoll)?

Wie hoch ist die Anzahl der im Rahmen geplanter Prüfmaßnahmen gefundenen schweren Defekte oder Fehler?

Wie hoch ist Anzahl der gefundenen Defekte oder Fehler, die außerhalb durchgeführter Maßnahmen entdeckt wurden?

9.6 S-O-S-Vorlagen

QS-Planung und Nachweisführung

Qualitätsmanagement-Handbuch

Projektkompass

Page 98: S-O-S-Methode für Großprojekte

Teil III: Anlagen 98

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Teil III: Anlagen

Page 99: S-O-S-Methode für Großprojekte

Projektmanagement-Standards 99

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

10 Projektmanagement-Standards

10.1 Projektmanagement-Standards des Bundes

In der Bundesverwaltung gibt es folgende Projektmanagement-Standards, für mehr Informatio-nen dazu wird auf die unten angegebenen Links verwiesen.

PM-Standard Herausgeberin, Herausgeber

Link

Praxisleitfaden Projekt-management für die Öffentliche Verwaltung

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/moderne-verwaltung/praxisleitfaden-projektmanagement.html

V-Modell XT Bund. Das Referenzmodell für Sys-tementwicklungsprojekte in der Bundesverwaltung

Informationstech-nikzentrum Bund

https://www.cio.bund.de/Web/DE/Architekturen-und-Standards/V-Modell-XT-Bund/vmodellxt_bund_node.html

Leitfaden für Bau-Großprojekte

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruk-tur

https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/leitfaden-grossprojekte.html

Tabelle 13: Projektmanagement-Standards des Bundes

10.2 Projektmanagement-Standards

Dieses Kapitel enthält Verweise auf verbreitete Projektmanagement-Standards (in alphabetischer Reihenfolge sortiert). Für mehr Informationen wird auf die unten angegebenen Links verwiesen. Für die Richtigkeit der Angaben übernehmen die Unternehmen selbst die Verantwortung.

Der Einsatz der S-O-S-Methode für Großprojekte setzt voraus, dass die Inhalte eines Projektma-nagement-Standards bekannt sind und als Basis für das Projektmanagement angewandt werden.

PM-Standard Link

IPMA (GPM) http://www.gpm-ipma.de

OpenPM2 (Europäische Kom-mission)

https://ec.europa.eu/isa2/solutions/open-pm2_en

PMBOK® Guide (PMI) http://www.pmi.org

Prince2 (AXELOS) https://www.axelos.com/best-practice-solutions/prince2/what-is-prince2

Tabelle 14: Allgemeine Projektmanagement-Standards

Die oben angegebenen Projektmanagement-Standards definieren allgemeingültige Begriffe, Strukturen und Prozesse.

Für viele spezielle Problemstellungen existieren bereits vorgefertigte spezialisierte Vorgehensmo-delle. So gibt es beispielsweise für Softwareentwicklungsprojekte eine Vielzahl von agilen oder evolutionären Lebenszyklus-Modellen (z. B. Scrum, Extreme Programming etc.).

Page 100: S-O-S-Methode für Großprojekte

Abkürzungsverzeichnis 100

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

11 Abkürzungsverzeichnis Abkürzung Bedeutung

AG Auftraggeber, Auftraggeberin (als Person oder Stelle)

AN Auftragnehmer, Auftragnehmerin (als Stelle oder Organisation)

BGB Bürgerliche Gesetzbuch

BVA Bundesverwaltungsamt

BzA Bereitstellung zur Abnahme

CC GroßPM Kompetenzzentrum (Groß-)Projektmanagement

CR Change Request

EVB-IT Ergänzende Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen in der öffentlichen Verwaltung

GroßPM Großprojektmanagement

IT Informationstechnik

LA Lenkungsausschuss

MA Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

PJ Personenjahr(e)

PL Projektleiterinnen und Projektleiter

PM Projektmanagement

PMO Project Management Office

QM Qualitätsmanagement

QS Qualitätssicherung

S-O-S Strategie-Organisation-Systematik

WiBe Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Page 101: S-O-S-Methode für Großprojekte

Glossar 101

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

12 Glossar Begriff Beschreibung

Abnahme A) Prozess der Prüfung eines Projektergebnisses gegen die für das Ergebnis geforderten Anforderungen bzw. Eigenschaften oder B) formale Bestäti-gung, dass das Projektergebnis die geforderten Anforderungen erfüllt. In der Regel in Schriftform und mit Unterschrift.

Administratorin, Administrator

Hier ist die Rolle als eine Unterstützungsfunktion gemeint, die für die je-weilige fachverantwortliche Person die Durchführung standardisierter Regelaufgaben übernimmt.

Änderungsanforde-rung

Bezeichnet im Änderungswesen von Projekten einen formalisierten Wunsch nach Veränderung der Eigenschaften eines bestimmten Merkmals am Produkt oder dem Projektergebnis.

Änderungsantrag Antrag, um während der Projektlaufzeit eine Änderungsanforderung zu stellen und ein Change Request-Verfahren in Gang zu setzen.

Änderungsma-nagement

Kontrollierte Prozesse, Methoden und Werkzeuge zur Behandlung bzw. Umsetzung von Änderungen im Projekt.

Anforderung Ein Erfordernis oder eine Erwartung, das oder die festgelegt, üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist. In der Softwareentwicklung gilt eine Anforderung als Beschreiben des gewünschten Funktionsumfangs.

Anforderungsanaly-tikerin, Anforde-rungsanalytiker

Rolle in IT-Großprojekten, die für die gesamtprojektübergreifend konsis-tente Fachlichkeit zuständig ist. Hauptverantwortlich für fachliches Design.

Anforderungsma-nagement

Prozesse, Methoden und Werkzeuge zur Definition des Projektumfangs sowie zur Behandlung von im Projektverlauf entstehenden Anforderun-gen, die im ursprünglichen Projektumfang nicht enthalten sind.

Artefakt Artefakte sind alle Arbeitsergebnisse innerhalb eines Projekts.

Aufgabenübertra-gung

Formaler Verwaltungsvorgang, um einem Mitarbeitenden oder einer Ab-teilung etc. offiziell eine Aufgabe zu geben mit entsprechend möglicher Entlastung von bisherigen Aufgaben.

Auftraggeberin, Auftraggeber

Die Person oder die Stelle, die eine zu erbringende Leistung oder Lösung will, die Gelder bereitstellt und den Auftrag an eine Auftragnehmerin, einen Auftragnehmer erteilt.

Auftraggeber-Projekt

Das von Auftraggeberseite beauftragte Projekt, das die im Projektauftrag definierten Ziele erreichen soll.

Auftragnehmerin, Auftragnehmer

Die Person oder die Stelle, die den Projektauftrag übernimmt, eine verein-barte Leistung erbringt und dafür die Gelder erhält.

Auftragnehmer-(Teil-)Projekt

Ein eigenständiges (Teil-)Projekt, das in der Verantwortung einer Auftrag-nehmerin, eines Auftragnehmers steht und das vertraglich an ein Auftrag-geber-Projekt gebunden ist.

Aufwandschätzung Schätzung des für die Lösung eines Problems nötigen Aufwands (gemessen in Personentagen).

Betrieb Phase der produktiven Nutzung eines (IT-)Systems nach der Inbetrieb-nahme.

Bottom-up-Schätzung

Methode zur Schätzung von kommenden Aufwänden. Ausgehend von der Detailplanung der Arbeitspakete werden alle Arbeitsschritte innerhalb der Arbeitspakete bewertet. Bei größeren Projekten empfiehlt sich, hierfür Projektmanagementsoftware zu nutzen, um die entstehende Komplexität bewältigen zu können.

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Glossar 102

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Change Manage-ment

Erfassung, Bewertung, Entscheidung, Dokumentation und Steuerung der Umsetzung von Änderungen im Projekt gegenüber der bisher gültigen Planung.

Change Request siehe Änderungsanforderung.

Change Request-Verfahren

Prozess, der detailliert die Schritte festlegt, die von Antragsstellung bis zur Genehmigung oder Ablehnung einer Änderungsanforderung zu durchlau-fen sind.

Descoping Eine Reduzierung der vom Projekt zu liefernden Lösung.

Dienstleister Ein Unternehmen bzw. dessen Mitarbeitende, die eine Dienstleistung er-bringen.

Dienstvertrag Vertrag, durch den sich eine Vertragsseite zur Leistung der Arbeit, die an-dere zur Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet. Gesetzlich gere-gelt in § 611 BGB.

Earned-Value-Analyse

Kennzahlenbasierte Fortschrittsbewertung eines Projekts. Gegenüberstel-lung von Planwerten mit Ist-Kosten und definierten Leistungswerten. Ver-folgung des Trends im Zeitverlauf.

Entwicklungsziele Im Personalmanagement: Individuelle Ziele, die im Rahmen der persönli-chen Weiterentwicklung mit dem Mitarbeitenden vereinbart werden.

Entwurf Projektphase, in der die detaillierte Lösung zur Umsetzung der Projektziele erarbeitet wird.

Erfolgsmessgröße Abgestimmte finanzielle und nicht-finanzielle Kriterien, welche die erfolg-reiche Umsetzung des Projektmanagements und seiner Module zeigen.

Extreme Program-ming

Eine Arbeitsmethode zur kundenorientierten Entwicklung von Software.

Fachlichkeit Summe der fachlichen Anforderungen für das von einem Projekt zu lie-fernde Ergebnis.

Feature Freeze Termin

Festgelegter Zeitpunkt, ab dem keine Anforderungsänderungen mehr in die Planung aufgenommen werden.

Feedbackschleife Eine Form der Rückmeldung an Projektmitarbeitende im Rahmen des Per-sonalmanagements.

Feinkonzept Detaillierte Spezifikation eines vom Projekt zu liefernden Ergebnisses.

Frozen Zone Festgelegter Zeitraum, in dem keine Anforderungsänderungen mehr in die Planung aufgenommen werden bzw. keine Änderungen mehr am zu erzie-lenden Ergebnis durchgeführt werden.

Function Points Maß für Aufwand/Größe eines IT-Projekts.

Function-Point-Methode

Schätzverfahren zur Bewertung des fachlich-funktionalen Umfangs eines IT-Systems.

Generalunterneh-merin, Generalun-ternehmer

Der oder die von einer Auftragnehmerin, einem Auftraggeber mit der Aus-führung eines Auftrages betraute Auftragnehmer, Auftragnehmerin be-dient sich zur Erfüllung des Auftrages anderer Unternehmen (Subunter-nehmen).

Gesamtprojekt Projekt, das mehrere Teilprojekte, Führungsebenen und Projektrollen um-fasst.

Gesamtprojektleite-rin, Gesamtprojekt-leiter

Rolle im Großprojekt, welche die operative Gesamtprojektverantwortung sowie die Gesamtverantwortung trägt für die Projektergebnisse aller Teil-projekte in Summe (hinsichtlich Termine, Inhalt und Qualität, Budget) so-wie für die dafür notwendigen Projektmanagementprozesse.

Grobplanung Spezifikation eines vom Projekt zu liefernden Ergebnisses auf hohem Abs-traktionslevel.

Page 103: S-O-S-Methode für Großprojekte

Glossar 103

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Großprojekt In der S-O-S-Methode wird ein Projekt als Großprojekt bezeichnet, wenn es hoch komplex ist und der Gesamtaufwand mehr als 50 Personenjahre oder über 10 Mio. EUR Budget beträgt.

Hardware Physische IT-Güter.

Inbetriebnahme Als Meilenstein gemeinter Beginn des produktiven Einsatzes eines (IT-)Systems oder als Projektphase gemeinter Vorgang, in der die Produktiv-setzung des Systems vorbereitet wird.

Integration Zusammenfügen von Teilen des Gesamtergebnisses und Sicherstellung, dass die Einzelteile im Zusammenspiel funktionsfähig sind und die Anfor-derungen an das Gesamtergebnis erfüllen.

Kernteam Eine Auswahl von Personen, die die Verantwortung für das professionelle Projektmanagement der Projektleitung am Projekt und am Projektma-nagement mittragen.

Kick-Off-Meeting Auftaktveranstaltung, i.d.R. nach erfolgter Projektplanung und vor dem Start der eigentlichen Durchführung. Teilnahme mindestens aller Mitglie-der des Projektteams, ggf. weitere relevante Stakeholderinnen und Stake-holder.

Kommunikations-kultur

Bezeichnet die Art und Weise, wie die Beteiligten in einem Projekt oder Unternehmen miteinander kommunizieren und Informationen austau-schen.

Kommunikationsli-nie

Formale Wege zur strukturierten Verbindung von Kommunikation, die mehrere Richtungen berücksichtigen können: Kommunikation an überge-ordnete und nachgeordnete Instanzen und Personen, an hierarchisch gleichgestellte Personen und Instanzen oder an externe Stellen.

Kommunikations-management

Projektmanagementmodul, welches das Steuern der Kommunikation im Projekt betrachtet.

Kommunikations-maßnahme

Zielgerichtete Bereitstellung oder Weiterleitung von Informationen oder Einbindung von Beteiligten.

Kommunikations-plan

Beschreibt eine koordinierte Vorgehensweise zur Planung und Durchfüh-rung von Kommunikationsmaßnahmen.

Konkludentes Han-deln

Wird auch als schlüssiges Verhalten oder als stillschweigende zweiseitige Willenserklärung bezeichnet. Entscheidendes Merkmal ist, dass die Art und Weise des Verhaltens beider Seiten auf eine bestimmte Willenserklä-rung schließen lässt, ohne dass dies ausdrücklich erklärt wurde.

Konzeptphase (Spe-zifikationsphase)

Projektphase, in der die Spezifikation des Projektergebnisses erarbeitet wird (oft in weitere Phasen für Grob- und Feinkonzept untergliedert).

Kritischer Pfad Die längste Kette von Vorgängen und Meilensteinen in einem Projektplan, die zeitlich und/oder logisch voneinander abhängen und keine zeitlichen Puffer haben.

Lenkungsausschuss Entscheidungs- und Kontrollgremium eines Großprojekts, in dem Vertrete-rinnen und Vertreter von Auftraggeber- und Auftragnehmerseite sowie wesentliche Stakeholderinnen und Stakeholder sitzen.

Liefergegenstand Ein Liefergegenstand ist ein eindeutiges und überprüfbares Produkt, Er-gebnis oder eine Dienstleistung, das/die hergestellt bzw. erbracht werden muss, um einen Prozess, eine Phase oder ein Projekt abschließen zu kön-nen.

Lizenz Eine rechtskräftige Genehmigung (z. B. zur Nutzung eines Patents, Soft-ware oder Übernahme eines Werks), meist gegen Gebühr.

Make-Or-Buy-Analyse

Wörtlich aus dem Englischen: „selbst machen- oder kaufen-Analyse“. Wel-che Bestandteile können selbst hergestellt bzw. entwickelt werden und welche kauft das Projekt ein?

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Glossar 104

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Mitarbeiterdisposi-tion

Planvolle Tätigkeit zur Einteilung bzw. Verteilung der Mitarbeitenden. Sie stellt sicher, dass die richtige Person zu richtigen Zeit am richtigen Ort einsetzbar ist.

MoSCoW Die MoSCoW-Priorisierung ermöglicht es, die Umsetzung der Ziele und Anforderungen anhand ihrer Wichtigkeit und ihrer Auswirkung zu priori-sieren. Das mit “o” aufgefüllte Akronym steht für MUST have (Muss), SHOULD have (Soll), COULD have (Kann), WON’T have (Nicht-Ziele).

Personenjahr, -monat, -tag

Maß für den zeitlichen Aufwand, den ein Mitarbeitender für ein Projekt bzw. die Lösung eines Problems einsetzt.

Planning Poker Eine Methode zur Aufwandsschätzung im agilen Projektmanagement.

Programmmanager, Programmmanage-rin

Verantwortliche Person eines Programms oder eines Megaprojekts.

Projektmanagement Office (Projektbüro)

Im Projektmanagement Office (PMO) werden an zentraler Stelle definierte Unterstützungsfunktionen für das Projekt und für die Umsetzung der Pro-jektmanagement gebündelt und ausgeführt.

Projektanbahnung (Anbahnung, An-bahnungsphase)

Phase vor Beginn des Projekts, in der dessen Rahmenbedingungen festge-legt werden.

Projektantrag Entscheidungsvorlage für die Auftraggeberin, den Auftraggeber, anhand die Freigabe/Ablehnung oder die Vertagung des Projekts beschlossen wird.

Projektauftrag Auftrag zur Durchführung eines Projekts oder einer Phase, wobei er min-destens folgende Punkte enthält: Zielsetzung, erwartete Ergebnisse, Randbedingungen, Verantwortung, geplante Ressourcen, übereinstim-mende Willensbekundung des/der Auftraggebers/-in und des Projektver-antwortlichen.

Projektauftragge-ber, Projektauftrag-geberin

Die verantwortliche Instanz, welche die Gelder bereitstellt und das Projekt in Auftrag gibt.

Projektauftragneh-mer, Projektauf-tragnehmerin

Die Person oder die Stelle, die das Projekt übernimmt, die Gelder erhält und die Projektergebnisse liefert.

Projektcharta Ein Dokument, welches inhaltliche, finanzielle und technische Aspekte der Lösungs- und Projektdefinition zusammenfasst und damit eine detaillierte und konkretisierte Darstellung der Projektziele liefert.

Projektcontrolling Sicherstellung des Erreichens aller Projektziele durch Ist-Datenerfassung, Soll/Ist-Vergleich, Analyse der Abweichungen, Bewertung der Abweichun-gen ggf. mit Korrekturvorschlägen, Maßnahmenplanung, Steuerung der Durchführung von Maßnahmen.

Projekthandbuch Fasst als zentrales Dokument alle Informationen und Regelungen, die für die Planung und Durchführung eines Projekts notwendig sind, zusammen. Zum Ende der Planungsphase werden dort Verweise auf alle Einzelpläne, die im Rahmen der Projektarbeit erstellt werden (wie z. B. Ressourcen-plan, Kosten- und Finanzplan, Qualitätssteuerungsplan, Projektstruktur-plan, Meilensteinplan), hinterlegt. Es dient als Grundlage für die Zusam-menarbeit, wird regelmäßig aktualisiert und ermöglicht jedem Projektmit-arbeitenden einen schnellen Überblick über das Projekt.

Projektkonstellation Zusammenstellung bzw. Varianten von organisatorischen Projektstruktu-ren (nur intern/intern und extern/nur extern).

Page 105: S-O-S-Methode für Großprojekte

Glossar 105

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Projektlaufzeit Gesamte Dauer des Projekts.

Projektleiterin, Pro-jektleiter

Rolle, die ein Projekt leitet.

Projektmanagerin, Projektmanager

In der S-O-S-Methode beschreibt der Begriff die Rolle, die einen Teilbe-reich des Projekts (= alle Ergebnisse der zugeordneten Teilprojekte und Themen) gegenüber der Gesamtprojektleitung verantwortet. Sieberichtet direkt an die Gesamtprojektleitung. In anderen Kontexten kann der Begriff auch anders belegt sein; so wird er beispielsweise oft als Synonym von „Projektleiterin, Projektleiter“ verwendet.

Projektmarketing Bekanntmachen und Bewerben des Projekts bei den Projektbeteiligten unter den Gesichtspunkten des Projektnutzens, der Genehmigung, Unter-stützung, Förderung, Erschließung von Ressourcen und Verminderung von Risiken.

Projektorgani-gramm

Dokument, um die Aufbauorganisation zur Abwicklung eines bestimmten Projekts darzustellen.

Projektplan Gesamtplanungsübersicht, welche die verschiedenen Planungsdokumente (wie Projektstrukturplan, Budget- und Kostenplan, Termin- und Ablauf-plan, Aufwandsplan) bündelt.

Projektrolle Aufgabenbeschreibung für Personen, die einem Projekt zugeordnet sind und zur Erreichung des Projektzieles Verantwortung für eine oder mehrere Aufgaben übernehmen.

Projektstrukturplan Vollständige, hierarchische Darstellung aller Elemente (Teilprojekte, Ar-beitspakete) der Projektstruktur als Diagramm oder Liste. Das kleinste Element des Projektstrukturplans ist das Arbeitspaket.

Projektumfang Grenze, die das Projekt mit seinen Ergebnissen erreichen soll.

Proof of concept Meilenstein, der die prinzipielle Durchführbarkeit eines Vorhabens belegt.

QS-Verantwortliche Person

Rolle im Großprojekt, welche für die Umsetzung des Qualitätsmanage-ments im Gesamtprojekt sorgt.

Qualitätsmanage-ment

Projektmanagementmodul, das alle Maßnahmen umfasst, die dazu die-nen, eine festgelegte Qualität bei den geplanten Projektergebnissen bzw. Lösungen sowie den dazugehörigen Prozesse herzustellen und zu bewah-ren.

Qualitätsmanager, Qualitätsmanagerin

Verantwortlich für Qualitätsmanagement in der Organisation, der Entität oder dem Unternehmen.

Risikoanalyse Projektmanagementprozess, der die Identifikation und Bewertung von Projektrisiken umfasst.

Risikomanagement Systematische Anwendung von Managementgrundsätzen, -verfahren und -praktiken zwecks Ermittlung des Kontextes sowie Identifikation, Analyse, Bewertung, Steuerung/Bewältigung, Überwachung und Kommunikation von Risiken.

Risikomanagerin, Risikomanager

Rolle im Großprojekt, welche für die Analyse und Bewertung der Risiken, die Definition und Verankerung von Gegenmaßnahmen sowie für deren Kontrolle verantwortlich ist.

Risikopuffer Finanzielle Rücklage, die jede Aufwandsschätzung für unvorhergesehene Ereignisse beinhalten muss und die im Rahmen des Risikomanagements nur für identifizierte Risiken verwendet werden darf.

Use-Case-Point-Methode

Eine Schätzmethode für Software-Entwicklungsprojekte.

Page 106: S-O-S-Methode für Großprojekte

Glossar 106

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Scope Creep Schleichende Ausweitung des Projektumfangs durch eine zunehmende Anzahl von Änderungsanforderungen im Projektverlauf.

Scrum Ein Vorgehensmodell des Projekt- und Produktmanagements, insbesonde-re zur agilen Softwareentwicklung.

SMART Im Projektmanagement ist SMART ein Kriterium zur eindeutigen Definition von Zielen. SMART steht als Akronym für: Specific (spezifisch), Measurable (messbar), Accepted (akzeptiert), Realistic (realistisch), Timely (terminiert).

Stakeholderin, Sta-keholder

Bezeichnung einer Einzelperson oder Gruppe, die den Verlauf oder das Ergebnis eines Prozesses oder Projekts beeinflussen können, davon beein-flusst werden oder sich beeinflusst fühlen.

S-O-S Akronym für die drei Dimensionen für den Erfolg im Großprojektmanage-ment - klare Strategische Ausrichtung, Organisatorisches Umfeld sowie Systematisches Vorgehen.

Systemarchitektin, Systemarchitekt

Rolle in IT-Großprojekten, welche die adäquate Technik und Architektur im Gesamtprojekt verantwortet (technische Chefdesignerin, technischer Chefdesigner).

Task Force Eine für einen begrenzten Zeitraum gebildete Arbeitsgruppe mit meist umfassenden Entscheidungskompetenzen zur Lösung komplexer Proble-me.

Teilprojekt Als Projekt geführter Teil eines Gesamtprojekts, in dem ein Teil der Ge-samtprojektergebnisse erarbeitet wird und/oder der einen Teil der Ge-samtprojektprozesse verantwortet.

Teilprojektleiterin, Teilprojektleiter

Rolle im Großprojekt, welche für das Ergebnis eines Teilprojekts verant-wortlich ist.

Teilprojektschnitt Unterteilung des Projekts in einzelne Teilprojekte. Der richtige Schnitt legt durch die Minimierung der fachlichen und technischen Abhängigkeiten ein wichtiges Fundament für ein effizientes Änderungsmanagement.

Trendanalyse Die Trendanalyse funktioniert vorrangig mit rechnerischen Aspekten, in-dem Ergebnisse und historische Daten ausgewertet werden und man da-mit die Entwicklungen, Risiken und Chancen in Bezug auf den Umfang, die Kosten und den Inhalt des Projekts besser einschätzen kann.

Umsetzung (Reali-sierung)

Projektphase, in der die Projektergebnisse erarbeitet werden.

Umsetzungsanalyse Eine Umsetzungsanalyse untersucht, wie das Projekt umgesetzt werden kann. Inhalte sind Lösungsvarianten, Zuschnitt des Projekts, Make-or-Buy Entscheidung oder Marktanalyse.

Veränderungsma-nagement

Vorgehen, Methoden, Werkzeuge zur erfolgreichen Einführung umfang-reicher Veränderungen in Fachlichkeit, Organisation und Prozessen.

Vorgehensmodell Beschreibt Organisation und Prozesse zur Erreichung der einem Projekt gesetzten Ziele.

Vorphase Phase im Vorfeld der Projektanbahnung. In ihr entsteht ein Vorhaben und wird so geformt, dass daraus letztlich der Bedarf für ein oder mehrere Projekte erwächst.

Werkvertrag Der Werkvertrag ist gesetzlich in den §§ 631 ff. BGB geregelt. Kennzeich-nend für ihn ist, dass die bestellende Person eine Vergütung (Werklohn) dafür bezahlt, dass der Werkunternehmer ein Werk erstellt.

(Wert-)Treiber Faktor oder Kerngröße, welche/r das finanzielle Ergebnis eines Unterneh-mens beeinflussen.

work breakdown structure

Siehe Projektstrukturplan.

Page 107: S-O-S-Methode für Großprojekte

Glossar 107

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Zieldefinition Quantitative und qualitative Festlegung des Projektinhaltes und der einzu-haltenden Realisierungsbedingungen (z. B. Kosten und Dauer), in Ziel-merkmalen mit meist unterschiedlichen Zielgewichten (z. B. Muss- und Kann-Ziele).

Zielhierarchie Ein gegliedertes System von Ober- und Unterzielen bzw. priorisierten Zie-len. Notwendig, wenn nicht alle Ziele gleichzeitig verfolgt werden können und Zielkonflikte entstehen, siehe auch MoSCoW (Muss-, Soll- und Kann, Nicht-Zielen).

Page 108: S-O-S-Methode für Großprojekte

Praxistippverzeichnis 108

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

13 Praxistippverzeichnis Praxistipp 1-1: Ansprüche der Stakeholderinnen und Stakeholder aktiv managen ........................ 23

Praxistipp 1-2: Projektcharta entscheidet häufig über Erfolg und Misserfolg eines Projekts ......... 24

Praxistipp 1-3: Projektziele regelmäßig prüfen ................................................................................ 25

Praxistipp 1-4: Erfassung von Nutzen auch im politischen Umfeld notwendig ............................... 26

Praxistipp 1-5: Umsetzungsanalyse zur Einbindung der Stakeholderinnen und Stakeholder nutzen .......................................................................................................................................................... 27

Praxistipp 2-1: Wirtschaftliche Vergabe sicherstellen ..................................................................... 30

Praxistipp 2-2: Vergaberechtsfristen beachten ................................................................................ 31

Praxistipp 2-3: Festpreisprojekte eignen sich nicht in jeder Situation ............................................. 33

Praxistipp 2-4: Vergaberecht entscheidet über Ausschreibungsart ................................................ 34

Praxistipp 2-5: Abnahmekriterien zur Inbetriebnahme sind im Vertrag detailliert festzuhalten .... 34

Praxistipp 2-6: Budgeteinhaltung gewährleisten durch Sicherstellen vereinbarter Leistungen ...... 35

Praxistipp 2-7: (Teil-)Neuvergaben bei Änderungen prüfen ............................................................ 35

Praxistipp 2-8: Bei vorzeitiger Abnahme aus Budgetierungsgründen Auflagen klar regeln ............ 35

Praxistipp 3-1: Teilprojekte je nach Projektart zuschneiden ............................................................ 41

Praxistipp 3-2: Maximal 15 direkt geführte Mitarbeitende pro Führungskraft ............................... 41

Praxistipp 3-3: Fachvertretung möglichst Vollzeit einbinden .......................................................... 41

Praxistipp 4-1: Führung paralleler Personalakten in der öffentlichen Verwaltung nicht legitim .... 47

Praxistipp 4-2: Anforderungsprofile im Kreis von Expertinnen und Experten erstellen .................. 47

Praxistipp 4-3: Personalrat frühzeitig einbinden .............................................................................. 48

Praxistipp 4-4: Mitsprachrecht bei der Auswahl externer Mitarbeitender sicherstellen ................ 49

Praxistipp 5-1: Veränderungsmanagement und Transformationsprozesse zusätzlich zum Kommunikationsmanagement entwickeln und einführen .............................................................. 52

Praxistipp 5-2: Priorisierung der Stakeholderinnen und Stakeholder regelmäßig kontrollieren ..... 54

Praxistipp 5-3: Nutzenkommunikation zielgruppenspezifisch gestalten ......................................... 55

Praxistipp 5-4: Je nach Projektphase Fokus auf bestimmte Stakeholderinnen und Stakeholder setzen ............................................................................................................................................... 56

Praxistipp 5-5: Proaktive Kommunikation mit Sonderbeauftragten der Organisation .................... 58

Praxistipp 5-6: Medieninteresse an Großprojekten berücksichtigen .............................................. 58

Praxistipp 5-7: Massenkommunikation vorsichtig einsetzen ........................................................... 59

Praxistipp 5-8: Das Projekt im Intranet der Organisation präsentieren ........................................... 60

Praxistipp 6-1: Durchgängigkeit der Planung durch strikte Prozessvorgaben sicherstellen ............ 64

Praxistipp 6-2: Kostenbewusstsein aller Mitarbeitenden aktivieren und schärfen ......................... 65

Praxistipp 6-3: Vertraulichkeitsstufen in der Kommunikation definieren ....................................... 66

Praxistipp 6-4: Angemessene Berücksichtigung unklarer Anforderungen sicherstellen ................. 67

Praxistipp 6-5: Personalaufwandsschätzung in Personentagen ...................................................... 67

Page 109: S-O-S-Methode für Großprojekte

Praxistippverzeichnis 109

S-O-S-Methode© für Großprojekte, Version 3.1 (Stand März 2021)

Praxistipp 6-6: Möglicher Umgang mit geänderten Vorgaben durch die Auftraggeberseite .......... 68

Praxistipp 6-7: Indirekte Kosten und Folgekosten berücksichtigen ................................................. 69

Praxistipp 6-8: Typische Maßnahmen zur Minderung des Planungsrisikos .................................... 70

Praxistipp 6-9: Konsistenz von Budgetplanung, Haushaltsmeldungen und WiBe wahren ............. 72

Praxistipp 6-10: Konsistenz der Gesamtplanung durch Reviews sicherstellen ............................... 74

Praxistipp 6-11: Detaillierte Planung erfolgt auf Teilprojektebene ................................................. 75

Praxistipp 6-12: In Großprojekten Planungsaufgaben mehrstufig verteilen ................................... 76

Praxistipp 7-1: Änderungsmanagement ist Aufgabe der Leitung .................................................... 78

Praxistipp 7-2: Priorisierung schafft Überblick ................................................................................. 78

Praxistipp 7-3: Nutzung von Checklisten und Tracking-Tools vereinfachen die Administration ..... 78

Praxistipp 7-4: Einheitliche Abnahme nach Kriterienkatalog ........................................................... 79

Praxistipp 7-5: Festlegung eines Budgets für Änderungsanforderungen ........................................ 80

Praxistipp 7-6: Die Strukturierung der Anforderungen erleichtert die spätere Abnahme .............. 80

Praxistipp 7-7: Feature Freezes auf Gesamtprojektebene festlegen ............................................... 81

Praxistipp 7-8: Änderungen schriftlich dokumentieren und kommunizieren .................................. 82

Praxistipp 7-9: Stufenweise Inbetriebnahme vereinfacht Abnahmeprozess ................................... 82

Praxistipp 7-10: Gewährleistungspflicht sichert den Erfolg des Gesamtprojekts ............................ 82

Praxistipp 7-11: Etabliertes Fehlermanagementsystem im Betrieb nutzen .................................... 83

Praxistipp 8-1: Risiken als Chance verstehen ................................................................................... 86

Praxistipp 8-2: Risikomanagement eng mit Stakeholdermanagement verknüpfen ........................ 87

Praxistipp 8-3: Risiken managen ist preiswerter als Schäden beheben ............................................. 88

Praxistipp 8-4: Fokussierung auf relevante Risiken ........................................................................... 88

Praxistipp 8-5: Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlich können hohen Schaden verursachen 89

Praxistipp 8-6: Unterstützung der Organisationsleitung wahrt die Effektivität des Risikomanagements ......................................................................................................................... 90

Praxistipp 8-7: Risiken müssen durch die Gesamtprojektleitung offen adressiert und aktiv angegangen werden ......................................................................................................................... 92

Praxistipp 9-1: Festlegen gesamtprojektübergreifender Qualitätsniveaus ....................................... 95

Praxistipp 9-2: Nachweisführung als Unterstützung zur Gesamtprojektprognose ............................ 96