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SANATHANA SARATHI September 2021 Inhalt Gott ist euer einziges Ziel, Sri Sathya Sai Baba, 10. April 1996 Bhagavans Ansprache an Ganeshas Geburtstag, 1. September 2000 Botschaft an Raja aus 1978, Sri Sathya Sai Baba Meine Erfahrungen mit Bhagavan Sri Sathya Sai Baba, Dr. Goteti Saraswati Das Leuchten der Göttlichen Herrlichkeit, S. Ramakrishnan Sai, unsere einzige Zuflucht, Dr. G.S. Srirangarajan Erinnerungen an meine Begegnungen mit Gott, Debasis Mukerjee Bhagavatha Vahini, 10. Kapitel, Sri Sathya Sai Baba Guru Purnima in Prasanthi Nilayam

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SANATHANA SARATHI September 2021

Inhalt

GottisteuereinzigesZiel,SriSathyaSaiBaba,10.April1996

BhagavansAnspracheanGaneshasGeburtstag,1.September2000

BotschaftanRajaaus1978,SriSathyaSaiBaba

MeineErfahrungenmitBhagavanSriSathyaSaiBaba,Dr.GotetiSaraswati

DasLeuchtenderGöttlichenHerrlichkeit,S.Ramakrishnan

Sai,unsereeinzigeZuflucht,Dr.G.S.Srirangarajan

ErinnerungenanmeineBegegnungenmitGott,DebasisMukerjee

BhagavathaVahini,10.Kapitel,SriSathyaSaiBaba

GuruPurnimainPrasanthiNilayam

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GOTT IST EUER EINZIGES ZIEL

Entwickelt Glauben an Gott und seine Liebe

Wenn ihr auf dem Pfad der Hingabe vorankommen wollt, dann solltet ihr als Erstes eure Fehler erkennen.

Gott besitzt die Kraft euch zu transformieren

Übergebt Gott alles, Gutes wie Schlechtes. Wenn ihr durch eure Hingabe an Gott seine Gnade erlangt, wird er sogar alles Schlechte in euch in Gutes verwandeln. Ein Beispiel dazu: Niemand wird bereit sein, euren zerrissenen Hundertrupienschein anzunehmen, aber wenn ihr ihn zur Landeszentralbank bringt, wird diese ihn gegen einen neuen Schein eintauschen. Gott ist wie der Direktor der Zentralbank; er wird alles Schlechte in euch in Gutes umwandeln. Betet zu Gott, indem ihr sagt: „O Herr, ich übergebe dir das Herz, das du mir geschenkt hast; bitte reinige es und befreie es von seinen Makeln. Du gabst mir Liebe, sie ist in mir; ich gebe dir diese Liebe wieder zurück.“ Hingabe und Ergebung bestehen darin, Gott alles zu übergeben. Gottes Schöpfung ist eine Kombination aus Gut und Böse, aber der Mensch sollte das Unterscheidungsvermögen besitzen, nur das Gute zu bewahren. Das Gute hat Wert wegen der Existenz des Bösen. Ohne Nacht kann es keinen Tag geben, und ohne Hitze gäbe es keine Klimaanlage. Betrachtet zum Beispiel eine Orange: Außen hat sie eine bittere Schale, aber innen ist sie voll süßem Saft. Da man die Schale nicht essen kann, muss man sie entfernen, um den süßen Saft zu genießen. Wir freuen uns, wenn wir den Geburtstag unseres Kindes feiern, realisieren aber nicht, dass sich seine Lebensspanne um ein Jahr reduziert hat. So endet, was mit Glück beginnt, in Leid. Zu Beginn herrscht Glück, am Ende Leid. Gott beides, Glück und Leid, Gutes und Schlechtes, zu übergeben, ist Hingabe. Wir sollten erkennen, dass Leid ebenfalls ein Geschenk Gottes ist. Gottes Gegenwart in Glück und Leid wahrzunehmen ist das Zeichen von Hingabe.

Heutzutage nehmen die Studenten Swamis Ansprachen und Lieder auf. Wenn ihr aber die Kassette aus dem Kassettenrekorder entfernt, könnt ihr die Lieder und Reden nicht anhören. Ihr müsst außerdem den Stecker in die Steckdose stecken oder die Batterie aufgeladen haben, um die Kassette abspielen zu können. Genauso müsst ihr euch durch Konzentration mit Gott verbinden, um ihn zu hören und zu erkennen, denn mit den physischen Augen kann man ihn nicht sehen. Nur durch Hingabe könnt ihr Gott unmittelbar schauen. In alten Zeiten beteten die Devotees zu Gott und weihten ihm die Glieder ihres Körpers. Aber heutzutage nehmen die Devotees eine Blume, berühren ihre Augen oder ihr Herz damit und opfern Gott diese Blüte. Statt ihrer Glieder opfern sie Gott eine Blume, was bedeutet, sie sagen das eine und tun das andere. Der Devotee sollte zu Gott sagen: „Ich bringe dir mein Herz dar. O Herr, fülle es mit deiner Göttlichkeit!“ Im Telugu gibt es ein Sprichwort: Wie die Handlung, so die Reaktion. Heutzutage behaupten die Leute eine Sache, handeln aber entgegengesetzt. Dann reagiert auch Gott auf dieselbe Weise. Und so fällt das Schlechte, das ihr getan habt auf euch selbst zurück.

Glaubt fest daran, dass Gott euch innewohnt

In dem Tischgebet „Brahmāparnam brahma havir“ bieten wir Gott das Essen dar. Darauf antwortet Gott aus unserem Inneren: „Du Tor, du bietest Gott Nahrung an, aber wo glaubst du, dass Gott sich befindet? Ich bin in dir und verdaue und verteile selbstlos die Essenz der vier Arten von Nahrung an alle Körperteile. Nicht ich bekomme die Nahrung, sondern du.“ So ist Gott vollkommen selbstlos und

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voll heiliger Liebe. Aber der selbstsüchtige Mensch ist nicht in der Lage, das zu verstehen. Stattdessen klagt er Gott an. Ein jeder ist von Gott abhängig; er ist in allen als das Bewusstsein, das den Körper funktionieren lässt. Das Bewusstsein in euch ermöglicht es euch zu sehen, tätig zu sein, euch zu bewegen usw. Alle Gliedmaßen des Körpers sind für sich genommen leblos. Es ist das Bewusstsein allein, das sie funktionieren lässt. Glaubt fest daran, dass Gott in der Form von Liebe in euch wohnt. Es genügt, wenn der Mensch Hingabe an Gott hat. Aber heutzutage ertrinkt der Mensch in der Bindung an die Welt. Er kann nur dann Glauben besitzen, wenn er seinen Geist mit Liebe auf Gott ausrichtet. Entwickelt also Glauben an Gott und an seine Liebe, sodass sich alle eure Probleme auflösen und alle Not des Lebens ein Ende hat.

Gott ist die Quelle und das Ziel eures Lebens

Das menschliche Leben umfasst vier Lebensstadien: Schülerschaft und Enthaltsamkeit (brahmacarya), Familienleben (grihastha), Rückzug (vānaprastha) und Entsagung (samnyāsa). Jeder Lebensabschnitt umfasst bestimmte Pflichten und Verantwortlichkeiten. Aber heutzutage vermischt der Mensch diese Stadien und vergisst die Pflichten, die er im jeweiligen Lebensabschnitt erfüllen sollte. In welchem Lebensabschnitt sich der Mensch auch befindet, er sollte seine Pflichten mit Sorgfalt ausführen. Wenn er das tut, braucht er keine andere Askese auszuüben. Vergesst deshalb niemals eure Pflicht und übergebt Gott all eure Handlungen. Das menschliche Leben ist voller Elend wie Alter, Krankheit und Tod. In welchem Lebensabschnitt sich der Mensch auch befindet, er sollte Gott niemals vergessen. Allein seine Hingabe an Gott kann ihn zur Befreiung führen. Bindung an die Welt wird sein Leid nur verstärken. Bei seiner Geburt bringt der Mensch nichts mit sich; er trägt nicht einmal ein Hemd am Körper. Seine Familie und seine Verwandten werden nicht mit ihm geboren. Sie kommen mitten im Leben, zwischen Geburt und Tod. Aber er entwickelt Bindung an alle weltlichen Dinge und Beziehungen, und das bringt ihm Leid. Der Mensch sollte versuchen zu entdecken, woher er gekommen ist und wohin er gehen wird. Ein mit der Post verschickter Brief sollte einen Adressaten und einen Absender haben, ansonsten landet er im Amt für nicht zustellbare Briefe. Findet wenigstens eine Adresse heraus, indem ihr nachfragt, woher ihr gekommen seid. Wenn ihr tief nachforscht entdeckt ihr, dass ihr von Gott gekommen seid. Es ist für alle Wesen nur natürlich, dass sie zu ihrem Ursprung zurückkehren. So wird beispielsweise ein Tonkrug irgendwann wieder zu Erde werden; er war nur in einem Zwischenstadium ein Krug. So wie dieser Tonkrug ist auch euer Körper vergänglich und nicht dauerhaft. Er wird schließlich zu seiner Quelle, nämlich zu Gott, zurückkehren. Betet also zu Gott und bringt ihm alles dar. Dann wird alles Leid in eurem Leben ein Ende haben.

Schenkt Gott euer Herz, gefüllt mit Liebe

Ihr solltet Gott eure reine Liebe schenken, statt eure Zeit bloß mit Ritualen zu verbringen. Eine Mutter legt ihr Kind ruhig in die Wiege und macht sich an die Hausarbeit. Sobald das Baby zu weinen anfängt lässt die Mutter alles stehen und liegen und rennt zum Kind, ohne sich damit aufzuhalten, den Klang und die Lautstärke des Weinens zu analysieren. Ebenso wenig kümmert Gott sich um den Ton und Rhythmus eures Aufschreis oder Gebets, sondern er eilt sofort herbei um euch zu retten. Gott schaut nur auf euer Herz. Das ist das Wesen der Liebe der göttlichen Mutter, die nur göttliche Liebe erwartet und auf euer Gebet reagiert, wenn es aus tiefstem Herzen kommt. Bringt Gott euer ganzes, von Liebe erfülltes Herz dar. Das ist höchste Hingabe (ananyabhakti).

(Bhagavan beendete seine Ansprache mit dem Bhajan „Cittacora Yashoda ke bāl“ und fuhr dann mit seiner Ansprache fort:)

Im Bhajan „Cittacora Yashoda ke bāl“ wird Gott als Dieb bezeichnet. Die innere Bedeutung ist, dass die Butter und Milch, die Krishna stahl, in Wirklichkeit die zarten und reinen Herzen seiner Devotees

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waren, und die Devotees wollten, dass er ihr Herz stahl! Normalerweise wird jemand zornig, wenn er Dieb genannt wird. Aber hier wird Gott nicht als Dieb weltlicher Dinge und Freuden bezeichnet, sondern nur als Dieb reiner Herzen. Reinigt euer Herz, damit er es stehlen kann!

- Bhagavans göttliche Ansprache in Sai Sruthi, Kodaikanal, am 10. April 1996.

Bhagavans Ansprache an Ganeshas Geburtstag

GANAPATI VERLEIHT UNTERSCHEIDUNGSVERMÖGEN (BUDDHI) UND ERFOLG (SIDDHI)

Wenn man Geld verliert, ist das kein Grund zur Sorge, denn man kann es wieder verdienen.

Wenn man einen Freund verliert, kann man einen anderen Freund finden.

Wenn man seine Ehefrau verliert, kann man wieder heiraten.

Wenn man sein Grundstück verliert, kann man ein anderes kaufen.

All dies kann man zurückgewinnen;

aber wenn man seinen Körper verliert, kann man ihn nicht wiedererlangen.

Alles in dieser materiellen, vergänglichen Welt kommt und geht. Der Reichtum, den man erworben hat, die Freunde, die man gefunden hat, alle werden einen zwangsläufig eines Tages verlassen. So wird man zwangsläufig auch den Körper verlieren, und man kann ihn, ist er einmal verloren, nicht zurückbekommen. Der Mensch sollte diese Wahrheit erkennen und sein Leben heiligen, indem er menschliche Werte entwickelt, solange er einen Körper hat.

Das Leben in der Welt ist vergänglich.

Das Gleiche gilt für Jugend und Reichtum.

Auch Frau und Kinder sind nicht dauerhaft.

Nur Rechtschaffenheit und ein guter Ruf sind von Dauer.

Ganapati ist Meister der Ganas (Gottheiten) und Sadgunas (Tugenden)

Verkörperungen der Liebe!

Der Mensch sollte an Wahrheit und Rechtschaffenheit festhalten, denn diese folgen ihm in jedem Leben und in allen Welten nach. Die Essenz aller heiligen Epen (Purāna), Veden und Upanischaden ist folgende: Sprich die Wahrheit, handle rechtschaffen (satyam vada, dharmam cara). Aber heutzutage ignoriert der Mensch diese Zwillingsprinzipien der Wahrheit und Rechtschaffenheit und vergisst dabei seine eigene göttliche Natur. Es ist unmöglich, das Göttliche zu erfahren, ohne menschliche Werte zu kultivieren. Nachdem man als Mensch in diese Welt geboren wurde, liegt die vorrangige Aufgabe darin, menschliche Werte zu kultivieren. Ansonsten wird das Leben sinnlos. Was ist der Sinn des

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menschlichen Lebens? Besteht der Zweck nur darin, zu essen, zu schlafen und die gleichen Vergnügen wie Vögel und Tiere zu genießen? Nein. Der Mensch ist dazu geboren, für alle Welt ein Vorbild zu sein. „Man sollte sich mithilfe des eigenen Selbst auf eine höhere Ebene erheben“, sagt die Gita. Der Mensch sollte sein Leben heiligen und außerdem seinen Mitmenschen helfen, indem er für ihre Befreiung tätig ist. Das ist das spirituelle Wissen, das Ganapati vermittelt. Der Name Ganapati hat viele innere Bedeutungen. Ganapati ist der Meister aller Gottheiten (gana) und Tugenden (sadguna). Ga steht für den Intellekt (buddhi) und na für Weisheit (jnāna). Ganapati ist also der Meister von Buddhi und Vijnāna. Er ist der Herr der Himmelswelt (suraloka). Ganapati hat keinen Meister über sich. Als Meister von allen lehrt er die Eigenschaften, die ein Anführer haben sollte. Ganapati wird nicht erst in jüngster Zeit verehrt und gepriesen, sondern schon seit vedischen Zeiten. Bereits im Rigveda und der Taittirīya-Upanishad wird Ganapati erwähnt. Also ist die Verehrung Ganapatis nichts Neues; sie wurzelt in der uralten Vergangenheit.

Man sollte dem inneren (nivritti) Pfad folgen

Das Göttliche strahlt in jedem Menschen und weist ihm den rechten Weg. Aber der Mensch ruiniert sein Leben, weil er den Impulsen der inneren Göttlichkeit keine Beachtung schenkt. In seinem Streben nach körperlichen, kurzlebigen Befriedigungen vernachlässigt er seine Menschlichkeit und findet deshalb keinen Frieden. Weltliche Bildung und weltliche Kräfte und Macht sind nicht das Ziel, das der Mensch in seinem Leben erreichen sollte. Sie gehören alle zum äußerlichen (pravritti) Weg. Alles was mit dem äußerlichen Weg zu tun hat ist vergänglich. Man sollte dem Weg nach innen folgen, Glückseligkeit dabei erfahren und sie mit anderen teilen. Nichts in dieser Welt ist dauerhaft.

Der Körper besteht aus den fünf Elementen und muss früher oder später vergehen,

aber der innere Bewohner des Körpers wird weder geboren noch stirbt er.

Der innere Bewohner kennt keinerlei Anhaftung, er ist der ewige Zeuge.

Wahrhaft gesprochen ist der Bewohner der Atman, tatsächlich Gott selbst.

Aber der Mensch verschwendet seine Zeit, weil er den Körper für dauerhaft hält und den inneren Bewohner ignoriert. Zeit ist die kostbarste Gabe Gottes, aber der Mensch erkennt nicht ihren Wert. Er verschwendet drei Viertel seiner Zeit mit sinnlosen Aktivitäten. Wie kann so jemand sein Leben heiligen und erlösen? Um den Körper (kāya) zu heiligen, muss man rechten Gebrauch von der Zeit (kāla) machen. Die Upanischaden, die Veden und die Puranas haben der Menschlichkeit höchsten Stellenwert eingeräumt. Der Mensch studiert die Veden, Upanischaden und Puranas, aber ist es ihm gelungen, den Wert ihrer Lehren zu erkennen und sie zu praktizieren? Das bloße Studium heiliger Texte ist sinnlos, wenn ihre Lehren nicht in die Tat umgesetzt werden.

Friede und Glückseligkeit liegen in euch

An diesem Festtag, Vināyakacaturthī, ist es Sitte, köstliche Speisen zuzubereiten, die ohne Öl gedämpft und dann Vinayaka angeboten werden. Diese Opfergaben sind einzigartig und speziell. Sesamsamen, Reismehl und Rohrzucker werden vermischt, zu Kugeln geformt, gedämpft und dann Vinayaka geopfert. Ihr solltet die Absicht hinter solchen Opfergaben erforschen. Diese gedämpften Speisen (modak) sind gut für die Augen und hilfreich für Leute, die an Asthma und Eosinophilie leiden. Diese Opfergaben sind dazu gedacht, die Gesundheit des Menschen zu verbessern und ihm Glück zu bringen. Man sollte sie nicht für bloße rituelle Sitten halten. Alles was mit Gott verbunden ist hat eine heilige innere Bedeutung. Der Mensch ist unfähig diese Wahrheit zu verstehen und betrachtet alles aus weltlicher Sicht.

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Der Mensch besitzt sowohl tierische als auch göttliche Eigenschaften. Die tierischen Aspekte haben ihren Ursprung im Kopf. Weltliche Bildung und Intelligenz stehen mit dem Kopf in Verbindung. Die Wissenschaftler nutzen ihre Intelligenz um Dinge zu studieren, die mit der Welt zu tun haben. Das ist der äußerliche (pravritti) Weg. Tugenden wie Liebe, Mitgefühl und Toleranz gehören zum inneren (nivritti) Weg und gehen aus dem Herzen hervor. Heutzutage will der Mensch intelligent sein, nicht aber tugendhaft. Krishna verkündete: Besinne dich ständig auf mich, denn die Welt ist vergänglich und voller Leid. Gebt den äußerlichen Weg auf und schlagt den inneren Weg ein, nur so könnt ihr Erlösung finden. Heutzutage sieht man, wie die Älteren den Kindern Dinge beibringen, die den äußerlichen Weg betreffen, nicht aber den inneren. Jeder, vom kleinen Kind bis zum altersschwachen Greis, ist nur am Weltlichen interessiert. Aber gibt es irgendjemanden, der im Leben auf dem weltlichen Weg Frieden gefunden hätte? Wie kann man Frieden finden? Wo ist Friede? Mit der Atombombe in der Hand halten die Leute Vorträge über den Frieden. Solche Leute können vielleicht den Mond erreichen, aber sie werden niemals Frieden und Glück erlangen. Es ist nicht notwendig, in der äußeren Welt nach Frieden zu suchen. In der äußeren Welt findet ihr nur Friedlosigkeit und Unruhe. Friede liegt in euch selbst. Er ist eure Form. Versucht, ihn aus eurem Inneren heraus zu manifestieren.

Alle sind Funken des Göttlichen

Verkörperungen der Liebe!

Es gibt keine größere Kraft als die Liebe. Ihr könnt Frieden erlangen, indem ihr Liebe kultiviert. Friede ist euer Geburtsrecht. Weltlicher Friede ist überhaupt kein Friede. Allein der innere Friede ist rein, makellos, ewig und unvergänglich. Ganapati ist es, der diesen inneren Frieden verleiht. Wie kann man Frieden erlangen, wenn man seine Zeit nicht richtig nutzt? Die wichtigste Pflicht des Menschen besteht darin, die Zeit auf heilige Weise zu nutzen. Der Mensch verschwendet heutzutage viel Zeit mit sinnlosem Geschwätz und übler Nachrede. Das atmische Prinzip in euch existiert genauso in den Leuten, die ihr als außenstehend betrachtet. Begreift, dass alle Funken des Göttlichen sind. Die gesamte Welt ist von Gott durchdrungen. Der Körper ist ein Tempel und Gott ist sein Bewohner. Es ist keine lobenswerte Praxis, jemanden den ihr mögt zu bevorzugen. Gebt solcher Parteilichkeit keinen Raum. Behandelt jeden gleich. Erkennt, dass die Göttlichkeit eine allein ist. Der eine Atman ist in allen Lebewesen anwesend. Wenn ihr diese Wahrheit erst einmal versteht, werdet ihr ein friedliches und glückliches Leben führen.

Heute haben Devotees aus Bangalore 750 Ganapati-Idole zur Verehrung hierhergebracht, weil in diesem Jahr das 75. Lebensjahr von Swamis Körper beginnt. Ob man nun 750 oder 700 Millionen Statuen herbeibringt – Ganapati ist einer allein. Wenn das Herz nicht rein ist, ist die Verehrung von Ganapati-Statuen, egal in welcher Anzahl, sinnlos. Es genügt, wenn ihr eine Ganapati-Statue mit dem Empfinden der Einheit verehrt. Welchen Sinn hat es, Verehrungsrituale zu vollziehen und Gelübde abzulegen? Diese Rituale sind dazu gedacht, Herzensreinheit zu entfalten. Gute Taten bringen geistige Reinheit. All die neun Pfade der Hingabe: Zuhören (shravana), Singen (kīrtana), Besinnung auf Gott (vishnusmarana), Dienst zu seinen Lotosfüßen (padasevana), rituelle Verneigung (vandana), Anbetung (arcana), Dienstbereitschaft (dasya), Freundschaft (sneha) und Selbsthingabe (ātmanivedana) sind dazu gedacht, das Herz rein zu machen. Süßigkeiten wie Mysore Pak, Gulab Jamun, Burfi usw. haben verschiedene Namen und Formen, aber der Zucker in ihnen ist ein und derselbe. Ebenso ist das Liebesprinzip der Strom, der allen Wegen der Hingabe zugrunde liegt. Verbringt deshalb euer Leben in Liebe und beendet euer Leben in Liebe. Das ist wahre spirituelle Disziplin. Ihr seid nicht von Gott verschieden.

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Bevor man mit einem Werk beginnt, sollte man sich vor dem Werk (Karma) verneigen. Bevor ein Fahrer seinen Sitz einnimmt, verneigt er sich vor dem Lenkrad. Eine Tänzerin verneigt sich vor ihren Fußreifen, ehe sie diese anlegt und mit ihrer Tanzvorführung beginnt. Bevor ein Gelehrter die Bhagavadgita liest, erweist er dem Buch seine Verehrung. Die Handlung zu verehren dient dem Zweck, dass sie gute Ergebnisse bringt. Das sind die Lehren der alten überlieferten Kultur. Ihr solltet die Handlung und ihre Früchte Gott darbringen, ehe ihr sie durchführt. Wir sehen, wie ein ungebildeter Lastwagenfahrer seiner Tätigkeit Verehrung erweist, nicht aber ein Wissenschaftler, der doch so viel weiß. Das Ego ist die Hauptursache dafür. So ein Wissenschaftler hält sich für sehr klug, in Wirklichkeit ist er aber sehr unwissend. So wie unser Schatten uns nachfolgt, folgt Unwissenheit jemandem nach, der voll Ego ist. Das menschliche Leben ist eine Kombination aus Weisheit und Unwissenheit. Es ist ein großer Fehler sich selbst für weise zu halten. Unwissenheit folgt euch gleich eurem Schatten in allem was ihr tut. Um euch von dieser Unwissenheit zu befreien, solltet ihr die gesamte Welt als Gottes Manifestation betrachten. Vishnu durchdringt das gesamte Universum. Es gibt in dieser Welt nichts, was nicht göttlich wäre. Von diesem Wissen ausgehend sang Tyagaraja: „Oh Rama, du bist in allen gegenwärtig, von der Ameise bis zu Brahma.“ Wie kann man einen so allgegenwärtigen Gott vergessen?

Verkörperungen der Liebe!

Die Leute singen Bhajans, ohne deren Bedeutung zu verstehen. Statt ihre Aufmerksamkeit auf Gott auszurichten, kümmern sie sich zu sehr um Melodie und Rhythmus. Melodie und Takt sind zweifellos beim Bhajansingen ebenfalls wesentlich. Aber habt ihr euer Herz erst einmal mit göttlicher Liebe gefüllt, dann werden Melodie und Rhythmus von selbst stimmig werden. Wenn ihr euch zu sehr auf Melodie und Rhythmus konzentriert, könnt ihr nicht an Gott denken.

So wie eine Eisenkugel, die ins Feuer geworfen wird, mit dem Feuer verschmilzt, so sollte euer Geist eins mit Gott werden. So wie Wasser, einmal mit Milch vermischt, nicht mehr von ihr gesondert werden kann, sollte euer Geist sich mit Gott vereinen. Denkt nicht, ihr wäret von Gott getrennt. Wer dieses Einheitsprinzip erkennt ist ein wahrer Mensch. Beschränkt eure Verehrung Gottes nicht nur auf Festtage. Jeder einzelne Moment sollte in der Besinnung auf Gott verbracht werden. Ihr denkt jetzt vielleicht: „Wenn jeder Augenblick in der Besinnung auf Gott verbracht wird, wie können wir dann unsere Arbeit verrichten?“ Unterscheidet nicht zwischen eurer Arbeit und Gottes Arbeit. Eure Arbeit ist Gottes Werk, denn ihr seid Gott. Es ist ein Irrtum zu glauben, alles was ihr in der Gebetshalle tut, sei Gottes Werk, und was ihr außerhalb tut sei euer Werk. Hegt nicht solche trennenden Gefühle. Nehmt wahr, dass euer Herz Gottes Altar ist und richtet eure Schau nach innen. Wer diese Wahrheit versteht und entsprechend handelt ist ein wahrer Mensch.

- Aus Bhagavans Ansprache an Ganeshas Geburtstag (Vināyakacaturthī) am 1. September 2000.

Botschaft von Bhagavan Sri Sathya Sai Baba

Raja! Nimm meine Liebe und meinen Segen an.

Ich habe deinen lieben Brief erhalten. Wie geht es dir, Raja? Sei glücklich. Sorge dich nicht. Sai ist immer bei dir.

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Entsagung besteht darin, gegen böse Kräfte anzukämpfen und den Geist unter Kontrolle zu halten. Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit ist der eigene wahre Freund, Verwandte, das eigene Selbst (Atman). Halte dich an die Wahrheit, gehe den Pfad der Rechtschaffenheit und kein Haar deines Körpers wird jemals gekrümmt werden.

Du musst nicht perfekt werden. Du bist es bereits. Die Natur ist wie diese Trennwand, welche die jenseitige Wirklichkeit verbirgt. Jeder gute Gedanke, den du hegst oder in die Tat umsetzt, trägt einfach dazu bei, den Schleier gewissermaßen aufzulösen, und die Reinheit, die Unendlichkeit, der Gott dahinter manifestiert sich immer mehr.

Raja! Wenn du schließlich hierherkommst, musst du im Mai am Sommerkurs (20.5.78 bis 20.6.78) teilnehmen.

Mit Liebe

Baba

Mein lieber Raja! Wie geht es dir? Wie steht es um deine Gesundheit? Mache dir keine Sorgen! Swami ist immer bei dir, in dir und um dich herum. Sei glücklich.

Mit Liebe und Segen

Baba

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MEINE ERFAHRUNGEN MIT BHAGAVAN SRI SATHYA SAI BABA

Dr. Goteti Saraswati

1974 wurde in Rajamahendravaram die sechste Gesamtindische Konferenz der Sai Organisation-Amtsträger abgehalten. Viele der älteren Devotees wollten die Konferenz in Mumbai, Hyderabad oder Delhi abhalten, weil dort die notwendigen Einrichtungen zur Verfügung standen, aber Swami verkündete bei einer Zusammenkunft spontan: „Die nächste Gesamtindische Konferenz wird in Rajahmundry stattfinden.“

Swami kam am 1. Januar 1974 in einem Charterflugzeug an. Auf dem Flughafen hielten alle Girlanden, Blumen und alle möglichen Dinge für unseren Gott bereit. Was sollte ich tun? Ich kannte mich mit all diesen Dingen nicht aus und hatte nichts mitgebracht. Dr. Sanyasamma und ihr Mann, Dr. Ramakrishna Rao, waren auch zum Flughafen gekommen. Sanyasamma hatte ganz viele Rosenblütenblätter dabei. „Kannst du mir bitte einige abnehmen? Meine Hände zittern so!“ sagte sie. „Ich habe sowieso nichts mitgebracht“, sagte ich und nahm sie. Als Swami angekommen war, legte ich sie ihm zu Füßen. Swami war glücklich. Er schaute jeden Einzelnen an. Dann fuhr mein Bruder ihn in seinem Wagen zum Haus von Sri Rama Rao. Da, wo heute das Gurukulam steht, wurde die Konferenz abgehalten. Sri Rama Raos jüngerer Bruder war Ingenieur. Er hatte alle Dekorationen sehr schön angebracht. Da es eine ländliche Gegend war, brauchte man keine Milch, Joghurt und weitere Lebensmittel, Süßigkeiten und Gebäck einzukaufen. Alles strömte von selbst herbei. Die Vorrichtungen für das Essen der Konferenzteilnehmer wurden auf dem hinteren Spielplatz arrangiert, nicht in Zelten, sondern unter Baldachinen aus pflanzlichem Material, wie sie bei Hochzeiten üblich sind. Alle betrachteten ihren Einsatz als Seva, selbstlosen Dienst, kein einziger Cent (Paisa) wurde ausgegeben. Das Essen für die Tausenden von Teilnehmern wurde auf Tischen angerichtet. Man sagte uns, es würden 3000 Delegierte kommen, es kamen aber 9000 Delegierte und Devotees! Viele kamen aus Nepal und der dortigen Region. Da die Godavari ein heiliger Fluss ist, kamen viele, um dort ein heiliges Bad zu nehmen. Wo sollten wir alle unterbringen? Wir stellten Überdachungen auf und brachten sie alle unter. Swamis Speisen richteten wir auf silbernem Geschirr an, aber er schickte alles zurück und sagte, wir sollten ihm sein Essen auf gewöhnlichen Blättern servieren. „Gebt es mir auf einem Blätterteller“, sagte er. Swami saß in der Reihe und aß gemeinsam mit allen Devotees.

Dort geschah ein weiteres Wunder. Wir hatten Lebensmittel für die Speisung von 3000 Menschen bekommen, aber es mussten 9000 verköstigt werden. Für wie viele Tage würden die Vorräte ausreichen? Bereits am zweiten Tag waren die Vorräte erschöpft. Beide, Sri Sathyam und Sri Rama Rao, kamen und stellten fest: „Die Töpfe sind leer. Was sollen wir machen?“ Sie beschlossen, bei einem Großhändler einzukaufen und sagten: „Sprecht mit niemandem darüber. Kauft einfach alles ein, was benötigt wird.“ Swami kam dazu und fragte: „Was hat Sathyam gesagt? Er sagte, die Vorräte gingen zur Neige, es seien kein Reis und keine Linsen mehr da. Nein, die Vorräte werden nicht zu Ende gehen. Sagt ihm, er soll weggehen. Was wir haben wird ausreichen.“ Das war alles. Wir haben nichts eingekauft! Kein einziger Cent wurde ausgegeben! Die Vorräte reichten, um 9000 Menschen zu speisen! Was soll man dazu sagen? In Puttaparthi geschieht das oft. Swami macht, dass die Speisen

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unerschöpflich (akshaya) sind. Das tut er, wo immer er hingeht. Nach der Konferenz, die drei Tage dauerte, war noch so viel übrig! Es konnte einfach nicht aufgegessen werden. Wir konnten es nicht aufbewahren, darum wurde es nach Puttaparthi geschickt und in der Kantine ausgegeben. Swami behandelte uns, als seien wir sein Eigen. Wie eine Mutter, die zu ihren Kindern, wenn sie weggehen, sagt: „Nehmt dies mit, nehmt das mit“… Was für eine Liebe ist die Liebe dieses Gottes?

Swami sprach mit mir über die kulturellen Programme. Er fragte mich: „Was wollt ihr aufführen?“ Ich erwiderte: „Ein Stück über den Sanskrit-Dichter Jayadev und ein weiteres über Mira.“ Die Devotees von Rajamahendravaram hatten sie vorbereitet. Am Tag vor Swamis Ankunft war Sri Ramana Rao mit der ganzen Gruppe gekommen, um die Vorbereitungen in Augenschein zu nehmen. Sri Ramana Rao hatte mich gefragt, was wir aufführen würden, und ich hatte ihm diese beiden Stücke genannt. „Hast du denn keinen Verstand, Saraswati? Zu der Konferenz kommen Leute aus aller Welt. Wenn du Telugu-Stücke aufführst, die von Jayadev und Mira handeln, wer, denkst du, wird sie anschauen? Nur Theaterstücke, sonst nichts?“ Wir hatten auch Violin- und Vina-Darbietungen mit allen Kindern geplant. Die Theaterstücke sollten am ersten Tag aufgeführt werden. Aber Ramana Rao sagte „Nein!“

Swami war am Abend zuvor angekommen. Er kam, um sich die Bühne anzuschauen. Hinter Swami gingen Ramana Rao und ich und alle anderen. Auf halbem Wege drehte Swami sich um und fragte: „Saraswati, was für Aufführungen habt ihr vorbereitet?“ „Keine“, antwortete ich. Er fragte: „Warum?“ Er hatte bereits in Puttaparthi davon gehört. „Ramana Rao hat ‚nein‘ gesagt, Swami“, antwortete ich. „Warum hat er das gesagt?“ „Swami, es ist eine internationale Konferenz, von überall werden sie kommen …“ „Sie werden es vielleicht nicht anschauen, aber ich werde es anschauen. Ich möchte es sehen. Bringt alle eure Kinder“, sagte Swami.

Am nächsten Morgen rief mein Bruder sie in aller Eile an. Die Saiten der Vina wurden gespannt und alles wurde vorbereitet. Sri Krishnamurthy fertigte in der Nacht spezielle Abzeichen an und alle Kinder wurden hingeschickt. Es wurde so etwa 10 Uhr am Abend. Swamis Platz war in einem seitlichen Flügel der Bühne. Im anderen Flügel waren die Instrumente und wir. Die Kinder saßen in der Mitte. Sie sangen sehr schön. Nach Beendigung des Stückes stand Swami, dessen Platz im seitlichen Teil war, auf und eilte in die Mitte der Bühne. Bis dahin hatten die Zuschauer nicht gewusst, dass Swami da war. Er kam und sagte: „Doktor Amma, deine Kinder haben es sehr gut gemacht!“ Inzwischen hatte jemand eine große Girlande aus Rosenblüten gebracht. Wir legten Swami die Girlande um und nahmen Namaskar. Alles ging gut.

Am letzten Tag sollte Swami abreisen. Bei meiner Mutter war vor einiger Zeit eine Lähmung aufgetreten. Als ich Swami sagte, dass sie ihn gerne sehen möchte, sagte er: „Morgen früh werde ich auf einen Imbiss in Sathyams Haus kommen.“ Gewöhnlich wurde es ein Uhr nachts, bis ich nach all den Vorbereitungen nach Hause kam. Und um drei Uhr frühmorgens fuhr ich dann wieder hin. Zu Hause aß ich nichts. Ich weckte meine Mutter und meinen Vater um ein Uhr auf und sagte ihnen, sie sollten sich darauf vorbereiten, dass Swami am Morgen kommen würde. Wir redeten darüber, was zu tun wäre. Sie brachten meine Mutter und setzten sie dort auf das Bett. Sie konnte nicht sprechen. Swami gab ihr Namaskar und sagte zu ihr: „Ich werde dich mit nach Puttaparthi nehmen.“ Sie waren sehr glücklich. Ich dachte bei mir: „Oh, ihre Zeit ist wohl gekommen, wenn er sagt, dass er sie mit nach Puttaparthi nehmen wird.“

Ich fuhr nach Sai Nilayam, dem Ort, an dem die Konferenz stattgefunden hatte, und ließ sie alle Platz nehmen. Alle ehrenamtlichen Helfer saßen nun dort, um Namaskar zu nehmen. Die Zeit des Abflugs rückte näher. Nachdem Swami den Imbiss eingenommen hatte, sagte ich zu ihm: „Swami, bitte komm noch einmal dort hin. Sie haben sich alle sehr viel Mühe gegeben“ … Swami kam, ließ jeden

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Namaskar nehmen, und schließlich war in einem anderen kleinen Zimmer nur noch ein halbes Dutzend Leute übrig, und als er sagte: „Du musst schnell Namaskar nehmen, ich muss fort“, entgegnete ich: „Nein, das tue ich nicht.“ „Warum nicht?“ fragte er. „Dort in dem Zimmer sind noch ein paar Leute, Swami. Bitte gib ihnen zuerst Namaskar, danach werde ich auch Namaskar nehmen“, sagte ich. Er eilte zu ihnen und gab ihnen Namaskar. Dann gab er mir Namaskar und fuhr davon. Mit dieser Gesamtindischen Konferenz erwies Swami uns Devotees im Ost-Godavari-Distrikt eine große Gnade.

(Fortsetzung folgt)

- Die Verfasserin, von Beruf Gynäkologin, war mehr als fünf Jahrzehnte lang Bhagavans Devotee.

DasLeuchtendergöttlichenHerrlichkeit

DER BABA, DEN WIR VEREHREN:

KURZE EINBLICKE IN SEINE GRÖßE

S. Ramakrishnan

Baba wurde am 23. November 1926 geboren. Es war ein Montag, Somvar. Der Monat war Kartik, ein für die Anbetung Shivas besonders heiliger Monat. Der Aszendent dieses Tages war der Stern Ardra. Die Kombination von Kartik Somvar und Ardra Nakshatra ist selten und außergewöhnlich glückverheißend.

Sein Anblick ist eine Augenweide. Seiner fesselnden Rede zu lauschen ist Erziehung für ein sinnvolles, zielgerichtetes Leben. Seine seelenvollen Bhajans zu hören bedeutet, in Ekstase zu geraten. Sind wir ihm einmal begegnet, lässt er uns einfach nicht mehr los. Wir können nicht anders als ihm einen ständigen Platz in unserem Herzen einzuräumen.

Majestätisch und einnehmend sympathisch, einfach und doch von höchstem Niveau, tief verwurzelt in unserer alten Kultur und doch bestens informiert über das Tagesgeschehen, agil und doch unerschütterlich, weise und witzig, mit einem zauberhaften Lächeln und einem Gesicht, das sanfte Freundlichkeit (sneha) und Mitgefühl (karunā) ausdrückt, mit dem krausen Haarschopf, der eine natürliche Krone auf seinem Haupt bildet, und mit seinem flammend roten, nahtlosen Gewand, das vom Hals bis zu den Füßen reicht, ist Sri Sathya Sai Baba eine beeindruckend großartige Persönlichkeit.

Baba wird von Hunderttausenden von Devotees auf der ganzen Welt geradezu vergöttert. In ihren Häusern und Büros nimmt sein Foto einen Ehrenplatz unter den Familiengottheiten ein. Wie ich sehen konnte, schmückt sein Bild die Schreibtische und Bürowände vieler unserer hochrangigen führenden Persönlichkeiten, unserer Chefredakteure, Literaten, Wissenschaftler, Administratoren, obersten

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Verwaltungsbeamten in New Delhi und den Hauptstädten der Bundesländer und sogar in der indischen Botschaft in London.

Als einer der markantesten und am meisten verehrten Persönlichkeiten dieses Jahrhunderts zollen ihm Millionen von Indern und Ausländern spontan Respekt und Ehrerbietung. Er hat seine eigene einzigartige Art, Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft zu transformieren. Ihre Menge ist Legion.

Von dem hochverehrten (pujyapad) Sri Sathya Sai Baba hörte ich zum ersten Mal vor mehr als zwanzig Jahren.

Ehe 1968 das Dharmakshetra mit dem lotosförmigen „Sathya Deep“ gebaut wurde – Babas Wohnhaus in Mumbai, das von bezaubernd natürlicher Schönheit umgeben auf einem Hügel liegt, von dem aus man über den westlich gelegenen Gebirgszug (Western Ghat) schaut – war es das Privileg eines seiner treuesten Devotees, Sri P. K. Sawant, der damals ein Ministeramt in der Regierung von Maharashtra bekleidete, Baba in Mumbai zu beherbergen. In jener Zeit pflegte Dr. B. Ramakrishna Rao, der frühere Ministerpräsident von Hyderabad und ehemalige Gouverneur von Kerala, Baba zu begleiten und seine Ansprachen ins Englische zu übersetzen.

Kulapati Munshiji und Dr. Ramakrishna Rao waren gute Freunde seit der Zeit, als Indiens Generalbevollmächtigter Munshiji im Hyderabad des Nizam war und Dr. Rao gemeinsam mit Swami Ramananda Tirtha und anderen Patrioten darum kämpfte, die schlauen Schachzüge des Nizams von Hyderabad zu unterlaufen und den verbrecherischen faschistischen Taktiken von Kazim Razvi und seinen Razakar-Horden die Stirn zu bieten.

Immer wenn Dr. Ramakrishna Rao in Mumbai war, pflegte er Munshiji im Bharatiya Vidya Bhavan zu besuchen. Dr. Rao war es auch, der uns den ersten Einblick in Babas Größe und seine erhabene Mission gewährte.

Die erste Sathya Sai Weltkonferenz wurde am 10., 11. und 12. Mai 1968 im Campus des Bhavan in Andheri, einem Vorort von Mumbai, abgehalten. Baba verglich die beiden sich umfassenden Hände der beiden Organisationen – Sai-Organisation und Bhavan – liebenswürdigerweise mit dem Zusammenfluss (sangam) von Ganges und Yamuna. Seither hat Baba das Hauptquartier des Bhavan in Chowpatty, Mumbai Central, sowie unseren Campus in Andheri durch häufige Besuche geheiligt.

Meine erste Pilgerreise nach Prasanthi Nilayam und mein erstes persönliches Interview mit Baba sollten jedoch erst am 1. Oktober 1968, dem glückverheißenden Vijaya Dasami-Tag, stattfinden. Danach saß ich bei vielen weiteren Gelegenheiten zu seinen Füßen – in Puttaparthi, Whitefield (Bengaluru) und Mumbai, das letzte Mal am 12. Mai 1979 in Mumbai im Penthaus, Express Towers, als Baba dem kranken Loknayak Jayaprakash Narayan einen liebevollen Besuch abstattete, um ihn zu trösten und zu segnen.

Jede Zusammenkunft mit Baba ist eine unvergessliche Erfahrung mit den reichen göttlichen Gaben (prasad) unbeschreiblichen Friedens und unbeschreiblicher Freude, die einen unauslöschlichen Eindruck in unserem Herzen bewirkt. Solche Zusammenkünfte mit Baba helfen uns, das Ego auszulöschen und unsere endlosen Schwächen und Beschränktheiten zu transformieren und auszumerzen.

Ich werde mich aber auf Grund des Platzmangels damit zufriedengeben, nur einige der lichtvollen Momente aus den vielen Zusammenkünften, mit denen ich gesegnet wurde, zu schildern.

I. 30. Dezember 1970, Munshijis 84. Geburtstag:

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Ich hatte das Privileg, Baba vom Dharmakshetra in Andheri zum Bhavan in Chowpatty zu begleiten.

Während der 45minütigen Fahrt erläuterte Baba auf seine unnachahmliche Art einige Lebenswahrheiten. In Bezug auf Kulapatiji Munshi bemerkte er: „Die Maschine ist gut. Sie hat gute Arbeit geleistet. Aber sie ist alt geworden, sie ist verschlissen. Möglicherweise bricht sie in weniger als vier bis sechs Wochen zusammen.“

Als Baba Munshiji auf dem Krankenlager besuchte, stellte der Letztere keine einzige Frage bezüglich seiner Lebensdauer oder seiner Familie. Seine einzige Sorge galt dem Bhavan und dessen Zukunft.

Baba sagte nachdrücklich: „Dein Entschluss, den Bhavan zu gründen, war absolut rein und selbstlos. In demselben Geist hast du ihn mit Liebe und Sorgfalt gehegt und gepflegt. Du hast zu Recht gesagt, er sei Gottes Werk. Nun darfst du dich ausruhen in der Gewissheit, dass der Bhavan blühen und gedeihen wird und dass es der Kultur Indiens und anderer Länder immer noch mehr nützliche Dienste erweisen wird.“

Munshiji weinte vor Freude. Und am 8. Februar 1971, einem Montag, weniger als sechs Wochen nach Babas Besuch, tat er seinen letzten Atemzug!

Es ist nicht ungewöhnlich – besonders in unserem Land – dass viele Institutionen ins Schwimmen kommen, wenn der Gründervater von der Bühne abtritt. Doch der Bhavan hat das Glück, auf seinem Weg voranzuschreiten – dank des Segens der Göttlichen und Guten und dank der Hingabe, der Voraussicht und des Genies von Munshiji.

II. 1971 machte ich zusammen mit einem mir teuren und geachteten Freund, der ein angesehener Lehrer und Philosoph und ehemaliger Leiter des Delhi-Zweiges des Bhavan war, per Auto eine Pilgerfahrt nach Puttaparthi. Wir starteten um drei Uhr morgens von Bengaluru aus, um gegen sechs Uhr in Puttaparthi anzukommen.

Während der dreistündigen Fahrt über einhundert Meilen diskutierten wir unter anderem die Frage, ob es ratsam sei oder nicht, die Spende eines Philanthropen anzunehmen, der damit die Forschungen des Bhavan über Visishtadvaita unterstützen wollte. Der Bhavan hat sich immer standhaft geweigert, Gegensätze zu befeuern – seien sie konfessioneller, religiöser oder sprachlicher Natur. Sein Credo besteht darin, die Harmonie und Einheit zu fördern. Angesichts des zügellosen fanatischen Eifers einiger der übereifrigen Gefolgsleute der großen Religionsstifter stellte sich bei uns natürlich die Sorge ein, ob die Annahme der Spende früher oder später eventuell unbewusst die Saat einer sinnlosen Kontroverse über einige abstrakte Aspekte der einen oder anderen Sache ausstreuen würde. Doch lange bevor wir in Prasanthi Nilayam in Puttaparthi ankamen, waren wir übereinstimmend zu dem Fazit gelangt, dem Exekutivkomitee des Bhavan die Annahme der Spende zu empfehlen. Anschließend diskutierten wir über viele andere Themen, und als wir in Puttaparthi ankamen, hatten wir das Spendenangebot längst vergessen.

Wir kamen gegen sechs Uhr in Puttaparthi an. Wie üblich war da eine große Menge von Devotees, die von nah und fern gekommen waren.

Als Baba unsere Bitte um eine Audienz vorgetragen wurde, sagte er zu dem Boten: „Sie sind um drei Uhr in Bengaluru aufgebrochen und haben heute Morgen noch nicht einmal Wasser getrunken. Gib ihnen zuerst Frühstück und dann lass sie zu mir kommen.“

Als wir ordnungsgemäß in Babas heilige Gegenwart geleitet wurden, warfen wir uns vor ihm nieder. Er tätschelte uns liebevoll und hieß uns Platz nehmen. Nach eingehenden Fragen über den Bhavan sagte er mit einem breiten Lächeln: „Einige denken, Anhänger der Advaita-Lehre und Anhänger der

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Visishthadvaita-Lehre, also Anhänger von Adi Sankara und Anhänger von Sri Ramanuja, könnten nicht zusammenarbeiten, nicht wahr? Das ist völlig verkehrt.“

Wir waren verblüfft. Wie konnte er wissen, worüber wir vor wenigen Stunden in der privaten Sphäre eines fahrenden Autos diskutiert hatten?

Baba fügte hinzu: „Die Saiviten preisen ihre erwählte Gottheit, Shiva, als Hüter der Tiere (Pashupati), und die Vaishnaviten preisen ihre erwählte Gottheit als Kuhhirten (Gopala). Gibt es da irgendeinen wesentlichen Unterschied?“

Dann fragte er mich mit seinem charakteristischen Lächeln: „Wie heißt dein Freund?“

Ich antwortete: „Professor Sankaranarayanan.“

„Geht nicht schon aus seinem Namen hervor, dass Sankara und Narayana eins sind? Wie könnte es irgendeine Uneinigkeit zwischen Advaita und Visishtadvaita, zwischen Saiviten und Vaishnaviten geben?“ fragte Baba.

III. Weihnachten, 25. Dezember 1972:

Im Bhavan besuchte mich vor wenigen Jahren ein reicher Geschäftsmann, der seinen Reichtum durch unermüdliche Tätigkeiten in Ostafrika erworben hatte. Dieser Mann strahlte aus fast jeder Pore seines Körpers Überfluss aus, und ich erwartete, dass er auch von innerer Freude überschäumen würde, aber leider war es nicht so. Während unserer Unterhaltung lachte er wohl, aber sein Lachen klang hohl und war in der Tat nur das Echo eines tiefen inneren Kummers. Ich fragte ihn, ob es irgendetwas gäbe, was ihm insgeheim Sorgen mache.

Er öffnete sich mir und sagte: „Ja, es ist mein junger Sohn, der älteste Sohn …“

So groß war seine Qual, dass ihm das Sprechen schwerfiel.

Allmählich fand ich heraus, dass er zutiefst bekümmert war, weil sein Sohn, der sich zum Studium in England aufhielt, beinahe dazu „verführt“ worden war, dem Hinduismus den Rücken zu kehren und sich zum Christentum zu bekennen.

Alle Überredungskünste des Vaters und sogar die der noch tiefer besorgten Mutter waren auf taube Ohren gestoßen. Für den Jungen war der Hinduismus mit seinem „Wirrwarr von tausend Göttern und Göttinnen“ wenig attraktiv, er schien ihm irrational und anachronistisch zu sein.

Der Mann bat mich um Hilfe, seinem Sohn Glauben an den Hinduismus einzuflößen.

Ich legte ihm dar, dass unsere Vorfahren uns eindringlich mahnen, unsere Kinder ab dem Alter von 16 Jahren als Gleichberechtigte anzusehen. Darum würde jede Art von Zwang wahrscheinlich dazu führen, das Herz des ungestümen und in die Irre geführten Jugendlichen zu verhärten, der bei seiner eigenen Entscheidung bleiben wolle. Ich betonte auch, wie unsinnig es sei, den Jungen, diese verwirrte und verunsicherte, aber ernsthaft suchende Seele, unter moralischen Druck zu setzen oder ihm eine Entscheidung aufzuzwingen. Ich sagte ihm auch, die beste Methode jemanden zu „belehren“ sei diejenige, die Krishna in der Bhagavadgita anwendet: Man erläutert und verdeutlicht das Für und Wider einer Sache und sagt dann zu dem Sohn wie Krishna zu Arjuna: „Ich habe dir alles erklärt. Nun entscheide du, was du für das Beste hältst.“

Ich gab dem besorgten Vater jedoch den Rat zu bedenken, dass sein Sohn vielleicht einen besseren Einblick in den Hinduismus gewinnen würde, wenn er in direkten Kontakt zu bekannten religiösen Größen käme. Dieser Ansicht konnte der Vater ganz und gar zustimmen, und er bat darum, man möge

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seinen Sohn dem Einfluss einiger der religiösen Glanzlichter unseres Landes aussetzen. Tatsächlich führten dann zwei bekannte Swamijis ein Gespräch mit dem jungen Mann, der aber nicht von seiner Ansicht abwich. Inzwischen hatte ich ihm auch einige der Publikationen des Bhavans zum Lesen gegeben, um ihm zu einem tieferen Verständnis des Hinduismus zu verhelfen.

Wie das Schicksal es fügte, war Baba zu der Zeit zufällig in Mumbai, und am Weihnachtstag würde er im Dharmakshetra über Jesus Christus, den Friedenskönig, sprechen.

Ich riet dem besorgten Vater, er solle versuchen seinen Sohn zu der Baba-Versammlung mitzunehmen, es könne ja sein, dass das seine Einstellung ändern würde. Zuerst schien der junge Mann nicht sonderlich begeistert, aber irgendetwas motivierte ihn dazu, mit uns mitzugehen. Der Junge, seine Eltern und ich fuhren zusammen zum Dharmakshetra. Baba kam vom „Sathya Deep“ herunter in die Versammlungshalle, bewegte sich unter der großen Menschenmenge und begann dann mit seiner heiligen Ansprache über Christus und die Bedeutung des Weihnachtsfestes.

Nachdem Baba seine Ansprache beendet hatte, schlang der junge Mann außer sich vor Begeisterung seine Arme um mich und sagte: „Als ich ihn sah – in seiner kindlichen Einfachheit, seiner überfließenden Liebe und seiner totalen Losgelöstheit von jeglichem Fanatismus – pochte mein Herz wie wild. Als ich seiner Botschaft lauschte, kam mein Geist zum Stillstand. Meine Zweifel sind verschwunden. Mir ist jetzt bewusst, dass der Hinduismus die ‚Mutter aller Religionen‘ ist, alle einbezieht und alle umschließt. Ich bin nun überzeugt, dass der Kern der Religion in allen ein und derselbe ist. Ein guter Hindu zu sein bedeutet ein guter Christ oder Muslim oder Parse zu sein und umgekehrt. Durch formale Konversion nur das Etikett zu wechseln ist unnötig, ja, sogar irreligiös.“ Wenn dies nicht ein göttliches Wunder ist – was sonst?

IV. Oft habe ich mich gefragt: Worin besteht Größe, Göttlichkeit? In seiner Unwissenheit beziehungsweise Überheblichkeit hat der Mensch es unternommen, Größe mittels so manchen Maßstabs zu definieren, ist bei dem Versuch jedoch gescheitert. Sind wir aber in Babas Gegenwart, spüren wir diese sublime Größe – sie liegt in der Luft, durchflutet die ganze umgebende Atmosphäre. Alle Zweifel und Unstimmigkeiten, all die Belanglosigkeiten, die uns sonst Ärger bereiten, lösen sich in Luft auf. Diese Größe ist blendend hell und doch von besänftigender Kühle. Man spürt sie, kann sie jedoch nicht beschreiben. Sie ist überall, kann vom bloßen Auge jedoch nirgendwo erblickt werden.

Sri Sathya Sai Baba ist die Verkörperung eines persönlichen Adels (soumya murti). Schon ein Blick in das leuchtende Gesicht dieses „Ewigen Wagenlenkers“ (sanātana sārathi), das so voller Gnade und Mitgefühl ist, beruhigt und tröstet. Die Worte, die von ihm ausgehen, zerstreuen jeglichen Zweifel. Sie sind von einer Kraft erfüllt, die weder die des Eifers noch die der kühlen Logik ist. Es ist eine Kraft, die durch die Alchemie der Liebe entsteht, die einer nie versiegenden Quelle (akshayapatra) des Erbarmens (karunā) und der selbstlosen, bedingungslosen Liebe (prema) entspringt. Baba ist ein einzigartiges, stimmiges und integriertes Konglomerat aus Süße und Licht, er ist die Essenz der Veden, der Upanischaden, der Darshanas, der Epen und Puranas, alle zusammengenommen. Er besitzt die intellektuelle Weite, den Scharfsinn und die eifrige Bereitwilligkeit eines Sri Adi Sankaracharya und die Direktheit, Universalität, Klarheit und Schlichtheit eines Sri Ramakrishna Paramahamsa.

Wie Baba selbst uns immer wieder in Erinnerung gerufen hat, ist unser Mutter/Vaterland ein geheiligtes Land (punya bhūmi). In der Gita haben wir Krishnas dauerhafte Verkündigung, dass er sich von Zeitalter zu Zeitalter unter uns Menschen inkarnieren wird, um die Vorherrschaft des Dharma aufrecht zu erhalten. In Erfüllung dieser göttlichen Verkündigung ist Indien stets mit einer ungebrochenen Folge von Avataren gesegnet worden. Diese Avatare haben es Indien ermöglicht, die Kontinuität seines zeitlosen, unbezahlbaren Schatzes – Sanathana Dharma, die Ewige Religion – über

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die vergangenen 5000 Jahre oder noch länger zu bewahren, während andere Zivilisationen wie die der Griechen, Babylonier und Römer untergegangen sind.

Baba besitzt alle Attribute eines Avatars: Er ist allen leicht zugänglich (saulabhya), hat übermenschliche Fähigkeiten (amanushyata) und ist vor allem bescheiden (saushila) und dergleichen. Seine Worte sind voller Tiefe und angefüllt mit vedischer Weisheit, sein Hauptaugenmerk liegt auf rechtschaffenem Leben, Wiederholung und gemeinsamem Singen des Gottesnamens (sankirtana), guter Gesellschaft (satsanga), Heiligkeit der Ehe und des Familienlebens. In diesem Kaliyuga sind diese Werte für das individuelle und nationale Heil unverzichtbar.

Unser hochverehrter (pujyapada) Sri Sathya Sai Baba ist in unsere Mitte gekommen, um die Ewige Religion, Sanathana Dharma, wiederzubeleben und mit frischem Lebensgeist zu füllen. Vor allen Dingen ist Babas Macht, Glauben auszulösen, ganz erstaunlich. Wir alle sind dreifach gesegnet, ihn mit bloßem Auge in Fleisch und Blut gesehen zu haben, seine Zeitgenossen zu sein und von ihm inspiriert und geleitet zu werden.

Quelle: Golden Age 1979

- Der Verfasser war der Herausgeber des „Bhavan’s Journal“, veröffentlicht durch den Bharatiya Vidya Bhavan.

SAI – UNSERE EINZIGE ZUFLUCHT

Dr. G.S. Srirangarajan

Ich habe diesem Artikel die Überschrift „Sai – unsere einzige Zuflucht” gegeben, denn ich dachte, dies sei in der heutigen Zeit das wichtigste Thema. Auf welche Weise sollen wir uns in dieser beispiellosen Situation, die wir alle auf dem Planeten Erde erleben, an Bhagavans Lotosfüßen festhalten? Lasst mich damit beginnen, Bhagavan zu zitieren, denn seine Worte werden den passenden Rahmen für diesen Artikel bilden.

Vergiss Gott niemals

Was für Wohlstand und Reichtum du auch immer erwerben magst, was für Annehmlichkeiten und welchen Luxus du genießen magst, ob die Leute dich als Verrückten schmähen oder dich loben – unter keinen Umständen darfst du Gott jemals vergessen. Es gibt nur einen Gott.

Ob böse Leute dich kritisieren oder du unbescholten bleibst, was für Schwierigkeiten dir auch begegnen mögen und was für Krankheiten dein Körper auch haben mag – unter keinen Umständen darfst du Gott jemals vergessen. Es gibt nur einen Gott.

Du magst Yoga praktizieren, heilige Menschen (Bhagavatas) aufsuchen, von den Anderen als Gelehrter gepriesen oder als Sünder verdammt werden – unter keinen Umständen darfst du Gott aufgeben. Es gibt nur einen Gott.

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Was für eine Bildung du dir auch aneignen, was für eine Gelehrsamkeit du auch erlangen magst, sei nicht stolz darauf. Sei immer demütig und erkenne die Wahrheit, dass es nur einen Gott gibt. Gib deinen Glauben an Gott niemals auf.

Ich bin sicher – wenn Bhagavan dieses Gedicht unter den heutigen Umständen gesungen hätte, dann hätte er eine Zeile hinzugefügt: „Gleich, ob das Corona-Virus kommt und dich in Mitleidenschaft zieht oder ob du dich mit Mukormykose infizierst, vergiss Gott niemals. Es gibt nur einen Gott.“

Rama und Hanuman

Hanuman hat eine ganz besondere Beziehung zu Swami. Ich möchte einen Lieblingsvers von Hanuman anführen, den Bhagavan auch häufig zitiert hat. Dieser Vers wird die Struktur dieses Artikels bestimmen. Als Rama Hanuman einst fragte: „Welcher Art ist deine Beziehung zu mir?“ war dies Hanumans Antwort: Hanuman sagte: „Herr, über meine Beziehung zu dir bin ich mir völlig im Klaren:

Dehabuddhyaa Tu Dasoham – als Körper bin ich dein Diener.

Jivabuddhya Tavanshaka – als Geist bin ich ein Funke von dir.

Atmabuddhya Tvamevaham – als Seele bin ich eins mit dir.“

„Wenn ich denke, ich sei der Körper und mich mit diesem Körper assoziiere, dann bin ich dein Diener, dein Instrument. Assoziiere ich mich mit meinem Geist, dann bin ich dein Funke, ich bin deine Widerspiegelung, dein Schatten. Assoziiere ich mich aber mit meinem wahren Selbst, dann sind Du und Ich, Ich und Du eins!“ Bhagavan führte diesen Vers oft an und sagte, ein Devotee solle auf diese Art und Weise zu Bhagavan in Beziehung treten.

Auf jeder dieser Ebenen gibt es eine Pflicht, eine Verantwortung, eine Vorschrift, die jeder Devotee Bhagavans zu erfüllen hat, besonders in Zeiten der Pandemie.

Als Körper bin ich dein Diener

„Swami, ich verstehe all diese höhere Philosophie nicht. Ich glaube, dass ich dieser Körper bin. Vielleicht ist das eine Illusion, aber mir geht es gut damit. Als dieser Körper bin ich dein Werkzeug. Ich bin dein Diener. Was soll ich also tun?“ Die Antwort liegt in Bhagavan selbst. Er ist Sri Sathya Sai (SSS).

Im Namen Sri Sathya Sai (SSS) bezieht sich das erste „S“ auf die körperliche Ebene und steht für Seva (selbstloser Dienst). Mit was für einer Art von Dienst sollten wir uns befassen? Bhagavan stellt ausdrücklich fest, dass im Leben beides äußerst wichtig ist: die menschliche Anstrengung (manusha prayatnam) und die Gnade Gottes (daiva anugraham). Wir dürfen nicht zu Hause sitzen und immer nur wiederholen: „Swami wird es richten, Swami wird es richten.“ Während der Pandemie verstoßen einige Devotees fälschlicherweise gegen alle Covid-Vorschriften. Sie tragen keine Masken, halten keinen Abstand zu anderen und sagen: „Swami wird es richten.“ Wenn am Ende irgendetwas Schlimmes passiert, geben wir Swami die Schuld. So geht es nicht! Bhagavan hätte niemals von uns erwartet, dass wir die Gesetze des Landes missachten und die Vorschriften nicht befolgen würden, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft erstellt worden sind. Darum sollten wir alles, was auf der menschlichen Ebene getan werden sollte, auf jeden Fall tun. Wir sollten uns streng an die Covid-Vorschriften halten wie das Abstandhalten, Maskentragen, uns impfen lassen etc. Dabei sollten wir

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aber immer daran denken, dass diese Maßnahmen nur mit Gottes Gnade wirksam sind. Menschliche Anstrengung und Gottes Gnade gehen immer Hand in Hand.

Krishna und Arjuna

Viele sitzen einfach da und beten, ohne selbst irgendetwas zu tun. Das ist definitiv nicht die richtige Einstellung. Lasst uns nun zum Beispiel jemanden betrachten, der glaubte, er könne alles selbst tun und brauche Gottes Gnade nicht. Das ähnelt der Einstellung die viele von uns haben. Sie meinen, sich impfen zu lassen werde alle unsere Probleme lösen. (Sie denken etwa so:) „Ich habe ja einen Arzt zum Freund und kann jederzeit in sein Krankenhaus kommen und mich von ihm behandeln lassen. Also bin ich auf der sicheren Seite.“ Das ist nützlich, aber unzureichend. Wenn die Impfung oder die Medikamente wirken sollen, ist dafür auch Gottes Gnade erforderlich. Wie man sagt: Mediziner behandeln, aber Gott heilt.

Diese Geschichte handelt von einem der Pandava-Brüder, Arjuna. Für die Wahl von Draupadis Bräutigam (svayamvara), hatte ihr Vater ganz einzigartige Bedingungen gestellt, die jener zu erfüllen hatte, der Draupadis Hand gewinnen wollte. Worin bestand die Aufgabe? Von demjenigen, der sie zur Braut haben wollte, wurde erwartet, dass er einen Pfeil genau in ein vorgegebenes Ziel schießen kann. Aber so einfach war es nicht. Das Ziel bestand aus einem Goldfisch, der an einem sich drehenden Rad befestigt war. Der Bogenschütze sollte den Pfeil so lenken, dass er genau das Auge des Fischs durchbohren würde. Aber das war noch nicht alles. Um die Sache noch komplizierter zu machen, sollte der Bogenschütze nicht direkt auf den Fisch zielen können. Stattdessen sollte er nur das Abbild des Fisches sehen, das sich in einer flachen Schale Wasser widerspiegelte, die darunter stand. Er sah also die Widerspiegelung des sich ständig drehenden Rades, an dem der Fisch hing und sollte einen Pfeil abschießen, der exakt das Fischauge traf! Wahrhaftig eine gewaltige Aufgabe! Nicht aber für den großen Bogenschützen Arjuna!

Nachdem viele der Prinzen, die sich beworben hatten, an der enorm schwierigen Aufgabe gescheitert waren, gab Krishna Arjuna ein Zeichen, er solle hervortreten. Arjuna war sich seines Sieges vollkommen sicher und trat kühn hervor. Krishna winkte ihn zu sich heran und sagte: „Sei unbesorgt, du hast meine Gnade. Geh hin!“ Das amüsierte Arjuna, denn er glaubte nicht, dass eine so simple Aufgabe der Gnade Gottes bedürfe. Er meinte, für ihn sei es ein Kinderspiel! Krishna wusste was Arjuna dachte und erklärte: „Arjuna, ich weiß, dass du ein ausgezeichneter Bogenschütze bist. Geh hin und tue was du kannst. Ich werde das tun, was du nicht kannst.“ Arjuna war verwundert. Mit gefalteten Händen fragte er Krishna: Herr, was ist es, das ich nicht tun kann?“ Krishna antwortete: „Arjuna, du gibst damit an, du könntest mit Leichtigkeit das Auge eines rotierenden Fisches treffen, selbst wenn du dabei nur auf sein Spiegelbild schaust. Doch angenommen, es macht sich ein starker Wind auf, der das Wasser kräuselt. Wie solltest du dann ein klares Spiegelbild sehen können? Liegt es in deiner Macht, den Wind zu beherrschen? Alle Elemente unterstehen meiner Herrschaft. Ich werde dafür sorgen, dass sich kein Wind aufmacht. Geh hin und sei siegreich!“ Arjunas Stolz war gebrochen.

Auf diese Weise müssen wir Hand in Hand mit Swami arbeiten. Wir tun was wir können, und Swami wird sagen: „Ja, ich bin bei dir. Komm, lass es uns gemeinsam tun!“ In dieser Einstellung sollten wir uns im selbstlosen Dienst engagieren. Sind wir Ärzte oder medizinisches Personal können wir an der Front stehen und den Patienten direkt helfen. Wenn nicht, können wir Hilfsdienste leisten, indem wir Patienten ins Krankenhaus bringen, Sauerstoffflaschen beschaffen oder dafür sorgen, dass die notwendigen Medikamente vorhanden sind. Es gibt so viele direkte oder indirekte Möglichkeiten, selbstlosen Dienst zu leisten! Wir können all das tun wozu wir imstande sind. Unser Herz muss angesichts des Leids unserer Mitgeschöpfe weinen. Wir sind nicht allein in dieser besonderen

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Herausforderung, vor die die Pandemie uns gestellt hat. Mit Swami an unserer Seite kämpfen wir alle dagegen an. Wir müssen unseren Brüdern und Schwestern helfen. Der Körper des Menschen ist dazu da, Anderen Gutes zu tun (paropakarartham idam sharīram). Wenn wir uns nicht in irgendeiner Weise in selbstlosem Dienst engagieren, bleiben wir etwas schuldig. Wenn doch so viele sterben – warum sind wir noch am Leben? Warum hat Gott uns dieses Leben geschenkt? Es gibt einen höheren Sinn und Zweck und wir sollten auf diesen Aufruf zu selbstlosem Dienst antworten.

Gottes Gnade auf sich ziehen

Was geschieht wenn wir selbstlosen Dienst leisten? Wir ziehen die Gnade Gottes auf uns herab. Bhagavan sagt es mit so einfachen Worten. Er sagt: „Meine Gnade ist immer da. Ihr braucht Gott nicht speziell darum zu bitten, seine Gnade über euch auszuschütten. Meine Gnade ist wie die Luft oder der Wind, der immer weht. Doch wie man auf dem Segelboot die Segel zu setzen hat, um die Windkraft einzufangen und das Boot zu navigieren, so müsst auch ihr die Segel eures Geistes ausrollen, um meine Gnade zu bekommen.“ Das Segel eines Segelschiffs nimmt die potentielle Kraft des Windes auf, konvertiert sie in kinetische Energie und treibt das Schiff voran.

Um den ständig vorhandenen Wind Seiner Gnade auf uns zu lenken, müssen wir die Segel unseres Lebensbootes setzen, was ein symbolischer Ausdruck für das Tätigwerden (Karma-Handeln) ist, insbesondere für das Engagement in selbstlosem Dienst (Seva). Wir haben gehört, wie Bhagavan sagte: Wann immer Gott kommen muss, um eine/n Devotee zu retten bzw. ihn/sie vor irgendeiner Katastrophe zu schützen, überprüft Bhagavan auf Grund der dharmischen Gesetze das Lebenskonto dieser Person und hält Ausschau nach irgendeiner kleinen guten Tat, die er/sie vollbracht hat welche die Intervention der göttlichen Gnade rechtfertigt. Ansonsten mischt Gott sich niemals in unser Leben ein. Er hat uns dieses Leben geschenkt mit vollkommener Freiheit und völliger Demokratie. Was auch immer uns begegnet ist die Folge unserer eigenen Handlungen. Wir leben, wir handeln, wir genießen, wir leiden. Haben wir auf Grund irgendeiner negativen Handlung negative Konsequenzen bewirkt, werden wir im Leben auch mit deren bitteren Folgen konfrontiert. In solchen Momenten schreien wir nach Gott, aber auch Gott benötigt einen triftigen Grund, um intervenieren und den Devotee vor den bitteren Konsequenzen, die er selbst auf sich geladen hat, retten zu können. In welchem Fall wird der dharmische Schöpfungsplan Bhagavan erlauben, in das Leben eines Devotees einzugreifen und vor schlimmen Konsequenzen zu schützen? Wenn sich der Devotee in selbstlosem Dienst engagiert hat, zieht er dadurch Gottes Gnade auf sich herab. Akte der Freundlichkeit, selbstloser Dienst, Liebe und Mitgefühl mit Anderen dienen als triftige Gründe für den göttlichen Eingriff in unser Leben. Das klassische Beispiel dafür ist die Szene, in der Krishna Draupadi segnet, indem er ihr Ballen von Saris zukommen lässt als Gegengabe für ein kleines Stück Stoff, das sie bei einer Gelegenheit von ihrem Sari abriss, um Krishnas blutenden Finger zu verbinden.

Drei Arten göttlicher Gnade

Im Jahre 1994 gab Bhagavan eines Abends in Kodaikanal im Laufe einer Ansprache einige unermesslich wertvolle Botschaften, die sehr wichtig sind für das Thema, das wir hier abhandeln. An jenem Abend sprach er über die Gnade Gottes. Swami sagte, Gott mische sich niemals in das ein, was in der Schöpfung geschieht, er mische sich auch niemals in das Karma Einzelner ein. In was für gute oder schlechte Situationen Menschen auch immer geraten – es sind die Folgen ihrer Handlungen in diesem oder früheren Leben. Doch durch unser Gebet und selbstloses Dienen ziehen wir die Gnade Gottes auf uns herab. Auf welche Weise wirkt diese Gnade? Bhagavan führte drei Beispiele an über die Art, wie Gottes Gnade wirkt.

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Die erste – Wenn ein Arzt eine Operation ausführt, versetzt er den Patienten in Narkose, um sicherzustellen, dass der Patient keinen Schmerz verspürt. Gleichermaßen wirkt Gottes Gnade wie eine Anästhesie, die den Schmerz unterbindet, wenn jemand die bitteren Konsequenzen einer Handlung (Karma) durchzumachen hat. Zieht der Devotee Gottes Gnade auf sich, wirkt diese wie eine starke Dosis Chloroform. Er wird die Konsequenzen durchmachen, aber keine Schmerzen dabei empfinden. Situationen und Umstände werden so annehmbar gestaltet, dass der Einzelne reibungslos durch die Schwierigkeit hindurchgeht.

Die zweite – Die meisten Medikamente sind mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen. Wenn dieses überschritten ist, soll man die Medizin nicht mehr einnehmen. Doch selbst wenn sie in manchen Fällen danach doch noch eingenommen wird, wird sie einem nicht schaden, aber auch nicht helfen. Nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum bleiben die Medikamente wirkungslos. Sie verlieren ihre Kraft und hinterlassen deshalb nicht die gewünschte Wirkung im Körper. Bhagavan erklärte es so: Wenn ein Devotee Gottes Gnade auf sich gezogen hat, würde Gott die karmischen Folgen umdatieren, sodass der Devotee das Karma wohl durchmachen müsse, aber sozusagen nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums, und deshalb würde er die negativen Folgen nicht spüren.

Die dritte – Über diese beiden Arten hinaus gibt es eine dritte Art und Weise, wie Gottes Gnade wirkt. Bhagavan nannte dies die „spezielle Gnade“ (tilodayaka). Um sie zu erläutern gebrauchte er eine Analogie. Er erklärte es so: Wenn ein Lehrer die Prüfungsarbeiten der Studenten bewertet, wird er besonders auf die Studenten achten, die in Gefahr sind durchzufallen, weil sie möglicherweise weniger als das Standardmaß 40 von 100 Punkten erreichen. Wenn der Lehrer nun die Arbeit eines Studenten bewerten soll, der nur 39 der 40 benötigten Punkte geschafft hat – was soll er tun? Der Prüfer wird eine Weile nachdenken: Ist meine Beurteilung so perfekt? Kann ich den Studenten wirklich durchfallen lassen? Könnte ich ihm nicht einen zusätzlichen Punkt geben? In dieser Situation wird der Prüfer unwillkürlich andere Seiten dieses Studenten in Betracht ziehen. Was für ein Student ist er? Verhält er sich im Unterricht sehr diszipliniert? Ist er Swami sehr ergeben? Hat er alle Bedingungen und Vorschriften unseres Schulungssystems ernsthaft befolgt? Hat er oft selbstlos gedient und seinen Mitschülern geholfen? Wenn die Antwort auf alle diese Fragen „Ja“ ist, wird der Lehrer es gerechtfertigt finden, ihm einen Punkt mehr zu geben und ihn bestehen zu lassen. Bhagavan setzte dies mit Tilodayaka, der speziellen Gnade, gleich. Swami ist bereit, diese Option anzuwenden, um jemanden zu retten, aber er hält Ausschau nach einer selbstlosen Tat des Devotees, nach einem besonderen Akt des Mitgefühls, den er vollbracht hat.

Darum ist es äußerst wichtig, sich so oft und viel wie möglich in selbstlosem Dienst zu engagieren – nicht nur um anderen zu helfen, sondern zu unserem eigenen Nutzen!

(Fortsetzung folgt)

- Der Verfasser ist Associate Professor, Department of Management and Commerce, Brindavan Campus of Sri Sathya Sai Institute of Higher Learning.

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ERINNERUNGEN AN MEINE BEGEGNUNG MIT GOTT

UND MEINE ERFAHRUNGEN MIT IHM

Debasis Mukerjee

Wahrscheinlich hat jeder Mensch an einem Punkt seines Lebens ein Erlebnis oder erlebt eine Kette von Ereignissen in kurzer Aufeinanderfolge, die eine unauslöschliche, dauerhafte Spur hinterlassen und bewirken, dass sich der eingeschlagene Kurs und die Orientierung seiner Existenz drastisch verändern. Das könnte man als ein epochales Ereignis oder Geschehnis bezeichnen. Mir widerfuhr ein solcher Wendepunkt in meinem Leben, als ich die Gelegenheit bekam, einen Monat lang – im Mai/Juni 1974 im Alter von 22 Jahren – in großer Nähe zu Bhagavan Sri Sathya Sai Baba Göttlichkeit und Wahrheit einschätzen und erleben zu dürfen.

Ich bekam die kostbare Gelegenheit, am Sommerkurs in Indischer Kultur und Spiritualität teilzunehmen und Worte der Weisheit zu hören – von berühmten Gelehrten, führenden Professoren, praktizierenden Theologen, spirituell entwickelten sowie beruflich anerkannten Persönlichkeiten und vor allem von Sri Sathya Sai Baba selbst. Ich erlebte den Meister einen Monat lang und werde nun versuchen, dem Leser meine direkten, aus nächster Nähe persönlich erlebten, erhebenden Erfahrungen mit Ihm nahezubringen. Diese Erfahrungen, die sich meinem Geist tief eingeprägt haben und die man wahrscheinlich nur einmal im Leben machen kann, gestatteten mir, einen kurzen Einblick zu gewinnen und mir vielleicht den größeren Rahmen einer sinnerfüllten Existenz bewusst zu machen. Bevor ich jedoch damit beginne, würde ich gerne kurz meine Vorgeschichte erzählen, die mit diesem bemerkenswerten Erlebnis verbunden ist.

Meine Eltern

Ich wurde am 3. April 1952, am Geburtstag von Sri Rama, in Kidderpore, Kolkata, geboren. Meine Eltern waren ein hart arbeitendes, ehrliches, würdevolles, mitfühlendes, hingegebenes und frommes Ehepaar. Mein verehrter Vater, Sri Dulal Gopal Mukerjee selig, war ein akademisch brillanter, hervorragender Ingenieur, der das Studium an der Universität von Rangoon (Yangon), Burma (Myanmar) absolviert hatte. Er machte beruflich eine glanzvolle Karriere, indem er etliche wichtige Regierungsämter bekleidete: als Chefingenieur des Wasserwirtschaftamtes der Regierung von Westbengalen, als Architekt des Salzsee-Areals von Kolkata und als Minister der Regierung von Himachal Pradesh. Er war der einzige Nicht-IAS-Beamte, ein reiner Technokrat, der den Posten des Präsidenten der Kolkata Corporation bekam, womit er den Platz einnahm, den der legendäre Subhas Chandra Bose, bei Indern als Netaji bekannt und beliebt, innegehabt hatte. Obschon er beruflich solche Höhen erreichte, war er doch tief mit seinen spirituellen Wurzeln und Praktiken verbunden. Scheinbar ganz plötzlich, vom kosmischen Plan her gesehen jedoch unausweichlich, lernte er Mitte der Sechzigerjahre Sri Sathya Sai Baba kennen und lebte sein Leben danach unter seinen Fittichen. Er fand Erfüllung und innere Glückseligkeit, als Sri Sathya Sai Baba ihm während einer persönlichen Begegnung einen Apfel reichte und dabei sagte: „Du bist gut.“

Meine Mutter, Smt. Sarbani Mukerjee selig, war der Inbegriff von Geduld und Mitgefühl, zudem war sie mit der Energie gesegnet, Herausforderungen annehmen und hart arbeiten zu können. In jungen Jahren, etwa mit elf, wurde sie von ihrem spirituellen Mentor bzw. Guru, der dem Ramakrishna Orden angehörte, eingeweiht. Sie hatte Sri Ramakrishna in ihrem Herzen ganz und gar verinnerlicht. Als

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mein Vater in Shimla, Himachal Pradesh, arbeitete, stellte sie ihren Mut und ihre Widerstandsfähigkeit unter Beweis, indem sie mit eigenen Händen unser neues Haus in der Gegend von New Alipore baute. 1966 zogen wir schließlich nach New Alipore um. Als wir dort wohnten, wurde sie hauptsächlich auf Grund ihrer inneren Impulse und persönlichen Offenbarungen vollständig zu einer Devotee von Sri Sathya Sai Baba. Von 1968 an nahm das Sri Sathya Sai Seva Samithi in Alipore seine Aktivitäten auf, und daraufhin wurden jeden Donnerstag in unserem Haus Bhajans abgehalten.

Meine Schulausbildung begann in der St. Thomas Schule für Jungen in Kidderpore, und ich hatte das Glück, große Vorliebe für die englische Sprache und auch gute Sprachkenntnisse zu entwickeln. Später besuchte ich die Ramakrishna-Missionsschule in Narendrapur, wo ich die Klassen IX bis XI absolvierte. Nach Schulabschluss begann ich 1968 mit dem fünfjährigen Ingenieursstudium in Metallurgie am Bengal Engineering College, Sibpore. In den Jahren, die ich in der Ramakrishna-Missionsschule und auch im College verbrachte, entwickelte ich großes Interesse an Sport, besonders an Tischtennis und Cricket, was mir Gelegenheiten bot, meine Schule bei Schul- und Collegeturnieren und Wettkämpfen zu repräsentieren.

Sri Sathya Sai Baba tritt in mein Leben ein

Als von 1968 an wöchentlich Bhajans in unserem Haus abgehalten wurden, begann meine Mutter mir die Bhajans beizubringen, die bei diesen Treffen gesungen wurden. Ich fand es selbst ein wenig komisch, dass ich die Melodien schnell erfasste und die Bhajans im richtigen Rhythmus singen konnte, obwohl ich keinen formalen Musikunterricht erhalten hatte. Der Unterricht, den mir meine Mutter dank ihrer musikalischen Kenntnisse erteilen konnte, war für mich der primäre Grund, ein gewisses Selbstvertrauen dafür zu entwickeln, dass ich singen konnte, ohne zu viele Fehler zu machen. In dem Maße, wie mein Interesse an den Bhajans wuchs, erweiterte sich auch mein Kontakt und Engagement mit den Mitgliedern der Gruppe. So ergab es sich, dass ich mehr über die Ziele, die Lehren und die Mission von Sri Sathya Sai Baba lernte.

Anfang Januar 1971 begleitete ich meine Eltern nach Bengaluru, um dort am 58. Indischen Wissenschaftskongress teilzunehmen. Als wir in Bengaluru angekommen waren, erfuhren wir, dass Sri Sathya Sai Baba mit einem Linienflug in Bengaluru landen würde. Am Morgen des angekündigten Tages fuhren wir zum Flughafen, um seinen Darshan zu erhalten. Damals waren die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen noch nicht so streng, und man konnte einander ganz nah kommen. Die Tür des Flugzeugs öffnete sich, und als Erster stieg Sri Sathya Sai Baba aus – eine elegante Gestalt im safranfarbenen Gewand. Ich erinnere mich gut, dass ich beim ersten Blick auf Baba einen spontanen Freudenstrom in meinem Inneren verspürte, und meine Augen quollen über von Tränen des Glücks. Es war, als ob im Moment dieser allerersten Begegnung eine kraftvolle magnetische Bindung besiegelt worden wäre. Später am Nachmittag fuhren wir zum Brindavan-Aschram in Whitefield, um seinen Darshan zu erhalten. Ich erlebte noch einen weiteren übermächtigen Gefühlsausbruch der Glückseligkeit. In der Nacht dachte ich unablässig darüber nach, warum ich wohl diese gewaltige herzliche Verbundenheit mit ihm empfand. War ich nur vorübergehend durch seinen Anblick hypnotisiert oder war es der Beginn einer dauerhaften Beziehung zu einer erhebenden universellen Macht, die sich in seiner magnetisch anziehenden Gegenwart verkörpert hatte? Es sollten noch weitere Erfahrungen folgen, welche die Wahrheit zutage treten ließen.

Für die Teilnahme am Sommerkurs ausgewählt

Ende März 1974 verkündete Sri Arun Datta, ein bekannter Rechtsanwalt und damaliger Vorsitzender der Sri Sathya Sai Seva Organisation (SSSSO) von Westbengalen, dass im Mai/Juni dieses Jahres ein einmonatiger Sommerkurs in Indischer Kultur und Spiritualität auf dem Campus des Brindavan-

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Aschrams in Whitefield, Bengaluru, stattfinden würde. Der Kursus werde unter der Leitung von Sri Sathya Sai Baba und in seiner Anwesenheit stattfinden. Zugelassen seien nur College-Studenten, die sich entweder noch im Studium befanden oder die ihr Schlussexamen abgelegt hatten und auf ihre Resultate warteten, um dann das College-Studium abzuschließen. Ich hatte mich im letzten Jahr meines Ingenieurstudiums für das Abschlussexamen angemeldet. Am Sommerkurs durften Studenten (Jungen und Mädchen) aus allen Bundesstaaten und Unionsterritorien Indiens teilnehmen, auch diejenigen, die an Sri Sathya Sai Institutionen studierten. Sogar Studenten aus dem Ausland waren zugelassen. Jeder Bundesstaat durfte maximal 20 Studierende zur Teilnahme auswählen. Es gab drei Auswahlkriterien. Zugelassen waren: 1. Studierende an einem College bzw. einer Universität, 2. Sie mussten über gute Englischkenntnisse verfügen (da der Kurs nur in englischer Sprache abgehalten wurde) und 3. Sie mussten sich mit spiritueller Literatur befasst haben, vornehmlich derjenigen von Sri Sathya Sai Baba.

Die SSSSO von Westbengalen gab einen Termin in der zweiten Aprilhälfte 1974 bekannt, an dem ein schriftlicher Test in Form eines Aufsatzes abgelegt werden musste, um zum Sommerkurs 1974 zugelassen zu werden. Innerhalb einer Woche wurden die Ergebnisse des Auswahlverfahrens bekanntgegeben. Mit Sri Sathya Sai Babas Gnade stand ich auf der Liste der ausgewählten Studenten an erster Stelle! Insgesamt waren wir 13 Studenten – nur Jungen – aus Westbengalen, die sich für den Sommerkurs qualifiziert hatten. Professor A.K. Ghosh, Dekan der Fakultät Civil Engineering, IIT, Kharagpur, wurde zum Leiter der Studentengruppe ernannt.

Der Campus von Brindavan

Endlich erreichten wir das geheiligte Brindavan und ließen uns für den Kurs in Indischer Kultur und Spiritualität registrieren. Rund 400 Studierende aus verschiedenen Teilen Indiens und des Auslandes wurden für die Dauer des Sommerkurses beherbergt.

Ein strenger Tagesablauf

Der Sommerkurs begann am 20. Mai 1974. Die teilnehmenden Studenten hatten sich an einen straff durchorganisierten, strengen Stundenplan zu halten. Wir standen um 4.30 Uhr morgens auf, machten uns frisch und versammelten uns um 5.00 Uhr zu Suprabhatam und Nagarasamkirtana. Nach der Rückkehr ins Wohnheim beendeten wir unsere morgendlichen Waschungen, und um 7.30 Uhr gingen wir frühstücken. Die Unterrichtsstunden begannen um 9.00 Uhr und dauerten bis 12.30 Uhr. Jede Unterrichtsstunde dauerte 45 Minuten, zuweilen eine ganze Stunde. Zu Mittag aßen wir gewöhnlich zwischen 12.45 und 13.45 Uhr. Der Nachmittagsunterricht fand von 14.00 bis 17.00 Uhr statt. Tee und Gebäck (tiffin) wurde zwischen 17.30 und 18.00 Uhr bereitgestellt. Anschließend versammelten wir uns zum Abenddarshan und zur Ansprache von Sri Sathya Sai Baba. Diese dauerte von 18.30 bis 19.30 Uhr und wurde mit dem Arati abgeschlossen. Unmittelbar im Anschluss an seine Ansprache wurde zwischen 19.30 und 20.30 zu Abend gegessen. Wir hatten das große Glück, dass Sri Sathya Sai Baba uns beim Mittag- und Abendessen zumindest einen Teil des Essens mit seinen eigenen Händen auftat. Das bot uns die freudige Gelegenheit, ihn aus nächster Nähe zu sehen und manchmal ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Wir warteten stets sehnsüchtig auf diese Stunde, in der er viele unserer Sorgen, Probleme und Zweifel klären konnte. Nach dem Abendessen rekapitulierten die Studenten den Unterrichtsstoff des Tages oder auch der vorangegangenen Tage. Ab 21.45 Uhr war Nachtruhe. Der folgende Tag hatte denselben Ablauf.

Die Vorlesungen im Sommerkurs über Indische Kultur und Spiritualität waren einzigartig und deckten viele verschiedene Gebiete ab. Sie beinhalteten ein weites Spektrum von Themen: Spiritualität und Wissenschaft, die verschiedenen philosophischen Schulen Indiens, Epen der Welt, Weltreligionen, die

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Veden, die Upanischaden und Puranas, die Bhagavadgita, Yoga, berühmte religiöse Persönlichkeiten und Religionsstifter, die persönliche spirituelle Praxis, Ethik, Moral, Geschäftsleben, persönliches Verhalten usw. Die Vorlesungen wurden von sehr hochkarätigen Persönlichkeiten gehalten, die von verschiedenen Fachgebieten kamen: Professoren, Akademiker, Wissenschaftler, Gelehrte, Theologen, Psychologen, Unternehmer sowie Menschen, die auf den Gebieten der Kunst und Kultur etc. bemerkenswerte Beiträge geleistet hatten. Zu den bekannten und hochgeachteten Rednern zählten auch Prof. N. Kasturi, der unnachahmliche Schriftsteller und Biograph von Sri Sathya Sai Baba; Prof. V. K. Gokak, der erste Vizekanzler des SSSIHL, Puttaparthi; Prof. S. Bhagavantam, ein Physiker und Wissenschaftler von außerordentlich hohem Rang, Vizekanzler der Osmania-Universität und wissenschaftlicher Berater des Verteidigungsministeriums der indischen Regierung; Sri Howard Murphet, ein aus Australien stammender spiritueller Sucher und Theologe, Verfasser einiger Bücher über Sri Sathya Sai Baba.

Sri Sathya Sai Baba hielt jeden Abend seinen spirituellen Vortrag vor den Studenten. Einen ganzen Monat lang sprach er detailliert und umfassend über die Bedeutung und den Stellenwert von „Bharat“. Wir waren alle von Ehrfurcht ergriffen, lauschten wie gebannt, waren erstaunt und fühlten uns bereichert durch die zahlreichen Erläuterungen, die er für alle denkbaren Nuancen hinsichtlich der Größe Bharats anführte. Es war einfach unbestreitbare Tatsache, dass es für jeden gewöhnlichen Menschen praktisch unmöglich gewesen wäre, täglich einen Monat lang über dieses eine Thema zu sprechen und dabei komplizierte, sehr eigene, spezielle Facetten des Themas zu beleuchten. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass dies nur jemandem möglich war, der über ein allumfassendes göttliches Wissen und Verständnis verfügte.

Einige Geschehnisse und ihre subtilen Konnotationen

Während dieses Monats, den wir in großer Nähe zu Sri Sathya Sai Baba in Brindavan, Whitefield, zubrachten, geschahen viele Dinge, die mich direkt betrafen und die eine starke Wirkung auf mein Denken und meine Psyche ausübten. Mit allen diesen äußerlichen Geschehnissen war eine innere Bedeutung verbunden und sie dienten mir als Lektionen. Ich werde versuchen, einige der Geschehnisse, die einen bleibenden Eindruck auf mich machten, zu analysieren und zu entziffern.

Etwas Unangenehmes, Aufreibendes widerfuhr mir zwei Tage nach Beginn des Sommerkurses. Ich bekam entsetzliche Magenschmerzen, die mich beträchtlich vereinnahmten und ablenkten. Ich suchte den für das Wohnheim zuständigen Arzt auf und nahm die Medikamente, die er mir verschrieb. Nachts konnte ich im Liegen nicht schlafen und saß die ganze Nacht aufrecht da, um den Schmerz zu lindern. Merkwürdigerweise wurde der Schmerz mit der Zeit schlimmer statt weniger. Die Beschwerden wuchsen in einem Maße an, dass ich mich nicht mehr auf den Kurs konzentrieren konnte und das Interesse verlor.

Am Abend des vierten Tages beschloss ich zum Bahnhof von Whitefield zu gehen, dort eine Weile zu bleiben und in aller Ruhe zu überlegen, was ich als Nächstes tun sollte, denn ich war nicht in der Lage, mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Schließlich dachte ich, ich sollte mich vom Kurs abmelden, da ich sowohl physisch erschöpft als auch mental gestresst war. Ich beschloss, die dementsprechende Erlaubnis von Sri Sathya Sai Baba einzuholen.

Während des Mittagessens am Nachmittag des fünften Tages bereitete ich mich darauf vor, ihm meine missliche Lage zu schildern. An jenem Tag verteilte er zufällig Laddus (süße Bällchen) an die Studenten. Als er vor mich trat und mir gnadenvoll den Laddu reichte, versagte mir die Sprache, ich konnte kein einziges Wort hervorbringen. Doch nachdem er an drei weitere Jungen Laddus ausgeteilt hatte, drehte er sich plötzlich zu mir um und fragte mich auf Hindi: „Was fehlt dir?“ Die Schmerzen in

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meinem Magen hatten noch zugenommen. Sofort erzählte ich ihm auf Hindi von meinem Problem und bat ihn auch um die Erlaubnis, nach Hause fahren zu dürfen. Mit einem sanften Lächeln bemerkte er, mein Problem rühre von dem scharfen, mit Chili gewürzten Essen her, das ich bevorzugte. Ohne auf meine Bitte um seine Erlaubnis einzugehen riet er mir: „Iss den Laddu!“ Ich hörte auf, Reis mit scharfem Sambar (eine dünnflüssige südindische Linsensoße) zu essen und verschlang stattdessen den Laddu. Wie durch Zauberhand verging das Brennen in meinen Innereien in demselben Moment, als der erste Krümel des Laddus meine Zunge berührte.

(Fortsetzung folgt)

- Der Verfasser ist der ehemalige Executive Director und In-charge, R&D Centre for Iron and Steel, Steel Authority of India, Ranchi und State Go Green Koordinator, Sri Sathya Sai Seva Organisation, Jharkhand.

Bhagavata Vahini

10. Kapitel

MYSTERIUM KRISHNA

Bhima konnte noch ein wenig Mut aufbringen. „Bruder“, sprach er, „erlaube mir, sogleich nach Dvaraka zu eilen und dann so schnell wie möglich zurückzukehren, um deine Ängste mit einem ausführlichen Bericht über alle Vorkommnisse zu zerstreuen.“ Noch während Bhima auf den Knien um Erlaubnis bat, ging die Sonne unter, und von überall her begannen die Lampen ein schwaches Licht auszustrahlen.

Währenddessen kam ein Wächter vom Haupteingang her eilig herein und verkündete, dass Arjuna gekommen sei und sich den königlichen Hallen nähere. Alle erhoben sich, als sei das Leben plötzlich in sie zurückgekehrt. Voll Begierde auf die Neuigkeiten aus Dvaraka eilten sie Arjuna entgegen. Arjuna trat ein, verzweifelt und verzagt, und ließ kein Zeichen der Freude erkennen. Ohne seine Brüder anzusehen, stürzte er zu Dharmarajas Füßen nieder.

Diese Anzeichen bestätigten Dharmarajas Befürchtungen, und er wollte Genaueres erfahren. Er fragte, wie es um die Freunde und Verwandten in Dvaraka bestellt sei. Arjuna konnte den Kopf weder heben noch wenden. Die Brüder sahen, wie seine Tränen über Dharmarajas Füße strömten, und erstarrten vor Schreck. Dharmaraja verlor jegliche Haltung. Er versuchte, Arjuna aufzuheben, packte ihn bei den Schultern, schüttelte ihn und schrie in seiner Qual: „Bruder! Was ist passiert? Was ist mit den Yadavas geschehen? Berichte uns! Unsere Herzen zerspringen. Erlöse uns aus dieser Todesangst!“

Doch von Arjuna kam keine Antwort. Er konnte sich weder erheben noch war er imstande, Worte hervorzubringen. Dharmaraja fuhr fort, ihn mit Fragen zu überschütten, erkundigte sich nach dem Wohlergehen der Yadavas und anderer, erwähnte alle mit Namen und fragte nach jedem Einzelnen von ihnen. Auch auf dieses Schnellfeuer der Verzweiflung reagierte Arjuna nicht. Weder antwortete er, noch hob er sein Angesicht, um seinem Bruder in die Augen zu schauen.

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„Du brauchst uns nicht alles zu erzählen, nur eines: Was sollst du uns von Vasudeva ausrichten? Wie lautet seine Botschaft an uns, sag es uns!“, bat Dharmaraja. Arjuna hielt es nicht mehr aus. Er ließ dem Schmerz, den er so lange zurückgehalten hatte, freien Lauf: „Wir haben keinen Vasudeva mehr! Wir sind Waisen. Wir konnten ihn nicht halten, unser Glück hat uns verlassen!“, stieß er hervor, dann fiel er wieder aufs Angesicht und schluchzte.

Sahadeva erfasste die Lage und deren mögliche Folgen und schloss alle Türen der Halle, dann bemühte er sich, die Wogen des Schmerzes zu glätten.

„Weh uns, dass wir dies erleben müssen! Oh Schicksal, wie kannst du die Welt nur so grausam behandeln?“ jammerten die Brüder im Chor. „Oh Herr, warum hast du die Pandavas derart verlassen? Warum dieser Treuebruch? Dass wir überlebt haben, nur um diese Botschaft vernehmen zu müssen, ist die Folge einer Anhäufung von Sünden vieler Generationen!“ – so klangen ihre Fragen und Erklärungen. Dann versank jeder von ihnen tief in seinem eigenen Schmerz, seiner eigenen Verzweiflung, und düstere Stille senkte sich über die Halle.

Dharmaraja erlangte als erster die Fassung wieder. Die Tränen aus den Augen wischend, fragte er Arjuna mit schwacher Stimme: „Kannst du uns berichten, wie es den Eltern geht und Nanda und Yashoda und den anderen Yadavas? Berichte uns von ihnen. Sicher sind sie gebrochen vom Schmerz über den Verlust unseres Herrn. Wenn schon wir so von Kummer überwältigt sind, wie muss es dann erst um sie stehen? Sie müssen doch völlig verzweifelt sein. Wie können sie noch atmen? Ach, es ist sinnlos, sich den Schmerz einzelner Personen vor Augen zu führen – die ganze Stadt Dvaraka muss in einem Meer untröstlichen Schmerzes versunken sein!“

Dharmaraja schluchzte bei dieser Vorstellung. Da Arjuna ihn so sah, sprach er: „Bruder! Die Leute von Dvaraka sind weitaus besser dran als wir. Wir sind die Allerunglückseligsten. Wir sind verhärtete Kreaturen, die einzigen, die die Schreckensnachricht von Vasudevas Hinscheiden aus dieser Welt überlebt haben. Alle anderen verließen die Welt noch bevor die Nachricht von seinem Fortgang bekannt wurde.“

Darauf rief Dharmaraja aus: „Hari, Hari, o Gott! Was hast du da gesagt? Ich verstehe nicht – wurde Dvaraka von einer Flutwelle verschlungen? Oder sind barbarische Horden eingefallen, haben die Stadt überwältigt und die Einwohner ermordet? Arjuna, sag uns, was geschehen ist! Unsere Phantasie malt sich schon die schrecklichsten Bilder aus, mach dem bitte ein Ende!“ Dharmaraja ergriff Arjunas Hand und hob sein Gesicht auf, um ihn zu einer Antwort zu bewegen.

„Nein“, sprach Arjuna, „kein Meer wurde wild und verschlang Dvaraka, kein Herrscher führte sein Heer gegen die Stadt. Bosheit und Gemeinheit verbreiteten sich aufs Irrsinnigste unter den Yadavas und erregten Streit und Hass in solchem Maße, dass sie sich mit ihren Waffen gegenseitig umbrachten.“

„Arjuna, eine übermächtige Kraft muss die Yadava-Sippe, jung und alt, gezwungen haben, sich selbst in einem Massaker zu opfern. Denn ohne Ursache gibt es keine Wirkung, nicht wahr?“, fragte Dharmaraja und erwartete, Näheres über die Ursachen des Gemetzels zu hören.

Arjuna wartete eine Weile, um den erneut aufsteigenden Schmerz zu überwinden; dann begann er, von den Ereignissen zu berichten. Die drei anderen Brüder scharten sich dicht um ihn und Dharmaraja und lauschten der tragischen Geschichte.

„Ich habe erfahren, dass auch nicht das kleinste Ereignis ohne den Willen Vasudevas stattfinden kann. Davon bin ich mittlerweile völlig überzeugt. Er ist derjenige, der die Schnüre der Marionetten hält und die Puppen ihre Rollen spielen lässt. Und dann setzt er sich auch noch unter die Zuschauer und tut, als

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kenne er die Handlung, Geschichte und Rollenverteilung nicht. Die Schauspieler können von seiner Regie nicht im Geringsten abweichen, denn sein Wille leitet und bestimmt jede Bewegung und jeden Schritt. Die verschiedenen Gefühle und Geschehnisse, die das Schauspiel auf der Bühne sich entrollen lassen, haben ihren Einfluss auf die Herzen der Beteiligten. Im Herzen des Puppenspielers jedoch erregen sie nicht die geringste Bewegung.

Er bestimmt, was eine Person sagen und was eine andere tun soll, und er gibt ihnen die passenden Worte und Taten ein. Die Folgen der Taten, die jeder Einzelne in früheren Leben ausgeführt und in das gegenwärtige mitgebracht hat, tragen auch ihr Teil zu diesem Schicksal bei. Die Yadavas, unsere Verwandten und Freunde, waren, wie ihr wisst, religiöse und Gott hingegebene Menschen. Vielleicht hat irgendwann ein Heiliger sie mit einem Fluch belegt, oder sie haben irgendeine schwerwiegende Sünde begangen – welche Erklärung hätten wir sonst für diesen plötzlichen Umsturz in ihrer Geschichte, für diese unwahrscheinliche Tragödie?

Sie hielten in Prabhasakshetra eine prunkvolle Opferfeier ab. Volle sieben Tage lang wurde das Opfer gefeiert, in nie dagewesener Pracht und Größe. Beim Abschlussopfer wurden Gaben in wahrhaft vedischem Ausmaß ins heilige Feuer geopfert, wobei Krishna, der Herr, selbst anwesend war. Später nahmen die Teilnehmer und Priester das zeremonielle Bad im heiligen Gewässer, dann erhielten die Brahmanen ihren Anteil an den Opfergaben und verteilten diese an die Yadavas. Alles geschah in vollkommener Ruhe, Zufriedenheit und Freude.

Gegen die Mittagsstunde wurde die Speise an die Brahmanen ausgeteilt, und danach setzten sich die Yadavas in langen Reihen nieder, um am Festessen teilzunehmen. Das Unglück wollte es, dass einige Yadavas dabei zu viel von den berauschenden Getränken zu sich nahmen und derart die Selbstbeherrschung verloren, dass sie ihre eigenen Verwandten für Feinde hielten. Sie begannen Streitereien, die in ernsthafte Kämpfe ausarteten. Es muss ein Teil des göttlichen Planes gewesen sein, denn ein Mann mag noch so ungebärdig und gemein sein – niemals würde er doch seine eigenen Kinder und Eltern umbringen! Oh, wie entsetzlich! In dem nun folgenden allgemeinen Gemetzel töteten Söhne ihre Väter und Väter ihre Söhne. Bruder erschlug Bruder, der Schwiegersohn den Schwiegervater und der Schwiegervater den Schwiegersohn in einer wahnhaften Orgie blinden Hasses, bis keiner mehr am Leben war!“ Arjuna konnte nicht mehr weitersprechen. Er lehnte sich an die Wand und umfasste mit beiden Händen seinen Kopf, der ihm vor Schmerz und Pein zu zerspringen drohte.

Dharmaraja hatte den Bericht mit Schrecken und Staunen vernommen. Er legte seine Hände auf Arjunas Rücken und sprach: „Was erzählst du da? Das ist eine unglaubliche Geschichte. Da über deine Zunge nie eine Unwahrheit kommt, bin ich gezwungen zu glauben, dass das alles der Wahrheit entspricht. Wie ließen sich sonst ein solch plötzlicher Charakterumschwung und ein solches Blitzmassaker erklären? Nirgendwo habe ich jemals solch tiefe gegenseitige Freundschaft erleben dürfen wie bei den Yadavas. Außerdem weichen sie niemals auch nur im Geringsten von dem von Krishna ihnen vorgezeichneten Pfad ab, auch nicht im wildesten Getümmel. Dass diese Leute alle Regeln guten Benehmens missachten und einander totschlagen sollten, und das auch noch in Krishnas Anwesenheit, das ist mehr als seltsam. Ein solcher Umschwung findet nur statt, wenn das Ende der Welt bevorsteht.

Ach, Arjuna! Krishna hätte doch dem Kampf Einhalt gebieten können. Hat er nicht versucht, zwischen den Parteien zu vermitteln und sie auf ihre Plätze zu verweisen? Krishna ist doch der erfahrenste Meister der Kriegs- sowie der Friedenskunst. Dass er nicht versucht hat, diese Tragödie zu verhindern, lässt mir diese furchtbare Zerstörungsgeschichte noch erstaunlicher erscheinen.“

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Dharmaraja saß in tiefer Trauer, das Haupt auf die geballte Faust gestützt, die andere Hand auf seinem Knie. Die Tränen rannen ihm fortwährend über die Wangen. Arjuna versuchte, einige Worte des Trostes zu finden: „O König!“ sprach er, „du weißt um Krishnas Größe und Gnade, dennoch stellst du Fragen und hegst Zweifel, ob er dies oder jenes wirklich getan hat. Was soll ich da entgegnen? Das Schicksal der Yadavas gleicht dem unseres eigenen Stammes. Waren wir und die Kauravas nicht Brüder? Auf beiden Seiten hatten wir Verwandte, die uns zugetan waren. Wir hatten denselben Krishna in unserer Mitte, und dennoch mussten wir die Schlacht von Kurukshetra durchmachen. Dieser Krieg hätte doch nie stattgefunden, wenn Krishna es nicht gewollt hätte. Die vier Millionen Krieger, die auf dem Schlachtfeld fielen, wären dann nicht verloren gewesen. Haben wir uns je gewünscht, über dieses Land zu herrschen, nachdem wir alle umgebracht haben? Nichts kann jemals ohne den ausdrücklichen Befehl des Herrn geschehen. Niemand kann sich gegen seinen Willen stellen oder seinem Befehl zuwiderhandeln.

Diese Welt ist die Bühne, auf der jeder die Rolle spielt, die der Herr ihm zugeteilt hat, und auf der jeder so viel Zeit verbringt, wie der Herr ihm gegeben hat. Seinen Anweisungen hat jeder unbedingt und unverzüglich Folge zu leisten. Wir mögen in unserem Stolz denken, dass wir das eine oder andere selbst vollbracht hätten. In Wahrheit jedoch geschieht alles so, wie er es will.“

Nach diesen Worten Arjunas begann Dharmaraja, seine Gedanken auszusprechen: „Arjuna! Viele Gründe haben uns in den Mahabharata-Krieg gezogen. Mit Diplomatie und friedlichen Mitteln haben wir unser Bestes versucht, um unser Königreich, unsere Stellung und alles, was uns rechtmäßig zustand, wiederzuerlangen. Geduldig haben wir viele Beleidigungen und Demütigungen ertragen. Als Ausgestoßene mussten wir im Urwald umherziehen. Durch göttliche Gnade entkamen wir so manchem Anschlag auf unser Leben. Mit Feuer und Gift haben sie versucht, uns zu vernichten. In aller Öffentlichkeit haben sie unsere Königin beleidigt. Mit systematischer Grausamkeit haben sie versucht, unsere Herzen zu brechen.

Dennoch gibt es letztlich immer und überall nur drei Gründe für Krieg: Reichtum, Macht und Frauen. Betrachtet man jedoch das Beispiel der Yadavas, so hatten sie keinerlei Gründe dieser Art, übereinander herzufallen. Es scheint, dass das Schicksal der einzige triftige Grund für diesen verheerenden Umsturz war.

Die Yadavas konnten im Reichtum baden. Es fehlte ihnen weder an Getreide noch an Gold, und ihre Frauen waren wahre Muster an Tugend, treu und ergeben. Nie haben sie sich den Wünschen oder Anordnungen ihrer Gatten widersetzt. Von ihrer Seite her konnte ihren Gebietern keine Beleidigung oder Niederlage kommen. Wie konnte sich dann so plötzlich Zwietracht und gegenseitige Zerstörungswut unter ihnen erheben?“

Arjuna erwiderte: „Lieber Bruder! Wir sehen die äußeren Umstände, die Vorgänge, die zu einem Schlussergebnis führen, und in unserer Unwissenheit urteilen wir, dass gewisse Ursachen bestimmte Wirkungen hervorbringen. Aus bestimmten Umständen ziehen wir Schlüsse über die Art der Empfindungen und Emotionen. Umstände, Ereignisse, Empfindungen und Gefühle sind jedoch nur ,Werkzeuge‘ in den Händen des Herrn und dienen seinem Willen und seiner Absicht. Im richtigen Augenblick gebraucht er sie für seinen Plan und erzeugt den von ihm gewollten Kampf. Er ist die Verkörperung der Zeit. Er kommt als Herr der Zeit, und indem er den Knoten der Handlung auf eine bestimmte Art löst, beendet er das Schauspiel. Dasselbe, was Geburt bewirkt, bewirkt auch den Tod. Er findet für beides in gleichem Maße einen Grund. Versuchen wir je zu ergründen, warum eine Geburt stattfand? Warum wollen wir dann wissen, aus welchem Grunde der Tod eintritt? Es ist geschehen, das genügt. Es ist müßig und überflüssig, nach Gründen zu suchen.

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Der Herr bringt Wesen dazu, weitere Wesen hervorzubringen, und er bewirkt, dass Wesen andere Wesen vernichten. Körper werden geboren, Körper sterben, nichts vergleichbar Tragischeres geschieht bei Geburt oder Tod. Vasudeva hat uns das oft gelehrt. Er wollte uns festen Mut geben; warum sollten wir an seinen Worten zweifeln oder wankelmütig werden?

Man könnte einwenden, dass es ungerecht ist, wenn er, der unsere Geburt bewirkt hat, uns wieder tötet. Zwischen Geburt und Tod hat der Mensch die Möglichkeit, gute Taten oder auch Sünden zu begehen, Verdienst und Schuld, Punya und Papa, anzusammeln, und das hat einigen Einfluss auf den Verlauf der Ereignisse. Innerhalb dieser Grenzen spielt der Herr sein Spiel mit Geburt, Leben und Tod.

Geburt und Tod sind zwei hohe Felsklippen, zwischen denen der Lebensfluss dahinfließt. Der Glaube an die Kraft des Selbst ist die Brücke über den Abgrund, und denen, die diese Kraft und den Glauben daran entwickelt haben, machen Sturmfluten nichts aus. Mit dieser Kraft als sicherer Stütze können sie allen Gefahren ins Auge blicken und das andere Ufer erreichen. Oh König! Dies alles ist nichts als ein gewaltiges Puppenspiel unseres Meisterregisseurs. Wie gestern die Kauravas hatten heute die Yadavas keinerlei eigenständiges Sein. Es hat keinen Zweck, irgendeinem von ihnen Vorwürfe zu machen.

Kann dieser grobstoffliche Körper, der aus den fünf Elementen besteht – nämlich aus Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther – ohne die Anweisungen des Herrn handeln oder sich bewegen? Nein, Gott spielt sein Spiel, indem er bewirkt, dass einer durch den anderen geboren wird und einer durch den anderen stirbt. Welche Erklärung gibt es sonst dafür, dass eine Schlange Eier gebiert, sie wärmt, um die Jungen auszubrüten, und dann die so geborenen Kinder auffrisst? Sie frisst aber davon nur diejenigen, deren Zeit sozusagen um ist. Nicht alle kleinen Schlangen enden so. Die Fische in den Gewässern werden mit Netzen gefangen, wenn ihre Zeit abgelaufen ist; ja, kleine Fische werden von großen gefressen, und diese wiederum werden von noch größeren verschlungen. Das ist Gottes Gesetz. Die Schlange frisst den Frosch, der Pfau die Schlange, das ist sein Spiel. Wer könnte die Gründe dafür ermessen? Die Wahrheit ist: Alles, was geschieht, ist Beschluss dieses Krishna.

Wir können das Geheimnis seines Spiels nicht erfassen. Es ist uns nicht gelungen, es zu verstehen. Sich darüber nun Sorgen zu machen, bringt nichts ein. In dieser trügerischen menschlichen Gestalt verkehrte er mit uns, setzte sich mit uns an den Tisch und handelte, als sei er unser Verwandter und Führer, Freund und Gönner. Aus manchem Unheil, das uns zu überwältigen drohte, hat er uns errettet. Er überschüttete uns mit seiner göttlichen Gnade und löste für uns die schwierigsten, unlösbar scheinenden Probleme auf bemerkenswert einfache Weise. Die ganze Zeit, in der er uns der Nächste und Liebste war, ließen wir uns vom Stolz über den Besitz seiner Gnade verführen. Wir haben versäumt, uns mit der allerhöchsten Freude zu sättigen, die darin besteht, tief in die Fluten seiner Gnade einzutauchen. Wir haben von ihm nur äußerlichen Sieg und vergänglichen Gewinn zu erlangen gesucht. Den großen Reichtum, mit dem wir unsere Herzen hätten füllen können, haben wir missachtet. Wir haben nie über sein wahrhaftes, wirkliches Sein nachgedacht.

Er hat uns fünf behütet wie seine fünf Lebensenergien. Kein Unterfangen war ihm zu gering, uns darin zu helfen und zu führen und alles für uns zu tun. Bruder, was soll ich noch sagen? Wir mögen noch viele Male geboren werden, aber solch einen Freund und Verwandten finden wir nie wieder. Von ihm habe ich eine Liebe erfahren, die inniger war als die einer Mutter, eine Liebe, wie keine Mutter sie geben kann.

Bei so vielen Gelegenheiten hat er die Lasten der Pandavas auf seine Schultern genommen. Um uns von Mühen zu befreien, hat er innerhalb von Minuten Maßnahmen ersonnen und erfolgreich durchgeführt. Nur durch seine Gnade haben wir Pandavas bis heute in dieser Welt überlebt.

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Wozu noch tausend Einzelheiten aufzählen? Jeder Blutstropfen, der durch diese Adern rinnt, ist nichts als ein Tropfen seines Gnadenregens. Jeder Muskel ist ein Stück seiner Liebe, jeder Knochen und jeder Knorpel nur ein Teil seiner Barmherzigkeit. Und wir haben dieses Geheimnis nicht verstanden, stolzierten herum und brüsteten uns: „Ich habe dies vollbracht!“ und „Ich habe das erreicht!“ Nun erst wird uns deutlich, dass wir ohne ihn nichts sind als leere Hüllen.

Natürlich, alle Menschen erleiden das gleiche Schicksal. Sie vergessen, dass der Alleinherrschende, Allwissende, Allmächtige mit ihnen wie mit Puppen spielt. Sie denken, dass sie die tatsächlich Handelnden und Genießenden sind, und versinken wie ich im Nichterkennen der grundlegenden Wahrheit. Wenn schon wir berühmten Helden und Krieger dieser Illusion erliegen, was wollen wir dann von gewöhnlichen Menschen erwarten, die keine Möglichkeit haben, zu diesem Wissen zu erwachen?

GURU PURNIMA IN PRASANTHI NILAYAM

Anlässlich von Guru Purnima, das am 24. Juli 2021 in Prasanthi Nilayam gefeiert wurde, wurde Bhagavan Sri Sathya Sai Baba, dem Sadguru von Millionen von Anhängern in aller Welt, große Ehre erwiesen.

Das Programm begann um 8.00 Uhr mit dem regelmäßigen Veda-Gesang. Um 8.25 Uhr begann das heilige Guru Purnima Programm mit dem Guru Stotra "Akhanda Mandalakaram Vyaptam Yena Characharam Tatpadam Darshitam Yena Tasmai Sri Gurave Namah" (Gruß an den Guru, der die Verwirklichung des Höchsten Wesens gewährt). Danach sprach Sri S.S. Naganand, Treuhänder des Sri Sathya Sai Central Trust, in der geschmackvoll dekorierten Sai Kulwant Halle zu den Anwesenden. Sri Naganand verwies auf Bhagavan Sri Sathya Sai Baba als den Höchsten Sadguru und hob die vier Stufen der spirituellen Entwicklung hervor: Salokya (Wahrnehmung), Sameepya (Nähe), Sarupya (Identität), Sayujya (Verschmelzung) und forderte alle auf, die letzte Stufe der Verschmelzung mit Gott zu erreichen.

Sri Sathya Sai Global Council

Sri Naganand erläuterte dann die Ziele und Prinzipien des Sri Sathya Sai Global Council, eines Weltgremiums, das an diesem heiligen Tag ins Leben gerufen wurde, um die Aktivitäten der Sai-Organisationen in Indien und in den Übersee-Ländern zu koordinieren und zu überwachen. Bei der Erläuterung der Bedeutung und des Umfangs des Sri Sathya Sai Global Councils bemerkte der angesehene Redner, dass es notwendig war, ein globales Gremium der Sai Organisationen Indiens und der überseeischen Länder einzurichten, da die UNO (Organisation der Vereinten Nationen) der Sai Organisation einen beratenden Status zuerkannt hatte. Sri Naganand betonte, dass diese Organisation alle Sai-Zentren in der Welt vereinen und gemeinsam für Bhagavans Mission des Dienstes an der Menschheit arbeiten solle.

Der Vorsitzende des Sri Sathya Sai Global Council, Sri K. Chakravarthi, hielt anschließend die Begrüßungsansprache. Sri Chakravarthi begrüßte den Global Council als Repräsentation des großen Bharatiya-Konzepts von Vasudhaiva Kutumbakam (die ganze Welt ist eine einzige Familie) und bemerkte, dass der vorgeschlagene Globale Council die gemeinsame göttliche Plattform für all jene sein werde, die sich für die Förderung und Stärkung der Sai-Mission weltweit einsetzen. Er rief alle

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Devotees aus der ganzen Welt auf, sich dieser historischen Bewegung zum Wohle der gesamten Menschheit anzuschließen.

Dann wurde die Zeremonie der Einweihung des Sri Sathya Sai Global Council zu den Lotusfüßen Bhagavans durchgeführt, an der hochrangige Amtsträger der Sai Organisation teilnahmen, darunter die Treuhänder des Sri Sathya Sai Central Trust und der gesamtindische Präsident der Sri Sathya Sai Seva Organisation.

Sri Nimish Pandya, stellvertretender Vorsitzender des SSSGC, verkündete dann, dass die Sri Sathya Sai Seva Organisation glücklich sei, dem Global Council beizutreten und rief alle Sai-Zentren in der Welt auf, sich dem Global Council anzuschließen, um ihn zu einer riesigen Sai-Familie weltweit zu machen. Die gesamte Sai-Familie, so sagte er, habe das Ziel der Einheit. Es sei sehr passend, dass Prasanthi Nilayam, der Wohnsitz Bhagavans, der Hauptsitz des Sri Sathya Sai Global Councils sei, so der bedeutende Redner.

Es folgte eine Videopräsentation, die das Prinzip der Welteinheit hervorhob und die Lehre Bhagavans zeigte, dass sich Göttlichkeit dort manifestiert, wo Einheit und Reinheit herrschen.

Eine stimmungsvolle musikalische Darbietung

Ein musikalischer Strauß "Guru Vandana" (Verehrung des Gurus) wurde dann zu den Lotusfüßen von Sadguru Bhagavan Sri Sathya Sai Baba von der Prasanthi Mandir Bhajan Gruppe dargebracht. Das von Melodie, Musik und Hingabe geprägte Programm umfasste eine Reihe von herzergreifenden Kompositionen, darunter: "Sai Tum Hamaare Pran Ho" (Sai, Du bist unser Lebensprinzip), "Sathya Dharmamu Santhi Premalato Nee Nitya Jivana Yatra Saginchu" (führe die Reise deines Lebens nach den Prinzipien von Sathya, Dharma, Santhi, Prema), "Jaya Gurudeva Jaya Narayana" (begrüße den Sadguru Lord Narayana).

Es folgten Bhajans und zum Abschluss Arati, welches das Ende der morgendlichen Veranstaltung markierte.

Bhagavans Guru Purnima-Botschaft

Das Abendprogramm begann um 17.25 Uhr nach dem regelmäßigen Veda-Gesang. Die erste Präsentation im Abendprogramm wurde von Sri Sathya Sai Vidya Vahini gehalten, welche die Einführung von zwei innovativen Werkzeugen für die Bildung markierte. Das erste war die SAIN IN App, die Lehrern und Jugendlichen in ländlichen und städtischen Randgebieten helfen sollte, Englischkenntnisse zu erwerben. Das zweite war ein Tablet mit dem Inhalt von Sri Sathya Sai Vidya Vahini.

Darauf folgte die Ansprache von Bhagavan, der die wahre Bedeutung und den Sinn von Guru Purnima aufzeigte. Guru Purnima, sagte Bhagavan, ist der Zustand der totalen Erleuchtung ohne jegliche Dunkelheit der Unwissenheit. Über die Qualitäten des Gurus sagte Bhagavan, dass es die Kombination von Gelehrsamkeit und Erfahrung sei, die ihn zu einem wahren Guru mache, der einen Schüler auf seiner spirituellen Reise zum endgültigen Ziel der Gottverwirklichung führen und leiten könne.

Musikprogramm der Prasanthi Mandir Bhajan Gruppe

Danach folgte eine erhabene musikalische Darbietung für Bhagavan an diesem heiligen Fest. Die Prasanthi Mandir Bhajan Group präsentierte eine großartige musikalische Darbietung, die die folgenden Kompositionen enthielt: "Sai Nama Smaranam Sai Rupa Dhyanam" (sich an den Namen Sai erinnern und über seine Form kontemplieren), "Abhayahastamu Sai Abhayahastamu" (Sais Hände des Segens), "O Mere Sai Baba Tera Hum Naam Lenge" (O Lord Sai, wir werden deinen Namen singen).

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Während die Bhajans weitergingen, wurde das Buch "My Loving Swami" (Mein liebender Swami) eines ehemaligen Studenten des Sri Sathya Sai Institute of Higher Learning, Sri 'Kadu' Balasubramanyam Parasuraman, vorgestellt. Bhajans, die dem Guru gewidmet waren, gefolgt von Arati, bildeten den Abschluss der Guru Purnima-Feierlichkeiten.