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Die Schweiz gilt als rohstoffarmes Land. Natürlich wurden Steine aller Art und das Wasser zum Trinken genutzt. Das Wasser diente auch als Antrieb von Mühlen und ab 1900 von Turbinen für die elektrische Stromerzeugung. Kleinere Funde von Kohle und Eisenerz wurden ausgebeutet, die Gewinnung wurde aber spätestens Mitte des 20. Jahrhunderts wegen Unrentabilität einge- stellt. Das lebenswichtige Salz musste vom Ausland importiert werden. Der Bedarf von Salz stieg im Mittelalter an, als mit der Käseproduktion die Haltbarkeit erhöht wurde und in den Städ- ten Gerbereien entstanden. Die Märkte und Städte wurden von konkurrierenden Produzenten aus den umliegenden Län- dern beliefert. Das Salz aus dem Tirol und aus Bayern fand seine Abnehmer in der Ostschweiz, der Zentralschweiz und in Graubünden. Die Freigrafschaft Burgund versorgte Bern. Mittelmeer- salz wurde rhoneaufwärts nach Genf und in die Westschweiz verfrachtet. Salz, das Venedig in seiner Lagune, in Istrien und Apulien, in Sizilien, auf den Balearen sowie in Nordafrika gewann, gelangte ins Tessin, ins Wallis, in die Zentralschweiz und nach Graubünden. Trotz dem freien Handel mit Salz waren es nur reiche Kaufleute, die dieses Gut einfuhren konn- ten. Ein Beispiel ist Kaspar Stockalper (1609-1691), ein mehrsprachiger Notar und Gemeinderat von Brig (Wallis). Dank dem Vermögen seiner reichen Frau konnte er den Simplonpass zu ei- nem Säumerweg ausbauen. Sein Handelsimperium reichte von der Adria bis zum Ärmelkanal, von Südspanien bis nach Nord- deutschland. Als Umschlagplatz baute er in Brig den Stockalperpa- last, der auch als Wohnhaus dien- te. Natürlich waren unter den Handelsgütern auch Salz, das in Säcken transportiert wurden. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde fast überall in der Eidgenossenschaft das Salzregal ein- geführt, d. h. nur der Staat durfte Salz einführen und verkaufen und eine Salzsteuer erheben. Teilweise wurden, um billig an das Salz zu gelangen, dafür den salzliefernden Staaten Schwei- zer Söldner angeboten. GLÜCKAUF 58 138 Salinen in der Schweiz R. HOFER / CH

Salinen in der Schweiz R. H PAL 09 PAL 08 / CHbb-geo.de/lwiki/var/upload/Mitteilungsblatt/GA138_058...Sole wurde aus dem ersten Bohrloch zugeleitet. Später wurden rund um die Saline

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Die Schweiz gilt als rohstoffarmes Land. Natürlich wurden Steine aller Art und das Wasser zum Trinken genutzt. Das Wasser diente auch als Antrieb von Mühlen und ab 1900 von Turbinen für die elektrische Stromerzeugung. Kleinere Funde von Kohle und Eisenerz wurden ausgebeutet, die Gewinnung wurde aber spätestens Mitte des 20. Jahrhunderts wegen Unrentabilität einge-stellt. Das lebenswichtige Salz musste vom Ausland importiert werden. Der Bedarf von Salz stieg im Mittelalter an, als mit der Käseproduktion die Haltbarkeit erhöht wurde und in den Städ-ten Gerbereien entstanden.

Die Märkte und Städte wurden von konkurrierenden Produzenten aus den umliegenden Län-dern beliefert. Das Salz aus dem Tirol und aus Bayern fand seine Abnehmer in der Ostschweiz, der Zentralschweiz und in Graubünden. Die Freigrafschaft Burgund versorgte Bern. Mittelmeer-salz wurde rhoneaufwärts nach Genf und in die Westschweiz verfrachtet. Salz, das Venedig in seiner Lagune, in Istrien und Apulien, in Sizilien, auf den Balearen sowie in Nordafrika gewann, gelangte ins Tessin, ins Wallis, in die Zentralschweiz und nach Graubünden. Trotz dem freien Handel mit Salz waren es nur reiche Kaufleute, die dieses Gut einfuhren konn-ten. Ein Beispiel ist Kaspar Stockalper (1609-1691), ein mehrsprachiger Notar und Gemeinderat von Brig (Wallis). Dank dem Vermögen seiner reichen Frau konnte er den Simplonpass zu ei-

nem Säumerweg ausbauen. Sein Handelsimperium reichte von der Adria bis zum Ärmelkanal, von Südspanien bis nach Nord-deutschland. Als Umschlagplatz baute er in Brig den Stockalperpa-last, der auch als Wohnhaus dien-te. Natürlich waren unter den Handelsgütern auch Salz, das in Säcken transportiert wurden.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde fast überall in der Eidgenossenschaft das Salzregal ein-geführt, d. h. nur der Staat durfte Salz einführen und verkaufen und eine Salzsteuer erheben. Teilweise wurden, um billig an das Salz zu gelangen, dafür den salzliefernden Staaten Schwei-zer Söldner angeboten.

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Saline Bex (Kanton Waadt) Ab 1554 wurde eine salzführende Quelle in der Region Bex genutzt. 30 Jahre später wurde eine Salzsiederei gebaut, der geringe Salzgehalt wurde durch ein Gradierwerk vor dem Sieden erhöht. Zunächst an Private verpachtet, kam die Saline 1685 unter staat-liche Regie der bernischen Regierung (die Waadt war bis 1803 bernisch). Zur gleichen Zeit suchte man durch Stollen nach ergiebi-geren Quellen. Mitte des 19. Jahrhunderts wollte man die Saline trotz neuer Abbaume-thoden schliessen. Die Gemeinde Bex über-nahm die Aktien und verkaufte die Hälfte 50 Jahre an den Kanton Waadt. Nach erneutem Privatbesitz ging die Saline 2014 an die Vereinig-ten Salinen AG. Neben der Gewinnung von jährlich rund 35'000 t Salz wird ein Besucherstollen von 50 km Länge betrieben.

Die Entstehung der Salzlager

In der mittleren Trias (Muschelkalk) vor 200 Mil-lionen Jahren reichte das Germanische Becken weit in die heutige Schweiz hinein. In der Lagu-nenlandschaft herrschte ein trocken-heisses Tropenklima. Im vom offenen Meere abgetrenn-ten Becken verdunstete das Wasser und Kalk, Gips und Steinsalz lagerten sich ab. Sie wurden rasch von weiteren Gesteinsschichten über-deckt. Als vor 30 Millionen Jahren der Rhein-graben sich absenkte, zerbrachen die Salzlager in zahlreiche Schollen. Deshalb findet man das Salz in Tiefen zwischen 140 bis 400 m, die Di-cke beträgt zwischen 20 und 50 m.

Saline Pratteln / Schweizerhalle (Kanton Baselland) Nach 15 erfolglosen Bohrungen in verschiedenen Kantonen war die Bohrung beim Rothaus in Muttenz 1836 für Carl Christian Friedrich Glenck (1779-1845) erfolgreich. Da der Besitzer des Landes einen zu hohen Grundstückpreis verlangte, wurde die Saline 800 m weiter östlich auf dem Boden der Gemeinde Pratteln gebaut. Sie erhielt den Namen «Schweizerhalle» und die Sole wurde aus dem ersten Bohrloch zugeleitet. Später wurden rund um die Saline weitere er-folgreiche Bohrungen durchgeführt. Die Produktion wurde systematisch gesteigert und durch

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den Verkauf des Salzes an die Schweizer-kantone deren Unabhängigkeit von auslän-dischen Salzen erreicht. Der Schwiegersohn von C.C.F. Glenck, Ro-bert von Seckendorff (1801-1882) leitete die Saline von 1837 bis 1850. Er führte 8 Jahre nach der Eröffnung die Beheizung der Pfan-nen mit Kohle statt mit Holz ein. Dadurch konnte eine übermässige Nutzung des Wal-des verhindert werden. Ab 1850 führte der jüngste Sohn von C.C.F. Glenck, Otto von Glenck (1821-1891) die Saline. Er wurde 1874 Schweizerbürger, liess sich aber 1888

durch das Fürstentum Sachsen-Coburg und Gotha adeln. Sein Sohn Hugo von Glenck (1857-1926) führte die Saline weiter, verkaufte sie aber 1909 an die Schweizer Kantone. Die Saline Pratteln war der Grundstein für die heute in der Region wichtige chemische Industrie von Basel. Heute werden hier Speisesalz, Landwirtschaftssalz und Badesalz produziert. Saline Kaiseraugst (Kanton Aargau) Johann Urban Kym (1805-1889) war der Sohn eines Müllereibesitzers in Möhlin (Kt. Aargau). Er studierte Forst- und Ingenieurwesen in Berlin und übernahm ein Teil des väterlichen Geschäf-tes. Er stieg in den Grosshandel ein und wirkte als Geldverleiher. So gewann er ein grosses Vermögen. Damit finanzierte er eine Bohrung 1841 nach Salz in Kaiseraugst an der Grenze zum Kanton Baselland. Wohl wurde er fündig, aber die Förderung war nicht ergiebig genug. 1909 wurde diese Saline geschlossen. Die Gebäude wurden abgebrochen und das Gelände durch den Höherstau des Rheines vom 1912 gebauten Kraftwerk Augst-Wyhlen überflutet. Saline Rheinfelden (Kanton Aargau) Theophil l’Orsa (1807-1853) erbohrt mit drei weiteren Partnern 1844 erfolgreich Salz östlich von der Stadt Rheinfelden. Sie er-richten hier ihre Saline. 2 Jahre später kann das erste Hotel in der Stadt Solebäder an-bieten. Fast 100 Jahre lang wird Salz pro-duziert. Die Anlagen wurden nicht gross erneuert und der Kohlemangel im II. Welt-krieg machte sich bemerkbar. Deshalb wird die Saline 1942 stillgelegt. 10 Jahre lang braucht die Armee die Gebäude, so waren unter anderem polnische Internierte wäh-rend des Krieges untergebracht. Ab 1970 entsteht auf dem Areal eine Wohnsiedlung. Saline Riburg (Kanton Aargau)

J. U. Kym ist mit seiner Saline Kaiseraugst im Verkauf von Salz im Nachteil. Deshalb lässt er 1848 eine Bohrung in Riburg bei Möhlin, aber noch auf Rheinfelder Boden, durchführen. Sie ist sehr ergiebig und die Saline wird gebaut. Durch ständige Modernisierungen ist sie noch heute tätig. Hier werden heute hauptsächlich Auftau- und Gewer-besalze produziert und die Sole für die Bäder in Rheinfelden geliefert. Wie in Pratteln stehen zwei ehemalige Bohrtürme im Gelände, ein wei-terer ist museal eingerichtet.

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Saline Zurzach (Kanton Aargau) Nachdem bei Koblenz (Kt. Aargau) 1892 Salz erbohrt wurde, erteilte der Kanton die Konzession an die Vereinigten Rheinsali-nen und die belgische Firma Solvay, unter der Bedingung, in der Nähe eine Sodafabrik zu errichten. Zwischen Zurzach und Re-kingen entstand die Produktionsstätte. Die Nähe zur Eisenbahn (Kohletransport) und zum Kalkabbaugebiet in der Gegend waren bestimmend. Neben Soda wurde auch feste und flüssige Natron-lauge hergestellt. Später kamen weitere chemische Produkte dazu. 1987 wurde die Produktion von Soda eingestellt. 1915 erfolgte auch eine erfolgreiche Salzbohrung in Zurzach. Zwei Jahre später stiess man erstmals auf heisses Wasser, welches heute in das Thermalbad Zurzach gepumpt wird. 80 Jah-re dauerte die Salzgewinnung, dann wurde sie zu Gunsten der übrigen Salinen beendet. Solebäder Johann Wilhelm Tolberg (1762-1831) war Knappschaftsarzt in der Saline Elmen (heute Bad Salzelmen). Er entdeckte hier die Wirkung von Solebäder, wobei die Sole auf 34 Grad erhitzt wurde, und richtete 1802 das erste deutsche Badehaus dafür ein. In Schriften verbreitete er seine Kenntnisse und überall wurden in der Nähe von Salinen entsprechende Bäder eingerich-tet. Jede Saline in der Schweiz hatte ein Hotel, das Solebäder anbot. Doch sie rentierten im Laufe der Zeit nicht mehr und mussten geschlossen werden. Anders in Rheinfelden, viele Hotels boten Solbäder an und besonders vor dem 1. Weltkrieg war die Stadt ein mondäner Badeort. Hier verkehrten deutsche, französische und russische Adelige, um zu kuren. Ab 1970 musste aber ein Hotel nach dem anderen schliessen. Heute ist es die REHA-Klinik (ein Rehabilitätszentrum), das öffentliche «Sole Uno» mit durchschnittlich 1'500 Eintritten pro Tag und ein Hotel, das noch Solebäder führt. Seit 1925 wird die Sole von der Saline Rheinfel-den, später von Riburg direkt zu den Verbrauchern geleitet. Pionierleistungen

Die schweizerischen Salinen waren immer bemüht, modernste Tech-niken anzuwenden. Statt Holz wurde zunächst Kohle, ab 1941 elektri-schen Strom als Heizenergie verwendet. Geschlossene Siedepfannen, um den Wasserdampf zur Wärmerückgewinnung zu erhalten und Ver-dampfungsbetrieb mit Vakuum wurden hier zuerst angewendet. Der Jodmangel und seine gesundheitlichen Folgen waren in der Schweiz weit verbreitet. 1922 begann man das Speisesalz zu jodieren, ab 1955 setzte man Fluor dazu, um die Karies zu bekämp-fen. Produziert wird heute auch rieselfähi-ges Salz für Salzstreuer und Regenerier-salz für die Geschirrwaschmaschine. Dazu auch verschiedene Lecksteine für das Vieh.

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Salinen in der Schweiz R. HOFER / CH

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Zusammenschlüsse Die Schweizer Kantone nutzten den Vorteil, dass ab 1848 4 Salinen um Aufträge rangen. Ein Konkurrenzkampf unter den Salinen begann. So konnten die Kantone die Preise drücken, auch brachten sie ausländische Konkurrenten ins Spiel. 1850 schlossen sich die Salinen Rheinfelden und Riburg (mit Kaiseraugst) zu einer Interessengemeinschaft zusammen. Für Otto von Glenck war klar, dass nur ein Zusammengehen aller Salinen am Rhein erfolgreich den Käufern die Stir-ne bieten konnten. 1864 gründeten die 4 Salinen ein Kartell und teilten die Schweiz in Interes-sen- und Absatzgebiete ein. 10 Jahre später entstand daraus eine Aktiengesellschaft mit dem Namen «Schweizerische Rheinsalinen AG». Hugo von Glenck erwog den Verkauf der Saline Pratteln. Durch einen geschickten Schachzug erwirkte er, dass die Schweizer Kantone 1909 die gesamte Aktiengesellschaft aufkaufte. Damit konnten sie ihr Salzregal sichern. 1990 kam das Fürstentum Liechtenstein dazu und 1998 die

Südsalz GmbH (49 % Anteil durch das Land Baden-Württemberg), 2014 schloss sich die Waadt mit der Saline Bex an. Das Unterneh-men wird privatrechtlich geführt, nur es darf in grösseren Mengen ausländische Salze einfüh-ren und der Gewinn wird an die Aktionäre nach einem bestimmten Schlüssel verteilt. Bis 1975 bestimmte jeder Kanton die Ver-kaufspreise in seinem Gebiet. So kostete ein Kilogramm Salz doppelt so viel im Kanton Genf wie im Kanton Aargau. Dadurch entstand ein Salzschmuggel innerhalb der Schweiz. Dann wurden die Preise vereinheitlich, das Unter-nehmen übt heute treuhänderisch das Regal-recht aus. Dieses Recht und keine Konkurrenz durch andere Firmen ist eine Ausnahme, die Schweizerische Bundesverfassung garantiert eigentlich die Handels- und Gewerbefreiheit und unterbindet Kartelle.

Quellen: Schweizer Salinen AG / www.salz.ch Wikipedia Historisches Lexikon der Schweiz

Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik Nr. 90 Bilder: Schweizer Salinen AG und Autor

Salinenbetrieb um 1900

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